IVANA LEISEDER MATTHIAS PLATTNER - ÜBER MARKETING-KLON-SPRACHE, AURA-DIEBE UND ANDERE UNGEHEUER ED ITION ZAZEL - REAL TALK

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IVANA LEISEDER MATTHIAS PLATTNER - ÜBER MARKETING-KLON-SPRACHE, AURA-DIEBE UND ANDERE UNGEHEUER ED ITION ZAZEL - REAL TALK
Ivana Leiseder
       Matthias Plattner

 über Marketing-Klon-Sprache,
Aura-Diebe und andere Ungeheuer

           Edition Zazel
Ivana Leiseder
Matthias Plattner

Real Talk

Über Marketing-Klon-Sprache,
Aura-Diebe und andere Ungeheuer

Mit Beiträgen von
Wolfram Groddeck
Allan Guggenbühl

Illustrationen
Nando von Arb
Für:

                                                                    Davorka
                                                                    Momo
                                                                    Ronja

                                                                    Snežana Leiseder-Slović sel.
                                                                    Radmila & Trajko Slović sel.
                                                                    Bruno Leiseder sel.

                                                                    Brigitte & Urs Schällibaum
                                                                    Renate Hocher
                                                                    Manuela Röösli Scherer
                                                                    Ana Campos

                                                                    James Leadbitter

                                                                    Flöckli & Söckli

                                                                    Lola
                                                                    Mia & Joël

1. Auflage 2019

© 2019 Edition Zazel, Zürich

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner
Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages
reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Konzept & Design © Matthias Plattner
Der Pate: Didier Küng

ISBN 978-3-033-07338-8
4   Real Talk                                                                                                         Inhalt      5

    Vorwort                                                8   Tatorte von Marketing-Klon-Sprache                            98
    Einleitung                                            12        Websites                                                 99
                                                                    Medienmitteilungen                                      101
    TEIL I. DER ALLGEMEINE BULLSHIT UND SEINE WURZELN     24        PowerPoint-Slides                                       104
    Definition des allgemeinen Bullshits                  25        E-Mails                                                 105
         Gutartiger Bullshit                              30        Unternehmensblogs                                       107
         Bösartiger Bullshit                              31   Indikatoren für Marketing-Klon-Sprache                       110
    Ursachen der Epidemie des allgemeinen Bullshits       34        Scheinargumente und Fehlschlüsse                        111
         Der Steinzeitmensch in der Moderne               37        Rhetorische Kniffe                                      121
         Die Sprache als Ersatz für das Kraulen           40   Warum muss das alles aufhören?                               130
         Das Mittelmass der Dinge                         42        Das nackte (Über-)Leben                                 130
         Gemeinsam dümmer                                 45        Der ökonomische Nutzen guter Kommunikation              131
         Der Harmonie-Wahn                                48   Gründe, so weiterzumachen wie bisher                         132
         Das Transparenz-Dogma                            51
         Der Phrasen-Schaden                              53   GASTBEITRAG von Wolfram Groddeck                             136
         Bequem, träge, faul                              54   Untote sterben nicht

    TEIL II. DER MARKETING-BULLSHIT UND SEINE FREUNDE     60   TEIL III. IM KAMPF GEGEN BULLSHIT                            140
    Definition von Marketing-Bullshit                     61   Werkzeuge                                                    141
         Der Marketingsprech                              64       Just Say It                                              142
         Die Marketing-Klon-Sprache                       66       Die Frögli-Methode                                       143
    Ursachen der Epidemie der Marketing-Klon-Sprache      70       Das Gegenteil-Experiment und die Wörterbuch-Aufklärung   145
         Falsche Prioritäten                              71       Der 3-Punkte-Bullshit-Detektor                           151
         Fachhochschulen als Komplizen                    73       Prämissen beweisen/Zusammenhänge erforschen              152
         Künstlicher Wettbewerb/Zwang zum Output          74       Fühlen Sie etwas?                                        153
         Bullshit-Jobs                                    76
         Einmischung von allen Seiten                     79   GASTBEITRAG von Allan Guggenbühl                             156
         Betriebsblindheit                                80   Von der Schaumsprache zum exzessiven Fluchen
         Methoden-Manie                                   81
         Surreale Anforderungen                           82   Der Ferienkoffer                                             160
         Manipulation durch Agenturen                     84   Die kreative Person                                          171
    Dirigenten und Supporter der Marketing-Klon-Sprache   88   Umfeld, Idee und Prozess                                     180
         Der Mötzler                                      89
         Die Angstmacher-Zweifler-Zögerer-Trinität        91   Memorial der toten Phrasen                                   190
         Der Alles-besser-Wisser und -Könner              93
         Der Aura-Dieb                                    94   Schlusswort                                                  192
         The Manager                                      97   Über die Autoren                                             194
6   Real Talk

                «Beginne am Anfang»,
                sagte der König ernst,
                «und fahre fort,
                bis du ans Ende kommst:
                dann höre auf.»
                Lewis Carroll 1

                1   Carroll, Lewis: Alice’s Adventures in Wonderland & Through the Looking-Glass. New York
                    1981, S. 93. Aus dem Englischen übersetzt.
8   Real Talk                                                              Vorwort         9

                   S    ie haben unser Buch aus seinem Plastik befreit. Damit haben
                        Sie sich in einem symbolischen Akt vom Bullshit befreit, der uns
                   tagtäglich um die Ohren fliegt. Und den wir alle nicht mehr hören und
                   lesen mögen.

                   Insbesondere in der Marketing- und Kommunikationsbranche hat
                   Bullshit mittlerweile absurde Auswüchse angenommen: in Form einer
                   entleerten Sprache, die von Inhalten vollständig abgekoppelt ist. Die
                   nur noch dazu dient, zu besänftigen, zu verschleiern und zu umgehen.

                   Sie ist das Monster, das wir alle gemeinsam erschaffen haben – genau
                   wie bei Frankenstein.

                            Zahllose Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen haben
                            uns gezeigt, dass wir uns alle nichts sehnlicher wünschen,
                            als dass der Bullshit endlich aufhört.

         Vorwort   Die gute Nachricht: Es ist noch nicht zu spät.
                   Gemeinsam können wir dem Bullshit jetzt den
                   Kampf ansagen.

                   Wenn wir uns bewusst machen, was Bullshit genau ist und wie er sich
                   zeigt. Wenn wir verstehen, was Gründe dafür sind, dass wir Bullshit
                   in diesem Ausmass zulassen. Von diesen Gründen gibt es viele – be-
                   wusste und unbewusste, psychologische und strukturelle, kulturelle
                   und systembedingte.

                            Wenn wir realisieren, dass diese Mechanismen nicht «zwin-
                            gend» sind – dass wir sie nicht brauchen wie das Atmen,
                            das uns das Leben erst ermöglicht. Sondern dass wir den
                            Bullshit hinter uns lassen können.
10   Real Talk                                                                                                                         Vorwort         11

     Das Buch ist also in erster Linie als Inspiration und Ansporn zu verste-   Zum Schluss: Wir schreiben dieses Buch nicht aus einer akademi-
     hen, eigenes Verhalten neu zu denken und zu verändern. In zweiter          schen Perspektive. Wir sind keine Besserwisser oder anale Bürokra-
     Linie soll es uns allen Werkzeuge an die Hand geben, mit denen wir         ten im Freud’schen Sinn, sondern Menschen aus dem Marketing- und
     Bullshitter entlarven und uns gegen sie verteidigen können. Denn es        Kommunikationsumfeld, die genug haben vom Bullshit. Dadurch er-
     gibt Menschen, die Bullshit bewusst und mit selbstbezogener Absicht        klärt sich auch, dass wir unsere Formulierungen zum Teil provokant,
     anwenden. Und unsere Spiegelneuronen damit zum Erliegen brin-              spitz oder ironisch wählen mussten. Denn wir sind überzeugt: Nur mit
     gen. Darum ist dieses Buch auch als Selbstverteidigungshilfe gegen         klaren Aussagen verstehen wir uns.
     Bullshit konzipiert.
                                                                                         Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus der Marketing-
     Aus diesen Überlegungen erklärt sich der Titel des Buches: Real Talk.               und Kommunikationsbranche: Der Bullshit kann gestoppt
     Dieser ist für uns der passendste Gegensatz von Bullshit. Schaut man                werden. Mit Hirn, Herz und Verstand.
     in der Urban Dictionary nach, was Real Talk bedeutet 2, findet man fol-
     gende Definition: «The philosophy of talking candidly and openly and                Und nun, nach Lewis Carroll, beginnen wir
     honestly without fear of what others might think.»                                  ganz am Anfang.

     Die Haltung, aufrichtig und offen zu sprechen,
     ohne Angst davor, was andere denken könnten

     Oder auch: «A term used for talking about things that are profound or
     meaningful»

     Über Dinge zu sprechen, die tiefgründig oder
     bedeutsam sind

     Selbstverständlich sind auch wir vor Bullshit nicht gefeit. Jeden der
     Fehler, die in diesem Buch beschrieben sind, haben wir schon selbst
     gemacht. Auch beim Lesen werden Sie uns verschiedentlich da-
     bei erwischen, wie wir in die Falle der angeprangerten Mechanis-
     men tappen. Hauen Sie uns in dem Fall bitte kräftig auf die Rübe:
      bullshit@realtalk.ch . Damit auch wir uns – genau wie Sie – verändern
     können.

     2   https://www.urbandictionary.com/define.php?term=real%20talk.
         Abrufdatum: 11. März 2019.
12   Real Talk                                                                               Einleitung           13

                    D    ie Lage der Nation ist prekär. Die allermeisten von uns sagen
                         dasselbe, tun dasselbe und denken dasselbe. Eine Dystopie
                    der Gleichschaltung, die selbst unseren Berner Giel Kim Jong-un zu
                    einem blutigen Anfänger degradiert.

                    #liveyourlife #powerful #selfie #unique #bff
                    #gymmotivation #healthy #sotired

                    Apropos Nordkorea: Der Medienwissenschaftler Kurt Imhof beklagte
                    einst, dass in den Schweizer Zügen nordkoreanische Zustände herrsch-
                    ten. Dies, weil alle Pendler dieselben Informationen aus denselben
                    Gratiszeitungen vorgesetzt bekämen. 3

       Einleitung   Dabei, so heisst es immer wieder, sei der Mensch nie individueller und
                    freier gewesen als heute, nie besser informiert und nie produktiver.
                    Tatsächlich haben wir uns zumindest in Mitteleuropa – mit Ausnahme
                    einiger Enklaven – längst des Korsetts der Kirchen und Monarchien
                    und damit verbundenen gesellschaftlichen Konventionen entledigt.

                    Laut Walter Benjamin ist es der Kapitalismus, der an die Stelle der
                    Religion getreten ist. Er diene «essentiell der Befriedigung derselben
                    Sorgen, Qualen, Unruhen, auf die ehemals die sogenannten Religionen
                    Antwort gaben».4

                    Vergleicht man Slogans grosser Marken über die Jahre hinweg, sind
                    die Ähnlichkeiten zwischen Religion und Kapitalismus tatsächlich frap-
                    pant: So haben sich praktisch sämtliche Werbesprüche weg von kon-
                    kreten Versprechen ins Universum metaphysischer Heilsverkündungen
                    katapultiert.

                    3   Roch, Vincent/Naguib, Costanza/Atasoy, Atilla: Dreisprachiger Bericht der siebten
                        Sommerakademie der Sophie und Karl Binding Stiftung vom 7.-14. September 2013, S. 4.
                    4   Benjamin, Walter (1921): Kapitalismus als Religion [Fragment]. In: Tiedemann, Rolf/
                        Schweppenhäuser, Hermann (Hrsg.): Gesammelte Schriften. Frankfurt am Main 1991, Bd. VI,
                        S. 100.
14   Real Talk

     Wo Pepsi früher mit «Exhilarating, invigorating, aiding di-
     gestion»5 angepriesen wurde, brüstet sich das Getränk heute mit

                                             6
         «For the love of it»

     – und löst damit das nicht minder krude «Live for now» 7 ab.
     Dasselbe bei HSBC: Früher «The world’s local bank», heute im
     Rahmen einer Marketingkampagne:

                                            8
         «Together we thrive»

     Paulus hat den Stab der Sinngebung an die Unternehmen weiterge-
     geben. An die Kreationisten undurchschaubarer, sinnentleerter und
     konfuser Botschaften.

     Aber was heisst das nun genau? Was bedeuten (Un-)Sinnsprüche wie
     «Together we thrive»? Wie schafft es so etwas Nichtssagendes – stell-
     vertretend für Zillionen weiterer Beispiele – überhaupt an die Öffent-                             Bullshit.
     lichkeit? Woher kommt diese hirnbeduselnde, dadaistisch anmutende
     Entkoppelung von Inhalt und Sprache?

     Die von uns vermutete Ursache tönt zunächst einfach, hat es aber
     faustdick hinter den Ohren. Reduziert auf ein Wort lautet diese:

     5   Kemp, Martin: Christ to Coke. How Image Becomes Icon. Oxford/New York 2012, S. 271.
     6   Handley, Lucy: Pepsi has a new ad slogan. And it’s already dividing opinion. In: CNBC
         (online), 10. Januar 2019. https://www.cnbc.com/2019/01/10/pepsi-has-a-new-ad-slogan-
         and-its-already-dividing-opinion.html. Abrufdatum: 1. März 2019.
     7   Orsini, Alberto: Ad Teardown. Live for Now Moments Anthem. In: Medium (online), 12.
         Oktober 2017. https://medium.com/refineai/ad-teardown-live-for-now-moments-anthem-
         pepsi-adb8f0dc4a40. Abrufdatum: 1. März 2019.
     8   Beschreibung auf der Website der Pepsi-Kreativagentur (alias «the world’s best known
         marketing communications brand»): https://www.jwt.com/de/arbeiten/together-we-thrive.
         Abrufdatum: 5. Mai 2019.
         Im Kontext des Brexit hat HSBC im Januar 2019 eine kurzzeitige Abwandlung von «Together
         we thrive» eingeführt: «We are not an island.» Siehe hier: Watson, Imogen: HSBC continues
         its ‘Together We Thrive’ pledge with ‘We are not an island’ campaign. In: The Drum (online),
         3. Januar 2019. https://www.thedrum.com/news/2019/01/03/hsbc-continues-its-together-
         we-thrive-pledge-with-we-are-not-island-campaign. Abrufdatum: 11. März 2019.
16   Real Talk                                                                                                                                           Einleitung            17

      Bullshit? Genau, in diesem Wort findet sich der Ursprung geklon-        Mit dem stillschweigenden Hinnehmen, Ignorieren oder in manchen
     ter, emotional reduzierter und geistig entleerter Kommunikation.         Fällen sogar Gutheissen der nichtssagenden Kommunikation verlieren
     Wir konsumieren und produzieren Bullshit, ohne Fragen zu stellen         wir langsam aber sicher entscheidende Fähigkeiten. Zum Beispiel:
     oder Gesamtzusammenhänge in Erfahrung zu bringen. Wir tauschen
     uns den lieben langen Tag aus – reden über das, worüber scheinbar        Informationen korrekt zu übermitteln
     geredet werden muss, und schweigen über das, worüber ebenso              Anliegen präzise auszudrücken
     geschwiegen werden muss.                                                 Passende Emotionen zu vermitteln
                                                                              Authentische Gedanken zu formulieren
         Ganze Berufszweige leben von der bewussten Erstellung und            Zu verstehen, was jemand genau von uns will
         Anwendung von Bullshit und unterdrücken dabei Fortschritt,           Zu unterhalten und zu bewegen
         Sinn und Lebensfreude. Zur etabliertesten Bullshit-Zunft gehört
         die Kommunikations- und Marketingbranche. So können wir              Diese Fähigkeiten sind direkt dafür verantwortlich, ob sich tatsächlich
         mittlerweile kaum einen Marketing-, PR- oder Werbetext lesen         irgendjemand mit Inhalten auseinandersetzen will oder kann. Ob ein
         oder hören, der nicht vor generischen oder schlicht falschen         potentieller Kunde überhaupt beginnt, sich mit den Angeboten zu be-
         Aussagen strotzt – egal, ob Texte in klassischen Print-Inseraten,    schäftigen, die mit riesigen Marketing-Budgets befeuert bereitgestellt
         Ansprachen an Mitarbeitenden, Kommunikation von Regelwer-            werden. 9
         ken, Dienstleistungskatalogen, Blogposts, Plakatkampagnen,
         elektronischen Anzeigen, Dienstleistungsbeschreibungen oder          Und für die Kapitalisten, die dieses Buch lesen: Ja, eine effektive und
         Werbespots.                                                          passende Sprache ist aufwändiger zu erstellen, sie erfordert mehr
                                                                              Denkarbeit, clevere Menschen und gute Zielsetzungen – aber sie ist
     Kein Kommunikationsträger, kein Kanal, kein Produkt ist verschont ge-    auch direkt umsatzrelevant. Messbar in Abschlüssen und Verkäufen
     blieben. Ein Virus der Belanglosigkeit. Wortkombinationen, ja sogar      (sofern man die Realität und nicht irgendwelche vorgegaukelten
     ganze Sätze, verschüttet in einer Lawine aus Meta-Ebenen, kopie-         Zahlen misst). 10
     ren sich ad absurdum und scheinbar unaufhaltsam über Themen und
     Branchen hinweg weiter.                                                  Kommunikation, welche sich an den obenstehenden Fähigkeiten
                                                                              ausrichtet, hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie sich
         Eine für alle Seiten wertvolle Interaktion kann aber nur dort ent-   Anspruchsgruppen verhalten.
         stehen, wo Kommunikation mit Nutzen, Sinn und angepasstem
         Tiefgang betrieben wird. Dabei spricht nichts gegen das
         Schwätzchen mit der Nachbarin und den Small Talk mit Bekann-
         ten. Als täglicher Zwang hingegen, aufdiktiert durch HR- und
         Werbeabteilungen, ist eine solche Kommunikation unhaltbar.

                                                                              9  Kleiner Tipp für die Budget-Borderliner und Erbsenzähler: Budgets bitte inklusive der Löhne
                                                                                 rechnen und nicht meinen, es entstünden nur Kosten, sobald Externe involviert würden.
                                                                              10 Siehe hierzu die Beiträge in: Esch, Franz-Rudolf/Langner, Tobias/Bruhn, Manfred (Hrsg.):
                                                                                 Handbuch Controlling der Kommunikation. Wiesbaden 2016.
18   Real Talk                                                                                                                                                              Einleitung          19

     Der hunderttausendste, genau nach Schablone hergestellte und                               Dieses Buch gliedert sich in drei Teile:
     in zahllosen Sitzungen weichgespülte Marketing-Text hingegen
     garantiert nicht.                                                                          In Teil 1 erklären wir, was wir unter allgemeinem Bullshit verstehen
                                                                                                und zeigen auf, woher die Huldigung von Bullshit in allen Lebensbe-
     Auch wenn dieser in effizienten 10 Sekunden von der Website des                            reichen kommen könnte.
     Konkurrenten kopiert wurde.
                                                                                                In Teil 2 legen wir dar, was wir unter marketingspezifischem Bullshit
     Glauben Sie nicht? Auch nicht im Fall des medial breitgetretenen                           verstehen, welches seine Wurzeln, Dirigenten, Schauplätze und Indi-
     Marketing-Desasters eines Autovermieters? 11 Die Firma verklagte                           katoren sind und wieso der Bullshit-Wahn gestoppt werden muss.
     ihre selbst gewählte global tätige Mega-Agentur wegen eines ihrer
     Ansicht nach misslungenen Website-Redesigns. Wir haben hier nicht                          In Teil 3 unseres Buches geben wir Ihnen Selbstverteidigungshilfen
     den Platz, den gesamten Fall aufzurollen, möchten uns aber kurz die                        für den Kampf gegen Bullshit mit. Dazu gehören Werkzeuge, mit de-
     vom Kläger formulierte Mission anschauen:                                                  nen Sie Kommunikations- und Marketing-Texte nach effektiven Inhal-
                                                                                                ten untersuchen und deren Absicht beurteilen können. Sie werden
     «Anfang 2016 startete Hertz das ambitionierte Projekt,                                     nach der Lektüre in der Lage sein, Bullshit zu erkennen und Bullshitter
     seine digitale Identität zu transformieren. Das Haupt-                                     zu entlarven.
     ziel des Projekts ist, die Customer Experience auf
     den digitalen Plattformen von Hertz neu zu definieren,                                     Während Teil 1 eher theoretischer Natur ist und einige Verweise auf
     indem eine marktführende Website und ergänzend mobile                                      kluge Köpfe verschiedener Themengebiete enthält, sind Teil 2 und 3
     Anwendungen entwickelt werden […].»                                                        Destillate unserer eigenen Erfahrungen und Überlegungen. Deshalb
                                                                                                finden sich dort auch nur spärlich Quellenangaben. 12 Eine Grande Cu-
     Diese vor Marketing- und PR-Geschwurbel triefende «Mission» gipfelte                       vée also, ein Blumenstrauss an realen Gegebenheiten. Eine Sélection
     in der Suche nach einer Agentur, die man so definierte:                                    Bullshit nur für Sie zusammengestellt.

     «Weltklasse-Technologie-Dienstleister»                                                     Genug des Vorgeplänkels. Viel Vergnügen, Erfolg, Spass, Erkenntnisse,
                                                                                                Ärger und schlaflose Nächte beim Durchlesen.
     Wir sollten uns nicht wundern, dass bei solchem Bullshit keiner genau
     weiss, was man eigentlich will – und damit eine sehr schlechte Basis für
     ein erfolgreiches Projekt gelegt wird.

     11 Schneider, Oliver: Accenture setzt Website-Redesign in den Sand und fängt sich
        Millionenklage ein. In: Netzwoche (online), 30. April 2019. https://www.netzwoche.ch/   12 Die vielen Beispiele aus unserem Berufsalltag sind tatsächlich so passiert, zum Schutz der
        news/2019-04-30/accenture-setzt-website-redesign-in-den-sand-und-faengt-sich-              betroffenen Personen und Organisationen aber teilweise von uns zensiert oder angepasst
        millionenklage-ein. Abrufdatum: 10. Mai 2019.                                              worden. Aus demselben Grund nennen wir die Quellen der Beispiele nicht.
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