Impfungen und Krebserkrankungen

 
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Impfungen und
Krebserkrankungen
Angelika Wagner und Ursula Wiedermann-Schmidt

15.1        Krebserkrankung und Infektionen – 258

15.2        Prävention mittels Impfungen – 258
15.2.1      Lebend- und Totimpfstoffe – 258
15.2.2      Applikation von Impfstoffen – 259
15.2.3      Wirkung von Impfstoffen – 259
15.2.4      Adjuvanzien – 259
15.2.5      Nebenwirkungen von Impfungen – 260
15.2.6      Überprüfung des Impfschutzes – 260

15.3        Impfungen bei onkologischen PatientInnen – 260
15.3.1      Zeitliche Planung von Impfungen – 262
15.3.2      Operationen und Impfungen – 264
15.3.3      Allgemeine Impfempfehlungen – altersabhängig (die Empfeh-
            lungen können zwischen CH, D und Ö abweichend sein) – 264
15.3.4      Spezielle Impfempfehlungen für KrebspatientInnen – 265
15.3.5      Spezielle Impfempfehlungen für KrebspatientInnen im
            Kindesalter – 268
15.3.6      Spezielle Impfempfehlungen bei PatientInnen mit
            hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT) – 268
15.3.7      Reiseimpfungen – 272

15.4        Impfempfehlungen für PatientInnenangehörige und
            Kontaktpersonen – 272
            Literatur – 273

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Crevenna (Hrsg.), Onkologische Rehabilitation, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57982-4_15
258       A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt

     15.1     Krebserkrankung und                                 bestandteilen bzw. abgetöteten oder abge-
              Infektionen                                         schwächten Erregern verabreicht mit dem Ziel
                                                                  eine schützende Immunantwort gegen diesen
     Krebserkrankungen gehen meist mit einer be-                  Erreger aufzubauen, ohne die Erkrankung
     einträchtigten Funktion des Immunsystems                     auszulösen oder sie durchmachen zu müssen.
     einher. Je nach Krebsart und Tumorstadium                    Durch diese schützende Immunantwort soll
     kann die Immunsuppression unterschiedlich                    der Geimpfte in weiterer Folge bei Kontakt
     stark ausfallen und wird zusätzlich noch durch               mit dem Erreger vor der Erkrankung bewahrt
     die verabreichte Therapie und die mit der Er-                werden (Individualschutz) und dadurch aber
     krankung einhergehenden Malnutrition ver-                    auch ungeschützte Kontaktpersonen nicht
     stärkt (Alwarawrah et al. 2018). Diese sowie                 anstecken können (Herdenschutz). Dies be-
     individuelle Faktoren (z. B. Alter, Malnutrition             deutet, dass ungeschützte Personen, die ent-
     oder Komorbiditäten) beeinflussen nicht nur                  weder zu jung für Impfungen sind (Säuglinge)
     die zelluläre (Neutropenie, eingeschränkte B-                oder die aufgrund ihres Immunstatus nicht
     und T-Zellfunktion), sondern auch die humo-                  geimpft werden können bzw. die keinen aus-
     rale (Antikörper) Immunabwehr und machen                     reichenden Schutz nach Impfungen aufbauen
     KrebspatientInnen dadurch empfänglicher für                  können, indirekt vor impf-präventablen Er-
     Infektionen (Baden et al. 2016; Steele 2012).                krankungen geschützt werden. Je höher die
     Zudem verlaufen Infektionen in diesem Pati-                  Durchimpfungsraten in einer Bevölkerung
     entInnenklientel meist schwerer. Um das Ri-                  sind, desto besser ist auch der Herdenschutz
     siko von Infektionskrankheiten zu reduzieren,                und somit die Möglichkeit Epidemien zu ver-
     werden Impfungen und in gewissen Fällen                      hindern.
     prophylaktisch Antiinfektiva verabreicht. Es ist
     jedoch zu beachten, dass je nach Grad der Im-
     munsuppression auch die Wirkung von Imp-                     15.2.1   Lebend- und Totimpfstoffe
     fungen reduziert ist.
                                                                  Bei Impfstoffen wird zwischen Totimpfstoffen
                                                                  (s. . Tab. 15.1), die nicht mehr vermehrungs-
     15.2     Prävention mittels                                  fähige Erreger (Ganzzellimpfstoff) bzw. Erre-
              Impfungen                                           gerbestandteile (Subunitimpfstoffe) enthalten,
                                                                  und Lebendimpfungen, die abgeschwächte (at-
     Impfungen (aktive Immunisierungen) leisten                   tenuierte) Erreger beinhalten, unterschieden
     einen wesentlichen Beitrag in der Prävention                 (s. . Tab. 15.2). Stehen für einen Erreger Le-
     von impf-präventablen Infektionserkrankun-                   bend- und Totimpfstoffe zur Verfügung, so ist
15   gen. Im Rahmen einer Impfung wird eine                       bei KrebspatientInnen immer der Totimpfstoff
     definierte Menge an aufgereinigten Erreger-                  zu bevorzugen.

           . Tab. 15.1 Totimpfstoffe

           Totimpfstoffe

           Ganzzellimpfstoffe   Polio (Salk), Hepatitis A, FSME

           Toxoidimpfstoffe     Diphtherie, Tetanus

           Subunitimpfstoffe    Hämophilus influenzae B, Hepatitis B, Herpes Zoster, HPV, Influenza (Stichimpfung),
                                Meningokokken, Pertussis, Pneumokokken, Typhus
Impfungen und Krebserkrankungen
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                                                   (Isotypenswitch und Affinitätsreifung). Eine
   . Tab. 15.2     Lebendimpfstoffe
                                                   Ausnahme stellen Polysaccharidimpfstoffe dar
   Lebendimpfstoffe                                (z. B. 23-valenter Pneumokokken-Impfstoff),
                                                   bei denen die Antikörperproduktion auch ohne
   MMR (Masern, Mumps, Röteln)                     T-Zell Hilfe abläuft. Ziel ist es, dass nach dieser
   Varizellen                                      aktiven Auseinandersetzung mit dem Impfanti-
                                                   gen, langlebige B- und T-Gedächtniszellen so-
   Herpes Zoster
                                                   wie antikörperproduzierende zurückbleiben,
   Rotavirus                                       um bei Kontakt mit dem jeweiligen Erreger
   Gelbfieber
                                                   schnell aktiviert werden zu können und somit
                                                   den Geimpften in Zukunft vor der Erkrankung
   Influenza (intranasal; EMA-Zulassung bis 18.    zu schützen. Die Schutzwirkung wird nun einer-
   Lebensjahr)
                                                   seits durch die bereits vorhanden antigenspezi-
                                                   fischen Antikörper vermittelt, die Erreger neut-
                                                   ralisieren sowie für die weitere Immunabwehr
15.2.2   Applikation von                           markieren (opsonieren) können, andererseits
         Impfstoffen                               können die vortrainierten Effektor-Gedächtnis-
                                                   zellen infizierte Zellen erkennen und unschäd-
Die Verabreichungsroute hängt vom jeweiligen       lich machen und somit die Erregerausbreitung
Impfstoff ab. Meist werden Totimpfstoffe intra-    frühzeitig eindämmen. Die Dauer dieser Schutz-
muskulär verabreicht (M. deltoideus bei Er-        wirkung hängt zum einem von der Art des
wachsenen, M. vastus lateralis bei Kindern).       Impfstoffes ab; grundsätzlich hält der Schutz
Bei manchen Totimpfstoffen wurde die Wirk-         von Lebendimpfstoffen aufgrund des stärkeren
samkeit auch für die subkutane Applikation         Stimulus für das Immunsystem länger an (bis zu
ausgetestet (siehe jeweilige Fachinformation).     lebenslanger Schutz) als der von Totimpfstoffen,
Lebendimpfstoffe werden in der Regel subku-        die in Intervallen wieder aufgefrischt werden
tan verabreicht (siehe jeweilige Fachinforma-      müssen. Zum anderen können Faktoren wie Er-
tion). Bei der Auswahl der Lokalisation ist        krankungen, Therapien und Alter die Schutz-
auch der Lymphabfluss zu berücksichtigen,          wirkung und dauer maßgeblich beeinflussen
weswegen z. B. bei einseitiger Mastektomie mit     (Abbas et al. 2018).
Lymphknotenresektion Impfungen am kontra-
lateralen Arm verabreicht werden sollten.
                                                   15.2.4   Adjuvanzien
15.2.3   Wirkung von Impfstoffen                   Totimpfstoffen und speziell Subunitimpfstoffen
                                                   werden häufig Adjuvanzien hinzugefügt. Dabei
Die Wirksamkeit einer Impfung beruht auf der       handelt es sich um Hilfsstoffe, die über Entzün-
Auseinandersetzung des Immunsystems mit            dungsreize die Antigenpräsentation und Stimu-
dem Impfstoff. In Impfstoffen enthaltene (Erre-    lation der T-Zellen verbessern können und somit
ger-)Antigene werden (über Mustererken-            die Qualität und Quantität der Immunantwort
nungsrezeptoren) von Antigen-präsentierenden       steigern (Bastola et al. 2017). Lebendimpfstoffe
Zellen aufgenommen, verarbeitet und an Impf-       enthalten keine Adjuvanzien, da sie ausreichend
antigen-spezifische T-Lymphozyten präsentiert.     immunogen sind. Adjuvanzien können einer-
Dadurch kommt es zur Aktivierung dieser            seits eine Depot-, Vehikel- oder Carrierfunktion
T-Zellen, die einerseits selbst Effektorfunktio-   aufweisen, andererseits auch als Immunstimu-
nen ausüben können bzw. aktivierten Impfanti-      lanzien wirken.
gen-spezifischen B-Lymphozyten bei der Anti-           Das am längsten und häufigsten eingesetzte
körperproduktion helfen und diese verbessern       Adjuvans sind Aluminiumsalze, die eine gute
260      A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt

     Verträglichkeit aufweisen. Andere derzeit zuge-      spiegel als Surrogatmarker für das Ansprechen
     lassene/neuere Adjuvanzien sind bakterielle Be-      auf die jeweilige Impfung zu messen (Impfplan
     standteile (TLR4 und die nicht-toxische Cholera-     Österreich 2018; Niehues et al. 2017)
     toxin-B-Untereinheit), Öl-basierte Emulsionen        (s. . Tab. 15.3). Es ist zu beachten, dass es nicht
     (MF-59, AS03 und Montanide) oder Virosomen           für jedes Impfantigen ein Schutzkorrelat gibt
     und Liposomen (AS01). In der Fachinformation         und ein abfallender Antikörperspiegel nicht
     ist stets aufgelistet ob und wenn welches Adju-      immer einen Verlust der protektiven Immuni-
     vans in einem Impfstoff enthalten ist.               tät bedeuten muss. Für die Interpretation ist es
                                                          jedenfalls wichtig, nur Ergebnisse von validier-
                                                          ten Tests heranzuziehen und individuelle Fak-
     15.2.5    Nebenwirkungen von                         toren wie Impfanamnese, Alter, Therapie und
               Impfungen                                  Erkrankungen mit ein zu beziehen. Generell
                                                          wird ein 4-facher Titeranstieg nach Impfung
     Im Rahmen der Immunreaktion nach Verabrei-           als erfolgreiche Impfantwort interpretiert. Die
     chen einer Impfung kann es auch zu Nebenwir-         Titerbestimmung sollte frühestens 4 Wochen
     kungen kommen. Laut Definition spricht man           nach der Impfung (abgeschlossene Grundim-
     von einem „Adverse Event Following Immunisa-         munisierung oder Booster) erfolgen. Für die
     tion“ (AEFI), wobei hiermit jegliches uner-          Interpretation eines Titeranstiegs wird zusätz-
     wünschtes Ereignis nach einer Impfung unab-          lich ein Ausgangswert vor Impfung als Refe-
     hängig von der Kausalität gemeint ist                renz benötigt. Da bei KrebspatientInnen der
     (Wiedermann-Schmidt et al. 2013). AEFI’s kön-        zeitliche Verlauf der Immunrekonstitution in-
     nen nun einerseits anhand der Ursache aufge-         dividuell sehr unterschiedlich sein kann ist es
     schlüsselt werden, wie z. B. bedingt durch das       empfehlenswert das Ansprechen auf (Booster-)
     Impfprodukt, Impfqualitätsmangel, Impfanwen-         Impfungen mittels Titeranstieg serologisch zu
     dungsfehler, Impfangst oder dass es sich um ein      überprüfen. Bei PatientInnen nach Stammzell-
     zufällig gleichzeitiges Ereignis handelt. Anderer-   transplantation ist zu beachten, dass Antikör-
     seits werden sie nach klinischen Kategorien (lo-     perspiegel in den ersten Monaten nach Trans-
     kale, systemische, allergische, neurologische oder   plantation noch vom Spender kommen
     andere Reaktionen) und Häufigkeit eingeteilt.        können.
     Wobei am häufigsten lokale Reaktionen wie Rö-
     tung, Schwellung oder Schmerzen an der Impf-
     stelle verzeichnet werden. Das Verabreichen von      15.3   Impfungen bei
     Lebendimpfstoffen in Phasen der Immunsup-                   onkologischen PatientInnen
     pression ist üblicherweise kontraindiziert, da es
15   zu mitunter zu schwerwiegenden Nebenwirkun-          Voraussetzung, um eine schützende Immun-
     gen kommen kann, die absolut vermeidbar sind.        antwort aufbauen zu können, ist ein funkti-
     Somit sollte man vor der Anwendung von Leben-        onsfähiges Immunsystem. Bei onkologi-
     dimpfstoffen bei onkologischen PatientInnen          schen PatientInnen hat sich gezeigt, dass die
     immer eine genaue Prüfung der Kontraindikatio-       Wirksamkeit von Impfungen in Abhängig-
     nen durchführen.                                     keit von der Tumorentität sowie dem
                                                          Tumorstadium, aber auch der Therapie ver-
                                                          ringert sein kann. Generell ist die Immun-
     15.2.6    Überprüfung des                            antwort bei hämatologischen Erkrankungen
               Impfschutzes                               im Gegensatz zu soliden Tumoren stärker
                                                          eingeschränkt. Gleichzeitig wirkt sich aber
     Es besteht die Möglichkeit für gewisse impf-         auch der Zeitpunkt einer Impfung auf den
     präventable Erkrankungen den Antikörper-             Impferfolg aus.
Impfungen und Krebserkrankungen
                                                                                       261                  15

   . Tab. 15.3 Titerüberprüfung zur Kontrolle des Impferfolgs. (Quelle: Niehues et al. 2017; Wiedermann
   et al. 2016)

   Impfstoff      Testme-       Grenzwerte            Kommentar
                  thode

   Diphtherie     ELISA         ≥0,1 IE/ml

   FSME           ELISA, NT                           ELISA: cave kreuzreagierende IgG-Ak anderer
                                                      Flaviviren

   Hepatits A     ELISA         ≥10 IE/ml
                                Anti-HAV-Ak

   Hepatitis B    ELISA         ≥10 IE/ml             Korrelat für Langzeitschutz: ≥100 IE/ml
                                Anti-Hbs-Ak

   HiB            ELISA         ≥0,15 μg/ml IgG       Korrelat für Langzeitschutz: ≥1 μg/ml Anti-PRP IgG

   Masern         ELISA, NT     n.d.; IgG-pos.

   Meningo-       ELISA         n.d.                  Schutz serotypenspezifisch; für serumbakterizide Ak
   kokken                                             (hSBA) ≥1:4

   Mumps          ELISA, NT     n.d.; IgG-pos.

   Pertussis      ELISA         n.d.                  Beurteilbar ist nur Ak-Anstieg bzw. Seronegativität

   Pneumo-        ELISA         ≥0,35 μg/ml           Grenzwert bezieht sich auf einen ELISA ohne
   kokken                                             22F-Präadsorption (mit Präadsorption spezifischer).
   konj.                                              Kommerzielle Kits weisen Ak gegen ein Pneumokok-
                                                      kengemisch nach – keine Aussage über einzelne
                                                      Serotypen möglich; Opsonophagozytose-Antikörper
                                                      (OPA)-spezifische Assays sind derzeit kommerziell
                                                      nicht verfügbar

   Polio (IPV)    NT            IgG-pos.

   Röteln         ELISA                               Grenzwert abhängig vom Testverfahren

   Tetanus        ELISA         ≥0,1 IE/ml

   Tollwut        RFFIT,        ≥0,5 IE/ml (bei
                  ELISA         ELISA: ≥0,5 EU/ml)

   Varizellen     ELISA, NT     n.d.; IgG pos.

   ELISA = Enzyme-Linked Immuno Sorbent Assay; NT = Neutralisationstest; HiB = Haemophilus influenzae B;
   n.d. = nicht definiert; RFFIT = Rapid-Fluorescent-Focus-Inhibition-Test

   Vorgehen                                                5 Kontraindikationen der jeweils indi-
   5 Impfanamnese – Indikation für Imp-                      zierten Impfstoffe prüfen
     fungen prüfen                                         5 Aufklärung des PatientInnen (besonders
   5 Immunstatus erheben und eventuell                       im Fall von Off-label-Anwendungen)
     Titerüberprüfungen veranlassen                        5 Optimalen Zeitpunkt für Impfungen
                                                             festlegen – Zeitplan erstellen
262       A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt

     15.3.1     Zeitliche Planung von                                können und diese Impfungen sollten daher
                Impfungen                                            nicht als vollwertiger Booster angesehen wer-
                                                                     den. Hier empfiehlt es sich, den Titer nach der
     Der optimale Zeitpunkt für Impfungen und so-                    Impfung zu kontrollieren (Mindestabstand
     mit das Erreichen eines Impfschutzes ist vor                    4 Wochen zur Verabreichung) und/oder nach
     Einleitung einer immunsuppressiven Therapie                     Ende der Therapie und Wiedererreichen der
     (Chemo-, Radio- oder Biologikatherapie)                         Immunkompetenz (Mindestabstand 3 Monate)
     (. Tab. 15.4). Impfungen sollten nicht am sel-                  nachzuimpfen. Es wurde bei Brustkrebspatien-
     ben Tag wie die Verabreichung von zytotoxi-                     tinnen gezeigt, dass zu Beginn einer Chemothe-
     schen Therapien gegeben werden. Unter laufen-                   rapie mit einer besseren Wirksamkeit von einem
     der Therapie ist nur die Verabreichung von                      inaktivierten Influenzaimpfstoff und höheren
     Totimpfstoffen sicher, Lebendimpfstoffe sind                    Antikörpertitern zu rechnen ist als im weiteren
     kontraindiziert, da es zu Impfvirus-assoziierten                Verlauf einer Chemotherapie. Wobei dieser Ef-
     Infektionen/Erkrankungen kommen kann                            fekt von der Tumorentität abhängen könnte wie
     (. Tab. 15.5). Bei Verabreichen von Totimpf-                    es für den inaktivierten Influenzaimpfstoff bei
     stoffe innerhalb von 14 Tagen vor Beginn der                    Patientinnen mit Brustkrebs im Vergleich zu
     Chemotherapie (CTx) bzw. unter laufender                        PatientInnen mit kolorekalen Karzinomen (kein
     Chemotherapie ist damit zu rechnen, dass diese                  Unterschied zwischen früher oder später Imp-
     nur eingeschränkt bis gar nicht wirksam sein                    fung unter CTx) gezeigt wurde (Wumkes et al.

           . Tab. 15.4      Impfungen vor Chemotherapie

           Indikationsbereich        Impfantigen                         Kommentar

           Alle KrebspatientIn-      Diphtherie-Tetanus-Pertussis-       Falls Booster oder Komplettierung der
           nen                       Polio                               Grundimmunisierung fällig
                                     Masern-Mumps-Röteln                 Überprüfung der Immunität und ggf. Impfung,
                                                                         cave: Kontraindiktionen
                                     Varizellen
                                     Influenza                           Jährlich
                                     Hepatitis B                         Falls Booster oder Komplettierung der
                                                                         Grundimmunisierung fällig, ev. Titerkontrolle
                                     Pneumokokken (PCV13 +               Abstand 8 Wochen
                                     PPV23)
15                                   Herpes Zoster (Totimpfstoff )       Bei VZV-seropositiven Erwachsenen
           Zusätzlich altersab-      Haemophilus influenzae (HiB)        Pädiatrische PatientInnen und Lungenkrebs-
           hängig                                                        patientInnen
                                     Meningokokken (B, C, ACWY)          Kinder und Jugendliche gemäß nationalen
                                                                         Empfehlungen
                                     Rotavirus                           Säuglinge bis 6. Lebensmonat/gemäß
                                                                         nationalen Empfehlungen
                                     Hepatitis A                         Gemäß nationalen Empfehlungen, bei
                                                                         Indikation (Reise), Kinder in Gemeinschaftsein-
                                                                         richtungen
                                     HPV                                 Ab 9 Jahren/gemäß nationalen Empfehlungen
           Zusätzlich bei            FSME                                Bei Indikation/gemäß nationalen Empfehlungen
           Exposition
Impfungen und Krebserkrankungen
                                                                                     263               15

   . Tab. 15.5    Impfungen während Chemotherapie (wenn vor der Chemotherapie nicht möglich)

   Impfantigen                            Kommentar

   Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Polio     Möglich, Titerkontrolle erwägen
   Influenza (Totimpfstoff )              Möglich (bevorzugt am Beginn der CTx oder während Zyklen
                                          (Keam et al. 2017) bzw. 2-malige Impfung (Rousseau et al. 2012)
   Pneumokokken (PCV13, PPV23)            Möglich
   HiB                                    Möglich, besonders Kinder
   Hepatitis (A, B)                       Möglich, Titerkontrolle erwägen
   Meningokokken                          Möglich
   HPV                                    Keine Daten
   FSME                                   Keine Daten (aufgrund Epidemiologie erwägen)
   Herpes Zoster (Totimpfstoff )          Keine Daten
   Lebendimpfstoffe (MMR, VZV)            Kontraindiziert

   Cave: Ansprechen auf Impfung, deswegen wenn möglich Titerkontrollen durchführen. Booster während
   der Chemotherapie sollten 3 Monate nach CTx wiederholt werden

2013). Nach Beendigung einer Therapie nimmt                 Praxistipp
die Wirksamkeit wieder zu (Bektas et al. 2007;
Goossen et al. 2013). Man rechnet mit einem                 Zeitliche Planung von Impfungen:
guten Ansprechen auf Totimpfstoffe ≥3 Monate                Ideal: Verabreichen von Impfungen vor ge-
nach Ende einer Chemotherapie. Die sichere                  planter Immunsuppression
Anwendung von Lebendimpfstoffen ist erst wie-               Totimpfstoffe: ≥2 Wochen vor Start der CTx
der ≥6 Monate nach Chemotherapie (in Remis-                 bzw. elektiver Splenektomie
sion, bei Erwachsenen: Lymphozyten >1500/μl)                Lebendimpfstoffe: ≥4 Wochen vor Start der
möglich. Eine Radiotherapie bewirkt eine hoch-              CTx
gradige Immunsuppression, weswegen die                      Während laufender Chemo- und Radiothera-
Wirksamkeit von Totimpfstoffen während der                  pie:
Therapie fraglich ist und Lebendimpfstoffe frü-             Totimpfstoffe möglich
hestens 6 Wochen nach Beendigung und einer                  Lebendimpfstoffe kontraindiziert
Lymphozytenzahl > 1500/μl erst wieder gege-                 Nach beendeter CTx:
ben werden dürfen. Im Fall einer anti-B-Zell-An-            Totimpfstoffe: gutes Ansprechen: ≥3 Monate
tikörpertherapie (z. B. Rituximab) sind Impfun-             nach der CTx
gen unter laufender Therapie weitgehend                     Lebendimpfstoffe: ≥6 Monate nach CTx (i.e.
wirkungslos, mit einer Wirksamkeit von Tot-                 3 Monate nach Immunrekonstitution)
impfstoffe ist mindestens 6 Monate nach Been-               Nach beendeter Radiotherapie:
digung der Therapie wieder zu rechnen, Leben-               Lebendimpfstoffe: Mindestabstand 6 Wochen
dimpfstoffe sollten frühesten nach 12 Monaten               und Lymphozytenzahl >1500/μl
wieder verabreicht werden (. Tab. 15.6).
    Obwohl die Wirksamkeit von Impfungen
bei KrebspatientInnen im Vergleich zu gesun-
den Personen vermindert ist, so hat sich an-                Wichtig: Unter laufender Chemotherapie
hand von Studien gezeigt, dass diese trotzdem               sind Lebendimpfstoffe kontraindiziert!
die Morbidität und Mortalität senken können.
264         A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt

           . Tab. 15.6    (Booster-)Impfungen nach Chemotherapie (>3 Monate Abstand)

           Impfantigen                       Kommentar

           Diphtherie-Tetanus-Pertussis-     Empfohlen
           Polio

           Influenza (Totimpfstoff )         Routinemäßig 1x jährlich

           Pneumokokken (PCV13, PPV23)       Empfohlen

           Hepatitis (A, B)                  Hepatitis A: altersentsprechend (Kinder) laut nationalen Empfehlun-
                                             gen, bei Indikation (Reise)
                                             Hepatitis B: empfohlen, Titerkontrolle erwägen

           HiB                               Altersentsprechend (Kinder) laut nationalen Empfehlungen

           Meningokokken (B, C, ACWY)        Altersentsprechend (Kinder, Jugendliche) laut nationalen Empfehlungen

           HPV                               Altersentsprechend laut nationalen Empfehlungen

           Herpes Zoster (Totimpfstoff )     Empfohlen (keine Daten)

           MMR, VZV                          >6 Monate nach Chemotherapie (bzw. 3 Monate nach Immunrekons-
                                             titution) bei seronegativen PatientInnen

     15.3.2       Operationen und                              sierung gegen Hepatitis B (HBV). Je nach Alter
                  Impfungen                                    kommen zusätzlich Empfehlungen hinzu:
                                                               5 Im Kindesalter: Haemophilus influenzae
     Es wird empfohlen, Impfungen mit Totimpf-                     (HiB im 6-fach-Kinderimpfstoff inklu-
     stoffen spätestens drei Tage vor geplanten Ope-               diert), Pneumokokken, Meningokokken,
     rationen und Impfungen mit Lebendimpfstof-                    Rotavirus, Hepatitis A (HAV)
     fen spätestens 14 Tage davor durchzuführen,               5 Im Jugendalter: HPV, Meningokokken
     um eine optimale Impfantwort zu erreichen.                5 Ab dem 50. Lebensjahr: Pneumokokken
     Bei dringenden Operationen sind diese Inter-                  und Herpes Zoster
     valle hinfällig.                                          5 Abhängig von der Exposition: FSME sowie
                                                                   andere reisemedizinische relevante Imp-
                                                                   fungen

15   15.3.3       Allgemeine Impfempfehlun-                    Je nach Erkrankung werden gewisse Impfungen
                  gen – altersabhängig (die                    auch in anderen Altersgruppen empfohlen. Bei-
                  Empfehlungen können zwi-                     spiel Asplenie (anatomisch oder funktionell):
                  schen CH, D und Ö abwei-                     Hier werden in jedem Lebensalter aufgrund des
                  chend sein)                                  erhöhten Infektionsrisikos mit bekapselten
                                                               Bakterien die Impfungen gegen H. influenzae
     Grundsätzlich gilt, dass auch onkologische Pa-            (einmalig), Pneumokokken (alle 5 Jahre) und
     tientInnen altersentsprechend gemäß den                   Meningokokken empfohlen (ACWY: alle 5
     Empfehlungen geimpft sein sollten. Diese um-              Jahre; Men B: derzeit keine Empfehlung bezüg-
     fassen altersunabhängig Basisimpfungen wie                lich Auffrischung verfügbar) (Wiedermann
     die Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Polio-Kom-               et al. 2016). Die erste Impfung sollte idealer-
     binationsimpfung, Masern-Mumps-Röteln und                 weise bis 14 Tage vor Splenektomie bzw. Thera-
     Varizellen (sofern keine natürliche Immunität             pieeinleitung mit zu erwartender nachfolgender
     besteht), Influenza sowie eine Grundimmuni-               funktioneller Asplenie erfolgen.
Impfungen und Krebserkrankungen
                                                                              265              15
     In Bezug auf Routineimpfungen haben epi-      15.3.4   Spezielle
demiologische Daten gezeigt, dass Krebspati-                Impfempfehlungen für
entInnen schlechter geschützt sind als Gesunde.             KrebspatientInnen
Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Titer
während der Therapie abfallen (Zignol et al.       Zusätzlich zu den allgemein empfohlenen
2004). Insgesamt gibt es leider wenig Daten, vor   Impfungen gibt es erweiterte, altersunabhän-
allem bezüglich der Schutzrate von Impfungen       gige Empfehlungen für KrebspatientInnen.
bezogen auf unterschiedliche Tumorentitäten        Diese betreffen Impfungen gegen Influenza,
und Therapieformen. Bei Kindern wurde ge-          Pneumokokken, Hämophilus influenzae und
zeigt, dass Antikörper gegen Diphtherie, Teta-     Herpes Zoster.
nus, Pertussis, Masern, HiB und HBV nach er-
folgreicher Chemotherapie bzw. HSZT
signifikant niedriger waren als in Gesunden        15.3.4.1   Influenza
und die Seroprotektionsrate signifikant durch      Influenzainfektionen bei KrebspatientInnen
Impfung nach beendeter Therapie angehoben          führen zu einer erhöhten Hospitalisationsrate,
werden konnte (Kwon et al. 2012; Zengin und        Therapieunterbrechungen/-verzögerungen
Sarper 2009; Zignol et al. 2004). Eigene Daten     und gehen mit einer erhöhten Komplikations-
von erwachsenen KrebspatientInnen zeigen,          rate einher (Bitterman et al. 2018). Die epide-
dass bei LymphompatientInnen Antikörperti-         miologische Datenlage zu Inzidenz und Mor-
ter gegen alle gemessenen Antigene (Diphthe-       talität hingegen schwankt je nach Studie und
rie, Tetanus, Pertussis, MMRV, HAV und HBV)        ist aufgrund der unterschiedlichen Tumorenti-
absinken. Im Vergleich dazu bei PatientInnen       täten und des Immunstatus nicht einheitlich
mit soliden Tumoren es nur bei einem Teil der      (Kunisaki und Janoff 2009). Auch wenn bei
Spezifitäten zu einer Reduktion der Titer          KrebspatientInnen das serologische Anspre-
kommt (Diphtherie, Tetanus, Masern und He-         chen auf die Influenzaimpfung geringer ausfal-
patitis B) (Manuskript in Vorbereitung). Diese     len kann, so lässt sich trotz laufender Therapie
Daten unterstreichen die Wichtigkeit den Impf-     ein Titeranstieg messen (Kotecha et al. 2016;
status vor Therapie zu aktualisieren, da vor al-   Nakashima et al. 2017; Vollaard et al. 2017).
lem das Ausgangsniveau der Antikörpertiter         Generell hängt die Wirksamkeit von saisona-
mit bestimmt, ob diese während der Therapie        len Influenza-Impfstoffen davon ab, wie gut die
unter die Schutzgrenze abfallen.                   Impfstämme die saisonal zirkulierenden
                                                   Stämme abdecken. Dadurch ergeben sich von
z   Hepatitis B                                    Saison zu Saison unterschiedliche Wirksam-
Da es unter Chemotherapie oder B-Zell-De-          keitsdaten (CDC 2018). Hinsichtlich der Wirk-
pletionstherapie (z. B. anti-CD20-Antikörper)      samkeit der Influenzaimpfung hat eine rezente
in bis zu 20 % zu einer Hepatitis B Reaktivie-     Metaanalyse gezeigt, dass bei geimpften Krebs-
rung bei zuvor Infizierten kommen kann (Voi-       patientInnen bestätigte Influenzafälle bei on-
can et al. 2016) ist ein Hepatitis-B-Schutz        kologischen PatientInnen tendenziell seltener
wichtig. Aus diesem Grund ist vor Therapie-        sind, es jedoch weiterer randomisierter Stu-
einleitung die Immunitätsüberprüfung/Scree-        dien bedarf, um die Empfehlungen verlässlich
ning und gegebenenfalls Impfung sinnvoll.          durch Evidenz abzusichern (Bitterman et al.
Außerdem spielt eine Hepatitis B Infektion in      2018). Insbesondere ist auch zu klären, ob ad-
der Karzinogenese des hepatozellulären Karzi-      juvierte Influenza-Impfstoffe, die intradermale
noms eine Rolle. Deswegen handelt es sich bei      Applikationsroute und der 4-valente Impfstoff
der Hepatitis B Impfung um eine echte Krebs-       einen Vorteil bieten. Die Anwendung von
prävention. Laut WHO sollte jeder zumindest        Influenza-Totimpfstoffen gilt auch während
die Grundimmunisierung gegen Hepatitis B           einer Chemotherapie als sicher. Einzig in einer
erhalten.                                          kürzlich veröffentlichten Studie wird berichtet,
266    A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt

     dass eine Influenzaimpfung bei Lungenkrebs-         (Berghmans et al. 2003). Darüber hinaus
     patientInnen (n = 23) unter PD-1-Blockade           wurde in einer kürzlich veröffentlichten Studie
     (Checkpoint Inhibitor) zu einem höheren Ri-         gezeigt, dass Antibiotikatherapien (besonders
     siko für immunbezogene Nebenwirkungen               mit B-lactam oder Quinolonen) die Wirkung
     führen kann, und Studienautoren raten zu ei-        von Checkpoint-Inhibitoren bei Lungen- und
     ner individuellen, fall-basierten Empfehlung        Nierenkrebs deutlich reduzieren (Derosa et al.
     zur Influenzaimpfung bei dieser Therapie            2018). Daher sollten besonders diese Tumor-
     (Laubli et al. 2018).                               patientInnen auch mit dem konjugierten Hib-
         Es wird die Influenza-Impfung einmal            Impfstoff geimpft werden. Bevorzugt soll diese
     jährlich [D, CH und Ö sowie auch in den USA         Impfung mehr als 14 Tage vor Chemotherapie-
     (ACIP)] für diese Risikogruppe empfohlen,           beginn durchgeführt werden. Danach wird an-
     wobei jedenfalls ein Totimpfstoff verwendet         genommen, dass keine Re-Vakzinierung nötig
     werden soll. Die zweimalige Verabreichung ei-       ist. Wird diese Impfung während laufender
     nes saisonalen Influenza-Impfstoffes bei            Chemotherapie durchgeführt, dann sollte eine
     KrebspatientInnen zeigte in Studien keinen          erneute Impfung ≥3 Monate nach Beendigung
     bzw. nur einen limitierten Vorteil gegenüber        der Chemotherapie appliziert werden (Briere
     der einmaligen Gabe und wird derzeit nicht          et al. 2014; Rieger et al. 2018).
     empfohlen (Ljungman et al. 2005; Sanada et al.           Die Hib-Impfung bei PatientInnen mit
     2016). Im Fall einer Therapie mit anti-B-Zell-      Asplenie, Stammzelltransplantation oder kind-
     Antikörper soll die Impfung erst 6 Monate           lichen Tumoren wird in den folgenden Ab-
     nach der letzten Antikörpergabe verabreicht         schnitten genauer besprochen und entspricht
     werden, da zu einem früheren Zeitpunkt keine        den Empfehlungen des Österr. Impfplans so-
     Seroprotektion erreicht werden kann (Berg-          wie den erweiterten Empfehlungen zu Impfun-
     lund et al. 2014; Yri et al. 2011). Aus theoreti-   gen bei Immunsuppression (Impfplan Öster-
     schen Überlegungen wird bevorzugt ein 4-va-         reich 2018; Wiedermann et al. 2016).
     lenter Impfstoff aufgrund der breiteren
     Abdeckung durch die Inklusion eines weiteren        15.3.4.3   Pneumokokken
     Influenza-B-Stammes im Vergleich zu den tri-        Das Risiko für invasive Pneumokkokenerkran-
     valenten Impfstoffen (2 Influenza-A-Stämme +        kungen (IPD) (Backhaus et al. 2016) ist ebenso
     1 Influenza-B-Stamm) empfohlen (Empfeh-             deutlich erhöht bei PatientInnen mit Malig-
     lung zur jährlichen Influenza-Impfung („Grip-       nomen. Das Risiko für Community-acquired-
     peimpfung“) 2017). Bei Personen ab dem              Pneumonien wird unterschiedlich beurteilt
     65. Lebensjahr kann auch die Verabreichung          (Almirall et al. 2017; Torres et al. 2013), jedoch
     eines adjuvierten Influenza-Impfstoffes erwo-       ist bei KrebspatientInnen mit einem schwere-
15   gen werden. Bei Erwachsenen mit hämatologi-         ren Verlauf zu rechnen und die Mortalität ist
     schen Tumorerkrankungen nach Stammzell-             erhöht (José et al. 2015). Zur Prävention ste-
     transplantation zeigte jedoch die Verwendung        hen einerseits konjugierte Pneumokkoken-
     eines adjuvierten saisonalen Influenza-Impf-        Impfstoffe (PCV) sowie andererseits ein Poly-
     stoffes (mit MF-59) keinen Vorteil gegenüber        saccharidimpfstoff (PPV23) zur Verfügung,
     einem nicht-adjuvierten Impfstoff (Natori           die Polysaccharidantigene der Bakterienkapsel
     et al. 2017).                                       unterschiedlicher Pneumokokken-Serotypen
                                                         beinhalten. Bei den konjugierten Impfstoffen
     15.3.4.2   Hämophilus influenzae                    werden diese Polysaccharide an Proteine ge-
                (Hib)                                    koppelt, um die Immunogenität zu verbessern,
     KrebspatientInnen, besonders solche mit Lun-        da somit eine T-Zell-abhängige Immunant-
     genkarzinomen, haben ein erhöhtes Risiko für        wort induziert wird. Die verbesserte Immun-
     Pneumonien, die u. a. durch das Bakterium           antwort konnte auch anhand von PatientInnen
     Haemophilus influenzae verursacht werden            mit chronisch lymphatischer Leukämie gezeigt
Impfungen und Krebserkrankungen
                                                                               267              15
werden, wo die Antikörperspiegel deutlich           15.3.4.4   Herpes Zoster
höher nach Verabreichung des konjugierten           Nach einer Varizelleninfektion verbleibt das
Impfstoffes (PCV13) waren als in der Ver-           Varizella-Zoster-Virus in sensorischen Spi-
gleichsgruppe, die den Polysaccharidimpfstoff       nalganglien und kann im späteren Leben im
(PPV23) erhielt (Svensson et al. 2018). Trotz       Rahmen einer Reaktivierung zum Herpes
schlechteren Ansprechens zeigen Polysaccha-         Zoster führen. Als Risikofaktoren für eine
ridimpfstoffe in retrospektiven Datenerhe-          Reaktivierung gelten Alter (>50 Lebensjahr)
bungen ihre Wirksamkeit gegen Community-            und Immunsupression. KrebspatientInnen
acquired-Pneumonien in Risikogruppen wie            und insbesondere jene mit hämatologischen
der älteren Bevölkerung (>65. Lebensjahr)           Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für
(Suzuki et al. 2017). Ebenso war bei Lungen-        eine Herpes-Zoster-Manifestation (Hansson
krebspatientInnen, die die Impfung innerhalb        et al. 2017). Lange Zeit stand nur ein Leben-
von 6 Monaten nach Krebsdiagnose erhielten          dimpfstoff zur Prävention zur Verfügung, der
(>75. Lebensjahr) deren Hospitalisierungsrate       jedoch aufgrund der Kontraindikationen bei
bzw. Sterblichkeit reduziert (Chiou et al. 2015).   KrebspatientInnen nur von begrenztem Nut-
Aber nicht nur die Pneumokokken-Impfung             zen war. Mit der Neuzulassung eines rekombi-
der PatientInnen selbst, sondern auch das           nanten Subunit-Totimpfstoffes besteht nun die
Einführen von nationalen Kinderimpfpro-             Möglichkeit, auch KrebspatientInnen in unter-
grammen (mit PCV) konnte eine deutliche             schiedlichen Stadien ihrer Erkrankung zu imp-
Reduktion der IPD-Erkrankungszahlen in              fen. Dieser Impfstoff wurde in groß angelegten
KrebspatientInnen bewirken (Lee et al. 2018).       Studien (n = >25.000) getestet wobei sich eine
Eine sequenzielle Impfung mit dem konjugier-        höhere Immunogentiät und Wirksamkeit in
ten Impfstoff (PCV 13) gefolgt von einer Do-        Bezug auf Zoster-Inzidenz und Häufigkeit von
sis mit dem Polysaccharid-Impfstoff (PPV23)         post-herpetischer Neuralgie als beim Leben-
nach einem Jahr führte bei älteren Personen zu      dimpfstoff zeigte (Cunningham et al. 2016; Lal
einem deutlichen Anstieg der Antikörperspie-        et al. 2015). Jedoch wurden in Zulassungsstu-
gel verglichen mit der umgekehrten Reihen-          dien immunsupprimierte Personen exkludiert.
folge (Greenberg et al. 2014).                      Mittlerweile wurde aber in einer randomisier-
    Die derzeit geltende Empfehlung in              ten Placebo-kontrollierten Studie die Wirk-
Deutschland und Österreich ist es zuerst den        samkeit des rekombinanten Impfstoffes bei
13-valenten konjugierten Impfstoff (PCV13)          PatientInnen mit autologer-hämatologischer
zu verabreichen und im Intervall dazu den           Stammzelltransplantation gezeigt. Diese Pa-
23-valenten Polysaccharidimpfstoff zur breiten      tientInnen erhielten die erste Impfdosis bereits
Abdeckung unterschiedlicher Serotypen. Das          30 Tage vor geplanter Transplantation und 3
empfohlene Intervall zwischen beiden Imp-           weitere Dosen danach (Winston et al. 2018).
fungen für Risikopersonen wie Krebspatient-         Außerdem konnte die Sicherheit und Immu-
Innen beträgt in Österreich wie auch z. B. in       nogenität in HIV-positiven Personen gezeigt
den USA mindestens 8 Wochen (Impfplan Ös-           werden (Berkowitz et al. 2015). Weitere Stu-
terreich 2018) und in Deutschland mindestens        dienergebnisse mit KrebspatientInnen werden
6 Monate (RKI 2016). In der Schweiz wird zur-       demnächst erwartet.
zeit nur der konjugierte Impfstoff empfohlen            Derzeit gibt es in Deutschland, Öster-
(BAG und EKIF 2014b, 2018). Für PatientIn-          reich und der Schweiz noch keine Empfeh-
nen, die bereits Pneumokkoken-Impfungen in          lung hinsichtlich des rekombinanten Zoster-
der Vergangenheit erhalten haben, gibt es in        Impfstoffes. Da es sich um einen Totimpfstoff
den österreichischen Empfehlungen eine Prä-         handelt, ist dessen Anwendung in Krebspati-
zisierung zur weiteren Vorgehensweise (Impf-        entInnen hinsichtlich der Sicherheit prinzipiell
plan Österreich 2018).                              nicht kontraindiziert, bei Personen vor dem 50.
268      A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt

     Lebensjahr jedoch off-label. In den USA emp-     delt. Die zeitlichen Intervalle zwischen Krebs-
     fiehlt die ACIP mittlerweile den rekombinan-     therapie und Impfungen entsprechen weitge-
     ten Impfstoff für Personen über 50 (2 Dosen      hend jenen für Erwachsene. Impfungen,
     laut Zulassung mit Abstand von 2–6 Monaten)      deren Grundimmunisierung zum Zeitpunkt
     auch bei geringgradiger Immunsuppression         der Diagnose bereits abgeschlossen war soll-
     sowie vor Einleitung und nach einer immun-       ten 3 Monate nach der Chemotherapie aufge-
     suppressiven Therapie (Dooling et al. 2018).     frischt werden, bei inkomplettem Impfschema
     Wirksamkeitsdaten für Personen, die keine        sollten die restlichen Dosen idealerweise vor
     Varizelleninfektion durchgemacht haben, lie-     bzw. wenn nicht möglich nach Therapie nach-
     gen derzeit aber nicht vor. Ein Argument, die-   geholt werden (Titerüberprüfungen erwägen,
     sen Impfstoff für die Grundimmunisierung         evtl. während Chemotherapie impfen, wenn
     heranzuziehen, wäre, dass nach Verabreichen      epidemiologisch sinnvoll). Bei Lebendimpf-
     des VZV Lebensimpfstoffes, das Impfvirus la-     stoffen hängt das Intervall von den Vorimp-
     tent in Ganglienzellen bleibt und es später zu   fungen, Immunrekonstitution und Impfanti-
     einer Reaktivierung mit dem Impfvirus kom-       gen ab (Shetty und Winter 2012). Bei jüngeren
     men kann (Dreyer et al. 2017).                   Kindern hat sich gezeigt, dass Antikörpertiter
                                                      stärker abfallen können und diese auf Boos-
                                                      terimpfungen nach Chemotherapie eventuell
           Spezielle Impfempfehlungen für             schlechter ansprechen (Nilsson et al. 2002;
           KrebspatientInnen                          Zignol et al. 2004).
           5 Alle altersentsprechenden Impfungen
             gemäß nationalen Empfehlungen;
             cave: Kontraindikationen beachten        15.3.6   Spezielle Impfempfehlun-
             (z. B. Lebendimpfstoffe)!                         gen bei PatientInnen mit hä-
           5 Influenza 1x jährlich                             matopoetischer Stammzell-
           5 Pneumokkoken (bezüglich Impfstoff                 transplantation (HSZT)
             und Intervall nationale Empfehlungen
             beachten)                                Bei einer HSZT gilt es zu unterscheiden, ob es
           5 Herpes Zoster (Totimpfstoff )            sich um eine autologe, allogene oder Nabel-
                                                      schnurbluttransplantation handelt. Nach einer
                                                      autologen Stammzelltransplantation ist die Im-
     15.3.5    Spezielle                              munfunktion meist weniger beeinträchtigt und
               Impfempfehlungen für                   die Immunrekonstitution kann schneller erfol-
               KrebspatientInnen im                   gen (Shetty und Winter 2012). Obwohl die Im-
15             Kindesalter                            munrekonstitution von der Art des Transplan-
                                                      tats beeinflusst wird, wird in den derzeitigen
     Pädiatrische KrebspatientInnen sollten auf je-   Empfehlungen darauf nicht eingegangen (Tsig-
     den Fall altersentsprechend alle empfohlenen     relis und Ljungman 2016) mit Ausnahme der
     Impfungen erhalten. Besonders sollte auf-        DGHO (deutsche Gesellschaft für Hämatologie
     grund des erhöhten Komplikationsrisikos auf      und Medizinische Onkologie (Rieger et al.
     die Immunität gegen Varizellen und Influenza     2018). Da durch die myeloablative Therapie vor
     (Totimpfstoff) geachtet werden (Esposito         HSZT die bereits aufgebaute Immunität (von
     et al. 2010). Die Influenzaimpfung ist ab dem    Infektionen und Impfungen) zerstört wird, ist
     6. Lebensmonat möglich und es sollten bei        bei diesen PatientInnen nach HSZT eine neu-
     der Erstimpfung 2 Dosen im Abstand von           erliche Grundimmunisierung zum Wiederer-
     mindestens 4 Wochen verabreicht werden           langen der Immunität erforderlich (Ljungman
     wenn es sich um Kinder unter 9 Jahren han-       et al. 2009; Seggewiss und Einsele 2010).
Impfungen und Krebserkrankungen
                                                                                   269              15
15.3.6.1   Impfungen vor HSZT                              Generell sind Empfänger einer allogenen
Nachdem die vor HSZT vorhandene Immuni-                HSZT, unabhängig von ihrer Impfanamnese
tät der Empfänger noch einige Monate nach              vor Transplantation, wie Ungeimpfte anzuse-
der HSZT nachweisbar sein kann, ist es sinn-           hen und es wird nach Wiedererlangen der Im-
voll, bei diesen PatientInnen in der Vorberei-         munkompetenz der Neubeginn von Grundim-
tungszeit die Impfungen gemäß nationalen               munisierungen        von     unterschiedlichen
Empfehlungen auf den aktuellen Stand zu                Fachgesellschaften empfohlen (Lopez et al.
bringen, sofern es der Immunstatus zulässt.            2017). Bei Totimpfstoffen wird hier die Grund-
Dies bedeutet je nach Impfanamnese, entspre-           immunisierung mit 3 Dosen in jeweils monat-
chende Auffrischungsimpfungen zu verabrei-             lichen Abstand empfohlen sowie eine Auffri-
chen bzw. fehlende Grundimmunisierungen                schung nach 12–18 Monaten (Schema 3+1) (s.
nachzuholen oder komplettieren (bei Totimpf-           . Tab. 15.7) (Hilgendorf et al. 2011; Wieder-
stoffen bis 2 Wochen vor Konditionierung/im-           mann et al. 2016). Außerdem sprechen diese
munsuppressiver Therapie). Sofern noch genü-           PatientInnen schlecht auf Polysaccharidimpf-
gend Zeit vor der Konditionierung ist                  stoffe an, weswegen konjugierte Impfstoffe ver-
(mindestens 4 Wochen) und die PatientInnen             wendet werden sollen (Kumar et al. 2007). Le-
nicht immunsupprimiert sind, besteht hier              bendimpfstoffe können ab 24 Monate nach der
noch die Möglichkeit, bei fehlender Immunität          Transplantation eingesetzt werden vorausge-
Lebendimpfstoffe gegen MMR und VZV zu                  setzt dass zum Zeitpunkt der Impfung kein ak-
verabreichen.                                          tives GvHD besteht und die Zeitfenster zu ei-
    Angesichts der Tatsache, dass Antikörper-          ner immunsuppressive Therapie (3 Monate)
spiegel gegen T-Zell-abhängige Impfantigene            oder Immunglobulingabe (IG) (3 Monate Ab-
vom Spender auf den Empfänger transferiert             stand nach Anschluss der letzten IG-Gabe vor
werden können bzw. zu einer verbesserten               MMR oder Varizellenimpfung) eingehalten
Impfantwort bei Empfängern führen kann, er-            werden. Ein chronisches GvHD stellt prinzipi-
scheint die Impfung von Spendern attraktiv.            ell kein Hindernis für das Verabreichen von
Jedoch fehlen für diese Strategie derzeit noch         Totimpfstoffen dar (Hilgendorf et al. 2011).
Wirksamkeitsdaten und in der Realität fehlt oft            Die Impfempfehlungen beruhen darauf,
die Zeit bzw. die Logistik dahinter, weshalb es        dass die PatientInnen einen Impfstatus gemäß
hierzu keine generelle Empfehlung gibt (Harris         nationalen, altersentsprechenden Empfehlun-
et al. 2015).                                          gen (z. B. Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio)
                                                       unter Berücksichtigung ihres Immunstatus
15.3.6.2   Impfungen nach HSZT                         (3+1-Schema)         und       Infektionsrisikos
Der Immunstatus nach einer HSZT ist aufgrund           (z. B. Pneumokokken und Influenza bereits
unterschiedlicher Faktoren wie zugrunde lie-           3 Monate nach HSZT) erhalten.
gender Erkrankung, Art des Transplantats,                  Die Pneumokokken- und HiB-Impfung
Graftversus-host disease (GvHD), immunsup-             auch außerhalb der altersentsprechenden
pressive Therapie, aber auch Alter, Immunität          Empfehlung beruht auf der Tatsache, dass bei
vor der Transplantation und Zeitpunkt nach der         vielen PatientInnen aufgrund der Konditionie-
Transplantation sehr variabel. Nach einer HSZT         rung ein funktionaler Hyposplenismus besteht
kommt es mitunter zu einem raschen Abfall der          und sich dadurch erhöhtes Risiko für Infektio-
vorbestehenden Impfantigen-spezifischen Anti-          nen mit bekapselten Bakterien ergibt. In Bezug
körpertiter. Aufgrund des verloren gegangen            auf das Infektions- und Erkrankungsrisiko mit
Impfschutzes und des eingeschränkten Immun-            Pneumokkoken bei HSZT Empfängern liegen
status nach der HSZT werden diese Personen             zahlreiche epidemiologische Daten vor (Ku-
empfänglicher für Infektionserkrankungen (Ba-          mar et al. 2008; van Veen et al. 2016) und die
den et al. 2016; Conrad et al. 2018; Schuster et al.   Immunogenität des 3+1-Impfschemas mit
2017).                                                 dem konjugierten Impfstoff PCV13 bzw. des
270       A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt

           . Tab. 15.7   Empfohlene Impfungen nach HSZT

      Zeitpunkt Impfantigen                   Grund-             Booster               Kommentar
      nach HSZT                               immunisierung (GI) nach GI
      3 – (6)          Pneumokokken           3 x PCV13 (0,1,2         12 Monate       Bei GvHD Booster mit
      Monate                                  Mo)                      mit PPV23       PCV13. CH: Booster
                                                                       (D, Ö)          mit PCV13
                       Influenza              1 x jährlich                             Kurz vor/ in der Influenzasaison
                                                                                       Intervall nach HSZT 3 Monate;
                                                                                       Dosis bei Kindern unter 9 J. D: 1-
                                                                                       2 Dosen; CH: 2 Dosen bei Kindern
                                                                                       oder
Impfungen und Krebserkrankungen
                                                                             271             15
PPV23-Boosters wurde belegt (Cordonnier            falls nach Prüfung der Kontraindikationen
et al. 2010, 2015).                                eine Impfung ab 24 Monate nach HSCT in Be-
     Da sowohl die Datenlage zu Meningokok-        tracht gezogen werden.
kenerkrankungen (van Veen et al. 2016) und             Auch Varizella-Zoster-Virusinfektionen
Wirksamkeit der konjugierten Impfstoffe (Men       sowie -Reaktivierung kommen häufiger nach
C und Men ACWY) bei HSZT-PatientInnen              HSCT vor (Chou et al. 2011) und es wird die
(Mahler et al. 2012) sehr begrenzt ist, ist die    serologische Überprüfung sowie nachfol-
Empfehlung bezüglich Impfschema an andere          gende Impfung unter Prüfung der Kontrain-
konjugierte Impfstoffe angelehnt und die Indi-     dikationen empfohlen. In Bezug auf Herpes-
kation entspricht den nationalen Empfehlun-        Zoster-Totimpfstoff wurde in einer Studie die
gen (i. e. Kinder und Jugendliche bzw. basie-      Immunogenität und Wirksamkeit von 4 Do-
rend auf der Epidemiologie).                       sen bei PatientInnen mit autologer HSCT ge-
     Das Risiko für Influenzainfektionen und       zeigt (1. Dosis vor HSCT) (Winston et al.
Komplikationen nach HSCT ist erhöht und die        2018).
Influenzaimpfung ist mit einer Reduktion an            Um den Impferfolg zu kontrollieren, be-
Erkrankungsfällen verbunden (Bitterman et al.      steht auch hier wiederum die Möglichkeit ei-
2018).                                             ner serologischen Kontrolle. Dies ist vor al-
     HSZT-PatientInnen verlieren über die Zeit     lem bei Personen mit GvHD hilfreich, da
ihre bereits erworbene Immunität gegen Hepa-       diese schlechter auf Impfungen ansprechen
titis B nach der Transplantation und tragen        (Jaffe et al. 2006). Dennoch sollten Personen
deswegen das Risiko für eine Infektion bzw.        mit chronischem GvHD laut Empfehlungen
Reaktivierung (Sarmati et al. 2017). Die Imp-      (Totimpfstoffe) geimpft werden (Hilgendorf
fung ist immunogen, wenn auch in einem ge-         et al. 2011). Zusätzlich sollte man selbst bei
ringeren Ausmaß als bei immunkompetenten           regelrecht geimpften PatientInnen nach
(Jaffe et al. 2006).                               HSZT bei einer Exposition mit Hepatitis (A
     Je nach nationalen Empfehlungen und           bzw. B), Masern, Tetanus, Tollwut und Vari-
aufgrund des Expositionsrisikos wird die He-       zellen eine Immunglobulingabe erwägen
patitis-A- (Alter bzw. Reise) und FSME-Imp-        (BAG u. EKIF 2018; Impfplan Österreich
fung (Epidemiologie) empfohlen. Daten zur          2018; RKI 2018).
Immunogenität und Wirksamkeit dieser
Impfungen nach HSCT liegen derzeit nicht
vor.                                                  Praxistipp
     Weibliche Langzeitüberlebende nach HSCT
haben ein erhöhtes Risiko für HPV-assoziierte         Impfungen vor HSZT:
Läsionen, das bei Vorliegen eines genitalen           5 Totimpfstoffe bis 2 Wochen vor
GvHD zusätzlich erhöht ist (Shanis et al. 2018).        Konditionierung
Daten zur Immunogenität und Wirksamkeit               5 Lebendimpfstoffe bis 4 Wochen vor
dieser Impfungen nach HSCT liegen derzeit               Konditionierung – cave: Immunsup-
nicht vor, aufgrund der epidemiologischen Da-           pression
ten soll die Impfung entsprechend der nationa-        Impfungen nach HSZT:
len Empfehlungen erwogen werden.                      5 Totimpfstoffe mit ab 3–6 Monaten
     Einige PatientInnen werden im Verlauf              nach HSZT: 3+1-Schema (bei Impfbe-
nach HSCT seronegativ in Bezug auf MMR                  ginn ≥ 12 Monate nach HSZT:
(Kawamura et al. 2015). Aufgrund der derzeiti-          2+1-Schema
gen epidemiologischen Situation vor allem in          5 Lebendimpfstoffe ab 24 Monate nach
Bezug auf Masern in Europa (ECDC 2018)                  HSZT sofern kein Graft-versus-host
sollte auf jeden Fall eine serologische Überprü-        disease besteht
fung nach HSCT stattfinden und gegebenen-
272      A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt

     15.3.7    Reiseimpfungen                              . Tab. 15.8 Empfohlene Impfungen für
                                                           Kontaktpersonen
     Bei PatientInnen mit Krebserkrankungen
     nimmt die Reisetätigkeit zu (Mikati et al.            Impfantigen       Kommentar
     2013). Hier sollte vor allem bei Fernreisen
                                                           Alle altersent-   Grundimmunisierung bzw.
     rechtzeitig (mindestens 4–6 Wochen vor Ab-            sprechenden       Auffrischungen laut
     reise) ein Reisemediziner konsultiert werden,         Impfungen         nationalen Empfehlungen
     um das Risiko für Reise-assoziierte Erkran-
                                                           Influenza         Jährlich; Totimpfstoff
     kungen in Abhängigkeit von der aktuellen epi-
     demiologischen Situation im Zielland zu be-           Pneumokokken      Siehe altersentsprechende
     sprechen und darauf basierend Impfungen zu                              nationale Empfehlungen.
                                                                             Besonders Kinder im Umfeld
     empfehlen. Welche Impfungen tatsächlich
     sinnvoll bzw. in Bezug auf die Kontraindikatio-       Pertussis         Siehe altersentsprechende
     nen möglich sind, hängt auch vom Immunsta-                              nationale Empfehlungen
     tus der PatientInnen ab. Dies betrifft vor allem      MMR               Bei nicht-immunen
     Lebendimpfstoffe wie gegen Gelbfieber und                               Kontaktpersonen ab dem 9.
                                                           Varizellen
     Typhus (oraler Impfstoff). Bei der Typhusimp-                           Lebensmonat Cave: kein
     fung steht ein Totimpfstoff zur Verfügung,                              Kontakt zu Varizellen-
                                                                             Geimpften die, Hautläsio-
     dem der Vorzug zu geben ist. Im Fall der Gelb-                          nen nach der Impfung
     fieberimpfung ist zu beachten, dass manche                              aufweisen, bis zum Abheilen
     Länder formale Einreisevorschriften haben                               der Läsionen!
     und den Nachweis einer Gelbfieberimpfung
     bei Einreise (unabhängig von der aktuellen
     epidemiologischen Situation) verlangen. Hier       kungen unterbrochen wird (Herdenimmuni-
     ist in Abhängigkeit der aktuellen Epidemiolo-      tät) (. Tab. 15.8). Die Bedeutung einer guten
     gie zu klären, ob das Ausstellen eines medizini-   Durchimpfung konnte beispielsweise anhand
     schen Ausschlusszertifikats verantwortbar ist.     von Kinderimpfprogrammen mit konjugierten
     Bei Totimpfstoffen ist die geringere Wirksam-      Pneumokokken-Impfstoffen gezeigt werden.
     keit bei immunsupprimierten PatientInnen zu        Nach deren Implementierung in Kanada ging
     beachten, wobei Wirksamkeitsdaten zu Reise-        die Rate an invasiven Pneumokokkenerkran-
     impfungen fehlen. Laut der Amerikanischen          kungen in der gesunden (immunkompetenten)
     Gesellschaft für Blut und Knochenmarkstrans-       sowie auch immunsupprimierten Bevölkerung
     plantation sollten Fernreisen mindestens           in allen Altersgruppen zurück (Shigayeva et al.
     6–12 Monate bei allogenen HSZT Empfängern          2016). Insbesondere sollte auf die Immunität
15   und 3–6 Monate nach autologer HSZT aufge-          gegen MMRV und Influenza der Kontaktper-
     schoben werden (Tomblyn et al. 2009).              sonen geachtet werden (Impfplan Österreich
                                                        2018). Dies betrifft im Sinne der sozialen Ver-
                                                        antwortung nicht nur Personen im privaten
     15.4   Impfempfehlungen für                        Umfeld, sondern auch Mitarbeiter im medi-
            PatientInnenangehörige und                  zinischen Bereich, für die es gesondert Impf-
            Kontaktpersonen                             empfehlungen gibt (Wiedermann-Schmidt
                                                        et al. 2012). Sollten Impfungen bei Kontakt-
     Personen im direkten Umfeld von Krebspa-           personen notwendig sein, so können Totimpf-
     tientInnen sollten einen aktuellen Impfschutz      stoffe bedenkenlos verabreicht werden. Bei
     gemäß den nationalen Empfehlungen haben,           Lebendimpfstoffen kann der MMR und Gelb-
     um diese indirekt schützen zu können, da           fieberimpfstoff ebenfalls ohne Risiko für den
     durch eine hohe Durchimmunisierungsrate die        Krebspatienten an Kontaktpersonen verimpft
     Infektionskette von impf-präventablen Erkran-      werden. Allerdings sollte aufgrund einer theo-
Impfungen und Krebserkrankungen
                                                                                       273                 15
retisch möglichen Übertragung des Impfvirus
auf die immunsupprimierte Person nicht der               pression ab. Lebendimpfungen sind unter Im-
Influenza-Lebendimpfstoff bei Kontaktperso-              munsuppression generell kontraindiziert.
nen angewandt werden oder der Kontakt zu                 Wie wirksam sind Impfungen bei Krebspa-
Immunsupprimierten für 7 Tage vermieden                  tientInnen im Vergleich zu Gesunden? – Die
werden (Ward et al. 2017). Nach Rotavirusimp-            Wirksamkeit wird von der Tumorentität und
fung von Säuglingen in der PatientInnenum-               dem Tumorstadium, individuellen Faktoren
gebung können diese das Impfvirus mit dem                und dem Zeitpunkt in Bezug auf die Therapie
Stuhl ausscheiden, weswegen KrebspatientIn-              beeinflusst.
nen bis zu 4 Wochen nach der Impfung keine
Windeln wechseln sollten und strikte Hände-
hygiene im Haushalt praktiziert werden sollte.       Literatur
Sollten nach einer Varizellen- oder Herpes-
Zoster-Lebendimpfung Hautläsionen bei Kon-           Abbas A, Lichtman A, Pillai S (2018) Cellular and mole-
                                                         cular immunology, 9. Aufl. Saunders, Canada
taktpersonen auftreten, dann ist der Kontakt
                                                     Almirall J, Serra-Prat M, Bolibar I, Balasso V (2017) Risk
zu diesen Personen bis zum Abheilen der Lä-              factors for community-acquired pneumonia in
sionen zu vermeiden. Keine Daten gibt es zum             adults: a systematic review of observational stu-
oralen Typhuslebendimpfstoff (Ariza-Heredia              dies respiration. International review of thoracic
und Chemaly 2015). Der orale Polioimpfstoff              diseases 94:299–311
                                                     Alwarawrah Y, Kiernan K, MacIver NJ (2018) Changes in
(derzeit in Westeuropa nicht verwendet) sollte
                                                         nutritional status impact immune cell metabolism
bei Kontaktpersonen nicht eingesetzt werden.             and function. Front Immunol 9:1055
    Nationale Empfehlungen abrufbar unter:           Ariza-Heredia EJ, Chemaly RF (2015) Practical review of
                                                         immunizations in adult patients with cancer. Hum
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D: - 7 www.rki.de                                    Backhaus E, Berg S, Andersson R et al (2016) Epidemio-
                                                         logy of invasive pneumococcal infections: manifes-
CH: - 7 www.bag.ch                                       tations, incidence and case fatality rate correlated to
                                                         age, gender and risk factors. BMC Infect Dis 16:367
                                                     Baden LR, Swaminathan S, Angarone M et al (2016) Pre-
   Fazit                                                 vention and treatment of cancer-related infections,
                                                         version 2.2016, NCCN Clinical Practice Guidelines
                                                         in Oncology. J Natl Compr Canc Netw 14(7):
   Ziel dieses Artikels ist es, die wesentlichsten
                                                         882–913
   Grundlagen für die Beantwortung der häu-          BAG u. EKIF (2014a) Empfehlungen zur Impfung von
   figsten Fragen und Vorbehalte von Krebs-              Empfängerinnen und Empfängern von Blut-
   patientInnen in Bezug auf Impfungen wäh-              Stammzellen. Bull BAG 2012; 21:363–370 (ange-
   rend ihrer Erkrankung und Therapie zu                 passt Januar 2014)
                                                     BAG u. EKIF (2014b) Pneumokokkenimpfung: Empfeh-
   liefern.
                                                         lungen zur Verhinderung von invasiven Pneumokok-
   Beispiele:                                            kenerkrankungen bei Risikogruppen. Bull BAG
   Kann ich mich trotz Krebserkrankung imp-              8:129–141.
   fen lassen? – Ja                                  BAG u. EKIF (2018) Schweizerischer Impfplan 2018.
   Wann ist der beste Zeitpunkt für Impfun-              www.bag.admin.ch/impfplan
                                                     Bastola R, Noh G, Keum T et al (2017) Vaccine adjuvants:
   gen? – Vor Therapie (bzw. siehe Intervalle)
                                                         smart components to boost the immune system.
   Beeinflussen Impfungen den Therapiever-               Arch Pharm Res 40:1238–1248
   lauf? – Totimpfstoffe gelten auch während ei-     Bektas O, Karadeniz C, Oguz A, Berberoglu S, Yilmaz N,
   ner Therapie als sicher, jedoch kann die Wirk-        Citak C (2007) Assessment of the immune response
   samkeit verringert sein.                              to trivalent split influenza vaccine in children with
                                                         solid tumors. Pediatr Blood Cancer 49:914–917
   Gibt es Impfungen, die ich nicht bekommen
                                                     Berghmans T, Sculier JP, Klastersky J (2003) A prospec-
   sollte? – Das hängt von Grad der Immunsup-            tive study of infections in lung cancer patients ad-
                                                         mitted to the hospital. Chest 124:114–120
274     A. Wagner und U. Wiedermann-Schmidt

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