Is t - SPD-Bundestagsfraktion

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Is t - SPD-Bundestagsfraktion
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                                            Ausgabe 3
                                            November 2020

             u le
          Sch t doo f
                      is
                    dig ita l

Wie eine Schule      Chancen für alle         Mehr Mut! Umstieg
an der Müritz den    Kinder – Interview       auf Erneuerbare
Digitalpakt nutzt    mit Franziska Giffey     Energien
SEITE 6              SEITE 12                 SEITE 22
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Raus aus
der Kreidezeit!
                                                                                               ROLF MÜTZENICH
                                                      EDITORIAL                                        MD B
                                                                                                Vorsitzender der
                                                                                             SPD-­B undestagsfraktion

W
                ährend des Lockdowns im Frühling hat         Union haben wir den »Digitalpakt Schule« durchge-
                digital unterstütztes Lernen mit dem         setzt. Damit der Bund mithelfen kann, Schulen digital
                Homeschooling eine neue Bedeutung            auszustatten, haben wir das Grundgesetz geändert
                erhalten. Ohne viel Vorbereitungszeit        und den Weg für wichtige Investitionen frei gemacht.
mussten sich Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler       Mit 5,5 Milliarden Euro unterstützen Bund und Länder
und nicht zuletzt ihre Eltern dem Fernunterricht stellen.    die Schulen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur.
Vielerorts sind innovative Lernkonzepte entstanden.          Vor dem Hintergrund der Pandemie haben wir den
Einige digitale Vorreiterschulen haben gezeigt, dass         Pakt in diesem Jahr noch einmal ergänzt: 500 Millionen
Fernunterricht in Echtzeit funktionieren kann. Doch          Euro zusätzlich für Schüler-Endgeräte, 500 Millionen
vieler­orts mussten wir auch feststellen, dass die Digita­   Euro für Lehrer-Laptops und weitere 500 Millionen Euro
lisierung in unseren Schulen noch am Anfang steht.           für die Ausbildung und Einstellung von IT-Fachkräften
          Familien wie auch Lehrkräfte kamen durch           an Schulen. Nun muss dafür gesorgt werden, dass das
Unterrichtssituationen zu Hause an ihre Belastungs­          Geld auch überall ankommt.
grenze. Soziale Unterschiede wurden größer – und                      Die SPD-Fraktion engagiert sich dafür, dass
sichtbarer. Nach einem moderaten Infektionsgesche-           Familien unabhängig von ihrem Einkommen stark sind.
hen im Sommer stellt uns die neue Dynamik der                Dafür sind nicht nur eine gute öffentliche Schulbildung
Corona-Pandemie jetzt im Herbst und Winter wieder            nötig, sondern auch frühkindliche Bildung und verläss­
vor erhebliche Herausforderungen. Klar ist für uns, dass     liche Betreuungsangebote. Deshalb schaffen wir neue
Schulschließungen das letzte Mittel bleiben müssen.          Kita-Plätze, investieren in die Qualität der Betreuung
Dennoch wird es wichtig sein, die digitalen Errungen­        und setzen uns für den Rechtsanspruch auf Ganztags­
schaften der letzten Monate in den Schulalltag von           betreuung für Grundschulkinder und somit auch für
morgen zu integrieren.                                       eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein.
          Denn auch über die Pandemie hinaus ist die                  Wir wollen, dass alle Kinder die gleichen
Digitalisierung der Schulen dringend notwendig, um           Chancen haben im Leben, unabhängig davon, wieviel
alle Kinder und Jugendliche bestmöglich auf das Leben        ihre Eltern verdienen. Deshalb stärken wir ihnen und
und Arbeiten in der digitalen Welt vorzubereiten.            ihren Familien den Rücken. Im nächsten Schritt wollen
          Wir als SPD-Bundestagsfraktion setzen uns          wir die Kinderrechte im Grundgesetz verankern.
schon lange dafür ein, die Schulen fit für die Digi­
talisierung zu machen. Im Koalitionsvertrag mit der                                     Euer und Ihr Rolf Mützenich

                                                                                                                        3
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Inhalt

                                                   T I T E LT H E M A

                                 Sch u  le
                                  digital

              6   T I T E LT H E M A

                                                                               Auf!
                                                                 Und mir nach!
                                                                      Mehrere Milliarden Euro stellt der Bund für
                                                                         die Digitalisierung in Schulen bereit.
                                                                Der Schulcampus Röbel an der Müritz hat 282.000 Euro
                                                                    erhalten. Wie das digitale Lernen funktioniert,
                                                                          haben wir uns vor Ort angeschaut.
     Digitale Tafeln und Tablets überzeugen ihn:
            Schulleiter Hans-Peter Richter

4   Fraktion intern
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12 INTERVIEW
                                                                           19   FORSCHUNG

                                                                  Künstliche Intelligenz muss
                                                                    dem Menschen dienen
                                                             Nach zweijähriger Arbeit hat die Enquete-
                                                              Kommission »Künstliche Intelligenz« (KI)
                                                               ihren Bericht vorgelegt. Für die SPD-
                                                              Fraktion ist klar: Der »Mehrwert« von KI
                                                             muss sozial sein. — Von Daniela Kolbe, MdB
                                                                       und René Röspel, MdB

 » Wir arbeiten dafür,                                           22    ERNEUERBARE ENERGIEN

    dass jedes Kind
       es packt «
      Franziska Giffey, Bundesfamilienministerin,
    setzt auf den Ausbau der Ganztagsbetreuung,
     digitale Schulen – und Gleichberechtigung                                  Mehr Mut!
                                                               Der Umstieg auf Erneuerbare Energien
                                                                bis zur Mitte des Jahrhunderts bietet
                     18   JUSTIZ                              viele Chancen für Deutschland. Damit er
                                                              gelingt, brauchen wir jetzt einen großen

       Kampf gegen                                               Wurf. — Von Matthias Miersch, MdB

      die sexualisierte
           Gewalt
 Mit ihrem Gesetzentwurf gegen sexualisierte Gewalt                             IMPRESSUM
   will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht
  die Taten »ohne Wenn und Aber« als Verbrechen          Herausgeber:                Abbildungen:
         einstufen und die Strafen verschärfen.          SPD-Bundestagsfraktion      SPD-Fraktion (S. 4, 8, 9, 10, 11),
                                                                                     picture alliance/dpa/Chris­
                                                         Verantwortlich:             toph Soeder (S. 5, 12, 15, 16),
                                                         Carsten Schneider MdB,      iStock/damircudic (S. 5),
                20   GESUNDHEIT                          Erster Parlamentarischer    Shutter­s tock.com/Macro­
                                                         Geschäftsführer             vector (S. 6), Susie Knoll (S. 3,
                                                                                     19, 22), Benno Kraehahn
                                                         Redaktion:                  (S. 19), Colourbox.de (S. 5, 21)
                                                         Stefan Hintermeier,
                                                         Flora Wisdorff              Layout:
                                                                                     knisterwerk, Hamburg
                                                         Redaktionsschluss:          Lars Sembach
                                                         18. November 2020
                                                                                     Satz:
                                                          Redaktionsanschrift:       Dominique Mayer, Berlin
                                                          SPD-Bundestagsfraktion
                                                         ­Ö ffentlichkeitsarbeit     Druck:
                                                          Platz der Republik 1       Möller Druck und Verlag

       Corona-Update
                                                          11011 Berlin               GmbH, Berlin

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                                                         redaktion@spdfraktion.de    dient ausschließlich der In­
 Wochen beschlossen hat, um die Pandemie und ihre                                    formation. Sie darf während
     Folgen im Griff zu behalten – ein Überblick.        www.spdfraktion.de          eines Wahlkampfes nicht als
                                                                                     Wahlwerbung verwendet
                                                                                     werden.

                                                                                                                          5
Is t - SPD-Bundestagsfraktion
6   Fraktion intern
Is t - SPD-Bundestagsfraktion
T I T E LT H E M A

     Für engagierte Schulen bietet der Digitalpakt große Chancen.
         Ein Ortsbesuch an der Müritz zeigt, wie digitale Tafeln,
     Tablets und WLAN das Lernen verändern. Und wie man dabei
              auch die Lehrerinnen und Lehrer mitnimmt.

                       Auf!
Und mir nach!
D
           ie alten Wandtafeln haben wir jetzt verkauft«,                   Richter ist die Digitalisierung sehr wichtig. Seine
           sagt Hans-Peter Richter, Schulleiter des »Schul­       Gesamtschule in Röbel an der Müritz, 5000 Einwohner,
           campus Röbel«, eine Gesamtschule an der                knapp 150 Kilometer nordwestlich von Berlin, war die
           Mecklenburgischen Seenplatte. Der 66-jährige           erste Schule in Mecklenburg-Vorpommern, die Mittel aus
läuft vom Hauptgebäude aus der DDR-Zeit ins neu ge­               dem Digitalpakt bekam. Damit konnte Richter die ganze
baute »Nawi-Haus« hinüber. Hier, in dem schlichten                Schule mit digitalen Tafeln ausstatten.
Betonbau mit leuchtend weißer Fassade, will er zeigen,                      Der Digitalpakt ist das bildungspolitische Groß­
wie in seiner Schule digital unterrichtet wird. Physik,           projekt der rot-schwarzen Regierungskoalition. Im Som­
dritte Stunde, 11. Klasse.                                        mer 2019 stellte der Bund fünf Milliarden Euro für die
          An der Wand hängt ein riesiger weißer Bild­             Digitalisierung der Schulen bereit, die Länder schossen
schirm, eine sogenannte digitale Tafel, ein Meter hoch,           insgesamt 500 Millionen Euro dazu, damit Schulen sich
fast zwei Meter breit. Dort ist gerade die Wikipedia-             mit digitalen Tafeln, Laptops und WLAN ausstatten kön-
Seite zur Energiebilanz der Wärmepumpe zu sehen. Die              nen. Das Geld fließt über fünf Jahre bis 2024.
Schüler sollen Energiearten und ihre Berechnungen                           Da das digitale Lernen vor dem Hintergrund
recherchieren. Jeder hat ein Tablet vor sich, das mit der         der Corona-Pandemie noch viel wichtiger geworden
Computer-Tafel verbunden ist. Wer etwas Interessantes             ist, wurden Ergänzungen vereinbart: Im Frühling kam ein
gefunden hat, meldet sich, dann wird diese Tablet-Seite           500-Millionen-Euro-Hilfspaket dazu, um sozial benach­
vorne angezeigt.                                                  teiligte Schüler mit Laptops zu versorgen. »Ob Schüle­
          Hans-Peter Richter läuft zwischen den Schülern          rinnen und Schüler beim Unterricht per Video, Chat und
umher, klopft ihnen aufmunternd auf die Schulter, schaut          App mithalten können, darf nicht vom Geldbeutel der
auf ihre Tablets, und flüstert, während der Lehrer weiter-        Eltern abhängen. Das ist eine ganz entscheidende soziale
macht: »Wenn wir bei der Digitalisierung nicht mitgehen,          Frage«, sagt der bildungspolitische Sprecher der SPD-
hängen wir hinterher in der Welt. Je eher die Kinder diese        Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek. Im Rahmen des
Möglichkeiten bekommen, desto besser«.                            Konjunktur- und Zukunftspakets im Frühsommer wurden

                                                                                                                             7
Is t - SPD-Bundestagsfraktion
»
                   Wenn wir bei der Digitalisierung
                   nicht mitgehen, hängen wir hinterher
                   in der Welt. Je eher die Kinder diese
                   Möglichkeiten bekommen, desto besser.
                   «                               H A NS-PETER RICH TER
                                                        Schulleiter des
                                                     Schulcampus Röbel

                                                                Martin (SPD) zufolge liegt das Land damit »im Zeitplan«.
                                                                Das Programm laufe über fünf Jahre, und in einem »Roll
                                                                Out«-Plan sei festgelegt, welche Schulen den Förder­
weitere 500 Millionen vereinbart, damit die Schulen IT-         antrag in welchem Jahr stellen dürfen. Der Schulcampus
Fachkräfte einstellen können, die die Software installieren     Röbel war eigentlich erst für 2021 vorgesehen.
und die Geräte warten. Und auf dem Schulgipfel Ende                      Die bürokratischen Hürden für die Beantragung
September wurden 500 Millionen Euro für Lehrer-Laptops          waren am Anfang hoch. Dazu mussten die Schulen ein
beschlossen.                                                    aufwändiges »Medienbildungskonzept« erarbeiten. In-
          Als Hans-Peter Richter im Sommer 2019 vom             zwischen kann dieses Konzept aber auch nachgereicht
Digitalpakt erfuhr, dachte er sich: »Diese Fördermittel         werden, wurde im Sommer beschlossen. Das begrüßt
muss ich in ein paar Wochen haben«. Ganz so schnell ging        auch Bildungsministerin Martin: Denn das Verfassen eines
es dann doch nicht, aber bereits im Dezember bekam der          solchen Konzeptes sei – gerade im Zuge der Corona-
Schulcampus Röbel den Zuschlag für 282.000 Euro. Am             Krise – von den Lehrern als große zusätzliche Belastung
9. Juli dieses Jahres lieferte ein Lkw 36 Smart Boards an       empfunden worden.
die Schule, die 700 Schüler zur Mittleren Reife und zum                  Auch in Röbel war das so. Aber Richter wollte
Abitur führt. Zudem ließ Richter mit den Mitteln die            nicht bis 2021 warten, sondern »unbedingt unter die
Computerräume mit neuen PC‘s ausstatten und das                 ersten Schulen kommen«. »Es war eine Fleißarbeit«, sagt
WLAN-Netz erneuern.                                             er. Man müsse als Schulleiter den digitalen Weg gehen
          Damit gehört der Schulcampus Röbel bundes­            wollen, dabei seine Lehrerinnen und Lehrer mitnehmen.
weit allerdings noch zu einer Minderheit: Von den fünf          Ihm scheint das gut gelungen zu sein. Einer der Lehrkräfte
Milliarden Euro aus dem Digitalpakt sind bis Ende Juni          beschreibt es so: »Wir haben das in einem riesengroßen
erst etwas über fünf Prozent bewilligt worden, aktuellere       Mammut­projekt durchgedrückt«.
Zahlen sollen Ende des Jahres veröffentlicht werden. In
Mecklenburg-Vorpommern sind aktuell immerhin knapp
neun Prozent der verfügbaren Mittel von fast 100 Mil­
lionen Euro bewilligt worden. Bildungsministerin Bettina

8          Fraktion intern
Is t - SPD-Bundestagsfraktion
macht, der muss heute an digital gesteuerten Maschinen
                                                                 lernen, die Anforderungen sind dort hoch­     rangig und
                                                                 spezialisiert. Wir versuchen, ein Grundgerüst dafür zu
                                                                 legen. Das erleichtert dann vieles«. Der Meinung ist auch
                                                                 Bildungsministerin Martin.
                                                                           »Wir brauchen gute Fachkräfte im Land für eine
                                                                 wettbewerbsfähige Wirtschaft«, sagt sie. Schon heute
                                                                 gebe es kaum einen Beruf, in dem keine digitalen Kom­
                                                                 petenzen erforderlich seien.
                                                                           Schon vor zwölf Jahren ließ Richter die Schule
          Als Präsident der Stadtvertretung hat Richter          mit einem ersten WLAN-Netz ausstatten. Als die Pande­
gute Kontakte in die Kommunalpolitik und konnte                  mie ausbrach, hingen in 40 Klassenräumen Beamer, es
auch dort auf Unterstützung zählen. Der pädagogische             gab sieben digitale Tafeln, 20 Notebooks zur Nutzung für
»Medienentwicklungsplan«, den die Verwaltung als                 die Lehrer und zwei Dutzend Tablets für die Schüler.
Schulträger vorlegen musste, wurde schnell geschrieben.                    Von Corona wurde die Schule dennoch »eiskalt«
          Hans-Peter Richter erinnert an einen wohl­             erwischt, erzählt Christian Leonhardt, Lehrer für Sport
wollenden Patriarchen, wenn er durch die Flure läuft,            und Geographie. Was gut funktionierte, war das Erstellen
die Schüler beim Namen nennt, und ihnen sowie ihren              eines Aufgabenpools über den Schulserver und die
Lehrern Anweisungen gibt, die anstandslos befolgt                Kommunikation über Email und Telefon mit den Schülern.
werden. Er erlaubt sich, unangemeldet in den Unterricht          Eine Plattform wie Microsoft Teams, die den Online-
zu platzen, alle Schülerinnen und Schüler mit raus zu            Unterricht problemlos möglich macht, war aber nur für
nehmen, (»Auf! Und mir nach!«), damit die Lehrerin un-           die Schüler der Oberstufe eingerichtet. Nur zwei Lehrer
gestört über den digitalen Unterricht sprechen kann.             gaben auf diesem Wege Online-Unterricht. Andere
          Richter ist fest davon überzeugt, dass die Digita­     hatten Scheu davor. »Meine Lehrer haben sich nicht so
lisierung in der Schule wichtig ist, schließlich war er selber   gerne auf Teams eingelassen und generell auf Online-
Informatiklehrer. Er habe schon vor 20 Jahren gepredigt,         Unterricht«, erzählt die 14-jährige Rebecca.
erzählt er, dass die Schüler den Umgang mit dem PC
lernen müssen, den flexiblen Umgang mit Datenübertra­
gung und Technik. »Wer eine Ausbildung in der Tischlerei

          »
          Die Smart Boards erleichtern den Unterrichtsalltag
          deutlich. Wenn jemand wissen möchte, wie das Forum
          Romanum früher ausgesehen hat, dann öffne ich
          einfach die Webseite.
          «
                 NADJA K L I N G B E I L
        Lehrerin für Deutsch und Geschichte
               am Schulcampus Röbel

                                                                                                                         9
Is t - SPD-Bundestagsfraktion
Der Lockdown war für manche Lehrer eine
regelrechte Grenzerfahrung. Wie für Byrthe Dittrich,
die seit 1987 Mathematik und Physik unterrichtet. »Das
Schwierigste war für mich, die Fülle von Aufgaben zu
meistern«, sagt sie. »Ich musste intensiv nach Filmen
und interaktivem Übungsmaterial suchen, die Lösungen
auf die Plattform stellen, den Weg zur Lösung schriftlich
erläutern.« Viele hätten gedacht, die Lehrer könnten jetzt
ausspannen. »Das hat mich sehr gekränkt«, erzählt sie                 Leonhardt zufolge hat sich die Anstrengung
mit brüchiger Stimme.                                        gelohnt. Die Beamer hätten nur ein kleines, qualitativ
         Jetzt, wo die alten Kreidetafeln und Beamer         schlechtes Bild an die Wand geworfen, der Ton sei zu
aussortiert und die neuen Smart Boards angekommen            leise und die Verbindung zwischen Laptop und Beamer
sind, hat auf dem Schulcampus Röbel eine weitere Epo­        störanfällig gewesen. »Jetzt kommt man rein, drückt auf
che der Digitalisierung begonnen. Schüler und Lehrer         den Knopf und es geht sofort los«. Eine große Erleich­
halfen in den Sommerferien freiwillig, die 90 Kilogramm      terung, findet er.
schweren digitalen Tafeln an die Wände zu montie­                     Die Schülerinnen und Schüler könnten jetzt viel
ren. Eine Woche vor Schulbeginn wurden die Lehrer im         besser den Umgang mit digitalen Informationsquellen
Umgang mit den Tafeln geschult. Jüngere Lehrer wie           lernen, sagt Physiklehrer Matthias Strauch: »Wie unter­
Christian Leonhardt erklärten den Älteren, wie es geht.      scheidet man bei der Recherche im Internet Quellen,
                                                             denen man vertrauen kann, von unseriösen Quellen?«
                                                                      Den Schülern gefällt der multimediale Unter­
                                                             richt. »Die Lehrer arbeiten jetzt viel mehr mit Bild-,

                     »
                                                             Audio- und Video-Material«, sagt Rebecca aus der 9.
                                                             Klasse. »Dadurch kann ich dem Unterricht besser folgen.

Vor einem neuen Lock-
                                                             Wir können im Internet recherchieren und müssen dafür
                                                             nicht extra in den Computerraum gehen.« Auch die

  down habe ich keine
                                                             Kleineren finden es »cool«, im Englisch-Unterricht zum
                                                             Beispiel Big Ben zu sehen und läuten zu hören. Die

Angst. Über Office 365
                                                             Schüler helfen mit, die digitalen Tafeln funktionsfähig
                                                             zu halten: Einige schwärmen wöchentlich aus, um die

  können wir jetzt mit
                                                             Smart Boards zu »reinigen«; sie löschen die geöffneten
                                                             Dateien und Anwendungen, die auf dem Desktop ver­

       den Lehrern und
                                                             bleiben.

 anderen Schülern gut
    in Kontakt bleiben.
             FEL I X
                     «
         Schüler der 9b
     am Schulcampus Röbel

10          Fraktion intern
»
                                                                                   Wie unter-
                                                                                   scheidet man
                                                                                   bei der Recher-
                                                                                   che im Internet
                                                                                   Quellen, denen
                                                                                   man vertrauen
                                                                                   kann, von
                                                                                   unseriösen
          Sollte es aufgrund der Corona-Pandemie erneut                            Quellen?
                                                                                   «
zur Schließung der Schule kommen, ist der Schulcampus
Röbel besser gerüstet als im Frühling. Im Sommer hat
Richter 100 Tablets bestellt, die aus den Mitteln einer
                                                                                           MATTH IAS STRAUCH
Zusatzvereinbarung zum Digital­      pakt finanziert werden.                                Lehrer für Physik
Diese können an Schüler ver­      lie­­
                                     hen werden, denen zu                                 am Schulcampus Röbel
Hause kein Endgerät zur Verfü­       gung steht. Durch die
Smart Boards haben die Lehrer schon begonnen, ihren
Unterricht digital zu gestalten. Und Office 365 und Teams                Der Bund investiert zwar Milliarden in den Auf­
ist nun flächendeckend eingerichtet. Zudem wurden              bau von flächendeckenden und sicheren Gigabitnetzen
neue Kameras bestellt, mit denen der Unterricht vor der        und in die Versorgung von Schulen mit schnellem Netz.
digi­talen Tafel groß­flächig gefilmt werden kann.             Die gesetzlichen Grundlagen dafür hat er mit dem
          Doch ein großes Problem kann auch der                »Digitalfonds« (Sondervermögen Digitale Infrastruktur)
Digitalpakt nicht lösen. Im Landkreis Röbel gibt es noch       geschaffen. In dem Rahmen ist die Förderung des Breit­
sogenannte »weiße Flecken«: Orte ohne Breitband-An-            bandausbaus im Landkreis Röbel auch bereits bewilligt.
schluss. In manchen Dörfern haben die Haushalte nicht          Doch die Inbetriebnahme ist erst Ende 2024 geplant.
einmal Zugang zum Internet. Während des ersten Lock­           Die Projektplanung, die Abwicklung mit Ausschreibung
downs ist der Online-Unterricht schon daran in einigen         und dem tatsächlichen Ausbau dauert, und die Baukapa­
Jugendzimmern gescheitert.                                     zitäten sind knapp.
                                                                         Hans-Peter Richter lässt sich jedoch auch davon
                                                               nicht bremsen. Er will jetzt die Mittel zur Finanzierung für
                                                               die Ausbildung und Einstellung von IT-Mitarbeitern für
                                                               seine Schule beantragen. Richter zufolge sind eigene
                                                               IT-Fachkräfte eine der zentralen Voraussetzungen für die
                                                               erfolgreiche Digitalisierung des Unterrichts. »Wir können
                                                               die Systeme längerfristig nicht komplett selber warten«,
                                                               sagt er. Derzeit hilft eine IT-Fachkraft aus der Stadt­
                                                               verwaltung.
                                                                         Bei allem Enthusiasmus für die Digitalisierung sei
                                                               er manchmal aber auch ein bisschen nostalgisch, sagt
                                                               der Schulleiter. Eine Kreidetafel wird er behalten. Die sei
                                                               schon über hundert Jahre alt. »Am Tag der offenen Tür
             Sehen Sie dazu das Video                          werden wir die rausholen«, sagt er. »Um den Kindern zu
                  auf YouTube:                                 zeigen, dass solche Hilfsmittel in früheren Zeiten auch
  https://www.youtube.com/watch?v=7gwcMvDreTQ                  wichtig waren.«

                                                                                                                        11
Ein Gespräch mit Franziska Giffey,
                       Bundesministerin für Familie, Senioren,
                                          Frauen und Jugend

12   Fraktion intern
Wir
arbeiten
dafür,
    INTERVIEW

      dass
jedes Kind
  es packt      13
Die Corona-Krise hat bestehende                                   letzten Jahren in ganz Deutsch­
                                                                  land unheimlich nachgeholt wurde.
Ungleichheiten stark sichtbar gemacht,                            Der Bund hat hier unterstützt: Mit
                                                                  Kita-Investitionsprogrammen und
sei es zwischen Arm und Reich oder Frauen                         auch mit dem Gute-Kita-Gesetz
und Männern. Bundesfamilienministerin                             investieren wir Milliarden sowohl in
                                                                  die Kapazität als auch in die Quali­
Franziska Giffey will diesen Ungleichheiten                       tät und die Gewinnung zusätzlicher
                                                                  Fachkräfte. Durch die ersten vier
den Kampf ansagen: mit guter, umfas­sen-                          Investitionsprogramme sind eine

der Kinder­betreuung, digitalen Schulen                           halbe Million Kita-Plätze entstan­
                                                                  den. Mit dem neuen Kita-Inves­
für alle und mehr Kitaplätzen.                                    titionsprogramm kommen fast
                                                                  100.000 Plätze dazu, die wir aus dem
                                                                  Konjunkturprogramm finanzieren
                                                                  können. Aber nach der Kita darf
                        Familienpolitik soll Familien stark       natürlich nicht Schluss sein. Deshalb
                        machen. In der Corona-Krise und           kämpfen wir für den Rechtsan­
                        insbesondere während des ersten           spruch auf eine Ganztagsbetreuung
                        Lockdowns in diesem Frühling              für Kinder im Grundschulalter. Denn
                        mit Schul- und Kitaschließungen           der Betreuungsbedarf endet nicht
                        haben die Familien sehr gelitten.         mit der Kita. Und wir erleben, dass
                        Welche Lehren können daraus               eine gute Kinderbetreuung ganz
                        gezogen werden?                           entscheidend für die Gleichberech­
                        Franziska Giffey: Für viele Familien      tigung von Frauen und Männern,
                        in Deutschland waren die ersten           aber auch für die Vereinbarkeit von
                        Monate der Corona-Krise eine sehr         Familie und Beruf ist.
                        schwierige Zeit. Und auch jetzt ist
                        die Lage ernst. Eine wichtige Lehre       Der Rechtsanspruch auf Ganz-
                        aus dem Lockdown ist sicherlich,          tagsbetreuung ist im Koalitions-
                        dass die Frage der Kinderbetreuung        vertrag vereinbart worden. Doch
                        für Familien, für Arbeitnehmerinnen       noch haben die Länder nicht
                        und Arbeitnehmer, aber auch für           zugestimmt.
                        die Unternehmen in unserem Land           Franziska Giffey: Wir arbeiten intensiv
                        ganz entscheidend ist. Deshalb ist        daran. Der Bund stellt für die kom­
                        für mich sehr wichtig zu betonen,         menden Jahre 3,5 Milliarden Euro
                        dass die Schließung von Kitas und         Investitionsmittel für die Länder
                        Schulen das letzte Mittel sein muss,      bereit, um die Ganztagsbetreuung
                        wenn es wieder um Einschränkun­           auszubauen. Und jetzt geht es
                        gen geht.                                 natürlich darum, dass wir auch den
                                                                  Rechtsanspruch auf Bundesebene
                        Im Vergleich zu manch anderen             regeln.
                        europäischen Ländern hinkt
                        Deutschland bei den Betreuungs-
                        angeboten vielerorts noch immer
                        hinterher. Die Hausfrau, die auch
                        die Kinder betreut, galt in
                        Westdeutschland lange als die
                        Grundlage der Sozialpolitik.
                        Franziska Giffey: Generell ist die Kin­
                        derbetreuung im Osten des Landes
                        traditionell breiter aufgestellt, mit
                        mehr Angeboten für die Ganztags­
                        betreuung und Kita-Plätzen. Man
                        muss aber auch sagen, dass in den

14    Fraktion intern
stalten, mehr Menschen gewinnen
                                                                                     und auch im Beruf halten können.
                                                                                     Ich wünsche mir, dass wir eine Situ­
                                           Igel. Es sind sehr viele zusätzliche      ation erreichen, in der sich niemand
                                           Plätze geschaffen worden – von            mehr fragen muss, ob sie oder er
                                           Bund und Ländern. Aber die Eltern         es sich leisten kann, Erzieherin oder
                                           brauchen eben auch mehr Plätze,           Erzieher zu werden. Wenn man für
Der Rechtsanspruch soll ab 2025            weil wir einen gesellschaftlichen         eine solche Ausbildung nicht be­
gelten, ist das realistisch?               Wandel haben. Mehr Frauen gehen           zahlen muss und eine Ausbildungs­
Franziska Giffey: Im Koalitionsvertrag     länger arbeiten. Paare wollen mehr        vergütung erhält, dann gibt es auch
ist ein Rechtsanspruch ab 2025 ver­        Vereinbarkeit von Familie und Beruf.      mehr Menschen und insbesondere
einbart. Über die konkreten Schritte       Und das bedeutet, dass wir weiter         auch mehr Männer, die diesen Beruf
dahin wird jetzt mit den Ländern           investieren müssen.                       ergreifen möchten. Deshalb unter­
verhandelt.                                                                          stützen wir die praxisintegrierte
                                           Eine große Hürde beim Ausbau ist          vergütete Ausbildung mit Bundes­
Wie flexibel ist der Zeithorizont?         das fehlende Personal. Warum ist          mitteln.
Franziska Giffey: Vereinbart worden ist,   der Fachkräftemangel so groß?
dass die Betreuung für die Kinder          Franziska Giffey: Wir haben mit unserer
von Klasse 1 bis 4, an fünf Tagen in       Fachkräfteoffensive und auch mit
der Woche, acht Stunden am Tag             den entsprechenden zusätzlichen
gesichert werden muss, inklusive           Geldern aus dem Gute-Kita-Gesetz
einer verlässlichen Ferienbetreuung        den Ländern Unterstützung gege­
und maximal vier Wochen Schließ­           ben, damit sie die Ausbildungs- und
zeit im Jahr. Diskutiert wird auch ein     Arbeitsbedingungen attraktiver ge­
Stufenmodell ab 2025, bei dem man
Schritt für Schritt mehr Klassen­
stufen einbezieht. Das Entschei­

                                                                                 »
dende ist, dass wir damit beginnen,
denn der Bedarf bei den Eltern ist

                                                             Auch für die Erwerbs-
da. Auch für die Erwerbsquote von
Frauen ist eine gute Kinderbetreu­

                                                         quote von Frauen ist eine
ung ein echter Gamechanger.

Kann man optimistisch sein, dass
es in dieser Legislaturperiode                              gute Kinderbetreu­ung
noch etwas wird?
Franziska Giffey: Ich hoffe sehr darauf.                 ein echter Gamechanger.
Bei der frühkindlichen Betreuung                                                 «
gibt es bereits einen Rechts­
anspruch auf einen Kita-Platz.
Trotzdem klafft eine Betreuungs-
lücke: über 300.000 Kita-Plätze
fehlen.
Franziska Giffey: Vor zehn Jahren
haben etwa zehn Prozent der unter
Dreijährigen eine Kita besucht,
heute sind wir bei weit über
30 Prozent – Tendenz steigend.
Der Bedarf liegt allerdings inzwi­
schen bei über 40 Prozent. Es ist
hier ein bisschen wie bei Hase und

                                                                                                                        15
Franziska Giffey liest Kindern
      in einer Kita in Berlin-Kreuzberg
             aus einem Buch vor.

                               »
       Wer bleibt zu Hause, wenn
die Kita-Gebühren zu hoch sind?
     Es sind meistens die Frauen.
                               «
                                                                                  schicken. Und wenn die Gebühren
                                                                                  bei 1000 Euro oder mehr liegen,
                                                                                  dann sagen sie: »Ich gehe doch
                                          Ein großes Thema ist auch die           nicht nur für die Kita-Gebühren
                                          Qualität der Betreuung in den           arbeiten«. Und wer bleibt zu Hause?
                                          Kitas. Frühkindliche Bildung ist        Es sind meistens die Frauen. Die
                                          sehr wichtig. Die Mittel aus dem        haben in dem Fall eine Lücke in ihrer
                                          Gute-Kita-Gesetz dürfen aber            beruflichen Laufbahn. Diese wird
                                          auch von den Ländern genutzt            zur Lohnlücke und dann zur Renten­
                                          werden, um die Beiträge zu              lücke. Das ist ungerecht. Dem wol­
                                          streichen. Das kritisieren viele.       len wir entgegenwirken.
                                          Franziska Giffey: Zwei Drittel der
                                          Gelder werden für die Steigerung        Studien belegen, dass die
                                          der Qualität ausgegeben, ein            größte Last der Haushalts-
                                          Drittel für die Reduzierung von         und Betreuungsarbeit während
                                          Kita-Gebühren. Es gibt Bundes­          des Lockdowns im Frühling
                                          länder, die haben bereits die           von Frauen getragen wurde.
                                          Gebühren­freiheit erreicht, so ist      War das überraschend?
                                          es zum Bei­spiel in Berlin. Das Land    Franziska Giffey: Nein. Wir hatten ja
                                          kann so 100 Pro­zent der Mittel in      auch vor Corona-Zeiten generell
                                          Qualität investieren. Andere wählen     eine ungleiche Verteilung von
                                          andere Schwerpunkte. Die Gebüh­         Erwerbs- und Sorgearbeit. Frauen
                                          renfreiheit ist wichtig für die Frage   arbeiten im Schnitt pro Tag 1,5
                                          der Teilhabe. Denn es gibt immer
                                          noch Leute, die es sich nicht leis-
                                          ten können, ihr Kind in die Kita zu

 16             Fraktion intern
Wie sieht die aus?
                                                                                  Franziska Giffey: Die besteht nicht nur
                                                                                  aus Geld für die Familien, sondern
                                                                                  aus zwei Säulen. Das eine ist eine
                                                                                  gute Infrastruktur: gute Kitas, eine
                                                                                  gute Ganztagsschule, gute Kin­
                                                                                  der- und Jugendarbeit. Und auf der
                                                                                  anderen Seite ein neues Kinder­
                                         Inwiefern?                               geld, welches die vielen Leistungen,
                                         Franziska Giffey: Es gibt Schulen, die   die wir im Moment schon haben,
                                         in Deutschland schon seit fünf,          zusammenführt, vereinfacht und
                                         sechs Jahren kreidefrei sind. Aber       unbürokratischer gestaltet. Wir
                                         dort gibt es dann auch meistens          machen dafür jetzt schon wichtige
                                         sehr engagierte Lehrerkollegien. Da      Schritte, wenn wir etwa unser Digi­
Stunden mehr für die familiäre           ist oft eine Schulleitung, die dort      tale-Familienleistungen-Gesetz ver­
Sorgearbeit als Männer. Diese un­        eine Priorität setzt. Die sich tat­      abschieden, um die verschiedenen
gleiche Verteilung hat sich verstärkt.   kräftige Partnerinnen und Partner        Leistungen zu bündeln. Wenn ein
Denn bei der Frage, wer in der Krise     sucht. Ob eine Schule auf digitales      Kind zur Welt kommt, können Eltern
im Job kürzer tritt, ist die Abwägung    Lernen setzt, darf aber nicht mehr       künftig Geburtsurkunde, Eltern­
meist ganz klar gewesen: diejenige,      abhängig davon sein, ob Schullei­        geld, Kindergeld und perspektivisch
die weniger verdient. Diese Un­          tung oder Lehrerkollegium das gut        auch den Kinderzuschlag in einem
gleichheit hat die Krise verstärkt       finden und das befördern, sondern        Antragspaket von zu Hause oder
und auch deutlich sichtbarer ge­         es muss für alle Standard werden.        unterwegs rund um die Uhr digital
macht.                                   Ausstattung ist das eine, und zwar       beantragen. Damit die Daten laufen
                                         unabhängig von sozialer Lage der         und nicht die Bürgerinnen und
Sichtbar geworden während der            jeweiligen Schülerinnen und Schüler.     Bürger. Und damit Eltern weniger
Corona-Krise ist auch der Nach-          Unabhängig davon, ob Eltern sich         Zeit für die Bürokratie brauchen und
holbedarf bei der Digitalisierung        das leisten können. Das andere ist       mehr Zeit mit ihren Kindern verbrin­
in den Schulen. Mit dem Digital-         die pädagogische Kompetenz der           gen können.
pakt hat der Bund mehr als fünf          Lehrerinnen und Lehrer. Das ist ganz
Mil­liarden Euro für WLAN, Endge-        entscheidend. Hier muss investiert
räte, digitale Tafeln bereitgestellt.    werden. Es muss aus meiner Sicht
Doch bisher sind nur wenige              eine Verpflichtung zur digitalen
Mittel abgerufen worden.                 Fortbildung geben, damit keiner
Franziska Giffey: Damit kann man nicht   mehr sagen kann: »Das ist nicht

                                                                                  »
zufrieden sein. Die Bildungsressorts     mein Spezialgebiet. Das lasse ich
auf Bundes- und Landesebene sind         lieber.« Das darf nicht sein. Die di­

                                                                                  Es muss eine
in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass    gitale Schule ist die Zukunft. Das ist
der Abruf dieser Gelder besser läuft.    eine der großen Bildungsaufgaben,

                                                                                  Verpflichtung
Aber es geht nicht nur darum, dass       die in den Bundesländern ansteht.
Computer und interaktive, digitale
                                         Wie sieht die langfristige Zu-
                                                                                  zur digitalen
Tafeln gekauft und in der Klasse auf­
gehängt werden, sondern es geht          kunftsvision für starke Familien
                                         aus?
                                                                                  Fortbildung der
vor allen Dingen um die pädagogi­
sche Kompetenz der Lehrkräfte. Die       Franziska Giffey: Wir arbeiten dafür,

                                                                                  Lehrer geben.
Schulen müssen unterstützt werden        dass es jedes Kind packt. Egal, ob
bei der Erstellung von Konzepten         es in eine reiche oder arme Familie

                                                                                  Digitales Lernen
für IT-gestütztes Lernen. Da sehen       geboren worden ist. Das ist eine
wir große Unterschiede.                  Aufgabe, die weit über diese Legis­

                                                                                  muss für alle
                                         latur hinausreicht. Mein Wunsch
                                         wäre darüber hinaus, dass wir es

                                                                                  Standard
                                         schaffen, aufbauend auf unserem
                                         Starke-Familien-Gesetz eine sozial­

                                                                                  werden.
                                         demokratische Kindergrundsiche­
                                         rung zu etablieren.

                                                                                  «                                   17
Kampf gegen
die sexualisierte
Gewalt
                            JUSTIZ

Mit ihrem Gesetzentwurf                                              Mit dem Gesetzentwurf soll sexualisierte Gewalt
gegen sexualisierte Gewalt                                  gegen Kinder bereits im Grundtatbestand als Verbrechen
                                                            geahndet werden. Zudem sollen auch die Verbreitung
will Bundesjustizministerin                                 und der Besitz von Aufnahmen sexualisierter Gewalt mit
Christine Lambrecht die Taten                               Freiheitsentzug zwischen einem Jahr und 15 Jahren ge-
                                                            ahndet werden. Vorher drohte Tätern eine Freiheitsstrafe
»ohne Wenn und Aber«                                        zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Der Kauf und
als Verbrechen einstufen                                    Besitz von Sexpuppen, die Kindern nachgebildet sind, ist
und die Strafen verschärfen.                                künftig strafbar.
                                                                     Das Gesetz umfasst weitere Änderungen, um
                                                            Kinder besser zu schützen. Eintragungen über sexuelle
                                                            Übergriffe im Führungszeugnis bleiben 20 Jahre stehen

I
                                                            und damit doppelt so lange wie bisher, damit potenzielle
    n Deutschland registrierte die Polizei im vergangenen   Täter nicht beruflich oder ehrenamtlich mit Kindern arbei­
    Jahr rund 13.700 Missbrauchstaten gegen Kinder. Auch    ten. Familienrichter sollen besser geschult und Strafver­
    im Internet steigt die Verbreitung von Missbrauchs­     fahren mit minderjährigen Opfern beschleunigt werden.
    darstellungen besonders stark. Daher muss die Be­                Um die Strafverfolgung zu optimieren, sollen
kämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder zentrale        den Behörden im Bereich der sexualisierten Gewalt
Aufgabe des Staates sein. Dabei darf die wachsende          gegen Kinder sowie bei der Verbreitung, des Erwerbs
Bedeutung des Internets als Tatort nicht aus den Augen      und des Besitzes kinderpornographischer Schriften
verloren werden. Umso dringender ist es, die einschlä­      weitergehende Befugnisse eingeräumt werden, etwa
gigen Straftatbestände sachgerecht nachzuschärfen.          die Anordnung von Untersuchungshaft, Telekommu­ni­
          Der Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin      kationsüberwa­chung und Onlinedurchsuchung.
Christine Lambrecht (SPD), der im Bundestag in erster                Die SPD-Fraktion will den Gesetzentwurf rasch
Lesung beraten wurde, sieht höhere Strafen, eine effek­     beraten und verabschieden. Er sei »die richtige Antwort
tivere Strafverfolgung, mehr Prävention und eine bessere    auf schreckliche Missbrauchsfälle, weil er neben deut­
Qualifizierung der Justizbehörden vor. »Wir nehmen den      lichen Strafmaßverschärfungen auf Prävention setzt«,
Kampf gegen diese widerlichen Straftaten auf«, so           sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Johan­
Lambrecht. Die Taten würden »ohne Wenn und Aber«            nes Fechner.
als Verbrechen eingestuft. Jedem Täter müsse klar sein,              Wenn ein Kind missbraucht werde, müsse der
dass es keine Einstellungen mehr geben werde, sagte sie.    Staat effektiv und konsequent gegen die Täter vorgehen.
          Damit bereits der Begriff das Unrecht der Tat     »Wir werden Polizei und Gerichten die rechtlichen Mög­
aufzeigt, wird der Tatbestand des »sexuellen Missbrauchs«   lichkeiten geben, Taten schnell und effektiv abzuurteilen
im Strafgesetzbuch künftig als »sexualisierte Gewalt«       und verurteilte Täter nicht aus dem Blick zu verlieren«, so
bezeichnet.                                                 Fechner.

18        Fraktion intern
Künstliche
Intelligenz muss
dem Menschen
dienen
                                                                        DA NIELA KOL BE                RENÉ RÖSPEL
                                                                              MD B                        MD B

Nach zweijähriger Arbeit hat die Enquete-Kommission »Künstliche Intelligenz«
(KI) ihren rund 800 Seiten starken Bericht vorgelegt. Für die SPD-Fraktion ist
klar: Der »Mehrwert« von KI muss sozial sein.

            FORSCHUNG

D
            er Deutsche Bundestag         SPD-Fraktion wollen, dass KI zu bes­        gesellschaftliche und politische
            hat vor zwei Jahren die       serer, humaner und selbstbestimm­           Diskussion über die Zukunft der so­
            Enquete-Kommission            ter Arbeit beiträgt und Beschäftigte        zialen Sicherungssysteme auch vor
            Künstliche Intelligenz (KI)   nicht allein gelassen werden. Die Ins­      dem Hintergrund der Erfahrung
eingesetzt, um sich mit den gesell­       trumente heißen: Mitbestimmung,             vieler abhängig Erwerbstätiger,
schaftlich und ethisch relevanten         Transparenz und Qualifizierung. Wir         Selbstständiger und freiberuflich
Aspekten von KI zu beschäftigen.          wollen sicherstellen, dass Menschen,        tätiger Menschen für angezeigt.
Neben den Chancen, die KI bietet,         deren Tätigkeit verändert wird,           • In den Betrieben und staatlichen
löst sie bei vielen Menschen auch         qualifiziert werden, damit sie weiter­      Institutionen verrichten Betriebs-
Ängste aus. Es ging in der Enquete-       hin einen Arbeitsplatz haben, auch          und Personalräte wichtige Arbeit,
Kommission demnach auch um eine           wenn der vielleicht etwas anders            um KI-Systeme zu einer höheren
Versachlichung des Themas. Denn           aussieht.                                   Akzeptanz und einem besseren
letztlich ist KI – und so steht es im               Die SPD-Fraktion konnte           Erfolg zu führen. Dafür ist zukünf­
Bericht – nichts anderes als »die         unter anderem folgende Empfeh­              tig der Ausbau der betrieblichen
nächste Stufe der Digitalisierung«.       lungen in der Enquete-Kommission            Mitbestimmung notwendig. Dazu
          Nunmehr hat die Enquete-        erreichen:                                  gehört neben einem Initiativrecht
Kommission KI ihren rund 800 Seiten       • Um den Strukturwandel zu ge­              des Betriebs- bzw. Personalrats
starken Bericht vorgelegt. In den           stalten, sind evidenzbasierte For­        bei Weiterbildungsangelegenhei­
vergangenen zwei Jahren haben ins­-         schung und belastbare Prognosen           ten auch die Mitsprachemöglich­
gesamt 38 Bundestagsabgeordnete             für die Beschäftigungseffekte von         keit, welches KI-System in einer
und Sachverständige debattiert,             KI unerlässlich. Neben den Aktivi­        bestimmten        Form   eingeführt
analysiert und manchmal auch ge­-           täten des KI-Observatoriums sind          werden kann.
stritten. Da kaum ein Lebensbereich         spezielle Förderprogramme zur                     Die smarte, intelligente
in naher Zukunft vom Einsatz von KI         systematischen Erfassung und            Nutzung von Daten kann »unsere
unberührt bleiben wird, waren die           Analyse der arbeitsmarktrelevan­        Welt ein bisschen besser machen«.
Themenschwerpunkte auch sehr                ten Auswirkungen aufzusetzen.           Aber viele Menschen fürchten auch,
breit gefächert: Es ging um das Ver­      • Die langfristige Förderung anwen­       von KI »ersetzt« zu werden. Klar ist,
hältnis von KI und Arbeit, Wirtschaft,      dungsbezogener Forschung in             dass viele Tätigkeiten zukünftig weg-
Gesundheit, Staat, Forschung, Mobi­         betrieblichen Kontexten, auch und       fallen werden, dafür werden neue
lität und Medien.                           gerade sozial- und verhaltenswis­       entstehen. Es ist unsere Aufgabe
          Für die SPD-Bundestags­           senschaftlicher Forschung, zu den       als Politik, dafür zu sorgen, dass der
fraktion war die durch KI veränderte        Auswirkungen des KI-Einsatzes auf       technologische Fortschritt auch zu
»Arbeitswelt von morgen« ein                Beschäftigte, Arbeit, Qualifikati­      sozialem Fortschritt führt. Für die
elementarer Aspekt. Der »Mehr­              onsbedarfe und Unternehmen.             SPD-Fraktion bedeutet das: Gute
wert« von KI muss sozial sein. Wir als    • Die Enquete-Kommission hält eine        Arbeit mit und trotz KI.

                                                                                                                       19
Im Herbst ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen wieder gestiegen.
  Diese Dynamik muss unterbrochen werden. Was hat die Politik
    in den letzten Wochen beschlossen, um die Pandemie und
           ihre Folgen im Griff zu behalten? Ein Überblick

                 Corona
                 Update
N
           ach einem moderaten Infektionsgeschehen         aus dem Bundeshaushalt, eine Milliarde Euro von den
           im Sommer hat die Ausbreitung des Corona-       Bundesländern und Krankenhausträgern.
           Virus im Herbst wieder erheblich zugenommen
           – mit einer steilen Kurve nach oben. Auch die
Zahl der belegten Intensivbetten hat sich in den letzten   Kontakte reduzieren
Wochen vervielfacht. Immer häufiger kommt es zur dif­      Um eine akute Gesundheitsnotlage zu verhindern, müs­
fusen Ausbreitung von Corona-Infektionen, ohne dass        sen die sozialen Kontakte erheblich reduziert werden.
Infektionsketten eindeutig nachvollziehbar sind. Viele     Nur so lässt sich das Infektionsgeschehen bremsen. Bund
Gesundheitsämter sind an ihrer Kapazitätsgrenze und        und Länder haben zunächst für November verschiede­
können Kontakte nicht mehr nachverfolgen. Wenn die­        ne Maßnahmen beschlossen, um die Ausbreitung des
se Dynamik nicht gebrochen wird, stößt unser Gesund­       Virus zu dämpfen. Neben Kontaktbeschränkungen
heitssystem in kurzer Zeit an die Belastungsgrenze.        gehört dazu auch die vorübergehende Schließung
          Das wirkungsvollste Mittel im Kampf gegen das    von Freizeiteinrichtungen und Gastronomiebetrieben.
Virus ist das besonnene Verhalten der Bürgerinnen und      Schulen und Kindergärten sollen aber geöffnet bleiben.
Bürger. Der Umgang unserer Gesellschaft mit der Pan­       Auch das Wirtschafts- und Berufsleben soll weiterlaufen.
demie ist in hohem Maße geprägt von Verantwortung
und gegenseitiger Rücksichtnahme. Insbesondere ältere
Menschen und chronisch Kranke sind auf diese Solidarität   Rechtssicherheit von Schutzmaßnahmen
angewiesen.                                                Maßnahmen, die Bund und Länder zum Schutz der
                                                           Gesundheit verordnen, greifen in Grundrechte ein. Da
                                                           absehbar ist, dass die pandemische Lage noch länger
Stärkung des Gesundheitswesens                             andauern könnte, hat die SPD-Fraktion durchgesetzt,
Mit vier Milliarden Euro unterstützt der Bund die Schaf­   dass die Voraussetzungen und Grenzen von grund­
fung von 5000 neuen Stellen für Amtsärzte und andere       rechtseinschränkenden Maßnahmen gesetzlich präzisiert
Fachkräfte in den Gesundheitsämtern. Außerdem wurde        werden. Das schafft Rechtssicherheit und mehr Trans­
ein »Zukunftsprogramm Krankenhäuser« für Investitionen     parenz. Klar ist, dass solche Maßnahmen immer geeignet,
in Kliniken beschlossen. Drei Milliarden Euro kommen       erforderlich und verhältnismäßig sein müssen.

20        Fraktion intern
Außerordentliche Wirtschaftshilfe                           Unterstützung für berufstätige Eltern
Seit Juni gibt es eine Überbrückungshilfe für kleine und    Für Eltern, die nicht arbeiten können, weil Kitas oder
mittelständische Unternehmen. Sie können mit Zu­            Schulen schließen müssen, wurde ein Anspruch auf
schüssen für betriebliche Fixkosten unterstützt werden,     Entschädigung im Infektionsschutzgesetz geschaf­
wenn sie ihren Geschäftsbetrieb wegen der Pandemie          fen. Beide Elternteile können damit unter bestimmten
einstellen oder stark einschränken mussten. In der zwei­    Voraussetzungen jeweils für bis zu zehn Wochen (Allein­
ten Phase von September bis Dezember 2020 wurde das         erziehende bis zu 20 Wochen) 67 Prozent des Netto­
Programm noch einmal ausgeweitet. Inzwischen steht          einkommens erhalten. Die Regelung wurde nun bis
fest, dass das Programm in einer dritten Phase bis Mitte    Ende März 2021 verlängert. Außerdem wurde der An­
2021 verlängert wird. Außerdem soll es spezielle Unter­     spruch auf Fälle erweitert, bei denen sich ein Kind
stützungsmaß­  nahmen vor allem für die Kultur-, Reise-     wegen Corona in Quarantäne befindet.
und Veranstaltungsbranche geben. Solo-Selbständige,                  Wenn Kinder krank sind, haben berufstätige
die keine anderen Fixkosten geltend machen können,          Mütter und Väter in bestimmten Fällen Anspruch auf
aber auch hohe Umsatzeinbußen haben, erhalten ab Ja­        Kinderkrankengeld als Lohnersatzleistung von ihrer
nuar eine pauschale »Neustarthilfe« von bis zu 5000 Euro,   Krankenversicherung. Die Bezugszeit des Kinderkranken­
die auch direkt beantragt werden kann.                      geldes wurde für 2020 für jedes Elternteil von 10 auf 15
         Für die Zeit der vorübergehenden Schließun­        Tage erhöht (für Alleinerziehende auf 30 Tage).
gen ab Anfang November 2020 wurde darüber hinaus
eine außerordentliche Wirtschaftshilfe aufgelegt. Damit
werden gezielt Unternehmen, Selbständige, Vereine und       Akut-Hilfe für pflegende Angehörige
Einrichtungen unterstützt, die von den Schließungen         Viele Menschen müssen sich wegen der Corona-
direkt oder indirekt betroffen sind. Konkret werden         Pan­demie verstärkt um pflegebedürftige Angehörige
Zuschüsse pro Woche der Schließung in Höhe von 75           kümmern. Sie erhalten dabei akute Hilfe und flexible
Prozent des wöchentlichen Umsatzes im November 2019         Unterstützungsangebote. Wer coronabedingt Ange­
gewährt. Das hilft beispielsweise Restaurants, Kneipen      hörige pflegt und erwerbstägig ist, hat bis zum 31.12.2020
und Hotels, aber auch öffentlichen Einrichtungen wie        das Recht, bis zu 20 Arbeitstage der Arbeit fernzu-
kommunalen Theatern oder Schwimmbädern.                     bleiben. Sie erhalten bis zu 20 Arbeitstage lang Pflege­
                                                            unterstützungsgeld als Lohnersatz und damit doppelt
                                                            so lange wie üblich.
Kurzarbeitergeld verlängert
Das Kurzarbeitergeld sichert Millionen Arbeitsplätze. Die
Sonderregelungen, die im Zuge der Corona-Pandemie           Handlungsfähigkeit von Unternehmen und
eingeführt wurden, werden ins nächste Jahr hinein ver­      Verbänden
längert. Auch 2021 gilt: Kurzarbeitergeld kann einfacher    Damit Unternehmen, Vereine und Stiftungen weiterhin
und länger in Anspruch genommen werden. Wer länger          beschlussfähig und somit handlungsfähig sind, wurden
in Kurzarbeit ist, bekommt mehr Geld.                       die vorübergehenden Erleichterungen im Gesellschafts-,
                                                            Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungs­
                                                            eigentumsrecht bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.
Erleichterter Zugang zur Grundsicherung
Schon im Frühjahr hat die Koalition den Zugang zur
Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie zur Sozial­-        Vorbereitungen für Impfungen haben
hilfe erleichtert. Insbesondere Kleinunternehmer und        begonnen
Solo-Selbständige mit hohen Einnahmeausfällen kön­          Sobald ein erster Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zuge­
nen einfacher finanzielle Unterstützung vom Staat be­       lassen ist, soll möglichst sofort mit den Impfungen
kommen. Diese Regelung wurde jetzt bis Ende März 2021       begonnen werden. Verträge über den Bezug des Impf­
ver­längert.                                                stoffes von Biontech sind geschlossen. Die Kosten trägt
         Die Vermögensprüfung ist dabei weitgehend          der Bundeshaushalt. Mit den Ländern gibt es eine Ver­-
ausgesetzt. Sie findet nur statt, wenn jemand über mehr     ein­
                                                               barung über den Aufbau von bundesweit 60 Impf­
als 60.000 Euro Vermögen verfügt, das kurzfristig ver­      zentren, und es ist geklärt, welchen Bevölkerungs­­-
wertbar ist. Für jede weitere Person im Haushalt erhöht     gruppen die Impfungen zuerst angeboten werden. Die
sich dieser Betrag um 30.000 Euro. Auch Altersvorsorge­     Impfungen werden auf jeden Fall freiwillig sein.
anlagen bleiben unberücksichtigt.

                                                                                                                   21
Mehr
Mut!
                                                                                                 MATTH IAS MIERS CH
                                                                                                        MD B

Der Umstieg auf Erneuerbare Energien bis zur Mitte
des Jahrhunderts bietet viele Chancen für Deutschland.
Damit er gelingt, brauchen wir jetzt einen großen Wurf.
Die Energiewende muss zum Mitmach-Projekt für alle
werden. – Von Matthias Miersch

               ERNEUERBARE ENERGIEN                           Kohlekommission durchgesetzt und den Kohleausstieg
                                                              gesetzlich verankert. Wir haben ein Klimaschutzgesetz
                                                              beschlossen, das die zuständigen Ministerien verpflichtet,

W
                                                              in den Bereichen Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude,
                ir wollen, dass alle klimaneutral und um­     Verkehr und Landwirtschaft bestimmte jährliche CO2-
                weltfreundlich leben und wirtschaften         Mengen einzusparen. Erstmals gibt es damit einen klaren
                können – das ist unser Ziel für 2050. Und     gesetzlichen Rahmen in Deutschland zur Erreichung der
                zwar egal, ob mit großem oder kleinem         Klimaziele.
Geldbeutel sowie unabhängig davon, ob man auf dem                       Wir sind die Fraktion, die auch weiterhin ver­
Land oder in der Stadt wohnt.                                 lässlich am Atomausstieg bis 2022 festhalten wird. Denn
           Dafür müssen wir innerhalb der nächsten 30         Atomkraft ist keine Lösung. Das zeigen neben den
Jahre unsere Energieversorgung vollständig auf Erneu­         Sicherheitsrisiken insbesondere die hohen externen
erbare Energien umstellen. Denn ganz gleich, ob es um         Kosten – beispielsweise für die Zwischen- und Endlage­
unsere Industrie, unsere Mobilität oder die Wärme in          rung –, die bislang weltweit ungelöste Endlagerfrage
unseren Wohnungen geht: Wir brauchen die Erneuer­             und ihre Inkompatibilität mit den stark schwankenden
baren Energien, um CO2-neutral leben zu können.               und dezentralen Erneuerbaren Energien.
         Wir haben in dieser Legislaturperiode bereits den              Die Zeit drängt! Wir müssen die Energiewende
Solardeckel abgeschafft, strikte bundesweite Abstands­        jetzt zum Mitmachprojekt für alle machen. Sie findet nicht
regeln für die Windkraft verhindert, zusätzliche Sonder­      mehr zentral im Kraftwerk, sondern an vielen Orten statt.
ausschreibungen für Erneuerbare Energien erreicht und
mit dem Konjunkturpaket sowie der Wasserstoffstrategie
viele Milliarden Euro für Investitionen in Digitalisierung,
nachhaltige Energieversorgung und zukunftsfähige
Mobilität bereitgestellt. Wir haben die Einsetzung der

22         Fraktion intern
Matthias Miersch schlägt eine Solarpflicht für alle geeigneten
                                                                     Dächer öffentlicher Gebäude sowie für private und
                                                                                 gewerbliche Neubauten vor.

Wir wollen, dass sich alle beteiligen können und alle etwas
davon haben. Ein weitreichender Umstieg auf Erneuer­
bare Energien wird nur gelingen, wenn wir mutig handeln.
Denn mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Geset­
zes (EEG) können wir die Weichen grundlegend neu
stellen. Dazu ist der vorliegende und auch von Teilen der
Unionsfraktion kritisierte Gesetzentwurf des Bundes­          bei Projektträgern und in der Lieferkette der Anlagen­
wirtschaftsministers ungenügend. Wir haben deshalb            hersteller erfüllt sein. Bei Solaranlagen sollte nachgewie­
der Unionsfraktion eine breit aufgestellte Verhandlungs­      sen werden, dass die ILO Kernarbeitsnormen von den
delegation und umfassende Reformen angeboten. Bisher          Herstellern, die Komponenten für förderfähige Systeme
hat sie sich nicht darauf eingelassen.                        liefern, eingehalten werden. Der »CO2-Footprint«, der die
          Für uns ist klar: Wir wollen eine bezahlbare Ver­   Emissionen auf Grundlage des gesamten Lebenszyklus
sorgung mit Erneuerbarer Energie für alle, eine faire         von Modulen bestimmt, sollte als Kriterium in die Aus­
Verteilung der Kosten und stabile Rahmenbedingungen           schreibungen aufgenommen werden.
für die Unternehmen.                                                    Um schließlich eine gerechtere Finanzierung
          Dafür brauchen wir einen verbindlichen Zukunfts­    der Erneuerbaren Energien zu erreichen, an der sich
pakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Nur wenn            alle beteiligen, brauchen wir eine umfassende Reform
alle an einem Strang ziehen, können wir unsere Ausbau­        des Abgaben- und Umlagesystems – einschließlich der
ziele wirklich erreichen. Darüber hinaus wollen wir auch      Abschaffung der EEG-Umlage. Die umfangreichen Aus­-
die Bürgerinnen und Bürger an der Wertschöpfung durch         nahmen von der Umlage vor allem zu Gunsten der Indus­
Erneuerbare Energien zum Beispiel durch kommunale             trie werfen Gerechtigkeitsfragen auf. Es kann nicht sein,
Beteiligungsmodelle und Grünstrom-Anleihen beteiligen.        dass die finanzielle Last oft auf den Schultern der Durch­
Ungenutzte Potentiale müssen wir heben: Wir brauchen          schnittsverdiener liegt. Die Finanzierung soll deshalb
eine Solarpflicht für alle geeigneten Dächer öffentlicher     über die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshan­
Gebäude sowie für private und gewerbliche Neubauten.          del sowie über eine Erhöhung der Stromsteuer und den
Wer selbst erzeugte Energie auch selbst verbraucht,           Abbau von klimaschädlichen Subventionen erfolgen.
muss unterstützt und von bürokratischen Hürden befreit                  Deutschland geht als erstes hochindustriali­
werden. Gleiches gilt für Erzeugergemeinschaften.             siertes Land den Weg in das Zeitalter der vollständigen
          In den Ausschreibungen für die geförderten          Versorgung mit erneuerbaren Energien. Als SPD-Fraktion
Erneuerbare-Energien-Anlagen wollen wir Anlagen för­-         sehen wir uns dabei in besonderer Verantwortung. Denn
dern, die Wert auf »Gute Arbeit« legen. Bei Ausschrei­        wir sind die Fraktion, die in Regierungsverantwortung
bungen von Onshore- und Offshore-Windener­gie­an­la­          die gesetzlichen Voraussetzungen für den Atom- und
gen sollte dies durch den Nachweis einer Tarifbindung         Kohle­ausstieg geschaffen und vor Jahren das EEG auf
                                                              den Weg gebracht hat. Nun ist es unsere Aufgabe,
                                                              dieses Gesetz zu reformieren. Die Ziele sind klar: Erneuer­
                                                              bare Energie ausbauen, Klimaneutralität bis 2050.

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»
                  Alle Schülerinnen und
                 Schüler müssen optimal
SPDFRAKTION.DE

                   auf die digitale Welt
                  vorbereitet werden –
                     unabhängig vom
                  Geld­beutel der Eltern
                  oder ihrem Wohnort.
                             «
                                   M A R JA- L I I S A VÖ L L E R S
                                               MDB
                      Mitglied der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung
                                der SPD-Bundestagsfraktion

                                                                         spdfraktion.de/facebook
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