Sozial - KIBIS Nordfriesland
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sozial DIE MITGLIEDERZEITSCHRIFT DES PARITÄTISCHEN SCHLESWIG-HOLSTEIN #3/20 Schulaufgaben, während die Bundeskanzlerin über Corona-Maßnahmen spricht: Aufwachsen mit der Pandemie. Schwerpunkt „Wohnen“ Wohnen inklusiv Seite 6 Leiharbeit in der Pflege Seite 16 Junges Engagement Seite 28
Editorial Liebe Leser*innen, #stayhome – das ist das Gebot der Stunde. Die anhaltende Corona-Pandemie zwingt uns, mehr Zeit in den eigenen vier Wänden zu verbringen; und was im Sommer noch gut aushaltbar war, wird jetzt in den Wintermonaten umso schwieriger, wenn man nicht über ein Eigenheim mit ausreichend Platz und einem Garten verfügt. Die soziale Schieflage hat spätestens jetzt auch den Immobilienmarkt erreicht: Die Zugänge zu Wohnraum sind nicht gerecht verteilt, das gilt zum einen für die Zielgruppen der Wohlfahrt, aber auch für Familien aus der Mittelschicht und Menschen aus den unteren Einkommensberei- chen. Sie alle konkurrieren um bezahlbaren Wohnraum – und auch wenn man den Eindruck hat, es werde allerorts gebaut, entstehen dort in der Regel keine bezahlbaren Wohnungen, sondern Büros und hochpreisige Appartements. Dafür müssen wir gar nicht ins entfernte München, die Stadt mit den teuersten Mieten in ganz Deutschland, blicken. In Schleswig-Holstein fehlen Zehntausende Wohnungen für Menschen aus dem unteren Einkommensbereich. In den ländlichen Gebieten haben wir bis zu 98 Prozent Ein- und Zweifamilienhäuser, aber keine Mietwohnungen für Senior*innen, die bar- rierearmen Wohnraum benötigen und in ihrem Wohnort bleiben möchten. In den Städten suchen Familien, Singles und Student*innen nach bezahlbaren Wohnungen und verzweifeln fast daran. Gleichzeitig schießen die Immobilienpreise – befeuert durch eben jenes #stayhome – in die Höhe: Wer kann, wechselt von der Pandemie entnervt ins Eigenheim mit Garten und zahlt dafür immer häufiger Preise, die jeglicher Grundlage entbehren. Finanzierbarer, sozial gerechter Wohnraum – auch das muss das Gebot der Stunde sein. Es bedarf wohnungspolitischer Maßnahmen, die individuell sowohl Wohnsituationen in Nord- friesland als auch Probleme in den Ballungsgebieten in den Blick nehmen. Schleswig-Holstein benötigt nicht nur mehr Wohnraum, sondern vor allem zielgruppenübergreifend gedachten Wohnraum; dieser muss zwingend die Faktoren Gesundheit, Inklusion, Mobilität, Digitalisierung und den demografischen Wandel konsequent berücksichtigen und Quartiersentwicklung entspre- chend umsetzen. Es ist die Kernkompetenz der Wohlfahrtsverbände und ihrer Mitgliedsorganisationen, ressortübergreifend und interdisziplinär zu denken und zu handeln. Wir haben die Lebens- situation der Menschen mit unterschiedlichen Bedarfslagen im Blick und sind erfahren in der Sicherstellung von Partizipation und Beteiligungsprozessen. Deshalb bin ich froh, dass wir innerhalb der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände nun das Thema Wohnen aufgreifen, Impulse setzen und uns aktiv einmischen – gemeinsam für den sozialen Frieden. Ich wünsche uns allen einen guten Start ins neue Jahr und vor allem viel Kraft für die kommenden Monate. Die Corona-Pandemie wird uns weiterhin fordern, als Gesellschaft und als Akteur*innen in der Sozialen Arbeit. Bleiben Sie gesund! Michael Saitner Geschäftsführender Vorstand 0431 56 02 – 10 vorstand@paritaet-sh.org 1
Inhaltsverzeichnis Schwerpunkt: Wohnen Foto: Klaus-Henning Hansen Email 16.9. 1 Editorial Sozialpädagogin Cathrina Neubert und Bewohner Turan vor dem von der HEMPELS-Stiftung gekauften Haus, in dem einst wohnungslose Menschen leben. 3 Schwerpunkt: Wohnen 13 Gesellschaft 14 Teilhabe 16 Pflege 18 Kinder & Jugendliche 20 Migration & Flucht 22 Frauen & LSBTIQ* 23 Engagement 24 Freiwilligendienste 26 EUTB & KIBIS 27 Zivilgesellschaftliches Engagement 30 Förderung 31 Soziale Arbeit 32 Digitalisierung 34 Qualität & Fortbildung 35 Neuigkeiten aus dem Verband 2
Keine*n zurücklassen: Frauen_Wohnen Strategien einer sozialen Wohnraumversorgung in Schleswig-Holstein Wege in eigenen Wohnraum für gewaltbetroffene Frauen In Schleswig-Holstein werden nach wie vor wird eine neue Förderrichtlinie sein, die voraus- Das Projekt, das Frauen und ihre Kinder aus boten jenseits von Kooperationsverträgen und mehr Wohnungen gebraucht und auch gebaut. sichtlich Anfang 2021 in Kraft tritt. Grundlegen- Frauenhäusern oder Frauenberatungsstellen tragen so zum Gelingen des Projektes bei. Be- Der Bedarf an bezahlbaren und sozial geförder- der Gedanke ist, im Rahmen der sozialen Wohn- unbürokratisch bei der Wohnungssuche unter- legungsbindungen konnten außerdem bei ei- ten Wohnungen mit Mietobergrenzen, die zwi- raumförderung des Landes den Wohnungsbau stützt, blickt auf zweieinhalb produktive und nem Neubau erworben werden, dort können schen 5,25 Euro und 6,10 Euro pro Quadratme- im preisgünstigen Segment zu verstärken. ergebnisreiche Jahre zurück. in Kürze die Wohnungen von Mieterinnen erst- ter Wohnfläche liegen, stellt sich regional sehr Das Programm richtet sich an Kommunen und Frauen_Wohnen besteht aus zwei wichtigen malig bezogen werden. Frauen_Wohnen bindet unterschiedlich dar. Vorrangig geht es darum, Investor*innen – insbesondere soziale oder Bausteinen, die zusammenwirken: Begleitung aktiv relevante Akteur*innen aus Politik, Woh- mit dem Wohnraumförderungsprogramm für kirchliche Träger –, die Wohnraum für Men- der Frauen und Kooperation mit der Woh- nungswirtschaft, Frauenfacheinrichtungen und Mietwohnungsneubau und Bestandssanierung schen mit geringem Einkommen und für beson- nungswirtschaft. Die regionalen Servicestellen Sozialwirtschaft mit ein: In den interdiszipli- alle Regionen, alle Wohnungsunternehmen und dere Bedarfsgruppen schaffen wollen. Zielgrup- akquirieren Wohnraum vor Ort, beraten die nären Gremien „Inhaltliche Steuerung“ oder Investor*innen und vor allem alle Zielgruppen pe sind Menschen, die ohne Unterkunft oder von Teilnehmerinnen und stehen auch nach Ein- dem Projektbeirat werden gemeinsam mit den zu erreichen und zu sozialräumlich ausgewo- Wohnungslosigkeit bedroht sind. Die Richtlinie zug als verlässliche Ansprechpartner*innen für Projektbeteiligten Vorgehensweisen erläutert, genen Wohnquartieren beizutragen. Die Lan- ist geeignet, ergänzende wohnbegleitende Hil- Vermietende zur Verfügung. Das überregionale neue Entwicklungen vorgestellt und wird der desstrategie zum bezahlbaren Wohnen setzt fen im Sinne eines Housing-First-Konzeptes zu Netzwerk und die Kooperationsformen mit der aktuelle Stand der Zusammenarbeit vor Ort er- erfolgreich auf die die beiden tragenden Säulen unterstützen, indem sie eine Refinanzierungs- Wohnungswirtschaft haben sich dabei als ech- örtert. Das Ministerium für Inneres, ländliche Wohngeld und Wohnraumförderung. Deshalb möglichkeit des Trägers über Mietzuschläge tes Erfolgsmodell etabliert. Aus dem Projekt he- Räume, Integration und Gleichstellung fördert hat die Landesregierung in der aktuellen Förder- zulässt. Zudem müssen die Wohnungen oder raus konnten bislang 69 Belegungsbindungen das Projekt während seiner fünfjährigen Lauf- periode 2019–2022 für ein gut ausgestattetes Wohngruppenmodelle nicht alle Baustandards für die Dauer von 10 Jahren erworben werden zeit mit insgesamt 4,2 Millionen Euro – ein star- Programm gesorgt, mit mehr als 800 Millionen der allgemeinen Wohnraumförderung erfüllen. und sichern nachhaltig Wohnraum für die Ziel- kes Signal für den Gewaltschutz und die Unter- Euro für Förderdarlehen und -zuschüsse. Zudem Schlichtwohnungen sind dennoch ausdrücklich gruppe. stützung gewaltbetroffener Frauen und Kinder. stehen Mittel für die Umsetzung modellhafter nicht gemeint. Auch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit Konzepte zur Verfügung und es werden Woh- Housing-First-Konzept bedeutet im Sinne dieser sowie der Wohnungswirtschaft für die Lebens- nungsmarktdaten bereitgestellt, um die Be- Richtlinie, dass an erster Stelle des Hilfeansat- Auch die Sensibilisierung lagen gewaltbetroffener Frauen sind gelebter darfs- und Versorgungslage besser einschätzen zes die bedingungslose Wohnungsversorgung der Öffentlichkeit sowie der Bestandteil von Frauen_Wohnen, denn Gewalt- zu können. steht. Um die Wohnverhältnisse zu stabilisie- schutz ist ein gesamtgesellschaftliches und kei- Dennoch ist die Versorgung der am Wohnungs- ren, wird die Mietverwaltung durch wohnbe- Wohnungswirtschaft für die neswegs ein individuelles Problem. Das Gesamt- markt Benachteiligten in einigen Regionen eine gleitende Hilfen über einen geeigneten Träger Lebenslagen gewaltbetroffener ergebnis der Vermittlungen kann sich sehen besondere Herausforderung. Wo ein Anstieg der flankiert. Ihre Inanspruchnahme ist freiwillig, Frauen sind gelebter Bestand- lassen: Seit Projektbeginn wurden 506 Frauen Wohnungslosenzahlen wahrnehmbar ist, ist zu- sie werden aber für alle Bewohner*innen eines und Kinder (Stand 30.09.2020) erfolgreich in gleich auch ein Mangel an bezahlbarem Wohn- Wohnobjektes obligatorisch in aktiver und auf- teil von Frauen_Wohnen. Wohnraum vermittelt. Ein schöner Erfolg für raum, verbunden mit einer zunehmenden Stig- suchender Form kontinuierlich vorgehalten. alle Beteiligte, die zum Gelingen beitragen: Wir matisierung, vorhanden. Diese Bedarfsgruppen Der Träger muss eine Kostenzusage über min- bedanken uns herzlich bei all unseren Unter- haben insbesondere in den Städten oftmals destens zwei Jahre zur Finanzierung der Wohn- Dieses Vorgehen hat sich bewährt, denn nam- stützer*innen und freuen uns auf die nächsten den Konkurrenzkampf auf dem regulären Woh- begleitung nach dem Housing-First-Modell vor- hafte Kooperationspartner aus der Wohnungs- zweieinhalb Jahre Frauen_Wohnen! • nungsmarkt weitestgehend verloren. Es sind weisen können, wenn dieser Hilfeansatz umge- wirtschaft unterstützen uns engagiert dabei, also weitere Strategien zur besseren Versorgung setzt werden soll. Die Förderung erfolgt als An- Zugänge für gewaltbetroffene Frauen zum der am Wohnungsmarkt Benachteiligten nötig. teilfinanzierung in Höhe von bis zu 90 Prozent Wohnungsmarkt zu schaffen: Wankendorfer Durch die Wohnraumförderung begleitete Pro- der zuwendungsfähigen Gesamtkosten. Sie setzt Baugenossenschaft für Schleswig-Holstein, Dr. Maik Krüger, Heidrun Buhse jekte wie Frauen_Wohnen des PARITÄTISCHEN sich aus einem zinsverbilligten Darlehen und ei- NEUE LÜBECKER Norddeutsche Baugenossen- Ministerium für Inneres, ländliche SH machen deutlich, dass eine erfolgreiche Stra- nem Zuschuss zusammen, wobei der Zuschuss schaft eG, Grundstücks-Gesellschaft TRAVE Räume, Integration und Gleich- tegie darin bestehen kann, den direkten Kontakt auf maximal 25 Prozent der zuwendungsfä- mbH, Dr. Hans Kersig Nachf. GmbH & Co. Ver- stellung des Landes Schleswig- zu Vermieter*innen zu suchen, um langfristig higen Gesamtkosten begrenzt ist. Wo neben mietungs KG, Baugenossenschaft Sachsenwald Holstein Zugang zu Wohnraum für die Bedarfsgruppen normalen Mietbindungen wohnbegleitende eG, KIV Kieler Immobilien & Handels GmbH & Referat IV 50 Wohnraumförderung, zu erzielen. Hilfen im Rahmen eines Housing-First-Kon- Co. KG , KIV Kieler Grundbesitz & GmbH Co. KG , Recht des Wohnungswesens, Im Ministerium für Inneres, ländliche Räume, zeptes vorgesehen sind, sind Zuschläge auf die Wohnungsbau GmbH Neumünster, LÜBECKER Wohngeld Integration und Gleichstellung (MILIG) wurde Bewilligungsmiete bis zu einer maximalen An- BAUVEREIN eG. Ivy Wollandt 0431 988 – 32 17 dieser Bedarf noch einmal verstärkt aufgegrif- fangskaltmiete von 8,00 Euro pro Quadratmeter Weitere Unternehmen der Wohnungswirt- 0431 56 02 – 64 poststelle@im.landsh.de fen und durch Studien untersucht. Ergebnis Wohnfläche/Monat zulässig. • schaft unterstützen uns mit Wohnungsange- wollandt@paritaet-sh.org 4 | TITELTHEMA: WOHNEN 5
Wohnen inklusiv Bezahlbarer Wohnraum für alle Im Oktober 2019 veranstaltete die LAG der freien Menschen, die mit erheblichen Vermittlungs- Welche Expertise bringen Wohlfahrtsverbände gemeinsamen Prozess zu starten, der auch die Wohlfahrtsverbände erstmals den Fachtag „Wohnen hemmnissen zu tun haben und für die sowohl dafür mit? Sorgen und Nöte der kommunalen Träger mit inklusiv“, der wichtige Impulse für ein verstärktes der Zugang zu angemessenem Wohnraum KO | Der PARITÄTISCHE als der Verband mit der aufnimmt und so ein Miteinander zum Wohle Engagement der Verbände im Bereich Wohnen als auch der Verbleib in einer Wohnung nicht heterogensten Mitgliedschaft versteht sich als der betroffenen Menschen entstehen kann. setzte. SOZIAL sprach mit Bernd Hannemann, Vor- selbstverständlich ist, verschlossen. Selbst die strategischer, sozialpolitischer Wegbereiter für stand der Diakonie Stiftung SH, und Kerstin oft beschriebene Durchmischung von Wohn- das Thema Wohnen. Die Expertise, das Wissen Olschowsky, Mitglied der Geschäftsführung beim quartieren wird ohne verlässliche und beglei- um die Bedarfe der Nutzer*innen liegt bei un- Wichtig ist, dass es bei PARITÄTISCHEN SH, über die Rolle der Wohlfahrts- tende Strukturen wenig Raum schaffen für seren Mitgliedsorganisationen als Erbringer So- dieser gesamtgesellschaft- verbände bei der Schaffung von finanzierbarem und Menschen in besonderen sozialen Lebenslagen. zialer Arbeit. Wir denken Wohnen ganzheitlich sozial gerechtem Wohnraum. Der gesamte Wohnungsmarkt – und dazu zähle inklusiv und vielfältig. lichen Herausforderung ich auch den genossenschaftlichen Bereich – Beispiele hierfür sind Initiativen einzelner Mit- nicht vorrangig um kurzlebige Wohnen bedeutet Sicherheit und ist der Mittel- funktioniert über Angebot und Nachfrage. Das gliedsorganisationen, aber auch das von uns Leuchtturmprojekte geht. punkt der sozialen Existenz – doch die Zugänge ist der Mechanismus des Marktes und gehört als Landesverband derzeit umgesetzte, verbän- zu Wohnraum sind seit Langem nicht mehr ge- zum Wesen der Marktwirtschaft. Das ist die Re- deübergreifende Projekt Frauen_Wohnen: Die recht verteilt. Welchen Handlungsbedarf sehen alität und das ist zu akzeptieren; es sollte aber beiden Säulen des Projektes, die konkrete Bera- Sie als Vertreter*innen der beiden größten Wohl- darüber hinaus in diesem Kontext auch akzep- tung vor Ort sowie die Kooperationen mit der Wie blicken Sie beim Thema Wohnen in die fahrtsverbände in Schleswig-Holstein? tiert werden, dass bezahlbarer Wohnraum für Wohnungswirtschaft und der Erwerb von Bele- Zukunft? BH | Menschen in besonderen sozialen Lebensla- Menschen in besonderen sozialen Lebenslagen gungsbindungen, können mit den gewonnenen BH | Es gibt in diesem unverzichtbaren Hilfebe- gen finden in der Regel ohne Hilfe kaum geeig- nicht durch den Markt zur Verfügung gestellt Erkenntnissen als Blaupause für eine strukturel- reich hoffnungsvolle Ansätze und Entwicklun- neten Wohnraum, der auch bezahlbar ist – der wird und dass es hierfür besonderer Instrumen- le Verankerung für möglichst alle Zielgruppen gen, die uns durchaus zuversichtlich stimmen Wohnungsmarkt ist für diese Zielgruppe ver- te und Maßnahmen bedarf. der Sozialen Arbeit genutzt werden. können. Insbesondere das Innenministerium schlossen. Es reicht nicht mehr aus, den Man- des Landes hat uns sehr ermutigt, diesen Pfad gel zu beklagen und nach Versäumnissen zu BH | Viele unserer Mitgliedseinrichtungen be- weiter aktiv zu verfolgen, und mit den erkenn- suchen. Wir sind aufgefordert, aktiv zu werden Der klassische sogenannte schäftigen sich bereits in unterschiedlicher bar verbesserten Fördermöglichkeiten scheint und die Möglichkeiten und Kompetenzen der soziale Wohnungsbau ist ohne Weise mit dem Thema Wohnen. Ein gutes Bei- auch eine Realisierung möglich zu sein. Wohlfahrtspflege zu nutzen. Dabei ist vollkom- spiel für eine gelungene Zusammenarbeit mit Denn eine wichtige Frage bei der Entwicklung men klar, dass wir nicht alle Probleme in diesem begleitende Hilfen für viele der Immobilienwirtschaft ist unter anderem von bezahlbarem Wohnraum ist die Übernah- Bereich lösen können, aber wir können Impul- Menschen mit Vermittlungs- das Wohnprojekt Eulenspiegel in Schleswig: me der Verantwortung für Investitionen. In der se setzen, mit konkreten Beispielen zeigen, was hemmnissen verschlossen. Der größte Teil der Mieter*innen dort wird Regel sind die Träger der freien Wohlfahrtspfle- möglich sein kann. Zusammenarbeit befördern durch Ambulant Betreutes Wohnen der Schles- ge an diesem Punkt sehr zurückhaltend und und Mut machen, neue Wege auszuprobieren. wiger Werkstätten pädagogisch unterstützt; überlassen vielfach dem freien Immobilien- das Bauunternehmen hat die gesamte Investi- markt diese Rolle. Wir sollten uns mehr zutrau- KO | Die Themen Wohnen und bezahlbarer Wie sollten diese Maßnahmen Ihrer Meinung nach tion übernommen und dann langfristig an uns en und selbst die Investorenrolle ernsthaft prü- Wohnraum sind in jedem Arbeitsbereich und aussehen? vermietet. fen. Es erscheint mir nicht unmöglich, dass wir für alle Adressat*innen der Sozialen Arbeit rele- KO | Eine lösungsorientierte Vorgehensweise, Ein sehr ermutigendes Signal ist für mich auch auch in dieser Weise mehr zur Realisierung von vant. Längst sind davon nicht mehr ausschließ- die alle bisherigen Ansätze unter einem ge- das gemeinsame Vorgehen der LAG zum The- geeigneten Wohnprojekten beitragen können. lich Menschen mit besonderen Zugangsschwie- meinsamen Dach bündelt – verbunden mit der ma „Wohnen inklusiv“. Im Rahmen der viel KO | Wichtig ist, dass es bei dieser gesamtgesell- rigkeiten zum Wohnungsmarkt betroffen – die Beteiligung der Wohlfahrtsverbände und ihrer beachteten Fachtagung erfolgte eine erste Po- schaftlichen Herausforderung nicht vorrangig oft verzweifelte Suche nach bezahlbarem Einrichtungen – ist hier aus unserer Sicht der sitionsbestimmung und auch der Start für den um kurzlebige innovative Leuchtturmprojekte Wohnraum ist in der Mitte der Gesellschaft an- richtige Weg. Mit der verbändeübergreifenden ernsthaften Versuch, konkrete Wohnprojekte an geht – diese können lediglich der Erprobung Bernd Hannemann gekommen und wird nicht selten existenzbe- LAG Wohnen wurden bereits punktuell Akzente geeigneten Standorten in Schleswig-Holstein von geeigneten Lösungsstrategien dienen. Es Vorstand der Diakonie Stiftung SH | drohend. Damit ist Wohnen ein Kernthema der gesetzt. Künftig soll die soziale Perspektive noch zu realisieren. Dabei ist die Zusammenarbeit al- geht um geeignete, langfristige und nachhaltige Teamleitung Diakonische Entwick- Daseinsvorsorge unserer Zeit. stärker bei der Erarbeitung landesweit trag- ler Partner notwendig: Dazu gehören zwingend sowie strukturell verankerte Handlungsansätze lung, Förderung und Ökumene fähiger Lösungsstrategien mit erfolgverspre- die kommunalen Träger vor Ort, das Innenmi- im Interesse aller. Dafür setzen wir uns enga- Kanalufer 48, 24768 Rendsburg Empfinden Sie das, was momentan als sozialer chenden Rahmenbedingungen, ganzheitlich nisterium des Landes Schleswig-Holstein, das giert und mit Nachdruck ein. • 04331 593 410 Wohnungsbau definiert wird, als ausreichend? inklusiven Bauvorhaben oder der Quartiersent- Sozialministerium und die Träger der Wohl- Kerstin Olschowskay hannemann@diakonie-sh.de BH | Der klassische sogenannte soziale Woh- wicklung eingebracht werden. fahrtspflege. Um nachhaltige Rahmenbedin- 0431 56 02 – 50 www.diakonie-sh.de nungsbau ist ohne begleitende Hilfen für viele gungen zu schaffen, ist es unerlässlich, einen olschowsky@paritaet-sh.org 6 | TITELTHEMA: WOHNEN 7
Das Sechsbuchstabenproblem Es geht nicht mehr – Welchen Schwierigkeiten HEMPELS-Verkäufer*innen es geht mehr! auf dem Wohnungsmarkt begegnen Wohnen im Frauenhaus Beginnen wir diese Geschichte mit einer Binse: einmal eine Wohnung verloren hat, weil er oder Wir lieben sie: unsere schöne kleine Altbauvilla, springen sie auf und bekräftigen uns, verste- Wohnen ist Menschenrecht; jeder Mensch sollte sie die Miete nicht mehr bezahlen konnte oder gut gelegen und von netten Nachbar*innen um- hen, überlegen, handeln. Es wird telefoniert, ge- ein Dach über dem Kopf haben, das Privatsphä- einen Handyvertrag nicht bedienen konnte, hat geben mit einem hübschen Garten, der sowohl mailt, gesucht und angefragt. Denn, wie soll es re sichert. Nun ein Blick auf die Realität: Etwa kaum Aussicht, auf dem freien Wohnungsmarkt kleine Bobbycartouren, berauschendes Schau- aussehen, das neue Frauenhaus? Der Schwung 10.000 Frauen und Männer in Schleswig-Hol- je wieder eine neue Unterkunft zu finden. Und keln als auch Kicken auf einem Fleckchen grüne der entstand, plötzlich gestoppt: Corona, Lock- stein haben nach Schätzungen des Diako- wer mit Suchterkrankungen oder psychischen Wiese zulässt. down … Wie geht es jetzt weiter? nischen Werks keine eigene Wohnung oder Krankheiten zu kämpfen hat oder Sozialleistun- Ein Unterstützungsangebot angedacht und an- sind akut von Wohnungslosigkeit bedroht, sie gen bezieht, bleibt sowieso außen vor. Solange gefragt, beim PARITÄTISCHEN SH oder besser schlafen meist bei Freund*innen, Bekannten, in Vermieter*innen am Markt auswählen können, In einer Lebenssituation, in bei der Paritätischen Ivy Wollandt, uns bekannt Schrebergartenlauben oder öffentlichen Notun- entscheiden sie sich gegen aktuell oder ehemals der Frauen sich auf den Weg aus der landesweiten politischen Arbeit und im terkünften. Wohnungs- oder Obdachlose, gegen Suchtkran- Wohlfahrtsverband tätig, dem wir uns ange- Und nun zu HEMPELS und den Verkäufer*innen ke, gegen langjährige Arbeitslose. gemacht haben, um ein selbst- schlossen haben. Sie sagt uns zu, mit uns einen unserer Obdachlosenzeitung. Wobei – schon Überall gilt: Es fehlt bezahlbarer Wohnraum. bestimmtes und gewaltfreies Zukunftsworkshop „Neues Frauenhaus“ zu ma- ist uns hier ein grober Fehler unterlaufen. Ob- Vor drei Jahren hat unsere HEMPELS -Stiftung, Leben zu leben, müssen sie chen. Coronakonform. dachlosenzeitung? Eine solche Schubladenbe- mit großer finanzieller Unterstützung vieler Le- Wir sind zu sechst (eine im Off, da eine Gefähr- zeichnung für eine ausschließlich auf der Stra- ser*innen, in Kiel ein erstes Wohnhaus gekauft, sich erneut arrangieren, sich dung durch Ansteckung sehr gefährlich wäre). ße verkaufte Zeitung – für ein Straßenmagazin in dem ehemals wohnungslose Menschen le- zurücknehmen, sich zusam- Wir arbeiten zum IST und zum WIRD . Schauen also – mag vor einem Vierteljahrhundert bei ben. Das damit verbundene Signal an die Poli- menreißen. nach Talenten, welche könnte wo was tun und der Gründung von HEMPELS als Klassifizierung tik: Es geht, wenn man will. Und was HEMPELS zu welcher Zeit? Gibt es Fürsprecher*innen für einer bis dahin unbekannten Mediengattung in vergleichsweise kleinen Schritten schafft uns? Und wie lange kann es dauern, bis es da- noch erklärbar gewesen sein. In weiten Teilen – weitere Wohnungen auch in anderen schles- steht, unser neues Frauenhaus? falsch war sie aber schon damals, so wie sie es wig-holsteinischen Städten sollen folgen –, das Das macht es schwer, die Entscheidung zu tref- Das Wichtigste für uns alle ist die Frage: Wie auch heute ist. sollte der öffentlichen Hand doch erst recht fen, dass es nicht mehr geht. Im Winter sind die sollte unser neues Haus ausgestattet sein? Be- Unsere Verkäufer*innen leben aus unterschied- möglich sein. Zimmer sehr, sehr kalt und im Sommer sehr, hindertengerecht, ein energie- und umwelt- lichen Gründen prekär, doch die wenigsten von Noch etwas ist wichtig: Von Wohnungslosigkeit sehr heiß. Wir haben nur fünf Schlafräume für freundliches Gebäude, helle großzügige Räume, ihnen leben obdachlos auf der Straße. Manche, betroffenen Menschen muss rechtzeitig gehol- 15 Personen, das heißt, Menschen, die einander ein besserer Schallschutz, flexible Betten, die die das in früheren Jahren mussten, konnten fen werden, nämlich bevor Vermieter*innen nicht kennen, müssen sich ein Zimmer teilen. In breit genug sind, schöne stabile Möbel, umwelt- ihre Situation selbst oder mit Unterstützung Wohnraum kündigen und das Kind endgültig einer Lebenssituation, in der Frauen sich auf den freundliche Materialien und Einrichtungen, ein von Hilfeeinrichtungen verändern, anderen ha- in den Brunnen gefallen ist. Untersuchungen Weg gemacht haben, um ein selbstbestimmtes separates WC für die Mitarbeiterinnen usw. ben wir über all die Jahre geholfen. Das ist gut zeigen, dass 80 Prozent der Betroffenen ihre je- und gewaltfreies Leben zu leben, müssen sie Es geht mehr. so, aber ist deshalb auch alles gut? weilige Wohnung deshalb verloren haben, weil sich erneut arrangieren, sich zurücknehmen, Die typische Wohnung von HEMPELS -Verkäu- sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten. Nur sich zusammenreißen und körperlich so fit sein, fer*innen mag so aussehen, und das gilt in Kiel wer eine Wohnung hat oder wieder eine findet, dass sie die Treppe häufig rauf- und runterlau- Wir müssen etwas ändern. Und: nicht anders als in Lübeck oder Flensburg: ein, kann auch andere Alltagsprobleme lösen, sich fen können. Wir brauchen Unterstützung. vielleicht auch zwei kleine Zimmer in Wohn- beispielsweise auf die Suche nach Arbeit bege- Es geht nicht mehr. vierteln, die nicht zu den Vorzeigestadtteilen ge- ben. Eine einfache Binse ist das. Womit wir wie- Der angestrengte Wohnungsmarkt verlängert hören. Bei Bezieher*innen von Transferleistun- der am Anfang dieser Geschichte wären. Denn den Aufenthalt unnötig. Innerhalb einer Zeit, in gen achten schon allein die Ämter darauf, dass wo Dinge nicht ineinandergreifen, sieht Realität der die Unterstützung, das Zusammensein, die Es ist wichtig, Frauen und ihren Kindern einen es sich um einfache Wohnungen mit niedrigem ganz anders aus. • Stärkung des Selbst, ein Beginn der Heilung der Raum zu geben, der dazu beiträgt, Wunden Standard handelt. seelischen und körperlichen Verletzungen, gut heilen zu lassen. Und es gibt sie, die Unterstüt- Wer versucht, auf eigene Faust eine Wohnung tun, wird der Zeitrahmen zu anstrengend, um zer*innen in Politik, Gesellschaft und die Men- zu finden ist oft mit dem Sechsbuchstabenpro- ihn über ein halbes oder auch ein ganzes Jahr in schen von nebenan, die dafür tätig werden. Silke Lechterbeck Peter Brandhorst blem konfrontiert: Schufa. 10 Prozent der Men- diesen engen Räumlichkeiten zu ertragen. Denn: Es geht mehr. • Frauenhaus Pinneberg e.V. HEMPELS e.V. schen in Deutschland haben einen negativen HEMPELS-Stiftung Es geht nicht mehr. Postfach 1406 Schaßstraße 4, 24103 Kiel Schufa-Eintrag; das sind bei Weitem nicht nur Konto: Diakonie Stiftung Schleswig-Holstein Wir müssen etwas ändern. Und: Wir brauchen 25404 Pinneberg 0431 67 44 94 Verkäufer*innen von Straßenzeitungen, be- Stichwort: HEMPELS hilft wohnen Unterstützung. Unsere Vereinsfrauen: Frauen, 04101 – 20 49 67 verwaltung@hempels-sh.de troffen sind inzwischen auch viele Angehörige IBAN: DE03 5206 0410 0806 4140 10 die ebenfalls berufstätig sind, die Kinder ha- info@frauenhaus-pinneberg.de www.hempels-sh.de aus der sogenannten Mittelschicht. Heißt: Wer BIC: GENODEF1EK1 ben und volle Terminkalender. Aber trotzdem www.frauenhaus-pinneberg.de 8 | TITELTHEMA: WOHNEN 9
„Wir fordern ein Recht auf Wohnen im Stadtteil mobiles Arbeiten!“ Ein tragender Teil der (Erwerbs-)Biografie Interview mit Ulrich Bähr, Geschäftsführender Vorstand der CoWorkLand eG Bei Co-Working-Spaces denkt man an hippe Vier- haben wir Spaces wie den Alten Heuboden in Mehrmals wöchentlich ist Anja Junk* bei uns in auf beruflicher und privater Ebene Zugänge tel in Berlin – wie sind Sie auf die Idee gekommen, Felde, der eine Sonnensegelmacherei beheima- der Beratungsstelle. Sie ist bereits mit 15 Jahren bahnen und Schritte begleiten, erleichtern und Co-Working auf dem Land anzubieten? tet. Oder den Co-Working-Space in Hitzacker, in aus dem Elternhaus ausgezogen, hat ohne fes- aufrechterhalten. Es zeichnet sich durch einen Unserer Ansicht nach sind die Spaces gerade auf dem eine Theatergruppe regelmäßig ihre Auf- ten Wohnsitz ihr Abitur absolviert und während gemeinwesen- und lebenslagenorientierten dem Land besonders sinnvoll. Die meisten Jobs tritte plant, ein Gärtner die Räumlichkeiten für ihres Studiums phasenweise auf dem Campus Ansatz aus, der die Erkundung und Entwicklung werden nach wie vor in den Städten angeboten, seine Anbauplanung nutzt oder ein Pilzzüchter übernachtet. Heute erhält sie aufstockende von Kompetenzen der Teilnehmenden mit in- was zu verlassenen Dörfern und Kleinstädten einen Raum vollständig für die Zucht umbaut. Leistungen und lebt in einer Wohnung, die von tensiver Netzwerkarbeit im Sozialraum verbin- oder alternativ zu langen Pendelzeiten in die Auch ein Zimmermann ist mit von der Partie. Schimmel und Ungeziefer dominiert wird. Anja det: Empowerment! Ausgangspunkt ist dabei Stadt führt. Nicht jeder Mensch wird in den Viele Menschen benötigen immer mal Zugang Junk möchte sich beruflich (neu) aufstellen, ihre die Wahrnehmung und Anerkennung der Res- nächsten zehn Jahren mobil arbeiten können, zu einem stabilen Internet oder zusätzliche Räu- persönlichen Talente nutzen und eine Perspekti- sourcen, Fähigkeiten und Leistungen jedes und manche Berufe erfordern eine räumliche Anwe- me mit der passenden Ausstattung. Das können ve entwickeln, um damit sowohl im Stadtteil als jeder Einzelnen. senheit. Viele Branchen entdecken allerdings, Co-Working-Spaces super abdecken. auch beruflich ein Zuhause finden. Eines, wel- Im Beratungsprozess stellt sich Frau Junk im- gerade durch die aktuelle Krisensituation, dass Selbst wenn ich nicht dort arbeite, kann ich zum ches ihr Sicherheit gibt – finanziell und sozial. mer wieder die Fragen: Warum sehe ich derzeit sich eben doch mehr örtlich unabhängig abbil- Beispiel Konzerte besuchen, Weiterbildungen keine berufliche Perspektive? Beeinflusst meine den lässt, als vermutet. machen, Werkstätten nutzen, bei der integrier- gefühlte Wohnungslosigkeit die Arbeitslosig- ten Bäckerei meine Brötchen holen oder in der Wohnen und Arbeiten beein- keit? Bekomme ich Absagen, nur weil ich hier Postannahmestelle meine Pakete loswerden. flussen sich gegenseitig und wohne? Diese inneren Fragen zeigen die enge Die Spaces werden zu Dadurch geht es beim Co-Working nicht um Verbindung zwischen Wohnen, Arbeiten und Lohnarbeit in geteilten Großraumbüros – es um manifestieren den eigenen Leben. Mit dem Wohnen und Arbeiten werden modernen Gemeindehäusern, die Gemeinschaft, die sich in den Spaces ent- sozialen Status, welcher nicht Bedürfnisse wie Sicherheit, Geborgenheit, Kom- in denen Menschen mit wickelt. Sie werden zu modernen Gemeinde- munikation und Selbstverwirklichung assozi- selten einen negativen Einfluss verschiedenen Interessen häusern, in denen Menschen unterschiedlichen iert. Wohnen und Arbeiten beeinflussen sich Alters und mit verschiedenen Interessen aufei- auf die Erwerbsbiografie hat. gegenseitig und manifestieren den eigenen so- aufeinandertreffen. nandertreffen. zialen Status, welcher nicht selten einen negati- ven Einfluss auf die Erwerbsbiografie hat. Wie stellen Sie die Bedarfe nach Co-Working- Was glauben Sie, wie sich das Thema Arbeitsplatz Im März 2020 hat das Frauennetzwerk zur Ar- Die belastende Wohnsituation hemmt die be- Spaces fest? in der nahen Zukunft entwickelt? beitssituation e.V. die Stadtteilberatung Die rufliche Orientierung und Stabilisierung von Um genau herauszufinden, welches Konzept Der Arbeitsort von morgen entwickelt sich Salzspeicher – kurz: STABS – für Frauen und Frau Junk. Der Beratungsprozess ist daher weit- wo gut funktionieren würde, unterstützen wir weg von festen Büros. Stattdessen bevorzugen ihre Familien in den Lübecker Stadtteilen Mois- aus vielfältiger als ein Bewerbungstraining oder Gründer*innen während des gesamten Prozes- immer mehr Selbstständige und Angestellte ling, Buntekuh und St. Lorenz Nord eröffnet. eine Arbeitsmarktrecherche. Es geht darum, das ses und auch im Betrieb. Dafür nutzen wir unter mobile Lösungen. Durch dezentrales Arbeiten Das Projektgebiet bildet den südlichen Rand soziale und geografische Umfeld als Teil der (Er- anderem Pop-Up-Co-Working-Spaces als eine entzerren sich auch zu große Menschenan- Lübecks nicht nur geografisch, sondern auch werbs-)Biografie anzunehmen und die eigenen Art Testlauf. Dabei handelt es sich um mobile sammlungen an einzelnen Unternehmenssit- gesellschaftlich ab. Der alte Stadtkern mit Bil- Chancen zu entfalten. Wir laden zu einem Pers- Container, die sich per Tieflader überall abstel- zen, was den aktuellen Entwicklungen durch- dungs- und Kulturangeboten sowie auch um- pektivwechsel ein, welcher bereits in der erwei- len lassen. Durch Befragungen der Nutzer*in- aus zugutekommen dürfte. fangreichere Arbeitsmöglichkeiten sind nur terten Wahrnehmung sowie im Wording und nen und Standortanalysen finden wir heraus, Deswegen haben wir aktuell ein Positionspa- kosten- und zeitintensiv erreichbar. Die Bera- folglich im Bewerbungsprozess sichtbar wird. was in der Region vorhanden sein sollte, damit pier veröffentlicht, mit dem wir die Forderun- tungsstelle im Stadtteil möchte ein Teil der neuen das Konzept nachhaltig funktionieren kann. Wir gen von Arbeitsminister Heil nach einem Recht Nachbarschaft von Frau Junk und den ansässi- Das Projekt STABS wird im Rahmen von „Akti(F) sind der Ansicht, dass man nicht ein pauschales auf Homeoffice auf die nächste Ebene heben: gen Familien werden. für Familien und ihre Kinder“ durch das Bun- Rezept über alle ländlichen Regionen Deutsch- Wir fordern stattdessen ein Recht auf mobiles Mit dem Grundgedanken der Partizipation wer- desarbeitsministerium und den ESF gefördert. • lands stülpen kann. Arbeiten. Ergänzend wünschen wir uns eine den wir als Nachbarin einen stärkenden Einfluss Sarah Teut Ulrich Bähr „Dableib-Pauschale“. Momentan wird mit der auf die Bewältigungsmöglichkeit von schwieri- Frauennetzwerk zur CoWorkLand eG Wer nutzt momentan Co-Working im ländlichen Pendlerpauschale ein umweltschädliches Ver- gen Lebenslagen und die ökonomischen, kultu- Arbeitssituation e.V. Heiligendammer Str. 15 Raum? halten gefördert, das den Klimazielen der Bun- rellen und sozialen Teilhabechancen am gesell- Dr.-Julius-Leber-Straße 3–7 24106 Kiel Co-Working ist für mehr Berufsgruppen inte- desregierung widerspricht. Daher wünschen schaftlichen Leben haben. Als Beratungsstelle 23552 Lübeck 0431 90 66 132 ressant, als viele Menschen denken. Das Modell wir uns, dass es einen zusätzlichen Anreiz für sind wir eine erreichbare, vertraute und verläss- 0451 70 79 79 3 ulrich@coworkland.de richtet sich längst nicht nur an Digitalarbei- das Arbeiten von zu Hause oder eben einem liche Nachbarin im Lebensumfeld. Das für die * Name ist von der Redaktion geändert und stellt einen exem- luebeck@frauennetzwerk-sh.de www.coworkland.de ter*innen. In der CoWorkLand-Genossenschaft nahe gelegenen Co-Working-Space gibt. • Teilnehmenden kostenfreie Projekt STABS kann plarischen Beratungsprozess vor. www.frauennetzwerk-sh.de 10 | TITELTHEMA: WOHNEN 11
Buchempfehlungen Gesellschaft Zum Titelthema „Wohnen“ Die Londoner Künstlerin und Designerin Morag Myerscough möchte mit ihren bunten Installationen für Zuversicht und Optimismus sorgen. Zusammenhalt braucht Räume Bergstraße 68 – Christine Hannemann, Karin ein Baum zieht um Hauser (Hg.), Jovis, 20,00 € Tina Brenneisen, Veronica Solomon, Schaltzeit Verlag, Wohnkonzepte müssen gesell- ab 8 Jahren, 13,00 € schaftliche Integration, Teil- habe und Zusammenhalt för- Ein Phänomen, das viele Groß- dern. Eine besondere Chance städte trifft: Der Wohnraum eröffnen Projekte, die interkul- wird knapper, die Mieten stei- turelles und gemeinschaftliches Zusammenwohnen von ver- gen. Mieter*innen werden mit der Ankündigung einer Mo- schiedenen sozialen Gruppen und Personen unterschied- dernisierung aus ihren Wohnungen verdrängt. Tilda und licher geografischer Herkunft ermöglichen: integrative ihrer Familie geht es ähnlich. Eines Tages kommt ein neuer Wohnprojekte. Die Autor*innen haben einige in Fallstudien Hausbesitzer, der Tildas Zuhause gern für andere Zwecke nut- untersucht. Der Band fokussiert das Zusammenwohnen von zen und am liebsten alle rausekeln möchte. Aber Tilda wehrt Ortsansässigen und Neuzugewanderten. sich, mit ihrer Fantasie und einer wunderbaren Geschichte. Bezahlbar. Gut. Wohnen. Wie sieht es aus in unserm Klaus Dömer, Hans Drexler, Joachim Haus? Schultz-Granberg, Jovis, 25,00 € Einat Tsarfati, Annette Betz, ab 4 Jahren, 14,95 € Architektur und Städtebau können einen entscheidenden In jedem Stockwerk sehen die Beitrag leisten, neue Lösungs- Wohnungstüren anders und ansätze zu finden, um das An- geheimnisvoll aus: eine Tür gebot von Wohnraum für alle mit lauter Schlössern, eine mit sicherzustellen. Die Herausforderung für erschwingliches matschigen Fußabdrücken davor, bei einer riecht es nach Wohnen besteht vor allem darin, Kosten und Wohnwert in Fisch und im 4. Stock geht immer das Licht aus … Wer da ein optimales Verhältnis zu setzen. Vor diesem Hintergrund wohl wohnt? Und wie sieht es hinter den Türen in den Woh- werden nicht nur theoretische Ansätze vorgestellt, sondern nungen der Nachbar*innen aus? Eine clevere Bilderbuchge- am Beispiel herausragender Wohngebäude auch Strategien schichte mit Wimmelspaß und Suchrätsel und eine Hom- zur Schaffung von erschwinglichem Wohnraum aufgezeigt. mage an die kindliche Fantasie. Boden für alle Menschen im Schatten des Angelika Fitz, Karoline Mayer u.a., Wohnungsmarktes Park Books, 38,00 € https://bit.ly/3mKPuLY Der Boden ist unser kostbars- Gemeinsam mit sieben ande- tes Gut. Ein kapitalgetriebe- ren Verbänden hat der Pari- ner Umgang damit und die tätische Gesamtverband die fortschreitende Versiegelung „Soziale Plattform Wohnen“ tragen zur Klimakrise bei. Hor- gegründet. Mit eigenem Kon- tung von Grundstücken und Spekulation verteuern das Woh- zept und konkretem Forderungskatalog mischt sich die- nen und führen zu schleichender Privatisierung des öffent- ser Zusammenschluss erstmals gemeinsam in die aktuelle lichen Raums. Im Band werden die politischen, rechtlichen wohnungspolitische Debatte ein. Zum Auftakt wurde die und wirtschaftlichen Hintergründe erläutert; Länderverglei- Broschüre „Menschen im Schatten des Wohnungsmarktes“ che veranschaulichen Stärken und Schwächen verschiede- veröffentlicht. Diese enthält unter anderem sechs Reporta- ner Modelle, internationale Best-Practice-Beispiele zeigen gen über Menschen, die von den aktuellen Verwerfungen auf Alternativen auf. dem Wohnungsmarkt besonders hart betroffen sind. 12 | TITELTHEMA: WOHNEN
Arbeitsschutz für Menschen Vormundschafts- und mit Behinderung Betreuungsrechtsreform Neue Regelungen durch die Pandemie Stärkung des Selbstbestimmungsrechts Das neuartige Corona-Virus, COVID-19, stellt Arbeitgeber*innen, für den Arbeits- und Ge- Die Bundesregierung hat am 23. September einbarung über eine Begleitung und Unterstüt- seit Mitte März 2020 unser aller Leben auf den sundheitsschutz der Mitarbeitenden Sorge zu 2020 im Kabinett den im Juni 2020 veröf- zung neu eingeführt. Zur Sicherstellung einer Kopf. Milliardenschwere Hilfspakete wurden tragen. Aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und fentlichen Entwurf für ein Gesetz zur Reform einheitlichen Qualität der beruflichen Betreu- aufgelegt; das Arbeitszeitrecht und weitere Be- dem Vertragsrecht, insbesondere dem Arbeits- des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ung soll ein formales Registrierungsverfahren reiche wurden befristet liberalisiert. Zuletzt hat- vertrag, haben die Mitarbeitenden einen indi- beschlossen. Das Vormundschaftsrecht wird mit persönlichen und fachlichen Mindesteig- ten sich Politik, Verwaltung und Jurist*innen in vidualrechtlichen Anspruch auf die Einhaltung grundlegend erneuert. Änderungen finden sich nungsvoraussetzungen eingeführt werden. den Jahren 2009/10 im Rahmen der sogenann- der einschlägigen Standards. Grundsätzlich sind im BGB, EGBGB, RPFLG und Betreuungsorgani- ten Schweinegrippe mit den aus einer Pande- im Arbeitsschutz technische (z.B. Belüftungsan- sationsrecht. Das Gesetzespaket sieht die Neu- mie folgenden Rechtsfragen beschäftigt. lagen, „Spuckschutzscheiben“) vor organisatori- strukturierung des Vormundschafts- und Be- Die Stärkung des Selbst- schen (z.B. Arbeit in Wechselschicht / Kohorten, treuungsrechts wie folgt vor: bestimmungsrechts und Arbeit im Homeoffice) vor persönlichen Maß- Seit Beginn der Pandemie stellt nahmen (z.B. Tragen von Masken) zu ergreifen, 1. Die Vorschriften des Vormundschaftsrechts der Berücksichtigung der sich im Alltags- und Berufs- dies ist das sogenannte TOP -Prinzip. zur Vermögenssorge, zu Fürsorge und Aufsicht Wünsche der Menschen Wer besonders schutzbedürftig ist, muss von des Gerichts, zum Aufwendungsersatz und zur mit Betreuungsbedarf ist leben die Frage nach dem der Arbeitgeberseite auch ganz besonders ge- Vergütung werden in das Betreuungsrecht ein- richtigen Umgang mit den vom schützt werden. Dies stellen sowohl das Ar- geordnet und daran angepasst. Im Vormund- zu begrüßen. RKI als Risikogruppen klassifi- beitsschutzgesetz als auch die Arbeitsschutz- schaftsrecht soll das Mündel mit seinen Rechten standards und die Arbeitsschutzregel des BMAS als Subjekt im Zentrum stehen. Die Personen- zierten Personen. ausdrücklich klar. Überdies haben Menschen sorge und die Rechte von Pflegeeltern sollen 3. Maßnahmen zur effektiveren Umsetzung mit Behinderung und (chronisch) kranke Men- gestärkt werden. Die verschiedenen Vormund- des Erforderlichkeitsgrundsatzes sind im Vor- schen Anspruch auf eine Beschäftigung, die schaftstypen werden zu einem Gesamtsystem feld der Betreuung vorgesehen. Die Verwaltung Die am Anfang der Corona-Pandemie vermehrt ihrer Behinderung oder ihrem Leiden gerecht zusammengefügt. Die beruflichen Vormünder des Vermögens durch Betreuer*innen und Vor- auftauchenden Rechtsfragen im Zusammen- wird und bei der sie ihre Potenziale bestmög- einschließlich des Jugendamts als Amtsvor- münder soll modernisiert werden und künf- hang mit dem kurzfristigen Einsatz im Home- lich entfalten können. Arbeitsplätze sind nach mund sollen gleichrangig sein. Nur ehrenamtli- tig bargeldlos erfolgen. Ehegatt*innen sollen office, mit Reisestornierungen, Veranstaltungs- dem SGB IX leidens- und behinderungsgerecht che Vormünder werden vorrangig bestellt. sich in Angelegenheiten der Gesundheitssorge absagen, geschlossenen Schulen und Kitas einzurichten. Dies können etwa die Einrichtung kraft Gesetzes für die Dauer von drei Monaten usw. sind inzwischen im Zuge des allgemeinen barrierefreier Zugänge, Parkplätze für beson- 2. Im Betreuungsrecht soll zentral die Selbstbe- gegenseitig vertreten können, wenn ein*e Ehe- Wiederhochfahrens von Wirtschaft und öffent- ders Gehbehinderte oder behinderungsgerech- stimmung und Autonomie unterstützungsbe- gatt*in aufgrund von Bewusstlosigkeit oder ei- lichem Leben von Regelungen zu Abstand, Hy- te Sanitäranlagen sein. Aber auch die Freistel- dürftiger Menschen im Vorfeld und innerhalb ner Krankheit seine oder ihre Angelegenheiten giene, Fallzahlen usw. verdrängt worden. Das lung von bestimmten besonders belastenden einer rechtlichen Betreuung im Sinne der UN- der Gesundheitssorge vorübergehend rechtlich Bundesministerium für Arbeit und Soziales Schichten oder Tätigkeiten, zum Beispiel von BRK gestärkt werden. Klarer geregelt wird, dass nicht besorgen kann. (BMAS ) hat im April den Arbeitsschutzstandard Nachtarbeit, kann Folge des Anspruchs auf be- die Betreuung in erster Linie eine Unterstüt- Die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und als Empfehlung und im August die neuen Ar- hinderungsgerechte Beschäftigung sein. zung der Betreuten bei der Besorgung ihrer An- der Berücksichtigung der Wünsche der Men- beitsschutzregeln, die rechtlich verbindlicher Der beschriebene Schutz ist dynamisch. Er ist gelegenheiten durch eigenes selbstbestimmtes schen mit Betreuungsbedarf ist zu begrüßen. sind, vorgestellt. ständig an die sich ändernden Gegebenheiten Handeln gewährleistet. Die Stellvertretung darf Ungelöst geblieben ist das Problem zu vieler Be- Seit Beginn der Pandemie stellt sich im Alltags- anzupassen. In der Pandemie ist es für uns alle nur eingesetzt werden, soweit es erforderlich ist. treuungsfälle bei Berufsbetreuer*innen. Die vor- und Berufsleben die Frage nach dem richtigen eine große Herausforderung, das Infektionsge- Der Vorrang der Wünsche der Betreuten wird als gesehene Prüfung der Eignung als Betreuer*in Umgang mit den vom RKI als Risikogruppen schehen im Auge zu behalten und den wechsel- der zentrale Maßstab des Betreuungsrechts für wird als Einfallstor einer Einflussnahme durch klassifizierten Personen. Für den Umgang im seitigen Umgang stetig zu reflektieren. • Betreuerhandeln, Eignung der Betreuer*innen staatliche Stellen beziehungsweise Gerichte kri- Arbeitsleben und die Anforderungen an den Ar- und die Wahrnehmung der gerichtlichen Auf- tisiert. Die Entscheidung über die Person, deren beits- und Gesundheitsschutz ist zu unterschei- sicht normiert. Betroffene sollen in sämtlichen Notwendigkeit und den Umfang der Betreuung den zwischen allgemeinen und besonderen An- Stadien des Betreuungsverfahrens insbeson- liegt bei diesen und nicht bei den Betreuten. Ein forderungen nach den einschlägigen Gesetzen, dere bei gerichtlichen Entscheidungen besser Inkrafttreten des Gesetzes ist nach den weite- Verordnungen usw. Genaue Auskunft über Risi- informiert und stärker eingebunden werden. ren Phasen des Gesetzgebungsverfahrens ver- kogruppen, zu denen vor allem chronisch Kran- Zur Verbesserung des Informations- und Kennt- mutlich nicht vor dem Jahr 2022 zu erwarten. • Heiko Jarosch ke und Menschen mit Behinderung gehören nisniveaus bei ehrenamtlichen Betreuer*innen Heiko Jarosch 0431 56 02 – 19 können, gibt das RKI unter anderem auf seiner wird die Möglichkeit einer engen Anbindung 0431 56 02 – 19 jarosch@paritaet-sh.org Website. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet an einen Betreuungsverein im Wege einer Ver- jarosch@paritaet-sh.org 14 | GESELLSCHAFT | TEILHABE 15
Leiharbeit in der Pflege Der Fachkräftemangel und seine Auswirkungen Die Leiharbeit beziehungsweise Arbeitnehmer- verträglichere Arbeitszeiten (d.h. keine oder we- personal der Pflege die Aufgabe, die Leiharbeit- an der bestehenden Situation nichts ändern überlassung in der Pflege ist seit Jahren ein in- niger Wochenenddienste, Nachtschichten oder nehmer*innen einzuarbeiten. Je häufiger ein und die Leiharbeit ihre Attraktivität behalten. tensiv diskutiertes Thema in der Pflegebranche Dienste zu aus ihrer Sicht ungünstigen Zeiten, Wechsel der ausgeliehenen Mitarbeitenden er- Nur mit der Änderung der Arbeitsbedingungen und in der politischen Diskussion. Je nach Inte- keine Überstunden). Die Wahlmöglichkeiten folgt, desto größer ist naturgemäß der Aufwand, für die festangestellten Pflegekräfte ist eine ressenlage gehen die Meinungen weit ausein- reichen bis in die Arbeitsinhalte hinein. sodass Zeit für andere Dinge fehlt. Rückführung der Leiharbeit auf die weiterhin ander. So wird von mancher Seite als ein Extrem Die negativen Folgen der Leiharbeitskräfte wie notwendige Abfederung von Belastungsspitzen pauschal die Abschaffung der Pflegeleiharbeit fehlende Teamzugehörigkeit, wechselnde Ein- Pflegebedürftige, die regelmäßig längere Zeit in den Einrichtungen zu vollziehen. gefordert, wohingegen an anderer Stelle eine satzorte oder mangelnde Wertschätzung wer- versorgt werden, leiden unter einem dauer- Im Sommer 2019 hat sich die Konzertierte Ak- Ausweitung von Leiharbeit gerade im Bereich den dabei in Kauf genommen. haften Wechsel des Personals, da die Leihar- tion Pflege (KAP ) auf Bundesebene mit einer der Pflege erwartet wird. Auch zwischen den beitskräfte nur zeitweise an der Versorgung Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Mitgliedsorganisationen im PARITÄTISCHEN Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen beteiligt sind. So kann – eigentlich im Sinne Pflege sowie mit dem Thema der Pflegeleihar- gibt es unterschiedliche Erfahrungen mit dem müssen auf Pflegeleiharbeitskräfte zurückgrei- der Bezugspflege – kein dauerhaftes Verhältnis beit befasst und Lösungsmöglichkeiten erar- Einsatz von Leiharbeitnehmer*innen in Pflege- fen, um kurzfristig auf den temporären Ausfall von Pflegebedürftigen und sie versorgenden beitet. Gerade auch die Pflegeeinrichtungen einrichtungen und folglich auch verschiedene von Pflegepersonal aus der Stammbelegschaft Pflegemitarbeiter*innen entstehen. Darunter selbst sind gemäß der KAP gefordert, für eine Einschätzungen zu diesem Instrument. Im Fol- zu reagieren. Die kurzfristige Kompensation leidet die Pflege- und Lebensqualität der Pflege- Verbesserung der Arbeitsbedingungen für ihr genden wird der Fokus auf Leiharbeit in der Al- eines zudem nur vorübergehenden Ausfalls bedürftigen. Weiterhin erhöht der Einsatz von Stammpersonal zu sorgen, damit sie möglichst tenpflege liegen. von eigenen Mitarbeitenden ist schon in der Leiharbeitnehmer*innen die Personalkosten wenig auf Leiharbeiter*innen angewiesen sind. In erster Linie aufgrund des demografischen Vergangenheit eine Herausforderung für die der Pflegeeinrichtungen, die dann über höhere Schließlich sind laut der KAP alle Leistungser- Wandels, aber auch durch Änderungen im Pflegearbeitgeberschaft gewesen. Der Fachkräf- Heimkosten für die Pflegebedürftigen refinan- bringerverbände sowie Kostenträger in allen Pflegebedürftigkeitsbegriff steigt die Zahl der temangel führt weiterhin dazu, dass dauerhaft ziert werden müssen. Eine solche Entwicklung Bundesländern aufgefordert worden, in den pflegebedürftigen Menschen nach dem SGB XI auf Leiharbeitskräfte zurückgegriffen werden führt zu noch stärker steigenden Eigenanteilen Landesrahmenverträgen nach § 75 SGB XI Re- weiterhin an. Daraus erwächst eine immer grö- muss, um die notwendige Personalausstattung für die Pflegebedürftigen und in der Folge auch gelungen für den Einsatz von Leiharbeit in der ßere Nachfrage nach Altenpflegepersonal, vor sicherstellen zu können. Aus dieser Perspektive zu höheren Ausgaben im Bereich der Sozialhilfe. Pflege bis zum Sommer 2020 zu vereinbaren. allem in Bezug auf Fachkräfte. Gleichzeitig fällt wäre Leiharbeit für die Einrichtungen positiv Die Umsetzung dieser Aufgabe ist jedoch nicht es den Pflegeeinrichtungen schwer, ihre Stellen zu sehen. Jedoch müssen die Pflegeeinrichtun- erfolgt. So besteht beispielsweise die potenzielle zu besetzen, es herrscht akuter Fachkräfteman- gen für die Leiharbeitnehmer*innen einen ho- Solange sich arbeitnehmer- Gefahr, dass in einem Bundesland die Leihar- gel. Somit ist die Diskussion über Leiharbeit in hen Preis an die Leiharbeitsfirmen zahlen, der freundliche Arbeitskonzepte beit so stark reguliert werden würde, dass es der Altenpflege vor dem Hintergrund eines schwierig zu refinanzieren ist, zu Ungerechtig- Nachteile für die Versorgung mit ausreichend sehr angespannten Arbeitskräfteangebots zu keiten führt und an anderer Stelle eingespart in Festanstellung nicht durch- benötigtem Leiharbeitspersonal geben könnte. betrachten. Viele Einrichtungen könnten ohne werden muss. Die Refinanzierung der Kosten setzen, wird die Leiharbeit So könnten sich Leiharbeitsfirmen oder an Leih- Personal aus der Leiharbeit ihren Betrieb nicht von Leihpersonal in den Vergütungsverhand- ihre Attraktivität behalten. arbeit interessierte Arbeitnehmer*innen bei- voll aufrechterhalten. lungen mit den Kostenträgern stellt eine Her- spielsweise aufgrund der Regulierung für eine Im Folgenden ein Überblick über die verschie- ausforderung für die Einrichtungen dar. Tätigkeit in anderen Bundesländern entschei- denen Aspekte rund um die Leiharbeit in der den. Es ist daher sinnvoll, dass auf Bundesebene Altenpflege: Regulär in Pflegeeinrichtungen angestellte Alten- Allein aus diesen beispielhaft dargestellten eine gesetzliche Regulierung erfolgt. pflegearbeitnehmer*innen fühlen sich aus einer Aspekten kann ein sehr kritisches Fazit zur ge- Fazit: Die Leiharbeit in der Pflege muss in jedem Bei Leiharbeitsfirmen beschäftigte Altenpflegear- Vielzahl an Gründen als „Arbeitnehmer*innen genwärtigen Situation der Leiharbeit in der Fall reguliert und ihr Ausmaß zurückgeführt beitnehmer*innen haben dort oftmals einen Ar- 2. Klasse“. So müssen sie die eher als ungünstig Pflege gezogen werden. Ohne einschränkende werden. Ein reines Verbot erscheint nicht hilf- beitsvertrag unterschrieben, um bessere Löhne anzusehenden Schichten oder Wochenend- und und regulierende Vorgaben für den Einsatz von reich, da aufgrund der Personalsituation in den und vor allem auch bessere Arbeitsbedingun- Feiertagsdienste übernehmen und mitunter Leiharbeitskräften kann nur ein negatives Fazit Einrichtungen unter gewissen Umständen der gen zu erreichen, die sie als festangestellte Mit- mit der Kenntnis leben, dass ihre Kolleg*innen erfolgen. Einsatz von Pflegeleiharbeit notwendig ist. In arbeiter*innen in den Pflegeeinrichtungen nicht der Leiharbeitsfirmen finanzielle Privilegien Solange sich arbeitnehmerfreundliche Arbeits- jedem Falle werden die Diskussionen sowohl Patrick Kaiser bekommen würden. So schätzen diese Personen bei angenehmeren Arbeitsbedingungen haben. konzepte in Festanstellung nicht durchsetzen auf Bundes- als auch auf Landesebene weiter- 0431 56 02 – 80 beispielsweise familiengerechtere oder sozial- Des Weiteren hat das festangestellte Stamm- beziehungsweise refinaziert werden, wird sich gehen. • kaiser@paritaet-sh.org 16 | GESELLSCHAFT | PFLEGE 17
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