INFORMATIONSBLATT 20 - Tuberöse Sklerose Deutschland eV

 
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INFORMATIONSBLATT 20 - Tuberöse Sklerose Deutschland eV
Tuberöse Sklerose Deutschland e.V.
        www.tsdev.org

                                       I N F O R M AT I O N S B L AT T 2 0

                    Erste Hilfe und Notfallmedikation
                    bei einem epileptischen Anfall

1. Einleitung

Ein epileptischer Anfall kann das erste klinische         • plötzliches Innehalten im Spiel oder im Sprechen.
Symptom einer bis dahin noch nicht bekannten Er-
krankung mit TSC sein. Dann sind Eltern oder ande-        • plötzliche Erschlaffung oder Anspannung, evtl.
re Betreuungspersonen genau so erschrocken und              begleitet von Blässe oder einer violetten bis bläu-
betroffen, wie dies Angehörige bei einem ersten             lichen Verfärbung der Haut, der Schleimhäute,
Fieberkrampf sind, den ca. 5 % aller sonst gesunden         der Lippen oder der Fingernägel (Cyanose), teils
Kinder erleben. Trotz der Sorge und Angst ist es mög-       auch gefolgt von rhythmischen Zuckungen des
lich und vor allem notwendig „Erste Hilfe“ zu leisten.      Körpers.
Dieses Informationsblatt soll Sie hierbei unterstützen
und Ihnen einen Überblick über die entsprechenden         • einen heftigen Sturz (ohne Abstützen) oder Stol-
Notfallmedikamente geben, die in einem solchen              pern aus dem Stand oder Lauf sowie ein Wegdre-
Fall eingesetzt werden können. Die vorgestellten            hen, Wegsacken zur Seite oder nach vorne aus
Maßnahmen sind aber auch unbedingt mit Ihrem                dem Sitzen.
betreuenden Arzt abzusprechen und ersetzen nicht
die Richtlinien aus den Fachinformationen und der         • ein plötzliches, heftiges Zusammenzucken des
Fachliteratur.                                              ganzen Körpers oder ein Kopfnicken oder Schult-
                                                            erschütteln.

                                                          • meist rhythmisches Zucken der Augenlider, der
2. Der erste epileptische Anfall                            Augäpfel oder eines Körperteils (von dort kann
                                                            sich das rhythmische Zucken auf eine ganze
2.1 Wann muss an einen epileptischen Anfall                 Körperhälfte oder den gesamten Körper aus-
    gedacht werden?                                         breiten).

Bei allen Symptomen, die vom erwarteten und ge-           • plötzliches Verdrehen der Augen oder auch des
wohnten Verhalten abweichen und nicht durch die             ganzen Kopfes in eine Richtung.
Situation erklärbar sind, kann ein epileptischer Anfall
vorliegen. Dies kann sich zum einen in einem Zuwe-        • eine automatisch ablaufende Handlung, die nicht
nig bzw. Fehlen vom normalen Verhalten (Minus-              zur Situation passt, z. B. Wiederholung von Lauten
Symptome) und zum anderen in einem Zuviel im Ver-           oder Sätzen, Schmatzen oder Herumlaufen.
halten (Plus-Symptome) äußern, wie z. B. durch:
                                                          Nähere Informationen dazu, wie ein Anfall aussehen
• plötzliche Veränderung in der Wachheit, starrer         und wie man ihn einordnen kann, finden Sie auch in
  Blick und Nichtansprechbarkeit, die nicht wie           unserem Informationsblatt „Epileptische Anfälle bei
  Schlaf aussieht.                                        Tuberöser Sklerose“.
                                                                                                                  1
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2.2 Was ist zu tun?

    Das oberste Gebot bei einem epileptischen Anfall ist
    Ruhe bewahren und beim Betroffenen bleiben. Wei-
    tere Maßnahmen, die Sie in diesem Fall ergreifen
    sollten, lassen sich unter der sog. A+B-Regel zusam-
    menfassen:

      A   Anfall erkennen,
          Achten auf Verletzungsgefahr,
          Aufregung vermeiden.

      B   Beobachten,
          Begleiten,
          Beruhigen.
                                                            2.3 Wann muss ich den Notarzt rufen?

    Bei einem epileptischen Anfall sollten Sie Folgendes    Der Notarzt ist nach jedem ersten Anfall zu rufen,
    beachten:                                               wenn der Betroffene nicht gleich wieder „wie immer“
                                                            ist oder der Anfall länger als drei bis fünf Minuten
    • Halten Sie den Betroffenen nicht fest und versu-      dauert sowie wenn nach diesem ersten kurzen Anfall
      chen Sie den Kiefer nicht gewaltsam zu öffnen         in geringem Abstand ein zweiter Anfall folgt.
      oder die Zunge herauszuziehen.
                                                            Wenn Sie den Notarzt rufen, nennen Sie am Telefon
    • Bringen Sie keinen Gegenstand in den Mund ein         bitte Ihren Namen, Ihre Adresse (evtl. Kennzeichen
      (außer bei Einbringen einer Notfall-Medikation).      im Straßenbild, damit der Notarzt Sie schnell findet,
                                                            oder ein Nachbar steht an der Haustür), das Alter des
    • Schützen Sie den Betroffenen vor Verletzungen,        Betroffenen und falls bekannt die Krankheitsdiagno-
      z. B. mit einem Kissen oder durch Ihre Hand, die      se. Teilen Sie ebenso mit, ob es der erste Anfall ist,
      Sie unter den Kopf legen.                             beschreiben Sie ihn nach Möglichkeit kurz und infor-
                                                            mieren Sie über Ihre Einschätzung bzgl. der Bedroh-
    • Ermöglichen Sie dem Betroffenen eine unbehin-         lichkeit des Anfalls. Sollten Sie bereits selbst ein Not-
      derte Atmung, z. B. durch das Öffnen von Knöpfen      fallmedikament gegeben haben, berichten Sie bitte
      am Hals, das Beseitigen beengender Kleidungs-         auch das. Um beim Betroffenen bleiben zu können,
      stücke (Schal, Kette am Hals) und eine leichte        besteht die Möglichkeit eventuell auch einen Nach-
      Kopfüberstreckung.                                    barn zu bitten, den Notarzt für Sie zu rufen.

    • Wischen Sie den Speichel ab und entfernen Sie         Den Notarzt dürfen Sie immer anrufen, denn eine Be-
      eventuelle Nahrungsreste vorsichtig mit dem Fin-      ratung gibt Ihnen Sicherheit. Manchmal braucht der
      ger aus dem Mund, wenn dieser geöffnet ist.           Notarzt nicht sofort zu kommen, weil es dem Betrof-
                                                            fenen bereits besser geht oder Sie selbst in eine Not-
    • Legen Sie den Betroffenen, sobald möglich, auf        fallambulanz fahren können. Wenn Sie mit dem Be-
      eine abgesicherte Unterlage (Boden, Bett oder         troffenen in eine Klinik fahren, sollten Sie aber nach
      Couch) und bringen Sie ihn in Seitenlage.             Möglichkeit einen Nachbarn fahren lassen oder ein
                                                            Taxi rufen, damit der Betroffene unter Beobachtung
    • Achten Sie auf Atmung und Gesichtsfarbe.              bleibt, beruhigt und gehalten werden kann.

    • Sprechen Sie ständig mit dem Betroffenen, um          Wenn Geschwisterkinder zu Hause sind, sollten Sie
      ihm Ihre Anwesenheit zu versichern.                   nach Möglichkeit auch zu Hause bleiben, damit die
                                                            Geschwister nicht alleine sind. Denn auch sie sind
    • Rufen oder holen Sie sobald wie möglich eine wei-     meist voller Angst und brauchen das Gespräch und
      tere Person dazu, jedoch erst wenn der Betroffene     Sicherheit.
      sicher gelagert ist.

    • Schauen Sie, falls möglich, auf die Uhr, um zu
      überprüfen wie lange die Anfalls-Symptome an-         2.4 Maßnahmen nach dem Anfall?
      dauern.
                                                            Wenn der Notarzt nicht zu kommen braucht, nehmen
    • Ergreifen Sie Maßnahmen der „Ersten Hilfe“ mit        Sie nach dem ersten Anfall Kontakt mit dem zustän-
      Atemspende und Herzdruckmassage, wenn Sie aus-        digen Kinder- oder Hausarzt auf oder melden sich in
      gebildet sind und Sie sich vergewissert haben, dass   der Notfallambulanz der regionalen Klinik (telefo-
      die Atmung ausbleibt und/oder die Herzaktion (Puls)   nisch oder mit Vorstellung des Betroffenen). Notieren
2     weniger wird oder nicht mehr zu fühlen ist.           Sie alles, was Sie am Betroffenen beobachtet haben:
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• Was könnte den Anfall ausgelöst haben (Fieber, In-          Kurzanleitung zur
  fekt, Schlafmangel, Aufregung, Angst, Flackerlicht,         Beschreibung von Anfällen
  vergessene Medikamente, neue Medikamente u. a.)?

• Wie hat der Anfall begonnen, wie ist er verlaufen,          Situative Einbindung/Auslöser
  wie lange hat er ungefähr gedauert?
                                                              • Tageszeit/Bezug zum Schlaf/zum Essen
• Wie haben Sie gemerkt, dass der Anfall vorbei ist?
                                                              • Belastung/Angst/Freude/Entspannung
• Was haben Sie selber getan, um den Anfall zu been-
  den (Medikamente, Stimulation, Akupressur u. a.)?           • Trigger: Licht/Temperatur/Geräusch

Ein Protokollbogen zur Anfallsbeobachtung/-doku-
mentation, der die wichtigen Merkmale als Fragen for-         Minus-Merkmale/Plus-Merkmale
muliert und Ihnen dabei hilft alle Beobachtungen de-
tailliert zu erfassen, ist hierfür äußerst hilfreich. Einen   • Wachheit: 		wirkt müde, lustlos/aufgeregt
solchen können Sie beispielsweise unter www.epilep-
sie-elternverband.de als Hilfestellung herunterladen.         • Motorik: 		hört auf zu schreiben, bleibt ste-
                                                                           hen/steht plötzlich auf

                                                              • VNS*:          Mundtrockenheit/Speichelfluss
3. Maßnahmen bei bekannter Epilepsie
   (oder Fieberkrampf)                                        • Reagibilität: keine Reaktion auf Situationsän-
                                                                              derung/Überreaktion
Wenn bereits eine Epilepsie bekannt ist, bespricht der
betreuende Arzt mit Ihnen die „Erste Hilfe“ bei einem
Anfall. Dies schließt meist die Anwendung von den An-         Merkmale in den Organbereichen
fall unterbrechenden Medikamenten mit ein, die sehr
individuell abgesprochen werden muss. Ein Überblick           • Wachheit:      abwesend, verträumt, hört nicht
hierüber soll im Folgenden vermittelt werden.                   		             zu/ angespannt, ängstlich, erwar-
                                                                		             tend

                                                              • Motorik:       Innehalten, Hypomotorik (moto
3.1 Aufbewahrung der Notfallmedikation                          		             rische Hemmung)/Hypermotorik
                                                                		             (Bewegungsunruhe), Zittern, Ver-
Zur richtigen Aufbewahrung des Medikaments sind                 		             spannung
die Angaben auf dem Beipackzettel zur Lagerungs-
temperatur und zum Verfallsdatum zu beachten. Ist             • Sprache:       spricht nicht/spricht dauernd
ein passender Ort für die Lagerung gefunden, ist es
wichtig, dass alle an der Betreuung des Betroffenen           • VNS*:          Blässe, niedrige Atem- u. Herzfre-
Beteiligten wissen, wo das Medikament aufbewahrt                		             quenz/Röte, schwitzen, beschleu-
wird. Es ist zudem sinnvoll das Notfallmedikament               		             nigte Atem- u. Herzfrequenz
nicht nur zu Hause, sondern auch an einem festen
Ort „außer Haus“, wie beispielsweise in einem Ruck-           • Reagibilität: reagiert nicht auf Fragen, Auffor-
sack, verfügbar zu haben, der dem Betroffenen bei               		            derung/reagiert überschiessend
jedem außerhäuslichen Aufenthalt (z. B. auch, wenn
die Großeltern mit dem Betroffenen einen Spazier-
gang machen, wenn Sie mit dem Auto/Bus/Bahn                   Reihenfolge der Symptome/Anfallsgestalt
unterwegs sind u. a.) mitgegeben wird und wo Me-
dikament, Verordnung und Notfallausweis deponiert             • Aura:                 Vorgefühl, Vorahnung
werden können.                                                                        (Woran erkennbar?)

Sie können auch in der Tageseinrichtung (Kita, Schule,        • Symptomverlauf:       Merkmalsbereich,
Werkstatt u. a.) eine Verabredung zur Verabreichung                                   Ausprägung
des Medikamentes mit entsprechender Anleitung
und Lagerung treffen. Manche Einrichtungen fordern            • Unterbrechbarkeit: ja/nein; wodurch?
allerdings dafür eine Verordnung vom zuständigen
Hausarzt mit der genauen Anweisung wann das ent-              • Reorientierung:       Ruhe, Schlaf, Verlegenheits-
sprechende Medikament verabreicht werden darf.                                        symptome, Ausfälle in der
Zusätzlich zu Notfallmedikament, Verordnung und                                       Reorientierung
Notfallausweis sollten auch Notfall-Telefonnummern
(Eltern, Hausarzt, Notarzt) hinterlegt werden. In jeder       *VNS = Vergetatives Nervensystem
Einrichtung, die sich mit Kindern oder behinderten                                                                   3
Erwachsenen befasst, ist ein Mitarbeiter zur „Ersten      3.3 Wie gebe ich das Notfallmedikament?
    Hilfe“ ausgebildet. Zudem ist sicher Ihr Haus- oder
    Kinderarzt zu einem Gespräch oder einer Fortbildung       Die Art der Verabreichung des Medikaments ergibt
    gerne bereit.                                             sich aus der Art des Medikaments (Saft, Lösung,
                                                              Zäpfchen, Spray, Tablette), den individuellen Mög-
                                                              lichkeiten und den Bedürfnissen des Betroffenen (z.
                                                              B. Alter, Rollstuhl, schwere Spastik, Gewicht) und den
    3.2 Wann gebe ich das Notfallmedikament?                  besonderen Umständen bei Auftreten des Anfalls (zu
                                                              Hause, im Auto, auf der Straße, auf dem Spielplatz).
    Mit Ihrem Haus- oder Kinderarzt können und sollten
    Sie je nach Alter des Betroffenen, Anfallsart und Er-
    fahrungen mit vorausgegangenen Anfällen bespre-
    chen, wann und wie häufig Sie ein Notfallmedika-          3.4 Welches Medikament wird gegeben?
    ment geben.
                                                              Zur Notfallbehandlung bei einem epileptischen An-
    Generell gilt, dass bei einem Anfall von mehr als drei,   fall durch Eltern und Betreuer werden derzeit nur
    maximal fünf Minuten Dauer, egal wie er aussieht,         Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine
    das Notfall-Medikament gegeben werden sollte. Aus-        eingesetzt. Für diese Benzodiazepine (Diazepam, Mi-
    nahmen hiervon richten sich nach Ihren persönlichen       dazolam, Lorazepam, Clonazepam) besteht eine sehr
    Erfahrungen. Wird das Notfallmedikament mehrmals          individuelle Verträglichkeit. Nebenwirkungen können
    am Tag notwendig, sollte jedoch unbedingt Rückspra-       beispielweise Müdigkeit, evtl. eine Verminderung der
    che mit dem behandelnden Arzt gehalten werden. Er         Atmung, die Veränderung der Herztätigkeit und sel-
    kann abklären, ob das Medikament häufiger am Tag          ten eine paradoxe Reaktion mit Übererregung und
    verabreicht werden kann, oder ob grundsätzlich an         unkontrollierten Bewegungen sein.
    der Basismedikation etwas geändert werden muss.
    Zu empfehlen ist die Gabe in der Regel:                   In der Regel sollte daher bei der ersten Anwendung
                                                              mit einer niedrigen Dosierung gestartet und bei einer
    • wenn ein Anfall ohne medikamentöse Hilfe immer          evtl. notwendigen wiederholten (zweite) Gabe noch-
      mehr als fünf Minuten gedauert hat - dann sollten       mals die gleiche Menge gegeben werden. Eine Anpas-
      Sie das Medikament geben, wenn Sie den Anfall           sung/Korrektur der Dosierung für die erste Gabe für
      bemerken.                                               das nächste Ereignis kann anschließend anhand Ihrer
                                                              Erfahrungen in der Wirksamkeit und Verträglichkeit
    • wenn Sie nicht wissen, wann der Anfall begon-           bei dem Betroffenen in Absprache mit Ihrem Arzt
      nen hat (z. B. wenn Sie nachts durch Geräusche          vorgenommen werden. Ihre Erfahrungswerte sind
      der erschwerten Atmung oder Anschlagen eines            zudem eine wertvolle Hilfe für Rettungsassistenten
      Beines an die Wand wach werden) - dann können          und Notärzte, die ebenfalls überwiegend diese Me-
      Sie gleich mit dem Notfallmedikament zum Be-            dikamente verwenden und Sie ggf. bei Ihrem Einsatz
      troffenen gehen und dann entscheiden, ob sie es         danach fragen.
      verabreichen.
                                                              Die möglichen Zugangswege zur Verabreichung des
    • wenn sich der Anfall ohne Notfallmedikament im-         Notfallmedikaments sind für alle Ersthelfer die Ga-
      mer oder meistens von einer Extremität auf den          be in den Enddarm (rektal), in die Wangentaschen
      ganzen Körper ausbreitet (fokal beginnend, dann         (bukkal), unter die Zunge (sublingual) oder auf die
      generalisiert) - dann sollten Sie bereits den foka-     Nasenschleimhaut (intranasal). Die Injektion des Me-
      len Anfall durch das Medikament beenden.                dikaments über einen venösen Zugang ist ebenfalls
                                                              möglich, worauf aber auch der Notarzt zunächst vor
    • wenn die Atmung im Anfall beeinträchtigt ist (be-       dem Hintergrund der Notwendigkeit einer schnellen
      engt, stöhnend, oberflächlich) - dann sollte auch      Hilfe in den meisten Fällen verzichtet. Insbesondere
      mit dem Notfallmedikament gleich eine Unter-            bei ausfahrenden Anfallsbewegungen oder starker
      brechung versucht werden.                               Verspannung kann die intranasale Verabreichung
                                                              notwenidg sein. Die Applikation in die Nase kann an
    • wenn Sie dem Betroffenen die Angst beim Anfall          den Nasenschleimhäuten zwar ein Brennen verursa-
      anmerken und die Beruhigung durch die Stimme            chen, der Schmerz geht aber schnell vorüber und er-
      alleine nicht hilft - dann können Sie das Notfall-     zeugt keine Schädigung der Schleimhaut.
      medikament gleich geben.
                                                              Eine Vielzahl von Studien, insbesondere für das Kin-
    • wann immer Sie oder der zuständige Betreuer             desalter, belegen den sicheren und schnellen Wir-
      Angst um den Betroffenen haben, darf das Not-           kungseintritt für die intranasale Verabreichung.
      fallmedikament gegeben und/oder der Notarzt             Dieser ergibt sich durch den direkten und kurzen
      gerufen werden, denn Angst macht hilflos, aber          Transportweg über die Nasenschleimhaut in das Ge-
      Sie müssen bereit zur Hilfe für den Betroffenen         hirn. Die Verabreichung muss, wie bei allen Nasen-
      sein. Diese Entscheidungsfreiheit sollte für alle       medikamenten, über eine Nasensprayflasche oder
4     beteiligten Betreuer abgesprochen werden.               einen Nasenzerstäuber als Spritzenaufsatz erfolgen.
Auch bei Verabreichung unter die Zunge oder in die
Wangentasche kann diese Medikamentenaufberei-
tung verwendet werden.

Zusätzlich liegen Erfahrungen für diese Medikamen-
tenverabreichung auch zur Beruhigung bei diagnos-
tischen und therapeutischen Maßnahmen, d. h. auch
unabhängig von einem akuten Krampfanfall, wie z. B.
für Ultraschall- oder MRT-Untersuchungen, vor.

Für die meisten der genannten Anwendungen liegt
allerdings ein sog. „off-label-Status“ vor, d. h. es liegt
beispielweise keine durch Studien belegte Zulassung
für diese Altersgruppe und diese Art der Anwendung                Die individuell im Notfall zu verabreichende Medikation sowie wei-
vor (z. B. Zulassung zur Injektion, aber nicht zur Gabe           tere Maßnahmen sind zuvor mit dem behandelnden Arzt genau ab-
in die Wangentasche). Darum bedarf die Verordnung                 zusprechen.
immer einer ausführlichen Information und Anwen-
dungsanleitung sowie einer sog. informierten Zu-                      Eine Wiederholung ist frühestens nach fünf bis
stimmung durch die Eltern.                                            zehn Minuten möglich, dann aber mit Kontakt zu
                                                                      Hilfsperson, Hausarzt oder Notarzt.
Die Absprache und Verordnung erfolgt mit Ihrem Kin-
der- oder Hausarzt, am besten in Form einer schrift-                  Einschränkungen in der rektalen Verabreichung
lichen Verordnung (nicht nur auf dem Rezept) und                      bestehen, wenn der Betroffene im Rollstuhl sitzt,
mit einer Aufklärung darüber, was Sie beachten sol-                   der Anfall in der Öffentlichkeit auftritt sowie
len, auch hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen.                      bei allen älteren Kindern und insbesondere bei
                                                                      Jugendlichen und Erwachsenen (Beachtung des
Hier können wir Ihnen nachfolgend nur eine allge-                     Schamgefühls, würdevoller Umgang mit einem
meine Übersicht geben, die der publizierten und                       behinderten Menschen in der Öffentlichkeit,
zugängigen Fachliteratur entnommen ist. Die Dosie-                    unterschiedliche Geschlechtszugehörigkeit von
rung, die Grenzen wiederholter Gaben der Akutme-                      Betroffenem und Helfer). Die Gabe von Diaze-
dikamente und evtl. auch die Art der Anwendung                        pam-Tropfen unter die Zunge bzw. in die Wange
müssen dann nach den Erfahrungen bezüglich der                        nach Verordnung durch den Arzt sowie die Gabe
Wirkung, der Dauer bis zum Wirkungseintritt und                       eines anderen Medikaments für diesen Verabrei-
den möglichen Nebenwirkungen in Rücksprache mit                       chungsort sind eine Alternative zur rektalen Ver-
dem behandelnden Arzt exakt geklärt und ggf. wie-                     abreichung.
derholt bearbeitet werden.

• Diazepam                                                        • Chloralhydrat-Rectiolen
  Diazepam ist das am meisten verordnete Medika-                    sind seit 2011 nicht mehr im Handel
  ment im Kindesalter und ist auch im Säuglingsalter
  verwendbar und hierfür zugelassen. Die Wirkung
  des Medikaments tritt meist nach drei bis fünf Mi-              • Midazolam
  nuten ein. Die Verabreichung kann mittels Rectiole                Midazolam ist ein Medikament aus der gleichen
  (mit 5 mg und 10 mg), Zäpfchen (mit 2 mg, 5 mg,                   Wirkgruppe wie Diazepam mit schnellerem Wir-
  10 mg), Tropfen (Konzentration unterschiedlich                    kungseintritt und kürzerer Verweildauer im Kör-
  nach Präparat) oder Injektions-Lösung erfolgen.                   per, d. h. schnellerer Erholung. Es wird häufig in
                                                                    der Klinik eingesetzt, wenn ein Säugling, Klein-
                                                                    kind oder Kind für eine Untersuchung ganz ruhig
   Dosierung für Diazepam:                                          liegen muss. Umfangreiche Erfahrungen mit die-
                                                                    sem Medikament liegen für Kinder aus den USA
   Säugling ab 5. Monat			                             5 mg         vor, dort sowohl in Notfallambulanzen als auch
                                                                    aus dem häuslichen Gebrauch. Hierbei hat sich in
   Kleinkinderüber 15 kg		                            10 mg         allen Studien eine Überlegenheit im Wirkungs-
                                                                    eintritt gegenüber den Vergleichsmedikamenten
   Schulkinder			                             10 – 20 mg            gezeigt. In seltenen Fällen kann Midazolam ins-
                                                                    besondere bei Säuglingen allerdings auch unkon-
   Erwachsene			                              20 – 30 mg            trollierte Bewegungen (wie einen Tic) auslösen,
                                                                    die sehr unangenehm sind und medikamentös
                                                                    durchbrochen werden müssen („Antidot“).
   Hinweis: Die individuell im Notfall zu verabreichende Dosie-
   rung muss in jedem Fall zuvor mit dem behandelnden Arzt            Die europäische Zulassung des Medikamentes zur
   genau abgesprochen werden.                                         Verabreichung in die Wangentasche (Eurostatus)
                                                                      ist beantragt, was bedeutet, dass die aktuelle Ver-              5
• Lorazepam
                                                                         Lorazepam ist ein Medikament aus der gleichen
                                                                         Wirkgruppe wie Diazepam und Midazolam mit
                                                                         mittelschnellem Wirkungseintritt und mittel-
                                                                         langer bis sehr langer Verweildauer im Körper.
                                                                         Erfahrungen mit diesem Medikament liegen ins-
                                                                         besondere für Erwachsene vor. Die Verabreichung
                                                                         erfolgt mittels Tablette (Tavor® expedit Tbl./1,0
                                                                         mg; 2,5 mg), die unter die Zunge oder in die Wan-
                                                                         gentasche gelegt wird.

                                                                          Dosierung für Lorazepam:

                                                                          Allgemein:
    Bei der intranasalen Anwendung von Midazolam wird jeweils die         0,05 mg/kg, nie mehr als 2,5 mg bei Erstgabe
    Hälfte der zu verabreichenden Dosis in jedes Nasenloch gesprüht.
    Quelle: www.intranasal.net                                            Säuglinge ab 5. Monat		                         0,5    mg

       wendung derzeit noch im Rahmen eines individu-                     Kleinkinder über 15 kg		                        1,0    mg
       ellen Heilversuchs erfolgt, der unbedingt nur in
       Rücksprache und auf Anweisung Ihres betreuen-                      Schulkinder				                                 2,5    mg
       den Arztes durchgeführt werden darf.
                                                                          Erwachsene 			                                  2,5    mg
       Midazolam ist in Deutschland bisher nur in Am-                     (evtl. anpassen auf 5 mg)
       pullen zur intravenösen Injektion verfügbar. Die
       Anwendung als Nasenspray mit dem großen Vor-                       Hinweis: Die individuell im Notfall zu verabreichende Dosie-
       teil eines sehr schnellen Wirkungseintritts bedarf                 rung muss in jedem Fall zuvor mit dem behandelnden Arzt
       der Verordnung eines Nasenzerstäubers oder der                     genau abgesprochen werden.
       Sonderzubereitung als Nasenspray durch den
       Apotheker. Informationen zur Rezeptur sind im
       Rezeptur-Formularium der Bundesvereinigung
       Deutscher Apothekerverbände niedergeschrie-
       ben.

       Das Medikament wird als Injektionslösung (Am-                   • Clonazepam
       pullen mit 3 mg/1 ml und 15 mg/3 ml) mit Spritze                  Clonazepam ist ein Medikament aus der gleichen
       oder speziellem Nasenzerstäuber in die Wangen-                    Wirkgruppe wie Diazepam, aber mit häufigeren
       tasche (buccal) bzw. unter die Zunge (sublingual)                 Nebenwirkungen auf die Atmung, Verschleimung
       gegeben oder auf die Nasenschleimhaut (nasal)                     und längerer Verweildauer im Körper. Verabreicht
       gesprüht.                                                         wird das Medikament (Rivotril® - 20 Tropfen ent-
                                                                         sprechen 2 mg) in Form von Tropfen in die Wan-
                                                                         gentasche oder unter die Zunge.
       Dosierung für Midazolam:

       Allgemein: 		              0,2 (-0,3) mg/kg Gewicht
                                                                          Dosierung für Clonazepam:
       Säuglinge ab 5. Monat                   1,5 - 2,5 mg
                                                                          Säuglinge ab 5. Monat                      2 - 5 Tropfen
       Kleinkinder			                          2,5 - 5,0 mg
                                                                          Kleinkinderüber 15 kg                   5 - 10 Tropfen
       Schulkinder 5 – 9 J.		                  5,0 - 7,5 mg
                                                                          Schulkinder			                          10 - 15 Tropfen
       Schulkinder ab 10 J.		                 7,5 - 10,0 mg
                                                                          Erwachsene			                          10 - 30 Tropfen
       Erwachsene			                                    10,0 mg

       Hinweis: Die individuell im Notfall zu verabreichende Dosie-       Hinweis: Die individuell im Notfall zu verabreichende Dosie-
       rung muss in jedem Fall zuvor mit dem behandelnden Arzt            rung muss in jedem Fall zuvor mit dem behandelnden Arzt
       genau abgesprochen werden.                                         genau abgesprochen werden.

6
Alle genannten, aber auch andere Medikamente kön-        3.6 Maßnahmen nach Beendigung des Anfalls
nen ebenfalls vom Notarzt, dann meist als intrave-
nöse Injektion, gegeben werden. Erfahrungen, die Sie     Wenn der Anfall durch das Notfallmedikament been-
mit diesen Medikamenten bereits gemacht haben,           det werden konnte, gibt es eine Reihe von Maßnah-
teilen Sie daher bitte auch dem Notarzt mit. In sel-     men, die ergriffen werden sollten:
tenen Fällen macht es sogar Sinn oder ist es notwen-
dig, dass Sie selbst die in der Regel nur vom Notarzt    • Lassen Sie dem Betroffenen Ruhe zukommen, blei-
zu verabreichenden Medikamente zu Hause verfüg-            ben Sie in Kontakt und überprüfen Sie Aussehen
bar haben, da nicht alle Notärzte alle Notfallmedika-      und Atmung.
mente mit sich führen. Bitte besprechen Sie dies mit
Ihrem Haus- oder Kinderarzt. Dabei kann es sich um       • Reden Sie mit dem Betroffenen, sobald er wach
folgende Medikamente handeln:                              ist, und überprüfen Sie seine Orientierung.

•Clonazepam                                              • Fragen Sie nach, ob und woran sich der Betroffene
                                                           vor/bei dem Anfall erinnert.
•Levetiracetam
                                                         • Versuchen Sie dem Betroffenen die Angst zu neh-
•Valproinat                                                men, wenn er den Anfang des Anfalls miterlebt
                                                           hat.
•Phenobarbital
                                                         • Besprechen Sie mit dem betreuenden Kinder- oder
•Phenytoin                                                 Hausarzt aufgrund der Erfahrungen mit dem An-
                                                           fall das weitere Vorgehen und beziehen Sie hierbei
Weitere medikamentöse Notfallmaßnahmen zur                 unbedingt den Betroffenen mit ein.
Durchbrechung eines anhaltenden Krampfanfalls
(Status epilepticus bei einer Dauer von mehr als 30
Minuten oder mehrfach hintereinander folgenden
Anfällen mit nur kurzer Unterbrechung) können auch          ABC der Notfallbehandlung für
in der Klinik nur unter intensivmedizinischer Überwa-       Eltern/Betreuer
chung erfolgen.
                                                            A   Anfall erkennen,
                                                                Achten auf Verletzungsgefahr,
                                                                Aufregung vermeiden.
3.5 Rufen des Haus- oder Notarztes bei/nach
    Gabe des Notfallmedikaments                             B   Beobachten,
                                                                Begleiten,
In manchen Situationen ist es trotz Gabe eins Notfall-          Beruhigen.
medikaments notwendig, den Haus- oder Notarzt zu
rufen. Von dieser Möglichkeit sollte immer dann Ge-         C   Chemische Hilfe bereithalten
brauch gemacht werden:

• wenn das Medikament nach einmaliger Gabe
  nicht zur endgültigen Anfallsunterbrechung führt
  und eine zweite Gabe erforderlich ist oder bereits
  erfolgt ist.                                              ABC für den Rettungsassistenten/Notarzt

• wenn der Anfall unterbrochen wurde, der Betrof-           A		Atemwege und Atmung sichern
  fene aber beeinträchtigt bleibt, schwer oder ober-
  flächlich atmet, eine auffällige Gesichtsverfär-          B		Beatmung bei gestörter Atemtätigkeit
  bung hat, auf Zurede oder Stimulation nicht mit
  einem „Lebenszeichen“ reagiert (dieser Zustand            C   Cardiale Funktionen (Herz und Kreislauf)
  ist fast immer von einem entspannten Nachschlaf               stabilisieren
  durch Erschöpfung und/oder Medikamentengabe
  unterscheidbar).

• wenn Sie vermuten, dass ein Ereignis (Sturz, Un-
  fall) oder eine beginnende Infektion den Anfall
  ausgelöst hat.

• wenn der Anfall evtl. durch Vergessen/Verweige-
  rung/Erbrechen der verordneten Anfalls-Medika-
  mente ausgelöst wurde.
                                                                                                                7
Weitere Informationen für Eltern/Betreuer                  Jeannet P-Y et al: Home and hospital treatment of
                                                                acute seizures in children with nasal Midazolam. Eu-
     Schriftenverzeichnis                                       ropean Journal of Pediatric Neurology 3(2)73-77
     www.stiftungmichael.de
                                                                Vademecum Antiepilepticum 2009/2010; Pharmako-
     Service- und Download-Center                               therapie der Epilepsien; E. Steinhoff; Diakonie Kork
     www.izepilepsie.de
                                                                www.intranasal.net
     Allgemeine Informationen
     www.epilepsie-elternverband.de

                                                                Autor

     Weiterführende Literatur                                   Dr. med. Birgit Walther, Owschlag
                                                                Wiss. Beraterin des TSD e. V.
     Formularverordnung des Apothekerverbandes für
     Midazolam (http://www.pharmazeutische-zeitung.
     de/fileadmin/nrf/PDF/1-Midazolam.pdf)
                                                                Mitautor
     Dosierungsangaben zur Notfallmedikation; Heim-
     berg; E:Kindernotfälle; Notfall: prolongierter Anfall;     Dr. med. Adelheid Wiemer-Kruel
     Monatsschrift Kinderheilkunde 2010;158(10)919-             Wiss. Bundesvorstandsmitglied des TSD e. V.
     922

     Holsti M et al: Intranasal midazolam vs rectal dia-
     zepam for the home treatment of acute seizures in          Lektorat
     pediatric patients with epilepsy.Arch Pediatr Adolesc
     Med 2010;164(9)747-53                                      Sandra Hoffmann

     Appleton R et al: Drug management for acute to-
     nic-clonic convulsions including convulsive status
     epilepticus in children. Cochrane Database Syst Rev        Grafik & Layout
     2008;16(3):CD001905
                                                                Sandra Welz
     Holsti M et al: Prehospital intranasal midazolam for
     the treatment of pediatric seizures. Pediatr Emerg Ca-
     re 2007;23(3)148-53

                                                                Mit freundlicher Unterstützung der

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