Adventisten heute - Advent-Verlag Lüneburg
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Ausgabe Nr. 11/2020 | November | www.adventisten-heute.de | ISSN 2190-0825 adventisten Die Zeitschrift der S i e b e n t e n - Ta g s - A d v e n t i s t e n heute Rassismus anders begegnen Seite 7 Lernen ist (k)ein Kinderspiel Seite 19 Starte deine Kleingruppe Seite 21 Rassismus ab Seite 8
N e u e B ü c h e r d e s A d v e n t - Ve r l a g s L ü n e b u r g Erfahrungen und Geschichte Mit dem Morgen kommt Mike Tucker Mit dem Morgen die Freude kommt die Freude Mein Weg durch die Trauer D as ist ein sehr persönliches Buch, in dem Mike Tucker seine schmerzliche Erfahrung und inneren Kämpfe nach dem Verlust seiner Ehefrau Gayle teilt. Jahrelang gab Mike Paperback, 192 Seiten, 14 x 21 cm, 19,00 Euro (16,00 Euro für Leser- als Pastor, Seelsorger und Berater Kurse zur Trauerbewälti- kreismitglieder), gung. Nun war er es selbst, dessen Leben einem Scherben- Art.-Nr. 1986. haufen glich. Alles, was er im Laufe der Jahrzehnte über den Weg der Trauer gelehrt hatte, wurde nun auf die Probe * gestellt. Auch wenn Mikes persönliche Erfahrungen nicht eins zu eins übertragbar sind, so gibt es doch unvermeidliche Ähnlich- keiten, die bei der Bewältigung eines Verlustes Hilfe und Trost bieten können. Es ist die Hoffnung des Autors, dass * Weitere Infos wie Inhaltsverzeichnis oder Leseproben sind auf www.advent-verlag.de abrufbar. es inmitten der Trauer auch Tränen der Freude gibt, die Mut machen auf dieser schmerzlichen Reise. „Die Nacht ist noch voll Weinen, doch mit dem Morgen kommt die Freude.“ (Psalm 30,6 NLB) Der QR-Code führt Smartphones direkt zur Internetseite des Buches. Advent-Verlag Worte, die bleiben 125 Jahre Advent-Verlag 125 Jahre Advent-Verlag 84 Seiten, D ieser illustrierte Band erzählt die bewegte Geschichte Softcover mit Klappbroschur, des Advent-Verlags, von den Anfängen in Hamburg bis 18 x 18 cm, in die jüngere Vergangenheit in Lüneburg. Das Buch ist wie 9,90 Euro, folgt aufgegliedert: Art.-Nr. 1983. • Teil 1: Die Anfänge (1895–1914) • Teil 2: Ein wachsendes Werk (1914–1945) * • Teil 3: Aufbruch in eine neue Zeit (1945–1990) • Teil 4: Jahre des Wandels (1990–2020) Abgerundet wird die Jubiläumsbroschüre durch eine fortlaufend bebilderte Gestaltung. Leserkreis- Bestellmöglichkeiten • Am Büchertisch oder im Onlineshop: www.advent-verlag.de Mitglied werden • Tel.: 0800 2383680, Fax: 04131 9835-500 • bis zu 30 % Preisermäßigung • E-Mail: bestellen@advent-verlag.de • automatische Lieferung Immer auf dem neuesten Stand – sofort nach Erscheinen abonniere den E-Mail-Newsletter des Advent-Verlags! • Jahrespräsent-Buch kostenlos für Leserkreis-Mitglieder Advent-Verlag | www.advent-verlag.de www.facebook.com/adventverlag www.advent-verlag.de/leserkreis
editor ial | i nhal t Farbenblind oder nicht? aktuell | Report Aus meiner eigenen Kindersabbatschulzeit ist mir noch die Art und Weise der Gabensammlung haften 4 STA-Kurznachrichten / Adventisten in der geblieben. Es wurde ein Kästchen herumgereicht, Schweiz wählen Kirchenleitung auf dem eine kniende Figur mit Turban angebracht 5 Tagung der Verbandsausschüsse unter dem war, die einen Mann afrikanischer Herkunft darstel- Eindruck der Pandemie len sollte. Jedes Mal, wenn eine Münze durch den 6 Report: „Es gibt nur eine Menschheit“ Schlitz gesteckt wurde, nickte die Figur mit dem Kopf. Die Botschaft war: Afrikaner sind reine Emp- fänger unserer Wohltaten, die dankbar sein sollten. Kolumne Ansonsten kann man von ihnen nichts erwarten. Das alles war zwar nicht böse gemeint, prägt sich jedoch ein und formt ein Bild von Menschen, das ihnen 7 Rassismus anders begegnen zutiefst nicht gerecht wird. (Andreas Bochmann) Paulus schrieb: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Thema des Monats: Jesus.“ (Gal 3,28) Interessant finde ich das Wort „nicht“. Die verschiedenen Rassismus Identitäten werden aufgezählt, aber dann negiert – in dem Sinne, dass sie in der Gemeinde keine Rolle mehr spielen (sollen). Das steht im Kontrast zu den 8 Ein menschliches Problem (Simret Mahary) Äußerungen mancher Politiker und Aktivisten heute, die eine bestimmte Iden- tität besonders betonen – sei es eine geschlechtliche, kulturelle, soziale oder 10 V iele kleine Nadelstiche (Franklin Schultheiß) nationale. Sollen wir in der Gemeinde also „farbenblind“ sein oder eher genau 11 „Auch ich habe rassistische Gedanken …“ hinsehen, um Identitäten – und damit Unterschiede – besser wahrzunehmen? (Laurent Mutamba) / Eine Zeitbombe Bei der Einteilung von Menschen nach bestimmten Merkmalen (Geschlecht, (Amanda Phyills Benson-Tambo) Hautfarbe, Herkunft etc.) besteht die Gefahr, sie auf Grundlage dieser singulären 13 Rassismus raus! (Dennis Meier) Eigenschaft zu definieren. Eine Persönlichkeit ist aber viel zu komplex, um durch 14 Vom Busfahrer hinausgebrüllt ein einziges Merkmal definiert zu werden. Es gibt jedoch Situationen, wo genauer hingesehen werden muss – nämlich wenn Ungerechtigkeit und Diskriminierung stattfindet. Denn dann handelt die Gemeinde offenbar nicht „farbenblind“ und Adventgemeinde aktuell sollte diesen Zustand korrigieren. Leider gibt es diese Ungerechtigkeiten sowohl außerhalb als auch innerhalb der Gemeinde, deshalb wollen wir im Thema dieses 16 Lesermeinungen Monats genauer hinsehen und uns einen Spiegel vorhalten lassen. Ellen White erinnerte uns daran, was bei Gott wirklich zählt: „Weder soziale Stellung, noch Abstammung, weder die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Die Novemberausgabe von Adventist World Volk oder einer privilegierten Religion sind das Erkennungsmerkmal dafür, dass besteht aus den Lesungen zur Gebetswoche wir in Gottes Familie aufgenommen wurden. Nur die Agape-Liebe, eine selbst- für Erwachsene und Kinder. Weil diese im lose Liebe, die alle Menschen umfasst, beweist dies.“1 deutschsprachigen Raum in zwei separaten Thomas Lobitz, Chefredakteur Adventisten heute Heften erscheinen, entfällt Adventist World tl@adventisten-heute.de diesmal. (Siehe auch S. 5) 1 Das bessere Leben im Sinne der Bergpredigt, S. 78 Freikirche aktuell IMPRESSUM adventisten heute | ISSN 2190-0825 Herausgeber: Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten (119. Jahrgang) 17 Nicht zu rechtfertigen Verlag: Advent-Verlag GmbH, Pulverweg 6, 21337 Lüneburg, Ausgabe Nr. 11/2020 | November | www.adventisten-heute.de | ISSN 2190-0825 18 Eine hilfreiche Strategie, Rassismus zu begegnen E-Mail: info@advent-verlag.de, adventisten 19 Lernen ist (k)ein Kinderspiel Internet: www.advent-verlag.de; www.facebook.com/adventverlag Die Zeitschrift der S i e b e n t e n - Ta g s - A d v e n t i s t e n heute Redaktion: Thomas Lobitz (Chefredakteur, tl), Jessica Schultka (js), 20 Fan oder Nachfolger? Nicole Spöhr (nsp), Daniel Wildemann (dw). Adresse: siehe Verlag; Tel. 04131 9835-521. E-Mail: info@adventisten-heute.de, 21 steps2.one – Starte deine Kleingruppe © Mari Dein - shutterstock.com Internet: www.adventisten-heute.de 22 Missionsbücher im Advent-Verlag Anzeigen: Dorothee Schildt-Westphal, Tel. 04131 9835-521, Rassismus anders 23 Studienheft zur Bibel – jetzt neu überarbeitet! begegnen Seite 7 Fax 04131 9835-502, E-Mail: anzeigen@adventisten-heute.de Lernen ist (k)ein Kinderspiel 24 Sag Ja zu Jesus – neue Entscheidungs- Sendereihe Seite 19 Bezug: Kostenlos bei Bezug über den Büchertisch der örtlichen Starte deine Kleingruppe Adventgemeinde in Deutschland sowie online (zum Herunterladen, Seite 21 im Hope TV Speichern und Drucken) im Internet: www.adventisten-heute.de Gestaltung: Ingo Engel, München Rassismus ab Seite 8 26 Notizbrett: Termine / Gebet für missionarische Titelgestaltung: Julia Klaushardt, Hope Media Anliegen / Bibeltelefone / Soziale Gerechtigkeit ist Produktion/Druck: Strube Druck & Medien OHG, 34587 Felsberg Menschen sind vielfältig und Spendenkonto: Freikirche der STA, IBAN: DE14 6009 0100 0227 3850 04, vielschichtig, man kann sie nicht der „praktische Teil“ des Evangeliums BIC: VOBADESSXXX, Verwendungszweck: Aheu-Finanzierung nur auf ein Merkmal reduzieren. 27 Anzeigen adventisten heute | November 2020 | 3
a ktu e l l Na c h r i c h t e n Kurznachrichten Turnusgemäßer Wechsel an der Spitze Adventisten in der Schweiz wählen Kirchenleitung n Aktion „Kinder helfen Kindern“ startete Auf der alle fünf Jahre stattfindenden Generalversammlung der Schweizer Uni- am Weltkindertag on der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten haben am 20. September in Die „Aktion Kinder helfen Kindern!“ ging am Biel Delegierte aus den 57 Schweizer Adventgemeinden den Vorstand und die 20. September (Weltkindertag) in die 21. Aus- Geschäftsleitung gewählt. Als Präsident der Adventisten in der Schweiz wurde gabe, so eine Mitteilung der Hilfsorganisation Pastor Olivier Rigaud gewählt, der gleichzeitig auch Vereinigungspräsident der ADRA Deutschland e. V. Im vergangenen Jahr Adventisten in der West- und Südschweiz (FSRT) ist. Exekutivsekretär wurde seien über 35.000 Pakete durch die „Aktion Pastor Stephan Sigg, der als Präsident der Deutschschweizerischen Vereinigung Kinder helfen Kindern!“ gesammelt und in Ost- (DSV) dient. Jean-Luc Waber wurde zum Finanzvorstand gewählt, der in dieser europa verteilt worden. Funktion ebenfalls in der DSV tätig ist. Kinder litten unmittelbar unter den Aus- gangsbeschränkungen und Schulschließungen, Besetzung der Geschäftsleitung unter Trauer und Angst, bis hin zu vermehr- Es besteht eine Absprache zwischen beiden Vereinigungen, dass das Amt des ter familiärer Gewalt, heißt es in der Meldung Präsidenten sowie des Exekutivsekretärs der Schweizer Union alle fünf Jahre weiter. Der Familienstress, der durch die Krise zwischen den jeweiligen Vereinigungspräsidenten wechselt. Entsprechend die- zugenommen habe, übertrage sich auch auf die ser Regelung wechselte Stephan Sigg, der bisherige Präsident der Schweizer Kinder, die das Ausbalancieren von Arbeit und Adventisten in die Aufgabe als Exekutivsekretär und Olivier Rigaud, bisheriger Privatleben in den Familien sowie Einkommens- Exekutivsekretär, wurde als Präsident der Schweizer Adventisten gewählt. und Jobverluste bei den Eltern spürten. Der Vorstand setzt sich aus folgenden Personen zusammen: Olivier Rigaud, Neu sei diesmal vor allem, dass in diesem Jahr Präsident; Stephan Sigg, Exekutivsekretär; Jean-Luc Waber, Finanzvorstand; Pakete für Kinder im Ausland sowie in Deutsch- Eric Belloy, (FSRT); Raphaël Grin (FSRT); Karin Sbarzella (FSRT); Evelyn Studer land gepackt werden. Ins Ausland könnten aus- (DSV); Dietmar Butscher (DSV). nahmsweise keine Bananenkartons (große Sach- Laut dem Bericht des Exekutivsekretärs ist die Zahl der Adventisten in der spenden) geschickt werden. Alles über die Aktion: Schweiz in den vergangenen fünf Jahren um 281 Personen gewachsen. Dies sei https://kinder-helfen-kindern.org (APD/tl) aber primär „Transferwachstum“ und habe damit zu tun, dass mehr Adventis- ten aus dem Ausland zugewandert als ausgewandert seien. Ende 2019 gab es in n ADRA Deutschland legt Jahresbericht der Schweiz 4.818 erwachsen getaufte Mitglieder. 2019 vor Im Kalenderjahr 2019 konnte ADRA Deutsch- Institutionen und Werke der Adventisten in der Schweiz land e.V. über 18 Millionen Euro in Projekte Die Adventisten in der Schweiz führen die Privatschule A bis Z in Zürich, zwei der Katastrophenhilfe und Entwicklungszusam- Jugendhäuser, in St. Stephan und Les Diablerets, drei Senioren- und Pflegehei- menarbeit investieren. Die Bereiche Bildung, me in Epalinges, Krattigen und Oron sowie zwei Seniorenwohnheime in Gland Nahrung und Katastrophenhilfe waren laut und Krattigen, den Advent-Verlag in Krattigen sowie eine Versandstelle für Jahresbericht 2019 Schwerpunkte im Budget französische Bücher in Renens. Im Weiteren unterhalten sie dasInternationale von ADRA. Insgesamt konnte 2,5 Millionen Bibelstudieninstitut(IBSI) und das Religionspädagogische Institut (RPI) in Zü- Menschen geholfen werden. rich sowie dasInstitut d›Etude de la Bible par Correspondance (IEBC) in Renens. „Wir sind unseren Spenderinnen und Spen- In Gland befindet sich die Klinik La Lignière, spezialisiert auf Rehabilitation dern unendlich dankbar für ihr Vertrauen in bei Herz-Kreislauferkrankungen. ADRA. … Ohne die Spenden in Höhe von 3,1 Mil- Zu den gesamtschweizerischen Werken zählt ADRA Schweiz, mit Büro in lionen Euro könnten wir den Eigenanteil in un- Aarau, ein Partnerhilfswerk der Glückskette. Der APD Schweiz, Basel, richtet sei- seren Projekten nicht aufbringen.“, so Christian ne Dienste vor allem an die säkularen sowie kirchlichen Medien und kooperiert Molke, geschäftsführender Vorstand von ADRA eng mit dem APD in Deutschland. Die Schweizerische Liga Leben und Gesund- Deutschland. Molke dankte auch den institutio- heit, Zürich, bietet mit ihren Seminaren in rund 40 Ortsgruppen ganzheitliche nellen Geldgebern. Die wesentlichsten Geldgeber Gesundheitsförderung an: körperlich, seelisch, spirituell und sozial. APD/tl seien das Auswärtige Amt (AA) der Bundesrepu- blik, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), das Europäisches Amt für humanitäre Hilfe (ECHO), das Europäisches Amt für Zusammenarbeit (EuropeAid) und das Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“ (ADH). Der Geschäftsbericht 2019 von ADRA Deutschland steht zum Download unter dem © FSRT © DSV © DSV Shortlink https://bit.ly/2GiQ1VW zur Verfü- gung. (APD/tl) Das Führungsteam der Schweizer Union (v. l.): Olivier Rigaud (Präsident), Stephan Sigg (Exekutivsekretär), Jean Luc Waber (Finanzvorstand). 4 | adventisten heute | November 2020
akt uel l Nac h r i c ht en Finanzen, Nachhaltigkeit und Kleingruppenarbeit Tagung der Verbandsauschüsse unter dem Eindruck der Pandemie Am 20. September tagten die Ausschüsse des Nord- und Süddeutschen Verbandes (NDV und SDV) gemeinsam und in getrenn- ten Sitzungen, die aufgrund der gegen- wärtigen coronabedingten Einschränkun- gen digital via Zoom stattfanden. Auf der Tagesordnung der gemeinsamen Sitzung standen Berichte von Verantwortungsträ- gern der Freikirche, u. a. zur finanziellen Situation, ein Bericht über die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsumfrage (siehe Adven- tisten heute, Ausgabe Juni 2020, S. 13) so- wie Überlegungen zum Gemeindeleben in Zeiten pandemiebedingter Versammlungs- einschränkungen. Nach einer Andacht von Angelika Pfaller (Leiterin der Abteilung Frauen in beiden Verbänden), berichtete Johannes Naether im Namen beider Verbandspräsidenten über die Lage in verschiedenen Institutio- nen. So sei die Spendensituation bei ADRA © Erika Moisan derzeit stabil, ebenso bei Hope Media Eu- rope. Auch das Krankenhaus Waldfriede kommt bislang gut durch die Coronapan- demie. Laut Bericht des Finanzvorstands beider Verbände, Dieter Neef, haben sich Die Bewahrung der Schöpfung und ein Derzeit müssen sich Gemeinden etwas ein- die Zehnteneingänge mittlerweile erholt nachhaltiger, umweltschonender Lebens- fallen lassen, um zum Gottesdienstbesuch zu und stabilisiert, nachdem es im Frühjahr stil ist den meisten Adventisten wichtig, motivieren – ob vor Ort oder am Bildschirm. einen zwischenzeitlichen Rückgang gab. so das Ergebnis einer Nachhaltigkeitsum- Allerdings sind die Ergebnisse der Sonder- frage unter Gemeindegliedern, über die In der Ausschusssitzung des NDV stan- sammlungen drastisch zurückgegangen, Bert Seefeldt (Jugendabteilungsleiter im den u. a. Berichte der Liegenschaftsver- teilweise um bis zu 75 Prozent. Ein Grund NDV) informierte. Er leitet auch den kürz- waltung zu Kapellenbauprojekten und ein dafür dürfte im zeitweiligen Ausfall und lich gegründeten Arbeitskreis Nachhaltige Bericht zum Zeltplatz Friedensau auf der der anschließenden Teilnahmebeschrän- Freikirche, der das Ziel hat, dieses Anlie- Tagesordnung. kung von Gottesdiensten liegen, denn ein gen u. a. durch konkrete Vorschläge für die Die nächste Sitzung der Verbandsaus- großer Teil dieser Sammlungsgelder wird Gemeindearbeit zu fördern. Ein ausführli- schüsse findet vom 4.–7. Dezember statt, bar vor Ort gespendet. cher Bericht zu den Ergebnissen der Nach- wieder in digitaler Form. Thomas Lobitz haltigkeitsumfrage wird voraussichtlich in Herausforderungen für das der Januarausgabe erscheinen. Gemeindeleben In der Ausschusssitzung des SDV wur- Adventist World November = Bernhard Bleil, Abteilungsleiter für Ge- de anschließend die finale Version eines Gebetlesungen 2020 meindeaufbau und Evangelisation in Papiers über „Handlungsprinzipien im Wie bereits in den beiden Verbänden, sprach über die be- Umgang mit selbstständigen unterstüt- Gebetswoche vergangenen Jahren 2020 sonderen Herausforderungen, denen Orts- zenden Organisationen“ (supporting mi- entsprechen die gemeinden gegenwärtig ausgesetzt sind. nistries) beraten und beschlossen (mit Lesungen zur Durch die coronabedingten Einschrän- knapp 75 Prozent Zustimmung). Demnach Gebetswoche der kungen fällt es schwerer, Beziehungen soll es zwei verschiedene Partnerschafts- Novemberausgabe innerhalb der Gemeinde zu pflegen und programme geben: volle Kooperation und von Adventist mit missionarischen Angeboten Menschen Teilkooperation, mit entsprechend unter- Der Weg nach Hause World, die des- zu erreichen. Er ermutigte Ortsgemeinden schiedlichen Rechten und Pflichten. Jetzt Treue im christlichen Lebensstil halb nicht diesem dazu, weiterhin Gemeinschaft und Bezie- will der SDV mit dem NDV Gespräche be- Adventisten heute hungspflege zu ermöglichen und dazu ein ginnen, um eine gemeinsame Regelung der beigefügt ist. Im Dezember erscheint Netzwerk von Kleingruppen aufzubauen Verbände in dieser Angelegenheit zu ver- Adventist World wieder in gewohnter Weise. sowie digitale Medien verstärkt zu nutzen. einbaren. adventisten heute | November 2020 | 5
Re po r t „Es gibt nur eine Menschheit“ Neue Stellungnahme der Weltkirchenleitung zu Rassismus D er Verwaltungsausschuss (ADCOM) Stimmen aus der Weltkirchenleitung Weltkirchenleitung sei eine halbherzige der Generalkonferenz (Weltkirchen- Ella Simmons, eine Vizepräsidentin der Anerkennung des Leids. Er zitiert aus dem leitung) der Siebenten-Tags-Adven- Generalkonferenz, leitete das Gremium, Dokument: „Wir entschuldigen uns, wenn tisten hat am 15. September eine Erklärung das die Erklärung mit dem Titel „Eine wir in der Vergangenheit in diesen Angele- zu zwischenmenschlichen Beziehungen, Menschheit: Stellungnahme zu zwischen- genheiten nicht mutig genug gesprochen Rassismus, Kastenwesen, Stammesdenken menschlichen Beziehungen, Rassismus, oder gehandelt haben“. Thompson entgeg- und Ethnozentrismus verabschiedet. Auf- Kastenwesen, Stammesdenken und Ethno net: „Sie haben überhaupt nichts gesagt, grund der jüngsten Ereignisse in Nordame- zentrismus“ erarbeitete. Sie betont, die- noch gehandelt. Und durch ihr Schwei- rika hatte das Büro für öffentliche Ange- ses Dokument solle nicht nur Fragen des gen demonstrierten sie Ihre Komplizen- legenheiten und Religionsfreiheit (PARL) Rassismus in einer bestimmten Region schaft … Die Erklärung klingt beinahe zu einer solchen Stellungnahme gedrängt. ansprechen, sondern ebenso globale Fra- mitfühlend, aber letztlich hohl. Allgemei- Ganoune Diop, PARL-Direktor am Sitz gen der Diskriminierung. Weiter sagte sie: ne, nebulöse Aussagen sprechen nieman- der Weltkirchenleitung, erklärt, warum „Obwohl Rassismus in den USA einen ein- den an.“ diese Stellungnahme im heutigen Klima zigartigen Charakter hat, ist Rassismus, wichtig sei und verwies dabei auf das welt- egal wie er genannt wird, ein globales Erwartung an Würde und Respekt jedem weit gestiegene Bewusstsein für die „Ras- Phänomen. Angesichts des globalen Cha- Menschen gegenüber sismus-Pandemie“. „Wenn es um die Kirche rakters unserer Kirche und des weltweiten Die Verantwortungsträger der Kirche der der Siebenten-Tags-Adventisten geht, ha- Erwachens in Anbetracht der anhaltenden Siebenten-Tags-Adventisten betonen je- ben wir in unserer DNA den Gedanken der Demonstrationen von Rassismus war es doch, dass diese neue Erklärung ein Aufruf Gleichheit, weil wir zu denen gehören, die notwendig, eine Erklärung zu verfassen, an jedes Gemeindeglied sei, die Liebe und an die Schöpfung glauben“, so Diop. Es die sich nicht nur auf eine bestimmte Re- den Frieden Christi in ihren Gemeinden gebe nur eine Menschheit und Rassismus gionen der Welt konzentriert, sondern die zu demonstrieren. Simmons unterstreicht: sei die Verleugnung der Menschenwürde Beziehung und den Zusammenhang dieser „Dies ist mehr als eine Erklärung.“ Es sei einer nach dem Bild Gottes geschaffenen Themen weltweit anerkennt.“ eine deutliche Deklaration der Position Person. Die Prinzipien und Werte, die die der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten Freikirche kennzeichne, bedeuteten, dass Kritik an der Stellungnahme zu menschlichen Beziehungen. Es sei die „unsere Stimme in dieser Frage gehört Es gibt auch kritische Stimmen, beispiels- Veranschaulichung von Gottes Ruf an sein werden sollte“. Die Herausforderung für weise vom Afro-Amerikaner Christopher C. Volk, wie es die christliche Liebe in die Tat alle Adventisten bestehe darin, diesem Thompson, Direktor für Kommunikation umsetzen sollte. Es sei eine dringende Er- Ideal gerecht zu werden. und Marketing beim adventistischen Fern- wartung und ein klarer Ausdruck dessen, sehsender „Breath of Life“ (Brot des Le- wie sie als Kirche zusammenleben werden bens). Das TV-Programm wendet sich seit und was sie dem Rest der Welt vorleben 1974 vornehmlich an afro-amerikanische werden, wo immer sie auch seien. Und Ge- Zuschauer. „Beim Lesen der Erklärung neralkonferenzpräsident Ted Wilson fügt hatte ich das Gefühl, der Autor zwinkert hinzu: „Die Gemeindeglieder werden Ge- mir zu. Er winkt mir nicht zu oder ruft legenheit haben, dies im realen Leben zu mir zu, sondern zwinkert mir einfach nur demonstrieren, jeder Einzelne von uns und © Emily Mastrapa / ANN genervt zu“, so Thompson. Er frage sich, die Kirche als Ganzes auf der ganzen Welt. warum es so schwer sei, das Problem di- Gott wird alle Mittel bereitstellen, die not- rekt anzusprechen. Es müsse ein spezifi- wendig sind, um den Menschen zu zeigen, sches, direktes und offenes Eingeständnis dass wir, wenn der Geist Christi herrscht, Ganoune Diop, Leiter des Büros für öffentliche des Unrechts geben. jedem Menschen Würde und Respekt er- Angelegenheiten und Religionsfreiheit der Ge- Und dann sei da noch das Problem der weisen können.“ neralkonferenz, war die treibende Kraft hinter Entschuldigung. „Hat Ihnen schon einmal Zum Originaldokument in englischer der Stellungnahme zu Rassismus, Kastenwe- jemand gesagt: ‚Es tut mir leid, dass ich Sprache (Shortlink): https://bit.ly/3jCJ0xh sen, Stammesdenken und Ethnozentrismus. Ihnen wehgetan habe?‘“ Die Version der APD/tl 6 | adventisten heute | November 2020
Ko l u m n e Rassismus anders begegnen „ … allen Nationen, Stämmen, Sprachen und Völkern“ S eit die Bilder der Tötung von George Floyd in den sozialen Medien um die Welt gingen, ist das Thema Rassismus wieder in aller Munde. Ich habe das Video gesehen – die vollen 8 Minuten und 46 Sekunden, in denen ein Polizist mit seinem ganzen Gewicht sein Knie auf den Hals des bereits in Handschellen am Boden Liegenden drückte. Ich habe auch die Aufnahmen seiner Festnahme gese- hen. „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ war für mich nicht erkennbar. Ja, ich habe eine Meinung zu Rassismus und hatte sie auch schon vor jenem Tag im Mai. Als Adventist, der ein „ewiges Evangelium allen © Atstock Productions – shutterstock.com Nationen und Stämmen und Sprachen und Völkern“ verkündigen möchte (Offb 14,6), ist mir jedes Ge- dankengut von Übermensch und Untermensch, von Wertunterschieden aufgrund der Farbe der Haut, des Passes oder des Sprachklangs fremd. Als Bürger des Reiches, das nicht von dieser Welt ist (Phil 3,20; Joh 18,16) und als nachkriegsgeborener Deutscher reagiere ich empfindlich auf Nationalismen und Patriotismen – egal ob mit braunem, blauem oder rotem Hintergrund. tes weiß ich das wohl und bemühe mich um Sen- Zusammen sind wir alle Und doch werde ich herausgefordert – durch sibilität. Aber ist das wirklich die Antwort auf stärker! die Frage, ob ich etwa nicht zur Gruppe der „alten Rassismus? weißen Männer“ gehöre, also besonders privilegiert Statt Wortklauberei und pflichtbewusstem Be- sei, es leichter im Leben hatte und habe, aufgrund dauern der „armen Unterdrückten“, wünsche ich meiner Herkunft, meiner Hautfarbe, meines Ge- mir, was wir neudeutsch „Empowerment“ nennen: schlechts. Ja, das kann ich schwerlich leugnen! Und Menschen zu stärken, aufzurichten, zu befähigen, so gerate ich unter einen Rechtfertigungsdruck, als den Schöpfer des Lebens und aller Vielfalt zu prei- ob ich etwas dafür könnte und mich schuldig zu sen (vgl. Lk 13, 10–13). fühlen hätte. Aber dort, wo die „Rassismus-Karte“ Ich persönlich erinnere mich gern an die Reak- ausgespielt wird – also der verdeckte oder offene tion Friedensaus, nachdem ein schwarzer Student Vorwurf der Unterdrückten gegen angebliche Un- am Bahnhof Burg von Neonazis zusammengeschla- terdrücker, wird zugleich die Opferrolle zementiert. gen wurde. Da gingen Gruppen von internationalen Dadurch wird zwar Nach- und Rücksicht geübt, aber Studierenden an die Schulen im Umland und koch- es entsteht keine echte Aufarbeitung. Das scheint ten gemeinsam mit den Kindern exotische Gerichte. mir wenig hilfreich. Begegnung, Dialog, Abbau von Vorurteilen – und Woran machen wir Rassismus überhaupt fest? leckeres Essen. Ich muss Gewalt nicht mit Gewalt Es ist wichtig geworden, ob ich einen stark pig- begegnen, ich muss mich weder in eine Opferrol- © privat mentierten Menschen als „Schwarzen“ bezeichne le flüchten noch in politische Korrektheit retten, oder das ältere Wort verwende, das zwar aus dem sondern kann die Gott gegebene Vielfalt kreativ Andreas Bochmann Lateinischen kommend exakt das gleiche bedeu- gestalten und feiern, sogar meine Gaben und Pri- Ph. D., Professor für tet, aber eben diskriminierend sei, weil es mit vilegien dabei zum Guten einsetzen. Darin wird Beratung und Seelsorge der Kolonialgeschichte und Sklaverei verbunden ewiges Evangelium für alle Nationen und Stämme, an der Theologischen ist. Ja, Sprache ist wichtig – als Mann des Wor- Sprachen und Völker lebendig. ■ Hochschule Friedensau. adventisten heute | November 2020 | 7
T he m a d e s M o na ts Ein menschliches Problem Moderner Rassismus und seine Erscheinungsformen R assismus ist ein tiefverwurzelter Bestandteil fortschrittlich und unterentwickelt, modern und menschlichen Denkens, Fühlens, Sprechens rückständig, globalem Norden und Süden, West und und Handelns. Er erwächst zum einen aus ei- Ost u. v. m. sind irreführende, gleichwohl kulturell ner tiefen Furcht vor der eigenen Bedeutungslosig- etablierte und verfestigte Kategorien von Welt- keit. Zum anderen wird er aus einem unersättlichen wahrnehmung- und Besprechung, die einen Nähr- menschlichen Geltungsdrang und dem Wunsch boden für rassistisches Denken bereiten. Diese sich nach Macht und Einfluss angetrieben. selbst bestätigenden und wirksamen Gegenüberstel- Dieses tiefsitzende, unbewusste menschliche lungen, die sich den vermeintlich „Anderen“ ver- Element entzieht sich oftmals der eigenen Wahr- stehbar – und zuweilen auch gefügig – zu machen nehmung. Dennoch wird es gespeist von Sozialisati- versuchen, täuschen über tiefliegende, globale Ver- onserfahrungen, die sich in Sprache, Umgangsform flechtungen hinweg, und verschleiern geschichtlich und Kultur niederschlagen und in Kernfamilien, und strukturell gewachsene Ungleichheiten.1 Bildungseinrichtungen und gesellschaftlich-kultu- Strukturell und sprachlich verortete Rassismen rellen Phänomenen wie Musik, Bild, Literatur, Film, finden im Alltag ihren Niederschlag dort, wo Name, Bildung weiterformen und sich verfestigen. Dabei Hautfarbe, Herkunft, Religion und religiöse Sym- sind seine in sozialen Systemen innewohnenden bole mit etablierten inneren Bildern abgeglichen und sowohl geschichtlich als auch strukturell ge- werden und sich in struktureller Benachteiligung, wachsenen Formen wirkmächtiger als manch flache Bevormundung oder auch in Mitleid und Helfer- Ausdrucksformen, die sich in alltägliche diskrimi- drang übersetzen. nierende Sprache kleiden. So wird die eigene bewusst oder unbewusst einge- nommene privilegierte Position, oder die vermeintli- Problematische Kontrastierungen che Gefährdung derselben, zu einem Ausgangspunkt Kontrastierungen (Gegenüberstellungen) zwischen für die Interpretation eines vermeintlich „Ande- einer vermeintlich ersten und dritten Welt, einem ren“ gesetzt. Der zum „Andersartigen“ erklärte euro-amerikanischem Zentrum und einem „Rest- wird entsprechend freundlich bevormundet, höflich Wirklich „andersartig“? der-Welt“, zwischen zivilisiert und unkultiviert, ausgegrenzt, mitleidig beschützt, besserwisserisch aufgeklärt, im Arbeits- und Wohnungsmarkt be- nachteiligt, auf eine bestimmte kulturelle Position begrenzt und karikiert. Dabei wird die eigene Posi- tionierung, die sich zuweilen als ein „wir sind nun mal kulturell unterschiedlich geprägt“, gebärdet, als eine aufgeklärte und objektive Meinung eingestuft. Folglich sehen sich Menschen in der Pflicht den „Anderen“ aufzuklären, zu tolerieren, ihm bei der Integration zu helfen2, Patenschaften für arme Kin- der in Afrika zu übernehmen, sich sozial-karitativ in so genannten Entwicklungsländern zu engagie- ren. Sie nehmen an Evangelisationskampagnen in fernen Ländern teil und posten Bilder von errichte- ten Schulen und Gebäuden mit freundlich lächeln- den und dankbaren Menschen in sozialen Medien. © Clay Banks – unsplash.com Wenn zudem nach der Rückreise mit gebräuntem Gesicht auf lächelnde Freunde in verschiedenen Ländern hingewiesen werden kann, dann ist das Gemüt zufrieden und das Gewissen rein. Ja, man kann sogar mit Berechtigung zusätzlich zuhause 8 | adventisten heute | November 2020
Ras s is m u s eine syrische Familie zu sich einladen und über be- Ansätze zur Veränderung stimmte Parteien schimpfen, die fremdenfeindliche Was können wir gegen Rassismus tun? Hier sind ein Parolen verbreiten. paar Ansätze, die uns helfen können. Es kommt nämlich nicht gut an, wenn eine gut aufgelegte Gesellschaft, in der von süßen af- Globale Geschichte wahrnehmen rikanischen Kindern geredet wird, oder davon, wie Es gibt geschichtlich gewachsene Ungleichheiten und Afro-Amerikaner bei ihren Predigten befremdlich Ungerechtigkeiten, bei der von Europa und Nordame- schreien, dass rhythmische schwarze Musik teuf- rika aus viel Unheil an afrikanischen, südamerika- lisch ist, Osteuropäer einen eher gesetzlichen, mo- nischen, nah- und fernöstlichen Völkern geschehen ralistischen Zugang zum Glauben haben, vor An- ist, das die Welt bis heute in Mitleidenschaft zieht.3 gehörigen dieser Gesellschaft offen kritisiert wird. Schon gar nicht mit starkem russischem Akzent Ihren Geschichten zuhören oder fehlerhafter Grammatik. Hören wir den Geschichten derjenigen zu, die Ras- sismus erleben und benachteiligt werden. Es gibt Rassismus konkret strukturellen Rassismus in Deutschland, bei dem Wie sieht struktureller Rassismus im Alltag aus? Menschen mit dunkler Hautfarbe, Migrationshinter- Hier sind ein paar Beispiele. grund oder einer anderen Religion im Arbeits- und Die indischen Freunde sind ganz nett und ihre Wohnungsmarkt benachteiligt und ausgegrenzt Gastfreundschaft ist entzückend. Nur ihnen eine werden.4 Es gibt Alltagsrassismus in Kirche und Ge- Wohnung vermieten – lieber nicht, denn den Ge- sellschaft, der sich in subtiler und oft unbewusster ruch der Räucherstäbchen kriegt man nicht aus der Weise ausdrückt und sich hinter einem Überlegen- Wand, wenn sie wieder ausziehen. heitsgefühl, Gutmenschentum, Bevormundung und Frau Ibrahim ist sehr freundlich und kompetent, Religiosität verbirgt und verfestigt. Fragen wir uns, aber sie mit ihrem Kopftuch im Kindergarten an- wie sich das bei uns selbst ausdrückt. stellen? Lieber nicht. Die Kinder könnten falsch geprägt werden. Hinhören und handeln Herr Mahary ist ein großartiges Beispiel für ge- Machen wir den kulturell, religiös, farblich ver- lungene Integration, und sein Deutsch ist fantas- meintlich „Anderen“ nicht zum „Andersartigen“, tisch. Aber wenn er von strukturellem Rassismus indem wir uns ihm im Rahmen eines vorgefertig- in Deutschland spricht, der sich sowohl im Arbeits- ten Bildes annähern, das bestätigt, überrascht oder und Wohnungsmarkt ausdrückt, ebenso bei der Po- enttäuscht wird. Nehmen wir ihn vielmehr als ein lizei, dann fragen wir uns, ob er da nicht etwas individuelles Gegenüber wahr, das sich vor unseren übertreibt. Deutschland ist doch ein gutes Land! Augen öffnet, ausdrückt und das zur Sprache und Sollten er und seinesgleichen nicht vielmehr dank- zur Erfahrung bringt, was ihn ausmacht und was bar sein, für die Möglichkeiten, die sie hierzulande wir von ihm lernen können. bekommen haben und was sie geschafft haben? Ganz praktisch, wo es möglich ist: bieten wir Rassismus wirkt dort am stärksten, wo wir mehr die Wohnung oder den Arbeitsplatz denen an, die damit beschäftigt sind, uns zu vergewissern, dass sonst kaum eine Chance hätten. Übertragen wir wir keine Rassisten sind, als uns damit zu beschäf- Verantwortung und lassen Veränderung zu – in der tigen, wie die vermeintlich „Anderen“, oder sogar Gemeinde, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, „Integrierten“ ihren Alltag in der deutschen Gesell- in der Gesellschaft. schaft erleben. Dabei sind sie vor unserer eigenen Rassismus erkennen und bewältigen. Vor uns Haustür und wir könnten sie dazu fragen. Und doch liegt ein weiter Weg. Gehen wir ihn. ■ wäre es nicht verwunderlich, wenn sie sich zunächst nicht öffnen, ihre Wunden verbergen oder sich viel- 1 Dipesh Chakrabarty, Provincializing Europe, Postcolonial Thought and Historical Difference, Princeton University Press, Princeton, 2000 leicht sogar in dankbarer Abhängigkeit der ständig 2 Den Begriff „gesellschaftliche Teilhabe“ empfinde ich als hilfreicher als den erfahrenen Herabsetzung nicht bewusst sind. Wenn Begriff der „Integration“, die von Mitte und Peripherie einer Gesellschaft ausgeht, und eine Norm aufstellt, an der sich Menschen zu messen und zu sie sich sogar über die Anerkennung freuen, die sie orientieren haben. bekommen, und verdrängen, mit wie viel Kraft es 3 Hier sind einige Quellen, die dabei helfen können u. a. die Geschichte des Sklavenhandels, der Kolonisierung und des Nahostkonflikts mit ihren nach- für sie verbunden ist, sich anzupassen und doppelt haltigen Auswirkungen zu verstehen. Simret Mahary anzustrengen, um bloß nicht aufzufallen. „Der Menschenhandel – eine kurze Geschichte der Sklaverei“ (1-4) https:// (M. Th., M. A. Trans www.arte.tv/de/videos/RC-016061/menschenhandel-eine-kurze-geschichte- Rassismus wirkt destruktiv. Und wir sind ein Teil der-sklaverei/; cultural Studies) ist davon. Am meisten nachteilig wirkt er aber für die- „Die Entkolonialisierung – die Befreiung der Kolonien“ (1-3) https://www. Leiter der PRESENCE arte.tv/de/videos/RC-018466/die-entkolonialisierung/; jenigen, die anders aussehen als die vermeintliche „Mein gelobtes Land“ (1/2): https://www.arte.tv/de/videos/073890-001-A/ kulturlounge in Frank- Norm, andere Namen tragen, anders sprechen, an- mein-gelobtes-land-1-2/ furt am Main und Pas 4 „ Diese Bewerber finden Personalchefs am besten“ https://www.spiegel. ders glauben und scheinbar nicht so weit sind, wie de/karriere/jobsuche-wzb-studie-bewerber-werden-ethnisch-diskriminiert- tor der Adventgemeinde wir – wirtschaftlich, politisch, kulturell, religiös. a-1211452.html Frankfurt-Zentrum. adventisten heute | November 2020 | 9
T he m a d e s M o na ts Viele kleine Nadelstiche Wie Rassismus wirkt © Ehimetalor Akhere Unuabona – unsplash.com W ir haben einige Pastoren und Studierende der Theologischen Hochschule Friedensau gebeten, über ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus zu berichten. Dazu stellten wir fol- gende Fragen: • Was ist für dich Rassismus/rassistisches Verhalten? • Wo hast du schon mal Rassismus erlebt (innerhalb und außerhalb der Gemeinde)? Was ist passiert? „Rassismus ist ein Virus und wir sind der Impfstoff • Wie hast du darauf reagiert? Wie reagierst du dagegen.“ heute darauf? Auf den folgenden Seiten sind ihre Antworten her?“ Dies suggeriert, dass man nicht dunkelhäutig zu lesen. sein und aus Deutschland kommen kann. Dadurch Auf die Frage, was für mich Rassismus ist, werde kann einem ein „Im-eigenen-Land-nicht-zu-Hause- ich hoffentlich so manchen zum kritischen Nach- sein-Gefühl“ vermittelt werden. denken bewegen, das eine oder andere auch her- Diese Fragen unterstellen, dass die angespro- vorrufen. Rassismus ist (nicht erst seit der „Black chene Person nicht aus dem eigenen Normkontext Lives Matter“-Bewegung) viel eher ein System, als kommt. Andere Beispiele wären: „Ihr könnt alle so eine Tat mit Vorsatz und Absicht. Viele denken, gut tanzen“, oder „Schokobabys sind die süßesten“. dass Rassismus ein Akt oder eine Handlung ist, Eine Steigerung wäre es, wenn Menschen das N-Wort die lediglich von Rechtsradikalen ausgeht, von den (Neger), Mischling oder Mulatte verwenden. Dies ist „anderen“. Rassismus geschieht jedoch oft unbeab- bei mir persönlich sowohl außerhalb als auch inner- sichtigt. Durch Kommentare, Blicke und anderen halb der Gemeinde bereits vorgekommen. Handlungen, ganz oft ohne bestimmte Absicht. Ich habe sehr unterschiedlich auf Rassismus re- Bei rassistischen Äußerungen muss der Wirkung agiert, sei er physisch oder verbal: beispielsweise mehr beigemessen werden als der Absicht. Hier bewusst ignoriert oder mit Humor, je nach Befind- hat der Geschädigte die Deutungshoheit (voraus- lichkeit, Situation und Gegenüber. Es sei aber noch gesetzt, es gibt keine anderen Motive) – auch ge- gesagt: Rassismus tut weh und ist anstrengend. Es genüber Aussagen wie „das war nicht so gemeint!“ löst Stress aus und fühlt sich an wie viele Nadelsti- oder „sei doch nicht so empfindlich“. Die Wirkung che – sie töten nicht, aber machen das Leben unge- ist ausschlaggebend. Ich kann jemandem die Hand mütlich und mindern die Lebensqualität. Einerseits Franklin Schultheiß brechen, ohne das dies Absicht war. Dies hat keine hat man das Gefühl, gesehen zu werden, aber doch Jugendpastor in Nürn- Auswirkung auf den Schaden, aber möglicherweise nicht wirklich gesehen zu werden. berg, wuchs zwischen auf die Beziehungsebene. Ich bin mir sicher: Viele Zuletzt seien noch zwei Dinge erwähnt: Ich has- zwei Kulturen und Menschen wollen nicht rassistisch sein. se es, als „Opfer“ dazustehen und kann auch sagen, zwei Kontinenten auf In der Welt, in der wir leben, ist Rassismus seit dass ich in meinem Lebensalltag sehr dankbar sein und lebte dabei in Jahrhunderten tief verankert. Stichworte sind: darf, aber gleichzeitig habe ich nicht den Luxus, fünf Ländern und über Kolonialisierung, Sklaverei, Imperialismus und die mich nicht mit Rassismus zu beschäftigen zu müs- neun Städten. Dabei dazugehörigen Theorien und Konstrukte (Rassen- sen und davon nicht betroffen zu sein. Ich möchte verbrachte er die meiste theorien usw.), um die kognitive Dissonanz zu lö- jede/n Leser*in einladen, sich mit dem Thema kri- Zeit seines Lebens sen, die diese Handlungen begleiten. Er steckt in tisch zu befassen und die eigene Position – nicht in Deutschland und Kinder- und Schulbüchern, digitalen Medien und nur im Hinblick auf unser Weltbild und unsere identifiziert sich als Sprachen. Bezeichnungen wie „racial profiling“ und christliche Ethik (wir sind alle gleich nach Gottes Afrodeutscher mit dem „white privilege“ sollten in diesem Zusammenhang Bild geschaffen – 1 Mo 1,26) – zu reflektieren und Anspruch, mit Gottes bekannt sein. Einige Sätze, die als rassistisch wahr- sich selbst im Alltag zu beobachten. Hilfe das Beste aus bei- genommen werden können: „Du kannst aber gut Für Fragen und Anregungen stehe ich gern zur den Welten zu sein. Deutsch sprechen“, oder „Wo kommst du (wirklich) Verfügung. Gott mit euch! ■ 10 | adventisten heute | November 2020
Ras s is m u s „Auch ich habe rassistische Gedanken …“ Ich habe Rassismus schon in allen Formen erlebt: Beleidi- Eine Zeitbombe gungen, körperliche Gewalt, Was eine Studentin der ThH-Friedensau Mobbing etc. Auch in der Ad- erlebt hat ventgemeinde erlebe ich bis Der am häufigsten erweckte Eindruck, den meine heute regelmäßig Rassismus. Erfahrungen mit Rassismus in Deutschland hinter- Angefangen mit „kleinen Wit- lassen haben, ist die Entschuldigung, das rassisti- zen“ über afrikanische Ver- sche Verhalten sei unbeabsichtigt gewesen. „Afri- haltensweisen, wie zum Beispiel, „dass Afrikaner kaner sind langsam, Deutsche sind schnell dabei, immer zu spät kämen“. Auch solche pauschalen Probleme zu lösen.“ Während wir mit dem Vermie- Sätze, scherzhaft ausgesprochen, können eine ras- ter des Apartments meiner schwarzen Freundin sistische Wirkung haben. darüber diskutierten, wie man einen seit längerer Ein Erlebnis möchte ich kurz beschreiben: Ein Zeit verschwundenen Schlüssel ersetzen könnte, Glaubensbruder fragte mich, woher ich käme. Als erklärte er: „Das ist der Unterschied zwischen Af- ich ihm sagte, dass ich in Offenbach geboren sei, rikanern und Deutschen: Ein Deutscher hätte diese schüttelte er den Kopf und fragte woher ich wirklich Situation nicht hingenommen; er wäre längst ge- käme. Als ich dann fragte, ob er wissen wollte, wo kommen und hätte innerhalb weniger Tage einen meine Eltern herkommen, weil ich ja eine braune neuen Schlüssel bekommen.“ Ich fragte mich, wie- Hautfarbe habe, nickte er. Ich sagte ihm, dass meine so er meiner Freundin etwas unterstellen wollte, Mutter aus Tschechien und mein Vater aus Afrika denn er gab ihr einen neuen Schlüssel. Ich dachte: kommt. Dann sagte mir der Glaubensbruder, dass das „Wieso können wir nicht über den Schlüssel reden nicht schlimm sei, da Gott ja alle Menschen lieb hat. ohne eine Bezugnahme auf Afrika?“ Ich möchte noch hinzufügen, dass der Bruder selbst Aufgrund der Coronavirus-Pandemie war es keine deutschen Wurzeln hatte, sondern Rumäne schwierig, in den Sommersemesterferien einen Job war. Das Gespräch war auf der einen Seite verstö- zu finden. Ich war sehr erfreut, als ich schließlich rend, aber gleichzeitig auch irgendwie witzig. Aber einen bekam. Ich machte mir jedoch nicht viele Ge- auch diese Begebenheit hatte rassistische Züge. danken über mein Image auf der Arbeit. Zunächst Ich denke, dass auch viele Adventisten ihre „Mind- trug ich eine Perücke; als ich mich schließlich ent- sets“ (Denkweise) prüfen müssen. Auch heute noch. schied, mein natürlicherweise dickes afrikanisches Ich glaube, dass Rassismus in uns allen steckt. Haar zu zeigen, erhielt ich allerlei Vorschläge, die Auch ich habe oft rassistische Gedanken und muss ein unangenehmes Gefühl hinterließen. „Binde daran arbeiten. Ich selbst habe auch Vorurteile und dein Haar zusammen, damit du schön aussiehst“, denke über „die Deutschen“, „die Türken“, „die sagte ein Kollege zu mir. Dieser Kommentar ließ Asiaten“, „die Albaner“ und „die Afrikaner“ oft in mich über die Wahrnehmung von Schönheit und Schubladen. schwarzen afrikanischen Haaren in Deutschland Wir alle stehen in der Gefahr, Menschen in nachdenken. Schubladen zu stecken, aber gemäß der Bibel wer- Ich musste auch ständig abschätzen, wie Leu- den keine Volksgruppen vor dem Richterstuhl Got- te mich behandeln, und mich fragen: „Hat die- tes stehen, sondern jeder einzelne Mensch (Röm ser Kommentar oder diese Behandlung etwas mit 14,11–13). Jeder einzelne Mensch ist anders und meiner afrikanischen Identität, meinem Aussehen wird für sich selbst Rechenschaft vor Gott ablegen oder damit zusammenhängenden Stereotypen zu müssen. Mir ist wichtig geworden, dass ich nicht tun?“ Diese Verbindung herzustellen ist für mei- selbst in Rassismus verfalle, weil das oft schneller ne Reflexionen und Reaktionen wichtig geworden. passiert, als man denkt. Es ist einfach, jede feindselige Tat aufgrund der Laurent Mutamba ist mit Begeisterung Sprachbarriere, schlechter Behandlung als Kunde Bezirkspastor in Gießen oder Unterschieden im kulturellen Hintergrund als adventisten heute | November 2020 | 11
T he m a d e s M o na ts Rassismus zu werten, wenn das gar nicht der Fall mittelt (obwohl das nicht auszuschließen ist), eine Weitere Erfahrungs- ist. Der Vorschlag, mein Haar zusammenzubinden, weiße Hautfarbe oder Abstammung sei anderen berichte sind auf den hätte mir nichts ausgemacht; wenn er jedoch mit überlegen. Die deutsche Gesellschaft muss sich aber Seiten 14 und 18 zu Schönheit in Verbindung gebracht wird, dann hat ihrer Taten und ihres Nichtstuns bewusst werden, lesen. er meiner Meinung nach viel damit zu tun, dass die rassistische Tendenzen schleichend auf Kinder schwarzes afrikanisches Haar zerzaust aussieht. überträgt. Es hat den Anschein, dass sich nur we- Ich war mit einer Kollegin Einkaufen gegangen. nige Deutsche in Diskussionen über Rassismus en- In einem Supermarkt liefen zwei weiße Kinder mit gagieren; er wird als ein Problem für Angehörige leeren Einkaufswagen ständig um mich herum. Sie anderer Ethnien angesehen. Uns wird manchmal lachten dauernd und rochen jedes Mal an ihrem gesagt, dass bei Ummeldungen auf den Ordnungs- T-Shirt, wenn sie mir nahe kamen. Als ich ihre ämtern die ethnische Herkunft nicht erfragt wird wiederholten Aktionen bemerkte, wurde mir unge- und daher der Rassismus bei uns erledigt sei. Es mütlich, und ich beendete schnell meinen Einkauf. erfordert jedoch mehr als das, um Deutschland von In einem nahe gelegenen Bekleidungsgeschäft folg- Rassismus zu befreien. In deutschen Zeitschriften te mir eine Verkäuferin die ganze Zeit. Ich fragte und Werbeanzeigen werden schwarze Afrikaner mich, was ich getan hatte. Während andere Kunden oder schwarze Deutsche selten dargestellt. Mir ist zwanglos shoppen konnten, wurde ich auf Schritt auch aufgefallen, dass es oft um Angelegenheiten und Tritt verfolgt. Ich war jedoch zu verlegen, um des Rassismus geht, wenn schwarze Afrikaner oder zu fragen, warum ich die Einzige war, die so be- schwarze Deutsche interviewt werden. Sicherlich handelt wurde. Als ich meinen Einkauf beendet haben sie mehr anzubieten und mitzuteilen, als hatte, schrie mich die Verkäuferin an, weil eine sich nur über dieses Thema zu äußern. Und wie Jacke nicht auf einem Bügel hing. Da ich beobach- sieht es in der Politik, der Wirtschaft, der Wissen- tet hatte, dass sie ganz ruhig mit einem weißen schaft, dem Transportwesen und der Modewelt aus? Ehepaar umgegangen war, bekam ich den Eindruck, Werden schwarze Afrikaner und schwarze Deutsche dass eine Art von rassistischem Profiling stattfand. dort ausreichend repräsentiert? Falls die Antwor- Auf dem Campus der Hochschule hatten wir ein ten darauf nicht zufriedenstellend sind, sollten wir interaktives Treffen über Rassismus. Ich bin sicher, eher eine übergreifende Herangehensweise an das dass die Einladung dazu allen Studenten zugesandt Thema diskutieren. Es geht um mehr als um die worden war; es tauchte jedoch kein weißer Student Frage von ethnischer Identifikation oder Hautfar- zur Diskussion auf. be. Welchen Status, welche Ausbildung und Berufe und welche Gelegenheiten, ihren Lebensunterhalt Bewusst und unbewusst zu verdienen und aufzusteigen, besitzen Afro- „Wenn du denkst, Aufgrund dieser und anderer vorheriger Erfahrun- Deutsche oder Afrikaner in Deutschland? diese Maske macht es gen habe ich über zwei Angelegenheiten nachge- Abschließend möchte ich sagen, dass niemand dir schwer zu atmen – dacht. Zuerst müssen wir anerkennen, dass Ras- vor Rassismus gefeit ist; es ist eine Einstellung, versuche es mal damit, sismus eine Diskriminierung ist, die bewusst oder die jeder besitzen kann. Jemand, der rassistische ein Schwarzer in Amerika unbewusst gelehrt und still oder aggressiv ausge- Beurteilung oder Diskriminierung erlebt hat oder zu sein.“ (Demonstration drückt werden kann. Ich will mir nicht vorstellen, Opfer irgendeiner Stereotype war, kann unbewusst in Washington D.C.) dass jemand explizit Kindern die Vorstellung ver- darauf mit der Etikettierung oder Ausgrenzung des Rassisten und seiner ethnischen Angehörigen re- agieren. Manchmal ist Rassismus eine Reaktion auf Rassismus – Rassismus sät Rassismus. Man kann innerlich das Verhalten eines rassistischen Täters als repräsentativ für die gesamte Volksgruppe anse- hen, der er angehört. Warum sage ich das? Des Öf- teren musste ich einige meiner schwarzen Kollegen korrigieren, die herabwürdigende Aussagen über weiße Deutsche machten. Als ich das tat, erklärten sie mir, dass weiße Deutsche solche Kommentare verdienten, weil man sie als Rassisten sah. Wenn wir all dies bedenken, was ist dann not- © Clay Banks – unsplash.com wendig, um zu erkennen, dass Rassismus in jeder Gesellschaft eine Zeitbombe darstellt? Amanda Phyills Benson-Tambo (25), kommt aus Ghana und studiert International Social Sciences (Development Studies) an der ThH-Friedensau 12 | adventisten heute | November 2020
Ras s is m u s Rassismus raus! Die Menschen sehen lernen, wie Gott sie sieht I ch soll etwas zu Rassismus schreiben. Weißer Mann belehrt weiße Menschen über Rassismus? Das kann doch nur schiefgehen. Ich kenne nicht das Gefühl, aufgrund meiner Hautfarbe her- ausgestellt oder gar abgewertet worden zu sein; ich kenne nicht die Wut über himmelschreiende Unge- rechtigkeiten. Ich weiß nur, dass ich – aufgeklärt und weltoffen – kein Rassist bin. Oder? Rassismus im eigenen Haus Vielleicht hilft das Einfühlen in eine Geschichte, die traurige Berühmtheit erlangt hat. Die tragi- sche Heldin darin ist Lucy Byard. Wir schreiben das Jahr 1944. Schwester Byard ist aktive Adventistin in New York. Leider bekommt sie mit Mitte 60 die Diagnose Krebs und meldet sich zu einer Operation im adventistischen Washington Sanitarium an. Bei ihrer Ankunft stellt man fest, dass sie Afro-Ame- rikanerin ist und teilt ihr mit, dass sie aufgrund der Satzungen des Hauses und des Bundesstaates Maryland nicht aufgenommen werden könne. Man arrangiert den Transfer in ein „geeignetes“ Kran- kenhaus in der Nähe (ironischerweise ist der auf- nehmende Arzt dort ein Adventist). Drei Wochen später stirbt sie. Es folgt ein Sturm der Entrüstung, der letztlich dazu führt, dass afroamerikanischen Adventgläubigen das Recht eingeräumt wird, eige- ne Vereinigungen zu gründen (so genannte Regio- nal Conferences, insgesamt gibt es neun davon in den USA). Vorsatz und Wirkung Rassismus, wie alle -ismen, ist uns in erster Linie als Ideologie bekannt. Wir verbinden mit einer Ideolo- gie eine Weltsicht, die bewusst gewählt und vertre- ten wird und deren Handeln absichtsvoll und ziel- gerichtet ist. In Deutschland denken wir mit Grauen daran, wie die rassistische Ideologie der National- sozialisten sich gegen jüdische Menschen richtete © Dennis Meier und zum Tod von Millionen führte. Dieses Gedenken sollte uns eigentlich gegen Rassismus immunisie- ren, tut das aber auf eine Art und Weise, die uns allzu oft vor systemischem Rassismus blind macht. Survival Of The Fattest (Überleben der Dicksten) ist eine Skulptur von Jan Galschiøt, Was ist der Unterschied zwischen Rassismus als die ich 2017 in Ringkøbing (Dänemark) sah. Dem Künstler geht es um die unge- Ideologie und systemischem Rassismus, einem Be- rechte Verteilung der Ressourcen in dieser Welt. Sie kann ebenso als Visualisierung griff, der nun oft in den Medien vorkommt? Kür- von Rassismus verstanden werden. adventisten heute | November 2020 | 13
T he m a d e s M o na ts zeste Antwort: Man muss kein Rassist sein, um ras- Das Augen(ge)fällige sistische Dinge zu tun oder zu sagen. Systemischer Der folgende Bibeltext beschreibt trefflich, wie Rassismus ist, dass wir durch Erziehung, einzelne menschliche Wahrnehmung funktioniert: „Der Erfahrungen, Gerüchte, Bilder, die deutsche Kolo- Mensch urteilt nach dem, was er sieht, doch der Herr nialgeschichte oder nur Kinderlieder („Zehn klei- sieht ins Herz.“ (1 Sam 16,7 NLB) Samuel wird hier ne …“) gesellschaftlich daraufhin geprägt sind, von Gott belehrt, dass es wohl kaum sein Ernst sein Menschen anderer Hautfarbe abzuwerten (in dem kann, einen König nur nach Aussehen und gestähl- zitierten Kinderlied geschieht die Abwertung u. a. ten Muskelpaketen auszuwählen. Eine prima Einfüh- durch den Diminutiv „…lein“). Wer schon einmal rung in die biblische Sicht auf Rassismus, denn in für einen Mitarbeiter anderer Hautfarbe eine Woh- dieser Begebenheit steckt neben der augenfälligen nung in Hamburg gesucht hat, hört keinen ideolo- Be- und Abwertung anhand äußerlicher Merkmale gischen, offenen Rassismus. Trotzdem hagelt es Ab- noch ein zweites Thema, nämlich das Herrschen. Es sagen. Das ist systemisch. Für manche (nicht alle) geht ja darum, dass Samuel einen König auswählen beginnt es schon bei der ewigen Nachfrage, woher soll, der dann herrschen wird. Hier entpuppt sich man denn komme, weil man anders aussieht. An- bereits, dass Menschen nicht nur aus Ordnungsliebe dersartigkeit wird bemerkt und herausgestellt. Hier und Wissbegier Zuteilungen in Gruppen vornehmen, ist Rassismus nicht Vorsatz, sondern die Tatsache, sondern dass es immer auch um die Sicherung von dass man jemandem (oft unbewusst und durchaus Macht und um ökonomische Ausbeutungsinteressen nett gemeint) spiegelt, anders zu sein („Othe- geht, wie die Geschichte des Kolonialismus (im Üb- ring“). Ohne es zu sagen oder auch zu meinen – die rigen auch die Geschichte der israelitischen Könige, Person fühlt: Ich gehöre nicht wirklich dazu. Ideo- z. B. 1 Kön 12) deutlich zeigt (siehe Foto). logierassismus geht also vom Subjekt aus (ist der/ die Handelnde/Sprechende Rassist?), während Sys- Rasse und Rassismus temrassismus die Empfindungen des Objekts (gram- Man sollte ja denken, dass es Rassismus gibt, weil es matikalisch gemeint) ernst nimmt (was macht das Rassen gibt, aber – auch das wieder eine mögliche mit der angesprochenen Person?). Überraschung – es gibt keine Rassen! Die Kategorie Was heißt diese um das systemische Moment „Rasse“ hat keine biologisch-genetische Grundlage, erweiterte Rassismusdefinition für die Praxis? wie wir heute wissen. Man übernahm im 17. Jahr- Wenn mir jemand zurückmeldet, dass er oder sie hundert diesen Begriff aus der damals gängigen Klas- eine Frage oder Bemerkung von mir als rassistisch sifikation von Tier- und Pflanzenarten und übertrug empfunden hat, dann reagiere ich nicht mit der sie auf Menschen.1 Schon bei den Tieren und Pflan- stereotypen und hochempörten Empfindlichkeit zen war es ein reiner Ordnungsbegriff anhand äußer- „ich bin doch kein Rassist!“ (auch „white fragility“ licher (!) Merkmale, der aus heutiger Sicht nicht ge- genannt), sondern entschuldige mich einfach und netisch begründbar ist und in der wissenschaftlichen frage, was ich beim nächsten Mal besser machen Biologie schon lange nicht mehr verwendet wird. Mit kann. der Übertragung auf Menschen gesellte sich aber so- Vom Busfahrer hinausgebrüllt Erfahrungsbericht einer Studentin Einmal wurde ich im Bus von Magdeburg Autorität als Busfahrer zu missbrauchen, genommen. Ich war nicht nur aufgewühlt, nach Friedensau rassistisch angegriffen. Es indem er mir befahl, den Bus zu verlas- sondern auch beunruhigt. war früh am Morgen; ich war die Nacht hin- sen. Als ich darauf bestand, dass er den Ich vermute, dass der Busfahrer sich durch gereist; deshalb wollte ich schnell Geldschein wechseln könne, wurde er noch wegen meiner Hautfarbe und meinem be- nach Friedensau zurück. Ich hatte jedoch aggressiver in seinen Gesten und Worten. grenzten Deutsch so verhielt. Heute würde nur einen 50-€-Schein bei mir. Ich stieg als Ich war einfach zu müde, verließ den Bus ich nicht mehr aus dem Bus aussteigen, Erste in den Bus ein und wollte damit be- und musste eine Stunde auf den nächsten sondern den Fahrer auf seine Verweige- zahlen, aber der Busfahrer war sofort ver- Bus nach Friedensau warten. rung hinweisen, mir einen Dienst zu er- ärgert und weigerte sich, den Schein an- Ich rief den Busbetreiber an, um den weisen, für den er bezahlt wird. Ich wür- zunehmen. Ich bat ihn freundlich, mir zu Vorfall zu melden. Die Frau am Telefon de auch auf die rechtlichen Folgen seines helfen, denn ich war sehr müde. Er stand nahm ihn jedoch nicht ernst. Ich berich- Verhaltens hinweisen. Falls er gewalttätig auf und begann mich anzuschreien. Zuerst tete einem Kommilitonen davon. Er rief würde, würde ich den Vorfall sofort der Po- war ich verwirrt; dann sagte ich ihm, dass die Busgesellschaft an und beschwerte lizei melden. das nicht in Ordnung sei. Er begann, seine sich. Zunächst wurde auch er nicht ernst Anonym 14 | adventisten heute | November 2020
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