IOT KONSUMENTEN UND DAS INTERNET DER DINGE - NÜRNBERG INSTITUT FÜR MARKTENTSCHEIDUNGEN EV
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M A R K E T IN GF O R S C HUN G FÜR D IE P R A X IS M ARKETING I N T E L LIG E N C E R E V I EW IoT Konsumenten und das Internet der Dinge IoT−Erfahrungen Sinnvoller Konsum IoT−Storys IoT−Adoption Vol. 10 / No. 2 / 2018 IoT als komplexes Netzwerk AI und Augmented Intelligence Kundenorientierung neu gedacht
Marketing Intelligence Review – Marketingforschung für die Praxis Für Manager und Entscheider, die sich für aktuelle Marketingthemen und neue Forschungsergebnisse interessieren >>> Ein Rahmenthema pro Ausgabe >>> Verständliche und relevante Erkenntnisse der Marketingforschung, ohne die oft langen und schwer verständlichen Originalartikel lesen zu müssen >>> Ideen, wie Sie neue Marktforschungstechniken im Marketing management einsetzen können Marketing Intelligence Review am Puls der Marketingforschung www.gfkmir.com
Editorial / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 3 Editorial Obwohl jeder über das Internet der Dinge spricht und viele bereits das eine oder andere smarte Gerät besitzen, haben erst wenige Konsumenten die viel beschwore nen Vorteile des vernetzten Lebens tatsächlich erlebt. Derzeit spielt sich die Nutzung von IoT-fähigen Geräten hauptsächlich in Nischen märkten ab: Technologisch versierte Besserverdiener und IT-Freaks sind vorn mit dabei. Wollen IoT-Manager auch breitere Konsumentenschichten ansprechen, müssen sie zunächst den tatsächlichen Wert smarter Produkte besser verstehen. Die gängigen Marketingansätze sind fragmentiert und setzen oft auf Einzelprodukte und einzelne Anwendungsmöglichkeiten. Das IoT wird unter seinem tatsächlichen Wert verkauft. Die meisten Anbieter überlegen, welche Produktbündel für den Einstieg am besten geeignet sein könnten: Haushaltsgeräte, Home-Entertainment, Energiemanagement, Haustierüberwachung oder doch Schutz des Eigentums und Sicherheit? Der Massen markt kauft jedoch weder eine Plattform noch ein algorithmusgesteuertes Produkt, sondern eine Leistung und damit einhergehende Erfahrung. In dieser Ausgabe diskutieren wir darüber, wie man IoT-Erfahrungen gestalten kann, die den Konsumenten echte Vorteile bringen, und welche Ängste man dabei berück sichtigen sollte. Wollen Konsumenten wirklich von ihren täglichen Aufgaben „befreit“ werden? Werden wir Menschen in der Leistungskette bald überflüssig? Ist das Inter net der Dinge sicher? Oder ist Alexa womöglich eine Hexe? IoT-Manager sollten smarte Produkte als Teile eines komplexen und dynamischen Systems verstehen und vermarkten. Als Assemblage eröffnen sie neue Möglichkei ten, da durch das Zusammenwirken von Produkten und Menschen neue Erfahrungen entstehen können. Marketingmanager sollten sich mit dem tieferen Sinn individueller Konsumentenerfahrungen auseinandersetzen und ihre Leistungsversprechen entspre chend kommunizieren. Beginnen Sie gleich damit, neue Facetten des IoT zu entdecken, und bereiten Sie sich auf diese neue Marketing- oder besser gesagt Lebensära vor. Ihre Donna Hoffman Tom Novak Washington, D.C., Juni 2018
4 Marketing Intelligence Review / Vol. 10, No. 2, 2018 Inhalt 3 18 Editorial Wundersame Maschinen und das Streben nach sinnvollem Konsum 6 Stefano Puntoni Executive Summaries Automatisierte Produkte können unattraktiv sein, wenn Identitätsmotive beim Konsum eine Rolle spielen. 10 Wie Kunden das Internet der Dinge erleben: Vom ersten Abtasten zu radikalen Veränderungen des Lebens Donna L. Hoffman und Thomas P. Novak 24 Wenn IoT-Manager breitere Konsumentenschichten Die Macht der Mythen: Über gute, schlechte ansprechen wollen, müssen sie den tatsächlichen Wert und ziemlich verrückte IoT-Geschichten smarter Produkte besser verstehen. Markus Giesler und Eileen Fischer Obwohl neue IoT-Produkte faszinieren, bleiben selbst Konsumenten argwöhnisch, die diese verwenden und lieben. 30 Wie man kurzsichtige Fehler vermeidet und die langfristige Akzeptanz des Internets der Dinge sicherstellt Larry Downes Um sicherzustellen, dass kurzfristige Fehler dem IoT keinen nachhaltigen Schaden zufügen, sollten die Entwickler neue Strategien verfolgen.
Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 5 good 36 Das komplexe Netzwerk der Dinge: Wenn Technologien die Deals einfädeln William Rand 54 Was Konsumenten vom IoT mitbekommen, ist nur die Spitze Die digital vernetzte Welt: des Eisbergs. Unter der Oberfläche interagieren Dutzende Anwendungen miteinander. Kundenorientierung neu gedacht Rudolf Aunkofer Die klassische Customer Journey mit ihren Touchpoints wird in eine lebenslange und interaktive Kundenbeziehung 42 innerhalb eines IoT-basierten Produkt-Service-Ökosystems transformiert. Internet der Dinge – Werden wir überflüssig oder befähigt? Paul A. Pavlou Augmented Intelligence – eine effektive Symbiose 60 aus Menschen und Maschinen – kann einige aktuelle EditorInnen Herausforderungen erfolgreicher lösen als reine AI-Systeme. 61 Wissenschaftlicher Beirat 48 Alles mit allem vernetzen – 62 geht doch! Impressum Interview Interview mit Linden Tibbets, Mitbegründer und CEO von IFTTT, San Francisco, USA 63 Vorschau nächste Ausgabe
6 Marketing Intelligence Review / Vol. 10, No. 2, 2018 / Executive Summaries Executive Summaries Wie Kunden das Internet der Dinge Wundersame Maschinen und das erleben: Vom ersten Abtasten zu Streben nach sinnvollem Konsum radikalen Veränderungen des Lebens Stefano Puntoni Donna L. Hoffman und Thomas P. Novak Derzeit spielt sich die Nutzung von IoT-fähigen Geräten in Smarte Produkte können die Menschen nicht nur entlasten, Nischenmärkten ab. Hauptsächlich technologisch versierte sondern auch belasten. Vor allem, wenn Konsum der Identitäts Besserverdiener und IT-Freaks sind vorn mit dabei. Möchten stiftung dient, werden smarte Innovationen negativer beurteilt. IoT-Manager auch breitere Konsumentenschichten ansprechen, Von täglichen Routinen, die einem persönlich wichtig sind, will müssen sie zunächst den tatsächlichen Wert smarter Pro man möglichweise gar nicht freigespielt werden. Die Akzeptanz dukte besser verstehen. Die gängigen Marketingansätze sind des IoT ist deshalb dann größer, wenn die betroffenen Aufga fragmentiert und setzen oft auf Einzelprodukte und einzelne ben für die Darstellung der eigenen Identität weniger relevant Anwendungsmöglichkeiten. Das IoT wird unter seinem tatsäch sind und sie sinkt, wenn die angebotenen Aufgaben für einen lichen Wert verkauft. Der Massenmarkt kauft jedoch weder eine selbst wichtig sind. Menschen, die ihre Identität über Konsum Plattform noch ein algorithmusgesteuertes Produkt, sondern festigen, sind jedoch keine prinzipiellen Technikverweigerer. eine Leistung und damit einhergehende Erfahrung. Wir müssen Wer in einem bestimmten Kontext IoT-Anwendungen ablehnt, uns fragen, in welcher Form unterschiedliche Geräte im Haus kann diese in Bereichen mit geringerer persönlicher Relevanz halt zusammenarbeiten sollten, damit sich diese Erfahrungen durchaus bereitwillig nutzen. tatsächlich einstellen. Manager sollten jedenfalls beachten, dass auch im Zeitalter Die größte Herausforderung besteht deshalb darin, einen Bot wundersamer Maschinen der Wunsch nach sinnstiftendem tom-up-Zugang zu implementieren. Wir sollten Nutzer dazu Konsum eine wichtige Grundlage für viele Kaufentscheidun motivieren, mit den Möglichkeiten des IoT zu experimentieren, gen ist. Materielle Güter werden nicht so schnell vollständig eigene Lösungen zu entwickeln und diese fix in ihre Tagesab verschwinden, vor allem, wenn sie für die Identität von Konsu läufe einzubauen. menten relevant sind. Seite 10 Seite 18
Executive Summaries / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 7 Die Macht der Mythen: Wie man kurzsichtige Fehler vermeidet Über gute, schlechte und ziemlich und die langfristige Akzeptanz des verrückte IoT-Geschichten Internets der Dinge sicherstellt Markus Giesler und Eileen Fischer Larry Downes Wie Konsumenten Technologien wahrnehmen, hängt weniger Durch den Druck, in hyper-kompetitiven IoT-Märkten schnell von konkreten Produkteigenschaften oder statistisch unter verfügbar zu sein, ignorieren Entwickler oft grundlegende Vor mauerter Evidenz ab, sondern eher von mitreißenden Geschich kehrungen bezüglich Datensicherheit, und auch im Marketing ten und Mythen. IoT-Manager können Vertrauen fördern, indem werden oft zu wenige Mittel eingesetzt, um die erforderlichen sie hochemotionale Geschichten über die Leistung der Tech Standards zu garantieren. Damit kurzfristige Fehler nicht den nologien für den Einzelnen, sein Heim, seine Familie oder die langfristigen Erfolg des IoT gefährden, müssen die Entwickler Gesellschaft erzählen. Storybasiertes IoT-Marketing hat den neue Strategien verfolgen. wesentlichen Vorteil, dass Konsumenten leichter starke und Die Einigung auf einheitliche IoT-Standards und bessere Sicher stabile emotionale Bindungen zu den Geräten aufbauen und heitsprotokolle könnten die IoT-Adoption ankurbeln. Um die oft auch eine intensive Loyalität ihnen gegenüber pflegen. wachsende Anzahl von Geräten zu bewältigen, die permanente Allerdings sind Geschichten nicht immer positiv. Negative Interaktion fordern, müssen Investitionen in Hochleistungs Geschichten und Bedeutungen, die in der Populärkultur über netzwerke getätigt werden. Damit IoT-Produkte ein unverzicht eine Technologie kursieren, können einer Marke oder Techno barer Bestandteil des täglichen Lebens werden, müssen sie in logie auch schaden. Unabhängig davon, wo diese Vorstellungen bestehende und vertrauenswürdige Marken integriert werden. ihren Ursprung haben, sollten Marketingmanager die Essenz Sie müssen mehr leisten als bestehende und im Konsumenten der zirkulierenden Doppelgänger-Bilder für ihre Technologien alltag nach wie vor funktionierende Geräte, damit diese ersetzt begreifen. Man kann sie als Diagnoseinstrumente betrachten, werden. Entwickler müssen neue Funktionen hinzufügen und durch die man besser verstehen kann, wie Kunden über Tech neue Anwendungen mit einem echten Mehrwert entwickeln, nologien denken und diese erleben. Zusätzlich sind Doppelgän bei denen bestehende Technologien nicht mithalten können. ger-Narrative wertvolle Rohstoffe, aus denen Manager neue, fesselnde IoT-Storys herausarbeiten können, die Adoption, Vertrauen und Zufriedenheit fördern. Seite 24 Seite 30
8 Marketing Intelligence Review / Vol. 10, No. 2, 2018 / Executive Summaries Das komplexe Netzwerk der Dinge: Internet der Dinge – Werden wir Wenn Technologien eigenständig überflüssig oder befähigt? Geschäfte machen Paul A. Pavlou William Rand Was Konsumenten vom IoT mitbekommen, ist nur die Spitze Augmented Intelligence – eine effektive Symbiose aus Men des Eisbergs. Unter der Oberfläche interagieren Dutzende schen und Maschinen – kann einige aktuelle Herausforde Anwendungen miteinander. Um in diesem komplexen Umfeld rungen erfolgreicher lösen als AI-Systeme allein. Augmented erfolgreich zu sein, muss eine Marke innerhalb des Netzwerks Intelligence integriert die einzigartigen menschlichen Fähig funktionieren und sicherstellen, dass die eigenen Botschaften keiten, die AI nicht zu replizieren vermag. Weitreichende IoT- letztendlich auch den Konsumenten erreichen. Da IoT-fähige Probleme können oft weder durch reine Computerlösungen Geräte mit anderen Anwendungen des Systems kommunizie noch durch Menschen alleine gelöst werden. Deshalb gibt es ren, dürfen nur gültige Informationen ausgetauscht werden. ein großes Potenzial für IoT-Anwendungen, die auf Augmented IoT-Entwickler sollten allfällige Probleme innerhalb des Gesamt Intelligence setzen. systems vorhersehen. Wenn Sicherheitsaspekte unterschätzt Machine-Learning-Ansätze und menschliche Intelligenz soll werden, gefährdet man alle Komponenten und auch die Kon ten so gekoppelt werden, dass Menschen letztlich die oberste sumenten. Die Daten bezüglich des Nutzungsverhaltens der Steuerungsinstanz bleiben. Manager sollten genau prüfen, für Konsumenten helfen Unternehmen, eine bessere Vorstellung welche Aufgabe man auf welche Weise und in welchem Aus darüber zu bekommen, was die Menschen von IoT-fähigen maß IoT-Anwendungen einsetzen soll. Entscheidungskriterien Geräten tatsächlich erwarten. Mithilfe dieses Wissens können hierfür sind die erwartete Leistungsfähigkeit, die Kosten und sie passendere Lösungen entwickeln und dadurch auch ihre die Risiken vollautonomer Lösungen. IoT-Leistungen, die man eigenen Ziele besser erreichen. beispielsweise umsichtig vollautomatisieren könnte, sind die automatisierte Fertigung, Predictive Maintenance sowie Secu rity-Aspekte. Dagegen sollte man bei Anwendungen mit stär kerem Bezug zu Menschen, wie im Smart Retailing, menschliche Kontrollmechanismen einbauen. Seite 36 Seite 42
Executive Summaries / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 9 Alles mit allem vernetzen – Die digital vernetzte Welt: geht doch! Kundenorientierung neu gedacht Interview mit Linden Tibbets, Mitbegründer und Rudolf Aunkofer CEO von IFTTT, San Francisco IFTTT ist eine neutrale Plattform, über die man kostenfrei und Die klassische Customer Journey mit ihren Touchpoints wird in einfach die eigenen Apps und Geräte miteinander kommuni eine lebenslange und interaktive Kundenbeziehung innerhalb zieren lassen kann. Millionen Nutzer weltweit haben bereits eines IoT-basierten Produkt-Service-Ökosystems transformiert. mehr als 75 Millionen Applets für über 600 mit der Plattform Diese vollzieht sich in mehreren, zum Teil unbewussten Loops kooperierende Services freigeschaltet. Linden Tibbets, Mit und ist damit für Hersteller und Handel weniger gut planbar. In begründer und CEO von IFTTT, erklärt, dass jedes Angebot in vielen Produktkategorien wird das IoT erst abheben, wenn es Zukunft zu einer digitalen Dienstleistung werden wird. All diese den Anbietern und dem Handel gelingt, tatsächlich den Nerv Services zu verbinden, ist eine diffizile Angelegenheit, die viele der Kunden zu treffen. Einerseits gilt es, das individuelle Nut Unternehmen vor große Probleme stellt. Tibbets erklärt, wie zungsverhalten besser zu verstehen, andererseits, Produkte die Plattform genau diese Schnittstellen angeht und wie sie und Services deutlich stärker zu personalisieren, um dadurch funktioniert und wie Endkunden sowie Unternehmen zusätz emotionale und situationsspezifische Kundenerlebnisse zu liche Leistungen erhalten, weil sie praktisch alles mit allem schaffen. Entscheidend wird sein, dass digitale Produkte in vernetzen können. Netzwerken besser miteinander kommunizieren und das Nut zungsverhalten individuell aufzeichnen können, um es besser zu analysieren und daraus konkrete Produktverbesserungen umzusetzen. Wenn die Kundenorientierung an die IoT-Welt angepasst ist und Kunden echte Vorteile erleben, werden smarte Produkte die klassischen innerhalb eines Zeithorizonts von fünf bis zehn Jahren verdrängen. Seite 48 Seite 54
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IoT-Erfahrungen / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 11 Wie Kunden das Internet der Dinge erleben: Vom ersten Abtasten zu radikalen Veränderungen des Lebens Donna L. Hoffman und Thomas P. Novak Etwas Neues entsteht R2-D2 ist keine Science Fiction mehr. Sprechende Geräte, Sensoren, denkende Systeme, selbst fahrende Autos und Drohnen sind heute Realität. Ganze Kon keywords sumkategorien wie der Fitnessbereich, die Gesundheitsvor Internet der Dinge, IoT-Konsum, sorge, Fahrzeuge oder das eigene Heim bilden das Internet Smart Home, IoT-Erlebnisse, der Dinge (IoT) für Konsumenten. Wir befinden uns inmitten einer globalen Entwicklung zu universeller Vernetzung. Smarte IoT-Marketing, Assemblage-Theorie Geräte werden dazu führen, dass Konsumenten alltägliche • Objekte ganz anders erleben als bisher. Produkte, die über die Zeit eine klare Identität entwickelt haben, werden zu mehr, autoren werden zu etwas Neuem. Das Türschloss, das dazu diente, Donna L. Hoffman Fremde am Eintritt in unser Heim zu hindern, dient nun auch Louis Rosenfeld Distinguished Scholar dazu, vertrauenswürdige Fremde während unserer Abwesen and Professor of Marketing, heit einzulassen, um beispielweise die erworbenen Lebens The George Washington University School mittel zu verstauen. Parallel zu dieser Identitätswandlung des of Business, Washington, D.C., USA Türschlosses werden sich auch die Konsumentenerfahrungen dlhoffman@gwu.edu mit dem Produkt verändern. Während ein Schloss früher als verlässlicher Wächter für die eigene Sicherheit empfunden Thomas P. Novak wurde, geht die Wahrnehmung nun eher in Richtung eines Denit Trust Distinguished Scholar verlässlichen Partners, der Zugang gezielt ermöglicht, statt ihn and Professor of Marketing, zu verhindern. The George Washington University School Wir glauben, dass sich solche Szenarien in vielen Bereichen des of Business, Washington, D.C., USA smarten Heims wiederholt abspielen werden. Banale Haus novak@gwu.edu haltsgeräte, wie Toaster oder Kühlschränke, können zu aktiven Interaktionspartnern werden. Geräte, die früher keinerlei Bezug zueinander hatten, wie Türschlösser, Überwachungskameras oder Leuchten, werden als eine Art Assemblage, ein Verbund, zusammenarbeiten. Dabei werden sie Erlebnisse ermöglichen, die keines der Geräte im Alleingang zustande brächte. Das Aus maß dieser Veränderungen stellt sowohl Konsumenten als auch Marketingleute vor große Herausforderungen.
12 Marketing Intelligence Review / Vol. 10, No. 2, 2018 / IoT-Erfahrungen abbildung 1: Durch Assemblagen aus mehreren smarten Geräten werden Konsumenten bald einzigartige persönliche IoT-Erlebnisse gestalten können » der IoT-Interaktionen und beschreiben sogenannte Doppelgän ger-Bilder, die negative Markenerzählungen und -bedeutungen Produkte, die über die Zeit eine zum Inhalt haben. Diese entstehen, wenn sich IoT-Produkte klare Identität entwickelt haben, werden unerwartet oder gar befremdlich gebaren. Marketingmanager zu mehr, werden zu etwas Neuem. finden Empfehlungen für den Umgang mit negativen Vor stellungsbildern. Larry Downes (S. 30) beleuchtet Benutzer « freundlichkeit und Sicherheitsprobleme des IoT und präsentiert Strategien, um Fehler bei der Markteinführung zu vermeiden und um im hyper-kompetitiven IoT-Marktumfeld erfolgreich zu sein. William Rand (S. 36) schlägt die Theorie der Komplexen Neu und mehr: Schon faszinierend, aber … In diesem Systeme vor, um Netzwerkinteraktionen zu einem gewünsch Heft erforschen wir eine ganze Reihe von Problemen, mit denen ten Ergebnis zu leiten. Paul Pavlou (S. 42) widmet sich den sich das Marketing im Zuge der Disruption des Konsumenten Sorgen derer, die befürchten, dass menschliche Arbeitskräfte verhaltens durch das Internet der Dinge konfrontiert sieht, und bald überflüssig sein könnten. Er plädiert dafür, nicht nur auf diskutieren mögliche Lösungen. Stefano Puntoni (S. 18) zeigt Artificial Intelligence (AI) zu setzen, sondern vorzugsweise auf, dass intelligente und automatisierte Produkte den Kon auf Augmented Intelligence, bei der Menschen und Maschinen sumenten zwar Erleichterungen bringen, aber trotzdem auch kooperieren und gemeinsam die Probleme besser lösen als ein Schattenseiten haben können. Wenn die Aufgaben, die man an Part allein. Zu guter Letzt beschreibt Rudolf Aunkofer von der solche Produkte abgibt, wichtig für die eigene Identität sind, GfK (S.54), wie sich die Customer Journey in einem IoT-Umfeld wird sich das Interesse für sie in Grenzen halten. Auch Markus verändert und wie Kundenorientierung neu gedacht werden Giesler und Eileen Fischer (S. 24) betrachten die Schattenseite sollte.
IoT-Erfahrungen / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 13 { Box 1 } Dem Mehrwert auf der Spur Wenn Marketingmanager erreichen wollen, dass nicht nur technisch versierte Techno „ALLES, WAS SIE SCHON KENNEN, logiejunkies aus der Oberschicht das IoT nutzen, müssen sie ABER NOCH VIEL MEHR.” zunächst den Wert der neuen Technologie besser verstehen. Derzeit liegt der Marketingfokus auf einzelnen, oft teuren WAS IOT-MARKETINGMANAGER Produkten, wie sprachgesteuerten Assistenten, smarten Ther mostaten, smarter Beleuchtung oder eigens konfigurierten VOM IPAD LERNEN KÖNNEN „Einsteigerpaketen”. Erst wenige Produkte erreichen langsam Das iPad wurde nicht über vorgeschlagene Anwen den Massenmarkt. Smarte Sprachassistenten, wie Amazon dungsmöglichkeiten verkauft. Steve Jobs betonte Echo oder Google Home, finden sich in den USA bereits in 20 % vielmehr die „magischen” und „revolutionären” aller Haushalte mit WiFi-Anschluss. Trotzdem sind viele Konsu Eigenschaften des iPads, auch wenn die Menschen menten nicht überzeugt, dass es sich lohnt, Leuchten, Schalter sich über den Namen lustig machten und nicht recht oder Überwachungsgeräte durch teure, smarte Varianten zu wussten, wie sie das Produkt einordnen sollten (riesi ersetzen. Otto Normalverbraucher sieht außer dem Neuig ges iPhone? iPod Touch? Kindle?). Apple hat das iPad keitswert kaum Vorteile, sondern befürchtet eher zusätzliche als etwas Neues, etwas zum „Web-Browsen, E-Books technologische Komplikationen in seinem Leben. Lesen, E-Mails Versenden, Fotos Schauen und mehr“ vermarktet. Es war nicht nur für bekannte Nutzungs Unsere Forschung zeigt, dass man mehr unternehmen muss als möglichkeiten gedacht, sondern versprach neue Ver derzeit üblich, um den Mehrwert des IoT herauszuarbeiten, und wendungsvarianten für diejenigen, die sich darauf dass man auch die Bedeutungen des IoT aus Konsumentensicht einlassen und experimentieren wollten. So öffnete besser kommunizieren muss. Anstatt über die smarten Pro man die Türen zu Käufern mit unterschiedlichsten dukte an sich zu sprechen, sollten sich Marketingmanager mehr Motiven und Anwendungsideen, die das iPad als Sub auf die Erlebnisse konzentrieren, die sich aus der zunehmenden stitut für alles, vom E-Reader über Spielkonsolen bis Interaktion der Konsumenten mit ihren Geräten ergeben. Das zu Fernsehern, betrachteten. Propagieren möglicher Anwendungsfälle wirkt bremsend, da man sich gar nicht damit beschäftigt, wie man einzigartige Anfänglich war nicht klar, was das iPad wirklich Erlebnisse für jeden einzelnen Konsumenten fördern könnte. bringen sollte. Es konnte viel, aber der Konsens über Anstatt Anwendungsbeispiele vorzuschlagen, sollte das Mar die Nutzungsmöglichkeiten war gering. Die ersten keting eher dazu motivieren, mit den Möglichkeiten zu expe Testberichte sprachen von Benutzerfreundlichkeit rimentieren und eigene Lösungen zu entwickeln, ähnlich wie und einem angenehmeren Computererlebnis als bei es Steve Jobs bei der Einführung des iPad gemacht hat (siehe Laptops oder Netbooks. Außerdem sprach man von Box 1). einer neuen Kategorie, obwohl niemand genau sagen konnte, wie diese zu charakterisieren wäre. Zunächst Geschätzte Erfahrungen entstehen mit einer kritischen wusste niemand, was genau das iPad ausmachte, Masse an Geräten IoT-Manager bestätigen durchweg, aber durch die regelmäßige Nutzung wurde das dass der Wert, den Kunden im IoT sehen, von der Anzahl der zunehmend klarer. eingesetzten interaktionsfähigen Geräte abhängt. Zunächst kauft ein Kunde vielleicht ein bis zwei Geräte, zum Beispiel Die Smart-Home-Anwendungsbeispiele gleichen den einen Nest-Thermostat und eine Philips-Hue-Lampe. Der ersten Bedenken beim iPad. Viele Konsumenten zwei Konsument kauft diese Produkte in der Annahme, dass sie feln am Nutzen der smarten Produkte. Was bedeu bestimmte Funktionen besser erfüllen können als die konven tet es beispielsweise, ein smartes Heim zu haben? tionellen Geräte. Sie werden als getrennte Einheiten betrachtet. Trotzdem setzt das Marketing primär auf konkrete Wenn sich die Erwartungen erfüllen, wird der Konsument mit Vorschläge, anstatt die Konsumenten selbst zu eige der Zeit weitere smarte Geräte kaufen, zum Beispiel smarte nen Erfahrungen zu motivieren und sie selbst her Schalter oder ein smartes Türschloss, und die Interaktionen ausfinden zu lassen, wodurch tatsächlich mehr Wert zwischen den Geräten werden zunehmen. Ab dem Besitz entsteht. von fünf bis sechs Geräten ändert sich die Situation, und die Geschiche des iPads aus: http://www.imore.com/history-ipad-2010 Konsumenten beginnen zu überlegen, was entstehen könnte, würden die Geräte miteinander kommunizieren. Ab diesem
14 Marketing Intelligence Review / Vol. 10, No. 2, 2018 / IoT-Erfahrungen { Box 2 } IFT T T – MEHR NUTZEN DURCH MITEINANDER KOMMUNIZIERENDE GERÄTE » IFTTT ist eine Online-Plattform, die Konsumenten bei Anstatt über die smarten Produkte an sich der Herstellung von Verbindungen zwischen Geräten und Services unterstützt, damit diese gut zusam zu sprechen, sollten sich Marketingmanager menarbeiten. Der Firmenname wird wie Gift ohne „G“ mehr auf die Erlebnisse konzentrieren, die ausgesprochen und ergibt sich aus „If this then that“. sich aus der zunehmenden Interaktion der Der freie, webbasierte Service ermöglicht Konsumen ten die Erstellung bzw. Nutzung einfacher Scripts – Konsumenten mit ihren Geräten ergeben. wenn dieses, dann jenes –, die Applets heißen. Ein « Applet wird aktiv, wenn innerhalb eines genutzten Services, wie Gmail, Facebook, Nest oder Alexa, eine Veränderung eintritt. So könnte beispielsweise ein Applet bewirken, dass eine Mail verschickt wird, sobald ein Nutzer einen Tweet mit einem bestimmten Hashtag absetzt, oder dass ein Facebook-Bild, auf dem eine bestimmte Per son markiert ist, automatisch in einem Archiv abge speichert wird. Bereits mehr als 14 Millionen registrierte IFTTT- Nutzer haben seit der Gründung über 75 Millionen Zeitpunkt scheinen mögliche Interaktionen zwischen den Gerä Applets genutzt. Mehr als 5000 aktive Entwickler ten wichtiger zu werden als die einzelnen Geräte an sich. Was arbeiten an Services, und 140.000 Entwickler bauen dann aus den Verbindungen entsteht, ist von Kunde zu Kunde Applets auf der Plattform. unterschiedlich, da jeder auch Teil seiner Interaktionen ist. Der eine könnte beispielsweise blaues Licht als leicht deprimierend empfinden und ein Applet (siehe Box 2) nutzen, um das Licht auf ein warmes, antidepressives Gelb umzuprogrammieren. Bei einem anderen löst Blau eine angenehme Stimmung aus, und Beim Launch von IFTTT gab es keine vorgeschlage er koppelt sich über ein Applet automatisch eine stimmungs nen Kategorien. Man startete als blanke und leere volle Musik dazu, sobald es regnet. In beiden Fällen entsteht Bottom-up-Plattform, die die Entstehung eigener etwas Neues, das über die ursprünglichen Möglichkeiten des Bedürfnisse und Erfahrungen zuließ. einzelnen Geräts hinausgeht. Der Erfolg der IFTTT-Plattform (siehe Box 2), die Konsumenten dabei hilft, einzelne Geräte auf einfache und benutzerfreundliche Weise zu verbinden, zeigt eindrucksvoll, wie sehr Konsumenten daran interessiert sind, ihre individuellen IoT-Erfahrungen zu entwickeln. (siehe S. 48, Interview mit Linden Tibbets, CEO und Mitbe gründer von IFTTT) Das legt den Schluss nahe, dass ein Marketingzugang, der auf einzelne smarte Produkte setzt, das Internet der Dinge unter seinem wahren Wert verkauft. Die eigentlich wertvollen Erfah
IoT-Erfahrungen / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 15 abbildung 2: Ein attraktives Leistungsversprechen für IoT-Produkte zu entwickeln, ist gar nicht so einfach > rungen sind das Ergebnis einer Vielzahl von Interaktionen, die wickeln, die Konsumenten für ihre individuellen Situationen mehr bieten als ein einzelnes Produkt allein. selbst entwickeln wollen, und nicht aus einem kleinen Set von fünf bis sechs vorgeschlagenen Anwendungsmöglichkeiten. Wie IoT-Marketing effektiver wird Marketingma Fünf Anwendungen für das smarte Heim vorzuschlagen, ist nager stehen vor der Herausforderung, für smarte Produkte ähnlich paradox wie von fünf Anwendungsmöglichkeiten Leistungsversprechen zu finden, die auch den Massenmarkt für das Internet zu sprechen. Smart-Home-Einsteigerpakete ansprechen. Die meisten Anbieter sammeln Anwendungs und -produkte sollten so konzipiert sein, dass Konsumenten möglichkeiten und überlegen, welche Kombinationen ideale selbst ausgestalten können, was in ihrer speziellen Situation Einstiegspunkte sein könnten: Haushaltsgeräte, Home-Enter am meisten bringt, ohne dass das Marketing ihnen einen tainment, Energiemanagement, Haustierüberwachung oder möglichen Nutzen quasi diktiert. Man kann nicht davon aus doch Schutz des Eigentums und Sicherheit? Aber, wie bereits gehen, dass sich Konsumenten sicher und geborgen fühlen, ausgeführt, der Massenmarkt kauft weder eine Plattform noch nur weil die Teile einer Box dieses Gefühl versprechen. Statt ein algorithmusgesteuertes Produkt, sondern eine Leistung dessen müssen wir fragen, in welcher Form unterschiedliche und Erfahrung. Durch unsere Forschung haben wir die folgen Geräte im Haushalt zusammenarbeiten sollten, damit sich den Erkenntnisse gewonnen, um die Akzeptanz smarter Pro dieses Gefühl tatsächlich einstellt. dukte im Alltag zu verbessern. Die Herausforderung für einen solchen Bottom-up-Zugang > Arbeiten Sie nicht nur Top-down, sondern fördern Sie besteht darin, die richtige Balance zwischen Benutzerfreund das Entstehen von eigenen Interaktionen an der Basis lichkeit und Komplexität zu finden, um relevante Erfahrun Das smarte Heim wird sich aus allen Interaktionen ent
16 Marketing Intelligence Review / Vol. 10, No. 2, 2018 / IoT-Erfahrungen » Der Massenmarkt kauft weder eine Plattform noch ein algorithmusgesteuertes Produkt, sondern eine Leistung und Erfahrung. « gen zu ermöglichen. IFTTT ist beispielsweise einfach zu der Konsumenten. Ohne laufende Interaktion gibt es keine erlernen und zu nutzen und kann trotzdem Hunderte unter IoT-Erfahrungen, sondern nur eine Sammlung einzelner smar schiedliche Geräte und Online-Apps miteinander verbinden. ter Produkte. Natürlich müssen Marketingmanager auch den Die zugrundeliegende Logik ist durch die eindeutigen Wenn- Kauf einzelner Geräte ankurbeln, aber der eigentliche Fokus dann-Kombinationen einfach zu erfassen. sollte auf der Nutzung liegen, um möglichst schnell möglichst viele Interaktionen zwischen den Produkten zu fördern. >F ördern Sie die gewohnheitsmäßige Nutzung Da man noch nicht weiß, welche Kombinationen von Interaktionen > Machen Sie zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten attraktiv welche Erfahrungen bewirken, sollten Interaktionen zu festen Auch wenn das Marketing während der anfänglichen Gewohnheiten gemacht werden, um die IoT-Assemblagen zu IoT-Nutzung stabile Nutzungsgewohnheiten fördern sollte, stabilisieren. Laufend wiederholte Routinen werden mit der müssen IoT-Manager die Ausdehnung und Intensivierung der Zeit selbstverständlich: Immer, wenn du das Haus verlässt, Nutzung im Auge behalten. In gewisser Weise müssen dazu senkt der Nest-Thermostat die Temperatur auf 18 Grad; einzelne IoT-Assemblagen auch wieder leicht destabilisiert immer, wenn die Waschmaschine fertig ist, erhältst du eine werden. Routine ist nötig, ja, aber um zu verhindern, dass sich SMS; sobald das Waschmittel ausgeht, meldet sich Amazon die Nutzer mit zunehmender Erfahrung langsam langweilen, mit einem Angebot zur Nachbestellung. Wenn unterschiedli sollten Marketingmanager die Konsumenten zu weiteren IoT- che Komponenten – Thermostate, Apps, Haushaltsgeräte und Experimenten und Anwendungsschritten motivieren. Sanfte Menschen – in vorhersehbarer Weise interagieren, ergeben Anstöße könnten dabei helfen, den Konsumenten zusätzli sich stabile Verhaltensweisen und gefestigte IoT-Erfahrungen che Geräte und mehr als nur Einsteigersets schmackhaft zu
IoT-Erfahrungen / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 17 machen. Das kann über zusätzliche Leistungen der smarten Geräte, über neue Software, neue Produkte und Ähnliches erreicht werden, die ihrerseits wieder den routinemäßigen Einsatz begünstigen. >B eobachten Sie, welche Segmente über individuelle Erfah- rungen entstehen Unsere Forschungsarbeiten lassen vermuten, dass einzelne Konsumenten mit ihren individuellen Konstellationen und Umsetzungen letztendlich doch ähnliche Erfahrungen erreichen wollen. Die Datenströme der Geräte in den unterschiedlichen Assemblagen liefern das Rohmaterial, um Segmente von smarten Heimen mit ähnlichen Verhaltens weisen zu bilden. Für Marketingmanager ist es wichtig, diese Segmente zu erkennen, da sie wichtige Hinweise auf Gemein LITERATURHINWEISE samkeiten und Bedeutungen der IoT-Erfahrungen liefern. Eine solche Vorgangsweise ist als gegensätzliches Modell zur Hoffman, D. L. and Novak, T. P. (2018): derzeit üblichen Praxis zu sehen, Segmente vorab anhand “Consumer and Object Experience in the Internet of bekannter Anwendungsfälle zu bilden. Auch die Marktseg Things: An Assemblage Theory Approach”, Journal of mentierung könnte man darauf aufbauend von unten nach Consumer Research, Vol. 44(6), 1178-1204. oben anstatt von oben nach unten vorantreiben. Jernigan, Stephanie and Ransbotham, Sam (2016): Denken Sie weiter Das IoT erweitert einfache Interak “Getting Started with IoT”, tionen zwischen Menschen und Produkten zu komplexeren MIT Sloan Management Review; Austauschbeziehungen. Was nach einer logischen Ausweitung https://sloanreview.mit.edu/article/ aussieht, wird unserer Ansicht nach revolutionäre Auswirkun getting-started-with-iot/ gen auf die alltäglichen Konsumerlebnisse der Konsumenten haben, vor allem wenn sie Objekte betrifft, die jeder üblicher Kranz, Maciej (2017): weise zu Hause hat. Vorhersagen sind schwierig, aber wir ver “Success with the Internet of Things Requires More muten, dass mit dem IoT eine weitere erstaunliche und sogar Than Chasing the Cool Factor”, Harvard Business Review; etwas beängstigende Veränderungswelle auf uns zukommt. Sie https://hbr.org/2017/08/success-with-the-internet-of-things- wird mit der Internet-Revolution vergleichbar sein, die vor nicht requires-more-than-chasing-the-cool-factor einmal einer Generation atemberaubende Veränderungen in praktisch allen Lebensbereichen auslöste. Im Zuge dieser Ent Novak, T. P. and Hoffman, D. L. (2018): wicklung können die Erkenntnisse, die wir bislang aus unseren “Relationship Journeys in the Internet of Things: Forschungsarbeiten ableiten konnten, IoT-Managern bei mar A New Framework for Understanding Interactions Between ketingstrategischen Überlegungen helfen. Man sollte sich nicht Consumers and Smart Objects”, conditionally accepted. nur der unmittelbaren Herausforderung stellen, Anwendungs Journal of the Academy of Marketing Science. pioniere anzusprechen, sondern auch die Entwicklung des https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_ Massenmarkts angehen. Das IoT sollte rasch in Alltagsroutinen id=3059093 eingebaut werden, da man dadurch Kunden binden kann. Wir hoffen, dass unsere Ideen dabei helfen. /.
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Sinnvoller Konsum / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 19 Wundersame Maschinen und das Streben nach sinnvollem Konsum Stefano Puntoni Die jüngsten interdisziplinären Innovationen – vor allem im Bereich der Robotertechnik, der künstlichen Intelligenz und der Netzwerktechnologien – verändern unsere Lebensgewohnhei keywords ten massiv. Was ich in Box 1 beschreibe, ist keine futuristische Automatisierung, Dematerialisierung, Vision aus der Science-Fiction-Literatur, auch wenn es diesen Anschein hat. Es ist vielmehr die Welt, in der wir heute leben. Identität, Konsumentenverhalten Unsere heutigen Produkte sind die Science Fiction von gestern, • auch wenn wir manchmal meinen, sie wären auch heute noch Zukunftsmusik. Vor ein paar Jahren wurde klar, dass immer autor leistungsfähigere Computer und die Durchbrüche im Bereich Stefano Puntoni des Machine-Learning hohe Erfolgschancen mit sich bringen Professor of Marketing, und viele Märkte radikal verändern würden. Obwohl die Vorteile Rotterdam School of Management, dieser neuen Technologien offensichtlich und erwiesen sind, Erasmus University, The Netherlands interessieren sich Soziologen auch für die eventuellen Schat spuntoni@rsm.nl tenseiten für Konsumenten. Geht mit der Ankunft dieser wun dersamen Maschinen vielleicht auch etwas Wichtiges verloren? Die wesentliche Erkenntnis aus unserer Forschung zeigt, dass die Vorteile all dieser Produktinnovationen die Menschen tat sächlich auch belasten können. Vor allem, wenn Konsum der Identitätsstiftung dient und aus dem Wunsch heraus entsteht, die eigene Persönlichkeit zu stärken, werden Innovationen negativer gesehen. Befreit vom Diktat lästiger Aufgaben … aber was, wenn diese Aufgaben ein Teil von mir sind? Betrachten wir die erste Geschichte in Box 1 über autonome Produkte. Auto matisierte Produkte geben uns mehr Freiheiten und ersparen uns einige Pflichten. Sie können alltägliche Aufgaben, wie das Autofahren oder das Kochen, übernehmen. Das kann eine große Erleichterung sein und das Leben einfacher machen. Wenn diese Aufgaben jedoch wichtig für das Selbstbild einer Person
20 Marketing Intelligence Review / Vol. 10, No. 2, 2018 / Sinnvoller Konsum { Box 1 } WÄRE DAS LEBEN MIT LAUTER WUNDERSAMEN MASCHINEN NICHT WUNDERBAR? „AUTOMATISCH!” „UNSICHTBAR!” Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Maschinen ganz Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Produkte in einer von selbst arbeiten und Produkte untereinander kom mysteriösen Wolke verschwinden. Sie erhalten Zugang munizieren, um unsere Probleme zu lösen, noch bevor zum gesamten Weltwissen, indem Sie zu Hause laut diese uns überhaupt bewusst geworden sind. Stellen Ihre Fragen äußern. Sie benötigen weder Bücher noch Sie sich vor, Sie kommen von der Arbeit nach Hause, CDs oder andere Dinge, weil Sie alle Informationen in ohne dass Sie einen Finger rühren müssen, weil Ihr Auto jedem Moment über ein kleines Gerät in der Hosenta selbstständig fährt und von allein die beste Route ent sche abrufen können. Ursprünglich waren Sie bei jeder sprechend der aktuellen Verkehrslage gewählt hat. Wolke am Himmel besorgt – würde da was herausfal len? Dann haben Sie aber erkannt, dass alles sicher ist und wie von Zauberhand funktioniert … oder deren Identität sind, was dann? Was, wenn Kochen oder Autofahren nicht nur Mittel zum Zweck sind, sondern Aktivitä ten, die wesentlich zum eigenen Selbstverständnis beitragen? Automatisierte Produkte können unattraktiv sein, wenn Identi » tätsmotive beim Konsum eine Rolle spielen. Wenn der Gebrauch Automatisierte Produkte können spezielle Kenntnisse oder Anstrengungen erfordert, dann ver hindert die Automatisierung, dass Konsumenten das Ergebnis unattraktiv sein, wenn Identitätsmotive auf die eigenen Leistungen zurückführen können und beraubt beim Konsum eine Rolle spielen. sie einer wichtigen Quelle für ihr Selbstbewusstsein und für persönliche Erfolgserlebnisse. Betrachten wir dazu eine Brot « backmaschine, die mit minimalem menschlichem Einsatz gutes Brot bäckt. Die richtigen Zutaten werden vorgeschrieben, die Temperatur und die Backzeit sind vorprogrammiert. Das Gerät ersetzt also Fähigkeiten, auf die Hobbybäcker stolz sind. Wenn
Sinnvoller Konsum / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 21 Automatisierung Kenntnisse und Einsatz ersetzt, fehlt Konsu Filmen, Musik oder Büchern in einer leeren Wohnung genießen. menten jedoch die Möglichkeit, das Ergebnis (also das Brot) Diese Entwicklung macht das Leben bequemer und den Kon als Produkt der eigenen Leistungen wahrzunehmen. Deshalb sum praktischer. Wenn andererseits aber die Dinge, die nun lehnen Konsumenten, die sich stark mit bestimmten Aufgaben verschwinden, wichtig für das eigene Selbstbild sind? Was, identifizieren, Automatisierung stärker ab als andere, wie die wenn sich Personen beispielsweise über die eigenen Bücher in Box 2 beschriebenen Untersuchungen zeigen. und die Lieblingsmusik selbst definieren? Befreit vom Diktat des Durcheinanders … aber was, wenn Unsere Forschung (Box 2) hat bestätigt, dass identitätsrele all die Dinge ein Teil von mir sind? Betrachten wir nun vante Konsummotive auch die Präferenzen für die Materia das zweite Beispiel in Box 1, die „unsichtbaren” Produkte. In lität von Produkten beeinflussen. Der Gebrauch bestimmter vielen Branchen führt Digitalisierung zu „Dematerialisierung”. Produkte kann die eigene Identität widerspiegeln und als Eine CD nutzt digitale Technologien, benötigt aber nach wie Signal gegenüber sich selbst und anderen dienen. Wenn man vor einen physischen Träger. Im Gegensatz dazu kommen der beispielsweise eine komplette Sammlung aller Beatles-Alben Kauf von Songs bei iTunes oder das Streaming bei Spotify ohne besitzt, ist das ein deutliches Signal dafür, dass einem die materielle Gegenstände aus. Dematerialisierung befreit uns Beatles wichtig sind. Materielle Produkte eignen sich gemäß also von einem Wust an Dingen und den damit verbundenen unseren Forschungsergebnissen besser als Identitätssignale Ordnungs- und Lagerpflichten. Wir können Kultur in Form von als digitale Äquivalente. Sie sind im wahrsten Sinne des Wor » Herkömmliche materielle Produkte werden so schnell nicht komplett verschwinden, vor allem, wenn sie relevant für die Identität von Konsumenten sind. «
22 Marketing Intelligence Review / Vol. 10, No. 2, 2018 / Sinnvoller Konsum { Box 2 } UNTERSUCHUNGEN ZU AUTOMATISIERUNG, DEMATERIALISIERUNG UND IDENTITÄT In zwei Projekten zu Technologien und identitätsbezogenem Konsumentenverhalten haben wir den Zusammenhang zwischen Kaufmotiven und Technologien untersucht. Meine Forscherkolleginnen waren Maria Cristina Cito von der Bocconi Universität in Mailand sowie Eugina Leung und Gabriele Paolacci von der Erasmus Universität in Rotterdam. In einer Studienreihe konnten wir zeigen, dass Konsumenten, die sich stark mit einer bestimmten sozial relevanten Kategorie identifizierten, die Automatisierung dieser Produkte eher ablehnten. Diese Vermutung überprüften wir in unterschiedlichen Bereichen, wie dem Autofahren, dem Fischen, dem Radfahren und dem Backen. So nahm beispielsweise bei Radfahrern die Bereitschaft ab, einen zusätzlich gratis angebotenen Akku anzunehmen, je stärker das Radfahren ein zentraler Aspekt ihrer Persönlichkeit war. Ähnliches zeigte sich bei Menschen, die dem Statement „Autofahren ist ein wichtiger Teil dessen, was ich bin“ zustimmten. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Personen ein Auto mit Fahrautomatik wollten, war deutlich geringer als bei anderen, auch wenn man Fahrerfahrung und andere relevante Kriterien berücksichtigte. Die Studien mit automatisierten Ködern beim Fischen und mit Multifunktions-Küchenmaschinen brachten ebenfalls ähnliche Ergebnisse. abbildung 1: Je wichtiger einer Person das Kochen war, desto weniger schätzte sie vollautomatisierte Küchenmaschinen 7 6 5 PRÄFERENZ 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7 PERSÖNLICHKEITSRELEVANZ Ergebnisse eines Forschungsexperiments mit 400 niederländischen Studenten (Details: Working paper von Leung, Paolacci, Puntoni, 2018) Zusätzlich untersuchten wir noch in mehreren Studien die Präferenzen für Filme, Bücher und Musik in physisch fassbarer oder dematerialisierter Form. In einem Beispiel konzentrierten wir uns auf Konsumenten, für die Gaming mehr oder weniger relevant war, und boten ihnen gedruckte Bücher oder E-Books über Videogaming bzw. Kochen an. Die Studie zeigte, dass die Identitätsrelevanz eines Buches eindeutig die Bereitschaft beeinflusste, entweder ein gedrucktes Buch oder ein E-Book zu wählen, und zwar unabhängig von der Messmethode für die persönliche Relevanz. Personen mit hoher Identifikation bevorzugten die materielle Variante des identitätsrelevanten Buches (über Videogaming) und die immaterielle Version des Buches ohne Identitätszusammenhang (über Kochen). Bei Menschen, für die Gaming wenig relevant war, gab es diesen Unterschied nicht. Auch andere Studien bestätigten unsere Theorie. E-Books erhielten bessere Werte bei Funktionalität und Lesevergnügen, während gedruckte Bücher als für die Identitätsdarstellung einer Person vorteilhafter beurteilt wurden.
Sinnvoller Konsum / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 23 tes greifbarer und können das Interesse für eine Sache besser untermauern. Materielle Produkte, die man sehen und anfassen kann, sind „realer”, und deshalb auch stärker identitätsstiftend. Wundersame Maschinen ersetzen nicht das Bedürfnis LITERATURHINWEISE nach sinnvollem Konsum Das Internet der Dinge leistet fortlaufend mehr und nimmt uns Tätigkeiten ab. Die massiven Cito, M. C.; Leung E.; Paolacci, G. and Puntoni S. (2018): Fortschritte bei Rechnerleistung und künstlicher Intelligenz “Dematerialization and Identity-based Consumer werden immer leistungsfähigere Produkte hervorbringen, die Behavior”, working paper. autonom entscheiden und handeln können. Gleichzeitig kann man für immer mehr Aufgaben auf digitale Services zurück Leung, E.; Paolacci, G. and Puntoni S. (2018): greifen, die zu Dematerialisierung und damit zu einem stark “Man versus Machine: Resisting Automation in Identity- veränderten Konsumentenverhalten in vielen Bereichen führen Based Consumer Behavior”, working paper. werden. Wundersame Maschinen bringen uns mehr Effizienz. Unsere Forschung sagt uns allerdings, dass diese nicht immer Reed A.; Forehand, M.; Puntoni, S. and Warlop L. (2012): gewünscht ist. Die Akzeptanz des IoT ist größer, wenn die “Identity-Based Consumer Behavior”, International Journal betroffenen Aufgaben für die Darstellung der eigenen Iden of Research in Marketing, Vol. 29 (4), 310-21. tität weniger relevant sind und sinkt, wenn die angebotenen Aufgaben für die eigene Identität wichtig sind. Menschen, die ihre Identität über Konsum festigen, sind dennoch keine prin zipiellen Technikverweigerer. Jemand, der in einem bestimmten Kontext IoT-Anwendungen ablehnt, kann diese in Bereichen mit weniger persönlicher Relevanz bereitwillig nutzen. Manager sollten jedenfalls beachten, dass auch im Zeitalter wundersamer Maschinen der Wunsch nach sinnstiftendem Konsum eine wichtige Grundlage vieler Kaufentscheidungen ist. Herkömmliche materielle Produkte werden so schnell nicht komplett verschwinden, vor allem, wenn sie relevant für die Identität von Konsumenten sind. Vinyl hat in der Musikindus trie ein beachtliches Comeback gefeiert, und es sieht so aus, also ob auch gedruckte Bücher neben E-Books weiter existie ren werden. Unternehmen, die gegen den Strom schwimmen, haben also durchaus Chancen am Markt. Diejenigen, die auf den IoT-Zug aufspringen, sollten beachten, dass es im Leben nicht nur um Effizienz und die Befreiung von scheinbar lästigen Aufgaben geht. Es geht auch – heute vielleicht sogar mehr als je – darum, ein sinnerfülltes Leben zu führen. /.
24 ST R A N G E R DA N G E R
IoT-Storys / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 25 Die Macht der Mythen: Über gute, schlechte und ziemlich verrückte IoT-Geschichten Markus Giesler und Eileen Fischer Alexa, die Hexe Im März 2018 machte Amazons Alexa Schlagzeilen. Nutzer berichteten, dass das Gerät urplötzlich eigenartige Geräusche von sich gab, die wie das Lachen einer keywords Hexe klangen. Viele fanden das ziemlich gruselig und äußerten Customer Experience, Kundenerfahrung, sich ähnlich wie ein Betroffener im Tweet in Abbildung 1. IoT, Storytelling, Doppelgänger Offensichtlich reagierten auch Personen verunsichert, die mit Alexa-fähigen Geräten schon viel Erfahrung hatten. Obwohl • neue IoT-Produkte faszinieren, bleiben sogar Konsumenten autoren argwöhnisch, die diese verwenden und lieben. Markus Giesler IoT-Vermarkter können aus schrägen Konsumentenreaktionen Associate Professor of Marketing, und den ausgelösten gemischten Gefühlen wertvolle Lektionen Schulich School of Business, lernen. Die soziologische Konsumforschung, die sich mit den Director of the Big Design Lab, Beziehungen zwischen Nutzern und Technologien beschäftigt, York University, Toronto, Canada sieht kulturelle Wurzeln als Auslöser solcher paradoxen Reak mgiesler@schulich.yorku.ca tionen. Marketingmanager sollten lernen, widersprüchliche Gefühle gegenüber neuen Technologien vorherzusehen und Eileen Fischer adäquat darauf zu reagieren. Doch was kann man konkret tun, Professor of Marketing and um paradoxe Reaktionen zu vermeiden oder zu bewältigen, the Max and Anne Tanenbaum Chair und wie kann man Vertrauen in neue Technologien fördern? of Entrepreneurship and Family Enterprise, Die Antwort liegt im Storytelling. Schulich School of Business, York University, Toronto, Canada Die Macht von Geschichten Wie Konsumenten Tech efischer@schulich.yorku.ca nologien wahrnehmen, hängt weniger von konkreten Pro dukteigenschaften oder statistisch untermauerter Evidenz ab, sondern eher von mitreißenden Geschichten und Mythen. Nehmen IoT-Manager eine soziologische Perspektive ein, indem sie hochemotionale Geschichten über die Leistung der Tech nologien für den Einzelnen, sein Heim, seine Familie oder die Gesellschaft erzählen, können sie das Vertrauen der Konsumen ten fördern. Story-basiertes IoT-Marketing hat den wesent lichen Vorteil, dass Konsumenten leichter starke und stabile emotionale Bindungen und oft auch eine intensive Loyalität den Geräten gegenüber aufbauen.
26 Marketing Intelligence Review / Vol. 10, No. 2, 2018 / IoT-Storys abbildung 1: Gemischte Gefühle gegenüber Alexa hahaha! Gavin Hightower @ GavinHightower Lying in bed about to fall asleep when Alexa on my Amazon www.bigdesignlab.com/blog/trust-me-im-amazon Echo Dot lets out a very loud and creepy laugh... there’s a good chance I get murdered tonight. 21:46 - 25.Feb. 2018 1.934 Retweets 9.397 ,,Gefällt mir“- Angaben Jede Münze hat zwei Seiten Allerdings sind Geschichten nicht immer positiv, wie die Reaktionen auf Alexas Lachen zei gen. Sogenannte Doppelgänger-Bilder – negative Geschichten und Bedeutungen, die in der Populärkultur über eine Technolo gie kursieren – können Marken oder Technologien auch Scha » den zufügen. Sie knüpfen oft an fest verankerte Archetypen Marketingmanager sollten lernen, im Bereich der Technologien an, wie den Frankenstein-Mythos oder die Versklavung durch roboterartige Wesen – oder machen, widersprüchliche Gefühle gegenüber neuen wie eben kürzlich, Alexa zur Hexe. Solche Doppelgänger kön Technologien vorherzusehen und adäquat nen emotionale Kunden-Technologie-Bindungen unterlaufen darauf zu reagieren. sowie Misstrauen und Ablehnung gegenüber Technologien fördern. Die düsteren Doppelgänger-Bilder können durch die « Mainstream-Medien, durch Internet-Trolle oder besorgte Kon sumenten heraufbeschworen werden. Manchmal trägt auch das eigene Technologie-Marketing unbewusst zur Entstehung eines Doppelgänger-Bildes bei (siehe die Amazon-Key-Story in Box 1).
IoT-Storys / Vol. 10, No. 2, 2018 / Marketing Intelligence Review 27 { Box 1} „DER FREMDE“ – GEFAHR ODER BEREICHERUNG? Vertrau mir! Ich bin’s, Amazon! „Sprich nicht mit Fremden!“ Die meisten von uns verbinden diesen Ratschlag wohl mit Bildern von Eltern oder Lehrern, die uns davor warnen, unbekannten Menschen zu trauen. Auf der Logik des „bösen Fremden“ basiert auch Amazons Angebot „Amazon Key”, das im vergangenen Jahr in 37 Ballungsräumen der USA eingeführt wurde. Grob beschrieben handelt es sich dabei um eine gut funktionierende, vernetzte Kamera, die mit einem intelligenten Türschloss verbunden ist. Amazon Key ermöglicht eine bessere Zugangskontrolle bei gleichzeitig hoher Sicherheit, vor allem, wenn niemand zu Hause ist. Trotzdem zeigt eine aktuelle Studie des Technologie-Nachrichtenportals Recode, dass selbst unter Amazon-Prime-Abonnenten mehr als die Hälfte der Befragten Amazon Key „keinesfalls“ kaufen würden. Es scheint, dass die Menschen noch nicht bereit sind, Fremde in ihr Haus zu lassen, wenn sie selbst nicht daheim sind … Vertrau mir! Ich bin’s, Airbnb! Moment mal … hat nicht jemand anderes bereits bewiesen, dass das so nicht zutrifft? Fremden ausreichend genug zu vertrauen, um sie ins eigene Haus zu lassen, ist das Kerngeschäft der überaus erfolgreichen Beherbergungs plattform Airbnb. Vor nicht allzu langer Zeit wäre es unvorstellbar gewesen, dass jeden Tag eine Million Menschen entweder in jemandes Zuhause übernachten oder selbst jemanden bei sich aufnehmen würden. Heute ist das durchaus üblich und gilt als ganz normal. Vertrauenswürdig durch den richtigen Ansatzpunkt Amazon hat sich für einen Produkt-basierten Zugang entschieden, während Airbnb primär auf Vertrauen setzt. Amazon fördert weitgehend die fest verankerten „Sprich nicht mit Fremden“-Assoziationen, indem Cloud-Kameras und Smart-Locks als Überwachungs- und Sicherheitsinstrumente angepriesen werden. Im Gegensatz dazu setzt Airbnb auf soziologisches Denken und betrachtet das IoT als Möglichkeit, das eigene Heim als sozialen Raum neu zu definieren. Airbnb-Mitgründer Joe Gebbia erklärt das so: „Vielleicht waren die Menschen, die wir als Kinder argwöhnisch als Fremde betrachten sollten, in Wirklichkeit Freunde, die es zu entdecken galt.“ Airbnb geht bei der Sicherheitsproblematik von der Annahme aus, dass Menschen generell vertrauenswürdig sind. Der gesamte Webauftritt ist auf diese positive und marktfördernde Grundhaltung abgestimmt. Natürlich gibt es im Regelwerk Garantien, die Gastgeber bei Problemen absichern, aber diese werden ganz bewusst im Hintergrund gehalten: Airbnb will jedem verständlich machen, dass er selbst ein vertrauenswürdiger Mensch ist und dass das auch für den Großteil aller Menschen auf dieser Welt gilt. Amazon könnte von Airbnb Folgendes für die Konzeption der eigenen Leistung lernen: Auch die Mitarbeiter von Zustellungsdiensten könnte man gezielt als anständige Mitmenschen präsentieren statt als suspekte Fremde. Mehr noch als die eigentliche Technologie wird Vertrauen der Schlüssel sein, der auch Amazon die Türen öffnen wird.
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