Innerschweizer Heimatschutz
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Kantonalsektionen Luzern – Nidwalden – Obwalden – Uri Jahresbericht 2019 Innerschweizer Heimatschutz
Denk mal! Denk mal, die Luzerner Kapellbrücke wäre nach dem letzten Brand nicht mehr aufgebaut worden. Denk mal, das Siedlungsgebiet Weggis reicht bis hinauf nach Rigi-Kaltbad. Denk mal, anstelle des Gletschergartens steht ein grosses Wohnhaus. Denk mal, man würde sich nur noch in Esperanto unterhalten. Denk mal – Denkmal. Editorial Martin Luther verwendete den Begriff Denkmal bei der Präsident Innerschweizer Heimatschutz Rainer Heublein Übersetzung des lateinischen Begriffs monēre (= gemahnen, erinnern) als Gedächtnisstütze. Denkmäler sind also Erinnerungsstützen, sie erzählen uns von unserer Geschichte, unserer Herkunft und Kultur. Na- türlich hat sich unser Lebensraum immer wieder verändert und der Zeit angepasst, doch wir alle haben sicher zu Hause in einer Schatulle etwas aufbewahrt, was uns besonders am Herzen liegt. Im Privaten pflegen wir solche Denkmäler. Auch Baudenkmäler sind Erinnerungsstützen. Stadtmauern schützten die Menschen einst mit ihren Behausungen, das spürt man heute noch. Und wenn die Stadtmauer in Luzern heute auch nicht mehr rund um die Altstadt läuft, erinnert doch der Überrest eines Fundaments eingangs Hertensteinstrasse an das Tor an dieser Stelle. In Zeiten der Globalisierung und der wachsenden Megacities ist der Erhalt und die Pflege dieser Erinnerungsstützen an einen stetigen Prozess des Ab- wägens gebunden, einen Prozess des Verhandelns von Geschichte und Zu- kunft. Doch auch in der Schweiz, in einer traditionsbewussten Gemeinschaft, die Natur und Kultur pflegt, eine geschickte Symbiose von Erhaltenem und Neuem anstrebt und den Dialekt pflegt, weichen private Interessen, die vor allem dem eigenen Profit dienen, diese Prozesse auf. In einzelnen Kantonen werden die kommunalen Denkmalschutzgesetze, die dem Schweizerischen Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz un- terstehen, aufgeweicht. Der öffentliche Schutzauftrag wird auf diese Weise Seite 3 ausgehebelt. Im Kanton Zug etwa werden nach einer Volksabstimmung Bau- ten, die jünger als 70 Jahre sind, nicht mehr gegen den Willen der Eigentü- merschaft unter Schutz gestellt werden können und die Kommission, welche den Auftrag hatte, solche Schutzobjekte zu beurteilen, wird abgeschafft. Die Zeit der Moderne gilt allgemein als kulturhistorisch wichtige Epoche, Bauten, die nach 1949 erstellt wurden, werden jedoch vermehrt abgebrochen.
Die 1950er-, 1960er- und auch 1970er-Jahre, in denen im Kanton Zug eine Inhalt merkliche Anzahl von bedeutungsvollen Bauten entstanden sind, werden aus den Stadtbildern und damit der baukulturellen Zeitachse verschwinden. 7 Bericht der Geschäftsstelle 12 Alpenrandkonferenz Angesichts dieser Entwicklungen darf man sich fragen, warum in der Schweiz, 14 Kantonalsektion Luzern die bereits 1966 das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz verab- 18 Kantonalsektion Nidwalden schiedet hat, so wenig Bewusstsein für unsere Denkmäler und Erinnerungs- 22 Veranstaltungsreihe «Architektur im Gespräch» stützen besteht. Wir sollten lernen, ihren Wert anzuerkennen. Nur so können 26 Kantonalsektion Obwalden Editorial Inhalt sie vor kurzsichtigen Interessen geschützt und für nachfolgende Generatio- 32 Bericht aus dem Bauberatergremium Luzern nen erhalten werden. 36 Fondazione Pro San Gottardo 38 Sarneraatal 2050 44 Bauen in der Landschaft 50 Revisionsbericht 53 In eigener Sache 54 Kontakt 56 Bildnachweis / Impressum Seite 4 Seite 5
Bericht der Geschäftsstelle Der Innerschweizer Heimatschutz ist seit seiner Gründung Geschäftsführer IHS Marco Füchslin durch seine Mitglieder in zahlreichen Stiftungen, die er teil- weise mitgründete, und Kommissionen vertreten. Im Vor- stand sassen Regierungsräte, Kantons- und Kommunalpoliti- ker, Geistliche, Ärzte und Kulturförderer mit Verbindungen, die für den Verein wichtig waren. Die Mitglieder waren und Bericht der Geschäftsstelle sind in den Gemeinden aktiv und nahmen, wenn erforder- lich, die Hilfe des Vereins in Anspruch. Heute sind leider nicht mehr alle, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen, auch Mitglieder. Der Heimatschutz ist zwar etabliert, die Geschäftsstelle wird oft wie eine Amtsstelle wahrgenommen, die Zeiten haben jedoch geändert. Obwohl der Heimatschutz als Kulturförderer, unter anderem durch den Wak- kerpreis und seine zahlreichen Publikationen geschätzt wird, haftet ihm auch das Image des Verhinderers und Verzögerers an. Woran liegt das? Ein Erklä- rungsversuch. Fast alle Lebensbereiche sind heute, bis in die Verwaltungen hinein, von ei- nem ökonomischen Denken durchdrungen. Hinzu kommt der Steuer- und Standortwettbewerb, die Notwendigkeit Arbeitsplätze zu schaffen und zu er- halten, die scheinbare Notwendigkeit Investitionsvolumen und -möglichkei- ten zu bieten, die es Gemeinden und, angesichts einer sich fortschreibenden Nullzinspolitik, auch Unternehmern und Investoren heute fast unmöglich machen, dagegenzuhalten. Das Bundesrecht schreibt seit 1998 vor, dass, je höher die Schutzwürdigkeit einer Baute ist, eine Unterschutzstellung nicht von Rentabilitätsüberlegungen abhängen darf, weil ein Gemeinwesen sonst gar nichts mehr unter Schutz stel- len kann. Bund und Kantone haben bereits 1973 begonnen, Inventare erstellen zu lassen (ISOS) und für die Arbeit der Denkmalpflegen und ihrer Kommis- sionen Gesetze und somit eine klare Ausgangslage geschaffen. Mit dem Argu- ment «in höherem öffentlichem Interesse liegend» werden Recht und Inventa- re heute immer häufiger schlicht umgangen. Die Eidgenössischen Räte haben im vergangenen Jahr zudem das Gewicht der Eidgenössischen Natur- und Seite 7 Heimatschutzkommission (ENHK) abgeschwächt, indem sie die Bedeutung ihrer Gutachten relativierten. Gleichzeitig stehen in den Kantonen Revisionen der Denkmalschutzgesetze an, wie in 2019 im Kanton Zug, die in diesen Fall wirtschaftlichen Interessen folgte. In Zug sind «Renditebauten»1 nicht unter 1 Adrian Risi, Kantonsrat SVP, Zug, «Leserbrief», in: Luzerner Zeitung, 28.07.2019.
Schutz zu stellen, wenn sie nicht mehr als siebzig Jahre zählen. Ähnliches steht der 2. Petition für den Erhalt des Gewerbegebäudes in Luzern. Delegation der IG Baukultur der Moderne Zentralschweiz beim Einreichen uns im Kanton Nidwalden mit der Überweisung der Motion Engelberger auch bevor. Dort soll der «verantwortungsvolle Umgang mit Bauland» nicht durch eine Denkmalschutzkommission unnötig behindert werden. Unser baukulturelles Erbe schützen Eines der zentralen Themen des Heimatschutzes ist das Bewahren und Fortfüh- ren der Schweizerischen Baukultur. Wir sind Vertreter des öffentlichen Interes- Bericht der Geschäftsstelle Bericht der Geschäftsstelle ses, deshalb sind wir von jeher Ermöglicher, damit Baukultur und Zeitgeist in Einklang kommen können. Wir suchen Lösungen mit den Beteiligten und ver- mitteln zwischen Bauherrschaften, Planern und Behörden. Die Bauberatung ist dabei eines unserer Kerngeschäfte, sie wird in Zukunft immer wichtiger werden. Wir wollen Bauherrschaften bei entsprechenden Bauvorhaben vermehrt da- rauf hinweisen, Alternativen zu prüfen oder Gutachten erstellen zu lassen. Auch sollen Lösungen komplexer Aufgaben durch Wettbewerbe ermittelt werden. Für kleinere und mittlere Bauvorhaben möchten wir eine fachgerech- te Meinungsbildung fördern. Ausserhalb der Bauzone werden mit dem Tier- und Landschaftsschutzgesetz, in den Städten und Agglomerationen mit dem Co2-Gesetz, die Anforderungen an Bauten teilweise neu gestellt. Vor diesem Hintergrund werden gewisse Entscheide erklärbar, aber nicht verständlich. Die Doppelinitiative Biodiversität und Landschaft, die der Schweizer Heimat- schutz im letzten Jahr mit initiierte und die wir unseren Mitgliedern empfeh- Zudem ist Luzern mit mehr als 50000 Einwohnern die grösste Alpenstadt in len, ist auch vor diesem Hintergrund zu verstehen. 2 der Schweiz und rangiert auf Platz acht aller vergleichbaren Städte im Alpen- raum. Das ist eine Herausforderung, die wir nicht alleine bewältigen können Baukultur gestalten (Seite 12 «Alpenrandkonferenz»). Der Innerschweizer Heimatschutz (IHS) ist innerhalb des Schweizer Heimat- Es gibt bereits Lösungsansätze: In einer vielbeachteten Ausstellung – unter schutzes politisch die grösste Sektion mit je vier unterschiedlichen Gesetz- massgeblicher Mitwirkung des Obwaldner Heimatschutzes – wurde im ver- gebungen und umfasst vom nördlichen Alpenkamm bis vor Olten das Mittel- gangenen Jahr im Historischen Museum in Sarnen diesem Anliegen Nach- land mit dem drittgrössten Landwirtschaftskanton. Alle Probleme, die sich achtung verschafft (Seite 38 «Sarneraatal 2050»). Erfreulich ist, dass die vor- national in der Summe der kantonal organisierten Sektionen stellen, sind bei geschlagenen Ideen von der Bevölkerung gut aufgenommen worden sind und uns deshalb allgegenwärtig. Die Fragestellungen reichen von der Agglomera- die Veranstaltungen auf sehr grosses Interesse stiessen. tionsentwicklung, dem Bauen ausserhalb der Bauzone, dem Städtebau, der Seeufergestaltung bis hin zum Bergbahn- und Strassenbau, zum Ausbau von Im Herbst kam der neue Geschäftsführer des Schweizer Heimatschutzes, Ste- Tourismusdestinationen, der Planung alpiner Wanderwege oder der Umnut- fan Kunz, zu seinen Antrittsbesuch nach Luzern. Ich heisse ihn nachträglich Seite 8 Seite 9 zungen von historischer Bausubstanz in- und ausserhalb der Bauzone. Gegen- herzlich willkommen. wärtige und künftige Entwicklungen bieten sich uns immer in einer Gesamt- Es freut uns besonders, dass wir mit Viktor Arnold die bisherige Vakanz des schau. Das ist ein Vorteil und für die Zukunft auch eine Chance, denn darin Präsidiums im Kanton Uri neu besetzen können und der Vorstand mit Remo liegt unser Potenzial. Reginold einen zusätzlichen Vertreter erhalten wird. Beide stellen sich an der kommenden Generalversammlung zur Wahl. Ebenso freuen wir uns, dass 2 Siehe dazu http://www.heimatschutz.ch/index.php?id=716 (Stand 31.01.2020). Monika Imhof-Dorn (Obwalden), die im IHS schon in verschiedenen Funk-
Generalversammlung IHS auf dem Bürgenstock, 9. Mai 2019. Ich möchte Ihnen, geschätzte Mitglieder, für Ihre Treue und Unterstützung herzlich danken. Ohne Sie wäre unsere Arbeit nicht möglich. Ich danke für die zahlreichen Hinweise, Anregungen, das Mitdenken und die Hilfe beim Klä- ren von Fragen. Einzelne von Ihnen haben Familienmitgliedern, Patenkindern oder Freunden die Mitgliedschaft zum Geschenk gemacht, auch gab es Bei- träge für lebenslange Mitgliedschaften. Auch dafür danke ich Ihnen. Danken möchte ich dem Vorstand für seine Arbeit, den Kantonalsektionsprä- sidenten für ihr Wirken vor Ort, den Mitgliedern des Geschäftsausschusses Bericht der Geschäftsstelle Bericht der Geschäftsstelle für ihre Verlässlichkeit. Danken möchte ich vor allem unserem Präsidenten, Rainer Heublein, der ein grosses Pensum mit viel Engagement und Umsicht bewältigt. tionen tätig war, von der Delegiertenversammlung in Langenthal in den Vor- stand des Schweizer Heimatschutzes gewählt wurde. Wir gratulieren ihr so- wie der Urner Regierungsrätin Heidi Zgraggen, langjährige Präsidentin der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission ENHK, für ihre Wahl in den Ständerat ganz herzlich. Das kommende Jahr steht unter dem Thema «Kulturlandschaften». Es sind dazu fünf Anlässe geplant. Diese können wir mit Hilfe des Schweizer Heimat- schutzes organisieren, der uns durch die Erlöse des Talerverkaufs unterstützt. Diese Erträge sind leider seit Jahren rückläufig. Zusammen mit einem jähr- lichen strukturellen Defizit von rund CHF 7000.– werden uns in absehbarer Zeit bis zu CHF 20000.– pro Jahr fehlen. Erfreulicherweise halten sich die Ein- und, meist altersbedingten, Austritte bei unseren Mitgliedern die Waage. Um planen zu können, braucht der Verein jedoch eine zusätzliche Finanzie- Seite 10 Seite 11 rungsgrundlage. Neu können wir einigen Gemeinden für Stellungnahmen, die für den Ent- scheid einer Baubewilligung von diesen eingefordert werden müssen, künftig Rechnung stellen. Die Rechnung schliesst mit einem Verlust von CHF 2‘577.86 und einem Eigenkapital nach Verlustrechnung von CHF 82‘151.56.
Alpenrandkonferenz oder geplante Ausbau der Bergbahnen und Tourismusdestinationen an den Beispielen Grindelwald, Schilthorn, Rigi und Brienzer Rothorn. Von Marco Füchslin, Geschäftsführer IHS Soll man den Entwicklungen freien Lauf lassen mit der Auflage, keine Ein- griffe in die Geologie vornehmen zu dürfen? Soll ein möglicher Rückbau Die Alpenrandkonferenz ist ein Informations- und Diskussionsforum für am und eine damit verbundene Wiederaufforstung zu Lasten der Betreiberge- nördlichen Alpenrand tätige Verantwortungsträger des Schweizer Heimat- sellschaft verbindlich festgeschrieben werden (mit Einrichtung eines dazu schutzes und eine Initiative der Regionalgruppe Interlaken-Oberhasli, des erforderlichen Fonds)? Kann man auf diese Weise andere Gebiete schützen? Berner Heimatschutzes und der Kantonalsektion Obwalden des Innerschwei- Die zu lösenden Fragen sind weitreichend, sie betreffen alle Bereiche der Ge- Alpenrandkonferenz Alpenrandkonferenz zer Heimatschutzes. sellschaft und besonders die regionale Wirtschaft. Entsprechend umfassend möchten wir sie diskutieren und eine verbindliche Haltung entwickeln. Dies 2005 wurde eben dieser Landschaftsraum vom ETH-Studio Basel in Die ist das Ziel der Alpenrandkonferenz. Schweiz: Ein städtebauliches Portrait als «Brache» bezeichnet.1 Mit den sechs Punkten für einen verbindlichen Schutz des landschaftlichen und gebauten Erbes ausserhalb der Bauzonen hat der Schweizer Heimat- schutz 2018 ein Positionspapier mit dem Titel Das kulturelle Erbe ausserhalb der Bauzonen erhalten und pflegen2 verabschiedet, dem es in den Regionen Nachachtung zu verschaffen gilt, denn damit wurde ein Phänomen national bezeichnet. Doch wie kann es gelingen, dies auch umzusetzen? Alle Sektionen haben sich der Frage zu stellen, wie die Probleme in Teilaspekte zerlegt und in lokal beurteilbare und lösbare Aufgabenstellungen transformiert werden können. Dem haben sich auch die Regionalgruppe Interlaken-Oberhasli des Berner Heimatschutzes (BHS) und die Kantonalsektion Obwalden des IHS angenom- men. Der Schweizerische Nationalfonds hat dazu eine Reihe von Themenhef- ten publiziert, auch sind Leitfäden und Leitbilder der Amtsstellen erschienen. Was im BHS mit sieben Regionalgruppen und im IHS mit vier Kantonalsekti- onen (diese alle mit unterschiedlichen Gesetzen) wenig thematisiert werden kann, da die einzelnen Organisationen zu unterschiedlich sind, soll über die Sektionsgrenzen hinweg möglich werden. Betroffen sind in den Gebieten des Berner Heimatschutzes auch das Kander- und Simmental mit Saanen, ebenso wie in der Innerschweiz die Kantone Nidwalden und Uri. Im Rahmen der Ausstellung «Sarneraatal 2050» wurden am 23. 11. 2019 erstmals gemeinsam Entwicklungs- und Schutzmöglichkeiten von Siedlungen sowie Strategien für den Erhalt wertvoller baulicher Zeitzeugen diskutiert; zudem der erfolgte Seite 12 Seite 13 1 Roger Diener, Jacques Herzog, Pierre de Meuron, Marcel Meili, Christian Schmid, ETH Studio Basel, Institut Stadt der Gegenwart (Hrsg.), Die Schweiz: Ein städtebauliches Portrait. Einführung, Grenzen und Gemeinden, Materialien, Basel Boston Berlin 2005. 2 Siehe dazu https://denkmalpflege-agenturbelmediag.netdna-ssl.com/wp-content/ uploads/2019/02/Positionspapier-Bauen-ausserhalb-Bauzone.pdf (Stand 31.01.2020).
Modell für die Bebauung des Bürgenstock, 1962 Gemeinsam für Baukultur eintreten Geschichte und Tradition sind unsere Basis. Diese in die heutige Zeit zu über- führen ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Der Dialog muss altersunabhängig Von Rainer Heublein, Präsident Katonalsektion Luzern und in alle Richtungen geführt werden, so wird Geschichte verstanden und aus diesem Verständnis weitergeschrieben. Als ich vor rund 20 Jahren meine ehrenamtliche Tätigkeit als Bauberater Für den Heimatschutz bedeutet Baukultur Baugeschichte – historische beim IHS begann, war ich der Jüngste im Gremium. All die Jahre hatte ich Zeitzeugen, architektonische Ensembles und auch bauliche Fragmente – als immer den Eindruck, dass diese Arbeit eher älteren Fachpersonen mit viel Teil unsere heutige Zeit zu sehen, das Neue mit dem Bewährten weiterzu- Seite 14 Seite 15 Erfahrung vorbehalten ist, deren Wissen auf einer langjährigen Tätigkeit und entwickeln. den dadurch erworbenen Kenntnissen beruht, während sich die Jüngeren mit Das Postulat einer ausschliesslichen Wirtschaftlichkeit sowie partikuläres ihren Entwürfen in das Geschehen einbringen. Dies hat sich gewandelt. Im Profitdenken gehen nicht einher mit einer verträglichen Entwicklung in un- Laufe der letzten Jahre ist das Bewusstsein für die Baukultur in allen Gene- seren zunehmend beengten Verhältnissen. rationen gewachsen. Die jungen Architektinnen und Architekten aus der Region nehmen diese Entwicklung sehr wohl wahr, sie stellen sich aktiv dem Dialog. So durfte
künftig beigezogen wird und die jeweiligen Projekte nicht ohne das Einver- Bauberatung des IHS Die Skizze einer Bauherrschaft für die ständnis des IHS zur Auflage gelangen können. Das Gewerbegebäude an der Tribschenstrasse in Luzern beschäftigt uns schon seit einigen Jahren. Das für 2019 erhoffte Urteil des Kantonsgerichts zu unserer Beschwerde gegen das Abbruchgesuch steht noch aus. Doch sind wir zuversichtlich, dass für dieses bedeutende Werk der Schweizer Architektur- geschichte eine gute Lösung zu finden ist. Neu wird die Zukunft des Stadttheaters Luzern intensiv diskutiert. Dabei ist Kantonalsektion Luzern Kantonalsektion Luzern für einmal die Ausgangslage äusserst spannend: Das gemeinsame Gutachten beider eidgenössischer Kommissionen in Sachen Denkmalschutz, die Beurtei- lung der Kantonalen Denkmalpflege und die vorliegenden Machbarkeitsstu- dien können zu unterschiedlichen Interpretationen und Haltungen führen. Der IHS ist in die Diskussionen einbezogen und hat seine abgestimmte Posi- tion bereits eingebracht. Wir betrachten das Bauen und Gestalten unserer Umwelt als eine Frage von öffentlichem Interesse. Es braucht die Akzeptanz in der Bevölkerung und den Zusammenschluss der Beteiligten, die sich für dieselben Anliegen einsetzen, die Kantonalsektion Luzern eine grosse Anzahl von ihnen in das Baubera- um zukunftsfähige Entwicklungen unseres baulichen Erbes zu ermöglichen. tergremium aufnehmen. Diese Entwicklung stimmt positiv, auch wenn ich So kooperiert der IHS unter anderem mit der IG Baukultur der Moderne feststellen muss, dass ich seit meinem Amtsantritt an dieser Stelle oftmals Zentralschweiz, der Präsidentenkonferenz der Planerverbände, der Umwelt- über die gleichen Projekte berichten darf, zu träge sind manche Entschei- plattform, der UNESCO Biosphäre Entlebuch, dem Raum- und Wirtschaftsde- dungsprozesse. partement des Kantons Luzern (rawi), um die aktuellen Allianzen zu nennen. Wir würden uns darüber hinaus intensivere Partnerschaften mit den Ge- Beim Grenzhofschulhaus warten wir immer noch auf den Entscheid des neu meinden wünschen. Ein konstruktiver Austausch kann Einsprachen verhin- gewählten Regierungsrates, den Antrag der Denkmalpflege zur Unterschutz- dern und helfen, ein gemeinsames Verständnis von Baukultur zu etablieren. stellung gutzuheissen. Da der BSA Zentralschweiz den laufenden Wettbewerb zur Erweiterung der Ich möchte mich an dieser Stelle bei all denen bedanken, welche ihre Zeit Schulanlage Rönnimoos nicht, wie durch den BSA Schweiz angekündigt, für die Anliegen des Heimatschutzes einsetzen. Ein grosser Dank geht an boykottiert, wird das Gebiet Grenzhof und Rönnimoos, welches von allen Hansjörg Emmenegger, der viele Jahre dem Bauberatergremium vorstand Fachverbänden, inklusive der IG Baukultur, als zusammengehörig betrachtet und sein souveränes Engagement und sein Wissen dem IHS nach wie vor zur wird, nun nicht gesamthaft weiterentwickelt. Verfügung stellt. Bei der Erweiterung des Alterspflegeheims Grossfeld des Kantons Luzern gab es erfreulicherweise und wider Erwarten eine Strategieänderung seitens der Seite 16 Seite 17 Gemeinde. Begründet durch den Druck der Fachverbände (mit der IG Baukul- tur) entschloss man sich für die Auslobung eines Wettbewerbs unter Erhalt der wichtigsten Gebäudeteile. Bei der geplanten Erweiterung der Agrovision AG einigte sich die Bauträger- schaft mit dem IHS erfreulicherweise aussergerichtlich. Es wurde vereinbart, dass nun für sämtliche Vorhaben, Gebäude wie auch die Umgebung, der IHS
Wohnhaus Rotz-Bircher, Oberdorf, Baujahr 1792, Renovation 2018 Einige davon haben Glück, werden gesehen, «erhört», gepflegt, bestehen als identitätsstiftende und bereichernde Bauten und überleben unsere Zeit. Es sollte eine Ehre sein, für eine gewisse Zeit die Geschichte eines solchen Gebäudes weiterschreiben zu können. So ist etwa der fünfzehnte Besitzer ein Bewohner mit offenen Sinnen für die vorhandene Bausubstanz, den die Erkenntnis darüber antreibt, die Geschichte weiterzuschreiben. Es benötigt auch Mut, in einem solchen Gebäude zu leben, die Geschichte zu ertragen Kantonalsektion Nidwalden und Teil davon zu werden: in der ächzenden Hülle einen eisigen Wintersturm am Kachelofen zu überstehen, das wohlige Gefühl, unter der Bettdecke ge- schützt, den warmen Luftzug aus dem Bodenloch in der Ecke zu spüren. Beginnt man den Geheimnissen eines alten Hauses auf die Spur zu kom- men, kann es spannend werden. Sei es durch Funde in Bodenritzen oder in verpfropften Wandlöchern. Funde wie Zirkelrosen, Scherben, Knochen, alte Schuhe, Briefe mit Schriften aus alter Zeit, kleinen Päckchen mit «Achtung Gift» oder «Arsenum» bieten einem Zugang zu alchemistischen, abergläubi- schen und mystischen Dingen und offenbaren die Geschichte des Hauses in kleinen Puzzleteilen. Solche Erlebnisse machen Lust auf mehr. Doch die Zeit im Haus ist für den Bewohner vergleichsweise kurz, das Leben vergeht und man macht Platz für die nächste Generation, den nächsten Bewohner. Was jedoch überlebt, ist der Zu unserem Verständnis für histo Zeitzeuge selbst, der nun um eine weitere Geschichte reicher ist. rische Bauten und zum Wertewandel Wohnhaus Tannen, Morschach, Baujahr 1341 in unserer Gesellschaft Von Hanspeter Odermatt, Präsident Kantonalsektion Nidwalden Sie werden immer seltener, aber es gibt sie noch, solche, die es schon sind und jene, die es noch werden: Die Rede ist von jenen Zeitzeugen, die Geschichte schreiben, die Geschichte speichern, Spuren hinterlassen, überliefern; von jenen mit Geheimnissen, die vielleicht entdeckt werden, jenen mit Überra- schungen oder jenen, die für uns immer etwas Mystisches in sich tragen. Seite 18 Seite 19 Für einmal möchte ich nicht über die Jahresaktivitäten in Nidwalden berich- ten, sondern über «Exoten», historische Häuser, schreiben. Dabei geht es auch um unsere Haltung und unser Verständnis gegenüber diesen Bauten. Bauten, die über 100, 200, 300, 400 Jahre oder vielleicht noch älter sind, gan- ze Epochen er- und überlebt haben. Sie stehen schon lange da, sind vom Wet- ter, der Gesellschaft, ihren Bewohnern und vom Wandel der Zeit gezeichnet.
Wohnhaus St. Heinrichstrasse 11, Oberdorf NW Leu, Wilen, Baujahr 1562, Renovation 2018 Kantonalsektion Nidwalden Kantonalsektion Nidwalden Leu, Wilen, Baujahr 1562 Für ein solches Haus Sorge zu tragen, es zu pflegen und diesen unersetz- lichen Zeugen in die nächsten Hände zu übergeben, diese Wenigkeit sollte bescheiden zu schaffen sein. Es braucht den Willen dazu und die Erkenntnis, dass das Haus einen Wert hat, dies ist auch eine Frage der eigenen Haltung. Heute, so scheint es, ist es eine Kunst geworden, solche Werte zu erkennen und zu pflegen. Zu gross sind die eigenen Ansprüche, das Bedürfnis nach Komfort, zu komplex die Anforderungen von Gesetzes wegen und zu schnell- lebig ist unsere wirtschaftsorientierte Gesellschaft geworden. Entsprechend ist der Verlust an solch wertvollen historischen Bauten gross und unwider- rufbar. Nicht nur in Nidwalden sehen «Exoten» stürmischen Zeiten entgegen. Gelingt es ihnen, ihre Reise fortzusetzen und zu überleben? Seite 20 Seite 21
«Zutaten – Ein kulinarisch-architektoni- scher Abend» mit Gesprächen darüber, was gutes Essen und gute Architektur verbindet. Von Elia Malevez und Klaus Töngi, Organisatoren der Veranstaltungsreihe Architektur im Gespräch Architektur im Gespräch «Architektur im Gespräch» Zum zweiten Mal organisierten die Architekten Elia Malvez und Klaus Töngi die Veranstaltungsreihe «Architektur im Gespräch» in der Ermitage in Be- ckenried. An einem schmalen Holztisch, dicht eingerahmt von den zahlrei- chen Besuchern, gesellten sich fünf eingeladene Gäste zu einer entspannten Runde. Die Frage, was Kulinarik mit Architektur gemeinsam hat, stand im Raum. Unter dem Thema «Zutaten» versprach die Einladung einen kulina- risch-architektonischen Abend. Der Autor Samuel Herzog eröffnete das Gespräch mit zwei Geschichten aus Spätestens nach dem Beitrag von Stephan Küng war klar, dass sich der Abend seiner Textreihe «Mundstücke». Es ging um den Kürbis und einen Schweins- weniger um ästhetische Fragen drehen würde, als um Werte und Werthaltun- kopf, der zu gross war und nicht so recht in den Backofen passen wollte. gen als eigene Qualitäten, die nicht immer optisch in Erscheinung treten aber Wenn Samuel Herzog über Zutaten schreibt, erzählt er einerseits persönliche dennoch prägnant und prägend sein können. Erlebnisse und berichtet andererseits von recherchiertem kulturhistorischem Wissen zu den jeweiligen Zutaten. So bettet er den persönlichen Bezug zum Der Autor Dominik Flammer, ein Kenner der alpinen Landwirtschaft und ihrer Ausgangsmaterial seiner kulinarischen Kreationen gleichzeitig in einen grös- Produkte, erzählte von überlieferter Tradition und von verlorenem Wissen, seren Kontext ein. Was für Kochzutaten gilt, kann auf Baumaterialien über- das im Zeitalter der Industrialisierung still und leise auf der Strecke geblieben tragen werden. Es wird interessant, wenn wir persönliche Präferenzen und sei. Seine Bücher sind sehr viel mehr als reine Kochbücher, es sind Nachschla- Erfahrungen mit objektivem Wissen verbinden. So kann fundierte, qualität- gewerke historischer Zutaten und Anleitungen zu einer lebendigen Tradition. volle Architektur entstehen. Dabei, so Flammer, sage er nicht, früher sei alles besser gewesen, denn früher musste man hauptsächlich eintönigen Brei essen. Seine publizierten Rezept- Der Zimmermeister Stephan Küng erläuterte sein hauseigenes Produkt: Holz- vorschläge sind dagegen aufwändig und zeugen von hoher Kochkultur. Sie wände aus purem Holz ohne zusätzliche Dämmung. Auch bei seiner Arbeit sind nicht zu vergleichen mit der einfachen Bauernküche. Auf die Frage, wie spielen Geschichten eine Rolle. Er mag alte Geschichten, die im Volksmund sich die Architektur verbessern könne, antwortete er, dass er sich «essbare erzählt werden, und er lernt aus ihnen. In seinem Werk in Alpnach werden Dörfer» wünsche, «naschbare Nachbarschaften» und «früchtetragende He- Seite 22 Seite 23 zum Beispiel Bäume verarbeitet, die in der richtigen Mondphase gefällt sind. cken». Aus seiner Sicht verliere man vor lauter Häuserbauen den Blick für die Das Schlagen der Tannen an einem ausgewählten Datum erhöhe die Holz- Landschaft. Ein alter Baum könne atmosphärisch unter Umständen wichtiger qualität. Küngs Betrieb verarbeitet vorwiegend Holz aus den Wäldern der sein als ein Gebäude. Umgebung. Seine Begeisterung für den Werkstoff Holz steckte nicht nur das Wir wünschen uns ein Nachschlagewerk zu historischen Baumaterialien in Publikum an, seine Geschichten überzeugen die heutige, anspruchsvolle der Qualität von Flammers Büchern, als historische Aufarbeitung und Anlei- Kundschaft. tung zu einer lebendigen Bautradition.
Farbe ist nicht gleich Farbe. Dies betrifft die Optik aber auch die Zusammen- Gäste setzung der unterschiedlichen Farben. Melanie Landolt brachte leuchtende Samuel Herzog ist Künstler, Journalist und Autor. Zutaten füllen bei ihm Pigmente und Farbmuster mit, die alle aus natürlichen Rohmaterialien ge- ganze Bücher und sind Fragmente komplexer Tischbilder. Seine Reiseberichte wonnen und nicht synthetisch hergestellt sind. Die Architektin und Farbex- sind auch kulinarische Anleitungen und die Gewürze importiert er vorwie- pertin erzählte von Steinen und Muscheln, die zu Farben verarbeitet werden gend von der fiktiven Insel Lemusa. und vom tiefen Schwarz, welches aus verkohlten Tierknochen hergestellt wird. Ihre Erfahrung zeigt, dass abgemischte Farbtöne aus natürlichen Pig- Stephan Küng ist Geschäftsführer der Küng Holzbau AG und visionärer Holz- menten ein viel grösseres Spektrum aufweisen als Farbtöne, die aus Erdöl bauunternehmer, der mit seinem System aus der Region herausarbeitet und Architektur im Gespräch Architektur im Gespräch synthetisiert werden. Sie berichtete von einem Projekt, bei dem eine Büro- mit der Reduktion seiner Zutaten auf pures Holz den Zeitgeist getroffen hat. wand grün gestrichen wurde. Das Grün habe bei jedem Licht anders gewirkt, fast so, wie das Grün im Aussenraum. Auch in der Natur ist grün nicht nur Dominik Flammer ist Essensforscher, Buchautor und Verfasser von Dominik grün, sondern eine Mischung aus braun, gelb, hellgrün, dunkelgrün, rot usw. Flammer, Sylvain Müller (Fotograf), Das kulinarische Erbe der Alpen, Aarau Dies sei für das Auge gefällig und beruhigend. Wir wurden inspiriert vom 2012. Aktuell leitet er den Aufbau des «Culinarium Alpinum» im ehemaligen grossen Wissen der Referentin und den Möglichkeiten, die im Material Farbe Kapuzinerkloster in Stans. Ein Mensch, der über Zutaten und Zubereitungs- stecken und fragen uns, welchen Einfluss diese oberste, dünne Wandschicht arten berichten kann. auf das menschliche Wohlbefinden hat. Melanie Landolt Strebel ist selbständige Architektin und Absolventin des Der Schadstoffexperte Christian Gurtner beschäftigt sich mit Zutaten oder kt.color Farbkurses. Sie weiss Interessantes über die Zutaten der jungen Zür- eben Baumaterialien, die rückgebaut und entsorgt werden müssen. Er wählte cher Farbmanufaktur zu berichten und ist begeistert vom Spektrum der na- Asbest als Gesprächsthema und erzählte über den Abbau des Rohstoffs, die türlichen Pigmente. gesundheitlichen Schäden der infizierten Personen, die Verantwortung der Bauträgerschaft und über die Entsorgung von kontaminiertem Baumaterial. Christian Gurtner ist Experte für Schadstoffe in Gebäuden, Projektleiter Er sagte, Betroffene würden oft sehr emotional auf das Thema reagieren. Das IPSO ECO AG. Sein tägliches Brot sind die «fortschrittlichen» Materialien der Erstaunen über und das Interesse an seinem Bericht war gross. So wurde Vergangenheit. Was sind seine Wünsche für erbauliche Zutaten der Zukunft? nachgefragt, ob das geerbte Möbelstück vielleicht arsenhaltige Farbe enthal- te können. Guntner antwortete verständnisvoll und verwies darauf, dass die Schadstoffexperten lediglich für den Schutz der Arbeitnehmer Verantwor- tung tragen, ihr Aufgabenbereich betreffe aber nicht die Wohnschadstoffe. Ein weiteres Feld, indem sich unseres Erachtens künftig der Aufbau von Wis- sen lohnt. Die etwas schockierenden Informationen des letzten Gesprächs lassen die Hoffnung nicht trüben, dass die Gäste des Abends für ihre Menuefolge und auch Bauvorhaben zukünftig sinnvolle Zutaten finden und ein sorgfältiges Seite 24 Seite 25 Vorgehen wählen, so dass am Ende des nächsten Bauzyklus keine schädlichen Materialien in der Erde vergraben werden müssen.
Tschorren stehenden Scheune. Bild einer typischen, auf dem in Lungern, 2019 Zeitgenössische Scheune Kantonalsektion Obwalden Kantonalsektion Obwalden Die schonende Einpassung eines Neubaus oder einer allfälligen Erweiterung in das bestehende Ensemble von Hofbauten und in die gewachsene Kultur- landschaft, muss als eine zentrale Aufgabe betrachtet werden. Einer guten Lösung sollte eine sorgfältige Analyse des Bestandes, seiner Qualitäten und Eigenheiten, vorausgehen. Ziel sollte es sein, ein harmonisches und über- zeugendes Gesamtbild zu erhalten, wobei die ursprüngliche Massstäblichkeit nach Möglichkeit gewahrt bleiben sollte. So oder ähnlich könnte die Formulierung lauten, welche zu einer qualitativ guten Lösung an einem spezifischen Ort führen kann. Aber oft ist die Realität komplexer als der theoretische Überbau – so musste es die Kantonalsektion Obwalden bei ihrer Tätigkeit im Jahre 2019 erleben. Eine bauwillige Bauernfamilie, möchte mit einer neuen, zeitgemässen Stall- scheune die weit verstreuten Nutzungen in verschiedenen Ökonomiegebäu- Die Kulturlandschaft schützen den an ihrem angestammten Hauptsitz zentralisieren und damit den Fort- – beratend und begleitend bestand ihres Betriebes sichern. Der Neubau liegt mitten in einer wertvollen Kulturlandschaft. Das trotz jüngster Veränderungen immer noch herausra- gende Beispiel eines Haufendorfes oder «Dörflis» am Tschorren vor Lungern Von Daniel Bäbi, Co-Präsident Kantonalsektion Obwalden bildet den Hintergrund für das geplante Bauvorhaben. Tschorren, 2019 Bauen in der Landschaft – Ökonomiebauten Aus der Distanz: Sich verändernde Anforderungen in Bezug auf das Wohl der Tiere und da- mit einhergehende neue Tierschutzvorschriften sowie der Wunsch nach einer einfacheren, effizienteren und stärker mechanisierten Bewirtschaftung füh- Seite 26 Seite 27 ren zu grösseren Ökonomiebauten und Ställen und zu teilweise neuen Ge- bäudeformen. Eignet sich die bestehende Bebauung dafür nicht mehr und ist ein Neubau unumgänglich, so ist das alte Gebäude abzubrechen.
Der geplante Stall mit seinen ausufernden Erschliessungs- und Umgebungs- Architekten Herzog & de Meuron, 2018 Visualisierung Bergstation Titlis Bergbahnen, bauwerken stellt nach Auffassung der Kantonalsektion Obwalden eine schwe- re und unmittelbare Beeinträchtigung des geschützten Ortsbildes und der benachbarten Schutzobjekte dar. Die Einsprache wurde entsprechend mit der zentralen Forderung verfasst, für die geplante Baute einen neuen Stand- ort zu finden, oder aber nach einer Lösung zu suchen, welche die geringst- mögliche Beeinträchtigung des Ortsbildes erzeugt. Bei der Einspracheverhandlung mussten die Vertreter des Innerschweizer Hei- Kantonalsektion Obwalden Kantonalsektion Obwalden matschutzes erfahren, dass die Bauherrschaft bereits vor vier Jahren mit den Abklärungen zum Neubau des Stalls gestartet war und über diese Zeit diverse Begehungen mit verschiedensten Stellen der kantonalen Verwaltung stattgefun- den hatten. So waren Personen der Denkmalpflege, der Baukoordination und zu guter Letzt ein zuständiger Regierungsrat vor Ort. Ebenso hatte bereits eine in- tensive, von den kantonalen Stellen verlangte, Standortevaluation stattgefunden, mit dem Resultat, dass der nun zur Debatte stehende Standort aus betrieblicher, technischer und rechtlicher Sicht der einzig verbleibende und mögliche sei. In der Reflektion der ersten Einspracheverhandlung einigte sich der Vorstand der Kantonalsektion Obwalden auf einen pragmatischen Lösungsansatz: Der Bau sollte von Seite des Heimatschutzes ermöglicht und nicht verhin- dert werden. Mit einer Standortverschiebung und einer präziseren Setzung Ein neues Wahrzeichen für den Titlis? innerhalb des Weilers sollen die Anpassungen des Terrains sowie die not- Wie wir seit der grossangelegten Pressekonferenz vom Herbst 2018 wissen, wendigen Umgebungsbauwerke auf ein Minimum beschränkt werden. Mit möchten die Titlis Bergbahnen auf dem Gipfel des Berges ein Zeichen set- einer teilweisen Nutzungsverschiebung zwischen dem geplanten Neubau und zen. Zu diesem Zweck engagierte man das Basler Architekturbüro Herzog einer bestehenden Scheune kann das Projekt in seinem Ausmass und seiner & de Meuron. Gliederung präzisiert werden. Das Heranrücken der geplanten Scheune an Bereits Ende April 2018 wurde den Umweltverbänden der Masterplan für die Bestandesbauten kann den Neubau zudem besser im Kontext verorten. Renovation bzw. Neubebauung der Bergstation Titlis vorgestellt. Den Archi- Im Rahmen der zweiten Einspracheverhandlung, unter Anwesenheit der tekten ist es mit ihrem Bebauungskonzept gelungen, das Konglomerat der oben genannten kantonalen Amtsstellen, wurde der Lösungsansatz des In- vorhandenen Bauten durch die neuen Interventionen formal zusammenzu- nerschweizer Heimatschutzes als zielführend anerkannt und in der Folge, in führen und die ganzen Anlagen funktional an die gestiegenen Anforderun- einer separaten Sitzung mit dem beauftragten Planer, das Projekt angepasst. gen anzupassen. Der vorhandene Antennenturm in seinem technoiden Aus- Darauf folgte die Neuauflage des, nach Meinung des IHS, im Sinne eines Kom- druck kann als Ausgangs- bzw. Anknüpfungspunkt für die architektonische promisses nun bewilligungsfähigen Baugesuchs. Gestalt der neuen Bauwerke betrachtet werden. Viel Stahl und Glas wird Das geschilderte Beispiel zeigt, dass das Beharren auf einem Standpunkt zukünftig das Bild der neuen Anlagen auf dem Titlis prägen. oder das unreflektierte Festhalten an einem theoretischen Konzept oft nicht Im Mai 2019 wurden die Umweltverbände ein zweites Mal über den Pro- Seite 28 Seite 29 lösungsorientiert ist. Manchmal verlangt eine komplexe, vielleicht auch ver- jektstand informiert. Aus Sicherheitsgründen und für das Zuführen von fahrene Situation die Suche nach einem Kompromiss. Gütern soll von Stand eine zweite Seilbahn auf den Gipfel führen und dort Generell aber gilt, je früher im Planungsprozess das Gespräch des Bauherrn eine eigene Bergstation bekommen. Wenn man der Argumentation der Titlis und des beauftragten Planers mit den Verbänden stattfindet, desto einfacher Bergbahnen folgen möchte, ist diese zweite Bahn unabdingbar. Unter dieser kann eine gute und vielversprechende Basis für ein bewilligungsfähiges Pro- Voraussetzung ist es zu begrüssen, dass diese zweite Linie inzwischen der jekt gelegt werden. Hauptlinienführung folgt, und mit dieser nahezu parallel verläuft.
Die zweite Bergstation erscheint der Kantonalsektion Obwalden in ihrem Erträglichen an diesem Ort. Vor dem Hintergrund des sich immer schneller Ausdruck nicht angemessen, sie nimmt sich zu wichtig, konkurrenziert die vollziehenden Klimawandels stellen sich mittelfristig auch grundsätzlichere neu projektierte, eigentliche Bergstation unnötig und schwächt damit deren Fragen über Sinn und Unsinn solcher Leuchtturmprojekte. Position. Es bleibt zu hoffen, dass diese Not- und Warenumschlagsstation in ihrer Formensprache und Materialisierung weiter reduziert und vereinfacht Innere Verdichtung versus Ortsbildschutz – Hofmatt Sarnen wird, und damit ihrem eigentlichen Zweck Ausdruck verleiht. Im Frühling 2019 wurde das Grundstück Hofmatt Sarnen an eine neue Eigen- Auf der Verfahrensseite, so die Bauherrschaft, stünde der Sondernutzungs- tümerin verkauft und im September wurde über eine Pressemeldung seitens plan für Bahn und Berg kurz vor der Bewilligung, die Vorabklärungen zum der Eigentümerin verkündet, dass mit der Abkehr vom bisherigen Projekt die Kantonalsektion Obwalden Kantonalsektion Obwalden Baubewilligungsgesuch für die Umsetzung des Projektteils Turm mit Ge- Planung auf dem Hofmatt-Areal einen Neustart erfahren und, nach Aussage der meinde und Kanton seien bereits weit fortgeschritten, die Einreichung des verantwortlichen Projektentwickler, das Gutachten der ENHK (Eidgenössischen Baugesuchs stehe bevor. Natur- und Heimatschutzkommission) mit als Planungsgrundlage gelten solle. Wie bereits bei der ersten Veranstaltung im Jahre 2018 wurde den Verbänden Gegenüber denn bis zu sieben Geschossen der ursprünglichen Planung werde Plan- und Bildmaterial versprochen, so dass fundierte Stellungnahmen ein- eine weniger hohe und flächigere Bebauungsstruktur angestrebt, welche einen gereicht werden könnten. Jedoch blieben die Titlis Bergbahnen das verspro- «Mehrwert für das Dorf» 1 erbringen könne. So möchte die Eigentümerin mehr chene Material schuldig. Unter dem Vorwand der Dringlichkeit laufen bereits Akzeptanz für das neue Projekt in der Bevölkerung erhalten. einige der notwendigen Bewilligungsverfahren bei Kanton und Gemeinde, Gegenwärtig erarbeitet das Zürcher Planungsbüro Salewski & Kretz eine Be- bisher leider ohne öffentliche Planauflage und Ausschreibung eines eigent- bauungsstudie, welche den möglichen Spagat zwischen geforderter innerer Ver- lichen Baugesuchs. Wir hoffen, dass die Titlis Bergbahnen als Bauherrin mit dichtung und Ortsbildschutz aufzeigen soll. Anfang 2020 soll ein Studienauftrag den Umweltverbänden in der aktuellen und den noch folgenden Projektpha- mit etwa fünf teilnehmenden Planungsteams lanciert werden. sen in einen Dialog eintreten wird, so dass allfällige Klärungen nicht mittels Das Beispiel Hofmatt zeigt, dass trotz vorbildlichem Planungsverfahren mit Einsprachen herbeigeführt werden müssen. Testplanung und einem Projektwettbewerb unter qualifizierten Teilnehmern ein auserkorenes Konzept nicht zwingend zu einem bewilligungsfähigen Bauprojekt führen muss. Die von der Bevölkerung und den Nachbarn geäusserten Bedenken Bergstation 1967, Architekt A. Durrer Historische Aufnahme der ursprünglichen und Beschwerden richteten sich insbesondere gegen die angedachte Höhe der ursprünglich geplanten Gebäude – dem Projekt wurde in diesem Fall der fehlen- de dörfliche Massstab zum Verhängnis. Die Kantonalsektion Obwalden wird den Neustart auf dem Hofmatt-Areal mit grossem Interesse verfolgen und zu gegebener Zeit zu den neuen Resultaten Stellung beziehen. Hofmatt-Areal, Sarnen Baugespann Überbauung Seite 30 Seite 31 Der IHS, Kantonalsektion Obwalden, freut sich grundsätzlich über die qua- litative Aufwertung der Bauten auf dem Klein Titlis. Die Quantität der ge- planten Massnahmen bewegt sich aber am oberen Rand des gerade noch 1 In: Luzerner Zeitung, 12.09.2019.
Bericht aus dem Bauberatergremium jedoch gezeigt, dass bei manchen Projekten eine Beratung darüber hinaus Luzern erforderlich und sinnvoll ist. Diese Stunden werden über den Innerschweizer Heimatschutz abgerechnet. Von Richard Kretz, Bauberater Kantonalsektion Luzern Das Jahr 2019 war für das Bauberatergremium Luzern in verschiedener Hin- sicht erfolgreich: Mit dieser neuen Rubrik möchten wir die Arbeiten der ehrenamtlich tätigen Bauberaterinnen und Bauberater in der Sektion Luzern vorstellen. Das Gre- • Unser Bauberatergremium ist 2019 mit engagierten und jungen Fachper- Jahresbericht Bauberatergremium Kantonalsektion Luzern Jahresbericht Bauberatergremium Kantonalsektion Luzern mium tagt monatlich, in ihm sind Architektinnen und Architekten, Anwälte, sonen verstärkt worden. Dadurch können wir die Qualität der Beurteilung ein Landschaftsarchitekt und eine Farbberaterin vertreten. verbessern und zudem die Kontinuität der Bauberatung gewährleisten. Die im Gremium behandelten Projekte umfassen unter anderem Bauein- • Unsere Anwälte haben sich für unterschiedliche Anliegen stark engagiert gaben, Anfragen und auch kritische Projekte. Sie werden oftmals von den und sind eine Bereicherung in unserem Team, die wir nicht mehr missen Gebietsvertretern eingegeben, wobei es häufig der Fall ist, dass ein Projekt- wollen. Ohne sie wäre unser Engagement, in rechtlichen, aber auch in so- verfasser sein Projekt im beratenden Plenum erläutert. Die vorgestellten Pro- zialen Angelegenheiten, äusserst aufreibend. jekte bzw. Bauvorhaben werden diskutiert, das weitere Vorgehen gemeinsam, • Die Anfragen für Beratungen, Gutachten oder Stellungnahmen sind gestie- nach einer internen Beurteilung, definiert. Pro Sitzung werden ungefähr drei gen. Dank unserem Engagement und unserer Sorgfalt klären heute viele bis sechs Projekte besprochen. Gemeinden und Bauherrschaften ihre Bauvorhaben vorgängig bei uns ab. Während das Engagement des Innerschweizer Heimatschutzes (IHS) für ei- Die nachfolgende Auswahl der Beispiele ist zufällig und erhebt keinen An- nen sorgfältigen Umgang mit dem Unbebauten, dem Bebauten und auch sein spruch auf eine Wertung der behandelten Fragen und Projekte, sie möchte Engagement für das Integrieren neuer Volumen in bestehende Strukturen die Vielfalt unserer Tätigkeit aufzeigen und bietet Einblick in die Arbeit der früher bei den Betroffenen auch auf Unverständnis stiess, hat sich dies in Bauberaterinnen und Bauberater. den letzten Jahren gewandelt. Das Verständnis für die Anliegen des Heimat- schutzes, für deren Relevanz, führt immer öfter zu einer konstruktiven Zu- Ersatzneubau ausserhalb der Bauzone im Luzerner Hinterland sammenarbeit, die für alle Seiten befriedigende Lösungen bietet. Bei diesem Bauvorhaben wurde der Innerschweizer Heimatschutz von meh- Dieser Wandel kann gerade in einer Zeit rascher Veränderungen nachvollzo- reren Seiten um Beratung angefragt. Sowohl die Dienststelle Raum und gen werden. In den letzten Jahren sind vorwiegend die ländlichen Strukturen Wirtschaft des Kantons Luzern (rawi) als auch der projektierende Architekt mit einem rasanten Wachstum, bedingt durch den nach wie vor anhaltenden und der Bauherr sind mit Anfragen bezüglich einer Stellungnahme an den Bauboom, in den Fokus geraten. Ganze Landflächen und Dorfstrukturen ha- IHS gelangt. ben dadurch ihre Authentizität verloren und sind nur noch in den Fotoalben Der als Mauerwerksbau mit grosser Terrasse geplante Neubau sollte ein äl- der Dorfchroniken ersichtlich. Diesen Verlust an gewachsenen Strukturen teres Bauernhaus, das in einem Gefüge von Scheune, Remise und Wohnhaus und der damit einhergehende Verlust an dörflichem Leben bemerken auch steht, ersetzen. Im Einvernehmen mit der Bauherrschaft wurde das Projekt zu Gemeinden und private Bauherren, die immer öfter die Beratung durch den einem Holzhaus mit Laube weiterentwickelt. Dabei sind sowohl der Planende Innerschweizer Heimatschutz vor einer Eingabe für ein Bauvorhaben suchen. als auch der Bauherr auf die Anregungen der Bauberatung eingegangen, so Seite 32 Seite 33 Die Arbeit der einzelnen Bauberater und Bauberaterinnen dient dabei der dass das Verfahren effizienter durchgeführt werden konnte. Der Neubau re- Allgemeinheit, die Projekte gewinnen durch diese ganzheitliche Beurteilung spektiert in seiner Gestaltung und Platzierung, in Volumetrie und Ausdruck an Qualität. die bestehende Siedlungsstruktur. Ein willkommener Nebeneffekt ist, dass die Verfahren dank der fachmän- nischen Begleitung effizienter durchgeführt werden können. Wie oben er- wähnt, sind unsere monatlichen Sitzungen ehrenamtlich, die Erfahrung hat
Neubau im Dorfkern einer Landgemeinde im Surental Wohnhäuser in Hanglage am Vierwaldstättersee Die bestehenden Bauten in der Dorfzone sind mit einfachen Satteldächern Ein Investor möchte an der sogenannten «Riviera» am Vierwaldstättersee versehen und fügen sich in die topografischen Verhältnisse sowie die vorhan- in einer Einfamilienhauszone mit kleinkörnigen, heterogenen Bauten drei denen Strassengeometrie ein, die bauliche Struktur ist intakt. Auch eine Rei- Mehrfamilienhäuser in Hanglage erstellen und lud mehrere Architekturbüros he ehemals landwirtschaftlicher Bauten trägt in ihrer Massstäblichkeit und zur Teilnahme an einem Studienauftrag ein. Die Topografie der Parzelle ist gestalterischer Sorgfalt zur Qualität des bestehenden Dorfbildes bei. Davon herausfordernd, zudem bestehen erhöhte Anforderungen seitens des Land- zeugt die zu Recht hohe Einstufung mehrerer Gebäude innerhalb der Dorf- schaftsschutzes, der Gestaltung des Baukörpers, dessen Eingliederung in die zone im kantonalen Bauinventar. Typisch für die ländlich-dörfliche Bauweise Umgebung sowie der Freiraumgestaltung. Bei solch grösseren Bauvorhaben Jahresbericht Bauberatergremium Kantonalsektion Luzern Jahresbericht Bauberatergremium Kantonalsektion Luzern sind die ruhig gestalteten Holzfassaden mit einfach gegliederten, regelmässi- sieht die Gemeinde vor, dass die verschiedenen Schutzverbände vorgängig gen Fensteröffnungen in einer Massstäblichkeit, die die Eingliederung in die eine Stellungnahme zum geplanten Projekt abgeben müssen. bauliche und landschaftliche Umgebung ermöglichen. Die Bestandsbauten Vorgesehen sind drei polygonale Baukörper, die im steilen Gelände einen sind daher als Grundlage für die Bebauung der angrenzenden, im Zentrum gemeinsamen Aussenraum bilden. Auch wenn die geplanten Volumen mit gelegenen Parzelle zu betrachten. Fassadenhöhen bis zu zwölf Meter baurechtlich zulässig sind, sind aus Sicht Der dort geplante Neubau besteht aus zwei Mehrfamilienhäusern, vis-à-vis des Bauberatergremiums die Fassadenhöhen zu reduzieren und auf ein land- steht ein schützenswertes Kulturdenkmal aus dem 17. Jahrhundert. Die Neu- schaftsverträgliches Mass zu verkleinern. bauten schaffen zusammen mit dem schützenswerten Bau eine prägende Si- tuation für das Dorfbild. Das vorliegende Bebauungskonzept sieht zwei un- Teehaus einer Villa am Vierwaldstättersee terschiedlich konzipierte Mehrfamilienhäuser vor. Die bestehenden Gebäude Der Besitzer der Villa möchte das bestehende Teehaus zu einer kleinen Woh- werden bis auf einen Kornspeicher abgerissen. nung umfunktionieren. Sowohl die Volumetrie als auch der Ausdruck des Beide Neubauten weisen eine Grundfläche auf, die in keiner Weise dem Teehauses würde dabei nur leicht vergrössert bzw. verändert. Dennoch örtlichen Massstab entspricht. Die Gestaltung der Fassaden sowie das Öff- wurde das Projekt in der Bauberaterrunde kontrovers diskutiert und die aus nungsverhalten ist sehr dürftig ausformuliert und ohne jeglichen Bezug zur unserer Sicht kritischen Punkte in einem Schreiben an die Gemeinde zu- charakteristischen Bauweise in der Dorfzone. Zusätzlich ist die geplante Ma- sammengefasst. Wir hoffen, dass dadurch insgesamt eine Verbesserung des terialisierung mit verputztem Mauerwerk wenig geeignet, um die Wohnbau- Umbaus erreicht werden kann. ten in die bestehende bauliche Umgebung einzugliedern. Anders als in den Bestimmungen der Gemeinde gefordert, würde das Projekt Dies ist nur ein kleiner Einblick in unserer Beratertätigkeit. Die Auswahl der die gewachsene Dorfstruktur erheblich beeinträchtigen. Daher ist, gemäss unterschiedlichen Bauvorhaben zeigt ein Spektrum unserer Aufgaben. Ein Besprechung im Bauberatergremium, ein gänzlicher Neubeginn der Planung Ende des rasanten Wachstums an Anfragen ist momentan nicht in Sicht. Dies erforderlich. Mit einer Einsprache an die Baubehörde erfolgte der Antrag für fordert den Innerschweizer Heimatschutz nach wie vor ausserordentlich. In die Zurückweisung des Projektes. Die Gemeinde ging auf den Antrag ein, das diesem Sinne sind wir gespannt, ob weitere Allianzen mit den Verantwort- Bauvorhaben wird neu verfasst. lichen von Gemeindebehörden und Institutionen im nächsten Jahr entstehen Dank der Bereitschaft und des Verständnisses seitens der Gemeindeverant- werden. wortlichen können der Stellenwert und die Authentizität des Dorfkernes er- halten bleiben. Seite 34 Seite 35
Ein neues Museumskonzept für das Visualisierung des Strassentunnels in der Ausstellung Museo Nazionale del San Gottardo Von Eduard Müller, Mitglied des Stiftungsrates der Fondazione Pro San Gottardo 2018 wurde der ehemalige Denkmalpfleger des Kantons Uri, Eduard Müller, als Vertreter des Innerschweizer Heimatschutzes in den Stiftungsrat der Fon- Fondazione Pro San Gotthardo Fondazione Pro San Gotthardo dazione Pro San Gottardo gewählt. Dieser hat sich seither dreimal getroffen und dabei insbesondere die geplante Neukonzeption des Museo Nazionale del San Gottardo debattiert und wesentliche Grundsatzentscheide bezüglich der Umsetzung des Konzepts getroffen. Das Museum ist Teil der heute multifunktionalen Nutzung der Alten Sust und Anlaufpunkt für ankommende Passtouristen. Daher soll es als Besucher- zentrum und Kulturort gestärkt und ausgebaut werden. Die Umsetzung des geplanten neuen Ausstellungskonzepts geht mit weiteren baulichen Verän- derungen, unter anderem der Einrichtung eines neuen Restaurants, einher. Mit der Planung des Ausstellungsprojektes wurde das Basler Architektur- Das 1837 erbaute Gebäude der alten Sust ist ein Baudenkmal und zugleich ein und Ausstellungsbüro GroenlandBasel betraut. Das Gotthardmuseum setzt wesentlicher Bestandteil des ISOS-Objekts 4111, Ospizio del San Gottardo, ein zukünftig auf drei verschiedene Ausstellungsformate: Eine Multimediashow Ortsbild von nationaler Bedeutung. in Dachgeschoss erzählt prägnant und unterhaltsam die Geschichte des Gott- hards. Diese wird im ersten Obergeschoss durch Objekte und multiperspek- Visualisierung der Ausstellungsräume tivische Erzählungen vertieft, während in einem Wechselausstellungsraum Themen mit regionaler und aktueller Anbindung an den Ort und seine Ge- schichte im saisonalen Wechselbetrieb gezeigt werden können. Die Ausstellung und das neu einzurichtende Restaurant im Erdgeschoss wer- den mit baulichen Veränderungen und Instandstellungsarbeiten verbunden sein. Das architektonische Konzept hierfür wurde von den Basler Architekten Miller & Maranta ausgearbeitet, für die Umsetzung wurde der Tessiner Archi- tekt Fabio Milesi betraut. Der Innerschweizer Heimatschutz war in die Planung beratend eingebunden. So wurde sichergestellt, dass die baulichen Massnahmen auf ein Minimum be- schränkt werden, die historische Bausubstanz im Wesentlichen unangetastet bleibt und das Gebäude äusserlich keine störenden Veränderungen erfährt. Seite 36 Seite 37 Damit das Projekt, für das die Denkmalpflege des Kantons Tessin bereits grü- nes Licht gegeben hat, realisiert werden kann, ist nun noch die finanzielle Unterstützung durch Bund, Kanton und namhafte Stiftungen erforderlich. Ziel ist es, das neue Museum 2021 zu eröffnen.
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