Stress Belastungen besser bewältigen - Techniker ...

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Stress Belastungen besser bewältigen - Techniker ...
Stress
Belastungen besser bewältigen
Stress Belastungen besser bewältigen - Techniker ...
Vorwort
Arbeits-, Freizeit-, Familien-, Verkehrs-, Behörden-, Prüfungs-
stress: Es gibt kaum einen Lebensbereich, der nicht mit dem
Begriff „Stress“ in Zusammenhang gebracht wird.

Die häufige (und oft undifferenzierte) Verwendung des Be-
griffes „Stress“ macht deutlich, dass Gesundheit und Krank-
heit nicht nur von körperlichen Faktoren abhängen, sondern                       entwickelt worden, deren Effektivität in vielen Untersuchun-
auch vom eigenen Verhalten und vom individuellen Lebens-                         gen bei einer Fülle von psychischen und somatischen Erkran-
stil. Starben früher viele Menschen an Infektionskrankheiten,                    kungen bestätigt wurde, zum Beispiel bei Angststörungen,
zum Beispiel Lungenentzündung, Typhus oder Tuberkulose,                          essenzieller Hypertonie (Bluthochdruck), Spannungskopf-
so sind diese Erkrankungen heute zumindest in den industri-                      schmerzen, Schlafstörungen, Magen-Darm-Problemen oder
alisierten Ländern weitgehend gebannt. An ihre Stelle sind                       chronischen Schmerzen.
die sogenannten Zivilisationskrankheiten getreten, vor allem
Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen, die viele hundert-                        Der richtige Umgang mit Belastung sollte vorbeugend prak-
tausende von Menschen jährlich das Leben kosten.                                 tiziert werden. Je gesünder man lebt und je früher man mit
                                                                                 der Stressbewältigung beginnt, desto einfacher und effekti-
Es handelt sich dabei vorwiegend um chronische Erkrankun-                        ver sind die Bewältigungsmaßnahmen zu lernen. Die Präven-
gen, die nicht allein von biologischen, sondern auch in we-                      tion ist auch das Hauptanliegen der vorliegenden Broschüre.
sentlichen Teilen durch soziale und persönlichkeitsspezifische                   Das hier beschriebene Programm mit seinen sehr differen-
Faktoren und durch ungünstige Formen der Lebensführung                           zierten Methoden ist das Resultat praktischer Erfahrungen
entstehen und aufrechterhalten werden. Stress ist nicht nur                      und langjähriger Forschungsarbeiten am Max-Planck-Institut
Mitverursacher vieler Erkrankungen, sondern wirkt sich auch                      für Psychiatrie in München.
indirekt aus: Menschen unter chronischer Belastung verhal-
ten sich oft gesundheitsschädigend, sie trinken und rauchen                      In dieser TK-Broschüre wird dem Aspekt, wie Vorsätze tat-
mehr, essen ungesund und greifen häufig zu Beruhigungs-,                         sächlich in Handlungen umgesetzt werden können, viel Raum
Schmerz- oder Schlafmitteln.                                                     gewidmet. Insgesamt bietet die Schrift eine ausgezeichnete
                                                                                 Hilfestellung für den Einzelnen, um sich mit den eigenen Be-
Stress wird oft als von außen kommend angesehen und der                          lastungssituationen auseinanderzusetzen und für sich die
Einzelne fühlt sich den Belastungen hilflos ausgeliefert. In                     wirksamsten Methoden auszuwählen mit dem Ziel, Stress
den letzten Jahren ist eine Reihe sehr wirksamer verhaltens-                     aktiv zu bewältigen.
therapeutisch orientierter Stressbewältigungsprogramme

                                                                                 Professor Dr. Kurt Hahlweg
                                                                                 TU Braunschweig, Institut für Psychologie

Stress – Herausgeber: Techniker Krankenkasse, Hauptverwaltung, Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg, www.tk.de; Geschäftsbereich Marke und Marketing;
Team Bestandskundenmarketing: Britta-Corinna Schütt (verantwortlich); Text: Dipl.-Psychologin Angelika Wagner-Link (†), Institut für Mensch & Management,
München; Fachliche Beratung: Prof. Dr. Kurt Hahlweg, TU Braunschweig (Institut für Psychologie), Dipl.-Psych. Anne Frobeen, Techniker Krankenkasse;
Redaktion: Maria Schwormstedt, Britta Surholt; Gestaltung: The Ad Store GmbH, Hamburg; Produktion: Tanja Klopsch; Litho: Hirte GmbH & Co. KG, Hamburg; Druck:
Krögers Buch- und Verlagsdruckerei, Wedel; Bilder: Getty Images, Plainpicture, TK-Archiv.

© Techniker Krankenkasse. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Einwilligung der TK. Um der besseren Lesbarkeit
willen haben wir im Text auf die Unterscheidung in eine männliche und eine weibliche Form verzichtet. Selbstverständlich sind hier Frauen und Männer
gleichermaßen angesprochen. Stand: Juli 2017.
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Inhalt                                                         Stress
                                                                    bewältigen
     1 Stress erkennen
                                                                    Jede Stresssituation
 5   „Unter Strom“                                                  lässt sich beherrschen
 6   Alle Sinne in Alarmbereitschaft                                und in den Griff bekom-
                                                                    men. Das richtige
 9   Was sind Stressoren?
                                                                    Zeitmanagement und
13   Stress ist oft selbst gemacht
                                                                    Entspannungsmetho-
15   Wie belastbar bin ich?
                                                                    den können dabei
16   Stressreaktionen
                                                                    behilflich sein.
     2 Stress bewältigen
                                                                                Seite 18
19   Wie gehe ich mit Stress um?
22   Zeitmanagement
24   Richtig abschalten
26   Muskuläre Entspannung
28   Gedankliche Entspannung
29   Autogenes Training
30   Schlafstörungen
32   Atemtechniken
34   Nach innen geschaute Bilder
34   Sport und Fitnesstraining
36   Zufriedenheitserlebnisse
37   Einstellung ändern
38   Nichts ist unmöglich
40   Alles wird anders
43   Burnout

     3 Stress vorbeugen

45   Persönliche Schutzfaktoren
50   Sich wappnen gegen Stress
52   Beziehungen pflegen
53   Kurzfristige Änderung
53
54
     Akute Stresssituation
     Ablenkung                         Stress vorbeugen
55   Positive Selbstgespräche
58   „Dampf ablassen“                  Je stabiler die Psyche, desto leichter und
59   Ihr Trainingsprotokoll            unbeschwerter lässt sich das Leben genie-
                                       ßen. Optimismus, Humor und das soziale
                                       Umfeld beeinflussen unser Stresserleben
                                       maßgeblich.

                                                                       Seite 44
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4 Stress – Stress erkennen

Stress erkennen
Zu viel Stress macht krank – das steht fest. Aber viele
der täglichen Ärgernisse lassen sich vermeiden, wenn es
gelingt, persönliche Stressoren ausfindig zu machen.
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„Unter Strom“
                     Stress ist ein lebenswichtiger Vorgang, aber zu viel Stress macht krank. Viele
                     der kleinen täglichen Ärgernisse, die zu Stresssituationen führen, lassen sich
                     bewältigen oder vermeiden, wenn man sie als Stressoren erkannt hat.

H
       äufig wird Stress die Krankheit
       der Gegenwart genannt. Fast
       alle Menschen kennen aus Erfah-     Der leistungsbezogene Alltag erfordert nahezu die gesamte Energie. Deshalb ist es
rung Situationen, in denen sie sich be-    wichtig, mit der eigenen Energie optimal haushalten zu können und Überforderungen
ruflich oder privat überfordert fühlen     zu vermeiden. Wie man mit Belastungen fertigwird, kann man erlernen. Dies sollte
und überlastet, gereizt, hektisch oder     nicht nur auf die Behandlung von Stressfolgeschäden beschränkt bleiben, sondern
nervös sind. Man ärgert sich, ist wütend   sinnvollerweise schon im Vorfeld der Belastung, also vorbeugend praktiziert werden.
oder fühlt sich ohnmächtig, niederge-      Auch die positive Nutzung der Stressenergie kann eine sinnvolle Form des Umgangs
schlagen und wahnsinnig „unter Strom“.     mit Stress sein.
Das Gleichgewicht zwischen An- und
Entspannung, Aktivität und Ruhe,           Allgemeingültige und einfache Formeln zur Lösung von Stressbelastungen gibt es
Stress und Erholung ist heute allzu oft    nicht. Wohl aber Informationen über geeignete Mittel zur persönlichen Stressbe-
gestört und entspricht nicht mehr dem      wältigung und zur aktiven Entspannung, Entscheidungshilfen zur persönlichen
naturgegebenen Harmonieprinzip.            Auswahl der jeweiligen Methode und Hilfestellung zu deren Erwerb.

Stress gehört zum Leben, er vermag so-     So können Sie Stress bewältigen
gar die Leistungsfähigkeit zu erhöhen.     • Stressenergie auch positiv nutzen
Aber zu viel Stress kann krank machen.     • Die persönliche Situation analysieren
Alarmierende Statistiken zeigen, dass      • Spannungs- und Entspannungszustände
die ursprünglichen biologischen Ab-          in ein richtiges Verhältnis bringen
wehrkräfte oft nicht mehr ausreichen       • Ansatzpunkte zur aktiven Entspannung und
oder manchmal sogar ungeeignet sind,         Stressbewältigung finden
den Organismus vor Dauerschäden zu         • Verschiedene alltagstaugliche Methoden zur
bewahren. Rund 280.000 Herzinfarkte          aktiven Entspannung und Stressbewältigung kennenlernen
pro Jahr sind dafür ein sicherer Beleg,    • Eigene Gesundheitsressourcen nutzen
immerhin enden 60.000 jährlich tödlich.    • Folgeschäden von Stress abbauen oder ihnen vorbeugen
                                           • Die geeigneten Maßnahmen auswählen, sie erlernen und in konkreten
Dauerstress ist nicht nur Mitverursa-        Situationen einsetzen
cher zahlreicher Erkrankungen, auch        • Ein persönliches Antistressprogramm entwickeln
indirekt kann er sich negativ auswirken.     und dessen Wirksamkeit laufend kontrollieren
So verhalten sich Menschen in Belas-
tungssituationen, wenn sie sich unter      Stress ist die Reaktion auf Stressoren Stress ist eine angeborene und erworbene
Druck gesetzt fühlen, häufig gesund-       Reaktion, die es uns ermöglichen soll, uns schnell auf die wechselnden Lebensum-
heitsschädigend: Sie rauchen mehr, er-     stände einzustellen.
nähren sich ungesund, trinken mehr
Alkohol. Zudem steigt das Unfallrisiko,    Er ist eine Aktivierungsreaktion des gesamten Organismus mit seiner aktuellen Be-
unsere Leistungsfähigkeit nimmt ab, wir    lastbarkeit, seinen Erfahrungen, seinen Motiven und Denkmustern auf Stressoren,
machen mehr Fehler, und wir fühlen uns     also auf alles, was individuell als Anforderung, als Bedrohung oder als Schaden be-
häufig unwohl.                             wertet wird.
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6 Stress – Alle Sinne in Alarmbereitschaft

Alle Sinne in Alarmbereitschaft
         Die Stressforschung begann mit der Entdeckung, dass so unterschiedliche Dinge
         wie Kälte, Hitze, Arzneimittel, Kummer, Freude und so weiter zunächst eine
         vollkommen identische Reaktion im Körper hervorrufen (Selye, 1936). Heute
         weiß man, dass innerhalb dieser ähnlichen Reaktionen sehr wohl Unterschiede
         zu finden sind, insbesondere bei der Ausschüttung von Hormonen.

D
       as wirft zunächst die Frage nach dem Sinn des Stress-
       mechanismus auf. Um sie zu beantworten, muss weit
       in die Geschichte zurückgegangen werden. Stress ist
ein uraltes Programm unserer Gene. Wir verhalten uns heute
noch ähnlich unseren Vorfahren und vielen anderen Säuge-
tieren. Sinn der Stressreaktion ist ursprünglich die Lebenser-
haltung durch einen reflexhaften Angriffs- und Fluchtmecha-
nismus. Wenn Gefahr droht, kommt es durch das allgemeine
Anpassungssyndrom blitzschnell zu einer immensen Aktivie-        Ein natürlicher Verteidigungsmechanismus Der heutige
rung und Energiemobilisierung. Stress entsteht im Gehirn.        Mensch kann, im Gegensatz zum Tier und zum Urmenschen,
Über die Sympathikus-Nebennierenmark-Achse und die Hy-           meist weder fliehen noch kämpfen. Die frei werdenden Ener-
pothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse wird die           gien richten sich aber, wenn sie nicht genutzt werden, oft
körperliche Stressreaktion ausgelöst.                            gegen den eigenen Körper. Geht die Stresssituation schnell
                                                                 vorüber, fängt der Körper die Auswirkungen der Mobilma-
Es werden die Hormone Noradrenalin, Adrenalin sowie Cor-         chung auf. Bei Daueralarm jedoch entsteht eine ständige
tisol ausgeschüttet. Die Tätigkeit des Sympathikusnervs wird     Alarmbereitschaft. Ein solcher Daueralarm wird häufig auch
gesteigert. Energien in Muskeln und Gehirn werden freige-        durch unterschwellige Stressoren wie Lärm und ein Überan-
setzt, es erfolgt eine blitzartige Mobilmachung aller Körper-    gebot an Reizen oder durch psychische Situationen wie Frus-
reserven. Puls, Blutdruck und Atemfrequenz steigen, der          tration, Ärger und Angst ausgelöst.
Magen-Darm-Bereich stellt die Verdauungsarbeit ein, aus den
Blutreserveräumen werden sofort rote Blutkörperchen zum          Kennen Sie das? Sie kommen müde und erschöpft nach
Einsatz geschickt, die eine Sauerstoffaufnahme und Kohlen-       einem anstrengenden, stressreichen Arbeitstag nach Hause.
dioxydabgabe erleichtern sollen, der Blutgerinnungsfaktor        Sie haben schwere Beine, obwohl (weil!) Sie sich kaum bewegt
nimmt zu. Die Schmerztoleranz wird kurzfristig erhöht.           haben. Sie lassen sich auf die Couch fallen, schalten den Fern-
                                                                 seher an und dösen ein. Wie fühlen Sie sich danach? Frisch
Innerhalb kürzester Zeit ist der Mensch kampf- oder flucht-      und erholt? Wohl kaum! Höchstwahrscheinlich sind Sie er-
bereit. Man spricht von der Alarmreaktion des Körpers, die       schlagen. Ihr Körper hat ja den ganzen Tag über Stressener-
auf jede Art einer möglichen Gefährdung des Wohlergehens         gie freigesetzt, um Sie zu körperlicher Hochleistung zu befä-
automatisch erfolgt. Von besonderer Bedeutung ist dabei das      higen. Und Sie haben den ganzen Tag gesessen: am Telefon,
Gefühl der Kontrolle über die Situation. Hat man sie im Griff,   beim Arbeitsessen, in der Konferenz, im Auto …. Was Ihr Kör-
oder sieht man sich scheitern und fühlt sich hilflos, matt und   per jetzt braucht, ist Abreaktion, das Abführen von Energie.
verzweifelt? In Situationen, in denen man seine Kraft und An-
strengung herausgefordert sieht und in denen es auf Kampf,       Wie anders ist es, wenn Sie trotz Müdigkeit ein verabredetes
Flucht oder Wettbewerb ankommt, kommt einem die Energie          Tennismatch nicht absagen. Sie entschuldigen sich vorsorglich
der Stressreaktion zugute. Situationen, denen man sich aus-      bei Ihrem Partner: „Bei mir geht heute nichts, ich bin richtig
geliefert fühlt, ohne sie beeinflussen zu können, führen oft     ausgelaugt ...“ Nach zehn Minuten staunt dieser dann über Ihr
zu Gefühlen von Hilflosigkeit und Unterordnung.                  energiegeladenes Spiel. Da fällt Ihnen ein: „Richtig, ich war ja
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                                                                                     Gut zu wissen!

                                                                                     Eine Sache der
                                                                                     Hormone
                                                                                     Adrenalin und Cortisol sind körpereigene
                                                                                     Hormone. Sie werden hergestellt, damit wir
                                                                                     uns Herausforderungen stellen und sie auch
                                                                                     meistern können. Adrenalin macht uns kampf-
                                                                                     oder auch fluchtbereit. Cortisol ist wichtig für
                                                                                     den Eiweiß- und Zuckerstoffwechsel. Der
                                                                                     Cortisolspiegel im Körper sollte möglichst
                                                                                     niedrig sein, weil er uns sonst gefährlich
                                                                                     werden kann. Er greift nämlich nicht nur das
                                                                                     Immunsystem, sondern auch Muskeln an.
vorher todmüde. Aber jetzt fühle ich mich topfit!“ Sie haben
das getan, wozu der Stressmechanismus Sie programmiert
hat. Sie haben unbewusst eine richtige Form der Stressbewäl-
tigung gefunden. Doch wie oft „zwingt“ uns unser Lebensrhyth-
mus ein anderes, unphysiologisches Verhalten auf!

Der Stressablauf im ursprünglichen Sinn Ein Urzeitjäger         Erholung Hat der Urmensch die Situation bewältigt (konnte er
sitzt am Waldrand und ruht sich aus. Plötzlich knackt es hin-   fliehen oder den Säbelzahntiger erlegen), kann er sich erholen.
ter ihm. Was passiert?
                                                                Überforderung Gelingt ihm die Anpassungsleistung nicht
Orientierung Das Ohr leitet den Reiz (Knacken) ans Gehirn.      (mehr) oder wird er aufs Neue gefordert, ohne sich ausreichend
Der Jäger dreht den Kopf, um zu sehen, woher das Geräusch       erholt zu haben, „schaltet“ sein Körper auf Daueralarm – er
kommt. Er sieht einen Säbelzahntiger auf sich zukommen.         reagiert so, als ob er ständig von Raubtieren umgeben wäre.

Aktivierung Blitzschnell wird im Gehirn entschieden, ob         Erschöpfung Dauert dieser Zustand zu lange an, erschöpft
der Reiz lebensbedrohlich ist; wenn ja, erfolgt die Alarmre-    sich die Widerstandskraft und der Mensch ist nicht mehr fä-
aktion, die den Jäger optimal auf Angriff oder Flucht vorbe-    hig, sich in ähnlichen Situationen angemessen zu verhalten.
reitet. Seine Wahrnehmung engt sich auf stressrelevante
Eindrücke ein, er sieht einen Stock, den er als Waffe verwen-   Stressanalyse als Voraussetzung für Stressbewältigung
den kann, oder das dichte Gebüsch, in das er fliehen kann,      Sich mit den eigenen Stressbelastungen auseinanderzuset-
nicht aber die im Hintergrund blühenden Blumen. Sein vege-      zen, ist oft schwer angesichts der vielen unterschiedlichen
tatives Nervensystem arbeitet auf höchster Stufe. Seine         Auslöser, die zu Stress führen. Als hilfreich für die Analyse und
Muskeln sind angespannt, um ihn optimal auf Angriff oder        Beschreibung eigener Stresssituationen hat sich folgende
Flucht zu programmieren.                                        Unterteilung herausgestellt: Welches sind die Stressoren?
                                                                Welches sind meine persönlichen Bewältigungsmöglichkei-
Anpassung Solange die Bedrohungssituation besteht,              ten, die ich gegenüber diesen Belastungssituationen mitbrin-
bleibt sein Körper auf dem Sprung – optimal ausgerüstet,        ge? Wie reagiere ich auf die Belastungssituationen?
den Säbelzahntiger kraftvoll anzugreifen, oder für das so-
fortige und ausdauernde Fliehen, zum Beispiel durch Weg-        Diese Betrachtung ermöglicht einen schnellen Überblick über
rennen, Auf-Bäume-Klettern, Zur-Seite-Springen. All das         die Zusammenhänge und hilft, die persönlichen Reaktionen
gelingt dem Urmenschen jetzt sehr viel besser als in neu-       leichter zu analysieren und damit zu entscheiden, was sinn-
tralen, entspannten Situationen.                                vollerweise vorrangig verändert werden soll.
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8 Stress – Alle Sinne in Alarmbereitschaft

Stressreaktionen und ihre Auswirkungen auf den Organismus

  Sofortige Reaktionen

  Eine akute Bedrohung versetzt den gesamten                    Nebennieren Hier werden die Angriffs- und Fluchthor-
  Organismus in Alarmbereitschaft:                              mone produziert – die Katecholamine.

                                                                Milz Die Milz schwemmt vermehrt rote Blutkörperchen
  Gehirn Das Denk- und Erinnerungsvermögen nimmt zu,
                                                                aus, damit mehr Sauerstoff zu den Muskeln transportiert
  das Schmerzempfinden sinkt.
                                                                werden kann.

  Augen Die Pupillen weiten sich, damit drohende Gefahr
                                                                Haare Die Körperhaare richten sich auf (Gänsehaut).
  besser erkannt wird.

  Lunge Die Bronchien weiten sich, die Atmung ist
                                                                Darm und Harnblase Die Verdauung setzt aus, um
  beschleunigt. Über die Lunge wird mehr Sauerstoff
                                                                Energie zu sparen.
  aufgenommen.

                                                                Muskeln In den großen Muskeln weiten sich die Blutgefä-
  Herz Puls und Blutdruck steigen.
                                                                ße zur besseren Energieversorgung.

  Leber Sie stellt zusätzlichen Treibstoff für die Muskelzel-   Blut Die Blutungsneigung sinkt, die Blutgerinnung
  len zur Verfügung.                                            nimmt zu.

  Verzögerte Reaktionen                                          Chronische Auswirkungen

  Um der Stresssituation „standhalten“ zu können,                Zu viel Stress ist schädlich, weil Folgendes passiert:
  finden folgende Stabilisierungsprozesse statt:
                                                                 Gehirn Erschöpfung, Gereiztheit und Depressionen
  Gehirn Zur besseren Stressverarbeitung wird der                können Folge ständiger/überhöhter Cortisolausschüt-
  Bereich des Lern- und Erinnerungsvermögens aktiviert.          tung sein.

  Immunsystem      Die natürliche Abwehrfähigkeit                Darm Die gedrosselte Blutversorgung macht
  nimmt ab.                                                      Magen- und Darmschleimhaut anfällig für Geschwüre.

  Leber Gespeicherte Energien werden in „Treibstoff“             Immunsystem Das Ausbremsen der Abwehrzellen
  umgewandelt.                                                   schwächt auf Dauer das Immunsystem.

  Nebennieren Sie geben Cortisol ab. Dadurch werden              Blutgefäße Ihre Elastizität lässt nach.
  die Verdauung und die Immunleistung heruntergefahren.

  Geschlechtsorgane Je länger der Stress anhält, desto
  mehr wird die Produktion der Geschlechtshormone
  gedrosselt.
Stress Belastungen besser bewältigen - Techniker ...
9

                                                                                      Gut zu wissen!

                                                                                      Was ist Stress?
                                                                                      Ursprünglich kommt der Begriff aus dem
                                                                                      Englischen, speziell aus der Materialprüfung.
                                                                                      Hier versteht man unter Stress die Spannung
                                                                                      und Verzerrung von Metallen oder Glas.

                                                                                      In der Medizin und Psychologie wurde „Stress“
                                                                                      1950 von dem Vater der Stressforschung, Hans

Was sind Stressoren?
                                                                                      Selye, erstmals auf die Menschen übertragen.

                                                                                      Stress bezeichnet die körperlichen und
                                                                                      psychischen Antworten des Organismus
                                                                                      auf Belastungen. Die auslösenden Ursachen
                                                                                      nennt man Stressoren.

Als Stressor werden alle inneren und äußeren Anforderungen
bezeichnet. Der Organismus teilt die auf ihn einwirkenden
Reize in positive und negative ein. Alles, was nützlich, ange-
nehm, befriedigend ist, wird positiv gewertet; alles, was un-
angenehm, bedrohlich oder überfordernd ist, wird negativ als
Stressor eingeordnet. Das können auch durchaus positive           Stress ist individuell Alle nur denkbaren Situationen, die
Reize sein, die zu plötzlich oder zu intensiv auftreten und mit   als unangenehm und/oder bedrohlich erlebt werden, können
denen man momentan nicht umgehen kann beziehungsweise             Stressauslöser sein. Enttäuschungen, die Angst zu versa-
das zumindest glaubt.                                             gen, Überforderung und Unsicherheiten in der Beurteilung
                                                                  der Situation sind hier besonders starke Stressoren.
Wie sich in den letzten Jahren gezeigt hat, nehmen psycho-
soziale Stressoren massiv zu. Wer sich täglich am Arbeitsplatz    Für den Manager sind vielleicht seine Dienstreisen von Ko-
mit Intrigen, Ärgernissen und schlechter Stimmung konfron-        penhagen nach Mailand und von dort nach Paris innerhalb
tiert sieht oder sich in einer Dauerfehde mit dem Wohnungs-       kürzester Zeit belastend. Für seine Sekretärin die vielen Not-
nachbarn befindet, leidet unter chronischem Stress. Das           lügen, mit denen sie in der Zwischenzeit seine Mitarbeiter und
bedeutet, dass man seine persönlichen Belastungssituationen       Kunden vertrösten muss, für den freischaffenden Künstler
kennen muss. Denn nur so kann gezielt und damit ökono-            die Notwendigkeit, am nächsten Ersten seine Miete zu beglei-
misch Stress bewältigt werden. Da die Bewertung abhängig          chen, für die Hausfrau das nächste Familienfest bei ihr zu
von den persönlichen Erfahrungen, der Konstitution und der        Hause, für den Sohn die bevorstehende Klassenarbeit.
Verfügbarkeit von Bewältigungsstrategien stark variiert,
können ganz unterschiedliche Belastungen als Stressoren
erlebt werden.
Stress Belastungen besser bewältigen - Techniker ...
10 Stress – Was sind Stressoren?

Auf die richtige Dosis kommt es an Wie viel Stress ein
Mensch hat, ist abhängig von der Stressdosis. Diese wird
einerseits bestimmt durch

•   Häufigkeit,
•   Vielfalt,
•   Dauer und
•   Intensität

mit der Stressoren auf den Organismus einwirken, anderer-
seits durch die individuelle Bewertung, nämlich die Art und
Weise, wie wir selbst die Situation beurteilen: als bedrohlich,
als unsere Kräfte übersteigend oder als zu bewältigen.

Eine besondere Bedeutung hat die Bewertung beim aktuellen              • Dabei entscheiden Sie, welche Situationen auf Sie zutreffen.
Stressmodell von Lazarus. Zunächst bewertet der Mensch                 • Ergänzen Sie die aufgelisteten Stressoren um weitere
subjektiv, ob die jeweilige Situation für ihn positiv oder neu-          persönlich relevante Situationen.
tral ist. Ist dies der Fall, erfolgt keine Stressreaktion. Die Situ-   • Beurteilen Sie, wie unangenehm die jeweilige Stresssitua-
ation kann aber auch als Herausforderung, Bedrohung oder                 tion für Sie ist.
Schaden interpretiert
werden. Gleichzeitig wer-                                                                                   Auch dieser Fragebo-
den die persönlichen Be-                Drei von zehn Befragten                                             gen soll in erster Linie
wältigungsmöglichkeiten                                                                                     zum Nachdenken an-
(Coping) eingeschätzt.                sind durch Pendelei mit Auto,                                         regen! Am besten ver-
Wird die Situation als                                                                                      wenden Sie den Frage-
Gefahr oder Schaden in-                 Bahn oder Bus gestresst.                                            bogen mehrfach, zum
terpretiert, entsteht eine                                                                                  Beispiel im Abstand
Stressreaktion. Definiert                                                                                   von zwei bis drei Mo-
man die Situation als Herausforderung, entsteht sogenann-              naten, und vergleichen damit Ihre persönliche Einschätzung
ter positiver Stress (Leistungspositiv).                               belastender Situationen zu verschiedenen Zeitpunkten.

Heute sind Konfrontationen mit klar umschriebenen massi-               Gehen Sie die Liste durch. Prüfen Sie, inwieweit die Aussagen
ven Ereignissen seltener geworden. Viel häufiger sind unter-           auf Sie, Ihre Gewohnheiten und die Bedingungen, unter de-
schwellige Daueralarmsituationen: Die Arbeit ist abends nicht          nen Sie leben, zutreffen. Entscheiden Sie, wie häufig die
erledigt, morgen (oft auch nach Feierabend) geht es weiter,            Situation bei Ihnen auftritt und wie unangenehm sie Ihnen
man grübelt über die Probleme auch noch nachts – der Orga-             ist. Setzen Sie ein Kreuz in die entsprechenden Kästchen und
nismus bleibt angespannt.                                              multiplizieren Sie beide Werte miteinander. Tragen Sie das
                                                                       Produkt in die Spalte 1 ein. Wenn Sie den Test wiederholen,
Auf der rechten Seite finden Sie einen Fragebogen, der Ihnen           verwenden Sie Spalte 2. Wird die Endsumme höher, sollten
bei Ihrer Stressorenanalyse helfen kann.                               Sie kurz- und langfristige Veränderungen (siehe ab Seite 19)
                                                                       anstreben.
11

  Stressoren*                                   Häufigkeit          x            Bewertung         =         Belastung

                                                   Nie   Manchmal       Häufig    Sehr    Nicht     Kaum     Ziemlich    Stark    Produkt
                                                                                   oft   störend   störend   störend    störend   1 2 3
                                                    0        1            2        3         0         1        2         3

  Termin-, Zeitdruck
  Störungen, zum Beispiel bei der Arbeit
  Dienstreisen
  Ungenaue Anweisungen und Vorgaben
  Verantwortung
  Aufstiegswettbewerb/Konkurrenzkampf
  Multitasking
  Konflikte am Arbeitsplatz
  Ärger mit dem Chef
  Ärger mit Kunden
  Ungerechtfertigte Kritik
  Dauerndes Telefonklingeln
  Informationsüberflutung
  Neuer Verantwortungsbereich
  Umweltbelastungen wie Lärm oder Schmutz
  Bildschirmarbeitsplatz
  Mangelhafte Kommunikation
  Autofahrt in der Stoßzeit
  Schulschwierigkeiten der Kinder
  Doppelbelastung Familie und Beruf
  Ärger mit der Verwandtschaft
  Krankheitsfall in der Familie
  Hausarbeit
  Rauchen
  Alkoholkonsum
  Übermäßige Kalorienzufuhr
  Bewegungsmangel
  Schwierigkeiten bei Kontaktaufnahme
  Unerfreuliche Nachrichten
  Konflikte mit Kindern
  Fehlende Erholungszeiten
  Menschenansammlung
  Trennung vom (Ehe-)Partner/von der Familie
  Einkaufen in der Stoßzeit
  Hohe laufende Ausgaben/Schulden
  Misserfolge
  Ärztliche Untersuchungen
  Sorgen
  Unzufriedenheit mit dem Aussehen
  Eigene Beispiele:

  Liegen mehr als zehn Produktwerte über vier,
                                                                                  Ergebnis
  sollten Sie Techniken zur Stressreduktion lernen.

*(Erläuterungen zum Ausfüllen siehe Seite 10)
12 Stress – Was sind Stressoren?

Stress kann auch nutzen Stress ist                                                             Woran kann man feststellen, in
lebensnotwendig und für das Wohl des                                                           welchem Bereich man sich befindet?
Menschen unerlässlich. Auf der ande-        zur Höchstleistung ein. Bekannte
ren Seite sind sich alle Forscher darüber   Schauspieler sagen: „Ich spiele am bes-            Anzeichen für Unterforderung
einig, dass Stress kurz- und langfristig    ten, wenn ich etwas Lampenfieber                   • Man fühlt sich häufig unwohl.
ungünstige Auswirkungen auf das psy-        habe.“                                             • Man ist gelangweilt und wenig
chische und physische Befinden haben                                                             motiviert.
kann, insbesondere wenn bereits struk-      Nur das Übermaß macht krank! Die                   • Die Leistung ist schlecht.
turelle Vorschädigungen vorliegen. Bei-     Probleme überforderter Kinder, die bei-            • Leichtsinnsfehler treten auf.
de Aussagen sind richtig.                   spielsweise Schulstress haben, sehen               • Man läuft „untertourig“.
                                            ganz ähnlich aus. Aber was ist nun die
Stress fördert die Weiterentwicklung        „richtige“ Stressdosis? Hier kann die              Im Bereich der mittleren Stressdosis
und spornt zur Leistung an. Solange wir     Wissenschaft eine klare Antwort geben:             • fühlt man sich wohl,
uns in der Anpassungsphase befinden,        Die Beziehung zwischen Leistung und                • machen Arbeit und Freizeit Spaß,
kann Stress uns sogar zu Höchstleis-        Stress entspricht einer umgekehrt                  • wird Stress als Herausforderung
tungen bringen. Jede körperliche oder       U-förmigen Kurve (siehe Abbildung).                  bewertet,
geistige Anstrengung, jede Problemlö-       Von dem durch Unterforderung erzeug-               • fühlt man sich voller Energie und
sung benötigt ein gewisses Ausmaß an        ten Leistungsleck aus erhöht sich mit              • zeigt man gute Arbeitsergebnisse.
Stressenergie. Der Volksmund sagt           steigendem Stress die Nutzung der Er-
ganz richtig: „Wer rastet, der rostet.“     regung bis zur optimalen Leistung bei              Anzeichen für Überforderung
Spitzenleistungen sind ohne kontrol-        einem mittleren Ausmaß von Stress. Bei             • Man fühlt sich überfordert.
lierten Stress kaum möglich: Der Athlet,    weiterer Zunahme der Stressereignisse              • Man zeigt zunehmende Stressreak-
der sich psychisch auf den Wettkampf        erfolgt dann ein Leistungsabbau bis hin              tionen.
eingestellt hat und seine Stressreaktio-    zur Leistungsunfähigkeit.                          • Man ist planlos oder resigniert.
nen genau kontrolliert, setzt im richti-                                                       • Die Leistung wird immer schlechter.
gen Moment die bereitgestellte Energie                                                         • Fehler häufen sich.
                                                                                               • Die Krankheitsanfälligkeit steigt.

                                                                      In Topform oder im Stress

                                                                      Ein mittleres Ausmaß von Stress lässt uns optimale
                                                                      Leistung bringen. Stehen wir allzu beständig unter
                                                                      Stress, geht das Leistungsvermögen steil bergab.
                                                                     +

                                                                               Leistungsleck          Mittlere     Leistungsverlust
                                                                                                   Stressdosis
                                                                    Leistung

                                                                                                (Leistungspositiv)

                                                                         0       Stressdosis                                 +
13

Stress ist oft selbst gemacht
                      „Das Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Augen-
                       blick der Geburt bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine
                       Rede zu halten.“ So soll Mark Twain den stressbedingten Leistungs-
                       ausfall – den sogenannten Blackout – beschrieben haben.

D
       ie persönliche Bewertung entscheidet darüber, was als
       Stress erlebt wird. Hier ein Beispiel: Zwei Personen sollen
       während eines Informationsabends einen kurzen Vor-
trag halten. Beide sind durchaus redegewandt und haben um-           Beispiel Der kleine Junge, der gerade erst Rad fahren ge-
fassende Fachkenntnisse. Herr A. ist ein eher verschlossener,        lernt hat, wird völlig angstfrei und mit Begeisterung einen
unsicherer Mensch, der zwar über einen guten Sprachstil ver-         steilen Berg hinuntersausen. Er erkennt die Gefahr nicht und
fügt, sich aber nur wenig zutraut, und dementsprechend graut         glaubt, der Situation gewachsen zu sein.
ihm vor der Veranstaltung, er empfindet sie als Überforderung.
Herr B. hingegen steht gerne im Mittelpunkt und hat deshalb          Ebenso können an sich neutrale Situationen unangenehm
nur etwas Lampenfieber, er spricht von einer interessanten           erlebt werden und Stress erzeugen.
Herausforderung. Objektiv gesehen besitzen beide Fertigkei-
ten, die Situation zu meistern. Aber Herr A. fühlt sich sehr viel    Beispiel Das Einschreiben, auf das ein Zettel im Briefkasten
weniger befähigt, diese Aufgabe zu bewältigen.                       hinweist, löst beim Gang zur Post die schrecklichsten Be-
                                                                     fürchtungen aus. Dann stellt sich heraus, dass es sich nur um
Während des Vortrags unterhalten sich zwei Zuhörer halb-             die neue Scheckkarte handelt.
laut. Herr A. denkt: „Die sind sicher anderer Meinung als ich
und kritisieren gleich meine Ausführungen.“ Er ist irritiert,        Menschen unterscheiden sich auch hinsichtlich der Bewer-
wird noch nervöser, als er ohnehin schon ist, und verspricht         tung der eigenen Stressreaktionen. Der eine stellt seine
sich. Seine Befürchtungen haben sich erfüllt.                        Stressreaktion lediglich fest, der andere regt sich auf und
                                                                     steigert sich hinein.
Herr B. nimmt die gleiche Situation recht gelassen auf: „Da
sind zwei, die wie Schulkinder tuscheln. Na ja, solange sie die      Wenn jemand glaubt, einer Situation hilflos ausgeliefert zu
anderen nicht stören, spielt das keine Rolle.“ Und er spricht        sein, zeigt er sehr viel stärkere Stressreaktionen, als wenn er
weiter, als ob nichts wäre.                                          sich als Herr dieser Situation fühlt.

Wie kommt das? Der Mensch entwickelt aus der persön-                 Menschen, die aus Erfahrung und entsprechend ihren Fähig-
lichen Veranlagung und den Lebenserfahrungen                         keiten und ihrer Einstellung häufig glauben, eine Anforderung
                                                                     aktiv steuern zu können, sind weniger gefährdet, Stressfol-
•   seine Einstellung,                                               geschäden zu erleiden, als solche, die sich eher fremdgesteu-
•   seine Persönlichkeit,                                            ert – also von der Umwelt bestimmt – fühlen und sich deshalb
•   seine Fertigkeit und Bewältigungsstrategien und                  passiv-resignativ verhalten: „Egal was ich tue, es ist mein
•   seine Belastbarkeit.                                             Schicksal, dass andere entscheiden, was geschieht.“

So kommt man zur Bewertung der jeweiligen Situation. Stress          Einmal angenommen, alle Übenden in einem Fitnessstudio
ist daher oft selbst gemacht!                                        wären unfreiwillig dort und würden gezwungen, zehnmal
                                                                     20 Kilogramm zu stemmen und das Ganze noch zweimal zu
Sogar eine objektiv gefährliche Situation löst nur dann eine         wiederholen. Vermutlich würden sie das als Qual empfinden. Als
Stressreaktion aus, wenn man die Gefahr erkennt und glaubt,          freiwilliges Programm jedoch akzeptieren sie es und leiden viel
sie nicht bewältigen zu können.                                      weniger! Aber auch das übersteigerte Bedürfnis zu kontrollie-
                                                                     ren, kann zu Problemen führen. Man mischt sich überall ein,
                                                                     kann nichts laufen lassen, ist ständig aktiv und überfordert
                                                                     sich – und die Umwelt.
14 Stress – Stress ist oft selbst gemacht

Frauen und Männer im Stress Es gibt auch geschlechtsspezifische Unter-
schiede hinsichtlich Stresserleben und -verhalten sowie im Umgang mit
Stressoren. Männer leiden besonders bei ungenügender Beförderung und
unqualifizierter Tätigkeit. Stress wird bei ihnen auch häufig durch Konkur-
renzverhalten, Zeitdruck sowie Karrierestreben ausgelöst. Spezifisch männ-
liche Stressoren am Arbeitsplatz sind unter anderem ein geringer Hand-
lungs- und Entscheidungsspielraum, Monotonie, Termin- und Leistungsdruck.
Männer haben häufiger als Frauen Stress, wenn sie den Eindruck haben,
eingeengt zu sein und eine Situation nicht unter Kontrolle zu haben, wie im
Straßenverkehr oder als Beifahrer im Auto.

Doppelbelastung durch Familie und Beruf zählt zu den wichtigsten Stresso-
ren von Frauen. Sie empfinden auch oft Stress in Diskussionen bei unter-
schiedlicher Auffassung oder bei Konflikten, weil alles, was die Harmonie
stört, als Bedrohung empfunden wird. Zusätzlich neigen viele Frauen dazu,
sich bei beruflichen und privaten Missgeschicken alle Schuld zu geben und
mit sich zu hadern.

Auch die Bewältigungsversuche sind unterschiedlich. Männer sind weniger
als Frauen in der Lage, sich soziale Unterstützung zu holen. Sie versuchen
Situationen eher durch riskante Verhaltensweisen wie exzessiven Konsum
von Alkohol, durch aggressive Strategien oder durch Leugnen zu bewälti-
gen. Frauen werden bei                                                                                 Personen, die diesem
Stress oft passiv, ängst-                                                                              Verhaltensmuster ent-
lich, sie resignieren und
ziehen sich zurück.
                              Acht von zehn Deutschen empfin-                                          sprechen, nennt man
                                                                                                       Typ-A-Menschen. Die

Das Typ-A-Verhaltens-
                               den ihr Leben als stressig, jeder                                       Forschung bezeichnet
                                                                                                       damit eine Kombination
muster Herr D. macht
Urlaub in einem südli-
                                Dritte steht unter Dauerdruck.                                         von hohem Leistungs-
                                                                                                       streben, Konkurrenz-
chen Land. Während sei-                                                                                denken, Ungeduld, Per-
ne Familie badet, liest er                                                                             fektionismus, hohem
eine deutsche Tageszeitung und ärgert sich über die schlechte Lage an der Börse.      Verantwortungsbewusstsein, Hektik,
Dann beobachtet er den nahegelegenen Parkplatz. Er erkennt nach kurzer Zeit,          Aggressionsbereitschaft und Ärger. Das
dass die Parkplätze am Strand nicht optimal genutzt werden. Zunächst teilt er         Typ-A-Verhaltensmuster kann als erlern-
diese Tatsache aufgebracht seinen Liegestuhlnachbarn mit. Am dritten Tag hält es      tes Verhalten durchaus verändert wer-
ihn nicht mehr am Strand, er springt auf und dirigiert schwitzend und mit hochro-     den. Für Typ-A-Menschen ist das Risiko,
tem Kopf die Autofahrer und denkt dabei: „Höchste Zeit, dass hier einer was tut,      einen Herzinfarkt zu bekommen, doppelt
so kann das nicht weitergehen.“                                                       so hoch wie für andere Menschen. Wie
                                                                                      wichtig dieses Thema ist, zeigt die Tatsa-
Herr D. ist nur dann zufrieden, wenn er aktiv ist und Leistung erbringt. Er hat nur   che, dass es in New York zahlreiche psy-
wenig Geduld mit sich und anderen. Das Leben an sich zu genießen, hat er nie          chologische Praxen gibt, die sich aus-
gelernt. Dementsprechend treten körperliche Beschwerden (häufige Kopfschmer-          schließlich mit der therapeutischen
zen) auf, die er selbst aber nicht in Zusammenhang mit seinem Lebensstil bringt.      Veränderung gesundheitsgefährdenden
                                                                                      Typ-A-Verhaltens beschäftigen.
15

Wie belastbar bin ich?

H
      ohe Belastbarkeit bedeutet gerin-    (vor allem Angst und Depression). Um
      gere Stressanfälligkeit. Menschen    die eigene Belastbarkeit richtig einschät-
      mit niedriger Erregungsbereit-       zen zu können und Veränderungen
schaft (= hoher Belastbarkeit) reagieren   rechtzeitig wahrzunehmen, ist es wich-
schwächer und weniger schnell mit          tig, schon die ersten Anzeichen für Über-
Stressreaktionen auf Stressoren und er-    forderung zu registrieren.
holen sich obendrein schneller. Damit
sind sie weniger stressanfällig. Men-      Anzeichen von Überforderung Bei
schen, die sich nach Stressereignissen     überdosiertem und lang andauerndem
(zum Beispiel am Arbeitsplatz) rasch       Stress verändert sich der Effekt: Es
wieder erholen und entspannen können,      kommt zu Überforderungsreaktionen.
erkranken weniger häufig an Stressfol-     Hierzu gehört auch das sogenannte
gen. Bei geringer Belastbarkeit ist das    Burnout-Syndrom, das Gefühl des Aus-
Erregungsniveau allgemein erhöht,          gebranntseins. Alles wird einem zu viel,
Stressschäden treten häufiger auf, der     man ist müde, verspannt und lustlos.
Organismus reagiert zu intensiv, zu lang   Besonders hoch engagierte Menschen,
andauernd und zu schnell. Man steht        die zu lange Zeit in ihrem Job oder bei
unter Hochspannung.                        ihrer Tätigkeit (zum Beispiel als aufopfe-
                                           rungsvolle Mutter) hochtourig fahren,
Überstress und Krankheit stehen in en-     erschöpfen sich auf diese Weise und fin-
ger Beziehung zueinander. Seit den         den keinen Spaß mehr an ihrer Arbeit
1970er-Jahren wurden diese Zusam-          und in ihrem Leben (siehe auch Seite 43).
menhänge intensiv erforscht. Krankhei-
ten, die mit Stress in Zu-
sammenhang gebracht
werden, sind zum Beispiel
koronare Herzerkrankun-
gen, Rückenschmerzen und
                                           Gut zu wissen!
psychische Erkrankungen
                                           Auf den Körper hören
                                           Wenn Sie feststellen, dass Sie sich in letzter
                                           Zeit viel häufiger und intensiver ärgern oder
                                           aus der Haut fahren, wenn Sie zum Beispiel
                                           am Wochenende viel länger brauchen, bis Sie
                                           sich einigermaßen erholen, oder wenn Sie
                                           schon Stressbeschwerden wahrnehmen,
                                           dann sollten Sie etwas gegen diese Überfor-
                                           derung tun!
16 Stress – Stressreaktionen

Stressreaktionen

Die vier Ebenen der Stressreaktion Reaktionen können in
vier verschiedenen Bereichen beobachtet werden.

1. Die kognitive Ebene Diese Ebene beschreibt alle geistig-
gedanklichen Vorgänge wie Denk- und Wahrnehmungsprozesse.

2. Die emotionale Ebene      Hierher gehören alle Gefühle und
Befindlichkeiten.

3. Die vegetativ-hormonelle Ebene Diese Ebene betrifft
alle Reaktionen des vegetativen Nervensystems und der da-
ran angeschlossenen Organe, die normalerweise nicht will-
kürlich kontrollierbar sind, sowie die hormonelle Reaktion.

4. Die muskuläre Ebene Das sind die Reaktionen, die im
Bereich der Skelettmuskulatur erfolgen, also jene, die der will-
kürlichen Kontrolle unterliegen.

Ein Stressor kann mit unterschiedlich starker Wirkung auf
jeder der vier Ebenen Reaktionen hervorrufen. Diese vier
Bereiche sind teilweise unabhängig voneinander, sie können         2. Emotionale Reaktionen Es entstehen sehr unterschiedli-
sich jedoch auch gegenseitig wechselwirkend beeinflussen           che Gefühle, die aus dem Grundmuster Angriff/Aggression –
(Aufschaukelung, Teufelskreis).                                    Flucht/Angst oder aber Hilflosigkeit resultieren. Eine Palette
                                                                   von „gefordert sein“, „sich unwohl fühlen“, „innere Unruhe bis
Ablauf der Stressreaktionen auf den vier Ebenen (Aktivie-          zu Angst“, „Ärger und Panik“ bis zu „Depressionen“ stellt sich
rung) Befinden wir uns so richtig im Stress, kann fehlerfreies,    ein. Solche Reaktionen können sein:
strukturiertes Arbeiten durchaus zum Problem werden. Denn
der Gesamtzustand des Organismus verändert sich so, dass           •   Angst                      •   Gefühlsstau
auf den unterschiedlichen Ebenen Alarmbereitschaft herrscht.       •   Schreck                    •   Ärger
                                                                   •   Panik                      •   Wut
1. Kognitive Reaktionen Die Wahrnehmung ist eingeengt              •   Nervosität                 •   Gereiztheit
auf die Reize, die für die stressauslösende Situation wichtig      •   Verunsicherung             •   Versagensgefühle
sind. Gleichzeitig treten gedankliche Bewertungen („Das geht
schief“) auf. Reaktionen können sein:

• Gedanken wie „Pass auf!“, „Das schaffe ich nie“,
  „Auch das noch“, „Das geht schief“
• Leere im Kopf (Blackout)
• Konzentrationsmangel
• Denkblockaden
• Gedankenkreisel
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                                                         Wer die Erwartungen an sich
                                                         selbst zu hoch schraubt, wird nie
                                                         richtig zufrieden sein. Ein „mitt-
                                                         leres Anspruchsniveau“ macht
                                                         viel eher glücklich.

                                         Weitere Reaktionen können sein:            •   Zähneknirschen
                                         • Trockener Mund                           •   Fußwippen
                                         • Kloß im Hals                             •   Zucken
                                         • Schwitzen                                •   Rückenschmerzen
                                         • Erröten                                  •   Faustballen
                                         • Kurzatmigkeit                            •   Stottern
                                         • Tränen                                   •   Verzerrtes Gesicht
                                         • Adern treten hervor                      •   Schulternhochziehen
                                         • Weiche Knie                              •   Nervöse Gestik
                                         • Engegefühl in der Brust                  •   Kopfschmerzen
                                         • Übelkeit
                                         • Blutdruckanstieg                         Besonders deutlich bemerkbar ist die
3. Vegetativ-hormonelle Reaktionen       • Herzklopfen/Herzstiche                   Stresssituation häufig bei den persönli-
Es erfolgt eine vegetative und hormo-                                               chen Schwachstellen. So wird ein
nelle Aktivierung. Der Sympathikus       4. Muskuläre Reaktionen Die gesam-         Mensch mit labilem Kreislauf Stressre-
wird erregt, die Stresshormone Ad-       te Skelettmuskulatur ist vorgespannt,      aktionen in diesem System besonders
renalin, Noradrenalin, Testosteron und   man ist „sprungbereit“, der Körper ist     leicht wahrnehmen.
Cortisol werden ausgeschüttet. Da-       auf Flucht oder Angriff optimal einge-
durch wird zum Beispiel der Atem         stellt. Die eigenen Aktivierungs-          Der Aufschaukelungsprozess Es
schneller, Herz und Kreislauf arbeiten   reaktionen können – wenn man sie           gibt ungünstige Aufschaukelungspro-
stärker, die Pupillen weiten sich, die   frühzeitig erkennt – als Signale genutzt   zesse (Teufelskreis), aber auch eine
Blutgefäße verengen sich, der Blut-      werden, um Stress im Anfangsstadium        günstige gegenseitige Beeinflussung
druck steigt, Zucker- und Fettvorräte    entgegenzuwirken (siehe kurzfristige       im Sinne der Stressbewältigung ist
werden gelöst, Verbrennungsvorgänge      Änderung Seite 50) und individuelle        möglich (Engelskreis). Sogar weit zu-
beschleunigt, Schweißreaktionen tre-     Stressoren (bei sich selbst und bei an-    rückliegende unangenehme Ereignisse
ten auf. Durch das Hormon Hydrocor-      deren) zu diagnostizieren. Denn nur        beeinflussen – meist unbemerkt – un-
tison sinkt die Immunabwehr des Kör-     solche Situationen sind individuelle       sere Reaktionen in akuten Stress-
pers. Der Blutgerinnungsfaktor erhöht    Stressoren, die kurz- oder langfristig     situationen (Kurzschlussreaktion), es
sich. Magen und Darm reduzieren ihre     Aktivierungsreaktionen auslösen. Mus-      kommt zum „Tropfen, der das Fass zum
Aktivität, ebenso sind die Sexualfunk-   kuläre Reaktionen können sein:             Überlaufen bringt“.
tionen vorübergehend eingeschränkt.
Es können auch vagotone Folgereakti-     • Starre Mimik
onen wie Durchfall, Übelkeit oder Er-    • Fingertrommeln
brechen auftreten.                       • Zittern
18 Stress – Stress

Stress
bewältigen
Jede Stresssituation lässt sich beherrschen und in den
Griff bekommen. Das richtige Zeitmanagement und
Entspannungsmethoden können dabei behilflich sein.
19

Wie gehe ich mit Stress um?
      Jede Stresssituation erfordert eine maßgeschneiderte Methode,
      um angemessen mit ihr fertigzuwerden. Geeignete Maßnahmen
      kann man lernen und in der jeweiligen Situation zur aktiven
      Entspannung und Stressbewältigung einsetzen.

     Ü
             berlegen Sie zunächst, wie Sie
             bislang versucht haben, mit
             Stress fertigzuwerden und Ihre      einer anderen Situation unbrauchbar sein. Die Tauglichkeit
      Leistungsfähigkeit und Ihr Wohlbefin-      einer Stressbewältigungsstrategie kann nur an ihren kurz-
      den aufrechtzuerhalten. Auch die Be-       und langfristigen Folgen überprüft werden: Der regelmäßige
      wältigungsstrategien anderer Leute         „Entspannungsschluck“ bringt vielleicht kurzfristig Erre-
      können interessante Tipps beinhalten.      gungsreduktion, langfristig gesehen aber lernt man so nie,
      Hier einige Beispiele:                     die Belastungssituation aktiv anzugehen und selbstständig
                                                 ohne Hilfsmittel Entspannung herbeizuführen; ganz abgese-
      •   Kurze Pause einlegen                   hen von der Gefährdung, Alkoholprobleme zu bekommen.
      •   Joggen
      •   Abreagieren durch Schreien             Auch Methoden, die hier besprochen werden, können nicht
      •   Verreisen                              für alle Leser in jeder Situation anwendbar sein: Stress ist
      •   Über die Probleme reden                individuell. Die Methoden müssen den persönlichen Be-
      •   Eine schwierige Aufgabe gut            dürfnissen angepasst werden, damit sie optimal wirken.
          vorplanen

      Optimale Stressbewältigung setzt ein
      umfangreiches und flexibles Repertoire       Stressbewältigungsstrategien
      an Bewältigungsstrategien voraus, das
      dann entsprechend den persönlichen           1.
      Zielvorstellungen individuell eingesetzt
      werden kann.
                                                   2.
      Die Wirksamkeit einer Bewältigungs-
      technik muss individuell und der Situa-
                                                   3.
      tion angepasst sein: Was für den einen
      hervorragend geeignet ist, kommt für
      den anderen (auch in einer ähnlichen
                                                   4.
      Situation) gar nicht infrage, und was
      momentan eine geeignete Strategie ist,
      kann schon eine halbe Stunde später in       5.

                                                   6.

                                                   7.
20 Stress – Wie gehe ich mit Stress um?

                                                           Mit Bewegung lassen
                                                           sich Ärger und Frust
                                                           kompensieren.

Langfristige Stressbewältigung und kurzfristige Erleich-
terung Wenn man die Vielfalt der möglichen Stressbewäl-
tigungsstrategien genauer betrachtet, sieht man, dass es
grundsätzlich zwei Wege gibt: einmal all jene Methoden, mit
denen die Ursachen von Stress verändert werden. Diese so-
genannte problemorientierte oder langfristige Stressbewäl-      Drei Ansatzpunkte zur Stressbewältigung Bei den folgen-
tigung ändert entweder die Stresssituation oder den Men-        den Punkten kann man zur effektiven Stressbewältigung
schen selbst. Man geht die Belastung direkt an und löst das     ansetzen:
Problem langfristig. Die Belastungssituation wird nicht nur
erträglicher, sondern grundsätzlich verändert oder der Or-      1. Bei den Stressoren – „die Umwelt verändern“ Man kann
ganismus wird stressresistenter gemacht. In diesen Situati-     die Summe der Stressoren (Stressdosis) verringern, indem
onen ist es angebracht, eine langfristige Bewältigungstech-     man einige davon
nik anzuwenden, wenn
                                                                • ausschaltet,
• man die Ursache einer Belastung verändern, beseitigen         • reduziert oder
  oder reduzieren will und nicht nur eine                       • vermeidet.
  kurzfristige Lösung anstrebt oder
• eine Belastung vorhersehbar ist und man sich darauf           2. Beim Menschen selbst – „sich selbst verändern“ Man
  vorbereiten will.                                             kann sich selbst durch langfristige Stressbewältigungsme-
                                                                thoden verändern und stressstabiler werden, indem man
Auf der anderen Seite gibt es die Techniken der kurzfristigen
Erleichterung. Dabei geht man die Auswirkungen bereits          • die Belastbarkeit durch aktive Entspannung erhöht,
auftretender Stressreaktionen direkt an und versucht, Es-       • positives Verhalten (Fertigkeiten) aufbaut und
kalationen zu vermeiden und die Spitzen der Erregung zu         • die Bewertung der Stresssituation verändert.
kappen. Man wendet Methoden der kurzfristigen Erleichte-
rung an, wenn                                                   3. Bei der Stresssituation – „die Erregung drosseln“ Selbst
                                                                dann, wenn weder der Stressor noch die Persönlichkeit be-
• man die Ursache einer Belastung (momentan) nicht              einflusst werden kann, gibt es durch die Techniken der kurz-
  verändern kann (will),                                        fristigen Erleichterung Wege, die Stressreaktion so zu beein-
• man sich in einer Stresssituation befindet und einen          flussen, dass man
  kühlen Kopf behalten will oder
• man bemerkt, dass die eigene Erregung zu hoch ist und         • die Erregungsspitzen kappt und
  man sie deshalb senken möchte.                                • Aufschaukelung verhindert.
21

                                                                                        Gut zu wissen!

                                                                                        Auszeiten fürs
                                                                                        Gehirn
                                                                                        Die am häufigsten genannten Stressoren –
                                                                                        also das, was uns Stress verursacht – sind
                                                                                        Ablenkungen. Da vibriert das private Handy,
                                                                                        weil eine neue Kurznachricht eingegangen
                                                                                        ist. Der Arbeits-PC vermeldet per Alarmton,
                                                                                        dass schon wieder zehn Mails beantwortet
                                                                                        werden müssen. Pünktlich zum Feierabend
                                                                                        sollten elektronische Medien auch mal zur
                                                                                        Seite gelegt werden! Facebook, Fernsehen
                                                                                        und Spielekonsolen sind nicht zur Entspan-
Weniger Belastung Stressoren bewältigen heißt, langfris-                                nung geeignet. Ihr Gehirn braucht auch mal
tig individuelle stressauslösende Bedingungen zu verändern,                             Zeiten der Ruhe. Ohne Reize von außen.
zum Beispiel Probleme zu lösen, ungerechtfertigte Kritik zu-
rückzuweisen, Gespräche mit Konfliktpartnern zu führen und
Arbeiten zu delegieren.

Zunächst muss man die eigene Belastungssituation genau
analysieren. Erst dann kann man entscheiden, ob man davon
etwas aktiv verändern will oder kann oder ob man seine Ein-
stellung ändern muss.
                                                                  Probleme lösen – mit System Durch systematisches Überlegen
Wenn man sich dafür entschieden hat, die Stresssituation          und Planen kann man effektiver als durch zielloses Vorgehen Lö-
selbst zu verändern, gibt es die Möglichkeit, sie                 sungen für häufig auftretende und starke Stressoren erarbeiten.
                                                                  Außerdem kann man sich auf zukünftige Belastungen vorbereiten
• ganz auszuschalten, zum Beispiel die Telefonklingel             und damit deren unangenehme Wirkungen abschwächen oder so-
  abzustellen,                                                    gar verhindern.
• zu entschärfen, beispielsweise ein zu lautes Radio leiser
  zu stellen oder                                                 Bei reiflicher Überlegung in entspannter Situation gelingt es oft
• zu vermeiden, etwa zu einem anderen Zeitpunkt vom               eher, sich der eigenen Schwachstellen und der eigenen Möglichkei-
  Arbeitsplatz nach Hause zu fahren, um Staus auszuweichen.       ten bewusst zu werden. Im Stress jedoch machen viele Menschen
                                                                  immer wieder dieselben Fehler. Viele tragen jahrelang die gleichen
Etwas zu vermeiden hat zwei Seiten: Der Situation aus dem         Stressoren mit sich herum, ohne sich jemals intensiv mit ihnen aus-
Weg zu gehen, heißt auch, sie nicht zu bewältigen! Man kann       einanderzusetzen. Vielleicht, weil man keine Zeit hat oder man über
etwa unangenehme – aber wichtige – Gespräche (zum Bei-            eigene Schwächen verärgert ist oder glaubt, dass es eben keine Lö-
spiel Aussprachen mit dem Partner) vermeiden, fühlt sich          sung gibt. Die Neigung, Probleme aufzuschieben oder sie impulsiv
kurzfristig erleichtert, aber man löst damit das Problem nicht.   und wenig durchdacht in „altbewährter Manier“ zu lösen, ist weit
Vermeiden Sie also nur solche Stressoren, die Sie wirklich        verbreitet. Die Strategie der Problemlösung in sechs Schritten soll
nicht bewältigen können oder die Ihnen bei genauerer Über-        im Bereich langfristiger Belastungen – auch rein sachlicher Proble-
prüfung nicht wichtig genug sind, um sich mit ihnen ausein-       me – ein optimales Verhalten vorbereiten und ermöglichen. Mehr
anderzusetzen (wie etwa unfruchtbare Diskussionen).               dazu lesen Sie auf www.tk.de, Webcode 036508.
22 Stress – Zeitmanagement

Zeitmanagement
„Leider keine Zeit“ – das bekommt man in unserer atemlosen Zeit immer
häufiger zu hören. Wenn man bedenkt, dass wir so viel Freizeit wie nie zuvor
haben, ist das doch recht erstaunlich. Trotzdem sind Hetze, Termindruck,
Unerledigtes und der Wettlauf mit der Uhr Stressoren, die viele von uns
betreffen.

                    Ihren persönlichen Zeitfressern kommen Sie am besten auf
                    die Spur, wenn Sie zunächst einige Tage (noch besser zwei
                    bis drei Wochen) beobachten, womit Sie Ihre Zeit verbringen,
                    wie wichtig das, was Sie machen, tatsächlich ist und welche
                    Störungen Sie von Ihrer Arbeit abhalten.

                    Häufige Gründe für Zeitverschwendung:
                    • Besprechungen, Konferenzen
                    • Besucher
                    • Telefon
                    • E-Mails
                    • Überflüssiger Kleinkram
                    • Mangelnde Delegation
                    • Unordentlicher Schreibtisch
                    • Fehlende Zielsetzung
                    • Mangelnde Prioritäten
                    • Unentschlossenheit
                    • Perfektionismus
                    • Mangelnde Selbstdisziplin
                    • Zu viel auf einmal anfangen
                    • Nicht Nein sagen können
                    • Unklare Verantwortungsabgrenzung
                    • Verstrickung in Routine und Details
                    • Fehlende Kontrolle über Arbeitsfortschritt
                    • Fehlende Information/Kommunikation
                    • Typ-A-Verhalten (zum Beispiel Hektik)
                    • Störungen von außen

                    Machen Sie den Test: Wie gut ist Ihr Zeitmanagement?
                    Gehen Sie auf www.tk.de, Webcode 036478.

                    Zeit gewinnen und ökonomisch arbeiten Hier sind in Form
                    einer Checkliste einige wichtige Tipps zum Zeitmanagement
                    zusammengestellt.

                    Zeit gewinnen und ökonomisch arbeiten heißt:
                    1. Zeitbewusstsein entwickeln
                    2. Nie mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen suchen
                    3. Prioritäten setzen
                    4. Positive Selbst- und Fremdkontrolle schaffen
23

Stressfaktor Nummer eins ist der Job
Schon jeder dritte Berufstätige
arbeitet – so die Statistik – am Limit.
Hetze und Termindruck belasten den
Tagesablauf am meisten. Die ständige
Verfügbarkeit über Handy oder Laptop
trägt zusätzlich dazu bei, dass man
niemals mehr richtig zur Ruhe kommt.

                                          Das bedeutet im Einzelnen:
                                          • Morgens richtig anfangen
                                          • Unerledigtes sichtbar machen
                                          • Den eigenen Arbeitsplatz sinnvoll organisieren
                                          • Tagespläne und Wochenpläne aufstellen
                                          • Mit Checklisten arbeiten
                                          • Mit Soll- und Kannvorsätzen arbeiten
                                          • Wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen
                                          • Arbeit weitergeben
                                          • Erfolgreich mit anderen arbeiten
                                          • Systematische Problemlösung betreiben
                                          • Systematische Fehleranalyse anwenden
                                          • Gute Arbeit anerkennen
                                          • Den eigenen Arbeitsrhythmus kennen und nutzen
                                          • Abends richtig aufhören
                                          • Nicht ablenken lassen
                                          • Wichtiges festhalten (Notizblöcke)
                                          • Wichtiges/Unwichtiges gewichten
                                          • Mit der eigenen Energie haushalten
                                          • Delegieren
                                          • Ordnung halten

                                          Mehr Info zum Thema Zeitmanagement finden Sie auf
                                          www.tk.de, Webcode 036476.
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