Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie - APPA eV

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Positionspapiere der Gesellschaft für
Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V.

Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht
auf Kuhmilchproteinallergie
Positionspapier
 der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE), vertreten durch Sibylle Koletzko
  (Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München),
 der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), vertreten durch Bodo Niggemann
  (Hedwig-von-Rittberg-Zentrum, DRK-Kliniken Berlin | Westend) und Frank Friedrichs (Kinderarztpraxis Laurensberg),
 und der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, vertreten durch
  Berthold Koletzko (Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München)
Erstabdruck in Monatsschr Kinderheilkd 2009; 157: 687–691. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Springer Science and Business Media.

                 Einleitung                          Seit dem 1. Oktober 2005 werden bei             vention durch die Wahl der Säuglings-
                                                  ärztlicher Verordnung die Kosten für               ernährung, die hier nicht behandelt
   Dieses Positionspapier gibt Empfeh-            „therapeutische Nahrungen“ bei nach-               werden soll.
lungen für Diagnostik und Therapie bei            gewiesener        Kuhmilchproteinallergie
Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilch-             oder multiplen Nahrungsmittelallergien                             Epidemiologie
proteinallergie (KMPA) und ersetzt frü-           von der gesetzlichen Krankenversiche-
her publizierte Stellungnahmen [20,               rung (GKV) übernommen. Im Sinne der                   Die Häufigkeit einer KMPA liegt im
21]. Kinder mit ­KMPA sollen eine medi-           Solidargemeinschaft der Versicherten ist           Säuglings- und Kleinkindesalter bei ca.
zinisch erforderliche Diätnahrung er-             es erforderlich, die Indikation für diese          2 bis 3 Prozent der Bevölkerung [11,
halten, die ein normales Wachstum und             Nahrungen streng, nachvollziehbar und              24, 26, 32]. Auch einige voll gestillte
Gedeihen ermög­licht. Es soll verhindert          gut begründet zu stellen. Das im Fol-              Säuglinge entwickeln eine klinisch re-
werden, dass nicht indizierte oder zu             genden beschriebene Vorgehen basiert               levante ­KMPA [12]. In Deutschland sind
lange durchgeführte Diät die Lebens-              auf wissenschaftlichen Daten unter-                Kuhmilcheiweiß und Hühnereiweiß die
qualität betroffener Kinder und ihrer             schiedlichen Evidenzgrades. Das Ziel ist           wichtigsten Auslöser einer Nahrungs-
Familien beeinträchtigt und unnötig               ein für die tägliche Praxis ausgerichteter         mittelallergie im Säuglingsalter.
Kosten verursacht. Da diese Empfehlung            praktischer Leitfaden, der auch Kosten-
im Wesentlichen auf Expertenkonsens               Nutzen-Überlegungen mit einbezieht.                                     Klinik
beruht, ist die Evidenzstärke gemäß der              Als „therapeutische Nahrungen“
Publikation von AWMF und ÄZQ von                  gelten Formelnahrungen mit extensiv                   Die Manifestationen einer KMPA im
2001 mit Grad 3 anzugeben.                        hydrolysiertem Eiweißanteil (eHF, in               Säuglingsalter sind in Art und Schwere-
                                                  Deutschland derzeit verfügbar: Alfaré®,            grad äußerst variabel. Unterschieden
                                                  Althera®, Aptamil Pepti® und Aptamil               werden frühe Reaktionen innerhalb von
               Abkürzungen                        Pregomin®) sowie Aminosäuren-Formel-               zwei Stunden nach Aufnahme des Aller­
         AAF: Aminosäuren-Formula                 nahrungen (AAF, in Deutschland derzeit             gens und spätere (verzögerte) Reak­tio­
      eHF: extensiv hydrolysierte Formula         verfügbar: Neocate® und Aptamil Pre-               nen, die sich noch bis zu 48 Stunden da-
            KMP: Kuhmilchprotein                  gomin AS®). Streng zu trennen von der              nach (selten bis zu einer Woche später)
        KMPA: Kuhmilchproteinallergie             Therapie der gesicherten Kuhmilchpro-              manifestieren können. Frühreaktionen
                                                  teinallergie ist die primäre Allergieprä-          sind häufiger IgE-vermittelt, während

                                                                                                                                           1
die Spätreak­tio­nen vorwiegend durch
zelluläre Immunmechanismen ausge-                                        Diagnostisches Vorgehen bei Säuglingen
löst werden. Kombinationen von Früh-                                     mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie
und Spätreaktionen kommen vor.
    Manifestationen einer KMPA können                 Anamnese, Untersuchungsbefund und Labordiagnostik                            Anaphylaxie oder
an der Haut (z. B. Urtikaria, Erythem,                                                                                            klare Sofortreaktion
Juckreiz, Ekzemverschlechterung), den
Schleimhäuten des Respirationstraktes
(z. B. bronchiale Obstruktion, Larynx­                   Diagnostische Eliminationsdiät (mit eHF oder AAF)
                                                              Spätreaktion (z.B. Atopisches Ekzem): 1 – 2 Wochen
ödem, allergische Rhinokonjunktivitis),              Gastrointestinale Symptome (z.B. Durchfall, Erbrechen): 2 – 4 Wochen              Spezifisches IgE
am Magen-Darm-Trakt oder systemisch
bis zum seltenen anaphylaktischen
Schock mit tödlichem Ausgang [5, 27]
auftreten. Symptome am Magen-Darm-                    Keine Besserung der                          Besserung der
                                                                                                                                  negativ         positiv
Trakt umfassen ein breites Spektrum                   klinischen Symptome                      klinischen Symptome
mit oraler und perioraler Schwellung,
Durchfällen mit Zeichen einer Malab-
sorption bei Enteropathie oder blutig-
                                                                                                Standardisierte orale Provokation
schleimigen Stühlen als Hinweis auf
eine allergische Kolitis, Nahrungsver-
weigerung, Gedeihstörung, Motilitäts-
störungen mit Erbrechen, schweren                                                                negativ                     positiv
Koliken oder hartnäckiger Obstipation
mit perianalen Läsionen. Schwere syste-
mische Reaktionen, z. B. beim „Food Pro-
tein Induced Enteropathy Syndrome“                                         Keine Diät                                       Spezifische Elimination
(FPIES), das ein schockähnliches Bild
hervorrufen kann, sind ebenfalls bei        Abb. 1
nicht IgE-vermittelten Kuhmilchpro­tein­
unverträglichkeiten möglich [23, 30].       (A) Diagnostische Tests                                      Studie bei Kindern mit positiver Ana-
Studien bei unselektierten Säuglingen                                                                    mnese ein Quaddeldurchmesser von
mit KMPA zeigten, dass etwa die Hälfte      Nachweis von spezifischem IgE                                mindes­tens 13 mm mit einer 95-pro-
der Kinder ein Atopisches Ekzem und         gegen KMP und Haut-Prick-Test                                zentigen Wahrscheinlichkeit („positive
25 bis 50 Prozent Manifestationen am           Der Nachweis von spezifischem IgE                         predictive value“) mit einer positiven
Gastrointestinaltrakt aufwiesen, die an-    im Serum und der Haut-Prick-Test (SPT)                       Re­ak­tion bei der oralen Provokation
deren Manifestationen waren seltener        mit Kuhmilch oder Kuhmilchformula                            assoziiert [33]. In diesen allerdings sel-
[10, 16]. Bei Sensibilisierung gegen Nah-   geben Hinweise auf den immunolo-                             tenen Fällen kann auf die orale Provoka-
rungsmittelallergene über die Mutter-       gischen Mechanismus, ermöglichen ei-                         tion verzichtet und mit der Gabe einer
milch werden vor allem eine Verschlech-     ne Abschätzung der Wahrscheinlichkeit,                       therapeutischen Nahrung begonnen
terung des Atopischen Ekzems und/           mit der ein Kind auf eine Allergenexpo-                      werden. Bei erhöhtem IgE und/oder
oder eine allergische Kolitis beobachtet    sition positiv reagiert, und lassen ein                      einem Quaddeldurchmesser unter 13
[6].                                        Abschätzen der Prognose zu. Je höher                         mm ist die Spezifität gering [4, 33], so
                                            die Antikörpertiter sind oder je größer                      dass eine orale Provokation durchge-
       Diagnostisches Vorgehen              der Durchmesser der Quaddel im Haut-                         führt werden muss. Umgekehrt schließt
                                            Prick-Test ist, umso höher ist die Wahr-                     ein negativer Ausfall dieser Tests
   Bei den oben beschriebenen Sympto­       scheinlichkeit, dass eine KMPA vorliegt                      das Vorliegen einer KMPA nicht aus
men muss die KMPA in die differen­          [4, 33].                                                     [16].
zialdiagnostischen Überlegungen ein­-          Im Gegensatz zu amerikanischen
geschlossen werden. Je stärker Ana-         Untersuchungen [25] ließ sich für das                        Atopy Patch Test (APT) und
mnese und Befund auf eine KMPA hin-         spezifische IgE im Serum in einer deut-                      spezifische IgG-Antikörper
weisen, umso sinnvoller ist es, spezi-      schen Untersuchung mit gro­ßer Patien-                         Der Atopy Patch Test (APT) wird an-
fisches IgE gegen KMP zu messen oder        tenzahl kein kritischer Schwellenwert                        gesichts des großen Zeitaufwandes, der
einen Haut-­Prick-Test durchzuführen        festlegen [4]. Im Haut-­Prick-Test mit na-                   Subjektivität der Beurteilung sowie des
(Abb. 1).                                   tiver Kuhmilch war in einer deutschen                        geringen zusätzlichen Informationsge-

                                                                                                                                                            2
winns nicht mehr empfohlen [17]. Der        ptomen oder bei hoher Wahrscheinlich-        tern soll und welche weitere Dia­gnostik
Nachweis von IgG-Antikörpern oder ih-       keit, dass eine KMPA nicht Ursache der       zu erfolgen hat. Bei Besserung der Sym-
ren Subklassen gegen Kuhmilchweiß ist       Symptomatik ist, wie z. B. bei gehäuftem     ptomatik sollte unbedingt eine Provo-
unspezifisch und ohne Bedeutung [31].       Spucken, Verstopfung oder blutigen           kation mit Muttermilch nach Kuhmilch-
                                            Stühlen, sind Allergietests auf ­KMPA in     verzehr seitens der Mutter erfolgen.
Vorgehen bei klaren Sofortsymptomen         der Primärdiagnostik nicht kosteneffek-      Bei positiver Provoka­tion und fortge-
    und/oder schwerer Reaktion              tiv [1, 14, 15]. Fallen diagnostische Eli-   setztem Stillen unter einer wirksamen
      (Atemnot, Anaphylaxie)                mination und anschließende Belastung         Eliminationsdiät der Mutter muss eine
                                            mit KMP jedoch positiv aus, sollte ein       qualifizierte Ernährungsberatung der
   Besteht aufgrund von klaren Sofort­      Allergietest durchgeführt werden, da sie     stillenden Mutter durchgeführt werden,
symptomen an der Haut, am Gastro-           eine Risikoabschätzung für den Verlauf       um eine adäquate Nährstoffzufuhr zu
intestinal- oder Respirationstrakt oder     zulassen. Säuglinge mit positivem spezi-     gewährleisten.
bei schweren systemischen Reaktionen        fischen IgE haben ein höheres Risiko für         Die Dauer der diagnostischen Elimi-
(Anaphylaxie) der hochgradige Verdacht      eine länger persistierende KMPA oder         nation richtet sich nach der klinischen
auf eine KMPA, sollten sofort eine Aller-   andere Nahrungsmittelallergien als Kin-      Symptomatik und sollte bei klinischen
genkarenz erfolgen und das spezifische      der mit negativem Test­ergebnis [11].        Sofortreaktionen (z. B. akute Urtikaria
IgE auf KMP bestimmt oder ein Haut-                                                      oder bronchiale Obstruktion innerhalb
Prick-Test durchgeführt werden. Akute       (B) Diagnostische Elimination von            von zwei Stunden) drei bis fünf Tage,
Reaktionen sind meistens IgE-vermittelt.    Kuhmilchprotein                              bei klinischen Spätreaktionen (z. B. Ek-
Bei Nachweis von spezifischem IgE und                                                    zemverschlechterung am nächsten Tag)
klarer Zuordnung zur allergischen So-          Bei begründetem Verdacht und rele-        eine (bis zwei) Woche(n) betragen; bei
fortreaktion kann von einer KMPA aus-       vanten Symptomen sollte unabhängig           einigen gastrointestinalen Reaktionen
gegangen und mit der therapeutischen        vom Ausfall eines Allergietests eine dia­    (z. B. chronischen Durchfällen) sollte ei-
Eliminationsdiät begonnen werden.           gnostische Eliminationsdiät erfolgen,        ne Dauer von zwei bis vier Wochen ge-
Wenn bei klaren Sofortsymptomen Tests       d. h. dass Milchnahrungen und Beikost        wählt werden.
auf spezifisches IgE gegen KMP und/         auf der Basis von Kuhmilchprotein, So-           Tritt unter der diagnostischen Elimi-
oder der Haut-Prick-Test mit Kuhmilch       japrotein und anderen tierischen Pro-        nationsdiät mit Gabe einer eHF oder
negativ ausfallen, sollte eine Allergen-    teinen (z. B. Ziegenmilch) konsequent        AAF keine Besserung der klinischen
provokation unter sorgfältiger ärztlicher   gemieden werden müssen [13]. Dies            Symptomatik auf, ist eine durch Kuh-
Beobachtung stationär erfolgen.             kann im Säuglings­alter sinnvollerweise      milchprotein verursachte Nahrungsmit-
                                            durch die Verabreichung einer extensiv       telallergie unwahrscheinlich. Eine The-
       Vorgehen bei Säuglingen              hydrolysierten Formula (eHF) oder einer      rapienahrung ist dann nicht indiziert.
       ohne klare oder schwere              Aminosäuren-Formula (AAF) erreicht           Eine Besonderheit stellen Kinder mit
            Sofortreaktion                  werden.                                      schwerer allergischer Erkrankung am
                                               Bei gestillten Kindern kann zu-           Gastrointestinaltrakt dar. Wurde bei ih-
    Bei weniger klaren Reaktionen wie       nächst der Versuch einer Eliminations-       nen die diagnostische Eliminationsdiät
z. B. Neuauftreten oder Verschlechte-       diät der Mutter (Weglassen von Milch         mit einem extensiven Hydrolysat durch-
rung eines Atopischem Ekzems nach           und Milchprodukten, gegebenenfalls           geführt, sollte bei Nichtansprechen der
Kuhmilchproteinexposition ist ein SPT       Ausschluss weiterer häufiger Allergene)      Versuch einer ausschließlichen Fütte-
oder die Bestimmung des spezifischen        versucht werden, wobei die mütterliche       rung einer AAF unternommen werden,
IgE auf KMP ebenfalls sinnvoll. Da ge-      Eliminationsdiät bei Sofortreaktionen        da nur durch eine AAF eine vollständige
rade Kinder mit Atopischem Ekzem IgE-       für einige wenige Tage, bei verzögerten      Allergenelimination gewährleistet ist.
Sensibilisierungen ohne klinische Rele-     Reak­tio­nen für 10 bis 14 Tage eingehal-
vanz aufweisen können, muss die Dia-        ten werden sollte. Bessert sich die Sym-     (C) Orale Provokation mit Kuh-
gnose durch eine diagnostische Elimi-       ptomatik nicht, sind andere Diagnosen        milchprotein (Allergenbelastung)
nation und zeitnahe orale Provoka­tion      als Ursache der Symptome wahrschein-
bewiesen werden. Ist der Allergietest       lich und das Kind sollte entsprechend           Bessert oder verliert sich die klinische
negativ, kann eine nicht-IgE-vermittelte    evaluiert werden. Bei schwerem Ato-          Symptomatik unter der diagnostischen
Reaktion vorliegen. Dies ist besonders      pischem Ekzem oder allergischer Kolitis      Eliminationsdiät, muss mit einer ärzt-
häufig bei gastrointestinaler Symptoma-     kompliziert durch Gedeihstörung, ente-       lich überwachten oralen Provokation
tik der Fall, so dass immer eine diagnos-   ralem Eiweißverlust oder Anämie ist zu       die Diagnose einer KMPA bestätigt wer-
tische Allergenkarenz erfolgen sollte,      entscheiden, ob die Mutter für eine (bis     den. Ausnahmen von dieser Regel sind
ehe die Diagnose KMPA verworfen wird        zwei) Woche(n) ihre Milch abpumpen           Säuglinge mit einer klaren Sofortreak­
(Abb. 1). Bei sehr unspezifischen Sym-      und eine therapeutische Nahrung füt-         tion in der Anamnese und positivem

                                                                                                                                  3
Test auf spezifisches IgE (s. o.). Handelte    schwere allergische Reaktionen in der       wahl der eingesetzten Produkte spielen
es sich um eine schwere, lebensbedroh-            Vorgeschichte,                            mögliche Restallergenität, Nährstoffzu-
liche Mani­fes­ta­tion mit Luftnot oder        unvorhersehbare Reaktion (das Kind          sammensetzung, Kos­ten und die Akzep-
Kreislaufreaktion (Anaphylaxie), sollte           weist eine IgE-Sensibilisierung auf,      tanz durch den Säugling eine Rolle.
für mindestens ein Jahr streng KMP-               hat aber bisher nie oder lange Zeit           Die Gabe von Säuglingsnahrungen
frei ernährt werden und der Patient vor           keine Kuhmilch bekommen),                 auf Sojabasis wird zur Therapie der
einer stationären oralen Provokation           ausgeprägtes Atopisches Ekzem (auf-         ­KMPA nicht mehr generell empfohlen.
durch einen Spezialisten evaluiert wer-           grund der schwierigen Beurteilbar-         Mineralstoffe und Spurenelemente
den. Für die übrigen Säuglinge gilt, dass         keit).                                     werden aus Sojanahrungen aufgrund
sie zur Absicherung der Diagnose eine             Bei Atopischem Ekzem sollte der            eines hohen Phytatgehaltes schlecht
standardisierte orale Provokation erhal-      Hautbefund vor und nach Belastung              resorbiert [28]. Aufgrund ihres hohen
ten sollten. Im ersten Lebensjahr wird        und erneut nach 24 und nach 48 Stun-           Gehaltes an Isoflavonen mit östrogen-
diese mit einer Säuglingsnahrung auf          den durch einen Schweregrad-Score              artiger Wirkung führen Sojanahrungen
Kuhmilchbasis durchgeführt, nach dem          (z. B. SCORAD) [9] dokumentiert werden.        bei Säuglingen zu sehr hohen Serum-
ersten Lebensjahr kann frische pasteu-        Bei Unsicherheit in der Interpretation         konzentrationen dieser Isoflavone [28,
risierte Kuhmilch verwendet werden.           muss auch schon im Säuglingsalter eine         29]. Vergleichbare Serumkonzentratio­
   Folgende Voraussetzungen sind für          plazebo-kontrollierte Provokation Klar-        nen induzieren bei ovariektomierten
die Durchführung von oralen Provoka­          heit schaffen. Bei Durchfall als klinischer    Mäusen Thymusatrophie und immuno-
tio­nen unabdingbar:                          Manifestation muss der Stuhl inspiziert        logische Veränderungen [34]. Zusätzlich
 Die Kinder werden ärztlich beobach-         und bei negativem Inspektionsbefund            besteht ein leicht erhöhtes Risiko einer
   tet.                                       auf okkultes Blut getestet werden (z. B.       Neusensibilisierung gegen Soja. Die Er-
 Es besteht eine Bereitschaft, jederzeit     nach zwei und sieben Tagen).                   nährungskommissionen der Deutschen
   auch Notfallsituationen zu beherr-             Wenn bei der Belastung die ange-           Gesellschaft für Kinder- und Jugend-
   schen.                                     schuldigten Symptome erneut auftre-            medizin (DGKJ) [7], der Europäischen
 Die Patienten werden mindestens             ten, kann die Diagnose KMPA gestellt           Gesellschaft für Pädiatrische Gastroen-
   zwei Stunden nach höchster Dosis           und eine Therapienahrung empfohlen             terologie, Hepatologie und Ernährung
   ärztlich beobachtet (bzw. bei kli-         werden. Lassen sich die Symptome nicht         [8] und der Amerikanischen Akademie
   nischen Reaktionen individuell län-        reproduzieren, sollte das Kind wieder          für Pädiatrie [2] und das Bundesinstitut
   ger).                                      die vorherige Nahrung (Kuhmilch-For-           für Risikobewertung [3] sprechen sich
   Orale Provokationen sollen titriert        mula, hypoallergene Formula) erhalten.         übereinstimmend gegen einen verbrei-
durchgeführt werden, d. h. dass eine                                                         teten Einsatz von Sojanahrungen bei
Kuhmilch-Formula schrittweise mit je-                         Therapie                       Säuglingen, vor allem im ersten Lebens-
weils 30-minütigem Abstand auf 100                                                           halbjahr, aus. Gegen Ende des ersten Le-
ml gesteigert wird [18]. Bei Erwartung        Bis zum vollendeten 12. Lebens-                bensjahres und im Kleinkindalter kann
von ausgeprägten Symptomen muss               monat:                                         jedoch die Verwendung von Sojaprote-
mit kleinsten Mengen begonnen wer-               Säuglinge mit gesicherter KMPA              in als preisgünstige und geschmacklich
den (z. B. schrittweise Gabe von 0,1          sollten bis zum vollendeten 12. Lebens-        teilweise besser akzeptierte Alternative
– 0,3 – 1,0 – 3,0 – 10,0 – 30,0 - 100 ml      monat eine therapeutische Nahrung in           zu extensiv hydrolysiertem Kuhmilch-
Kuhmilch-Formula). Nach einer nega-           Form einer eHF oder AAF erhalten. Es           protein oder AAF erwogen werden. Be-
tiven Provokation sollte die Kuhmilch-        konnte gezeigt werden, dass das Wachs-         steht bei einem Säugling gegen Ende
Formula zu Hause täglich weiter verab-        tum und Gedeihen von Säuglingen un-            des ersten Lebensjahres ein großer Teil
reicht werden (mindestens 250 ml/Tag).        ter einer eHF und AAF ungestört ver-           der Energiezufuhr aus Beikost, kann
Die Kinder sollten ca. zwei bis drei Stun-    läuft [18, 19].                                die Gabe von Sojamilch, z. B. auch in
den nach der letzten Mahlzeit getestet           Von den auf dem deutschen Markt             Kombination mit einem KMP- und soja-
werden, also nicht mit vollem Magen.          verfügbaren Produkten besteht der              proteinfreien Brei auf der Basis von Jo-
Sie können aber auch nicht lange Zeit         Fettkörper bei Alfaré und Aptamil Pre-         hannisbrotkernmehl als Kalziumquelle,
nüchtern bleiben, da sie zu unleidlich        gomin zu ca. 50 Prozent aus mittelket-         erwogen werden, besonders bei älteren
werden können, wenn sie mit den ers­          tigen Triglyzeriden (MCT), Althéra und         Säuglingen, wenn diese eine eHF oder
ten Titrationsstufen nur kleine Mengen        Aptamil Pepti enthalten wie Säuglings-         eine AAF geschmacklich ablehnen.
Milch erhalten.                               anfangsnahrungen Laktose. Alle vier
   Orale Provokationen können ambu-           Hydrolysate basieren auf extensiv hy-         Nach dem vollendeten
lant oder stationär durchgeführt wer-         drolysiertem Molkeeiweiß. Die AAF (Ne-        12. Lebensmonat:
den. Stationäre Provokationen sind un-        ocate, Aptamil Pregomin AS) haben eine          Bei Kindern mit einer über das erste
ter folgenden Bedingungen indiziert:          etwas höhere Osmolarität. Bei der Aus-        Lebensjahr hinaus bestehenden KMPA

                                                                                                                                   4
muss individuell entschieden werden,                              meist auf eine Thera­pie­nahrung verzich-                       An der Erstellung des Manuskriptes
ob eine altersgerechte Versorgung an                              tet werden.                                                     waren Sibylle Koletzko und Bodo
Nährstoffen und besonders von Kalzium                                                                                             Niggemann zu gleichen Teilen beteiligt.
erreicht werden kann. Auch und gerade                                                Re-Evaluation
in diesen Fällen ist eine Mitbetreuung                                                                                            Korrespondenzadresse:
durch eine erfahrene pädiatrisch ausge-                              Nach ungefähr 6- bis 18-monatiger                            Prof. Dr. med. Sibylle Koletzko
bildete Ernährungsfachkraft dringend                              therapeutischer Diät sollte je nach                             Dr. von Haunersches Kinderspital
anzuraten.                                                        Symptomatik eine Re-Provokation mit                             Abt. Pädiatrische Gastroenterologie
   Zur Therapie einer KMPA sollte als                             Kuhmilcheiweiß durchgeführt werden,                             und Hepatologie
Ersatz für das Kuhmilchprotein in erster                          um nicht unnötig lange eine einschnei-                          Lindwurmstr. 4, 80337 München
Linie eine eHF/AAF oder ein allergolo-                            dende Diät fortzuführen. Bei positiver                          E-Mail: Sibylle.Koletzko@med.uni-
gisch nicht verwandtes Protein einge-                             Re-Provokation wird die Diät um wei-                            muenchen.de
setzt werden. Bei nicht ausreichender                             tere zwölf Monate verlängert, bei nega-
Menge muss an eine mögliche Kalzium-                              tiver Provokation wird Kuhmilch in die                          Interessenkonflikt:
Supplementierung gedacht werden.                                  Ernährung des Kleinkindes eingeführt.                           Die korrespondierende Autorin weist auf folgende
                                                                                                                                  Beziehungen hin: Finanzielle Unterstützung für
Grundsätzlich ist somit eine Ernährung                            Die Prognose der Kuhmilchallergie im                            Forschungsprojekte oder klinische Studien: SK:
mit einer Säuglingsformula auf Sojaei-                            Säuglings- und Kleinkindalter ist gut.                          Danone, Nestlé; BK: Danone, Nestlé; BN: Da-
weißbasis möglich [16]. Bei Kindern mit                           Etwa 75 Prozent der betroffenen Kinder                          none, Nestlé. Honorar für eine von der Industrie
multipler Nahrungsmittelallergie ein-                             weisen mit zwei Jahren und 90 Prozent                           gesponserte Präsentation, Vortragender: SK: Da-
schließlich Sojaeiweiß kann aus ernäh-                            bis zum Schulalter eine Toleranzent-                            none, Nestlé; BK: Danone, Nestlé; BN: Danone,
                                                                                                                                  Nestlé; FF: Milupa, Nestlé.
rungsphysiologischen Gründen jedoch                               wicklung auf [10].

                                                                                           Literatur
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