Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie - APPA eV
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Positionspapiere der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V. Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie Positionspapier der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE), vertreten durch Sibylle Koletzko (Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), vertreten durch Bodo Niggemann (Hedwig-von-Rittberg-Zentrum, DRK-Kliniken Berlin | Westend) und Frank Friedrichs (Kinderarztpraxis Laurensberg), und der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, vertreten durch Berthold Koletzko (Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München) Erstabdruck in Monatsschr Kinderheilkd 2009; 157: 687–691. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Springer Science and Business Media. Einleitung Seit dem 1. Oktober 2005 werden bei vention durch die Wahl der Säuglings- ärztlicher Verordnung die Kosten für ernährung, die hier nicht behandelt Dieses Positionspapier gibt Empfeh- „therapeutische Nahrungen“ bei nach- werden soll. lungen für Diagnostik und Therapie bei gewiesener Kuhmilchproteinallergie Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilch- oder multiplen Nahrungsmittelallergien Epidemiologie proteinallergie (KMPA) und ersetzt frü- von der gesetzlichen Krankenversiche- her publizierte Stellungnahmen [20, rung (GKV) übernommen. Im Sinne der Die Häufigkeit einer KMPA liegt im 21]. Kinder mit KMPA sollen eine medi- Solidargemeinschaft der Versicherten ist Säuglings- und Kleinkindesalter bei ca. zinisch erforderliche Diätnahrung er- es erforderlich, die Indikation für diese 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung [11, halten, die ein normales Wachstum und Nahrungen streng, nachvollziehbar und 24, 26, 32]. Auch einige voll gestillte Gedeihen ermöglicht. Es soll verhindert gut begründet zu stellen. Das im Fol- Säuglinge entwickeln eine klinisch re- werden, dass nicht indizierte oder zu genden beschriebene Vorgehen basiert levante KMPA [12]. In Deutschland sind lange durchgeführte Diät die Lebens- auf wissenschaftlichen Daten unter- Kuhmilcheiweiß und Hühnereiweiß die qualität betroffener Kinder und ihrer schiedlichen Evidenzgrades. Das Ziel ist wichtigsten Auslöser einer Nahrungs- Familien beeinträchtigt und unnötig ein für die tägliche Praxis ausgerichteter mittelallergie im Säuglingsalter. Kosten verursacht. Da diese Empfehlung praktischer Leitfaden, der auch Kosten- im Wesentlichen auf Expertenkonsens Nutzen-Überlegungen mit einbezieht. Klinik beruht, ist die Evidenzstärke gemäß der Als „therapeutische Nahrungen“ Publikation von AWMF und ÄZQ von gelten Formelnahrungen mit extensiv Die Manifestationen einer KMPA im 2001 mit Grad 3 anzugeben. hydrolysiertem Eiweißanteil (eHF, in Säuglingsalter sind in Art und Schwere- Deutschland derzeit verfügbar: Alfaré®, grad äußerst variabel. Unterschieden Althera®, Aptamil Pepti® und Aptamil werden frühe Reaktionen innerhalb von Abkürzungen Pregomin®) sowie Aminosäuren-Formel- zwei Stunden nach Aufnahme des Aller AAF: Aminosäuren-Formula nahrungen (AAF, in Deutschland derzeit gens und spätere (verzögerte) Reaktio eHF: extensiv hydrolysierte Formula verfügbar: Neocate® und Aptamil Pre- nen, die sich noch bis zu 48 Stunden da- KMP: Kuhmilchprotein gomin AS®). Streng zu trennen von der nach (selten bis zu einer Woche später) KMPA: Kuhmilchproteinallergie Therapie der gesicherten Kuhmilchpro- manifestieren können. Frühreaktionen teinallergie ist die primäre Allergieprä- sind häufiger IgE-vermittelt, während 1
die Spätreaktionen vorwiegend durch zelluläre Immunmechanismen ausge- Diagnostisches Vorgehen bei Säuglingen löst werden. Kombinationen von Früh- mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie und Spätreaktionen kommen vor. Manifestationen einer KMPA können Anamnese, Untersuchungsbefund und Labordiagnostik Anaphylaxie oder an der Haut (z. B. Urtikaria, Erythem, klare Sofortreaktion Juckreiz, Ekzemverschlechterung), den Schleimhäuten des Respirationstraktes (z. B. bronchiale Obstruktion, Larynx Diagnostische Eliminationsdiät (mit eHF oder AAF) Spätreaktion (z.B. Atopisches Ekzem): 1 – 2 Wochen ödem, allergische Rhinokonjunktivitis), Gastrointestinale Symptome (z.B. Durchfall, Erbrechen): 2 – 4 Wochen Spezifisches IgE am Magen-Darm-Trakt oder systemisch bis zum seltenen anaphylaktischen Schock mit tödlichem Ausgang [5, 27] auftreten. Symptome am Magen-Darm- Keine Besserung der Besserung der negativ positiv Trakt umfassen ein breites Spektrum klinischen Symptome klinischen Symptome mit oraler und perioraler Schwellung, Durchfällen mit Zeichen einer Malab- sorption bei Enteropathie oder blutig- Standardisierte orale Provokation schleimigen Stühlen als Hinweis auf eine allergische Kolitis, Nahrungsver- weigerung, Gedeihstörung, Motilitäts- störungen mit Erbrechen, schweren negativ positiv Koliken oder hartnäckiger Obstipation mit perianalen Läsionen. Schwere syste- mische Reaktionen, z. B. beim „Food Pro- tein Induced Enteropathy Syndrome“ Keine Diät Spezifische Elimination (FPIES), das ein schockähnliches Bild hervorrufen kann, sind ebenfalls bei Abb. 1 nicht IgE-vermittelten Kuhmilchprotein unverträglichkeiten möglich [23, 30]. (A) Diagnostische Tests Studie bei Kindern mit positiver Ana- Studien bei unselektierten Säuglingen mnese ein Quaddeldurchmesser von mit KMPA zeigten, dass etwa die Hälfte Nachweis von spezifischem IgE mindestens 13 mm mit einer 95-pro- der Kinder ein Atopisches Ekzem und gegen KMP und Haut-Prick-Test zentigen Wahrscheinlichkeit („positive 25 bis 50 Prozent Manifestationen am Der Nachweis von spezifischem IgE predictive value“) mit einer positiven Gastrointestinaltrakt aufwiesen, die an- im Serum und der Haut-Prick-Test (SPT) Reaktion bei der oralen Provokation deren Manifestationen waren seltener mit Kuhmilch oder Kuhmilchformula assoziiert [33]. In diesen allerdings sel- [10, 16]. Bei Sensibilisierung gegen Nah- geben Hinweise auf den immunolo- tenen Fällen kann auf die orale Provoka- rungsmittelallergene über die Mutter- gischen Mechanismus, ermöglichen ei- tion verzichtet und mit der Gabe einer milch werden vor allem eine Verschlech- ne Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, therapeutischen Nahrung begonnen terung des Atopischen Ekzems und/ mit der ein Kind auf eine Allergenexpo- werden. Bei erhöhtem IgE und/oder oder eine allergische Kolitis beobachtet sition positiv reagiert, und lassen ein einem Quaddeldurchmesser unter 13 [6]. Abschätzen der Prognose zu. Je höher mm ist die Spezifität gering [4, 33], so die Antikörpertiter sind oder je größer dass eine orale Provokation durchge- Diagnostisches Vorgehen der Durchmesser der Quaddel im Haut- führt werden muss. Umgekehrt schließt Prick-Test ist, umso höher ist die Wahr- ein negativer Ausfall dieser Tests Bei den oben beschriebenen Sympto scheinlichkeit, dass eine KMPA vorliegt das Vorliegen einer KMPA nicht aus men muss die KMPA in die differen [4, 33]. [16]. zialdiagnostischen Überlegungen ein- Im Gegensatz zu amerikanischen geschlossen werden. Je stärker Ana- Untersuchungen [25] ließ sich für das Atopy Patch Test (APT) und mnese und Befund auf eine KMPA hin- spezifische IgE im Serum in einer deut- spezifische IgG-Antikörper weisen, umso sinnvoller ist es, spezi- schen Untersuchung mit großer Patien- Der Atopy Patch Test (APT) wird an- fisches IgE gegen KMP zu messen oder tenzahl kein kritischer Schwellenwert gesichts des großen Zeitaufwandes, der einen Haut-Prick-Test durchzuführen festlegen [4]. Im Haut-Prick-Test mit na- Subjektivität der Beurteilung sowie des (Abb. 1). tiver Kuhmilch war in einer deutschen geringen zusätzlichen Informationsge- 2
winns nicht mehr empfohlen [17]. Der ptomen oder bei hoher Wahrscheinlich- tern soll und welche weitere Diagnostik Nachweis von IgG-Antikörpern oder ih- keit, dass eine KMPA nicht Ursache der zu erfolgen hat. Bei Besserung der Sym- ren Subklassen gegen Kuhmilchweiß ist Symptomatik ist, wie z. B. bei gehäuftem ptomatik sollte unbedingt eine Provo- unspezifisch und ohne Bedeutung [31]. Spucken, Verstopfung oder blutigen kation mit Muttermilch nach Kuhmilch- Stühlen, sind Allergietests auf KMPA in verzehr seitens der Mutter erfolgen. Vorgehen bei klaren Sofortsymptomen der Primärdiagnostik nicht kosteneffek- Bei positiver Provokation und fortge- und/oder schwerer Reaktion tiv [1, 14, 15]. Fallen diagnostische Eli- setztem Stillen unter einer wirksamen (Atemnot, Anaphylaxie) mination und anschließende Belastung Eliminationsdiät der Mutter muss eine mit KMP jedoch positiv aus, sollte ein qualifizierte Ernährungsberatung der Besteht aufgrund von klaren Sofort Allergietest durchgeführt werden, da sie stillenden Mutter durchgeführt werden, symptomen an der Haut, am Gastro- eine Risikoabschätzung für den Verlauf um eine adäquate Nährstoffzufuhr zu intestinal- oder Respirationstrakt oder zulassen. Säuglinge mit positivem spezi- gewährleisten. bei schweren systemischen Reaktionen fischen IgE haben ein höheres Risiko für Die Dauer der diagnostischen Elimi- (Anaphylaxie) der hochgradige Verdacht eine länger persistierende KMPA oder nation richtet sich nach der klinischen auf eine KMPA, sollten sofort eine Aller- andere Nahrungsmittelallergien als Kin- Symptomatik und sollte bei klinischen genkarenz erfolgen und das spezifische der mit negativem Testergebnis [11]. Sofortreaktionen (z. B. akute Urtikaria IgE auf KMP bestimmt oder ein Haut- oder bronchiale Obstruktion innerhalb Prick-Test durchgeführt werden. Akute (B) Diagnostische Elimination von von zwei Stunden) drei bis fünf Tage, Reaktionen sind meistens IgE-vermittelt. Kuhmilchprotein bei klinischen Spätreaktionen (z. B. Ek- Bei Nachweis von spezifischem IgE und zemverschlechterung am nächsten Tag) klarer Zuordnung zur allergischen So- Bei begründetem Verdacht und rele- eine (bis zwei) Woche(n) betragen; bei fortreaktion kann von einer KMPA aus- vanten Symptomen sollte unabhängig einigen gastrointestinalen Reaktionen gegangen und mit der therapeutischen vom Ausfall eines Allergietests eine dia (z. B. chronischen Durchfällen) sollte ei- Eliminationsdiät begonnen werden. gnostische Eliminationsdiät erfolgen, ne Dauer von zwei bis vier Wochen ge- Wenn bei klaren Sofortsymptomen Tests d. h. dass Milchnahrungen und Beikost wählt werden. auf spezifisches IgE gegen KMP und/ auf der Basis von Kuhmilchprotein, So- Tritt unter der diagnostischen Elimi- oder der Haut-Prick-Test mit Kuhmilch japrotein und anderen tierischen Pro- nationsdiät mit Gabe einer eHF oder negativ ausfallen, sollte eine Allergen- teinen (z. B. Ziegenmilch) konsequent AAF keine Besserung der klinischen provokation unter sorgfältiger ärztlicher gemieden werden müssen [13]. Dies Symptomatik auf, ist eine durch Kuh- Beobachtung stationär erfolgen. kann im Säuglingsalter sinnvollerweise milchprotein verursachte Nahrungsmit- durch die Verabreichung einer extensiv telallergie unwahrscheinlich. Eine The- Vorgehen bei Säuglingen hydrolysierten Formula (eHF) oder einer rapienahrung ist dann nicht indiziert. ohne klare oder schwere Aminosäuren-Formula (AAF) erreicht Eine Besonderheit stellen Kinder mit Sofortreaktion werden. schwerer allergischer Erkrankung am Bei gestillten Kindern kann zu- Gastrointestinaltrakt dar. Wurde bei ih- Bei weniger klaren Reaktionen wie nächst der Versuch einer Eliminations- nen die diagnostische Eliminationsdiät z. B. Neuauftreten oder Verschlechte- diät der Mutter (Weglassen von Milch mit einem extensiven Hydrolysat durch- rung eines Atopischem Ekzems nach und Milchprodukten, gegebenenfalls geführt, sollte bei Nichtansprechen der Kuhmilchproteinexposition ist ein SPT Ausschluss weiterer häufiger Allergene) Versuch einer ausschließlichen Fütte- oder die Bestimmung des spezifischen versucht werden, wobei die mütterliche rung einer AAF unternommen werden, IgE auf KMP ebenfalls sinnvoll. Da ge- Eliminationsdiät bei Sofortreaktionen da nur durch eine AAF eine vollständige rade Kinder mit Atopischem Ekzem IgE- für einige wenige Tage, bei verzögerten Allergenelimination gewährleistet ist. Sensibilisierungen ohne klinische Rele- Reaktionen für 10 bis 14 Tage eingehal- vanz aufweisen können, muss die Dia- ten werden sollte. Bessert sich die Sym- (C) Orale Provokation mit Kuh- gnose durch eine diagnostische Elimi- ptomatik nicht, sind andere Diagnosen milchprotein (Allergenbelastung) nation und zeitnahe orale Provokation als Ursache der Symptome wahrschein- bewiesen werden. Ist der Allergietest lich und das Kind sollte entsprechend Bessert oder verliert sich die klinische negativ, kann eine nicht-IgE-vermittelte evaluiert werden. Bei schwerem Ato- Symptomatik unter der diagnostischen Reaktion vorliegen. Dies ist besonders pischem Ekzem oder allergischer Kolitis Eliminationsdiät, muss mit einer ärzt- häufig bei gastrointestinaler Symptoma- kompliziert durch Gedeihstörung, ente- lich überwachten oralen Provokation tik der Fall, so dass immer eine diagnos- ralem Eiweißverlust oder Anämie ist zu die Diagnose einer KMPA bestätigt wer- tische Allergenkarenz erfolgen sollte, entscheiden, ob die Mutter für eine (bis den. Ausnahmen von dieser Regel sind ehe die Diagnose KMPA verworfen wird zwei) Woche(n) ihre Milch abpumpen Säuglinge mit einer klaren Sofortreak (Abb. 1). Bei sehr unspezifischen Sym- und eine therapeutische Nahrung füt- tion in der Anamnese und positivem 3
Test auf spezifisches IgE (s. o.). Handelte schwere allergische Reaktionen in der wahl der eingesetzten Produkte spielen es sich um eine schwere, lebensbedroh- Vorgeschichte, mögliche Restallergenität, Nährstoffzu- liche Manifestation mit Luftnot oder unvorhersehbare Reaktion (das Kind sammensetzung, Kosten und die Akzep- Kreislaufreaktion (Anaphylaxie), sollte weist eine IgE-Sensibilisierung auf, tanz durch den Säugling eine Rolle. für mindestens ein Jahr streng KMP- hat aber bisher nie oder lange Zeit Die Gabe von Säuglingsnahrungen frei ernährt werden und der Patient vor keine Kuhmilch bekommen), auf Sojabasis wird zur Therapie der einer stationären oralen Provokation ausgeprägtes Atopisches Ekzem (auf- KMPA nicht mehr generell empfohlen. durch einen Spezialisten evaluiert wer- grund der schwierigen Beurteilbar- Mineralstoffe und Spurenelemente den. Für die übrigen Säuglinge gilt, dass keit). werden aus Sojanahrungen aufgrund sie zur Absicherung der Diagnose eine Bei Atopischem Ekzem sollte der eines hohen Phytatgehaltes schlecht standardisierte orale Provokation erhal- Hautbefund vor und nach Belastung resorbiert [28]. Aufgrund ihres hohen ten sollten. Im ersten Lebensjahr wird und erneut nach 24 und nach 48 Stun- Gehaltes an Isoflavonen mit östrogen- diese mit einer Säuglingsnahrung auf den durch einen Schweregrad-Score artiger Wirkung führen Sojanahrungen Kuhmilchbasis durchgeführt, nach dem (z. B. SCORAD) [9] dokumentiert werden. bei Säuglingen zu sehr hohen Serum- ersten Lebensjahr kann frische pasteu- Bei Unsicherheit in der Interpretation konzentrationen dieser Isoflavone [28, risierte Kuhmilch verwendet werden. muss auch schon im Säuglingsalter eine 29]. Vergleichbare Serumkonzentratio Folgende Voraussetzungen sind für plazebo-kontrollierte Provokation Klar- nen induzieren bei ovariektomierten die Durchführung von oralen Provoka heit schaffen. Bei Durchfall als klinischer Mäusen Thymusatrophie und immuno- tionen unabdingbar: Manifestation muss der Stuhl inspiziert logische Veränderungen [34]. Zusätzlich Die Kinder werden ärztlich beobach- und bei negativem Inspektionsbefund besteht ein leicht erhöhtes Risiko einer tet. auf okkultes Blut getestet werden (z. B. Neusensibilisierung gegen Soja. Die Er- Es besteht eine Bereitschaft, jederzeit nach zwei und sieben Tagen). nährungskommissionen der Deutschen auch Notfallsituationen zu beherr- Wenn bei der Belastung die ange- Gesellschaft für Kinder- und Jugend- schen. schuldigten Symptome erneut auftre- medizin (DGKJ) [7], der Europäischen Die Patienten werden mindestens ten, kann die Diagnose KMPA gestellt Gesellschaft für Pädiatrische Gastroen- zwei Stunden nach höchster Dosis und eine Therapienahrung empfohlen terologie, Hepatologie und Ernährung ärztlich beobachtet (bzw. bei kli- werden. Lassen sich die Symptome nicht [8] und der Amerikanischen Akademie nischen Reaktionen individuell län- reproduzieren, sollte das Kind wieder für Pädiatrie [2] und das Bundesinstitut ger). die vorherige Nahrung (Kuhmilch-For- für Risikobewertung [3] sprechen sich Orale Provokationen sollen titriert mula, hypoallergene Formula) erhalten. übereinstimmend gegen einen verbrei- durchgeführt werden, d. h. dass eine teten Einsatz von Sojanahrungen bei Kuhmilch-Formula schrittweise mit je- Therapie Säuglingen, vor allem im ersten Lebens- weils 30-minütigem Abstand auf 100 halbjahr, aus. Gegen Ende des ersten Le- ml gesteigert wird [18]. Bei Erwartung Bis zum vollendeten 12. Lebens- bensjahres und im Kleinkindalter kann von ausgeprägten Symptomen muss monat: jedoch die Verwendung von Sojaprote- mit kleinsten Mengen begonnen wer- Säuglinge mit gesicherter KMPA in als preisgünstige und geschmacklich den (z. B. schrittweise Gabe von 0,1 sollten bis zum vollendeten 12. Lebens- teilweise besser akzeptierte Alternative – 0,3 – 1,0 – 3,0 – 10,0 – 30,0 - 100 ml monat eine therapeutische Nahrung in zu extensiv hydrolysiertem Kuhmilch- Kuhmilch-Formula). Nach einer nega- Form einer eHF oder AAF erhalten. Es protein oder AAF erwogen werden. Be- tiven Provokation sollte die Kuhmilch- konnte gezeigt werden, dass das Wachs- steht bei einem Säugling gegen Ende Formula zu Hause täglich weiter verab- tum und Gedeihen von Säuglingen un- des ersten Lebensjahres ein großer Teil reicht werden (mindestens 250 ml/Tag). ter einer eHF und AAF ungestört ver- der Energiezufuhr aus Beikost, kann Die Kinder sollten ca. zwei bis drei Stun- läuft [18, 19]. die Gabe von Sojamilch, z. B. auch in den nach der letzten Mahlzeit getestet Von den auf dem deutschen Markt Kombination mit einem KMP- und soja- werden, also nicht mit vollem Magen. verfügbaren Produkten besteht der proteinfreien Brei auf der Basis von Jo- Sie können aber auch nicht lange Zeit Fettkörper bei Alfaré und Aptamil Pre- hannisbrotkernmehl als Kalziumquelle, nüchtern bleiben, da sie zu unleidlich gomin zu ca. 50 Prozent aus mittelket- erwogen werden, besonders bei älteren werden können, wenn sie mit den ers tigen Triglyzeriden (MCT), Althéra und Säuglingen, wenn diese eine eHF oder ten Titrationsstufen nur kleine Mengen Aptamil Pepti enthalten wie Säuglings- eine AAF geschmacklich ablehnen. Milch erhalten. anfangsnahrungen Laktose. Alle vier Orale Provokationen können ambu- Hydrolysate basieren auf extensiv hy- Nach dem vollendeten lant oder stationär durchgeführt wer- drolysiertem Molkeeiweiß. Die AAF (Ne- 12. Lebensmonat: den. Stationäre Provokationen sind un- ocate, Aptamil Pregomin AS) haben eine Bei Kindern mit einer über das erste ter folgenden Bedingungen indiziert: etwas höhere Osmolarität. Bei der Aus- Lebensjahr hinaus bestehenden KMPA 4
muss individuell entschieden werden, meist auf eine Therapienahrung verzich- An der Erstellung des Manuskriptes ob eine altersgerechte Versorgung an tet werden. waren Sibylle Koletzko und Bodo Nährstoffen und besonders von Kalzium Niggemann zu gleichen Teilen beteiligt. erreicht werden kann. Auch und gerade Re-Evaluation in diesen Fällen ist eine Mitbetreuung Korrespondenzadresse: durch eine erfahrene pädiatrisch ausge- Nach ungefähr 6- bis 18-monatiger Prof. Dr. med. Sibylle Koletzko bildete Ernährungsfachkraft dringend therapeutischer Diät sollte je nach Dr. von Haunersches Kinderspital anzuraten. Symptomatik eine Re-Provokation mit Abt. Pädiatrische Gastroenterologie Zur Therapie einer KMPA sollte als Kuhmilcheiweiß durchgeführt werden, und Hepatologie Ersatz für das Kuhmilchprotein in erster um nicht unnötig lange eine einschnei- Lindwurmstr. 4, 80337 München Linie eine eHF/AAF oder ein allergolo- dende Diät fortzuführen. Bei positiver E-Mail: Sibylle.Koletzko@med.uni- gisch nicht verwandtes Protein einge- Re-Provokation wird die Diät um wei- muenchen.de setzt werden. Bei nicht ausreichender tere zwölf Monate verlängert, bei nega- Menge muss an eine mögliche Kalzium- tiver Provokation wird Kuhmilch in die Interessenkonflikt: Supplementierung gedacht werden. Ernährung des Kleinkindes eingeführt. Die korrespondierende Autorin weist auf folgende Beziehungen hin: Finanzielle Unterstützung für Grundsätzlich ist somit eine Ernährung Die Prognose der Kuhmilchallergie im Forschungsprojekte oder klinische Studien: SK: mit einer Säuglingsformula auf Sojaei- Säuglings- und Kleinkindalter ist gut. Danone, Nestlé; BK: Danone, Nestlé; BN: Da- weißbasis möglich [16]. Bei Kindern mit Etwa 75 Prozent der betroffenen Kinder none, Nestlé. Honorar für eine von der Industrie multipler Nahrungsmittelallergie ein- weisen mit zwei Jahren und 90 Prozent gesponserte Präsentation, Vortragender: SK: Da- schließlich Sojaeiweiß kann aus ernäh- bis zum Schulalter eine Toleranzent- none, Nestlé; BK: Danone, Nestlé; BN: Danone, Nestlé; FF: Milupa, Nestlé. rungsphysiologischen Gründen jedoch wicklung auf [10]. Literatur [1] Arvola T, Ruuska T, Keranen J, Hyoty H, Salminen S, [9] European Task Force on Atopic Dermatitis. Severity A, Wahn U, Beyer K, Niggemann B: The atopy patch Isolauri E: Rectal bleeding in infancy: clinical, allergologi- Scoring of Atopic Dermatitis: The SCORAD Index. Derma- test in the diagnostic work-up of suspected food related cal, and microbiological examination. Pediatrics 2006 Apr; tology 1993; 186: 23–31. symptoms in children. J Allergy Clin Immunol 2006; 118: 117 (4): e760–e768 [10] Høst A: Frequency of cow’s milk allergy in childhood. 923–929. 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