John von Düffel über die neue Uraufführungsreihe
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AUSGABE 13 / August – September 2021 DIE S TE N NÄCH REN IE PREM OPER: Le nozze di Figaro SCHAUSPIEL: Ein großer Aufbruch / Panikherz / Der große Gatsby JUNGES THEATER: Corpus Delicti [14+] JUNGES MUSIKTHEATER: Echt jetzt?! oder Wie geht’s raus? [10+] Foto © Bettina Stöss DIGITALES THEATER: John von Düffel über die neue Uraufführungs- reihe
Vorabauszug aus: A.T. Schaefer: GESCHICHTEN VON MENSCHEN UND TIEREN, B. Kühlen Verlag, Mönchengladbach. Die treuen Schwäne I m Teich des Schlossparks schwamm ein schwarzes Schwanen- Plötzlich griff der Schwan den Jäger an und schlug ihn mit seinen paar. Jeder, der dort vorbeikam, bewunderte die stolze Haltung der kräftigen Flügeln. Um die Attacke des wütenden Vogels auszuhalten, eleganten Vögel. Sie wussten, dass die Menschen sie mochten. Doch brauchte der Jäger all seine Kraft. Es wurde ein gewaltiger Kampf. blieben die Leute nicht einzig wegen ihres prächtigen, tiefschwarzen Jedes Mal, wenn der Schwan auf den Jäger prallte und zurücktau- Federkleides ren_08.indd 46 stehen. Sie waren beeindruckt, wie zärtlich die Tiere melte, raffte er sich wieder auf, um seinen Feind mit frischer Kraft 04. miteinander umgingen. Wenn ein Schwan stirbt, trauert der andere anzugreifen. ihm lange nach. Die Kräfte des Jägers waren bald am Ende. Nachdem er sich nicht Manchmal warf ein Kind ein Stück Brot ins Wasser. Darum schwam- mehr wehren konnte, griff er zu seinem Gewehr und erschoss den men die Schwäne immer zum Ufer, wenn jemand nach ihnen rief. wütenden Schwan. Nach diesem Ereignis ging der Jäger nie wieder In der Mitte des Teichs gab es eine kleine Insel, auf der ein Holz- auf Vogeljagd. häuschen stand. Darin übernachteten die Schwäne. Im Frühling legte die Schwänin ihre Eier hinein und brütete die Küken aus. Die Jungtiere kamen mit grauem Gefieder zur Welt, weshalb sie als Kin- der unscheinbar aussahen. Wie alle Eltern liebten auch sie ihre Kin- der. Sie pflegten ihre Federbällchen, bis sie so groß, grazil und tief- schwarz waren, wie sie selbst. Eines Tages kam ein Jäger am Teich vorbei. Er war auf dem Weg zum großen Fluss Wolga, um wilde Gänse und Enten zu jagen. Dort lie- gen wunderschöne Wiesen mit vielen Seen. Überrascht sah er die Schwäne. Auf der Suche nach Nahrung senkten sie ihre Köpfe und tauchten hinein in das kühle Nass. Manchmal, wenn sie nebenein- ander schwammen, sah es so aus, als spielten sie zusammen. Wie Schiffchen glitten die Schwäne auf dem Wasser dahin. Dabei reckten sie ihre langen Hälse zum Himmel und schlugen kräftig mit ihren Das Buch wird am 30. September 2021 im Rahmen einer Flügeln, als wollten sie davonfliegen. Danach schwammen sie ruhig Ausstellung in Kooperation mit dem Museum für russland- in Richtung Ufer. deutsche Kulturgeschichte in Detmold vorgestellt. Die Eröff- Plötzlich ertönte ein Schuss! Der Kopf der Schwänin sank nach hin- nung im Landestheater findet um 16 Uhr statt. ten. Heftig schlug sie mit ihren Flügeln auf das Wasser. Ihr dunkles Gefieder wurde rot vom Blut. Sie fiel auf die Seite und starb. Der Stuttgarter Fotograf A.T. Schaefer hat sich mit Aufnah- men von Opern- und Theaterinszenierungen sowie themen- Der verängstigte Schwan schwamm um seine Schwänin herum. Er Foto © A.T. Schaefer zentrierten Büchern über Kunst und Kultur einen Namen berührte sie mit seinem Kopf, als wolle er ihr helfen. Als er verstand, gemacht und ist in internationalen Sammlungen mit seinen dass es sinnlos war, flog er zum Ufer. Dort stand der Jäger, der die Kunstprojekten vertreten. Auch am Landestheater Detmold getötete Schwänin traurig anstarrte. Er war fassungslos darüber, hat er viele Produktionen fotografiert. Die beiden schwarzen was er dem Tier angetan hatte. Schwäne wurden in Detmold aufgenommen.
Sehr verehrtes Publikum, niemand weiß, wie die Situation sein wird, wenn Sie diese Ausgabe von »Theater jetzt!« in den Händen halten. Noch immer ändern sich die Vorgaben, nach denen wir uns als Theaterbetrieb richten müssen. Im Moment geht es erfreulicherweise in eine Richtung, die Hoffnung macht: Seit Ende Mai können wir wieder unter freiem Himmel spielen, seit Juni auch endlich wieder im Landestheater. Gerade noch muss- ten alle die 3 berühmten »G«s nachweisen, aktuell fällt die Maskenpflicht bei Open-Air-Veranstaltungen. Eines ist gewiss: Wir werden weiter flexibel sein müssen und selbstverständlich alles dafür tun, dass Sie ins Theater gehen können – aber sicher! Alle unsere Mitarbeiter, auf und hinter der Bühne, sind glücklich, endlich wieder aufführen zu dürfen, das kann man bei jeder Vorstellung erleben, es ist unbeschreiblich! Insbesondere unserer neuen Ballett- compagnie unter Direktorin Katharina Torwesten war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als sie nach beinahe einer kompletten Saison endlich die Gelegenheit bekam, vor Publikum aufzutreten. Was und wieviel der Tanz den Tänzer*innen bedeutet, erfahren Sie in dieser Theaterzeitung. Zum Glück hatten wir mit dem digitalen Spielplan, der in seiner Vielfalt viel Anerkennung bekommen hat, auch während des Lockdowns eine Möglichkeit für die Künstler*innen, kreativ zu sein. Die wertvol- len Erfahrungen, die wir während der vergangenen Monate mit digitalen Angeboten gesammelt haben, werden wir in allen Sparten weiterentwickeln. Dazu gibt es ein spannendes Gespräch über digitales The- ater, das der Journalist Stefan Keim für uns mit John von Düffel geführt hat. Der Autor, dessen »Odyssee« Georg Heckel 2018 am Landestheater Detmold uraufgeführt wurde, ist Professor für Szenisches Schreiben an der Uni- Intendant versität der Künste Berlin – mit diesem Studiengang und dem Studiengang Regie der Folkwang Univer- sität der Künste Essen kooperieren wir in einer neuen digitalen Uraufführungsreihe des Schauspiels. In der Spielzeit 21/22 ist das Landestheater Detmold fortgesetzt »Brot für die Welt«-Botschafter in Lippe, wir freuen uns darauf, im November Gastgeber der Bundeseröffnung der 63. Aktion »Eine Welt. Ein Klima. Eine Zukunft« zu sein. Zuvor gibt es im September eine Buchvorstellung und Ausstellung »unse- res« Fotografen A.T. Schaefer. Dazu stellen wir Ihnen vor, was wir an Produktionen planen. Darunter sind natürlich auch Titel, die ursprünglich früher gezeigt werden sollten, coronabedingt aber verschoben werden mussten, z. B. die Eröffnungspremiere im Musiktheater »Le nozze di Figaro« in der Regie von Jan Eßinger. Die musikalische Leitung hat György Mészáros, der in dieser Spielzeit als kommissarischer Generalmusikdirektor seine Handschrift zeigen wird und im Interview über Novitäten im Konzertbereich spricht. Verstärkt widmen wir uns dem Jungen Musiktheater und begrüßen herzlich Philine Korkisch als Musiktheaterpädagogin. Willkommen in der Spielzeit 21/22, wir freuen uns auf Sie! Foto © A.T. Schaefer Ihr Georg Heckel
ERICA PINANGÉ: »Tanz ist für mich Liebe, Leidenschaft und Kommunikation.« Was bedeutet Tanz Fotos: Marc Lontzek für dich? MARILENA DOLGETTA: CAIO AMARAL: »Für eine Tänzerin sollte es leicht sein zu »Wenn ich tanze, vergesse ich die Probleme der beantworten, was ihr Tanz bedeutet. Mir fällt Welt und auch meine Probleme. Tanzend kann es schwer, dafür die richtigen Worte zu finden. ich meine Gefühle ausdrücken und erzählen, Vielleicht ist das ein Grund, warum ich mich ent- wer ich wirklich bin.« scheide zu tanzen, mich auszudrücken. Tanz ist mein Leben – Tanz bin ich.« 4 BALLETT
VERONIKA JUNGBLUT: GIULIA SPINELLI: DENISON PEREIRA: »Für mich ist Tanz die Ver- »Tanzen ist definitiv etwas, das »Tanz gibt mir die Möglichkeit, körperung der Musik. Man ich brauche. Mein Körper und ehrlich zu sein. Tanz hat mein lässt seinen aufkommenden mein Geist haben darin Frei- Leben zum Besseren verän- Gefühlen freien Lauf und sich heit gefunden. Es ist auch ein dert. Tanz macht uns Hoffnung, von diesen in seinen Bewe- Geschenk, ich kann es immer dass alle Träume sich erfüllen gungen leiten. Mein Körper, noch nicht glauben, dass ich könnten. » mein Verstand und meine das Privileg habe, das zu tun, Seele arbeiten, aber sie sind was ich liebe.« auch gleichzeitig frei in diesem besonderen Moment. » ALEXANDER DIEDLER: IAÇANÃ CASTRO: MIREA MAURIELLO: »Für mich ist Tanz die »Tanzen ist für mich, wenn die »Tanz ist mein Lebenstraum, Verbindung aus Fantasie Seele den Körper als Musikins- ich fühle mich frei und verliere und Körperlichkeit. Darin trument benutzt. das Gefühl von Zeit. Es ist eine finde ich meine Freiheit.« Ohne Worte kann man tanzend andere Realität, einzigartig und seine Sorgen loswerden.« unbeschreiblich.« BALLETT 5
KHANYA MANDONGANA: MADOKA SATO: »Der Tanz hat mir einen Sinn in der Welt gege- »Tanz gehört zu mir wie eines meiner Körper- ben. Durch diese Kunst kann ich mit dem Publi- teile, wie meine Arme, meine Beine, mein Kopf. kum kommunizieren und den Menschen helfen, Es ist so normal für mich zu tanzen, dass ich ihre täglichen Kämpfe zu vergessen und eine es nicht als Besonderheit empfinde. Aber es ist andere Welt zu erleben, während sie im Theater natürlich kein normales Leben.« sind.« ENKHZORIG NARMANDAKH: MARCELO KANOPKA: MARIO MARTELLO PANNO: »Tanz ist Freude und gibt mei- »Tanz ist für mich Freude an »Tanzen ist für mich der beste nem Leben Sinn. Tanzend kann Bewegung und das Sichtbarma- Weg, mich von meinem Geist ich glücklich sein und dieses chen von Musik.« zu lösen und in eine andere Glück will ich auf der Bühne Dimension einzutauchen.« teilen.« 6 BALLETT
We Will Dance: Sacre! WIEDERAUFNAHME: Freitag, 17.09.2021, 19:30 Uhr, Großes Haus Mogli und Quasimodo Was verbindet diese beiden Figuren, außer dass sie zufäl- lig beide auf dem Ballett-Spielplan des Landestheaters DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME Detmold für die Spielzeit 2021/22 stehen? Eine Spurensuche Ballett von Katharina Torwesten nach dem Roman von Victor Hugo von Anna Neudert. Choreografie: KATHARINA TORWESTEN Mogli ist mutig, stark, anmutig, tapfer und schön. Quasimodo ist Bühne und Kostüme: MICHELE LORENZINI mutig, stark, gutgläubig und unsagbar hässlich; ein Schock für alle PREMIERE: Freitag, 22.10.2021, 19:30 Uhr, Großes Haus Menschen, die ihn erblicken. Deshalb lebt Quasimodo zurückge- EinführungsMatinee: Sonntag, 17.10.2021, 11:30 Uhr, Großes Haus zogen und einsam in der Kathedrale Notre-Dame de Paris, wie in einem steinernen Dschungel; seinem steinernen Dschungel, der ihm mit freundlicher Unterstützung Schutz und Zuflucht bietet vor den Kränkungen der Menschen. Nie- mand ist wie Quasimodo, er hat niemanden. Fernab der menschlichen Zivilisation, im Schutz des tropischen DAS DSCHUNGELBUCH Dschungels, wächst Mogli heran, alleine unter Tieren. Keines der Familienballett frei nach Rudyard Kipling Tiere ist wie Mogli, manchmal fühlt er sich einsam. Choreografie: KATHARINA TORWESTEN Quasimodo und Mogli – zwei Figuren, so verschieden und doch so Bühne: MARTIN FISCHER gleich. Sie teilen ein tragisches Schicksal. Quasimodo und Mogli sind Kostüme: N. N. Findelkinder. Als Säuglinge verstoßen oder entführt. In die Welt PREMIERE: Freitag, 18.02.2022, 19:30 Uhr, geworfen, auf sich alleine gestellt. Außenseiter in ihren Welten. Das Detmolder Sommertheater Foto © Bettina Stöss Leben ein schier endloser Kampf. Im steinernen Wald der gotischen EinführungsMatinee: Sonntag, 13.02.2022, 11:30 Uhr, Detmolder Kirche. Im verschlungenen Dickicht des Dschungels. Sommertheater Quasimodo und Mogli, beide suchen sie, wofür sie keinen Ausdruck kennen. Die Menschen nennen es Liebe. mit freundlicher Unterstützung BALLETT 7
Serienmörder, Heilige, Aussteiger Die Highlights der Spielzeit im Musiktheater von Elisabeth Wirtz OPER spiel aus Liebe, Begehren und Intrigen. Operation am Heimlicher Star: Der Komponist. Mit meis- terhaft musikdramatischem Gespür findet offenen Herzen Mozart die passenden Töne für die komi- schen und erotischen Verwicklungen, aber Was passiert: Die Story ist ein wahres Lie- auch für die Melancholien und Verletzungen bespuzzle: Der liebestolle Graf Almaviva der Figuren. stellt Susanna nach, der Zofe seiner Frau. Nicht zu empfehlen: Für Moralapostel und Die Gräfin liebt ihn, hat aber die Schnauze treue Ehemänner. Man kommt ins Grübeln voll von seinen Affären. Susanna aber liebt über seine eigene Verführbarkeit. des Grafen Diener Figaro, hinter dem die viel ältere Marcellina her ist. Der Graf torpediert FIGAROS HOCHZEIT die Hochzeit von Susanna und Figaro mit Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Foto © Marc Lontzek allen Mitteln und der pubertierende Page PREMIERE 10. September 2021 Cherubino findet alle Frauen scharf, beson- ders aber die Gräfin. Ein schräges Verwirr- MUSIKTHEATER
Psychokrimi und OPERETTE Brisante Thematik Kopfkino und mitreißende Was passiert: Eine junge Gouvernante Die Musik geht ins Musik soll sich in einem englischen Landhaus um zwei Kinder kümmern. Aber sie sieht dort Ohr und die Story Was passiert: Eine brandaktuelle Story aus die Geister zweier ehemaliger Bediensteter des Hauses, die die Kinder in ihre Macht zu ans Herz der Zeit, als man sich gegenseitig Blumen ins lange Haar steckte und eine Friedenspfeife bringen scheinen - ein beklemmendes Laby- Was passiert: Trotz leerer Staatskassen fei- rauchte: Vorgeführt werden die letzten rinth aus Angst, Verzweiflung und Beses- ert die High Society Pontevedros einen Ball sieben Tage Jesus von Nazareths in freier senheit. Was ist real, wie viel spielt sich nur nach dem anderen. Dabei ginge der kleine Anlehnung an das Neue Testament, jedoch im Inneren ab? Balkanstaat bankrott, falls die reichste nicht als Passion, sondern als Geschichte Heimlicher Gewinner: Der Dichter der Witwe des Landes, Hanna Glawari, ihre über Revolution, Unterdrückung, Geldgier Textvorlage Henry James. Die Gruselstory Millionen tatsächlich im Ausland verjuxen und natürlich peace and love. In Zeiten des erhält eine zusätzliche Dimension durch würde. Also wird Graf Danilo, der größte Starkults, der Sehnsucht nach Leitfiguren die Musik Benjamin Brittens, sie wechselt Schwerenöter des Landes, auf sie angesetzt. und des religiösen Fanatismus sind die Fra- zwischen Licht und Schatten, Realität und Er soll sie heiraten und damit die inoffi- gen, die das Musical aufwirft, nach wie vor Halluzination, Menschen- und Geisterwelt. zielle Staatskasse heim ins Reich führen. hochaktuell, und in Verbindung mit der Nicht zu empfehlen: Für Realisten und Eine musikalisch hochraffiniert verpackte unglaublichen Musik begeisternd bis heute. Feiglinge. Der Kampf der Gouvernante um Geschichte aus einer dekadenten Zeit. Heimlicher Gewinner: Der Berufsver- die Kinder wird zu einer Reise ins Unterbe- Heimlicher Gewinner: Die Taschentuch- band der Ohrenärzte. Das Stück wimmelt wusste. Industrie. Im Vorfeld einer Aufführung ist von Ohrwürmern, die man ohne Hilfe nicht ein rasanter Anstieg der Verkaufszahlen zu mehr aus dem Kopf bekommt. THE TURN OF THE SCREW beobachten. Nicht zu empfehlen: Für Bibeltreue. Die Oper von Benjamin Britten Zu empfehlen: Für Leichtgläubige. Eine Geschichte wird aus der Perspektive von PREMIERE 25. März 2022 diplomatische Intrige, an deren Ende ein Judas erzählt, der von seinem Idol Jesus ent- Staatsdiener eine steinreiche Witwe heira- täuscht ist und ihn für einen Schwächling tet, war wahrscheinlich schon 1905 bei der hält, der seine eigene Sache verrät. Uraufführung von Franz Lehárs Operette JESUS CHRIST SUPERSTAR Für Liebhaber eine märchenhafte Sache. Rockmusical von Tim Rice und Andrew DIE LUSTIGE WITWE exzessiver Operette von Franz Lehár Lloyd Webber, PREMIERE 24. April 2022 Koloraturarien PREMIERE 03. Dezember 2021 Was passiert: Ein reicher Herr plant die Aufführungen eines Lustspiels, »Die unge- MUSICAL treue Zerbinetta und ihre Liebhaber«, und FAMILIENOPER Gelungene Show einer ernsten Oper, »Ariadne auf Naxos«. Die feindselige Stimmung zwischen den Event für die ganze Familie engagierten Komödiant*innen auf der einen und den Opernsänger*innen auf der mit bissigem Witz Cooler Musik-Mix anderen Seite wird angeheizt, als derselbe Was passiert: Was kann man tun, wenn Herr aus heiterem Himmel die gleichzeitige einen acht Menschen von einer großen Erb- und spektakuläre Aufführung beider Werke anordnet. Zwei Künstlerkollektive, die unterschiedlicher schaft samt repräsentativem Titel trennen? Man setzt auf Charme – und Mord. Monty Bilder nicht sein könnten, inspirieren sich gegen- Navarro verbringt den größten Teil des Was passiert: Einmal durch die Zeit reisen, seitig, und aus dem scheinbar Unvereinba- Musicals damit, lustige Wege zu finden, um ein Menschheitstraum, der den Kindern ren, dem Clash der Genres, erwächst über- acht Verwandte fröhlich zu ermorden und Frieda und Felix gelingt. Eine geniale Erfin- raschend etwas neuartig Ganzes. zwei Liebesinteressen zu jonglieren, alles dung versetzt sie in die Zeit Rossinis. Die Heimlicher Star: Das Theater. Es führt sich ohne Reue. Ein musikalischer Spaß voll Vision einer surrealen Reise wird getragen selbst auf, scheut dabei kein Pathos und hat schwärzestem englischem Humor. von Videoeinspielungen und einem aufre- einen Heidenspaß. Montage, ungenierte Heimlicher Star: Der Darsteller, der an genden Mix aus Klassik und Elektro-Pop, Zitate der Operngeschichte, Sprünge zwi- einem Abend alle acht Leichen spielen darf. die Klänge fliegen durch den Raum und ver- schen den Erzählungen: Ariadne auf Naxos Nicht zu empfehlen: Für Menschen mit stärken das Erlebnis der Auflösung von Zeit passt in unsere Zeit. Gewissen. Monty Navarro ist unwidersteh- und Raum. Zu empfehlen: Für Kulturbeflissene und lich, obwohl er ein Serienmörder ist. Heimliche Gewinner: Das Publikum. Ein Eilige. Man erlebt an einem Abend einen Stück, in dem es für jedes Alter etwas zu rasanten Ritt durch die Musikgeschichte. LIEBE, MORD UND hören und entdecken gibt und das deshalb ADELSPFLICHTEN für die ganze Familie ein toller Theater- ARIADNE AUF NAXOS Musical von Robert L. Freedman abend wird. Oper von Richard Strauss und Steven Lutvak Nicht geeignet: Für Menschen mit Vorer- PREMIERE 03. Juni 2022 PREMIERE 14. Oktober 2021 wartung, die nur Kompositionen für Musik halten, die vor 1900 geschrieben wurden. DIE ZEITREISEMASCHINE Familienoper von Detlef Heusinger PREMIERE 16. Februar 2022 MUSIKTHEATER 9
DIE S TE N SCHAUSPIEL NÄCH REN IE PREM Der unsterbliche Die Heiligen von Traum vom Benjamin von großen Glück Stuckrad-Barre Sie galten als das Glamour-Paar Hollywoods schlechthin – der Shoo- Benjamin von Stuckrad-Barre wollte schon immer ganz nach oben. tingstar der Literaturszene F. Scott Fitzgerald, der mit Anfang 20 Und da kam er auch hin. In den 90er-Jahren machte er sich als für seine Kurzgeschichten Rekordsummen bekam, und seine junge, genauso scharfzüngiger wie erbarmungsloser Journalist, Schrift- schöne Frau Zelda, selbstbewusste Künstlerin und bekanntes »Flap- steller und Talk-Show-Gast einen Namen. Doch auf den rasanten per Girl« (junge Frauen, die in den 20er-Jahren mit kurzen Haaren Aufstieg folgte der ebenso rasante Zusammenbruch. Erst bulimisch, und ebensolchen Röcken auf sich aufmerksam machten, rauchten, dann auch drogen- und alkoholabhängig, schaffte es der Pop-Lite- tranken und Jazz hörten) der New Yorker Party-Szene. Doch nach rat in letzter Sekunde, die Reißleine zu ziehen. Das gelang mitun- dem frühen Ruhm folgte der schnelle Absturz. Als F. Scott Fitzgerald ter dank der Hilfe des höhen- und tiefenerprobten Altrockers Udo 1940 nach einem kurzen, exzessiven Leben mit nur 44 Jahren in Hol- Lindenberg, dessen Musik und später Freundschaft von Stuckrad- lywood starb, hinterließ er mit »Der große Gatsby« ein Meisterwerk, Barre stets begleiteten. In seinem autobiografischen Roman »Panik- das sich erst posthum als eines der bedeutendsten der Moderne her- herz« wagt er die erneute Begegnung mit der eigenen Vergangenheit ausstellen sollte. Bis heute fünf Mal verfilmt (1974 mit Robert Red- und den Vorbildern seiner Jugend. In diesem Buch hangelt sich der ford und Mia Farrow, 2013 mit Leonardo di Caprio als Jay Gatsby) Schriftsteller mit seinen Verweisen in bester Pop-Manier von einer zählt der stark autobiografisch geprägte Roman zu den Stoffen, die popkulturellen Größe zur nächsten. Doch der Ton ist mittlerweile dem unsterblichen Traum vom »American Way of Life« ein Denkmal ein anderer. Anstatt seine Idole wie früher in der Luft zu zerreißen, setzten wie wenige andere. begnügt sich von Stuckrad-Barre nun damit, ihnen zu huldigen. Um das tragische Portrait seines Protagonisten, des Vorzeige-Self- Dementsprechend wimmelt es in »Panikherz« geradezu von den mademan Jay Gatsby zu zeichnen, wählte Fitzgerald einen drama- Abbildern der Heiligen Benjamin von Stuckrad-Barres. turgischen Trick: Die Handlung wird in einer Rückblende durch die Wird in einem Moment die unverkennbare, schmächtige Silhouette Figur Nick Carraways erzählt, der als junger Mann nach New York Udo Lindenbergs besungen, wird im nächsten daran erinnert, wie kommt, um dort sein Glück an der Börse zu versuchen und seine Cou- fantastisch Kurt Cobain kurz vor seinem Tod aussah und nicht zu sine Daisy zu besuchen. Auf Long Island bezieht er eine »windschiefe vergessen: Wer einen Anzug trägt wie Til Schweiger in dem Film Hütte«, von der aus er – quasi aus der Froschperspektive heraus − »Der große Bargarozy«, mit dem ist definitiv zu rechnen! das atemberaubende Anwesen Jay Gatsbys bewundern kann. Über Da die zitierten Vorbilder ausschließlich Männer sind (und in dem dessen immensen Reichtum kursieren zahlreiche Gerüchte. An den gesamten Roman bis auf Courtney Love als Witwe von Kurt Cobain Wochenenden finden glamouröse Partys auf Gatsbys Anwesen statt, eigentlich keine Frauen namentlich vorkommen) lässt sich vermu- allein zu dem Zweck, Daisy, in die Gatsby seit Jahren unsterblich ten: Hier wird das Konzept »Männlichkeit« verhandelt! verliebt ist, nachhaltig zu beeindrucken, wie Nick nach und nach Natürlich hat jeder Mensch eine andere Vorstellung davon, wie der erfährt. Doch Daisy, die den namen- und mittellosen Gatsby vor dem »perfekte Mann« auszusehen hat. Für den Protagonisten in »Panik- Krieg (gemeint ist der Erste Weltkrieg) abwies, ist inzwischen mit herz« ist männlich, wer berühmt, dünn und mühelos modisch ist, ein dem grobschlächtigen Sportler Tom verheiratet, mit dem sie eine bisschen gefährlich aussieht und dabei im besten Fall noch noncha- kleine Tochter hat und der sie unverhohlen betrügt. Als Gatsby Dai- lant wirkt. All diese Eigenschaften zu erfüllen, ist nicht nur für den sys Aufmerksamkeit durch Nicks Hilfe wieder auf sich richten kann, Protagonisten von »Panikherz« kein Kinderspiel. Und obwohl Pop ist diese zunächst zwischen beiden hin- und hergerissen. Doch als es den Ruf hat, die Menschen alle gleichzumachen, weil ihnen theore- an einem heißen Tag zu einem tragischen Unfall kommt und Daisy in tisch die gleichen (kulturellen) Konsumgüter zur Verfügung stehen, Panik Fahrerflucht begeht, nimmt die Tragödie ihren Lauf. wird natürlich nicht automatisch zu Kurt Cobain, wer ein gestreif- Die deutsche Dramatikerin Rebekka Kricheldorf (*1974), bekannt tes T-Shirt trägt. Die modische Entscheidung bleibt ein Zitat. Füllen geworden mit bissigen Gegenwartskomödien wie »Alltag und Eks- muss man es selbst. Und darin liegt wohl das Problem: Im Gegensatz tase«, schuf 2012 für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg eine zu seinen Vorbildern, die zu Kunstfiguren geronnen sind, scheint Fassung des Romans, in der sie den Traumstoff in eine Welt ver- Benjamin von Stuckrad-Barre eben diesen eigenen Kern nicht zu lagerte, die unserer heutigen, noch immer von Kapitalismus und finden. Stattdessen hofft er, sich über Äußerlichkeiten zu definieren. medialer Oberflächlichkeit geprägten Gesellschaft, stark ähnelt. Durch die Schilderung seiner Vorbilder und seiner Nachahmungs- Diese wird Matthias Kaschig, der sich erstmals als Regisseur in Det- versuche entsteht aber ein anderer Effekt. Die Umstände, denen die mold vorstellt und bereits mehrere Stücke Kricheldorfs erfolgreich Idole des »Panikherz«-Protagonisten entstammen, rücken ins Zen- inszenierte, nun als Spielzeiteröffnung auf der Bühne des Landes- trum. Dabei beeinflusst das Umfeld die Personen, welche es hervor- theaters in Szene setzen. bringt, und umgekehrt. Man könnte »Panikherz« als Beschreibung Sophia Lungwitz eben dieser Wechselbeziehung sehen. Während der Roman bei der Beschreibung bleibt, liegt das Potenzial einer Bühnenadaption mög- licherweise genau darin, dieses Wechselspiel zu reflektieren und DER GROSSE GATSBY weiterzudenken. Schauspiel von Rebekka Kricheldorf nach dem Roman von F. Scott Laura Friedrich Fitzgerald Inszenierung: MATTHIAS KASCHIG Bühne: FLURIN MADSEN PANIKHERZ Kostüme: KERSTIN GRIEẞHABER Ein musikalischer Schauspiel-Exzess nach dem gleichnamigen Musik: MARCUS THOMAS Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre Foto © Marc Lontzek Mit PATRICK HELLENBRAND, JUSTUS HENKE, KERSTIN KLIN- In einer Fassung von Konstanze Kappenstein DER, EWA NOACK, ALEXANDRA RIEMANN, MANUELA STÜẞER, Inszenierung: KONSTANZE KAPPENSTEIN ADRIAN THOMSER, EMANUEL WEBER, MARIE ULBRICHT Bühne und Kostüme: CARLA NELE FRIEDRICH PREMIERE: Freitag, 24. September 2021, 19:30 Uhr, Mit: STELLA HANHEIDE, ANDRÉ LASSEN, GERNOT SCHMIDT Landestheater Detmold PREMIERE: 19.09.2021, 18:00 Uhr, Sommertheater Detmold SCHAUSPIEL 11
Wie funktioniert ein Auswahlverfahren GMD? Vorgestellt: Ein Wort voran: Wie für viele Prozesse im Theater gibt es keine vor- gegebenen Wege, so auch für die Findung eines Generalmusikdi- rektors. Das Vorgehen ist in hohem Maße unterschiedlich, sehr oft auch abhängig von Theatergröße oder Struktur der Trägerschaft, György vor allem aber von der künstlerischen Ausrichtung. In Detmold war der erste Schritt die öffentliche Ausschreibung der Position in Fachmagazinen und den entsprechenden Portalen im Internet. Die Auswahljury setzt sich hier zusammen aus dem Mészáros Intendanten, dem Orchestervorstand, dem Orchestergeschäfts- führer und als externem Berater Andreas Bausdorf von der Deut- schen Orchesterstiftung. Eine Auswahl von 12 Dirigent*innen wurde zu einem Vordirigat, bei dem mehrere Stücke im Rahmen einer Orchesterprobe diri- Der Kommissarische Generalmusikdirektor giert werden, eingeladen. Im Rahmen dieses ersten Kennenler- im Gespräch mit Maila von Haussen nens waren auch Sänger*innen beteiligt, die im Anschluss an die Probe ihren Eindruck geschildert haben. Der Orchestervorstand holt nach allen Runden ein Meinungsbild des Orchesters ein, die Du bist in der Spielzeit 21/22 Kommissarischer GMD, wie fühlst du dich Jury berät über die zusammengetragenen Eindrücke. Sechs Kan- mit dem neuen Titel und was ändert sich an deinen Aufgaben? didaten wurden für die nächste Runde ausgewählt. Ich freue mich sehr und nehme die Aufgaben gerne an. Dazu gehören Diese zweite Runde bestand aus einem Workshop von vier Pro- die musikalische Führung des Hauses, Besetzungen, Stückauswahl, ben und einer abschließenden Aufzeichnung, um in Corona Zei- Konzertprogramme, der Repertoireaufbau, die Klangbildung des ten einen „Vorstellungscharakter“ zu simulieren. Nach einem so Orchesters … gründlichen Kennenlernen fiel die Auswahl für die Schlussrunde leicht: Drei Kandidaten konnten sich für ein Vordirigat einer Vor- Wie bist du diese neuen Aufgaben angegangen? stellung von „Die lustige Witwe“ ab Dezember qualifizieren. Die Sinfoniekonzerte habe ich nun für diese Saison alleine geplant und konnte ein paar neue Impulse geben. Was hast du dir konkret überlegt? Diese Tradition möchte ich ins Gedächtnis rufen, denn die Kompo- Das symphonische Repertoire ist für die Weiterentwicklung eines nisten haben nicht nur die großen Sinfonien geschrieben, sondern Orchesters sehr wichtig, es ist unabdingbar für die Klangkultur. Ich es gehört auch das ganze Drumherum dazu und das macht es inte- habe versucht, ein Programm zu wählen, das einerseits genau die- ressant. Der Detmolder KonzertSalon soll auch ein gesellschaft- sen Zweck erfüllt – da sehe ich den Hauptschwerpunkt beim roman- licher Impuls sein, dass man zusammenkommt und sich am Ende tischen Repertoire und natürlich auch bei der Klassik, dazu etwas bei einem Glas Wein miteinander austauscht. Das ist gerade nach Impressionismus und Moderne. Andererseits gibt es in Detmold ja Corona ein wichtiger Aspekt, finde ich. sehr viele Konzerte, es ist eine sehr musikalische Stadt, und für das Publikum wollen wir natürlich ein thematisch interessantes Pro- gramm anbieten, das sowohl die Menschen anspricht, die gerne ins »Ich finde es extrem wichtig, Konzert gehen und Neues entdecken wollen, als auch diejenigen, die für Kinder jeden Alters die Türe zu sich ihrer Liebe zum symphonischen Klang vielleicht noch nicht so bewusst sind, aber die z. B. Filmmusik sehr mögen. Deswegen war öffnen und sie mit so viel Theater mir bei der Programmplanung ein thematischer Inhalt wichtig. So haben wir einen inhaltlichen Rahmen gefunden für alle drei Kon- und Musik zu verzaubern zerte: Wir bringen ein englisches Programm, ein russisches und ein wie möglich.« französisches. Englische Künstler*innen wurden häufig durch das Meer inspiriert, es ist prägend für ihre Kultur, deswegen haben wir da Stücke genommen, die thematisch mit dem Meer verbunden sind. Du selbst unterrichtest auch an der Hochschule für Musik und hast zwei Als Kontrast ist ein Stück von Mendelssohn dabei, der oft in England Kinder. Ich nehme an, dass es Dir ein Anliegen ist, jungen Leuten Musik war und sich da inspirieren ließ. Bei der russischen Musiktradition und Musiktheater nahezubringen? ist interessant, dass sie sich aus der orthodoxen Kirche und der Das ist mir tatsächlich ein Herzensanliegen. Ich selbst komme aus Volksmusik nährt und spannend finde ich, wie aus dieser Tradition einer Musikerfamilie und das war sehr prägend. Ich finde es extrem die Moderne im 20. Jahrhundert entstanden ist. Da haben wir ein wichtig, für Kinder jeden Alters die Türe zu öffnen und sie mit so viel Programm entwickelt, das genau diese Umbruchsphase umfasst. Theater und Musik zu verzaubern wie möglich. Einerseits finde ich Beim französischen Programm ist auch ein Bruch zwischen Roman- die musikpädagogischen Angebote wichtig, aber unabhängig davon, tik und Impressionismus, der mich persönlich sehr fasziniert. Und finde ich, dass man die Kinder auch einfach selbstverständlich ins das Neujahrskonzert bietet natürlich Unterhaltung, da knüpfen wir Konzert oder in die Oper mitnehmen kann. So mache ich das mit auf humorvolle Weise an die Wiener Tradition an. meinen Kindern auch. Wir können nicht genau vorhersagen, was auf Kinder wirkt, was sie langweilig finden, was sie anspricht. Aber Eine ganz neue Idee ist der Detmolder KonzertSalon, der im wunderschö- in der Regel wirkt etwas Geheimnisvolles auf sie, sodass sie wie- nen Ahnensaal des Schlosses eine kleine eigene Reihe bekommt. derkommen wollen und jetzt haben ihnen die Vorstellungen lange Zu jedem Sinfoniekonzert der Saison 21/22 gibt es einen ergänzen- gefehlt. So ist auch das Familienkonzert entstanden. Da nehmen den KonzertSalon. Mir ist dabei die spartenübergreifende Beteili- wir aus dem symphonischen Programm ein paar Stücke heraus und gung an den Sinfoniekonzerten wichtig. Beim Detmolder Konzert- präsentieren dieses kürzere Programm so vielen Generationen wie Salon werden Chor, Ballett, Schauspieler*innen, Sänger*innen und möglich. kleine Formationen aus dem Orchester sowie die Pianist*innen des Theaters zusammenkommen und kammermusikalische Stücke mit Du sagtest gerade, du selbst kommst aus einer Musikerfamilie. Dein Weg Tanz und Gedichten aufführen, die genau an die Thematik der Sin- hat dich von Ungarn über Wien, Braunschweig, Regensburg nach Det- foniekonzerte anknüpfen. Früher war es selbstverständlich, Haus- mold geführt. musik zu machen. Man hat zusammen z. B. Streichquartette gespielt Bei uns in der Familie wurde immer Musik gemacht und es gibt Fotos, und dazu wurden Gedichte gelesen, Gedichte in verschiedenen Ver- wo ich bereits mit ganz jungen Jahren dirigiere, denn ich konnte tonungen gesungen … und diese Musikliebhaber*innen bildeten das noch kein Instrument spielen und griff zum Taktstock ... Ich habe Publikum für Sinfoniekonzerte. Sie hatten Anknüpfungspunkte dann Klavier studiert und die Klavierliteratur sehr geliebt, anschlie- von ihrem eigenen Musizieren zu dem Sinfoniekonzertprogramm. ßend habe ich in Wien das Dirigierstudium abgeschlossen, das war 12 KONZERT
György Mészáros, kommissarischer GMD eine wunderbare Zeit mit sehr vielen tollen Konzerten. Damals Sinfoniekonzert 1 wurde mir bewusst, dass ich diesen klassischen Kapellmeisterweg DIE WOGEN DES MEERES SCHWEIGEN NIE durch das Theater gehen möchte. Das kannte ich von meinen Eltern, Montag, 01.11.2021, 18:00 Uhr, Großes Haus die im Opernorchester in Budapest spielten. Ich war bereits mit drei Jahren in allen Vorstellungen, diese Welt war mir sehr vertraut. Ich Sinfoniekonzert 2 habe immer viel Wert darauf gelegt, dass ich viele Dirigiermöglich- ZWISCHEN MYSTIK UND REVOLUTION keiten habe, denn Dirigieren kann man nur in Aktion lernen. Das Dienstag, 01.02.2022, 19:30 Uhr, Großes Haus ist wie Bergsteigen: Man kann vorher trainieren und die Routen studieren, sich Gedanken machen und am Equipment arbeiten – Sinfoniekonzert 3 aber wie sich das dann in dem Moment oben auf dem Berg bei dem FRÜHWERKE VON ROMANTIK BIS Wetter anfühlt und was man da tun muss, das weiß man nur, wenn man da oben ist. So ist dirigieren: Was alles passieren kann und was IMPRESSIONISMUS alles nicht passiert, was man gedacht hatte ... und wie man mit der Dienstag, 14.06.2022, 19:30 Uhr, Konzerthaus Situation umgeht ... das lernt man halt nur beim Tun, das war mir von Anfang an bewusst. Ich hatte Glück: bei jeder meiner Stationen KonzertSalon 1 hatte ich viele Dirigate und konnte ein umfangreiches Repertoire MALCOLM ARNOLD, JOHN THOMAS, dirigieren. Hier am Landestheater Detmold haben wir durch die RALPH VAUGHAN WILLIAMS, BENJAMIN BRITTEN Gastspieltätigkeit sehr viele Vorstellungen, gerade für den 1. Kapell- Dienstag, 12.10.2021, 19:30 Uhr, Ahnensaal des Schlosses meister. Dasselbe Stück wird in sehr verschiedenen Besetzungen in sehr verschiedenen Theatern gespielt und da hat man natürlich viel KonzertSalon 2 Training: Es ist alles dasselbe und doch ist alles anders, das macht NICOLAI TSCHEREPNIN, ALEXANDER BORODIN, die Sache frisch und kommt meiner entdeckerischen Einstellung DMITRI SCHOSTAKOWITSCH, IGOR STRAWINSKY, entgegen. Da konnte und kann ich mich gut entwickeln. SERGEI RACHMANINOW, NIKOLAI RIMSKI-KORSAKOW Dienstag, 08.03.2022, 19:30 Uhr, Ahnensaal des Schlosses Worauf freust du dich in der kommenden Saison besonders? Foto © Jochen Quast Auf die Sinfoniekonzerte und natürlich auf die Zusammenarbeit mit KonzertSalon 3 allen Musiker*innen und Sänger*innen. Und am allermeisten hoffe CLAUDE DEBUSSY, ALBERT ROUSSEL, MAURICE RAVEL, ich, dass endlich wieder Publikum kommt, das wir begeistern kön- JEAN FRANÇAIX nen: Ein volles Haus und Standing Ovations, darauf freue ich mich! Dienstag, 24.05.2022, 19:30 Uhr, Ahnensaal des Schlosses KONZERT 13
JUNGES THEATER SCHAUSPIEL UND MUSIKTHEATER Freiheit vs. Sicherheit – Willkommen in der Welt von Corpus Delicti! Unsere erste Schauspielpremiere im Jungen Theater könnte thema- listisch ausgeschlachtet wird. Die Angst der Menschen ist tisch aktueller nicht sein: In dem vor elf Jahren erschienenen Roman eine politische Währung. Wie begegnet man dem gefühl- »Corpus Delicti« beschreibt die Autorin und Juristin Juli Zeh einen ten Kontrollverlust in unserer globalisierten Welt, in der Staat, der alle bürgerlichen Freiheiten dem Erhalt der Gesundheit Menschen, Waren, (falsche) Informationen und ein pandemi- der Gemeinschaft geopfert hat. Mundschutz, staatliche Gesund- sches Virus (scheinbar) unbegrenzt umherwandern? Sehen wir heitstests, Zucker-, Koffein- und Alkoholverbot gehören ebenso zum alle Menschen, Gruppen und Gemeinschaften, wenn wir über Frei- Alltag wie die ständige Überwachung der Bürger*innen. Freiheit ist heit und Sicherheit nachdenken – oder bleiben wir zu sehr bei uns in dieser Welt gefährlich geworden, unvernünftiges Handeln steht selbst? Die Ambivalenz zwischen den Werten Freiheit und Sicher- unter Strafe. »Die Methode« – das Gesellschaftssystem in »Corpus heit beschreibt ein Dilemma, das uns in allen demokratierelevanten Delicti« – ist keine Demokratie mehr. Statt des Volkes herrschen Fragestellungen begegnet. Diese Werte sind keine Gegensätze – sie Expert*innen und die absolute Vernunft. Wobei Juli Zeh Vernunft gehören beide zum Kern unserer bürgerlichen Bedürfnisse. Es tut hier gleichsetzt mit: das Leben um jeden Preis erhalten, verbessern uns weh, uns für Lösungen in diesem Spannungsfeld zu entschei- und gegen Risiken schützen. Und nun wird es kontrovers, weil aktu- den, weil wir wissen, dass es keine perfekte Lösung gibt, in der die ell: Inwieweit darf der Staat in die Freiheitsrechte der Bürger*innen Integrität beider Werte in uns gewahrt wird. Gleichzeitig müssen eingreifen, um sie zu schützen? Sind »Freiheit« und »Sicherheit« wir Entscheidungen treffen und konkrete Lösungen zwei sich ausschließende Konzepte? Unser Grundgesetz schützt suchen, damit es vorangeht. »Corpus Delicti« lädt ein, die Freiheit der Bürger*innen. Es ist kein Werk zur Maximierung sich zwischen Theaterraum und realer Welt in ein von Sicherheit. Gleichzeitig wird das Sicherheitsbedürfnis vieler Dilemma zu begeben, sich der Ambivalenz auszusetzen Bürger*innen immer größer, was z. B. an der politischen Diskussion und sich dennoch zu positionieren. um Einwanderung, Integration und Terror sichtbar und rechtspopu- Jenni Schnarr CORPUS DELICTI [14+] Inszenierung: MEIKE HEDDERICH Bühne und Kostüme: MAREN STEINEBEL PREMIERE: 25.09.2021, 19:30 im Jungen Theater WIE WÜRDE DEIN IDEALER STAAT MIT DEM DILEMMA ZWISCHEN FREIHEIT UND SICHERHEIT UMGEHEN? Gehe dabei nicht vom Ist-Zustand in der Welt aus. Gehe nicht davon aus, dass jeder Staat auf der Welt so wäre wie deiner (die anderen haben ja die Freiheit, es anders zu machen!). Mein perfekter Staat hätte Grenzen / keine Grenzen. Diese würden folgendermaßen geschützt: Die Macht in meinem Staate ginge von aus. Die Staatsprache wäre: . Menschen, die diese Sprache nicht sprechen, müssen in Formularen/auf dem Amt: . Für Formulare/die Ämter bedeutet das . Menschen ab Jahren dürften wählen. Diese Menschen dürften nicht wählen: . Diese Genussmittel wären für erlaubt: Diese Genussmittel wären für grundsätzlich verboten: Mit Gesetzesverstößen der Bürger*innen würde mein Staat so umgehen: . Es gibt / Es gibt keine Gefängnisse in meinem Staat. Die Bürger*innen in meinem Staat bewegen sich mit folgenden Fahrzeugen: , dabei wird die Anschaffung/Nutzung von durch staatliche Hilfen unterstützt. Es gibt folgende Regelungen im Verkehr: ja / nein ja / nein / Ampeln / Anschnallpflicht / Helmpflicht / Tempolimit / Unbegrenzte Platzkapazität / Kostenlos für alle: , / Führerschein für Folgende: / Bußgelder bei Regelverstoß / Verpflichtende Ausgleichszahlungen für Umweltschäden / Freier Kraftstoff Illustrationen © Greta M. Jakobs Um den Klimawandel zu entschleunigen, gibt es für alle / Reiche / Unternehmen / Individuen in meinem Staat folgende Verbote und Regelungen: . Um die Sicherheit der Bürger*innen vor Bedrohungen von außen zu schützen, unternimmt mein Staat folgende Maßnahmen . Mein Staat schützt / schützt nicht die Sicherheit und freie Entfaltung von Minderheiten (wie z.B. ), indem er . Mein Staat geht Bündnisse mit Staaten ein, die . 14 JUNGES THEATER
Und was ist dein innerer Schweinehund für ein Tier? Wer kennt ihn nicht, den inneren Schweinehund? Er taucht immer dann auf, wenn etwas Unangenehmes erledigt werden muss, von dem man insgeheim weiß, dass es wichtig und richtig ist. Ob Sport, gesunde Ernährung, Hausaufgaben, Zimmer aufräumen oder Steuererklärung – jede*r von uns hat solche »Schweinehund-The- men«. Carlotta, die junge Protagonistin in Mareike Zimmermanns Umwelt- Oper »BÄR«, hat keinen inneren Schweinehund. Sie hat einen Schwei- nebären. Ein eigentlich sehr süßer, sympathischer Teddybär, der immer größer und aufdringlicher wird und Carlotta daran erinnert, DO IT YOURSELF! wie nachlässig und bequem sie geworden ist. Denn eigentlich will WAS KANNST UND WILLST DU BEITRAGEN? Carlotta das Klima retten und die Umwelt und am besten gleich die ganze Welt. Doch bei jedem Wetter mit dem Fahrrad fahren, auf das Wie schützt du die Umwelt und das Klima bereits? Donnerstags-Schnitzel in der Kantine und die Urlaubsflugreise ver- zichten, Plastik vermeiden und ständig Strom sparen ist ganz schön Bei welchen Dingen verfolgt dich dein Schweinebär noch? anstrengend. Sie hat keine Lust, immer die Spaßbremse zu sein, die anderen Vorhaltungen macht, die Freak-Frau mit dem Klima-Tick. In welcher Gestalt tritt er oder sie auf? Dem Schweinebären ist das nur recht. Er ermuntert Carlotta, sich zu entspannen, wie Schweinehunde oder -bären das eben tun, und Was würde dir helfen/hilft dir, deinen Schweinebär macht es sich an ihrer Seite bequem. Jetzt ist Carlotta die Freak-Frau loszuwerden? mit dem Riesen-Teddy. Doch nichts tun ist irgendwie auch keine Lösung. Was wünschst du dir für die Zukunft unserer Umwelt? Wie wird man seine inneren Schweinhunde, -bären oder was auch immer uns zurückhält, los, um unseren Beitrag zum Protagonistin Carlotta führt uns mit Witz und Charme vor Klimaschutz zu leisten? Und müssen wir das überhaupt? Augen, dass wir alle gemeinsam im »Klimaschutz-Boot« sit- Diesen Fragen widmet sich Autorin Mareike Zimmermann zen. Schwächen sind erlaubt, davon zeugt augenzwinkernd in der Oper »BÄR« für Menschen ab 10 Jahren, einem Auf- die »Oh-Schnitzel«-Arie. Wenn jede*r einen kleinen Beitrag tragswerk des Landestheaters Detmold, das im Oktober 2021 leistet, ist die Wirkung trotzdem groß und innere Schweine, Premiere feiert. Hunde und Bären werden immer kleiner. Die musikalische Grundlage des Werks bildet Francesco Philine Korkisch Cavallis Barockoper »La Calisto«. Auch wenn das Thema Klimawan- del vor 370 Jahren, als »La Calisto« uraufgeführt wurde, eher keine Rolle gespielt hat, gibt es inhaltlich eine bedeutsame Parallele der BÄR [10+] Protagonistinnen. Die Waldnymphe Calisto wird durch eine Int- Umwelt-Oper von Mareike Zimmermann rige hinters Licht geführt und für ihr vermeintliches Fehlverhalten Musik nach Francesco Cavallis »La Calisto« bestraft, indem sie in einen Bären verwandelt wird. Sie muss mit In einer musikalischen Bearbeitung von Francesco Damiani den weitreichenden Konsequenzen der Handlungen anderer leben. Inszenierung: MAREIKE ZIMMERMANN Genauso ergeht es Carlotta, ergeht es uns allen. Keine*r von uns ist Bühne und Kostüm: JULE DOHRN-VAN ROSSUM allein verantwortlich für den Klimawandel. Habe ich dennoch eine Musikalische Leitung: FRANCESCO DAMIANI Verantwortung zu handeln? Und kann ich allein überhaupt irgend- PREMIERE: Samstag, 16.10.2021, 16:00 Uhr, Junges Theater etwas am Klimawandel ändern? Weitere Vorstellungen: 9.11. / 12.11.2021 / 14.2. / 15.2. / Klare Antworten darauf kann es naturgemäß nicht geben. Doch 16.2. / 19.2. / 1.4.2022 How to get a beach body Illustrationen © Greta M. Jakobs, Foto © Leonard Olfens 1. Have a body. 2. Go to the beach. JUNGES THEATER 15
JUNGES MUSIKTHEATER Fanfare für Philine! Philine Korkisch ist seit März 2021 neu im Team des Jungen Theaters. Die gebürtige Hamburgerin hat ihren Bachelor in »Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis« in Hildesheim und ihren Master in Musikvermittlung in Linz absolviert. Nach Stationen in Leipzig, Wien und Hamburg baut sie jetzt die Musik(theater)pädagogik bei uns in Detmold auf. Jenni Schnarr, Leiterin des Jungen Theaters und ebenfalls leidenschaftliche Pädagogin, hat mit ihr über ihre Pläne gesprochen. Philine, wie kommt es, dass du bei uns in Detmold gelandet bist? Ich war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung! Deutsch- landweit gibt es viele etablierte Abteilungen der Musikvermittlung an Theater- und Konzerthäusern – dort wäre es sicher sehr span- nend, diese weiterzuentwickeln und zu erweitern. Hier in Detmold hat sich für mich aber die sehr reizvolle Möglichkeit ergeben, diese Sparte von Beginn an mitzugestalten und sie mit den vorhandenen Ressourcen, Programmen und Künstler*innen auf neue Füße zu stellen. Du hast ja bisher hauptsächlich an Konzerthäusern gear- beitet. Warum jetzt (Musik-)Theater? Ich glaube, dass es für die Vermittlungsarbeit sehr spannend ist, neben der Musik auch die Bühne zu nutzen. Das Bühnenelement gibt ja noch eine visuelle Ebene dazu, auf die man sich beziehen kann und die schuhen sitzt. Und dann gibt es natürlich so scheinbar banale Dinge etwas mit der Musik macht. wie Eintrittspreise oder die ganzen Regeln, die es bei einem Besuch im Theater zu kennen gilt … Und warum machst du Musikvermittlung? Mich hat Orchestermusik schon mit sechs Jahren total fasziniert und Ich selbst habe ja im Konzert immer Angst, an der falschen Stelle zu klat- emotional abgeholt. Das waren ganz besondere Momente für mich schen und dann empörte Blicke zu ernten … als Kind, wie kein anderes Erlebnis. Und diese Begeisterung dafür, Wenn wir uns das historisch anschauen, war das Konzert früher live Musik zu hören, möchte ich gerne weitergeben. Es gibt ja mitt- eine Veranstaltung, die hat gerne mal fünf, sechs Stunden gedauert. lerweile wenig Berührungspunkte mit klassischer Musik. Musikver- Deshalb war es natürlich völlig selbstverständlich, dass man zwi- Illustrationen © Greta M. Jakobs, Foto © Leonard Olfens mittlung bedeutet für mich, es für Menschen jeden Alters, jeder Her- schendurch rausgegangen ist, sich mit der Nachbarin unterhalten, kunft, jeder Voraussetzung möglich zu machen, Zugänge zu Musik oder seine Zustimmung oder Ablehnung durch Klatschen oder Zwi- zu erfahren. Es geht um eine Brücke zwischen uns als Institution schenrufe kundgetan hat. Das kreiert ja am Ende auch ein Gemein- und dem Publikum und eben auch dem (Noch-)Nicht-Publikum. Gar schaftsgefühl unter den Zuschauenden, die wirklich Anteil nehmen nicht mit der Absicht, dass dann alle ein Abo kaufen oder jede Woche an dem, was da vorne passiert. ins Konzert oder ins Theater kommen. Es geht um die Chance, Musik kennenzulernen – selbst dann, wenn man am Ende sagt: Nee, das ist nichts für mich. Dieser Theatergeist ist exklusiv und faszinierend zugleich, mit den roten Teppichen und den Regeln. Wenn du von Gemeinschaftsgefühl sprichst, Ich finde es spannend, dass du sagst, (Musik-)Theaterpädagogik ist für dann freue ich mich sehr auf die nächste (hoffentlich post-pandemische) Menschen jeden Alters. Viele denken ja bei dem, was wir Pädagoginnen Spielzeit! Worauf freust du dich denn am meisten? machen, immer nur an die Arbeit mit Schulklassen und Kindern, dabei Erstmal freue ich mich darauf, das Theater spielend kennenzuler- geht es ja am Ende um alle. Gibt es Unterschiede in deiner Arbeit mit den nen. Und dann auf eigentlich alles: Die Familien- und Schulkon- verschiedenen Altersgruppen? zerte sind mir natürlich erstmal sehr vertraut, aber ich freue mich Es hängt immer davon ab, was für eine Gruppe vor einem steht, ob auch auf die Erarbeitung eines dazugehörigen Bühnenprogramms. die Menschen Vorerfahrungen haben oder nicht – das Alter ist da Und auf die Musiktheaterproduktionen im Jungen Theater und die fast egal. Natürlich sind die Methoden andere, aber die Vorausset- Arbeit mit Schulklassen. Etwas aufgeregt bin zungen sind ja für alle gleich und die allererste Erfahrung mit Live- ich, den KidsClubMusik zu leiten und da Musik oder Theater ist altersunabhängig tatsächlich sehr ähnlich. mit Kindern in ihrer Freizeit ein Stück Wobei die Fokussierung unserer Arbeit auf Kinder und Jugendliche zu erarbeiten. Es wird eine Spielzeit, deshalb sinnvoll ist, weil man sagt, dass die erste Erfahrung mit in der wir an verschiedenen Stel- Musik möglichst früh gemacht werden soll, damit sie nachhaltig len kleine Samen setzen, die hof- ist und man zukünftig daran anknüpfen kann. Natürlich erreichen fentlich fruchten und dafür sor- wir viele Kinder und Jugendliche über die Schulen und das ist auch gen, dass Schulklassen, Kinder nochmal besonders wichtig, weil wir dort wirklich auf alle treffen, und Jugendliche gerne zu uns unabhängig vom Elternhaus, vom sozialen Status und den finanzi- ins (Junge) Theater kommen. ellen Möglichkeiten der Familie. Trotzdem ist unsere Arbeit für alle Menschen da. Wenn wir z. B. an Senior*innen in Pflegeeinrichtungen denken, stellt sich da natürlich auch die Frage der Zugänge, weil die Mobilität eventuell fehlt. Wie gehst du für dich mit dem Hochkultur-Vorwurf um, dem wir uns in der Vermittlungsarbeit immer stellen müssen? Ich finde diesen Diskurs sehr wichtig! Mein Ziel ist es, von diesem Begriff wegzukommen, denn Theater, Konzert, Oper sind Kunst- formen für alle Menschen. Es müssen Institutionen entstehen, die niedrigschwellig sind, in denen jede*r eine Daseinsberechtigung hat, egal, ob er einen Anzug anhat oder neben mir in Jeans und Turn- 16 JUNGES THEATER
JUNGES MUSIKTHEATER Echt jetzt?! [10+] PREMIERE: Sa, 19.09.2021, 16:00 Uhr Bär [10+] PREMIERE: Sa, 16.10.2021, 16:00 Uhr KidsClubMusik [10-13] Sterben kann jede [14+] Klassenzimmerstück, PREMIERE IM JUNGEN THEATER: 20.11.2021, 19:30 Uhr Mitspielen, mitmachen, entdecken, sich selbst und die Welt auf die Probe stellen, spielend nach Mög- lichkeiten suchen und überhaupt einmal alles neu und anders den- Pettersson und Findus [5+] PREMIERE: Mi, 26.01.2022, 11:00 Uhr ken: Unser KidsClubMusik ist offen für alle, die sich einmal auf der Bühne ausprobieren wollen. dienstags ab 01.02.2022, 16:00 Uhr Anmeldung unter: jt@landestheater-detmold.de JUNGE KONZERT E Opera Magica: Wie entsteht eine Oper? [6+] Illustrationen © Greta M. Jakobs Di 30.03.2022, 9:00 Uhr, Großes Haus FÜR SCHULKLASSEN Raus aus dem Klassenzimmer, rein ins Harry Potter: Wie wirkt Filmmusik? [9+] Theater! Die Jungen Konzerte geben Mi, 26.04.2022, 9:00 Uhr, Großes Haus Schüler*innen spannende Live-Einblicke in die Welt der Musik. FAMILIENKONZERT E [6+] Ein Meer-Märchen Ein Konzerterlebnis für die ganze Familie – genau das ist die neue So, 07.11.2021, 11:30, Großes Haus Reihe der Familienkonzerte! Das Symphonische Orchester des Landestheaters Detmold lädt Klein und Groß ein zu drei abwechs- lungsreichen Reisen durch die Welt der Musik. Da ist für jede und Made in America jeden etwas dabei – Mitmachen ausdrücklich erwünscht! So, 13.02.2022, 11:30, Großes Haus Im ersten Abenteuer EIN MEER-MÄRCHEN tauchen Orchester und Publikum ein in die Tiefen der Weltmeere und lauschen dem Rau- schen der Wellen und den Gesängen der Meerjungfrauen. Weiter Harry Potter geht die Reise nach Amerika:MADE IN AMERICA heißt es, wenn wir Do 26.05.2022, 11:30, Großes Haus das Theater kurzerhand in einen Jazzclub verwandeln. Schließlich wird es magisch mit verzauberter Musik aus HARRY POTTER . Das JUNGE THEATER wird unterstützt durch
Prof. John von Düffel Uraufführungen im digitalen Theater Das Landestheater arbeitet mit John von Düffel und dem Studiengang Szenisches Schrei- ben an der UdK Berlin zusammen. Von Stefan Keim Notlösung oder Zukunftsform? Das ist die große Frage beim Blick leren Alters?« Jemanden auf den Leib schreiben, so nennt man es, auf das digitale Theater, wie es sich während der Pandemie entwi- wenn die Autorin oder der Autor schon weiß, wer das Stück spielen ckelt hat. Manche sahen und sehen in den Streams eine Möglich- wird. Man kennt das, wenn einem bekannten Komödianten die Gags keit, die Grenzen des Theaters zu erweitern und ein neues Publi- so in den Mund gelegt werden, dass er sie mühelos in seinem beson- kum anzusprechen. Andere halten es für Beschäftigungstherapie, deren Stil abfeuern kann. Doch so ist dieses Leibschreiben nicht die schnell wieder verschwunden ist, wenn wieder regelmäßig vor gemeint. »Es geht nicht darum, was die Schauspieler*innen sind«, Live-Publikum gespielt werden darf. Das Landestheater Detmold sagt John von Düffel, »sondern was sie sein könnten.« setzt ein klares Zeichen mit einem ungewöhnlichen Projekt. Es lässt Und nun kommt das digitale Element. Die Stücke sollen ungefähr junge Autor*innen, die in Berlin »Szenisches Schreiben« studieren, eine halbe Stunde lang werden, »ein Hybridformat zwischen Thea- neue Texte schreiben – extra für die Verfilmung. ter und Film.« Also gleich gedacht für die Umsetzung als Stream. Die Geleitet wird der Studiengang von John von Düffel. In Detmold ist Einheit des Ortes – wie sie schon Aristoteles in der Antike formuliert er bestens bekannt durch die Uraufführung von »Odyssee – Die hat – ist die eine Sache. Aber die Kamera kann viel verändern, durch Geschichte von Niemand« vor drei Jahren. Düffels Theaterbear- Naheinstellungen und Totalen, durch Schwenks und Fahrten. John beitungen bekannter Klassiker wie »Buddenbrooks« nach Thomas von Düffel nennt einen der großen Unterschiede zum Live-Theater: Mann werden an großen und kleinen Bühnen häufig gespielt. Er »Man kann sich, wenn man im Raum sitzt und auf die Bühne schaut, schreibt anspruchsvolle Stücke, hat aber auch die Musicalfassung zwar näher heran fühlen. Aber man kann sich nicht näher heran von »Der Schuh des Manitu« verfasst. Sein erster – übrigens wun- zoomen.« derschöner – Roman »Vom Wasser« etablierte ihn gleich in der Bel- letristik, Hörspiele und Übersetzungen gibt es ebenfalls zuhauf. »Man kann sich, wenn man im John von Düffel ist ein Autor, der sich mit ähnlicher Begeisterung in künstlerische Großprojekte und Aufgaben des Tagesgeschäfts wirft. Raum sitzt und auf die Bühne Seit zwölf Jahren ist er Professor an der Universität der Künste in Berlin. schaut, zwar näher heran fühlen. »Wie wird man Dramatiker?«, lautet natürlich die Frage, wenn Aber man kann sich nicht näher jemand das Studium des szenischen Schreibens beginnt. Düffels Antwort: »Indem man Stücke schreibt.« Natürlich ist es nicht ganz heran zoomen.« so einfach, dann wäre die Ausbildung schnell erledigt. Hinter die- John von Düffel sem Satz steckt eine pragmatische Einstellung. Professor von Düf- fel empfiehlt den Studierenden: »Erlebt Kooperationen, geht in die Theaterprozesse hinein! Erfahrt, was es bedeutet, in einem Proben- Welche Themen die neuen Stücke behandeln, ist noch geheim. Dead- prozess dabei zu sein, sammelt Erfahrungen, lernt, auch mit Enttäu- line für die Studierenden ist der 30. September, viele werden bis zur schungen umzugehen!« letzten Minute an ihren Texten feilen. Eine Grundtendenz kann John In diesem Sinne beginnt die Zusammenarbeit mit dem Landesthea- von Düffel schon verraten: »Die Generation, die jetzt am Start ist, hat ter. Natürlich in der Hoffnung, möglichst wenig Enttäuschungen zu sich politisiert.« Gerechtigkeitsfragen treiben die jungen Leute um, produzieren. Aber es geht darum, dass der Nachwuchs nicht nur in der Klimawandel, auch ethnische und postethnische Debatten, die den eigenen Obsessionen und ästhetischen Vorlieben nach Themen Frage, was Identität bedeutet. »Da herrscht eine hohe Sensibilität«, sucht, sondern sich der Herausforderung einer Auftragsarbeit stellt. sagt Düffel, »wenn es darum geht, wo Klischees und Einschränkun- Das »digitale Theater« in Detmold macht klare Vorgaben. Es gibt fünf gen anfangen. Es ist jetzt gar keine einfache Zeit, Dramatiker*in Schauplätze, an denen die Stücke spielen können. Die Lkw-Garage zu sein. Früher hatte man Bösewichte und Antagonisten auf dem des Theaters, einen sehr schmalen Gang, das Büro des Geschäfts- Silbertablett. Heute ist alles komplizierter geworden, die politischen führers zum Beispiel. Die Dramatiker*innen müssen sich für einen Anliegen sind schwieriger zu beschreiben.« Spielort entscheiden, bei dem sie bleiben müssen. Worüber sie schreiben wollen, ist dem Drama-Nachwuchs frei- Foto © Katja von Düffel Außerdem ist die Besetzung vorgegeben. Sechs Schauspieler*innen gestellt. Einzige Bedingung: Es muss zur Besetzung passen. »Das machen mit, jeweils in Paarungen, die von der Dramaturgie vorher Medium des Theaters ist erst einmal die Schauspielerin und der festgelegt wurden. »Das ist die Herausforderung«, erklärt John von Schauspieler« erklärt John von Düffel. »Die Bühne oder der Stream Düffel. »Was fällt einem zu einer Grande Dame des Theaters und sind nur der Ort, an dem etwas passiert.« Viel hat er mit den Studie- einem jungen Schauspieler ein? Oder zu zwei Schauspielern mitt- renden darüber diskutiert, ob sie Kameraeinstellungen schon ins 18 DIGITALES THEATER
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