In Zeiten der Digitalisierung: Welche Medienbildung brauchen Kinder? - Frühe Bildung ...
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Forum Medienbildung Thomas Irion In Zeiten der Digitalisierung: Welche Medienbildung brauchen Kinder? Mediatisierung und Digitalisierung machen auch vor den Kinderzimmern nicht halt. Welche Kompetenzen aber brauchen Kinder für ein Leben und Lernen in einer zunehmend digital geprägten Welt? Und welche Heraus- forderungen und Chancen ergeben sich für die Grundschule? D igitalisierung und Mediatisie Um dies zu realisieren, konnten alle An- konsums beschränkt, sondern den Kin- rung führen zu vielfältigen Ver- wesenden im Raum mittels ihres Smart- dern vielfältige Angebote für die Medi- änderungen der Welt. Wenn phones, Tablets oder Notebooks Fragen enproduktion eröffnet. Gabriele Klenk, gleich manchmal der Eindruck ent- ans Podium stellen, die im Anschluss Vertreterin des Vorstandes des Grund- steht, dass diese Prozesse quasi unan- seitens der Anwesenden hinsichtlich schulverbandes, betonte vor allem die gekündigt auch Kinder erreicht, hat die ihrer Dringlichkeit und Relevanz be- Notwendigkeit einer allseitigen Bildung. Medienbildung eine lange Tradition in wertet wurden. Mit Larissa Ade von der Digitale Medien sind für sie eine wich- Grundschulen und in den program- Universität Würzburg erklärte sich eine tige Erweiterung im Handlungs- und matischen Zielsetzungen des Grund- Besucherin bereit, die über Sli.do einge- Kommunikationsspektrum von Grund- schulverbandes. Schon im Jahre 1999 reichten Fragen an das Podium weiter- schulkindern. Es gilt, die Kompetenzen forderte Angelika Speck-Hamdan, die zugeben. der Kinder für aktuelle und zukünftige Einführung in Informations- und Kom- Lebenssituationen vorzubereiten und munikationstechnologien als Teil der Unterrichtsprinzipien für dabei zu klären, welche Rolle hier Me- Grundlegenden Bildung in der Grund- einen zeitgemäßen Unterricht dien und Digitalisierung spielen. Micha schule zu verankern und beispielhafte mit digitalen Medien Pallesche verdeutlichte, dass es nicht da- Projekte wurden im von ihr gemeinsam rum gehen könne, Prinzipien für digi- mit Hartmut Mitzlaff herausgegebenen Eine zentrale Frage aus dem Publikum tal gestütztes Lernen und Arbeiten von GSV-Band Neue Medien in der Grund- war, wie ein zeitgemäßer Unterricht mit anderen Prinzipien zu unterscheiden. schule vorgestellt. digitalen Medien erreicht werden kann Wichtig für Unterrichtshandeln sind da- Angesichts der Strategie der Kultus- und ob sich hierfür spezifische Unter- bei: Offenheit zeigen, Unterschiedlich- ministerkonferenz „Bildung in der digi- richtsprinzipien ausmachen lassen. keit annehmen und Kreativität ermög- talen Welt“ 1 hat der Grundschulverband Das Podium schloss sich weitgehend lichen. Diese Leitlinien bilden für ihn eine Stellungnahme „Digitale Mündig- der Aussage von Beat Döbeli Honegger auch eine wesentliche Grundlage für die keit beginnt in der Grundschule“ 2 ver- an: Ein spezifisches Unterrichtsprinzip schulische Arbeit mit digitalen Medien. öffentlicht, in der aufbauend auf einem für den Einsatz digitaler Medien gibt es Standpunkt Medienbildung des Grund- nicht. Allerdings bekommen für Wibke Wie können Lehrpersonen schulverbandes verschiedene Maßnah- Tiedmann in Zeiten der Digitalisierung beim Start unterstützt werden? men eingefordert werden. spezifische Arbeitsformen und Kompe- Um die Fragen der Besucherinnen tenzbereiche neues Gewicht, die in der Ein weiterer zentraler Fragenkomplex und Besucher des Forums aufgreifen zu Literatur durch die Bezeichnung 4K be- war, wie Lehrpersonen bei der Nut- können, wurde ein sehr offenes Format kannt geworden sind. Kommunikation, zung digitaler Medien unterstützt wer- gewählt. Im Mittelpunkt des Zukunfts- Kooperation, Kreativität und Kritikfä- den können. Für Micha Pallesche ist forums sollten nicht vorher von den auf higkeit werden angesichts der media- eine Fehlerkultur an der Schule zentral: dem Podium sitzenden Personen oder len Entwicklungen für sie besonders be- nur wenn Lehrpersonen und Kinder die von Moderator Thomas Irion, Erzie- deutsam. Für Michael Kirch bieten digi- Angst verlieren, etwas falsch zu machen, hungswissenschaftler und Fachreferent tale Medien besondere Chancen, diese entsteht der Mut, Veränderungsprozesse Medienbildung des Grundschulver- 4K-Kompetenzen zu fördern, vor allem, in Gang zu bringen, die ohne Vorbehal- bands, festgelegte Themenbereiche ste- wenn sich die Schule bei der Nutzung te Bewährtes und Neues verbinden. Beat hen, sondern die Fragen des Plenums. nicht auf die Unterstützung des Medien- Döbeli Honegger betonte die Bedeutung GS aktuell 149 • Februar 2020 11
Forum Medienbildung des Zusammenspiels ganz verschiedener Kinder müssen für sie dazu stark ge- auch bei der Umsetzung von Medien- Bereiche des schulischen Lebens. Für macht werden, sich für die Demokratie bildung für eine zunehmend digital ihn ist bedeutsam, dass Veränderungs- einzusetzen. Neben anderen Möglichkei- geprägte Welt zu unterstützen. Auf dem prozesse nicht allein auf Unterrichtse- ten lernen sie in der Schule auch, digita- Podium wurde hier besonders intensiv bene realisiert werden, sondern diese an le Medien zur Partizipation zu nutzen. diskutiert, ob und wie der Grundschul- Schulentwicklungsprozesse angebun- Beat Döbeli Honegger betont die Not- verband Lehrkräfte auf diesem Weg den werden. Gabriele Klenk beleuch- wendigkeit, Kinder für die Gegenwart unterstützen kann. Ein Vorschlag war tete wesentliche Hindernisse, die sich und die Zukunft so zu qualifizieren, dass hier die Einrichtung einer Plattform, aus der Sicht einer Schulleiterin für die sie in der Lage sind, an einer zunehmend auf der sowohl Erfahrungen, Empfeh- Integration der digitalen Medien in den digital geprägten Welt teilzuhaben. Mi- lungen und gelungene Konzepte aus- Unterrichtsalltag ergeben: Viele ältere chael Kirch sieht die Unterscheidung getauscht als auch Kontakte zu anderen Lehrkräfte übertragen die Verantwor- von digitalen und analogen Kompeten- Lehrkräften hergestellt werden könnten, tung auf jüngere, die Nutzung digitaler zen als nicht gewinnbringend. Er erwar- die sich mit ähnlichen Aufgabenstel- Medien erfolgt teilweise nur mit gerin- tet, dass die Nutzung digitaler Medien lungen beschäftigen. Einig war sich das gem innovativen Gehalt. Sie fordert ein in Zukunft immer selbstverständlicher Podium, dass aus der Vielfalt der Unter- gutes Zusammenspiel von Bewährtem wird und die exotischere Frage künftig stützungsangebote seitens Schulbuch- und neuen Herausforderungen. Wibke sein könnte, was wir noch ohne digita- verlagen, Kreismedienzentren, Landes- Tiedmann sieht die Verantwortung auch le Medien tun. Micha Pallesche sieht die medienzentren, Ministerien, Social- bei den Innovatorinnen und Innovato- große Herausforderung für Schulen dar- Media-Plattformen wie Twitter und wei- ren in diesem Bereich. Sie berichtet von in, herauszufinden, wie Kinder sich aus- teren Internetangeboten unbedingt kri- innovativen Verwendungsformen, die tauschen, vernetzen, kommunizieren, tisch ausgewählt werden müsste. Ange- nur geringe Verbreitung finden würden. und in Folge diese Entwicklungsprozes- sichts der Vielzahl der Aktivitäten kön- se zu unterstützen. ne sonst der Fokus schnell auf techno- Welche Medienbildung logische Umsetzungsfragen statt auf brauchen Kinder? Wo erhalten Lehrkräfte Hilfe? pädagogische Überlegungen verschoben werden. Eine zentrale Frage des Plenums war die Ein ganz zentrales Anliegen der teilneh- Beschreibung der relevanten Medien- menden Personen war die Frage nach Think Big – Start Small kompetenzen in der Grundschulbil- konkreten Anregungen und Unter- dung. stützungsangebot. Wibke Tiedmann Die offene Form des Zukunftsforums Gabriele Klenk stellt dar, dass Kinder sah hier besondere Aufgaben für den und der Austausch zwischen Podium die Nutzung digitaler Medien für eine Grundschulverband, der als Reformver- und Plenum zeigten nicht nur die Viel- gesellschaftliche Teilhabe benötigen. band vor der Aufgabe stehe, Lehrkräfte zahl an Baustellen für eine Grundbil- Um die Fragen der Besucherinnen und Besucher des Forums aufgreifen zu können, wurde ein sehr offenes Format gewählt. Um dies zu realisieren, konnten alle Anwesenden im Raum mittels ihres Smartphones, Tablets oder Notebooks Fragen ans Podium stellen, 12 GS aktuell 149 • Februar 2020
Forum Medienbildung dung für die zunehmend digital gepräg- stellen, auch für eine digitale Bildung te Welt auf, sondern auch die sehr hete- die Zukunftsvision der Grundschule zu rogenen Voraussetzungen, Vorstellun- entwickeln und Schulen und Lehrkräf- gen und Einstellungen. Während einige te bei den ersten Schritten unterstützen. vor allem konzeptionelle Maßnahmen Dabei gilt es auch, vorbehaltlos Chancen in den Mittelpunkt stellen, hatten ande- und Herausforderungen von Mediatisie- re den dringenden Bedarf, praktische rung und Digitalisierung auf allen Ebe- Hilfe für die Umsetzung des KMK-Be- nen (Mitglieder, Landesverbände, Vor- schlusses 2016 Bildung in der digitalen stand und Fachreferate) zu diskutieren, Welt zu erhalten. um die Entwicklung der bildungswirk- Dr. Thomas Irion Die Diskussion im Zukunftsforum „In samen Auseinandersetzung mit Media- Fachreferent für Medienbildung Zeiten der Digitalisierung: Welche Me- tisierung und Digitalisierung von Kind- im Grundschulverband, dienbildung brauchen Kinder?“ verdeut- heit und Gesellschaft zu gestalten. Prof. für Grundschulpädagogik lichte, dass die Nutzung digitaler Tech- In der Rückschau der Diskussion wird an der PH Schwäbisch Gmünd nologien im Grundschulunterricht und in jedem Fall deutlich, dass sich im Ju- die Förderung von Medienkompetenzen biläumsjahr 2019 nicht mehr die Frage zur Nutzung digitaler und analoger Me- stellt, ob die Themenbereiche Digitali- dien noch eine ganze Reihe von Fragen sierung und Mediatisierung und der Er- Anmerkungen 1) https://www.kmk.org/themen/bildung- und Herausforderungen mit sich bringt. werb erforderlicher Kompetenzen ihren in-der-digitalen-welt.html (14.12.2019) Umso wichtiger war die von Michael Ort in der Grundschulbildung haben 2) https://grundschulverband.de/wp- Kirch formulierte Abschlussempfeh- sollen, sondern vielmehr zwischen der content/uploads/2018/08/stellungnahme lung: Think Big – Start Small!! Nur wer Setzung von Gegenpolen und der bil- -gsv-digitalpakt-schule.pdf (14.12.2019) große Visionen entwickelt und mit klei- dungswirksamen Auseinandersetzung nen Schritten beginnt, kann sich für ihn Wege gefunden werden müssen, Kinder auf den Weg machen. Eine Position, die mit dieser Thematik nicht alleinzulassen. nicht nur von den Teilnehmerinnen und Der Grundschulverband steht hier vor Teilnehmern auf dem Podium unter- der Aufgabe, die aus diesem Bildungs- stützt wurde, sondern auch vom Plenum auftrag entstehende Bildungsdiskussion sehr positiv aufgenommen wurde. und die daraus abgeleiteten Maßnahmen Hieraus kann auch die Aufgabe für kritisch-konstruktiv zu begleiten und zu den Grundschulverband für die zweiten gestalten. 50 Jahre formuliert werden: Der Grund- schulverband muss sich der Aufgabe DiskussionsteilnehmerInnen (v. l. n. r.): Gabriele Klenk (Schulleiterin, Vorstand Grundschulverband), Dr. Michael Kirch (Akademi- scher Rat am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München), Prof. Dr. Beat Döbeli Honegger (Leiter Institut Medien und Schule an der PH Schwyz), Wibke Tiedmann (Referentin am Zentrum für Schulqualität und Lehrer bildung in Baden-Württemberg), Micha Pallesche (Schulleiter Ernst-Reuter-Schule Karlsruhe), Prof. Dr. Thomas Irion (Professor für Grundschulpädagogik an der PH Gmünd, Fachreferent für Medienbildung im Grundschulverband) GS aktuell 149 • Februar 2020 13
Forum Medienbildung Gabriele Klenk: Micha Pallesche: Statements der Lernen über und mit Medien Medienbildung Podiumsteilnehmer/innen in der Grundschule in digitalen Zeiten Medienbildung in der Grundschule muss ein Insbesondere für die Grundschule ist die Lernen über Medien mit seinen Chancen, digitale Transformation eine große Aufga- Michael Kirch: Nutzen und Gefahren ebenso berücksichti- be. So steht sie doch vor der Herausforde- Think Big and Start Small gen wie ein Lernen mit Medien. rung, traditionelle Mit Think Big möchte ich dazu aufrufen, die Kriterien hierfür sind: Kulturtechniken „großen Fragen“ zu stellen und Visionen zu – Kritisch-reflektierte Nutzung von Inhalten zu vermitteln, und entwickeln. Schu- – Kreativ-produktiver Einsatz von Medien dies bei einer ma- len sollten sich als – Sozial-wertschätzender Umgang mit ximal heterogenen Institution hinter- Menschen Schülerschaft. In fragen. Die Grundschule der Zukunft ist eine Schule den vergangenen Sie sollten die Digi- der allseitigen Bildung. Medienbildung ist in Jahren sind zudem talisierung unserer diese einzuordnen: viele neue Arbeits- Gesellschaft zum ●● Medienbildung felder auf die Anlass nehmen, den in der Grundschule Grundschule zugekommen. Die Inklusion, jeweils eigenen Bil- trägt zur Ich-Stär- der starke Wunsch nach Individualisierung dungsauftrag und kung im Zusam des Unterrichts, der Ganztag und die zuneh- dessen Umsetzung zu überdenken. Lehr- und menhang des sozi mende Öffnung von Lernsettings, um nur Erziehungskräfte sollten ihr Verständnis von alen Miteinanders einige exemplarisch zu nennen. Nun auch, Lehren und Lernen kritisch beleuchten und bei, durch den Digitalpakt getrieben, steht die gemeinsam mit der gesamten Schulgemein- – wenn Kinder er- Grundschule vor der Aufgabe digital(er) zu schaft in einen kreativen und konstruktiven leben, wie sie mit werden. Lehrerkollegien müssen gemein- Entscheidungsprozess eintreten. anderen (auch) digital kommunizieren und sam Medienentwicklungspläne schreiben, Schulen sollten sich für diese Schulentwick kooperieren können, ohne sich optisch, sich in digitale Techniken einarbeiten und lungsprozesse Zeit nehmen. Wir laufen an- sprachlich oder akustisch zu „verletzen“. einlesen und erleben dies daher als eine wei- sonsten Gefahr, dass die Digitalisierung – wenn sie um Gefahren für sich selbst und tere zu erfüllende, zusätzliche Pflichtaufga- lediglich zu einer Welle der Substitution ana- für andere in sozialen Medien wissen, diese be. Bestärkt durch Forderungen der Eltern, loger Technik durch digitale Technologien vermeiden, Reaktionsmöglichkeiten entwi- ihre Kinder möglichst lange von digitalen führt, Schule und Unterricht aber in alten ckeln oder Hilfen finden. Medien (in der Schule) fernzuhalten, aber Paradigmen verharren und die Innovations- – wenn sie in ihrer Persönlichkeitsbildung teilweise auch durch so manchen Hirnfor- kraft der Digitalisierung für den Bildungs- bei der Nutzung digitaler Medien durch scher, wird dabei oftmals ein kapitaler Fehler auftrag nicht genutzt wird. Diesen Prozess kompetente Lehrkräfte begleitet und unter- begangen. Es geht bei der digitalen Trans- muss eine Schulgemeinschaft selbst durch- stützt werden. formation nicht um ein Ersetzen und schon laufen – sozusagen: bottom up. Politik kann ●● Medienbildung in der GS trägt zur Werte- gar nicht um ein „Entweder-oder“ bzw. ein diesen Prozess durch eine Optimierung der Erziehung und zu demokratischem Zusam- „besser oder schlechter“. Es geht vielmehr Rahmenbedingungen unterstützen. Think menleben bei, um das Erlernen einer weiteren Kulturtech- Big bezieht sich jedoch nicht nur auf das – wenn Kinder lernen, in sozialen Medien nik, der Digitalität. Diese ist geprägt von Hinterfragen des Bestehenden. Think Big will Informationen von Fake News zu unterschei- Neugierde, Initiative, sozialem und kultu- auch dazu einladen, Visionen zu entwickeln. den. rellem Bewusstsein, aber auch von Kreativi- Während Think Big das große Ganze in den – wenn sie erfahren, dass ihre Meinung so- tät, gemeinschaftlichem Arbeiten und der Blick nimmt, steht Start Small für die Vielzahl wohl in realen als auch digitalen Situationen Entwicklung einer konstruktiv-kritischen konkreter Maßnahmen, die in ihrer Gesamt- wichtig ist und sie ihre Interessen zum Aus- Haltung gegenüber den Veränderungen heit Ausdruck entwickelter Think-Big-Visio- druck bringen. unserer Gesellschaft. Für die Grundschule nen sind. Start Small orientiert sich an den – wenn sie als Mitgestalter ihres eigenen bedeutet das, Kinder aktiv und kreativ mit Kompetenzen der jeweiligen Lehrkraft und Lernens digitale Medien dort nutzen, wo digitalen Medien arbeiten zu lassen, Inhalte den Kompetenzen der Schülerinnen und diese einen tatsächlichen Mehrwert vor selbst zu produzieren, Lernsettings zu öff- Schüler. Start Small versucht Passung her- wertvollen Realerfahrungen bieten. nen und zu verstehen, wie digitale Geräte zustellen, um dadurch die Machbarkeit der ●● Medienbildung in der GS erarbeitet trag- funktionieren und was sich hinter den vie- Einzelmaßnahmen zu gewährleisten, sodass fähige Grundlagen für weiteres, selbststän- len digitalen „Black Boxen“ verbirgt. Auch diese von allen Akteuren als erfolgreich er- diges und kooperatives Lernen, der Öffnung von Räumen und Lernorten lebt werden. – wenn Kinder durch mediale Angebote, kommt in diesen Lernszenarien eine größere Kommt man zurück auf die Fragestellung geeignete Werkzeuge und individualisierte Bedeutung zu. des Podiums, so hoffe ich, dass Think Big Rückmeldungen unterstützt werden, Ver- All das muss in einer organischen Symbiose und Start Small Schulen bzw. Lehr- und Er- antwortung für das eigene Lernen zu über- mit den bisherigen Erfahrungen erfolgen, ziehungskräfte dabei unterstützt, eine Me- nehmen. die die Schülerinnen und Schüler in der dienbildung umzusetzen, die weit mehr ist – wenn Medien dazu verwendet werden, Grundschule erleben durften. als der Wechsel technischer Gerätschaften. kooperative Lernprozesse zu gestalten, die n Micha Pallesche, Schulleiter Ernst-Reuter- n Dr. Michael Kirch, Akademischer Rat auch gemeinsam verantwortet werden. Schule Karlsruhe am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik – wenn für die Entwicklung von Medien- und -didaktik der Ludwig-Maximilians- kompetenz verbindliche Standards zur Ver- Universität, München, Berater für Schulen fügung stehen. bei Schulentwicklungsprozessen mit dem n Gabriele Klenk, Mitglied im Vorstand des Schwerpunkt Raumgestaltung und Medien- Grundschulverbandes und Schulleiterin einer nutzung Grundschule in Bayern 14 GS aktuell 149 • Februar 2020
Forum Medienbildung Wibke Tiedmann: Thomas Irion: Wieso? Weshalb? Warum? In Zeiten der Digitalisierung: 9 Kinderaussagen und meine Gedanken Welche Medienbildung brauchen Kinder? zur Medienbildung in der Grundschule Brauchen Kinder Medienbildung? Lernen sie nicht automatisch den „Ich schau mal nach!“ sinnvollen Gebrauch von analogen oder digitalen Medien? Wie müs- Bleistift, Papier, Buch, Smartphone, Tablet … sen Grundschulen darauf reagieren, dass Kinder heute immer mehr Kinder wachsen heute mit vielen verschie- Zeit mit Bildschirmen in der Hand verbringen, der Berufswunsch You- denen Medien auf. Die Grundschule kann tuber oder Youtuberin bei vielen Kindern andere Traumberufe ver- zum Ort werden, an dem Kinder jedes Me- drängt? dium genau für das nutzen, was ihnen beim Studien zeigen, dass Kinder sich eine reflektierte Nutzung nicht mal Lernen am besten hilft. eben nebenbei im Elternhaus aneignen. Die Grundschule als Ort der Grundlegenden Bildung muss die zunehmende Mediatisierung des „Damit kann man ja auch lernen.“ Alltags von Kindern und Erwachsenen aufgreifen und bildungswirk- Digitale Medien gibt es heute in nahezu sam bearbeiten, wollen wir erreichen, dass Kinder lernen, Medien si- jedem Haushalt. Für die Kinder sind sie zumeist fester Bestandteil cher, reflektiert und gewinnbringend in ihren ihrer Lebenswirklichkeit. Bereits in der Grundschule können Kinder Lebensalltag zu integrieren. erleben, dass digitale Medien beim Lernen unterstützen können. Natürlich bedingt die zunehmende Durch- „So habe ich das gerechnet.“ dringung der kindlichen Lebenswelt auch Sprache kann „festgehalten“ werden und Kinder erhalten die Mög- die Schaffung von Gegenpolen in den Schu- lichkeit, ihr eigenes Tun und Lernen selbst zu reflektieren. len. Kinder müssen beispielsweise einmal ein Brot in der Schule gebacken haben, um den „Das haben wir gemacht.“ Wert von Lebensmitteln einschätzen zu kön- Das erste eigene E-Book, die vertonte Geschichte, der erste gemein- nen, einmal im Wald nach Kleinstlebewesen same Film – selbst produzierte (Lern-)Produkte machen Kinder stolz gesucht haben, um natürliche Zusammen- und ermöglichen Wertschätzung auf andere Art und Weise. hänge zu begreifen, und einmal erfahren haben, wie langsam sich „Wirklich? 428 Bilder?“ Wachstumsprozesse im Schulgarten gestalten. Medienbildung heißt Bis ein ganzer Film fertig ist, braucht es Geduld und Ausdauer. Her- auch, solche Gegenpole zur schnelllebigen und häufig bequemen ausfordernde und spannende Aufgaben im Team zu bewältigen, hilft Medienrezeption zu setzen. nicht nur dabei, Durchhaltevermögen zu entwickeln, sondern fördert Auf der anderen Seite sind Kinder aber heute auch in die Lage zu ver- zugleich Kooperation. setzen, digitale Medien für Lern- und Informationszwecke zu nutzen, kritisch zu hinterfragen, eigenes und fremdes Medienhandeln ethisch „Das kann ich noch besser.“ zu bewerten und Medien und Technologien für die Gestaltung der Ob beim Springen über den Kasten, beim Radschlagen oder auch eigenen Lebenswelt zu nutzen. beim Lesen: Wenn Kinder die Möglichkeit haben, ihr Können zu Die Frage ist heute nicht mehr, ob Kinder in der Grundschule eine reflektieren, kann daraus neue Lernmotivation und Anstrengungs- grundlegende Medienbildung erfahren sollten, sondern vielmehr, bereitschaft erwachsen. wie verhindert werden kann, dass digitale Medien von Kindern häufig „Das ist der Löwenzahn vom Schulhof.“ weitgehend unvorbereitet zu Hause und in der Schule ausschließlich Exkursionen und Ausflüge bieten nicht nur vielfältige Eindrücke. Fest- als Lernhelfer genutzt werden, ohne auch die Förderung von kritisch- gehalten und verarbeitet werden daraus eigene Lernprodukte. reflektierenden Medienkompetenzen anzustreben. Keineswegs dür- fen hier Verkürzungen stattfinden. „Jetzt zeigen wir es euch.“ Es geht nicht darum, mehr Medienkonsum in der Grundschule zu rea- Gerade schüchternen Kindern ermöglicht das Aufnehmen und Pro- lisieren, sondern Kinder in der Grundschule in die Lage zu versetzen, duzieren die Möglichkeit, ihre Produkte vorzuführen, ohne dabei nicht nur ein Teil der Mediengesellschaft zu sein, sondern an dieser sofort selbst im Mittelpunkt stehen zu müssen. auch kritisch-reflektiert teilzuhaben und diese verantwortungsvoll für „Kuck mal, ich kann auf einem Dino reiten.“ sich und andere mitzugestalten. Kann das wirklich sein? Warum nicht? Eigenes Produzieren erleichtert Dazu benötigen Kinder heute ein Verständnis der technologischen auch das Hinterfragen und kritisches Denken. und gesellschaftlichen Prozesse von Digitalisierung und Mediatisie- rung, Techniken und Strategien zur Nutzung von Medien in ihren 9 Gedanken – keine Anleitung und kein Rezept, jedoch eine Einla- Lebenszusammenhängen, grundlegende Kompetenzen zur Reflexion dung und vielleicht ein Impuls für Lehrerinnen und Lehrer, sich auf der gesellschaftlichen Wirkungsmechanismen der Digitalisierung und den Weg zu machen. die unterstützende Begleitung von Eltern und Lehrkräften. Digitale Medien lernwirksam einzusetzen, das Potenzial abzurufen und souverän damit umzugehen, erfordert von uns allen Mut, Zu- n Prof. Dr. Thomas Irion, Fachreferent für Medienbildung sammenarbeit und Bereitschaft zu Offenheit und ständigem Weiter- im Grundschulverband, Prof. für Grundschulpädagogik an der lernen. PH Schwäbisch Gmünd Gemeinsam ist es möglich! n Wibke Tiedmann war Grundschullehrerin, arbeitet am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) in Baden-Württemberg als Referentin für Digitalisierung und ist unter anderem verantwortlich für das Projekt SINUS Profil Mathematik an Grundschulen GS aktuell 149 • Februar 2020 15
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