In Zeiten der Digitalisierung: Welche Medienbildung brauchen Kinder? - Frühe Bildung ...

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In Zeiten der Digitalisierung: Welche Medienbildung brauchen Kinder? - Frühe Bildung ...
Forum Medienbildung

 Thomas Irion

 In Zeiten der Digitalisierung:
 Welche Medienbildung
 brauchen Kinder?
 Mediatisierung und Digitalisierung ­machen
 auch vor den Kinderzimmern nicht halt. ­
 Welche Kompetenzen aber brauchen ­Kinder
 für ein ­Leben und Lernen in einer zunehmend
 digital geprägten Welt? Und welche Heraus-
 forderungen und Chancen ergeben sich für die
 Grundschule?

D
         igitalisierung und Mediatisie­     Um dies zu realisieren, konnten alle An-    konsums beschränkt, sondern den Kin-
         rung führen zu vielfältigen Ver-   wesenden im Raum mittels ihres Smart-       dern vielfältige Angebote für die Medi-
         änderungen der Welt. Wenn­         phones, Tablets oder Notebooks Fragen       enproduktion eröffnet. Gabriele Klenk,
gleich manchmal der Eindruck ent-           ans Podium stellen, die im Anschluss        Vertreterin des Vorstandes des Grund-
steht, dass diese Prozesse quasi unan-      seitens der Anwesenden hinsichtlich         schulverbandes, betonte vor allem die
gekündigt auch Kinder erreicht, hat die     ihrer Dringlichkeit und Relevanz be-        Notwendigkeit einer allseitigen Bildung.
Medienbildung eine lange Tradition in       wertet wurden. Mit Larissa Ade von der      Digitale Medien sind für sie eine wich-
Grundschulen und in den program-            Universität Würzburg erklärte sich eine     tige Erweiterung im Handlungs- und
matischen Zielsetzungen des Grund-          Besucherin bereit, die über Sli.do einge-   Kommunikationsspektrum von Grund-
schulverbandes. Schon im Jahre 1999         reichten Fragen an das Podium weiter-       schulkindern. Es gilt, die Kompetenzen
forderte Angelika Speck-Hamdan, die         zugeben.                                    der Kinder für aktuelle und zukünftige
Einführung in Informations- und Kom-                                                    Lebenssituationen vorzubereiten und
munikationstechnologien als Teil der        Unterrichtsprinzipien für                   dabei zu klären, welche Rolle hier Me-
Grundlegenden Bildung in der Grund-         einen zeitgemäßen ­Unterricht               dien und Digitalisierung spielen. Micha
schule zu verankern und beispielhafte       mit digitalen Medien                        Pallesche verdeutlichte, dass es nicht da-
Projekte wurden im von ihr gemeinsam                                                    rum gehen könne, Prinzipien für digi-
mit Hartmut Mitzlaff herausgegebenen        Eine zentrale Frage aus dem Publikum        tal gestütztes Lernen und Arbeiten von
GSV-Band Neue Medien in der Grund-          war, wie ein zeitgemäßer Unterricht mit     anderen Prinzipien zu unterscheiden.
schule vorgestellt.                         digitalen Medien erreicht werden kann       Wichtig für Unterrichtshandeln sind da-
   Angesichts der Strategie der Kultus-     und ob sich hierfür spezifische Unter-      bei: Offenheit zeigen, Unterschiedlich-
ministerkonferenz „Bildung in der digi-     richtsprinzipien ausmachen lassen.          keit annehmen und Kreativität ermög-
talen Welt“ 1 hat der Grundschulverband        Das Podium schloss sich weitgehend       lichen. Diese Leitlinien bilden für ihn
eine Stellungnahme „Digitale Mündig-        der Aussage von Beat Döbeli Honegger        auch eine wesentliche Grundlage für die
keit beginnt in der Grundschule“ 2 ver-     an: Ein spezifisches Unterrichtsprinzip     schulische Arbeit mit digitalen Medien.
öffentlicht, in der aufbauend auf einem     für den Einsatz digitaler Medien gibt es
Standpunkt Medienbildung des Grund-         nicht. Allerdings bekommen für Wibke        Wie können Lehrpersonen
schulverbandes verschiedene Maßnah-         Tiedmann in Zeiten der Digitalisierung      beim Start unterstützt werden?
men eingefordert werden.                    spezifische Arbeitsformen und Kompe-
   Um die Fragen der Besucherinnen          tenzbereiche neues Gewicht, die in der      Ein weiterer zentraler Fragenkomplex
und Besucher des Forums aufgreifen zu       Literatur durch die Bezeichnung 4K be-      war, wie Lehrpersonen bei der Nut-
können, wurde ein sehr offenes Format       kannt geworden sind. Kommunikation,         zung digitaler Medien unterstützt wer-
gewählt. Im Mittelpunkt des Zukunfts-       Kooperation, Kreativität und Kritikfä-      den können. Für Micha Pallesche ist
forums sollten nicht vorher von den auf     higkeit werden angesichts der media-        eine Fehlerkultur an der Schule zentral:
dem Podium sitzenden Personen oder          len Entwicklungen für sie besonders be-     nur wenn Lehrpersonen und Kinder die
von Moderator Thomas Irion, Erzie-          deutsam. Für Michael Kirch bieten digi-     Angst verlieren, etwas falsch zu machen,
hungswissenschaftler und Fachreferent       tale Medien besondere Chancen, diese        entsteht der Mut, Veränderungsprozesse
Medienbildung des Grundschulver-            4K-Kompetenzen zu fördern, vor allem,       in Gang zu bringen, die ohne Vorbehal-
bands, festgelegte Themenbereiche ste-      wenn sich die Schule bei der Nutzung        te Bewährtes und Neues verbinden. Beat
hen, sondern die Fragen des Plenums.        nicht auf die Unterstützung des Medien-     Döbeli Honegger betonte die Bedeutung

                                                                                        GS aktuell 149 • Februar 2020          11
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des Zusammenspiels ganz verschiedener       Kinder müssen für sie dazu stark ge-         auch bei der Umsetzung von Medien-
Bereiche des schulischen Lebens. Für        macht werden, sich für die Demokratie        bildung für eine zunehmend digital
ihn ist bedeutsam, dass Veränderungs-       einzusetzen. Neben anderen Möglichkei-       geprägte Welt zu unterstützen. Auf dem
prozesse nicht allein auf Unterrichtse-     ten lernen sie in der Schule auch, digita-   Podium wurde hier besonders intensiv
bene realisiert werden, sondern diese an    le Medien zur Partizipation zu nutzen.       diskutiert, ob und wie der Grundschul-
Schulentwicklungsprozesse angebun-          Beat Döbeli Honegger betont die Not-         verband Lehrkräfte auf diesem Weg
den werden. Gabriele Klenk beleuch-         wendigkeit, Kinder für die Gegenwart         unterstützen kann. Ein Vorschlag war
tete wesentliche Hindernisse, die sich      und die Zukunft so zu qualifizieren, dass    hier die Einrichtung einer Plattform,
aus der Sicht einer Schulleiterin für die   sie in der Lage sind, an einer zunehmend     auf der sowohl Erfahrungen, Empfeh-
Integration der digitalen Medien in den     digital geprägten Welt teilzuhaben. Mi-      lungen und gelungene Konzepte aus-
Unterrichtsalltag ergeben: Viele ältere     chael Kirch sieht die Unterscheidung         getauscht als auch Kontakte zu anderen
Lehrkräfte übertragen die Verantwor-        von digitalen und analogen Kompeten-         Lehrkräften hergestellt werden könnten,
tung auf jüngere, die Nutzung digitaler     zen als nicht gewinnbringend. Er erwar-      die sich mit ähnlichen Aufgabenstel-
Medien erfolgt teilweise nur mit gerin-     tet, dass die Nutzung digitaler Medien       lungen beschäftigen. Einig war sich das
gem innovativen Gehalt. Sie fordert ein     in Zukunft immer selbstverständlicher        Podium, dass aus der Vielfalt der Unter-
gutes Zusammenspiel von Bewährtem           wird und die exotischere Frage künftig       stützungsangebote seitens Schulbuch-
und neuen Herausforderungen. Wibke          sein könnte, was wir noch ohne digita-       verlagen, Kreismedienzentren, Landes-
Tiedmann sieht die Verantwortung auch       le Medien tun. Micha Pallesche sieht die     medienzentren, Ministerien, S­ocial-
bei den Innovatorinnen und Innovato-        große Herausforderung für Schulen dar-       Media-Plattformen wie Twitter und wei-
ren in diesem Bereich. Sie berichtet von    in, herauszufinden, wie Kinder sich aus-     teren Internetangeboten unbedingt kri-
innovativen Verwendungsformen, die          tauschen, vernetzen, kommunizieren,          tisch ausgewählt werden müsste. Ange-
nur geringe Verbreitung finden würden.      und in Folge diese Entwicklungsprozes-       sichts der Vielzahl der Aktivitäten kön-
                                            se zu unterstützen.                          ne sonst der Fokus schnell auf techno-
Welche Medienbildung                                                                     logische Umsetzungsfragen statt auf
brauchen Kinder?                            Wo erhalten Lehrkräfte Hilfe?                pädagogische Überlegungen verschoben
                                                                                         werden.
Eine zentrale Frage des Plenums war die     Ein ganz zentrales Anliegen der teilneh-
Beschreibung der relevanten Medien-         menden Personen war die Frage nach           Think Big – Start Small
kompetenzen in der Grundschulbil-           konkreten Anregungen und Unter-
dung.                                       stützungsangebot. Wibke Tiedmann             Die offene Form des Zukunftsforums
  Gabriele Klenk stellt dar, dass Kinder    sah hier besondere Aufgaben für den          und der Austausch zwischen Podium
die Nutzung digitaler Medien für eine       Grundschulverband, der als Reformver-        und Plenum zeigten nicht nur die Viel-
gesellschaftliche Teilhabe benötigen.       band vor der Aufgabe stehe, Lehrkräfte       zahl an Baustellen für eine Grundbil-

Um die Fragen der Besucherinnen und Besucher des Forums aufgreifen zu können, wurde ein sehr offenes Format gewählt.
Um dies zu realisieren, konnten alle Anwesenden im Raum mittels ihres Smartphones, Tablets oder Notebooks Fragen ans
­Podium stellen,

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dung für die zunehmend digital gepräg-      stellen, auch für eine digitale Bildung
te Welt auf, sondern auch die sehr hete-    die Zukunftsvision der Grundschule zu
rogenen Voraussetzungen, Vorstellun-        entwickeln und Schulen und Lehrkräf-
gen und Einstellungen. Während einige       te bei den ersten Schritten unterstützen.
vor allem konzeptionelle Maßnahmen          Dabei gilt es auch, vorbehaltlos Chancen
in den Mittelpunkt stellen, hatten ande-    und Herausforderungen von Mediatisie-
re den dringenden Bedarf, praktische        rung und Digitalisierung auf allen Ebe-
Hilfe für die Umsetzung des KMK-Be-         nen (Mitglieder, Landesverbände, Vor-
schlusses 2016 Bildung in der digitalen     stand und Fachreferate) zu diskutieren,
Welt zu erhalten.                           um die Entwicklung der bildungswirk-
                                                                                         Dr. Thomas Irion
   Die Diskussion im Zukunftsforum „In      samen Auseinandersetzung mit Media-
                                                                                         Fachreferent für Medienbildung
Zeiten der Digitalisierung: Welche Me-      tisierung und Digitalisierung von Kind-
                                                                                         im Grundschulverband,
dienbildung brauchen Kinder?“ verdeut-      heit und Gesellschaft zu gestalten.
                                                                                         Prof. für Grundschulpädagogik
lichte, dass die Nutzung digitaler Tech-       In der Rückschau der Diskussion wird
                                                                                         an der PH Schwäbisch Gmünd
nologien im Grundschulunterricht und        in jedem Fall deutlich, dass sich im Ju-
die Förderung von Medienkompetenzen         biläumsjahr 2019 nicht mehr die Frage
zur Nutzung digitaler und analoger Me-      stellt, ob die Themenbereiche Digitali-
dien noch eine ganze Reihe von Fragen       sierung und Mediatisierung und der Er-      Anmerkungen
                                                                                        1) https://www.kmk.org/themen/bildung-
und Herausforderungen mit sich bringt.      werb erforderlicher Kompetenzen ihren       in-der-digitalen-welt.html (14.12.2019)
   Umso wichtiger war die von Michael       Ort in der Grundschulbildung haben          2) https://grundschulverband.de/wp-
Kirch formulierte Abschlussempfeh-          sollen, sondern vielmehr zwischen der       content/uploads/2018/08/stellungnahme
lung: Think Big – Start Small!! Nur wer     Setzung von Gegenpolen und der bil-         -gsv-digitalpakt-schule.pdf (14.12.2019)
große Visionen entwickelt und mit klei-     dungswirksamen Auseinandersetzung
nen Schritten beginnt, kann sich für ihn    Wege gefunden werden müssen, Kinder
auf den Weg machen. Eine Position, die      mit dieser Thematik nicht alleinzulassen.
nicht nur von den Teilnehmerinnen und       Der Grundschulverband steht hier vor
Teilnehmern auf dem Podium unter-           der Aufgabe, die aus diesem Bildungs-
stützt wurde, sondern auch vom Ple­num      auftrag entstehende Bildungsdiskussion
sehr positiv aufgenommen wurde.             und die daraus abgeleiteten Maßnahmen
   Hieraus kann auch die Aufgabe für        kritisch-konstruktiv zu begleiten und zu
den Grundschulverband für die zweiten       gestalten.
50 Jahre formuliert werden: Der Grund-
schulverband muss sich der Aufgabe

DiskussionsteilnehmerInnen (v. l. n. r.): Gabriele Klenk (Schulleiterin, Vorstand Grundschulverband), Dr. Michael Kirch (Akademi-
scher Rat am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München), Prof. Dr. Beat Döbeli Honegger
(Leiter Institut Medien und Schule an der PH Schwyz), Wibke Tiedmann (Referentin am Zentrum für Schulqualität und Lehrer­
bildung in Baden-Württemberg), Micha Pallesche (Schulleiter Ernst-Reuter-Schule Karlsruhe), Prof. Dr. Thomas Irion (Professor
für Grundschulpädagogik an der PH Gmünd, Fachreferent für Medienbildung im Grundschulverband)

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                                                   Gabriele Klenk:                                 Micha Pallesche:
 Statements der                                    Lernen über und mit Medien                      Medienbildung
­Podiumsteilnehmer/innen                           in der Grundschule                              in digitalen Zeiten
                                                   Medienbildung in der Grundschule muss ein       Insbesondere für die Grundschule ist die
                                                   Lernen über Medien mit seinen Chancen,          digitale Transformation eine große Aufga-
Michael Kirch:                                     Nutzen und Gefahren ebenso berücksichti-        be. So steht sie doch vor der Herausforde-
Think Big and Start Small                          gen wie ein Lernen mit Medien.                                           rung, traditionelle
Mit Think Big möchte ich dazu aufrufen, die        Kriterien hierfür sind:                                                  Kulturtechniken
„großen Fragen“ zu stellen und Visionen zu         – Kritisch-reflektierte Nutzung von Inhalten                             zu vermitteln, und
entwickeln. Schu-                                  – Kreativ-produktiver Einsatz von Medien                                 dies bei einer ma-
len sollten sich als                               – Sozial-wertschätzender Umgang mit                                      ximal heterogenen
Institution hinter-                                Menschen                                                                 Schülerschaft. In
fragen.                                            Die Grundschule der Zukunft ist eine Schule                              den vergangenen
Sie sollten die Digi-                              der allseitigen Bildung. Medienbildung ist in                            Jahren sind zudem
talisierung un­serer                               diese einzuordnen:                                                       viele neue Arbeits-
Gesellschaft zum                                   ●● Medienbildung                                                         felder auf die
An­lass nehmen, den                                in der Grundschule                              Grundschule zugekommen. Die Inklusion,
­jeweils eigenen Bil-                              trägt zur Ich-Stär-                             der starke Wunsch nach Individualisierung
 dungsauftrag und                                  kung im Zu­sam­                                 des Unterrichts, der Ganztag und die zuneh-
 dessen Umsetzung zu überdenken. Lehr- und         men­­­hang des sozi­                            mende Öffnung von Lernsettings, um nur
 Erziehungs­kräfte sollten ihr Verständnis von     a­len Miteinanders                              einige exemplarisch zu nennen. Nun auch,
 Lehren und Lernen kritisch beleuchten und         bei,                                            durch den Digitalpakt getrieben, steht die
 gemeinsam mit der gesamten Schulgemein-           – wenn Kinder er-                               Grundschule vor der Aufgabe digital(er) zu
 schaft in einen kreativen und konstruktiven       leben, wie sie mit                              werden. Lehrerkollegien müssen gemein-
 Entscheidungsprozess eintreten.                   anderen (auch) digital kommunizieren und        sam Medienentwicklungspläne schreiben,
 Schulen sollten sich für diese Schulentwick­      kooperieren können, ohne sich optisch,          sich in digitale Techniken einarbeiten und
 lungsprozesse Zeit nehmen. Wir laufen an-         sprachlich oder akustisch zu „verletzen“.       einlesen und erleben dies daher als eine wei-
 sonsten Gefahr, dass die Digitalisierung          – wenn sie um Gefahren für sich selbst und      tere zu erfüllende, zusätzliche Pflichtaufga-
 lediglich zu einer Welle der Substitution ana-    für andere in sozialen Medien wissen, diese     be. Bestärkt durch Forderungen der Eltern,
 loger Technik durch digitale Technologien         vermeiden, Reaktionsmöglichkeiten entwi-        ihre Kinder möglichst lange von digitalen
 führt, Schule und Unterricht aber in alten        ckeln oder Hilfen finden.                       Medien (in der Schule) fernzuhalten, aber
 Paradigmen verharren und die Innovations-         – wenn sie in ihrer Persönlichkeitsbildung      teilweise auch durch so manchen Hirnfor-
 kraft der Digitalisierung für den Bildungs-       bei der Nutzung digitaler Medien durch          scher, wird dabei oftmals ein kapitaler Fehler
 auftrag nicht genutzt wird. Diesen Prozess        kompetente Lehrkräfte begleitet und unter-      begangen. Es geht bei der digitalen Trans-
 muss eine Schulgemeinschaft selbst durch-         stützt werden.                                  formation nicht um ein Ersetzen und schon
 laufen – sozusagen: bottom up. Politik kann       ●● Medienbildung in der GS trägt zur Werte-     gar nicht um ein „Entweder-oder“ bzw. ein
 diesen Prozess durch eine Optimierung der         Erziehung und zu demokratischem Zusam-          „besser oder schlechter“. Es geht vielmehr
 Rahmenbedingungen unterstützen. Think             menleben bei,                                   um das Erlernen einer weiteren Kulturtech-
 Big bezieht sich jedoch nicht nur auf das         – wenn Kinder lernen, in sozialen Medien        nik, der Digitalität. Diese ist geprägt von
 Hinterfragen des Bestehenden. Think Big will      Informationen von Fake News zu unterschei-      Neugierde, Initiative, sozialem und kultu-
 auch dazu einladen, Visionen zu entwickeln.       den.                                            rellem Bewusstsein, aber auch von Kreativi-
 Während Think Big das große Ganze in den          – wenn sie erfahren, dass ihre Meinung so-      tät, gemeinschaftlichem Arbeiten und der
 Blick nimmt, steht Start Small für die Vielzahl   wohl in realen als auch digitalen Situationen   Entwicklung einer konstruktiv-kritischen
 konkreter Maßnahmen, die in ihrer Gesamt-         wichtig ist und sie ihre Interessen zum Aus-    Haltung gegenüber den Veränderungen
 heit Ausdruck entwickelter Think-Big-Visio-       druck bringen.                                  unserer Gesellschaft. Für die Grundschule
 nen sind. Start Small orientiert sich an den      – wenn sie als Mitgestalter ihres eigenen       bedeutet das, Kinder aktiv und kreativ mit
 Kompetenzen der jeweiligen Lehrkraft und          Lernens digitale Medien dort nutzen, wo         digitalen Medien arbeiten zu lassen, Inhalte
 den Kompetenzen der Schülerinnen und              diese einen tatsächlichen Mehrwert vor          selbst zu produzieren, Lernsettings zu öff-
 Schüler. Start Small versucht Passung her-        wertvollen Realerfahrungen bieten.              nen und zu verstehen, wie digitale Geräte
 zustellen, um dadurch die Machbarkeit der         ●● Medienbildung in der GS erarbeitet trag-     funktionieren und was sich hinter den vie-
 Einzelmaßnahmen zu gewährleisten, sodass          fähige Grundlagen für weiteres, selbststän-     len digitalen „Black Boxen“ verbirgt. Auch
 diese von allen Akteuren als erfolgreich er-      diges und kooperatives Lernen,                  der Öffnung von Räumen und Lernorten
 lebt werden.                                      – wenn Kinder durch mediale Angebote,           kommt in diesen Lernszenarien eine größere
 Kommt man zurück auf die Fragestellung            geeignete Werkzeuge und individualisierte       Bedeutung zu.
 des Podiums, so hoffe ich, dass Think Big         Rückmeldungen unterstützt werden, Ver-          All das muss in einer organischen Symbiose
 und Start Small Schulen bzw. Lehr- und Er-        antwortung für das eigene Lernen zu über-       mit den bisherigen Erfahrungen erfolgen,
 ziehungskräfte dabei unterstützt, eine Me-        nehmen.                                         die die Schülerinnen und Schüler in der
 dienbildung umzusetzen, die weit mehr ist         – wenn Medien dazu verwendet werden,            Grundschule erleben durften.
 als der Wechsel technischer Gerätschaften.        kooperative Lernprozesse zu gestalten, die      n  Micha Pallesche, Schulleiter Ernst-Reuter-
n    Dr. Michael Kirch, Akademischer Rat           auch gemeinsam verantwortet werden.             Schule Karlsruhe
am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik               – wenn für die Entwicklung von Medien-
und -­didaktik der Ludwig-Maximilians-             kompetenz verbindliche Standards zur Ver-
Universität, München, Berater für Schulen          fügung stehen.
bei Schulentwicklungsprozessen mit dem             n  Gabriele Klenk, Mitglied im Vorstand des
Schwerpunkt Raumgestaltung und Medien-             Grundschulverbandes und Schulleiterin einer
nutzung                                            Grundschule in Bayern

14          GS aktuell 149 • Februar 2020
Forum Medienbildung

Wibke Tiedmann:                                                           Thomas Irion:
Wieso? Weshalb? Warum?                                                    In Zeiten der Digitalisierung:
9 Kinderaussagen und meine Gedanken                                       Welche Medienbildung brauchen Kinder?
zur Medienbildung in der Grundschule                                      Brauchen Kinder Medienbildung? Lernen sie nicht automatisch den
„Ich schau mal nach!“                                                     sinnvollen Gebrauch von analogen oder digitalen Medien? Wie müs-
Bleistift, Papier, Buch, Smartphone, Tablet …                             sen Grundschulen darauf reagieren, dass Kinder heute immer mehr
Kinder wachsen heute mit vielen verschie-                                 Zeit mit Bildschirmen in der Hand verbringen, der Berufswunsch You-
denen Medien auf. Die Grundschule kann                                    tuber oder Youtuberin bei vielen Kindern andere Traumberufe ver-
zum Ort werden, an dem Kinder jedes Me-                                   drängt?
dium genau für das nutzen, was ihnen beim                                 Studien zeigen, dass Kinder sich eine reflektierte Nutzung nicht mal
Lernen am besten hilft.                                                   eben nebenbei im Elternhaus aneignen. Die Grundschule als Ort der
                                                                          Grundlegenden Bildung muss die zunehmende Mediatisierung des
„Damit kann man ja auch lernen.“
                                                                          Alltags von Kindern und Erwachsenen aufgreifen und bildungswirk-
Digitale Medien gibt es heute in nahezu
                                                                          sam bearbeiten, wollen wir erreichen, dass Kinder lernen, Medien si-
jedem Haushalt. Für die Kinder sind sie zumeist fester Bestandteil
                                                                                                    cher, reflektiert und gewinnbringend in ihren
ihrer Lebenswirklichkeit. Bereits in der Grundschule können Kinder
                                                                                                    Lebensalltag zu integrieren.
erleben, dass digitale Medien beim Lernen unterstützen können.
                                                                                                    Natürlich bedingt die zunehmende Durch-
„So habe ich das gerechnet.“                                                                        dringung der kindlichen ­Lebenswelt auch
Sprache kann „festgehalten“ werden und Kinder erhalten die Mög-                                     die Schaffung von Gegenpolen in den Schu-
lichkeit, ihr eigenes Tun und Lernen selbst zu reflektieren.                                        len. Kinder müssen beispielsweise einmal ein
                                                                                                    Brot in der Schule gebacken haben, um den
„Das haben wir gemacht.“
                                                                                                    Wert von Lebensmitteln einschätzen zu kön-
Das erste eigene E-Book, die vertonte Geschichte, der erste gemein-
                                                                                                    nen, einmal im Wald nach Kleinstlebewesen
same Film – selbst produzierte (Lern-)Produkte machen Kinder stolz
                                                                                                    gesucht haben, um natürliche Zusammen-
und ermöglichen Wertschätzung auf andere Art und Weise.
                                                                          hänge zu begreifen, und einmal erfahren haben, wie langsam sich
„Wirklich? 428 Bilder?“                                                   Wachstumsprozesse im Schulgarten gestalten. Medienbildung heißt
Bis ein ganzer Film fertig ist, braucht es Geduld und Ausdauer. Her-      auch, solche Gegenpole zur schnelllebigen und häufig bequemen
ausfordernde und spannende Aufgaben im Team zu bewältigen, hilft          Medienrezeption zu setzen.
nicht nur dabei, Durchhaltevermögen zu entwickeln, sondern fördert        Auf der anderen Seite sind Kinder aber heute auch in die Lage zu ver-
zugleich Kooperation.                                                     setzen, digitale Medien für Lern- und Informationszwecke zu nutzen,
                                                                          kritisch zu hinterfragen, eigenes und fremdes Medienhandeln ethisch
„Das kann ich noch besser.“
                                                                          zu bewerten und Medien und Technologien für die Gestaltung der
Ob beim Springen über den Kasten, beim Radschlagen oder auch
                                                                          eigenen Lebenswelt zu nutzen.
beim Lesen: Wenn Kinder die Möglichkeit haben, ihr Können zu
                                                                          Die Frage ist heute nicht mehr, ob Kinder in der Grundschule eine
­reflektieren, kann daraus neue Lernmotivation und Anstrengungs-
                                                                          grundlegende Medienbildung erfahren sollten, sondern vielmehr,
 bereitschaft erwachsen.
                                                                          wie verhindert werden kann, dass digitale Medien von Kindern häufig
„Das ist der Löwenzahn vom Schulhof.“                                     weitgehend unvorbereitet zu Hause und in der Schule ausschließlich
Exkursionen und Ausflüge bieten nicht nur vielfältige Eindrücke. Fest-    als Lernhelfer genutzt werden, ohne auch die Förderung von kritisch-
gehalten und verarbeitet werden daraus eigene Lernpro­dukte.              reflek­tierenden Medienkompetenzen anzustreben. Keineswegs dür-
                                                                          fen hier Verkürzungen stattfinden.
„Jetzt zeigen wir es euch.“
                                                                          Es geht nicht darum, mehr Medienkonsum in der Grundschule zu rea-
Gerade schüchternen Kindern ermöglicht das Aufnehmen und Pro-
                                                                          lisieren, sondern Kinder in der Grundschule in die Lage zu versetzen,
duzieren die Möglichkeit, ihre Produkte vorzuführen, ohne dabei
                                                                          nicht nur ein Teil der Mediengesellschaft zu sein, sondern an dieser
sofort selbst im Mittelpunkt stehen zu müssen.
                                                                          auch kritisch-reflektiert teilzuhaben und diese verantwortungsvoll für
„Kuck mal, ich kann auf einem Dino reiten.“                               sich und andere mitzugestalten.
Kann das wirklich sein? Warum nicht? Eigenes Produzieren erleichtert      Dazu benötigen Kinder heute ein Verständnis der technologischen
auch das Hinterfragen und kritisches Denken.                              und gesellschaftlichen Prozesse von Digitalisierung und Mediatisie-
                                                                          rung, Techniken und Strategien zur Nutzung von Medien in ihren
9 Gedanken – keine Anleitung und kein Rezept, jedoch eine Einla-
                                                                          ­Lebenszusammenhängen, grundlegende Kompetenzen zur Reflexion
dung und vielleicht ein Impuls für Lehrerinnen und Lehrer, sich auf
                                                                           der gesellschaftlichen Wirkungsmechanismen der Digitalisierung und
den Weg zu machen.
                                                                           die unterstützende Begleitung von Eltern und Lehrkräften.
Digitale Medien lernwirksam einzusetzen, das Potenzial abzurufen
und souverän damit umzugehen, erfordert von uns allen Mut, Zu-            n   Prof. Dr. Thomas Irion, Fachreferent für Medienbildung
sammenarbeit und Bereitschaft zu Offenheit und ständigem Weiter-          im Grundschulverband, Prof. für Grundschulpädagogik an der
lernen.                                                                   PH Schwäbisch Gmünd
Gemeinsam ist es möglich!
n   Wibke Tiedmann war Grundschullehrerin, arbeitet am Zentrum
für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) in Baden-Württemberg als
Referentin für Digitalisierung und ist unter anderem verantwortlich für
das Projekt SINUS Profil Mathematik an Grundschulen

                                                                                                   GS aktuell 149 • Februar 2020              15
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