Impfungen und Krebserkrankungen
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257 15 Impfungen und Krebserkrankungen Angelika Wagner und Ursula Wiedermann-Schmidt 15.1 Krebserkrankung und Infektionen – 258 15.2 Prävention mittels Impfungen – 258 15.2.1 Lebend- und Totimpfstoffe – 258 15.2.2 Applikation von Impfstoffen – 259 15.2.3 Wirkung von Impfstoffen – 259 15.2.4 Adjuvanzien – 259 15.2.5 Nebenwirkungen von Impfungen – 260 15.2.6 Überprüfung des Impfschutzes – 260 15.3 Impfungen bei onkologischen PatientInnen – 260 15.3.1 Zeitliche Planung von Impfungen – 262 15.3.2 Operationen und Impfungen – 264 15.3.3 Allgemeine Impfempfehlungen – altersabhängig (die Empfeh- lungen können zwischen CH, D und Ö abweichend sein) – 264 15.3.4 Spezielle Impfempfehlungen für KrebspatientInnen – 265 15.3.5 Spezielle Impfempfehlungen für KrebspatientInnen im Kindesalter – 268 15.3.6 Spezielle Impfempfehlungen bei PatientInnen mit hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT) – 268 15.3.7 Reiseimpfungen – 272 15.4 Impfempfehlungen für PatientInnenangehörige und Kontaktpersonen – 272 Literatur – 273 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Crevenna (Hrsg.), Onkologische Rehabilitation, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57982-4_15
258 A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt 15.1 Krebserkrankung und bestandteilen bzw. abgetöteten oder abge- Infektionen schwächten Erregern verabreicht mit dem Ziel eine schützende Immunantwort gegen diesen Krebserkrankungen gehen meist mit einer be- Erreger aufzubauen, ohne die Erkrankung einträchtigten Funktion des Immunsystems auszulösen oder sie durchmachen zu müssen. einher. Je nach Krebsart und Tumorstadium Durch diese schützende Immunantwort soll kann die Immunsuppression unterschiedlich der Geimpfte in weiterer Folge bei Kontakt stark ausfallen und wird zusätzlich noch durch mit dem Erreger vor der Erkrankung bewahrt die verabreichte Therapie und die mit der Er- werden (Individualschutz) und dadurch aber krankung einhergehenden Malnutrition ver- auch ungeschützte Kontaktpersonen nicht stärkt (Alwarawrah et al. 2018). Diese sowie anstecken können (Herdenschutz). Dies be- individuelle Faktoren (z. B. Alter, Malnutrition deutet, dass ungeschützte Personen, die ent- oder Komorbiditäten) beeinflussen nicht nur weder zu jung für Impfungen sind (Säuglinge) die zelluläre (Neutropenie, eingeschränkte B- oder die aufgrund ihres Immunstatus nicht und T-Zellfunktion), sondern auch die humo- geimpft werden können bzw. die keinen aus- rale (Antikörper) Immunabwehr und machen reichenden Schutz nach Impfungen aufbauen KrebspatientInnen dadurch empfänglicher für können, indirekt vor impf-präventablen Er- Infektionen (Baden et al. 2016; Steele 2012). krankungen geschützt werden. Je höher die Zudem verlaufen Infektionen in diesem Pati- Durchimpfungsraten in einer Bevölkerung entInnenklientel meist schwerer. Um das Ri- sind, desto besser ist auch der Herdenschutz siko von Infektionskrankheiten zu reduzieren, und somit die Möglichkeit Epidemien zu ver- werden Impfungen und in gewissen Fällen hindern. prophylaktisch Antiinfektiva verabreicht. Es ist jedoch zu beachten, dass je nach Grad der Im- munsuppression auch die Wirkung von Imp- 15.2.1 Lebend- und Totimpfstoffe fungen reduziert ist. Bei Impfstoffen wird zwischen Totimpfstoffen (s. . Tab. 15.1), die nicht mehr vermehrungs- 15.2 Prävention mittels fähige Erreger (Ganzzellimpfstoff) bzw. Erre- Impfungen gerbestandteile (Subunitimpfstoffe) enthalten, und Lebendimpfungen, die abgeschwächte (at- Impfungen (aktive Immunisierungen) leisten tenuierte) Erreger beinhalten, unterschieden einen wesentlichen Beitrag in der Prävention (s. . Tab. 15.2). Stehen für einen Erreger Le- von impf-präventablen Infektionserkrankun- bend- und Totimpfstoffe zur Verfügung, so ist 15 gen. Im Rahmen einer Impfung wird eine bei KrebspatientInnen immer der Totimpfstoff definierte Menge an aufgereinigten Erreger- zu bevorzugen. . Tab. 15.1 Totimpfstoffe Totimpfstoffe Ganzzellimpfstoffe Polio (Salk), Hepatitis A, FSME Toxoidimpfstoffe Diphtherie, Tetanus Subunitimpfstoffe Hämophilus influenzae B, Hepatitis B, Herpes Zoster, HPV, Influenza (Stichimpfung), Meningokokken, Pertussis, Pneumokokken, Typhus
Impfungen und Krebserkrankungen 259 15 (Isotypenswitch und Affinitätsreifung). Eine . Tab. 15.2 Lebendimpfstoffe Ausnahme stellen Polysaccharidimpfstoffe dar Lebendimpfstoffe (z. B. 23-valenter Pneumokokken-Impfstoff), bei denen die Antikörperproduktion auch ohne MMR (Masern, Mumps, Röteln) T-Zell Hilfe abläuft. Ziel ist es, dass nach dieser Varizellen aktiven Auseinandersetzung mit dem Impfanti- gen, langlebige B- und T-Gedächtniszellen so- Herpes Zoster wie antikörperproduzierende zurückbleiben, Rotavirus um bei Kontakt mit dem jeweiligen Erreger Gelbfieber schnell aktiviert werden zu können und somit den Geimpften in Zukunft vor der Erkrankung Influenza (intranasal; EMA-Zulassung bis 18. zu schützen. Die Schutzwirkung wird nun einer- Lebensjahr) seits durch die bereits vorhanden antigenspezi- fischen Antikörper vermittelt, die Erreger neut- ralisieren sowie für die weitere Immunabwehr 15.2.2 Applikation von markieren (opsonieren) können, andererseits Impfstoffen können die vortrainierten Effektor-Gedächtnis- zellen infizierte Zellen erkennen und unschäd- Die Verabreichungsroute hängt vom jeweiligen lich machen und somit die Erregerausbreitung Impfstoff ab. Meist werden Totimpfstoffe intra- frühzeitig eindämmen. Die Dauer dieser Schutz- muskulär verabreicht (M. deltoideus bei Er- wirkung hängt zum einem von der Art des wachsenen, M. vastus lateralis bei Kindern). Impfstoffes ab; grundsätzlich hält der Schutz Bei manchen Totimpfstoffen wurde die Wirk- von Lebendimpfstoffen aufgrund des stärkeren samkeit auch für die subkutane Applikation Stimulus für das Immunsystem länger an (bis zu ausgetestet (siehe jeweilige Fachinformation). lebenslanger Schutz) als der von Totimpfstoffen, Lebendimpfstoffe werden in der Regel subku- die in Intervallen wieder aufgefrischt werden tan verabreicht (siehe jeweilige Fachinforma- müssen. Zum anderen können Faktoren wie Er- tion). Bei der Auswahl der Lokalisation ist krankungen, Therapien und Alter die Schutz- auch der Lymphabfluss zu berücksichtigen, wirkung und dauer maßgeblich beeinflussen weswegen z. B. bei einseitiger Mastektomie mit (Abbas et al. 2018). Lymphknotenresektion Impfungen am kontra- lateralen Arm verabreicht werden sollten. 15.2.4 Adjuvanzien 15.2.3 Wirkung von Impfstoffen Totimpfstoffen und speziell Subunitimpfstoffen werden häufig Adjuvanzien hinzugefügt. Dabei Die Wirksamkeit einer Impfung beruht auf der handelt es sich um Hilfsstoffe, die über Entzün- Auseinandersetzung des Immunsystems mit dungsreize die Antigenpräsentation und Stimu- dem Impfstoff. In Impfstoffen enthaltene (Erre- lation der T-Zellen verbessern können und somit ger-)Antigene werden (über Mustererken- die Qualität und Quantität der Immunantwort nungsrezeptoren) von Antigen-präsentierenden steigern (Bastola et al. 2017). Lebendimpfstoffe Zellen aufgenommen, verarbeitet und an Impf- enthalten keine Adjuvanzien, da sie ausreichend antigen-spezifische T-Lymphozyten präsentiert. immunogen sind. Adjuvanzien können einer- Dadurch kommt es zur Aktivierung dieser seits eine Depot-, Vehikel- oder Carrierfunktion T-Zellen, die einerseits selbst Effektorfunktio- aufweisen, andererseits auch als Immunstimu- nen ausüben können bzw. aktivierten Impfanti- lanzien wirken. gen-spezifischen B-Lymphozyten bei der Anti- Das am längsten und häufigsten eingesetzte körperproduktion helfen und diese verbessern Adjuvans sind Aluminiumsalze, die eine gute
260 A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt Verträglichkeit aufweisen. Andere derzeit zuge- spiegel als Surrogatmarker für das Ansprechen lassene/neuere Adjuvanzien sind bakterielle Be- auf die jeweilige Impfung zu messen (Impfplan standteile (TLR4 und die nicht-toxische Cholera- Österreich 2018; Niehues et al. 2017) toxin-B-Untereinheit), Öl-basierte Emulsionen (s. . Tab. 15.3). Es ist zu beachten, dass es nicht (MF-59, AS03 und Montanide) oder Virosomen für jedes Impfantigen ein Schutzkorrelat gibt und Liposomen (AS01). In der Fachinformation und ein abfallender Antikörperspiegel nicht ist stets aufgelistet ob und wenn welches Adju- immer einen Verlust der protektiven Immuni- vans in einem Impfstoff enthalten ist. tät bedeuten muss. Für die Interpretation ist es jedenfalls wichtig, nur Ergebnisse von validier- ten Tests heranzuziehen und individuelle Fak- 15.2.5 Nebenwirkungen von toren wie Impfanamnese, Alter, Therapie und Impfungen Erkrankungen mit ein zu beziehen. Generell wird ein 4-facher Titeranstieg nach Impfung Im Rahmen der Immunreaktion nach Verabrei- als erfolgreiche Impfantwort interpretiert. Die chen einer Impfung kann es auch zu Nebenwir- Titerbestimmung sollte frühestens 4 Wochen kungen kommen. Laut Definition spricht man nach der Impfung (abgeschlossene Grundim- von einem „Adverse Event Following Immunisa- munisierung oder Booster) erfolgen. Für die tion“ (AEFI), wobei hiermit jegliches uner- Interpretation eines Titeranstiegs wird zusätz- wünschtes Ereignis nach einer Impfung unab- lich ein Ausgangswert vor Impfung als Refe- hängig von der Kausalität gemeint ist renz benötigt. Da bei KrebspatientInnen der (Wiedermann-Schmidt et al. 2013). AEFI’s kön- zeitliche Verlauf der Immunrekonstitution in- nen nun einerseits anhand der Ursache aufge- dividuell sehr unterschiedlich sein kann ist es schlüsselt werden, wie z. B. bedingt durch das empfehlenswert das Ansprechen auf (Booster-) Impfprodukt, Impfqualitätsmangel, Impfanwen- Impfungen mittels Titeranstieg serologisch zu dungsfehler, Impfangst oder dass es sich um ein überprüfen. Bei PatientInnen nach Stammzell- zufällig gleichzeitiges Ereignis handelt. Anderer- transplantation ist zu beachten, dass Antikör- seits werden sie nach klinischen Kategorien (lo- perspiegel in den ersten Monaten nach Trans- kale, systemische, allergische, neurologische oder plantation noch vom Spender kommen andere Reaktionen) und Häufigkeit eingeteilt. können. Wobei am häufigsten lokale Reaktionen wie Rö- tung, Schwellung oder Schmerzen an der Impf- stelle verzeichnet werden. Das Verabreichen von 15.3 Impfungen bei Lebendimpfstoffen in Phasen der Immunsup- onkologischen PatientInnen pression ist üblicherweise kontraindiziert, da es 15 zu mitunter zu schwerwiegenden Nebenwirkun- Voraussetzung, um eine schützende Immun- gen kommen kann, die absolut vermeidbar sind. antwort aufbauen zu können, ist ein funkti- Somit sollte man vor der Anwendung von Leben- onsfähiges Immunsystem. Bei onkologi- dimpfstoffen bei onkologischen PatientInnen schen PatientInnen hat sich gezeigt, dass die immer eine genaue Prüfung der Kontraindikatio- Wirksamkeit von Impfungen in Abhängig- nen durchführen. keit von der Tumorentität sowie dem Tumorstadium, aber auch der Therapie ver- ringert sein kann. Generell ist die Immun- 15.2.6 Überprüfung des antwort bei hämatologischen Erkrankungen Impfschutzes im Gegensatz zu soliden Tumoren stärker eingeschränkt. Gleichzeitig wirkt sich aber Es besteht die Möglichkeit für gewisse impf- auch der Zeitpunkt einer Impfung auf den präventable Erkrankungen den Antikörper- Impferfolg aus.
Impfungen und Krebserkrankungen 261 15 . Tab. 15.3 Titerüberprüfung zur Kontrolle des Impferfolgs. (Quelle: Niehues et al. 2017; Wiedermann et al. 2016) Impfstoff Testme- Grenzwerte Kommentar thode Diphtherie ELISA ≥0,1 IE/ml FSME ELISA, NT ELISA: cave kreuzreagierende IgG-Ak anderer Flaviviren Hepatits A ELISA ≥10 IE/ml Anti-HAV-Ak Hepatitis B ELISA ≥10 IE/ml Korrelat für Langzeitschutz: ≥100 IE/ml Anti-Hbs-Ak HiB ELISA ≥0,15 μg/ml IgG Korrelat für Langzeitschutz: ≥1 μg/ml Anti-PRP IgG Masern ELISA, NT n.d.; IgG-pos. Meningo- ELISA n.d. Schutz serotypenspezifisch; für serumbakterizide Ak kokken (hSBA) ≥1:4 Mumps ELISA, NT n.d.; IgG-pos. Pertussis ELISA n.d. Beurteilbar ist nur Ak-Anstieg bzw. Seronegativität Pneumo- ELISA ≥0,35 μg/ml Grenzwert bezieht sich auf einen ELISA ohne kokken 22F-Präadsorption (mit Präadsorption spezifischer). konj. Kommerzielle Kits weisen Ak gegen ein Pneumokok- kengemisch nach – keine Aussage über einzelne Serotypen möglich; Opsonophagozytose-Antikörper (OPA)-spezifische Assays sind derzeit kommerziell nicht verfügbar Polio (IPV) NT IgG-pos. Röteln ELISA Grenzwert abhängig vom Testverfahren Tetanus ELISA ≥0,1 IE/ml Tollwut RFFIT, ≥0,5 IE/ml (bei ELISA ELISA: ≥0,5 EU/ml) Varizellen ELISA, NT n.d.; IgG pos. ELISA = Enzyme-Linked Immuno Sorbent Assay; NT = Neutralisationstest; HiB = Haemophilus influenzae B; n.d. = nicht definiert; RFFIT = Rapid-Fluorescent-Focus-Inhibition-Test Vorgehen 5 Kontraindikationen der jeweils indi- 5 Impfanamnese – Indikation für Imp- zierten Impfstoffe prüfen fungen prüfen 5 Aufklärung des PatientInnen (besonders 5 Immunstatus erheben und eventuell im Fall von Off-label-Anwendungen) Titerüberprüfungen veranlassen 5 Optimalen Zeitpunkt für Impfungen festlegen – Zeitplan erstellen
262 A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt 15.3.1 Zeitliche Planung von können und diese Impfungen sollten daher Impfungen nicht als vollwertiger Booster angesehen wer- den. Hier empfiehlt es sich, den Titer nach der Der optimale Zeitpunkt für Impfungen und so- Impfung zu kontrollieren (Mindestabstand mit das Erreichen eines Impfschutzes ist vor 4 Wochen zur Verabreichung) und/oder nach Einleitung einer immunsuppressiven Therapie Ende der Therapie und Wiedererreichen der (Chemo-, Radio- oder Biologikatherapie) Immunkompetenz (Mindestabstand 3 Monate) (. Tab. 15.4). Impfungen sollten nicht am sel- nachzuimpfen. Es wurde bei Brustkrebspatien- ben Tag wie die Verabreichung von zytotoxi- tinnen gezeigt, dass zu Beginn einer Chemothe- schen Therapien gegeben werden. Unter laufen- rapie mit einer besseren Wirksamkeit von einem der Therapie ist nur die Verabreichung von inaktivierten Influenzaimpfstoff und höheren Totimpfstoffen sicher, Lebendimpfstoffe sind Antikörpertitern zu rechnen ist als im weiteren kontraindiziert, da es zu Impfvirus-assoziierten Verlauf einer Chemotherapie. Wobei dieser Ef- Infektionen/Erkrankungen kommen kann fekt von der Tumorentität abhängen könnte wie (. Tab. 15.5). Bei Verabreichen von Totimpf- es für den inaktivierten Influenzaimpfstoff bei stoffe innerhalb von 14 Tagen vor Beginn der Patientinnen mit Brustkrebs im Vergleich zu Chemotherapie (CTx) bzw. unter laufender PatientInnen mit kolorekalen Karzinomen (kein Chemotherapie ist damit zu rechnen, dass diese Unterschied zwischen früher oder später Imp- nur eingeschränkt bis gar nicht wirksam sein fung unter CTx) gezeigt wurde (Wumkes et al. . Tab. 15.4 Impfungen vor Chemotherapie Indikationsbereich Impfantigen Kommentar Alle KrebspatientIn- Diphtherie-Tetanus-Pertussis- Falls Booster oder Komplettierung der nen Polio Grundimmunisierung fällig Masern-Mumps-Röteln Überprüfung der Immunität und ggf. Impfung, cave: Kontraindiktionen Varizellen Influenza Jährlich Hepatitis B Falls Booster oder Komplettierung der Grundimmunisierung fällig, ev. Titerkontrolle Pneumokokken (PCV13 + Abstand 8 Wochen PPV23) 15 Herpes Zoster (Totimpfstoff ) Bei VZV-seropositiven Erwachsenen Zusätzlich altersab- Haemophilus influenzae (HiB) Pädiatrische PatientInnen und Lungenkrebs- hängig patientInnen Meningokokken (B, C, ACWY) Kinder und Jugendliche gemäß nationalen Empfehlungen Rotavirus Säuglinge bis 6. Lebensmonat/gemäß nationalen Empfehlungen Hepatitis A Gemäß nationalen Empfehlungen, bei Indikation (Reise), Kinder in Gemeinschaftsein- richtungen HPV Ab 9 Jahren/gemäß nationalen Empfehlungen Zusätzlich bei FSME Bei Indikation/gemäß nationalen Empfehlungen Exposition
Impfungen und Krebserkrankungen 263 15 . Tab. 15.5 Impfungen während Chemotherapie (wenn vor der Chemotherapie nicht möglich) Impfantigen Kommentar Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Polio Möglich, Titerkontrolle erwägen Influenza (Totimpfstoff ) Möglich (bevorzugt am Beginn der CTx oder während Zyklen (Keam et al. 2017) bzw. 2-malige Impfung (Rousseau et al. 2012) Pneumokokken (PCV13, PPV23) Möglich HiB Möglich, besonders Kinder Hepatitis (A, B) Möglich, Titerkontrolle erwägen Meningokokken Möglich HPV Keine Daten FSME Keine Daten (aufgrund Epidemiologie erwägen) Herpes Zoster (Totimpfstoff ) Keine Daten Lebendimpfstoffe (MMR, VZV) Kontraindiziert Cave: Ansprechen auf Impfung, deswegen wenn möglich Titerkontrollen durchführen. Booster während der Chemotherapie sollten 3 Monate nach CTx wiederholt werden 2013). Nach Beendigung einer Therapie nimmt Praxistipp die Wirksamkeit wieder zu (Bektas et al. 2007; Goossen et al. 2013). Man rechnet mit einem Zeitliche Planung von Impfungen: guten Ansprechen auf Totimpfstoffe ≥3 Monate Ideal: Verabreichen von Impfungen vor ge- nach Ende einer Chemotherapie. Die sichere planter Immunsuppression Anwendung von Lebendimpfstoffen ist erst wie- Totimpfstoffe: ≥2 Wochen vor Start der CTx der ≥6 Monate nach Chemotherapie (in Remis- bzw. elektiver Splenektomie sion, bei Erwachsenen: Lymphozyten >1500/μl) Lebendimpfstoffe: ≥4 Wochen vor Start der möglich. Eine Radiotherapie bewirkt eine hoch- CTx gradige Immunsuppression, weswegen die Während laufender Chemo- und Radiothera- Wirksamkeit von Totimpfstoffen während der pie: Therapie fraglich ist und Lebendimpfstoffe frü- Totimpfstoffe möglich hestens 6 Wochen nach Beendigung und einer Lebendimpfstoffe kontraindiziert Lymphozytenzahl > 1500/μl erst wieder gege- Nach beendeter CTx: ben werden dürfen. Im Fall einer anti-B-Zell-An- Totimpfstoffe: gutes Ansprechen: ≥3 Monate tikörpertherapie (z. B. Rituximab) sind Impfun- nach der CTx gen unter laufender Therapie weitgehend Lebendimpfstoffe: ≥6 Monate nach CTx (i.e. wirkungslos, mit einer Wirksamkeit von Tot- 3 Monate nach Immunrekonstitution) impfstoffe ist mindestens 6 Monate nach Been- Nach beendeter Radiotherapie: digung der Therapie wieder zu rechnen, Leben- Lebendimpfstoffe: Mindestabstand 6 Wochen dimpfstoffe sollten frühesten nach 12 Monaten und Lymphozytenzahl >1500/μl wieder verabreicht werden (. Tab. 15.6). Obwohl die Wirksamkeit von Impfungen bei KrebspatientInnen im Vergleich zu gesun- den Personen vermindert ist, so hat sich an- Wichtig: Unter laufender Chemotherapie hand von Studien gezeigt, dass diese trotzdem sind Lebendimpfstoffe kontraindiziert! die Morbidität und Mortalität senken können.
264 A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt . Tab. 15.6 (Booster-)Impfungen nach Chemotherapie (>3 Monate Abstand) Impfantigen Kommentar Diphtherie-Tetanus-Pertussis- Empfohlen Polio Influenza (Totimpfstoff ) Routinemäßig 1x jährlich Pneumokokken (PCV13, PPV23) Empfohlen Hepatitis (A, B) Hepatitis A: altersentsprechend (Kinder) laut nationalen Empfehlun- gen, bei Indikation (Reise) Hepatitis B: empfohlen, Titerkontrolle erwägen HiB Altersentsprechend (Kinder) laut nationalen Empfehlungen Meningokokken (B, C, ACWY) Altersentsprechend (Kinder, Jugendliche) laut nationalen Empfehlungen HPV Altersentsprechend laut nationalen Empfehlungen Herpes Zoster (Totimpfstoff ) Empfohlen (keine Daten) MMR, VZV >6 Monate nach Chemotherapie (bzw. 3 Monate nach Immunrekons- titution) bei seronegativen PatientInnen 15.3.2 Operationen und sierung gegen Hepatitis B (HBV). Je nach Alter Impfungen kommen zusätzlich Empfehlungen hinzu: 5 Im Kindesalter: Haemophilus influenzae Es wird empfohlen, Impfungen mit Totimpf- (HiB im 6-fach-Kinderimpfstoff inklu- stoffen spätestens drei Tage vor geplanten Ope- diert), Pneumokokken, Meningokokken, rationen und Impfungen mit Lebendimpfstof- Rotavirus, Hepatitis A (HAV) fen spätestens 14 Tage davor durchzuführen, 5 Im Jugendalter: HPV, Meningokokken um eine optimale Impfantwort zu erreichen. 5 Ab dem 50. Lebensjahr: Pneumokokken Bei dringenden Operationen sind diese Inter- und Herpes Zoster valle hinfällig. 5 Abhängig von der Exposition: FSME sowie andere reisemedizinische relevante Imp- fungen 15 15.3.3 Allgemeine Impfempfehlun- Je nach Erkrankung werden gewisse Impfungen gen – altersabhängig (die auch in anderen Altersgruppen empfohlen. Bei- Empfehlungen können zwi- spiel Asplenie (anatomisch oder funktionell): schen CH, D und Ö abwei- Hier werden in jedem Lebensalter aufgrund des chend sein) erhöhten Infektionsrisikos mit bekapselten Bakterien die Impfungen gegen H. influenzae Grundsätzlich gilt, dass auch onkologische Pa- (einmalig), Pneumokokken (alle 5 Jahre) und tientInnen altersentsprechend gemäß den Meningokokken empfohlen (ACWY: alle 5 Empfehlungen geimpft sein sollten. Diese um- Jahre; Men B: derzeit keine Empfehlung bezüg- fassen altersunabhängig Basisimpfungen wie lich Auffrischung verfügbar) (Wiedermann die Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Polio-Kom- et al. 2016). Die erste Impfung sollte idealer- binationsimpfung, Masern-Mumps-Röteln und weise bis 14 Tage vor Splenektomie bzw. Thera- Varizellen (sofern keine natürliche Immunität pieeinleitung mit zu erwartender nachfolgender besteht), Influenza sowie eine Grundimmuni- funktioneller Asplenie erfolgen.
Impfungen und Krebserkrankungen 265 15 In Bezug auf Routineimpfungen haben epi- 15.3.4 Spezielle demiologische Daten gezeigt, dass Krebspati- Impfempfehlungen für entInnen schlechter geschützt sind als Gesunde. KrebspatientInnen Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Titer während der Therapie abfallen (Zignol et al. Zusätzlich zu den allgemein empfohlenen 2004). Insgesamt gibt es leider wenig Daten, vor Impfungen gibt es erweiterte, altersunabhän- allem bezüglich der Schutzrate von Impfungen gige Empfehlungen für KrebspatientInnen. bezogen auf unterschiedliche Tumorentitäten Diese betreffen Impfungen gegen Influenza, und Therapieformen. Bei Kindern wurde ge- Pneumokokken, Hämophilus influenzae und zeigt, dass Antikörper gegen Diphtherie, Teta- Herpes Zoster. nus, Pertussis, Masern, HiB und HBV nach er- folgreicher Chemotherapie bzw. HSZT signifikant niedriger waren als in Gesunden 15.3.4.1 Influenza und die Seroprotektionsrate signifikant durch Influenzainfektionen bei KrebspatientInnen Impfung nach beendeter Therapie angehoben führen zu einer erhöhten Hospitalisationsrate, werden konnte (Kwon et al. 2012; Zengin und Therapieunterbrechungen/-verzögerungen Sarper 2009; Zignol et al. 2004). Eigene Daten und gehen mit einer erhöhten Komplikations- von erwachsenen KrebspatientInnen zeigen, rate einher (Bitterman et al. 2018). Die epide- dass bei LymphompatientInnen Antikörperti- miologische Datenlage zu Inzidenz und Mor- ter gegen alle gemessenen Antigene (Diphthe- talität hingegen schwankt je nach Studie und rie, Tetanus, Pertussis, MMRV, HAV und HBV) ist aufgrund der unterschiedlichen Tumorenti- absinken. Im Vergleich dazu bei PatientInnen täten und des Immunstatus nicht einheitlich mit soliden Tumoren es nur bei einem Teil der (Kunisaki und Janoff 2009). Auch wenn bei Spezifitäten zu einer Reduktion der Titer KrebspatientInnen das serologische Anspre- kommt (Diphtherie, Tetanus, Masern und He- chen auf die Influenzaimpfung geringer ausfal- patitis B) (Manuskript in Vorbereitung). Diese len kann, so lässt sich trotz laufender Therapie Daten unterstreichen die Wichtigkeit den Impf- ein Titeranstieg messen (Kotecha et al. 2016; status vor Therapie zu aktualisieren, da vor al- Nakashima et al. 2017; Vollaard et al. 2017). lem das Ausgangsniveau der Antikörpertiter Generell hängt die Wirksamkeit von saisona- mit bestimmt, ob diese während der Therapie len Influenza-Impfstoffen davon ab, wie gut die unter die Schutzgrenze abfallen. Impfstämme die saisonal zirkulierenden Stämme abdecken. Dadurch ergeben sich von z Hepatitis B Saison zu Saison unterschiedliche Wirksam- Da es unter Chemotherapie oder B-Zell-De- keitsdaten (CDC 2018). Hinsichtlich der Wirk- pletionstherapie (z. B. anti-CD20-Antikörper) samkeit der Influenzaimpfung hat eine rezente in bis zu 20 % zu einer Hepatitis B Reaktivie- Metaanalyse gezeigt, dass bei geimpften Krebs- rung bei zuvor Infizierten kommen kann (Voi- patientInnen bestätigte Influenzafälle bei on- can et al. 2016) ist ein Hepatitis-B-Schutz kologischen PatientInnen tendenziell seltener wichtig. Aus diesem Grund ist vor Therapie- sind, es jedoch weiterer randomisierter Stu- einleitung die Immunitätsüberprüfung/Scree- dien bedarf, um die Empfehlungen verlässlich ning und gegebenenfalls Impfung sinnvoll. durch Evidenz abzusichern (Bitterman et al. Außerdem spielt eine Hepatitis B Infektion in 2018). Insbesondere ist auch zu klären, ob ad- der Karzinogenese des hepatozellulären Karzi- juvierte Influenza-Impfstoffe, die intradermale noms eine Rolle. Deswegen handelt es sich bei Applikationsroute und der 4-valente Impfstoff der Hepatitis B Impfung um eine echte Krebs- einen Vorteil bieten. Die Anwendung von prävention. Laut WHO sollte jeder zumindest Influenza-Totimpfstoffen gilt auch während die Grundimmunisierung gegen Hepatitis B einer Chemotherapie als sicher. Einzig in einer erhalten. kürzlich veröffentlichten Studie wird berichtet,
266 A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt dass eine Influenzaimpfung bei Lungenkrebs- (Berghmans et al. 2003). Darüber hinaus patientInnen (n = 23) unter PD-1-Blockade wurde in einer kürzlich veröffentlichten Studie (Checkpoint Inhibitor) zu einem höheren Ri- gezeigt, dass Antibiotikatherapien (besonders siko für immunbezogene Nebenwirkungen mit B-lactam oder Quinolonen) die Wirkung führen kann, und Studienautoren raten zu ei- von Checkpoint-Inhibitoren bei Lungen- und ner individuellen, fall-basierten Empfehlung Nierenkrebs deutlich reduzieren (Derosa et al. zur Influenzaimpfung bei dieser Therapie 2018). Daher sollten besonders diese Tumor- (Laubli et al. 2018). patientInnen auch mit dem konjugierten Hib- Es wird die Influenza-Impfung einmal Impfstoff geimpft werden. Bevorzugt soll diese jährlich [D, CH und Ö sowie auch in den USA Impfung mehr als 14 Tage vor Chemotherapie- (ACIP)] für diese Risikogruppe empfohlen, beginn durchgeführt werden. Danach wird an- wobei jedenfalls ein Totimpfstoff verwendet genommen, dass keine Re-Vakzinierung nötig werden soll. Die zweimalige Verabreichung ei- ist. Wird diese Impfung während laufender nes saisonalen Influenza-Impfstoffes bei Chemotherapie durchgeführt, dann sollte eine KrebspatientInnen zeigte in Studien keinen erneute Impfung ≥3 Monate nach Beendigung bzw. nur einen limitierten Vorteil gegenüber der Chemotherapie appliziert werden (Briere der einmaligen Gabe und wird derzeit nicht et al. 2014; Rieger et al. 2018). empfohlen (Ljungman et al. 2005; Sanada et al. Die Hib-Impfung bei PatientInnen mit 2016). Im Fall einer Therapie mit anti-B-Zell- Asplenie, Stammzelltransplantation oder kind- Antikörper soll die Impfung erst 6 Monate lichen Tumoren wird in den folgenden Ab- nach der letzten Antikörpergabe verabreicht schnitten genauer besprochen und entspricht werden, da zu einem früheren Zeitpunkt keine den Empfehlungen des Österr. Impfplans so- Seroprotektion erreicht werden kann (Berg- wie den erweiterten Empfehlungen zu Impfun- lund et al. 2014; Yri et al. 2011). Aus theoreti- gen bei Immunsuppression (Impfplan Öster- schen Überlegungen wird bevorzugt ein 4-va- reich 2018; Wiedermann et al. 2016). lenter Impfstoff aufgrund der breiteren Abdeckung durch die Inklusion eines weiteren 15.3.4.3 Pneumokokken Influenza-B-Stammes im Vergleich zu den tri- Das Risiko für invasive Pneumokkokenerkran- valenten Impfstoffen (2 Influenza-A-Stämme + kungen (IPD) (Backhaus et al. 2016) ist ebenso 1 Influenza-B-Stamm) empfohlen (Empfeh- deutlich erhöht bei PatientInnen mit Malig- lung zur jährlichen Influenza-Impfung („Grip- nomen. Das Risiko für Community-acquired- peimpfung“) 2017). Bei Personen ab dem Pneumonien wird unterschiedlich beurteilt 65. Lebensjahr kann auch die Verabreichung (Almirall et al. 2017; Torres et al. 2013), jedoch eines adjuvierten Influenza-Impfstoffes erwo- ist bei KrebspatientInnen mit einem schwere- 15 gen werden. Bei Erwachsenen mit hämatologi- ren Verlauf zu rechnen und die Mortalität ist schen Tumorerkrankungen nach Stammzell- erhöht (José et al. 2015). Zur Prävention ste- transplantation zeigte jedoch die Verwendung hen einerseits konjugierte Pneumokkoken- eines adjuvierten saisonalen Influenza-Impf- Impfstoffe (PCV) sowie andererseits ein Poly- stoffes (mit MF-59) keinen Vorteil gegenüber saccharidimpfstoff (PPV23) zur Verfügung, einem nicht-adjuvierten Impfstoff (Natori die Polysaccharidantigene der Bakterienkapsel et al. 2017). unterschiedlicher Pneumokokken-Serotypen beinhalten. Bei den konjugierten Impfstoffen 15.3.4.2 Hämophilus influenzae werden diese Polysaccharide an Proteine ge- (Hib) koppelt, um die Immunogenität zu verbessern, KrebspatientInnen, besonders solche mit Lun- da somit eine T-Zell-abhängige Immunant- genkarzinomen, haben ein erhöhtes Risiko für wort induziert wird. Die verbesserte Immun- Pneumonien, die u. a. durch das Bakterium antwort konnte auch anhand von PatientInnen Haemophilus influenzae verursacht werden mit chronisch lymphatischer Leukämie gezeigt
Impfungen und Krebserkrankungen 267 15 werden, wo die Antikörperspiegel deutlich 15.3.4.4 Herpes Zoster höher nach Verabreichung des konjugierten Nach einer Varizelleninfektion verbleibt das Impfstoffes (PCV13) waren als in der Ver- Varizella-Zoster-Virus in sensorischen Spi- gleichsgruppe, die den Polysaccharidimpfstoff nalganglien und kann im späteren Leben im (PPV23) erhielt (Svensson et al. 2018). Trotz Rahmen einer Reaktivierung zum Herpes schlechteren Ansprechens zeigen Polysaccha- Zoster führen. Als Risikofaktoren für eine ridimpfstoffe in retrospektiven Datenerhe- Reaktivierung gelten Alter (>50 Lebensjahr) bungen ihre Wirksamkeit gegen Community- und Immunsupression. KrebspatientInnen acquired-Pneumonien in Risikogruppen wie und insbesondere jene mit hämatologischen der älteren Bevölkerung (>65. Lebensjahr) Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für (Suzuki et al. 2017). Ebenso war bei Lungen- eine Herpes-Zoster-Manifestation (Hansson krebspatientInnen, die die Impfung innerhalb et al. 2017). Lange Zeit stand nur ein Leben- von 6 Monaten nach Krebsdiagnose erhielten dimpfstoff zur Prävention zur Verfügung, der (>75. Lebensjahr) deren Hospitalisierungsrate jedoch aufgrund der Kontraindikationen bei bzw. Sterblichkeit reduziert (Chiou et al. 2015). KrebspatientInnen nur von begrenztem Nut- Aber nicht nur die Pneumokokken-Impfung zen war. Mit der Neuzulassung eines rekombi- der PatientInnen selbst, sondern auch das nanten Subunit-Totimpfstoffes besteht nun die Einführen von nationalen Kinderimpfpro- Möglichkeit, auch KrebspatientInnen in unter- grammen (mit PCV) konnte eine deutliche schiedlichen Stadien ihrer Erkrankung zu imp- Reduktion der IPD-Erkrankungszahlen in fen. Dieser Impfstoff wurde in groß angelegten KrebspatientInnen bewirken (Lee et al. 2018). Studien (n = >25.000) getestet wobei sich eine Eine sequenzielle Impfung mit dem konjugier- höhere Immunogentiät und Wirksamkeit in ten Impfstoff (PCV 13) gefolgt von einer Do- Bezug auf Zoster-Inzidenz und Häufigkeit von sis mit dem Polysaccharid-Impfstoff (PPV23) post-herpetischer Neuralgie als beim Leben- nach einem Jahr führte bei älteren Personen zu dimpfstoff zeigte (Cunningham et al. 2016; Lal einem deutlichen Anstieg der Antikörperspie- et al. 2015). Jedoch wurden in Zulassungsstu- gel verglichen mit der umgekehrten Reihen- dien immunsupprimierte Personen exkludiert. folge (Greenberg et al. 2014). Mittlerweile wurde aber in einer randomisier- Die derzeit geltende Empfehlung in ten Placebo-kontrollierten Studie die Wirk- Deutschland und Österreich ist es zuerst den samkeit des rekombinanten Impfstoffes bei 13-valenten konjugierten Impfstoff (PCV13) PatientInnen mit autologer-hämatologischer zu verabreichen und im Intervall dazu den Stammzelltransplantation gezeigt. Diese Pa- 23-valenten Polysaccharidimpfstoff zur breiten tientInnen erhielten die erste Impfdosis bereits Abdeckung unterschiedlicher Serotypen. Das 30 Tage vor geplanter Transplantation und 3 empfohlene Intervall zwischen beiden Imp- weitere Dosen danach (Winston et al. 2018). fungen für Risikopersonen wie Krebspatient- Außerdem konnte die Sicherheit und Immu- Innen beträgt in Österreich wie auch z. B. in nogenität in HIV-positiven Personen gezeigt den USA mindestens 8 Wochen (Impfplan Ös- werden (Berkowitz et al. 2015). Weitere Stu- terreich 2018) und in Deutschland mindestens dienergebnisse mit KrebspatientInnen werden 6 Monate (RKI 2016). In der Schweiz wird zur- demnächst erwartet. zeit nur der konjugierte Impfstoff empfohlen Derzeit gibt es in Deutschland, Öster- (BAG und EKIF 2014b, 2018). Für PatientIn- reich und der Schweiz noch keine Empfeh- nen, die bereits Pneumokkoken-Impfungen in lung hinsichtlich des rekombinanten Zoster- der Vergangenheit erhalten haben, gibt es in Impfstoffes. Da es sich um einen Totimpfstoff den österreichischen Empfehlungen eine Prä- handelt, ist dessen Anwendung in Krebspati- zisierung zur weiteren Vorgehensweise (Impf- entInnen hinsichtlich der Sicherheit prinzipiell plan Österreich 2018). nicht kontraindiziert, bei Personen vor dem 50.
268 A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt Lebensjahr jedoch off-label. In den USA emp- delt. Die zeitlichen Intervalle zwischen Krebs- fiehlt die ACIP mittlerweile den rekombinan- therapie und Impfungen entsprechen weitge- ten Impfstoff für Personen über 50 (2 Dosen hend jenen für Erwachsene. Impfungen, laut Zulassung mit Abstand von 2–6 Monaten) deren Grundimmunisierung zum Zeitpunkt auch bei geringgradiger Immunsuppression der Diagnose bereits abgeschlossen war soll- sowie vor Einleitung und nach einer immun- ten 3 Monate nach der Chemotherapie aufge- suppressiven Therapie (Dooling et al. 2018). frischt werden, bei inkomplettem Impfschema Wirksamkeitsdaten für Personen, die keine sollten die restlichen Dosen idealerweise vor Varizelleninfektion durchgemacht haben, lie- bzw. wenn nicht möglich nach Therapie nach- gen derzeit aber nicht vor. Ein Argument, die- geholt werden (Titerüberprüfungen erwägen, sen Impfstoff für die Grundimmunisierung evtl. während Chemotherapie impfen, wenn heranzuziehen, wäre, dass nach Verabreichen epidemiologisch sinnvoll). Bei Lebendimpf- des VZV Lebensimpfstoffes, das Impfvirus la- stoffen hängt das Intervall von den Vorimp- tent in Ganglienzellen bleibt und es später zu fungen, Immunrekonstitution und Impfanti- einer Reaktivierung mit dem Impfvirus kom- gen ab (Shetty und Winter 2012). Bei jüngeren men kann (Dreyer et al. 2017). Kindern hat sich gezeigt, dass Antikörpertiter stärker abfallen können und diese auf Boos- terimpfungen nach Chemotherapie eventuell Spezielle Impfempfehlungen für schlechter ansprechen (Nilsson et al. 2002; KrebspatientInnen Zignol et al. 2004). 5 Alle altersentsprechenden Impfungen gemäß nationalen Empfehlungen; cave: Kontraindikationen beachten 15.3.6 Spezielle Impfempfehlun- (z. B. Lebendimpfstoffe)! gen bei PatientInnen mit hä- 5 Influenza 1x jährlich matopoetischer Stammzell- 5 Pneumokkoken (bezüglich Impfstoff transplantation (HSZT) und Intervall nationale Empfehlungen beachten) Bei einer HSZT gilt es zu unterscheiden, ob es 5 Herpes Zoster (Totimpfstoff ) sich um eine autologe, allogene oder Nabel- schnurbluttransplantation handelt. Nach einer autologen Stammzelltransplantation ist die Im- 15.3.5 Spezielle munfunktion meist weniger beeinträchtigt und Impfempfehlungen für die Immunrekonstitution kann schneller erfol- KrebspatientInnen im gen (Shetty und Winter 2012). Obwohl die Im- 15 Kindesalter munrekonstitution von der Art des Transplan- tats beeinflusst wird, wird in den derzeitigen Pädiatrische KrebspatientInnen sollten auf je- Empfehlungen darauf nicht eingegangen (Tsig- den Fall altersentsprechend alle empfohlenen relis und Ljungman 2016) mit Ausnahme der Impfungen erhalten. Besonders sollte auf- DGHO (deutsche Gesellschaft für Hämatologie grund des erhöhten Komplikationsrisikos auf und Medizinische Onkologie (Rieger et al. die Immunität gegen Varizellen und Influenza 2018). Da durch die myeloablative Therapie vor (Totimpfstoff) geachtet werden (Esposito HSZT die bereits aufgebaute Immunität (von et al. 2010). Die Influenzaimpfung ist ab dem Infektionen und Impfungen) zerstört wird, ist 6. Lebensmonat möglich und es sollten bei bei diesen PatientInnen nach HSZT eine neu- der Erstimpfung 2 Dosen im Abstand von erliche Grundimmunisierung zum Wiederer- mindestens 4 Wochen verabreicht werden langen der Immunität erforderlich (Ljungman wenn es sich um Kinder unter 9 Jahren han- et al. 2009; Seggewiss und Einsele 2010).
Impfungen und Krebserkrankungen 269 15 15.3.6.1 Impfungen vor HSZT Generell sind Empfänger einer allogenen Nachdem die vor HSZT vorhandene Immuni- HSZT, unabhängig von ihrer Impfanamnese tät der Empfänger noch einige Monate nach vor Transplantation, wie Ungeimpfte anzuse- der HSZT nachweisbar sein kann, ist es sinn- hen und es wird nach Wiedererlangen der Im- voll, bei diesen PatientInnen in der Vorberei- munkompetenz der Neubeginn von Grundim- tungszeit die Impfungen gemäß nationalen munisierungen von unterschiedlichen Empfehlungen auf den aktuellen Stand zu Fachgesellschaften empfohlen (Lopez et al. bringen, sofern es der Immunstatus zulässt. 2017). Bei Totimpfstoffen wird hier die Grund- Dies bedeutet je nach Impfanamnese, entspre- immunisierung mit 3 Dosen in jeweils monat- chende Auffrischungsimpfungen zu verabrei- lichen Abstand empfohlen sowie eine Auffri- chen bzw. fehlende Grundimmunisierungen schung nach 12–18 Monaten (Schema 3+1) (s. nachzuholen oder komplettieren (bei Totimpf- . Tab. 15.7) (Hilgendorf et al. 2011; Wieder- stoffen bis 2 Wochen vor Konditionierung/im- mann et al. 2016). Außerdem sprechen diese munsuppressiver Therapie). Sofern noch genü- PatientInnen schlecht auf Polysaccharidimpf- gend Zeit vor der Konditionierung ist stoffe an, weswegen konjugierte Impfstoffe ver- (mindestens 4 Wochen) und die PatientInnen wendet werden sollen (Kumar et al. 2007). Le- nicht immunsupprimiert sind, besteht hier bendimpfstoffe können ab 24 Monate nach der noch die Möglichkeit, bei fehlender Immunität Transplantation eingesetzt werden vorausge- Lebendimpfstoffe gegen MMR und VZV zu setzt dass zum Zeitpunkt der Impfung kein ak- verabreichen. tives GvHD besteht und die Zeitfenster zu ei- Angesichts der Tatsache, dass Antikörper- ner immunsuppressive Therapie (3 Monate) spiegel gegen T-Zell-abhängige Impfantigene oder Immunglobulingabe (IG) (3 Monate Ab- vom Spender auf den Empfänger transferiert stand nach Anschluss der letzten IG-Gabe vor werden können bzw. zu einer verbesserten MMR oder Varizellenimpfung) eingehalten Impfantwort bei Empfängern führen kann, er- werden. Ein chronisches GvHD stellt prinzipi- scheint die Impfung von Spendern attraktiv. ell kein Hindernis für das Verabreichen von Jedoch fehlen für diese Strategie derzeit noch Totimpfstoffen dar (Hilgendorf et al. 2011). Wirksamkeitsdaten und in der Realität fehlt oft Die Impfempfehlungen beruhen darauf, die Zeit bzw. die Logistik dahinter, weshalb es dass die PatientInnen einen Impfstatus gemäß hierzu keine generelle Empfehlung gibt (Harris nationalen, altersentsprechenden Empfehlun- et al. 2015). gen (z. B. Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio) unter Berücksichtigung ihres Immunstatus 15.3.6.2 Impfungen nach HSZT (3+1-Schema) und Infektionsrisikos Der Immunstatus nach einer HSZT ist aufgrund (z. B. Pneumokokken und Influenza bereits unterschiedlicher Faktoren wie zugrunde lie- 3 Monate nach HSZT) erhalten. gender Erkrankung, Art des Transplantats, Die Pneumokokken- und HiB-Impfung Graftversus-host disease (GvHD), immunsup- auch außerhalb der altersentsprechenden pressive Therapie, aber auch Alter, Immunität Empfehlung beruht auf der Tatsache, dass bei vor der Transplantation und Zeitpunkt nach der vielen PatientInnen aufgrund der Konditionie- Transplantation sehr variabel. Nach einer HSZT rung ein funktionaler Hyposplenismus besteht kommt es mitunter zu einem raschen Abfall der und sich dadurch erhöhtes Risiko für Infektio- vorbestehenden Impfantigen-spezifischen Anti- nen mit bekapselten Bakterien ergibt. In Bezug körpertiter. Aufgrund des verloren gegangen auf das Infektions- und Erkrankungsrisiko mit Impfschutzes und des eingeschränkten Immun- Pneumokkoken bei HSZT Empfängern liegen status nach der HSZT werden diese Personen zahlreiche epidemiologische Daten vor (Ku- empfänglicher für Infektionserkrankungen (Ba- mar et al. 2008; van Veen et al. 2016) und die den et al. 2016; Conrad et al. 2018; Schuster et al. Immunogenität des 3+1-Impfschemas mit 2017). dem konjugierten Impfstoff PCV13 bzw. des
270 A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt . Tab. 15.7 Empfohlene Impfungen nach HSZT Zeitpunkt Impfantigen Grund- Booster Kommentar nach HSZT immunisierung (GI) nach GI 3 – (6) Pneumokokken 3 x PCV13 (0,1,2 12 Monate Bei GvHD Booster mit Monate Mo) mit PPV23 PCV13. CH: Booster (D, Ö) mit PCV13 Influenza 1 x jährlich Kurz vor/ in der Influenzasaison Intervall nach HSZT 3 Monate; Dosis bei Kindern unter 9 J. D: 1- 2 Dosen; CH: 2 Dosen bei Kindern oder
Impfungen und Krebserkrankungen 271 15 PPV23-Boosters wurde belegt (Cordonnier falls nach Prüfung der Kontraindikationen et al. 2010, 2015). eine Impfung ab 24 Monate nach HSCT in Be- Da sowohl die Datenlage zu Meningokok- tracht gezogen werden. kenerkrankungen (van Veen et al. 2016) und Auch Varizella-Zoster-Virusinfektionen Wirksamkeit der konjugierten Impfstoffe (Men sowie -Reaktivierung kommen häufiger nach C und Men ACWY) bei HSZT-PatientInnen HSCT vor (Chou et al. 2011) und es wird die (Mahler et al. 2012) sehr begrenzt ist, ist die serologische Überprüfung sowie nachfol- Empfehlung bezüglich Impfschema an andere gende Impfung unter Prüfung der Kontrain- konjugierte Impfstoffe angelehnt und die Indi- dikationen empfohlen. In Bezug auf Herpes- kation entspricht den nationalen Empfehlun- Zoster-Totimpfstoff wurde in einer Studie die gen (i. e. Kinder und Jugendliche bzw. basie- Immunogenität und Wirksamkeit von 4 Do- rend auf der Epidemiologie). sen bei PatientInnen mit autologer HSCT ge- Das Risiko für Influenzainfektionen und zeigt (1. Dosis vor HSCT) (Winston et al. Komplikationen nach HSCT ist erhöht und die 2018). Influenzaimpfung ist mit einer Reduktion an Um den Impferfolg zu kontrollieren, be- Erkrankungsfällen verbunden (Bitterman et al. steht auch hier wiederum die Möglichkeit ei- 2018). ner serologischen Kontrolle. Dies ist vor al- HSZT-PatientInnen verlieren über die Zeit lem bei Personen mit GvHD hilfreich, da ihre bereits erworbene Immunität gegen Hepa- diese schlechter auf Impfungen ansprechen titis B nach der Transplantation und tragen (Jaffe et al. 2006). Dennoch sollten Personen deswegen das Risiko für eine Infektion bzw. mit chronischem GvHD laut Empfehlungen Reaktivierung (Sarmati et al. 2017). Die Imp- (Totimpfstoffe) geimpft werden (Hilgendorf fung ist immunogen, wenn auch in einem ge- et al. 2011). Zusätzlich sollte man selbst bei ringeren Ausmaß als bei immunkompetenten regelrecht geimpften PatientInnen nach (Jaffe et al. 2006). HSZT bei einer Exposition mit Hepatitis (A Je nach nationalen Empfehlungen und bzw. B), Masern, Tetanus, Tollwut und Vari- aufgrund des Expositionsrisikos wird die He- zellen eine Immunglobulingabe erwägen patitis-A- (Alter bzw. Reise) und FSME-Imp- (BAG u. EKIF 2018; Impfplan Österreich fung (Epidemiologie) empfohlen. Daten zur 2018; RKI 2018). Immunogenität und Wirksamkeit dieser Impfungen nach HSCT liegen derzeit nicht vor. Praxistipp Weibliche Langzeitüberlebende nach HSCT haben ein erhöhtes Risiko für HPV-assoziierte Impfungen vor HSZT: Läsionen, das bei Vorliegen eines genitalen 5 Totimpfstoffe bis 2 Wochen vor GvHD zusätzlich erhöht ist (Shanis et al. 2018). Konditionierung Daten zur Immunogenität und Wirksamkeit 5 Lebendimpfstoffe bis 4 Wochen vor dieser Impfungen nach HSCT liegen derzeit Konditionierung – cave: Immunsup- nicht vor, aufgrund der epidemiologischen Da- pression ten soll die Impfung entsprechend der nationa- Impfungen nach HSZT: len Empfehlungen erwogen werden. 5 Totimpfstoffe mit ab 3–6 Monaten Einige PatientInnen werden im Verlauf nach HSZT: 3+1-Schema (bei Impfbe- nach HSCT seronegativ in Bezug auf MMR ginn ≥ 12 Monate nach HSZT: (Kawamura et al. 2015). Aufgrund der derzeiti- 2+1-Schema gen epidemiologischen Situation vor allem in 5 Lebendimpfstoffe ab 24 Monate nach Bezug auf Masern in Europa (ECDC 2018) HSZT sofern kein Graft-versus-host sollte auf jeden Fall eine serologische Überprü- disease besteht fung nach HSCT stattfinden und gegebenen-
272 A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt 15.3.7 Reiseimpfungen . Tab. 15.8 Empfohlene Impfungen für Kontaktpersonen Bei PatientInnen mit Krebserkrankungen nimmt die Reisetätigkeit zu (Mikati et al. Impfantigen Kommentar 2013). Hier sollte vor allem bei Fernreisen Alle altersent- Grundimmunisierung bzw. rechtzeitig (mindestens 4–6 Wochen vor Ab- sprechenden Auffrischungen laut reise) ein Reisemediziner konsultiert werden, Impfungen nationalen Empfehlungen um das Risiko für Reise-assoziierte Erkran- Influenza Jährlich; Totimpfstoff kungen in Abhängigkeit von der aktuellen epi- demiologischen Situation im Zielland zu be- Pneumokokken Siehe altersentsprechende sprechen und darauf basierend Impfungen zu nationale Empfehlungen. Besonders Kinder im Umfeld empfehlen. Welche Impfungen tatsächlich sinnvoll bzw. in Bezug auf die Kontraindikatio- Pertussis Siehe altersentsprechende nen möglich sind, hängt auch vom Immunsta- nationale Empfehlungen tus der PatientInnen ab. Dies betrifft vor allem MMR Bei nicht-immunen Lebendimpfstoffe wie gegen Gelbfieber und Kontaktpersonen ab dem 9. Varizellen Typhus (oraler Impfstoff). Bei der Typhusimp- Lebensmonat Cave: kein fung steht ein Totimpfstoff zur Verfügung, Kontakt zu Varizellen- Geimpften die, Hautläsio- dem der Vorzug zu geben ist. Im Fall der Gelb- nen nach der Impfung fieberimpfung ist zu beachten, dass manche aufweisen, bis zum Abheilen Länder formale Einreisevorschriften haben der Läsionen! und den Nachweis einer Gelbfieberimpfung bei Einreise (unabhängig von der aktuellen epidemiologischen Situation) verlangen. Hier kungen unterbrochen wird (Herdenimmuni- ist in Abhängigkeit der aktuellen Epidemiolo- tät) (. Tab. 15.8). Die Bedeutung einer guten gie zu klären, ob das Ausstellen eines medizini- Durchimpfung konnte beispielsweise anhand schen Ausschlusszertifikats verantwortbar ist. von Kinderimpfprogrammen mit konjugierten Bei Totimpfstoffen ist die geringere Wirksam- Pneumokokken-Impfstoffen gezeigt werden. keit bei immunsupprimierten PatientInnen zu Nach deren Implementierung in Kanada ging beachten, wobei Wirksamkeitsdaten zu Reise- die Rate an invasiven Pneumokokkenerkran- impfungen fehlen. Laut der Amerikanischen kungen in der gesunden (immunkompetenten) Gesellschaft für Blut und Knochenmarkstrans- sowie auch immunsupprimierten Bevölkerung plantation sollten Fernreisen mindestens in allen Altersgruppen zurück (Shigayeva et al. 6–12 Monate bei allogenen HSZT Empfängern 2016). Insbesondere sollte auf die Immunität 15 und 3–6 Monate nach autologer HSZT aufge- gegen MMRV und Influenza der Kontaktper- schoben werden (Tomblyn et al. 2009). sonen geachtet werden (Impfplan Österreich 2018). Dies betrifft im Sinne der sozialen Ver- antwortung nicht nur Personen im privaten 15.4 Impfempfehlungen für Umfeld, sondern auch Mitarbeiter im medi- PatientInnenangehörige und zinischen Bereich, für die es gesondert Impf- Kontaktpersonen empfehlungen gibt (Wiedermann-Schmidt et al. 2012). Sollten Impfungen bei Kontakt- Personen im direkten Umfeld von Krebspa- personen notwendig sein, so können Totimpf- tientInnen sollten einen aktuellen Impfschutz stoffe bedenkenlos verabreicht werden. Bei gemäß den nationalen Empfehlungen haben, Lebendimpfstoffen kann der MMR und Gelb- um diese indirekt schützen zu können, da fieberimpfstoff ebenfalls ohne Risiko für den durch eine hohe Durchimmunisierungsrate die Krebspatienten an Kontaktpersonen verimpft Infektionskette von impf-präventablen Erkran- werden. Allerdings sollte aufgrund einer theo-
Impfungen und Krebserkrankungen 273 15 retisch möglichen Übertragung des Impfvirus auf die immunsupprimierte Person nicht der pression ab. Lebendimpfungen sind unter Im- Influenza-Lebendimpfstoff bei Kontaktperso- munsuppression generell kontraindiziert. nen angewandt werden oder der Kontakt zu Wie wirksam sind Impfungen bei Krebspa- Immunsupprimierten für 7 Tage vermieden tientInnen im Vergleich zu Gesunden? – Die werden (Ward et al. 2017). Nach Rotavirusimp- Wirksamkeit wird von der Tumorentität und fung von Säuglingen in der PatientInnenum- dem Tumorstadium, individuellen Faktoren gebung können diese das Impfvirus mit dem und dem Zeitpunkt in Bezug auf die Therapie Stuhl ausscheiden, weswegen KrebspatientIn- beeinflusst. nen bis zu 4 Wochen nach der Impfung keine Windeln wechseln sollten und strikte Hände- hygiene im Haushalt praktiziert werden sollte. Literatur Sollten nach einer Varizellen- oder Herpes- Zoster-Lebendimpfung Hautläsionen bei Kon- Abbas A, Lichtman A, Pillai S (2018) Cellular and mole- cular immunology, 9. Aufl. Saunders, Canada taktpersonen auftreten, dann ist der Kontakt Almirall J, Serra-Prat M, Bolibar I, Balasso V (2017) Risk zu diesen Personen bis zum Abheilen der Lä- factors for community-acquired pneumonia in sionen zu vermeiden. Keine Daten gibt es zum adults: a systematic review of observational stu- oralen Typhuslebendimpfstoff (Ariza-Heredia dies respiration. International review of thoracic und Chemaly 2015). Der orale Polioimpfstoff diseases 94:299–311 Alwarawrah Y, Kiernan K, MacIver NJ (2018) Changes in (derzeit in Westeuropa nicht verwendet) sollte nutritional status impact immune cell metabolism bei Kontaktpersonen nicht eingesetzt werden. and function. Front Immunol 9:1055 Nationale Empfehlungen abrufbar unter: Ariza-Heredia EJ, Chemaly RF (2015) Practical review of immunizations in adult patients with cancer. Hum Ö: - 7 www.bmgf.gv.at Vaccin Immunother 11:2606–2614 D: - 7 www.rki.de Backhaus E, Berg S, Andersson R et al (2016) Epidemio- logy of invasive pneumococcal infections: manifes- CH: - 7 www.bag.ch tations, incidence and case fatality rate correlated to age, gender and risk factors. BMC Infect Dis 16:367 Baden LR, Swaminathan S, Angarone M et al (2016) Pre- Fazit vention and treatment of cancer-related infections, version 2.2016, NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology. J Natl Compr Canc Netw 14(7): Ziel dieses Artikels ist es, die wesentlichsten 882–913 Grundlagen für die Beantwortung der häu- BAG u. EKIF (2014a) Empfehlungen zur Impfung von figsten Fragen und Vorbehalte von Krebs- Empfängerinnen und Empfängern von Blut- patientInnen in Bezug auf Impfungen wäh- Stammzellen. Bull BAG 2012; 21:363–370 (ange- rend ihrer Erkrankung und Therapie zu passt Januar 2014) BAG u. EKIF (2014b) Pneumokokkenimpfung: Empfeh- liefern. lungen zur Verhinderung von invasiven Pneumokok- Beispiele: kenerkrankungen bei Risikogruppen. Bull BAG Kann ich mich trotz Krebserkrankung imp- 8:129–141. fen lassen? – Ja BAG u. EKIF (2018) Schweizerischer Impfplan 2018. Wann ist der beste Zeitpunkt für Impfun- www.bag.admin.ch/impfplan Bastola R, Noh G, Keum T et al (2017) Vaccine adjuvants: gen? – Vor Therapie (bzw. siehe Intervalle) smart components to boost the immune system. Beeinflussen Impfungen den Therapiever- Arch Pharm Res 40:1238–1248 lauf? – Totimpfstoffe gelten auch während ei- Bektas O, Karadeniz C, Oguz A, Berberoglu S, Yilmaz N, ner Therapie als sicher, jedoch kann die Wirk- Citak C (2007) Assessment of the immune response samkeit verringert sein. to trivalent split influenza vaccine in children with solid tumors. Pediatr Blood Cancer 49:914–917 Gibt es Impfungen, die ich nicht bekommen Berghmans T, Sculier JP, Klastersky J (2003) A prospec- sollte? – Das hängt von Grad der Immunsup- tive study of infections in lung cancer patients ad- mitted to the hospital. Chest 124:114–120
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