2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater

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2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
SPIEL
ZEIT
2019
2020
2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
1 | Vivienne Causemann
                                                                                                                                                                                    2 | Felix Defèr
                                                                                                                                                                                    3 | Johannes Frick
                                                                                                                                                                                    4 | Heidi Maria Glössner

                                                                                                           1         2                                                              5 | Grégoire Gros
Im vorliegenden Spielplan 2019/20 präsentiert sich das Vorarlberger                                                                                                                 6 | Luzian Hirzel
Landestheater wiederum offen und experimentierfreudig, sucht den Gegen-
                                                                                                                                                                                    7 | Rahel Jankowski
wartsbezug und stellt Fragen zu unserer Zukunft. Stephanie Gräve punktet
dabei im zweiten Jahr ihrer Intendanz mit einer bemerkenswerten Programm-                                                                                                           8 | Jan Kersjes
dichte und zeigt sich vor allem durch Kooperationsprojekte mit Salzburg,                                                                                                            9 | David Kopp
Bern oder Chur bestens im deutschsprachigen Theaterraum vernetzt.
                                                                                                                                                                                   10 | Johanna Köster
Spannend wird sein, wie etwa DIE SCHUTZFLEHENDEN von Aischylos mit                                                                                                                 11 | Tobias Krüger
einem neu entstandenen Bürger*innenchor und dem Jugendclub 16+ umge-
                                                                                                                                                                                   12 | Nico Raschner
setzt werden, oder wie Niklas Ritter nach WELT AM DRAHT in seiner zweiten
musikalischen Produktion mit Tilman Ritter am Vorarlberger Landestheater die                                                                                                       13 | Jürgen Sarkiss
bröckelnde Welt von Marie-Antoinette, der letzten Königin Frankreichs,
                                                                                                                                                                                   14 | Ines Schiller
auslotet. Ebenso richtig Lust auf einen Theaterabend machen das Projekt
BITTE NICHT SCHÜTTELN! sowie ANTIGONE :: COMEBACK, bei dem via                                                                                                                     15 | Katharina Uhland
VR-Brillen-Einsatz eine sehr subjektive Zeitreise zu Brechts Theatervisionen er-   3        4              5
                                                                                                                                                                                   16 | Yannick Zürcher
lebbar wird. Verlässliche Grundpfeiler im Programm sind die Stückbearbeitun-
gen der Klassiker von Shakespeare, Goethe bis Ibsen sowie die gemeinsam
mit dem Symphonieorchester Vorarlberg realisierte Opernproduktion. Ein
starker Vorarlberg-Bezug zeigt sich heuer in der Auseinandersetzung mit
Stephanie Hollensteins Biografie.

Dem gesamten Team des Vorarlberger Landestheaters gratuliere ich zu diesem
vielfältigen Jahresprogramm, welches mit der Stoffauswahl, aber auch mit der
großen Zahl an Uraufführungen und Neuinszenierungen, die Neugierde weckt.
Daher freue ich mich auf eine spannende Saison und wünsche Ihnen, geschätz-
tes Publikum, unvergessliche Theatermomente.

Dr. Christian Bernhard
Kulturlandesrat
                                                                                            6                        7   8

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Mehr als Unterhaltung
Dass die Zukunft eine große Herausforderung ist, hat schon für unzählige
Generationen vor uns gegolten und damit wohl auch für jeden beliebigen
Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte. Nur spielte die Kunst als Ausdrucks-                                                 Liebes Publikum!
form menschlicher Kreativität noch nie zuvor eine derart wichtige Rolle, um den
menschlichen Geist wachzurütteln und seine kritische Auseinandersetzung mit                                                  „Gegen das Schweigen der Natur / stelle ich eine Tätigkeit / In der großen Gleichgültigkeit /
der Gesellschaft zu befeuern. Oder um es mit dem russischen Schriftsteller                                                   erfinde ich einen Sinn / Anstatt reglos zuzusehn / greife ich ein / und ernenne gewisse Dinge
Maxim Gorki zu sagen: Mag die Wissenschaft der Verstand der Welt sein, die                                                   für falsch / und arbeite daran sie zu verändern und zu verbessern“ lässt Peter Weiss seinen
Kunst ist ihre Seele.                                                                                                        Protagonisten Jean Paul Marat sagen.

Das gilt insbesondere auch für die darstellende Kunst, die viel mehr ist als                                                 Es lohnt, diesen Satz aus dem Blickwinkel unserer Figuren der kommenden Spielzeit zu betrachten:
nur eine Unterhaltungsform. Man darf also gespannt sein auf das Programm                                                     „Erfinde ich einen Sinn“, formuliert Weiss, und „ernenne gewisse Dinge für falsch“. Sein Marat sieht
2019/20 und die neuen Stücke des ältesten und größten Bregenzer und                                                          die Welt als veränderbar an, und der Veränderung bedürftig, und er entschließt sich, zu handeln.
Vorarlberger Theaterbetriebes.                                                         12                  13
                                                                                                                             Auch die Held*innen unserer Stücke akzeptieren die Grenzen ihrer Lage nicht: Da sind die 50
Der deutsche Dichter Friedrich Hebbel hat einmal geschrieben, das Publikum                                                   Töchter des Danaos, die das Recht einfordern zu leben, wo und mit wem sie wollen. Ibsens
würde zwar jedes Feuerwerk beklatschen, aber kaum jemals einen Sonnenauf-                                                    Frauenfiguren, die die ihnen zugewiesenen bürgerlichen Rollen nicht annehmen. Die kleine
gang. Umso glücklicher können wir Bregenzerinnen und Bregenzer uns schät-                                                    Vevi im Familienstück, die Fantasie und Abenteuer dem schnöden Schulalltag vorzieht. Die
zen, dass in unserer Stadt am Bodensee eine derart gelungene Symbiose von                                                    Mächtigen in Shakespeares Römerdramen, die den Staat nach ihrem Willen gestalten. Marie-
Kultur und Natur möglich ist. Die Bühne am Kornmarkt mit ihren modernen                                                      Antoinette, das österreichische Mädchen, das an der französischen Hofetikette zerschellt wie
Inszenierungen spielt dabei eine ganz bedeutende Rolle.                                                                      an der eigenen Leere. Und die Ich-Erzählerin in DAS JAHR MAGISCHEN DENKENS, die gegen
                                                                                                                             die ultimative Grenze anrennt und anschreibt: den Tod.
Vor diesem Hintergrund wünsche ich den Besucherinnen und Besuchern
unvergessliche Abende im Vorarlberger Landestheater.                                                                         Sie alle nehmen uns mit auf ihren Weg, mal dramatisch-spannend, mal traurig, mal unterhalt-
                                                                                                                             sam. Seien Sie willkommen!
DI Markus Linhart
Bürgermeister                                                                                                                Stephanie Gräve
                                                                                                                             Intendantin
                                                                                                 14   15        16
2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
IN DER BOX
GROSSES HAUS
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 COLD                                       DAS JAHR                              ANTIGONE ::                     WELCHE KRISE?(AT)           TASSO
                                                                                                                  DANIELA EGGER               JOHANN WOLFGANG
 SONGS: ROM                                 MAGISCHEN                             COMEBACK                        URAUFFÜHRUNG                VON GOETHE
 WILLIAM SHAKESPEARE
 BETTINA ERASMY (URAUFFÜHRUNG)
                                            DENKENS                               MIKESKA / ALTHOFF / KITTSTEIN
                                                                                  URAUFFÜHRUNG
                                                                                                                  14+                         14+

                                            JOAN DIDION
                                                                                                                  DI, 4. FEBRUAR 2020         APRIL 2020
 SA, 21. SEPTEMBER 2019                     SA, 12. OKTOBER 2019                  DI, 15. OKTOBER 2019*

                                                                                                                  SPIEL                       WERTHER!                         TSCHICK
 ANTOINETTE CAPET                           VEVI                                  LA CLEMENZA                     SAMUEL BECKETT              NICOLAS STEMANN                  NACH DEM ROMAN
 DIE ÖSTERREICHERIN                         NACH DEM ROMAN
                                            VON ERICA LILLEGG
                                                                                  DI TITO                         WRY SMILE DRY SOB           NACH JOHANN WOLFGANG
                                                                                                                                              VON GOETHE
                                                                                                                                                                               VON WOLFGANG HERRNDORF
                                                                                                                                                                               14+
 NIKLAS RITTER (TEXT)                                                             WOLFGANG AMADEUS MOZART         KREATION VON SILVIA COSTA
                                            FAMILIENSTÜCK                                                                                     14+                              REPERTOIRE
 TILMAN RITTER (MUSIK)                                                            IN KOOPERATION MIT DEM          REPERTOIRE                  REPERTOIRE
 URAUFFÜHRUNG                                                                     SYMPHONIEORCHESTER VORARLBERG
                                            DI, 26. NOVEMBER 2019
 DO, 14. NOVEMBER 2019                                                            FR, 31. JÄNNER 2020

 MY FUTURE -                                HOLLENSTEIN,                          BITTE NICHT
 WHO CARES?                                 EIN HEIMATBILD                        SCHÜTTELN!
 ZUKUNFTSKONFERENZ                          THOMAS ARZT
                                            URAUFFÜHRUNG
                                                                                  EIN KONFLIKTSCHEUES THEATER
 VON UND MIT SCHÜLER*INNEN
 UND LEHRLINGEN AUS VORARLBERG                                                    MIT VIEL GESANG
 IN KOOPERATION                             FR, 6. MÄRZ 2020                      URAUFFÜHRUNG
 MIT CARE ÖSTERREICH
                                                                                  SA, 21. MÄRZ 2020
 DO, 6. FEBRUAR 2020*
                                                                                                                  MOBILE
                                                                                                                  PRODUKTIONEN
 DIE FRAU                                   DIE                                                                   DON QUIJOTE                 DIE ZERTRENNLICHEN               DIE ZWEITE
 VOM MEER                                   SCHUTZFLEHENDEN                                                       NACH MIGUEL DE CERVANTES    FABRICE MELQUIOT                 PRINZESSIN
 SIBYL KEMPSON                              AISCHYLOS                                                             6+                          10+                              VON GERTRUD PIGOR
 NACH HENRIK IBSEN                          MIT DEM BÜRGER*INNENCHOR                                                                          REPERTOIRE                       5+
                                            UND DEM JUGENDCLUB 16+                                                FEBRUAR 2020                                                 REPERTOIRE
 DO, 30. APRIL 2020
                                            MI, 20. MAI 2020

*Nicht im Abonnement enthalten.                                                                                   RONNY VON WELT              NACHTS – WARUM ERWACHSENE
 Reservieren Sie rechtzeitig Ihre Karten.                                                                         THILO REFFERT
                                                                                                                  11+                         SO LANGE AUFBLEIBEN MÜSSEN
                                                                                                                  REPERTOIRE                  ALEXANDRA HELMIG NACH DEM BILDERBUCH
                                                                                                                                              VON KATHARINA GROSSMANN-HENSEL
                                                                                                                                              5+
                                                                                                                                              REPERTOIRE

AN ANDEREN ORTEN
                                                                                                                  KRIEG – STELL DIR VOR,
IHR SEID BEREITS EINGESCHIFFT                                   IN 80 TAGEN UM DIE WELT                           ER WÄRE HIER!
SILVIA COSTA                                                    JUGENDSTÜCK                                       JANNE TELLER
URAUFFÜHRUNG                                                    NACH JULES VERNE                                  15+
                                                                KOPRODUKTION MIT DEM
                                                                                                                  REPERTOIRE
DO, 4. JUNI 2020                                                SCHAUSPIELHAUS SALZBURG
                                                                10+
VERSCHIEDENE SPIELORTE
                                                                JUNI 2020
                                                                THEATER KOSMOS
                                                                                                                                                                                            Änderungen vorbehalten.
2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
COLD
SONGS:
                                                                                                       Es geht nicht um Bagatellen
                                                                                                       es geht um einen Grundsatz

ROM
                                                                                                       und es gehört zum Lauf der Revolution
                                                                                                       daß die Halbherzigen die Mitläufer
                                                                                                       ausgestoßen werden müssen
                                                                                                       Es gibt für uns nur ein Niederreißen bis zum Grunde
                                                                                                       so schrecklich dies auch denen erscheint
                                                                                                       die in ihrer satten Zufriedenheit sitzen
WILLIAM SHAKESPEARE                                                                                    und sich in den Schutzmantel ihrer Moral hüllen
                                                                                                                                                                    CORIOLANUS
                                                                                                       Hört nur
BETTINA ERASMY (URAUFFÜHRUNG)                                                                          hört durch die Wände
                                                                                                                                                                    WILLIAM SHAKESPEARE
                                                                                                                                                                    Inszenierung: Catharina May
                                                                                                       wie sie flüstern und intrigieren
                                                                                                       Seht
                                                                                                       wie sie überall lauern                                       DIE WEISSGESTRICHENE
                                                                                                       und auf ihre Chance warten                                   KÄLTE DER REVOLUTION (AT)
                                                                                                                                                                    BETTINA ERASMY
                                                                                                                                                                    URAUFFÜHRUNG
  Es war so schön. Wir hatten es uns bequem gemacht. Wir hatten                                                                                                     Inszenierung: Agnes Kitzler
  gedacht: Alles ist sicher. Das System funktioniert. Unser Weg ist                                    Diese Lügen die im Umlauf sind über den idealen Staat
  der richtige. Wir hatten gedacht: Lasst sie doch kommen, die Rück-                                   Als wären die Reichen je bereit                              JULIUS CAESAR
  wärtsgewandten, die Infragesteller, die Zerstörer. Lasst sie kom-                                    Freiwillig ihre Besitztümer herauszugeben                    WILLIAM SHAKESPEARE
  men, denn unsere Demokratie hält das aus.                                                            Und wenn sie vom Druck der Verhältnisse gezwungen werden     Inszenierung: Johannes Lepper
                                                                                                       hier und da nachzugeben
  Dann kamen sie – und wir müssen zusehen, wie sie alles, was wir                                      so tun sie es nur weil sie wissen
  für sicher hielten, auf ausnutzbare Schwachstellen prüfen, wie sie                                   daß sie dabei auch wieder gewinnen können                    COLD SONGS: ROM.
  mit schweren Stiefeln die Zerbrechlichkeit unserer Fundamente                                        Es heißt jetzt                                               Ein mehrstündiges Theaterereignis.
  testen, mit scharfem Skalpell das Gewebe unserer Gesellschaft an                                     Die Arbeiter hätten bald höhere Löhne zu erwarten
  neuralgischen Punkten zu durchtrennen suchen, die Despoten und                                       Warum                                                        Mit Shakespeare, Picknick und Debatte ­– fast wie zu
  Spalter, die Hetzer und Verführer, die Trampeltiere und Schreihälse.                                 Weil mit einer gesteigerten Produktion gerechnet wird        elisabethanischen Zeiten! Wir veranstalten dieses
  Sie sind da, sie werden so schnell nicht wieder verschwinden und                                     und folglich mit größerem Umsatz                             ungewöhnliche Theaterprojekt nur sieben Mal, in
  sie bringen den Grund, auf dem wir fest zu stehen glaubten,                                          der die Taschen der Unternehmer dick macht                   der Zeit von Samstag, 21. September bis Samstag,
  erheblich ins Wanken.                                                                                Glaubt nicht                                                 5. Oktober.
                                                                                                       daß ihnen ohne Gewalt beizukommen ist
  Hey, Demokratie – was ist da los bei dir?                                                                                                                         Der Bürger*innenchor eröffnet jeweils den Abend
                                                                                                       Laßt euch nicht täuschen
  Bist du eigentlich noch zu retten?                                                                                                                                um 18 Uhr auf dem Karl-Tizian-Platz, im Anschluss
                                                                                                       wenn unsre Revolution erstickt worden ist
  Und wenn ja: Wie? Von wem?                                                                                                                                        (18.30 Uhr) sehen Sie Shakespeares
                                                                                                       und wenn es heißt
                                                                                                                                                                    CORIOLANUS im Großen Haus.
  Was kann man da machen?                                                                              daß die Zustände sich jetzt gebessert haben
  Theater, natürlich!                                                                                  Auch wenn ihr die Not nicht mehr seht                        Von 20.00 Uhr bis 21.30 Uhr haben Sie die
                                                                                                       weil die Not übertüncht ist                                  Möglichkeit, den Monolog DIE WEISSGESTRICHENE
  Wir gehen dahin zurück, wo wir mit unserer Kunst schon einmal                                        und wenn ihr Geld verdient                                   KÄLTE DER REVOLUTION (AT) von Bettina Erasmy
  waren: In den offenen Dialog, die direkte Kommunikation.                                             und euch was leisten könnt von dem                           in der Box anzusehen oder ein Picknick mit künstle-
  Wir besinnen uns unserer ur-demokratischen Traditionen: der                                          was die Industrien euch andrehn                              rischem Programm im und vor dem Haus zu genießen,
  griechischen Agora, die ebenso Ort war für Musisches wie für                                         und es euch scheint                                          in den Lokalen der Nachbarschaft zu speisen.
  Gemeinwesen und Politik. Des antiken Theaters, das immer                                             euer Wohlstand stände vor der Tür
  auch den Diskurs herausforderte und keine Auseinandersetzung                                         so ist das nur eine Erfindung von denen                      Für alle drei Optionen gibt es jeweils ein begrenz-
  scheute. Des Theaters der elisabethanischen Zeit: ohne vierte                                        die immer noch viel mehr haben als ihr                       tes Platzangebot, wir empfehlen daher, dass Sie
  Wand, sondern eher mit einer Membran, durchlässig in beide                                           Glaubt ihnen nicht                                           rechtzeitig Ihr Wunschprogramm buchen
  Richtungen, für Beteiligung und Befruchtung, für Zwischenrufe                                                                                                     (Reservierungen möglich ab 26. August 2019).
                                                                                                       wenn sie euch freundschaftlich auf die Schulter klopfen
  und Kurskorrekturen im Denken auf allen Seiten.                                                      und sagen die Unterschiede wären nicht mehr der Rede wert
                                                                                                                                                                    Um 21.30 Uhr erwarten wir Sie dann wieder im
                                                                                                       und es bestände kein Anlaß mehr
                                                                                                                                                                    Großen Haus zur Inszenierung von William
  Das Großprojekt COLD SONGS: ROM öffnet die Bühne für                                                 zu Streitigkeiten                                            Shakespeares JULIUS CAESAR, nach der wir
  Dramen und Diskussionen, für die Auseinandersetzung mit                                              denn dann sind sie ganz auf der Höhe                         schließlich – an jedem der sieben Abende – das
  Europa, unserer Demokratie und der sehr greifbaren Gefahr                                            in ihren neuen Burgen aus Marmor und Stahl                   Programm mit einem gemeinsamen Fest
  ihres Verschwindens. Für drei Inszenierungen von drei Regis-                                         von denen aus sie die Welt ausräubern                        ausklingen lassen.
  seur*innen, an einem Abend. Mit zwei shakespeareschen
  Römerdramen, einer Uraufführung von Bettina Erasmy und
  einem Prolog des Bürger*innenchors. Mit gemeinsamem
                                                                                  PREMIERE
  Essen und Trinken. Mit Gesprächen. Und mit Ihnen: Denn                     Sa, 21. September 2019
  unsere Demokratie wäre nichts ohne Sie.                                18.00 Uhr, Großes Haus, Box   Peter Weiss: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats
                                                                                                       dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu
                                                                          Mit dem Bürger*innenchor
                                                                                                       Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade

                                                                                       Inszenierung:
                                                                                      Agnes Kitzler,
                                                                                   Johannes Lepper
                                                                                  und Catharina May
2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
ANTIGONE ::
                                                                                                                                                             COMEBACK
Ein Film über eine Hausfrau, die an Gehirntumor sterben

                                                                   DAS JAHR                                                                                  EINE PROBE MIT WEIGEL UND BRECHT

                                                                   MAGISCHEN
wird. Die von einer bedeutenden Schauspielerin dargestellte
Geschichte einer Krebskranken verzichtet auf jede Schonung                                                                                                   MIKESKA/ALTHOFF/KITTSTEIN
des Gemüts, auf die bekannten Effekte der Bewußtseins-
bildung durch Emotionsverknappung und auf all die ver-
                                                                                                                                                             URAUFFÜHRUNG
leumderischen Rücksichten eines sozialen Heilsgedankens,

                                                                   DENKENS
wie wir sie wohl zur Genüge kennen aus unseren in ihrer
ästhetischen Moral und Ausdruckswelt gänzlich herunter-
gekommenen Fernsehfilmen. Dort wird noch die größte                                                                                                          Eine Zeitreise 70 Jahre zurück in ein Theaterlabor der Zukunft – und eine
menschliche Katastrophe endlich durch das Nadelöhr der                                                                                                       Wiederbegegnung mit den entscheidenden Protagonist*innen, die eine
„Frage nach den gesellschaftlichen Ursachen“ gepreßt und                                                                                                     Theaterzukunft, die unsere Vergangenheit und Gegenwart ist, entworfen
darf in einem fadendünnen Trost auslaufen. Hier hingegen                                                                                                     und verwirklicht haben: Bertolt Brecht und Helene Weigel.
geschah nichts, was uns aus der unmittelbaren Anstrengung
des Gefühls entlassen hätte. In einer schweigsamen, frontalen      JOAN DIDION
                                                                                                                                                             Unter der misstrauischen Beobachtung der Schweizer Fremdenpolizei
                                                                                                                                                                                                                                                                                  PREMIERE
Bewegtheit entfaltete das Spiel der Krankheit seine beinahe
                                                                                                                                                             kommt das Ehepaar im Januar 1948 nach Chur und lässt sich, zunächst in der
                                                                                                                                                                                                                                                                               Di, 15. Oktober 2019
antikischen Züge von Unheil und Unausweichlichkeit mit-
samt den grausamen Tricks der Hoffnung – ein namenloses                                                                                                      Stadt noch unbekannt, im Hotel Stern nieder. Für das experimentierfreudige                                      17.36 Uhr, Großes Haus
Drama, das den freundlich hilflosen Figuren einer schwedi-                                                                                                   Theater Chur wird Brecht die Antigone bearbeiten, mit Weigel in der Titelrolle.
schen Durchschnittsfamilie seine Schreckensmaske aufge-                                                                                                      Es ist seine erste Inszenierung in Europa, seit er 1933 Deutschland verlassen                                             Inszenierung:
drückt hatte. Seltsam aber dabei: zu spüren diese Erschütte-                                                                                                 hat, und es ist auch das erste Mal seit 15 Jahren, dass Weigel wieder auf einer
rung, Furcht und Grauen des Zuschauers als die antisexuelle                                                                                                                                                                                                                        Bernhard Mikeska
                                                                                                                                                             Bühne steht.
Regung schlechthin – oder muß man im Gegenteil sagen:
die zutiefst konsexuelle? Als Zuschauer miterleben, wie ein
                                                                                                                                                             Der Erfolg dieser Arbeit wird über ihre weitere künstlerische und wirtschaftliche                               Produktion: RAUM+ZEIT
Mensch durch sich selbst stirbt, das Weinen, die Rührung,           Man setzt sich zum Abendessen, und das Leben, das man kennt, hört plötzlich auf.
die erfüllte Tiefe, das Letzte – ist es nicht das, was wir von      Neun Monate nach dem Tod ihres Mannes, des berühmten Journalisten und Autors
                                                                                                                                                             Existenz entscheiden. Mit dem Konflikt von Antigone und Kreon um Gesetzes-                                             und Theater Chur,
der radikalen Umarmung erwarten, der eigentliche Geist der
                                                                    John Gregory Dunne, ist dies einer der ersten Sätze, die Joan Didion schreibt.
                                                                                                                                                             treue und Freiheit, Tyrannei und Widerstand, wird auf den Proben auch der                                      in Koproduktion mit dem
Sexualität, die Trauer der Lust? Jedoch eine solch mächtige                                                                                                  persönliche Konflikt eines ebenso beeindruckenden wie unberechenbaren
Ergriffenheit wird uns stets nur der Schmerz gewähren, nie die
                                                                                                                                                                                                                                                                             Brechtfestival Augsburg
                                                                                                                                                             Künstlerpaares verhandelt. Diese Doppelperspektive verschiebt die Grenzen
Freude, die uns so sehr viel oberflächlicher beschäftigt. Der       Am Abend des 30. Dezember kehrt Didion mit ihrem Mann von der Intensivstation
                                                                                                                                                             zwischen Spiel und Realität, und Bernhard Mikeskas Inszenierung verschiebt sie
                                                                                                                                                                                                                                                                                und dem Vorarlberger
                                                                    zurück, wo Tochter Quintana im künstlichen Koma liegt. Keiner spricht aus, wie hart
Tod des anderen, der jämmerliche, unschuldige, alltägliche ist
                                                                                                                                                             noch mehr – ausgestattet mit VR-Brillen begeben sich die Zuschauer*innen allein                                           Landestheater,
unser ganzes Herz. Wir begehren diesen Menschen in Mitleid,         der Tag gewesen ist. Die beiden wechseln ins Alltägliche. Sie macht Feuer im Kamin,
in Mitleid erigieren wir. Er stirbt und wir erleben einen Orgas-    schenkt ihrem Mann einen Drink ein, bereitet das Abendessen vor. Er liest den
                                                                                                                                                             in die Installation und kommen Brecht und Weigel auf dieser subjektiven Reise                                         in Kooperation mit
mus der Schmerzen, Aufbäumung und Verschüttung. Alle
                                                                    Korrekturabzug eines Buches, sie unterhalten sich. Mitten im Satz verstummt John.
                                                                                                                                                             ins Innere sehr nahe.                                                                                               Lenore Blievernicht /
wirklich großen Anmutungen scheinen Emanationen jenes
zentralen Gefühls für den Tod zu sein. Selbst das Glück ist nur
                                                                    Joan denkt, er mache einen Witz, klopft ihm auf den Rücken – und John fällt leblos                                                                                                                     Bert-Neumann-Association
                                                                                                                                                             Eingeladen zum Schweizer Theatertreffen 2019.
dann etwas wert, wenn wir spüren: es kommt nicht von oben;          auf den Tisch, wird kurz darauf im Krankenhaus für tot erklärt. Vierzig Jahre einer                                                                                                                                   (BNA gUG)
es erhebt uns zwei Fußbreit über die zitternde Leere.               innigen Liebes- und Arbeitsbeziehung: vorbei. Joans Gedanken stocken, fallen aus-
                                                                    einander – bis sie schließlich beginnt, alles Vorgefallene akribisch zu ordnen, in der
BOTHO STRAUSS: PAARE, PASSANTEN                                     Erinnerung mögliche Vorzeichen zu finden und zu deuten. In allem, was an jenem
                                                                    Dezemberabend passierte, sucht sie Spuren, die helfen könnten, das Unbegreifliche
                                                                                                                                                             Ich stelle mir vor, Anouilhs Kreon unterhielte sich mit Giraudoux‘ Aigisth über Antigone und Elektra –
                                                                    zu verstehen.
                                                                                                                                                             welch ein Konsens ergäbe sich da unter den Herrschern, sobald Aigisth erklärte: „Wenn es den Göttern
                                                                                                                                                             seit zehn Jahren nicht mehr gelingt, sich in unser Dasein zu mischen, dann nur, weil ich dafür gesorgt
                                                                    Als sie zu schreiben beginnt, geht es um nichts weniger als das Überleben. Unsen-
                                                                                                                                                             habe, daß Träumer, Maler und Chemiker heiraten müssen. Ich dulde zwischen unsern Mitbürgern keine
                                                                    timental, selbstironisch und mit schonungsloser Offenheit dokumentiert Joan ihre
                                                                                                                                                             moralischen Unterschiede, damit die Menschheit vor den Augen der Götter keine Farben und Unter-
                                                                    Verdrängungsstrategien, ihre Sucht, immer alles im Griff haben zu müssen, und ih-
                                                                                                                                                             schiede bekommt. Darum habe ich immer so getan, als ob ich kleinen Verbrechen ungeheure Bedeu-
                                                                    ren Kampf gegen die Last der Schuld: Vielleicht hätte sie ihren Mann retten können.
                                                                                                                                                             tung beimäße und über große Verbrechen nur lächeln könnte. Nichts ist der göttlichen Beständigkeit
                                                                                                                                                             zuträglicher, als wenn Mörder und Brutdiebe in gleicher Beleuchtung erscheinen.“
                                                                    Heidi Maria Glössner spielt den Bühnenmonolog, den die Journalistin und Schrift-
                                                                                                                                                             ... Parlando auf seiten der Könige, ein Gespräch, das von Weltweisheit geprägt ist, von Skepsis und
                                                                    stellerin Joan Didion auf Basis ihres gleichnamigen internationalen Bestsellers
                                                                                                                                                             Einsicht in jenes Mögliche, das zugleich das Notwendige sei. Ich bin sicher, sie würden sich vortrefflich
                                                                    verfasste. Ein Stück über das Nichtbegreifbare endgültiger Abschiede, über die
                                                                                                                                                             verstehen, Aigisth und Kreon – Kreon, der dem gereiften Mörder, ihm gegenüber, die Jugendsünde ver-
                                                                    Liebe und die fordernde Wahrhaftigkeit des Lebens.
                                                                                                                                                             ziehe: „Mein Gott, Sie waren jung, lieber Freund, Klytaimestra schön und Agamemnon, wie jedermann
                                                                                                                                                             weiß, ein leibhaftiges Ekel. Lassen wir die Vergangenheit ruhen.“
                                                                                                                                                             Ein verständlicher Wunsch – und sogar erfolgreich, wären da jene zwei nicht gewesen, Antigone und

                                                                                                                              PREMIERE                       Elektra, die sich in gleicher Weise zu einem niemals endenden da capo steigerten wie auf der Königs-
                                                                                                                                                             etage die Herrscher. Wie würde Giraudoux‘ Elektra applaudieren, wenn Anouilhs Antigone, ein wenig
                                                                                                                           Sa,12. Oktober 2019               außer Atem, ihr Bekenntnis artikulierte: „Ihr widert mich alle an mit Eurem Glück! Mit Eurem Leben, das
                                                                                                                        19.30 Uhr, Großes Haus               man lieben muß, koste es, was es wolle. Man könnte meinen, es wären Hunde, die alles belecken, was
                                                                                                                                                             sie finden. Diese kleine Chance für alle Tage, wenn man nicht zu anspruchsvoll ist. Ich will alles sofort –

                                                                                                                                 Inszenierung:               und ganz. Oder aber ich verweigere es. Ich will nicht bescheiden sein und mich mit einem kleinen Stück
                                                                                                                                                             begnügen, wenn ich schön brav gewesen bin. Ich will heute sicher sein, daß es alles sei und daß es
                                                                                                                          Wolfgang Hagemann
                                                                                                                                                             schön sei und daß es so schön sei wie damals, als ich ganz klein war. – Oder sterben.“
                                                                                                                                                             Oder sterben: alles oder nichts, der Kompromiß oder das Absolute, die Banalität des Lebens oder die
                                                                                                                     Koproduktion mit dem                    vollkommene Gerechtigkeit – erstrebt selbst um den Preis der Vernichtung der physischen Existenz von
                                                                                                         Theater an der Effingerstrasse, Bern                Tausenden, die unschuldig sind.

                                                                                                                                                             WALTER JENS: ANTIGONE UND ELEKTRA: AUFSTAND GEGEN DAS „VERTEUFELT HUMANE”
2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
ANTOINETTE
CAPET                                                                                                                                             VEVI
                                                                                                                                                  NACH DEM ROMAN VON ERICA LILLEGG

DIE ÖSTERREICHERIN                                                                                                                                FAMILIENSTÜCK / 6+

NIKLAS RITTER (TEXT)
TILMAN RITTER (MUSIK)                                                                                                                                Alles ist schrecklich!, findet Vevi, die bei ihrer strengen
                                                                                                                                                     Tante aufwächst. Immer gibt es Regeln, immer gibt es
URAUFFÜHRUNG                                                                                                                                         Schulaufgaben, immer soll man brav sein! Dabei gibt es
                                                                                                                                                     so viel zu entdecken und so viele Abenteuer zu erleben.
                                                                                                                                                     Besonders, wenn man neugierig und fantasiebegabt ist
  Sie wurde geliebt und gehasst. Sie wurde verheiratet ohne Liebe, wurde zur Monarchin ohne                                                          wie Vevi – und außerdem die Gabe hat, mit Tieren
  Machtwillen, über ein Volk, das sie nie wirklich verstand, wurde zur perfekten Projektionsfläche                                                   sprechen zu können.
  für romantische Sehnsüchte ebenso wie für alles, was man verabscheute.
                                                                                                                                                     Als ihr eine Maus eine geheimnisvolle Wurzel mit
  Wir wissen alles über Marie-Antoinette. Wir wissen nichts von Marie-Antoinette.                                                                    magischen Kräften schenkt, ändert sich einiges für das
                                                                                                                                                     junge Mädchen ... denn die Wurzel kann sich in eine
  Ihr Bild in der Öffentlichkeit prägten die sozialen Medien ihrer Zeit: die Kolportage, der Tratsch,                                                zweite Vevi verwandeln: ein artiges Kind, das daheim
  die Gerüchte und Intrigen. Ihr ausgeprägter Hang, sich zu vergnügen erregte Misstrauen – und so                                                    bleibt und für die Schule lernt, während die echte Vevi
  stilisierte man „Die Österreicherin“ in Frankreich nicht nur zur Mode-Ikone und zum Star sondern                                                   draußen spielt.
  auch zur naiven Verschwenderin und schließlich zur Symbolfigur für die Dekadenz des Ancien
  Régime: einem Fall fürs Schafott. Sie war auch: hingebungsvolle Mutter, Freundin und Förderin                                                      Eine Warnung wird in den Wind geschlagen, ein Streit
  der Künste, zerbrechlich und unsicher.                                                                                                             mit der Tante hat Folgen, ein kühner Plan läuft aus dem
                                                                                                                                                     Ruder ... und Vevi muss herausfinden, wer sie eigentlich
  Erzherzogin Maria Antonia Josepha Johanna von Österreich, Marie-Antoinette, die letzte Königin
  Frankreichs und am Ende nur noch die „Witwe Capet“: Sie bleibt ein Rätsel, bis heute. Vielleicht muss
                                                                                                                                                     ist – und wer sie wirklich sein will.
                                                                                                                                                                                                                                          PREMIERE
  man sich, vielleicht kann man sich ihr nur im Spiel weiter nähern, als es die Historiker vermögen.                                                 Die ganz zu Unrecht in Vergessenheit geratene öster-                                 Di, 26. November 2019
                                                                                                                                                     reichische Kinderbuchautorin Erica Lillegg verfasste die                             10.00 Uhr und 19.30 Uhr,
  Niklas Ritter (Text) lotet nach WELT AM DRAHT in seiner zweiten musikalischen Produktion mit                                                       poetisch-fantastische Erzählung mit viel Spannung und                                Großes Haus
  Tilman Ritter (Musik) am Vorarlberger Landestheater aus, was die Geschichte zwischen Fremd-                                                        mit ebenso viel Empathie für ihr junges Publikum.
  bestimmtheit und Privilegien, zwischen Pomp und Ödnis bei Hofe uns selbst heute noch Neues                                                         Bérénice Hebenstreit inszeniert den wiederentdeckten
  verraten kann. Auch über uns, die Gesellschaft in der wir leben und das Verhältnis, das wir zu                                                     Stoff als berührendes Theatererlebnis für die ganze                                  Inszenierung und Fassung:
  Macht und Medien entwickelt haben.                                                                                                                 Familie.                                                                             Bérénice Hebenstreit

                                                                                                                                                                                                                                                                                                            rt ist.
                                                                                                                                                                                                                                                          ,  da s au s  de  r  W  ur zel wird, wenn sie fo
                                                                                                                                                                                                                                         zufreunden                                                              chen
                                                                                                                                                                                                                 mit dem Mädchen an                                                          Da das Wurzelmäd
  „Schon gehört?“, sagte die eine, eine Brünette mit etwas plumpen Beinen und irritierend schmalem Oberkörper,
                                                                                                                                                                               vi  au f  di e  Id  ee  ,  si ch                                                    er  gu  t  ve rs te he n.
                                                                                                                                                  Plötzlich kommt Ve                                                                                sie einand
                                                                                                                                                                                                                           sselbe, also müßten
  „angeblich soll Elizabeth Hurley auch im Hotel sein.“ Natürlich erschrak ich in diesem Moment sehr.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Hauses
  „Die Elizabeth Hurley?“, fragte die andere zurück, ohne wirklich von ihrem Magazin aufzusehen, „ist das nicht                                                          ur ze  lm  äd  ch  en  si nd    im   Gr un  de da
                                                                                                                                                                                                                                                         h   be ri ch te n,  wa  s  sich außerhalb des
                                                                                                                                                  Vevi und das W                                                                       hnung täglic
  diese schrecklich ordinäre englische Schauspielerin, die irgendwann mal Gesichtsmodel für Estée Lauder war?“                                                                      m  ac he  n  m  uß ,  kö  nn te ihm Vevi als Belo
                                                                                                                                                                                 n
                                                                                                                                                  daheim die Aufgabe                                                                                                                                          tert.
  „Genau die“, sagte die Brünette. „Richtig berühmt wurde sie aber erst, als sich ihr Freund von einer Straßennutte
                                                                                                                                                                                                                                                            H ei m we  g  m  ac ht  un d in ihr Zimmer klet
                                                                                                                                                  zugetragen hat.                                                 l, dass sie sich sogl
                                                                                                                                                                                                                                        eich auf den                                                  e. Oben
                                                                                                                                                                                                                                                                              d absteigt, denkt si
  auf dem Sunset Boulevard einen hat blasen lassen.“                                                                                                                                                           al
                                                                                                                                                                             he  in t  ih r  di es er    Ei nf                                                  r  au f-  un
                                                                                                                                                   So großar     ti g  er sc                                                                   , da  ß da    we
  „Ach ja“, sagte die andere und lachte, „wie hieß der noch mal? Hugh Gant? Sind die noch zusammen?“                                                                                                                             nicht merkt                                           nstill am Tisch sitz
                                                                                                                                                                                                                                                                                                            t und
                                                                                                                                                                          se  n au  f  da  s Sp   al ie r, damit die Tante                                nd   zu , da s  m  äu  sc he
  „Er hieß Hugh Grant, Süße“, sagte die Brünette, „und: Nein, sind sie nicht. Sie ist angeblich allein hier.“
                                                                                                                                                   Ich muß aufpas                                               sitzen und schaut de
                                                                                                                                                                                                                                         m braven Ki
                                                                                                                                                                                 e  am   Fe  ns  te rb   re tt
                                                                                                                                                   angelangt, bleibt si
  „Will wohl keiner mehr haben, die Verliererin“, stöhnte die mit dem Magazin und sank in ihre Liege zurück.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                            oh, wenn
  Was mich überraschte, ja schockierte, war, wie radikal die beiden Mädchen Liz Hurley, den Männertraum und die
                                                                                                                                                                           rt  ie ft  is t.                                                                 ha t  so ei n  lie  be s Gesicht. Ich wäre fr
                                                                                                                                                   in die Arbeit ve                                              deres Mädchen in m
                                                                                                                                                                                                                                        einer Klasse                                                  rf, soll ihr
  Überfrau der letzten Jahre, schon abgeschrieben hatten, obwohl sie gerade Mitte dreißig war.
                                                                                                                                                                    M  äd  ch  en !  de nk  t si e,   ke  in  an
                                                                                                                                                                                                                                                 iß  si e   nu n, da ß  si e  sich nicht nähern da
                                                                                                                                                    Ein nett    es                                                                  fahrung we                                                               iter:
  In den letzten Jahren aber, das sah selbst ich ein, war es nicht gerade gut gelaufen für Hurley.
                                                                                                                                                                             in  we  rd  en   wo  llt e!  überlegt sie. Aus Er                                ht s. Da  s  W   ur ze lm ädchen schreibt we
                                                                                                                                                    es meine Freund                                                                        „Pst!“ – N      ic
                                                                                                                                                                                                                    sie sitzen und macht
  Und jetzt muss sie auch noch den Spott dieser zwei hässlichen Liegestuhlvögel hier über sich ergehen lassen,
                                                                                                                                                                                  ch  wi nd  en  . So    bl ei bt
  dachte ich und hatte das Gefühl, als sei eine Ära zu Ende gegangen – nicht nur für sie, sondern ebenso für mich.                                  Ebenbild nicht vers                                                                                                                        holen?
  Es klingt ausgedacht, ist aber wahr: In genau diesem Moment kam natürlich Elizabeth Hurley in einem weißen
                                                                                                                                                       al lo !“ – N   ic ht s.  La  uter: „Hallo!“                                       hr ic kt . Es   wi  rd  do ch nicht die Tante
                                                                                                                                                    „H                                                                    Tür. Vevi ersc
  Bademantel an den Pool spaziert, kein Wunder, sie wohnte ja hier, und hinter ihr her liefen, genau wie früher, ein
                                                                                                                                                                 ze   lm äd  ch  en   st eh  t auf und geht zur
                                                                                                                                                     Das Wur
  paar Fotografen und Beleuchter und Dienerinnen und irgendein Liebhaber, und alles, was dazugehört. Sie sah
  fantastisch aus und charmant, und sie lachte laut, und den beiden Mädchen neben mir, die sich eben noch über
                                                                                                                           PREMIERE                  ERICA LILLEGG: VE
                                                                                                                                                                                       VI
  sie lustig gemacht hatten, blieb die Luft weg.                                                                       Do, 14. November 2019
                                                                                                                       19.30 Uhr, Großes Haus
  MARC FISCHER : DAS LIZ-HURLEY-GEFÜHL

                                                                                                                                Inszenierung:
                                                                                                                                  Niklas Ritter
2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
MY FUTURE –
LA                                                                                                                                            WHO CARES?
CLEMENZA                                                                                                                                        ZUKUNFTSKONFERENZ

DI TITO
                                                                                                                                                IN KOOPERATION MIT CARE ÖSTERREICH
                                                                                                                                                Unsere Welt steht vor immensen Herausforderungen. Klimawandel, Armut und Hunger sind einige
                                                                                                                                                davon. Die Vereinten Nationen haben in der Agenda 2030 ihre Sustainable Development Goals
                                                                                                                                                defi­niert: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die den Weg in eine bessere Welt ebnen sollen.
WOLFGANG AMADEUS MOZART                                                                                                                         Nicht nur hier bei uns, sondern auch in den Ländern des Südens. Erstmalig arbeiten CARE Öster-
                                                                                                                                                reich und das Junge Landestheater zusammen und veranstalten zahlreiche Aktionen, bei denen
                                                                                                                                                junge Menschen entdecken, was sie selbst tun können, um die Ziele der UN zu verwirklichen und
                                                                                                                                                die eigene Zukunft positiv zu gestalten. Wir erörtern gemeinsam gesellschaftlich relevante Themen,
Ganz gleich, in welchen Winkel der Welt man schaut:                                                                                             entwickeln eigene Ideen und verleihen ihnen mit den Mitteln der Kunst individuell Ausdruck.
Starke Männer sind als Regierungschefs wieder aus-
gesprochen gefragt. Ob in Nord- und Südamerika,
Asien oder hier bei uns in Europa – Egoismus, Unnach-                                                                                           .   Vorarlberger Schulen und Betriebe können für den Zeitraum von September 2019
giebigkeit und Härte scheinen Attribute zu sein, die    XV. VON DEN EIGENSCHAFTEN, DERENTWEGEN DIE                                                  bis Februar 2020 aus dem Angebotskatalog Workshops und Vorträge buchen, bei
dem Zeitgeist entsprechen und seit Jahren wachsende     MENSCHEN UND BESONDERS DIE FÜRSTEN GELOBT
                                                                                                                                                    denen Schüler*innen bzw. jugendliche Mitarbeiter*innen von 14 –19 Jahren Projekte
Zustimmung finden. Altruismus und humanitäre Werte      ODER GETADELT WERDEN
                                                                                                                                                    mit dem Ziel nachhaltiger Entwicklung erarbeiten.
sind nicht mehr sehr en vogue.
                                                        Es bleibt nun noch zu prüfen, von welcher Art das                                       .   Wir wollen gemeinsam Verantwortung übernehmen: Die Workshops sollen junge
                                                        Verhalten eines Fürsten gegenüber seinen Untertanen                                         Menschen anleiten und unterstützen, die Welt in ihrer Komplexität besser zu
„Diem perdidi!“, soll dagegen Titus ausgerufen haben:   und seinen Freunden sein muß. Da ich weiß, daß schon                                        verstehen und globale Zusammenhänge zu erkennen.
Sein Tag sei verloren, weil er niemandem etwas Gutes    viele hierüber geschrieben haben, fürchte ich, für                                      .   Zum Abschluss des mehrmonatigen Programms wird das Landestheater Schauplatz
getan habe. Als Kaiser Roms will er den Menschen ein    anmaßend gehalten zu werden, wenn auch ich darüber                                          einer einzigartigen ZUKUNFTSKONFERENZ mit Aktionen vor und im Theater.
                                                        schreibe, insbesondere da ich bei der Erörterung dieses
guter, ein milder Herrscher sein, trotz (oder gerade
                                                        Themas von den Argumenten der anderen abweiche.
                                                                                                                                                .   Durch die Teilnahme an mindestens einem Workshop wird die Berechtigung zum
wegen) seines Umfeldes, das von Intrigen, Revolte und                                                                                               freien Eintritt zur ZUKUNFTSKONFERENZ erworben.
                                                        Da es aber meine Absicht ist, etwas Nützliches für den zu
Untreue geprägt und vergiftet ist.
                                                        schreiben, der es versteht, schien es mir angemessener,
                                                        der Wirklichkeit der Dinge nachzugehen als den bloßen                                   ANGEBOTSKATALOG
Welche Chance kann ein Herrscher, der kein Tyrann       Vorstellungen über sie. Viele haben sich Republiken und                                 In Anlehnung an die Sustainable Development Goals werden eine Vielzahl von Vorträgen,
sein mag, in einer solchen Konstellation haben? Ein     Fürstentümer vorgestellt, die nie jemand gesehen oder
                                                                                                                                                Workshops, Aktionen, Projekten etc. mit Expert*innen aus dem In- und Ausland erarbeitet.
Herrscher, der seine Macht allein durch die Liebe       tatsächlich gekannt hat; denn es liegt eine so große
                                                                                                                                                Die Veranstaltungen werden an unterschiedlichen Orten stattfinden – neben dem Theater
seines Volkes zu ihm verteidigt sehen will? Ohne er-    Entfernung zwischen dem Leben, wie es ist, und dem
                                                        Leben, wie es sein sollte, daß derjenige, welcher das,                                  selbst z. B. in Schulen und Unternehmen. Anmeldungen sind möglich ab Mai 2019. Alle
zwungenen Gehorsam, ohne mit Staatsgewalt durch-                                                                                                wichtigen Informationen zu MY FUTURE – WHO CARES? und der ZUKUNFTSKONFERENZ
                                                        was geschieht, unbeachtet läßt zugunsten dessen, was
gesetzte Autorität, praktisch schutzlos gegenüber       geschehen sollte, dadurch eher seinen Untergang als                                     gibt es unter www.whocares.jetzt
seinen Widersachern? Kann Regieren so überhaupt         seine Erhaltung betreibt; denn ein Mensch, der sich in
funktionieren?                                          jeder Hinsicht zum Guten bekennen will, muß zugrunde

Nach ihrer Uraufführung 1791 galt LA CLEMENZA DI
                                                        gehen inmitten von so viel anderen, die nicht gut sind.
                                                        Daher muß ein Fürst, wenn er sich behaupten will, die                                   ZUKUNFTSKONFERENZ
TITO für einige Jahrzehnte als Mozarts beliebteste      Fähigkeit erlernen, nicht gut zu sein, und diese anwenden                               Do, 6. Februar 2020, 9.00 Uhr und 19.30 Uhr, Großes Haus
                                                        oder nicht anwenden, je nach dem Gebot der Notwen-
Oper. Am Vorarlberger Landestheater wird die musika-                                                                                            Szenische Einrichtung: Teresa Rotemberg
                                                        digkeit.
lische Leitung in den Händen von Karsten Januschke
liegen, die Regie übernimmt Henry Arnold – die beiden
                                                        NICCOLÒ MACHIAVELLI: DER FÜRST
konnten bereits in der Spielzeit 2018/19 mit ihrer

                                                                                                                    WHO CARES?
Interpretation von Beethovens FIDELIO das Publikum
mitreißen und begeistern.

                                                                                                                    WELCHE KRISE? (AT)
                                                                                                                    DANIELA EGGER
                                                                                                                    URAUFFÜHRUNG
PREMIERE                                                                                                            2 Personen. 1 Bühne. 17 Ziele. 1 globale Klima- und Vermüllungskrise, die kaum mehr zu bewältigen
Fr, 31. Jänner 2020                                                                                                 ist. 100.000 Kinder weltweit, die auf die Straße gehen, um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem
                                                                                                                    Problem einzufordern. 25.000 Lobbyisten, die allein im EU-Parlament die Interessen gigantischer Konzerne
19.30 Uhr, Großes Haus
                                                                                                                    vertreten. 17 Nachhaltigkeitsziele, deren Umsetzung ebenso utopisch ist wie das Ende menschlicher
                                                                                                                    Machtverhältnisse? 1 Stück für Menschen, die nichts mehr glauben – und die Dinge dennoch anpacken!
Musikalische Leitung:
Karsten Januschke
Inszenierung:                                                                                                       PREMIERE
Henry Arnold                                                                                                        Di, 4. Februar 2020, in der Box
                                                                                                                    Inszenierung: Benedikt Greiner
In Kooperation mit dem Symphonieorchester Vorarlberg
Mit dem Bregenzer Festspielchor
2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
BITTE NICHT
 Oh, das Alles überraschte mich nicht, wie es die      von Blatt zu Blatt. Es waren Abbildungen von
 Thoren überfällt in ihrem Taumel. Während meine       Gemälden aus dem Besitzstande der großen
 Richter mir, fürchterlich langsam, bei den Lichtern   Galerien, sie reizten mich durch ihre ungefäh-
 meines Glücks, das Urtheil vorlasen, stand ich auf    re unharmonische Farbigkeit, ich weiß nicht,

                                                                                                             SCHÜTTELN!
 ihrer Seite und übersah schon das ganze Verdikt.      wieviele dieser Bilder ich anstarrte, unzählige,
 Aber eines Abends ertrug ichs nicht mehr. Die         immer rascher umblätternd: plötzlich kam es mir
 schützende, immer noch alles gewährende Stille        zum Bewußtsein, daß ich die ganze Zeit gedacht
 des Hauses und mein entsetzliches Preisgege-          hatte: Wohin? Wohin?
 bensein mitten in ihr, warfen mir solchen Zwie-       Wohin, in die Freiheit? Wohin, in den Gleich-
 spalt ins Herz, daß ich meinte, nicht länger leben    muth des eigentlichen Daseins? Wohin, in die
 zu können. Unfähig zu lesen, ja nicht einmal im-      Unschuld, in die nicht länger entbehrliche?
                                                                                                             EIN KONFLIKTSCHEUES THEATER MIT VIEL GESANG
 stande, in das sonst so tröstliche Feuer der Tan-                                                           URAUFFÜHRUNG
 nenscheite zu schauen, holte ich irgendwelche         Wohin? Wohin? ......
 Mappen aus den Fächern des Bücherschranks,
                                                                                                             Wir alle wollen uns verstanden fühlen. Wir wünschen uns, dass                        Das Ensemble des Theater Marie begibt sich auf theatralische
 die ich noch nie geöffnet hatte, und zwang mich       RAINER MARIA RILKE: DAS TESTAMENT
                                                                                                             man uns Empathie entgegenbringt. Und auch wir versuchen,                             Harmoniesuche und wird fündig: im Gesang, in der Musik! Ein
                                                                                                             unser Gegenüber zu begreifen, zu entschlüsseln, was andere an-                       Konflikt, eine Meinungsverschiedenheit mit Aggressionspoten-

HOLLENSTEIN,
                                                                                                             treibt, was sie bewegt, welche Sorgen sie haben, warum sie sind,                     zial? Die ersehnte Übereinkunft findet sich im tonalen Einklang,
                                                                                                             wie sie sind und handeln, wie sie handeln.                                           im gemeinsamen Rhythmus – oder doch nicht?! Am Ende müssen
                                                                                                                                                                                                  vielleicht selbst die Schweizer Künstler*innen, sozusagen qua
                                                                                                             Aber wir wissen: Interessen kollidieren. Was der andere will passt                   Nationalität Experten in der demokratischen Konsensfindung,

EIN HEIMATBILD
                                                                                                             nicht immer zu unseren eigenen Zielen. Konflikte und Spannun-                        feststellen: So einfach ist es nicht mit der Harmonie. Denn in den
                                                                                                             gen sind unvermeidbar. Wie damit umgehen? Muss man kühl                              Wohlklang mischen sich immer wieder Dissonanzen und schräge
                                                                                                             kalkulieren und jederzeit seine Optionen für die Verteidigung der                    Elemente, ganz im Geiste von Christoph Marthaler, dem National-
                                                                                                             eigenen Bedürfniserfüllung kennen? Warum sich nicht auch mal                         heiligen des eidgenössischen Musiktheaters.
                                                                                                             in die Omnipotenz der Utopie stehlen und ein vollends einhelli-
                                                                                                             ges Miteinander herbeispielen? Ein Wagnis, sicher. Denn mit der                      Das Projekt ist Auftakt einer mehrjährigen Zusammenarbeit
THOMAS ARZT                                                                                                  Harmonie kann es gehen wie mit vielen Dingen: Am Ende wird                           zwischen dem Schweizer Theater Marie und dem Vorarlberger
URAUFFÜHRUNG                                                                                                 aus der Suche eine Sucht.                                                            Landestheater.

 Die Welt wird zu eng auf dem elterlichen Hof in         Einer Biografie, die außerdem zeigt, wie an-
 der Marktgemeinde Lustenau: Stephanie Hol-              fällig für ideologische Verführungen auch ein so    WIR FANGEN LEER AN
 lenstein will malen, will ihr Talent erproben, will     starker Charakter sein kann, welch gefährliche      Ich rege mich. Von früh auf sucht man. Ist ganz und gar begehrlich, schreit. Hat
 Neues sehen, Neues gestalten. Und so zieht es           Konsequenzen es hat, wenn man mit dem Bruch         nicht, was man will.
 sie hinaus in die Welt – fort aus dem Vorarlber-        ungeliebter Regeln gleich alle moralischen Mau-
 ger Heimatort, hinein in ein Leben, das fasziniert      ern niederreißt? Sicher nicht, indem man glättet,   VIELES SCHMECKT NACH MEHR
 und empört, begeistert und abstößt.                     beschönigt oder gnädig übersieht.                   Aber wir lernen auch zu warten. Denn was ein Kind wünscht, kommt selten
                                                                                                             rechtzeitig. Ja man wartet sogar auf das Wünschen selber, bis es deutlicher
 Denn Hollenstein ist nicht nur eine ausnehmend          Thomas Arzt hat in der vergangenen Spielzeit        wird. Ein Kind greift nach allem, um zu finden, was es meint. Wirft alles wieder
 begabte Künstlerin. Sie ist auch ein höchst             das Stück DIE VERUNSICHERUNG im Rahmen              weg, ist ruhelos neugierig und weiß nicht, worauf. Aber schon hier lebt das
 eigenwilliger Mensch, dessen Biografie sich             des Doppelprojekts DER 27. KANTON am                Frische, Andere, wovon man träumt. Knaben zerstören, was ihnen geschenkt
 selbst heute kaum begreifen lässt. In München           Vorarlberger Landestheater verfasst. Sein neues     wird, sie suchen nach mehr, packen es aus. Keiner könnte es nennen und hat
 studiert sie Kunst und betreibt anschließend            Werk ist der Versuch, das unfassbare Leben der      es je erhalten. So rinnt das Unsere, ist noch nicht da.
 eine Malschule. Verkleidet als Mann zieht sie           Künstlerin Stephanie Hollenstein ein wenig
 im Ersten Weltkrieg an die Front, bis man sie           besser zu fassen zu bekommen, auf den               WAS ALS DRÄNGEN VOR SICH GEHT
 entdeckt und nach Hause schickt. In Wien lebt           Menschen zu schauen, trotz aller Abscheu, die       Wer treibt in uns an? Wir regen uns, sind warm und scharf. Was lebt, ist erregt,
 sie wider alle Konventionen in Partnerschaft mit        man gegen seine Entscheidungen hegt und             und zwar zuerst durch sich selbst. Es atmet, solange es ist, und reizt uns auf.
 einer Frau, stellt ihre Werke aus, gewinnt Preise.      hegen muss. Die Regie übernimmt Tobias Welle-       Um immer wieder zu kochen, von unten her.
                                                         meyer, der 2018 in Bregenz bereits                  Daß man lebt, ist nicht zu empfinden. Das Daß, das uns als lebendig setzt,
 Sie wird Mitbegründerin der Künstlerinnen-              Lessings MISS SARA SAMPSON inszenierte.             kommt selber nicht hervor. Es liegt tief unten, dort, wo wir anfangen, leibhaft zu
 gruppe „Wiener Frauenkunst“ – dabei ist es                                                                  sein. Dieser Stoß in uns ist gemeint, wenn man sagt, der Mensch lebe nicht, um
 gerade die Männlichkeit, die sie fast kultisch                                                              zu leben, sondern „weil“ er lebt. Keiner hat sich diesen drängenden Zustand
 verehrt. Die Faschisten üben mit ihrem Militaris-                                                           ausgesucht, er ist mit uns, seit wir sind und indem wir sind. Leer und daher
                                                                                                             gierig, strebend und daher unruhig geht es in unserem unmittelbaren Selbst
                                                                                                                                                                                                                                         PREMIERE
 mus eine starke Anziehungskraft auf sie aus, sie
 wird früh Mitglied der NSDAP und übernimmt in                                                               her. Aber all dies empfindet sich nicht, es muß dazu erst aus sich herausgehen.
 der Partei Führungsfunktionen.                                                                              Dann spürt es sich als „Drang“, als ganz vagen und unbestimmten. Vom Daß
                                                                                                                                                                                                                                   Samstag, 21. März 2020
 Wie soll man mit dem Werk dieser Frau heute                          PREMIERE                               des Drängens kommt kein Lebender los, so müde er auch davon geworden
                                                                                                             sein mag. Dieser Durst meldet sich stets und nennt sich nicht.
                                                                                                                                                                                                                                   19.30 Uhr, Großes Haus
 umgehen? Und wie mit einer solchen Biogra-                            Fr, 6. März 2020
 fie? Einer Biografie, die von bewundernswerter                 19.30 Uhr, Großes Haus                       ERNST BLOCH: DAS PRINZIP HOFFNUNG                                                                                              Inszenierung:
 Stärke zeugt und von einem Willen zum Wagnis,                                                                                                                                                                        Olivier Keller und Patric Bachmann
 den man jungen Frauen heute gerne als Modell
                                                                           Inszenierung:
 mit auf den Weg geben würde, hätte er Hollen-
                                                                      Tobias Wellemeyer                                                                                                                           Koproduktion mit dem Theater Marie,
 stein nicht so völlig in die Irre geführt?
                                                                                                                                                                                                                     mit dem Theater Tuchlaube Aarau
                                                                                                                                                                                                                           und dem Kurtheater Baden
2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
DIE FRAU                                                                                                                                          DIE
VOM MEER                                                                                                                                          SCHUTZ
SIBYL KEMPSON
NACH HENRIK IBSEN                                                                                                                                 FLEHENDEN
                                                                                                                                                  AISCHYLOS

                                                                                                                                                  Eine Gruppe nordafrikanischer Mädchen flüchtet nach Europa,
                                                                                                                                                  um der Zwangsverheiratung zu entkommen. Am Ziel ein-
                                                                                                                                                  getroffen, die ersehnte Sicherheit in greifbarer Nähe, stellen

Eine unglückliche Ehe, ein Leben zwischen Sehnsucht, Zweifel und Sich-                                                                            sie das Gastgeberland vor ein echtes Dilemma: Soll man den
                                                                                                                                                  Fremden Asyl gewähren, obwohl dies den Interessen des Lan-
Fügen, innerlich zerrissen, schwankend zwischen freiem Willen und Konvention,
                                                                                                                                                  des zuwider liefe? Oder sie abweisen und damit gegen die
zwischen Sicherheit und Fernweh: Für DIE FRAU VOM MEER entwarf Henrik
                                                                                                                                                  eigenen humanitären Werte verstoßen, das Fundament seiner
Ibsen ein Szenario, in dem er die Titelfigur unbarmherzig an den Rand des                                                                         kulturellen Identität erodieren lassen? Der Regierungschef        ÜBER PÄSSE
Wahnsinns treibt.                                                                                                                                 lässt die Bürger*innen verhandeln und entscheiden ...             Die Kriegsfurie hatte Europa halb abgegrast, aber sie war
                                                                                                                                                                                                                    noch jung und hübsch und überlegte es sich, wie sie noch
                                                                                                                                                                                                                    einen Sprung nach Amerika hinüber machen könnte, als im
Sybil Kempsons Bearbeitung verwendet Ibsens Drama als losen Rahmen für eine                                                                       Ein höchst aktueller, ein höchst moderner Stoff also, in Stück-
                                                                                                                                                                                                                    Bahnhofsrestaurant von Helsingfors zwei Männer sassen und,
neue, eigene Annäherung an seine Protagonist*innen; sie öffnet die Handlung                                                                       form gebracht vor beinahe 2.500 Jahren.                           sich ab und zu vorsichtig umblickend, über Politik redeten.
                                                                                                                                                                                                                    Der eine war gross und dick und hatte weisse Hände, der
für stückfremde Figuren des Dramatikers, bricht die Regeln von Raum und Zeit,                                                                                                                                       andere von untersetzter Statur mit den Händen eines Me-
                                                                                                                                                  Mit DIE SCHUTZFLEHENDEN greifen wir zum Ende der Spiel-
verflicht Mythen, lässt andere Ibsen-Texte einfließen, Themen kollidieren und                                                                                                                                       tallarbeiters. Der Grosse hielt sein Bierglas hoch und durch-
                                                                                                                                                  zeit noch einmal das brennende Thema auf, mit dem wir auch
erzeugt so ein aufregendes Amalgam aus Tradition und Moderne.                                                                                     in die Saison gestartet sind: Die Debatte um unsere Demokra-
                                                                                                                                                                                                                    schaute es.

Die New Yorker Dramatikerin, Regisseurin und Performancekünstlerin Sybil                                                PREMIERE                  tie und welche Rolle sie in unserer überkomplexen Welt noch
                                                                                                                                                  spielen kann. Spielen darf? Spielen muss! Und dabei gehen
                                                                                                                                                                                                                    DER GROSSE: Das Bier ist kein Bier, was dadurch ausgegli-
                                                                                                                                                                                                                    chen wird, dass die Zigarren keine Zigarren sind, aber der

Kempson erreichte internationale Bekanntheit mit ihrer Arbeit bei innovativen                                           Do, 30 April 2020         wir erneut zurück zu den Wurzeln: Zum Ursprung des demo-
                                                                                                                                                                                                                    Pass muss ein Pass sein, damit sie einen in das Land herein-
                                                                                                                                                                                                                    lassen.
Theatergruppen wie den New York City Players und Elevator Repair Service                                          19.30 Uhr, Großes Haus          kratischen Gedankens und an den Beginn unserer Theatertra-

sowie mit Installationen und Performances am Whitney Museum of American                                                                           dition, als sich Theater als Forum für Auseinandersetzung mit     DER UNTERSETZTE: Der Pass ist der edelste Teil von einem
                                                                                                                                                  gesellschaftspolitischen Themen entwickelte.                      Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zu-
Art. 2018 wurde sie mit dem renommierten PEN/Laura Pels Theaterpreis                                                           Inszenierung:                                                                        stand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustandkom-
ausgezeichnet.                                                                                                                Sibyl Kempson       Aischylos’ Tragödie um die Bürger*innen von Argos in ihrer
                                                                                                                                                                                                                    men, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund,
                                                                                                                                                                                                                    aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er
                                                                                                                                                  Entscheidungsnot zwischen Moral und Politik wird von Regis-       gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch
                                                                                                                                                  seurin und Choreografin Teresa Rotemberg mit Musik auf die        nicht anerkannt wird.

                                                                                                                                                  Bühne gebracht.
                                                                                                                                                                                                                    DER GROSSE: Man kann sagen, der Mensch ist nur der me-
                                                                                                                                                                                                                    chanische Halter eines Passes. Der Pass wird ihm in die Brust-
                                                                                                                                                                                                                    tasche gesteckt wie die Aktienpakete in das Safe gesteckt

                                                                                                                                                  PREMIERE
                                                                                                                                                                                                                    werden, das an und für sich keinen Wert hat, aber Wertge-
                                                                                                                                                                                                                    genstände enthält.

                                                                                                                                                  Mittwoch, 20. Mai 2020                                            DER UNTERSETZTE: Und doch könnt man behaupten, dass
                                                                                                                                                  19.30 Uhr, Großes Haus                                            der Mensch in gewisser Hinsicht für den Pass notwendig ist.
                                                                                                                                                                                                                    Der Pass ist die Hauptsach, Hut ab vor ihm, aber ohne dazu-
                                                                                                                                                                                                                    gehörigen Menschen wär er nicht möglich oder mindestens
 Und ich will Verstecken spielen und dir meine Kleider geben und dir      kommt und auf den Stufen sitzen und rauchen bis du heimkommst und       Mit dem Bürger*innenchor                                          nicht ganz voll. Es ist wie mit dem Chirurg, er braucht den
                                                                                                                                                                                                                    Kranken, damit er operieren kann, insofern ist er unselbstän-
 sagen Ich mag deine Schuhe und auf den Stufen sitzen während du          mich sorgen wenn du zu spät bist und erstaunt sein wenn du zu früh      und dem Jugendclub 16+                                            dig, eine halbe Sach mit seiner ganzen Studiertheit … Das
 badest und deinen Nacken massieren und deine Füße küssen und dei-        bist und dir Sonnenblumen schenken und auf deine Party gehen und                                                                          ist kein so glückliches Thema, dass ich mich nicht von ihm
 ne Hand halten und essen gehen und mich nicht beklagen wenn du           tanzen bis ich schwarz werde und es bedauern wenn ich Unrecht habe                                                                        abhalten lassen möchte. Ich wunder mich nur, dass sie grad
 mein Essen isst und dich bei Rudy‘s treffen und über den Tag reden und   und glücklich sein wenn du mir vergibst und deine Fotos ansehen und     Inszenierung und Choreografie:                                    jetzt so aufs Zählen und Einregistrieren der Leut aus sind, als
 deine Briefe tippen und deine Kisten tragen und lachen über deinen       wünschen ich hätte dich schon immer gekannt und deine Stimme hören      Teresa Rotemberg                                                  ob ihnen einer verloren gehen könnt, sonst sind sie jetzt doch
 Verfolgungswahn und dir Kassetten schenken die du nicht anhörst und      in meinem Ohr und deine Haut spüren auf meiner Haut und Angst krie-                                                                       nicht so. Aber sie müssen ganz genau wissen, dass man der
                                                                                                                                                                                                                    und kein anderer ist, als obs nicht völlig gleich wär, wens ver-
 tolle Filme sehen und schreckliche Filme sehen und schimpfen über das    gen wenn du wütend bist und dein Auge rot geworden ist und das an-
                                                                                                                                                                                                                    hungern lassen.
 Radio und Fotos machen von dir wenn du schläfst und aufstehen um dir     dere Auge blau und dein Haar nach links und dein Gesicht orientalisch
 Kaffee zu bringen und Bagels und Kopenhagener und zu Florent gehen       und dir sagen du bist hinreißend und dich in den Arm nehmen wenn
 und Kaffee trinken um Mitternacht und dich meine Zigaretten klauen       du ängstlich bist und dich halten wenns wehtut und dich wollen wenn                                                                       BERTOLT BRECHT: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE
 lassen und nie ein Streichholz finden können und dir vom Fernsehpro-     ich dich rieche und dich anwidern wenn ich dich berühre und wimmern
 gramm erzählen das ich die Nacht zuvor gesehen hab und dich in die       wenn ich dir nah bin und wimmern wenn nicht und auf deine Brust sab-
 Augenklinik bringen und nicht über deine Witze lachen und dich wollen    bern und dich erdrücken in der Nacht und frieren wenn du die Decke
 am Morgen aber noch eine Weile schlafen lassen und deinen Rücken         nimmst und schwitzen wenn nicht und schmelzen wenn du lächelst und
 küssen und deine Haut streicheln und dir sagen wie sehr ich dein Haar    mich auflösen wenn du lachst und nicht verstehen warum du denkst ich
 liebe deine Augen deine Lippen deinen Hals deine Brüste deinen Arsch     weise dich zurück wenn ich dich nicht zurückweise und mich fragen wie
 deine und auf den Stufen sitzen und rauchen bis dein Nachbar heim-       du denken konntest ich könnte dich jemals zurückweisen

                                                                          SARAH KANE: GIER
2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
IHR SEID BEREITS
EINGESCHIFFT                                                                                                                 TORQUATO
SILVIA COSTA
URAUFFÜHRUNG                                                                                                                 TASSO
                                                                                                                             JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

  Dieser Satz aus den GEDANKEN (PENSÉES) von Blaise Pascal steht als Motto
  über Silvia Costas neuer Arbeit für das Vorarlberger Landestheater. Wir sind
  bereits eingeschifft, ja, bereits an Bord gegangen für diese Reise, die Leben
  heißt, aber unweigerlich zum Tode führt. Und dieser Tod kann uns, so Pascal,
  entweder in die schützenden Hände Gottes führen oder in fürchterliche                                                                                                                     Frei will ich sein im Denken und im Dichten: Im Handeln schränkt
  Vernichtung. Oder aber: ins Nichts.
                                                                                                                                                                                            die Welt genug uns ein. Mit dieser Forderung lässt Goethe
  Silvia Costa ist eine italienische Regisseurin und Performerin aus Treviso.                                                                                                               den Dichter Torquato Tasso seinem Leiden an den Fesseln der
  Seit ihrem Abschluss in Bildender Kunst und Theater an der IUAV Universi-                                                                                                                 Wirklichkeit Ausdruck verleihen. Als Künstler will Tasso seinen
  tät Venedig im Jahr 2006 ist sie künstlerische Mitarbeiterin der Opern- und
                                                                                                                                                                                            eigenen Regeln folgen, will lieben, wider die geltenden Standes-
  Theaterproduktionen von Romeo Castellucci, hat aber gleichzeitig auch
  zahlreiche eigene Arbeiten vorgelegt: in einer visuell-poetischen Theater-                                                                                                                regeln, und so postuliert er: Erlaubt ist, was gefällt.
  sprache, die aus einer tiefen Reflexion über Bilder erwächst. In wechselnden
  Rollen als Autorin, Regisseurin und Bühnenbildnerin bewegt sich die
                                                                                                                                                                                            Dass die angebetete, die adelige Leonore von Este ihn in seine
  Künstlerin auf ihrer sehr persönlichen Erkundung durch diverse ästhetische

                                                                                                PREMIERE
  Bereiche des Theaters.                                                                                                                                                                    Schranken weist: Erlaubt ist, was sich ziemt, dass sie ihn mit ihrer
                                                                                                                                                                                            Replik zurückbeordert in die schnöde Realität gesellschaftlicher
  Nach ihrem verrätselten, von Publikum und Presse gleichermaßen gefeierten                     Do, 4. Juni 2020
                                                                                                                                                                                            Übereinkünfte, nährt seinen Leidensdruck bis zur Verzweiflung.
  Doppelabend, bestehend aus Becketts SPIEL und ihrer eigenen Kreation                          Verschiedene Spielorte
  WRY SMILE DRY SOB, entwickelt sie wiederum für Bregenz ein Projekt an der                                                                                                                 Und Tasso muss erkennen, dass sein schwärmerischer, freier
  Schnittstelle von Theater und bildender Kunst und nimmt das Publikum im                                                                                                                   Geist ihm gleichzeitig eine Fessel ist.
  wahrsten Sinne mit auf den Weg – von der Kunst zum See und zurück.
                                                                                                Inszenierung: Silvia Costa

                                                                                                                                                                                            Goethes Torquato Tasso darf mit seiner eigenen, seiner wilden
                                                                                                                                                                                            Gedankenwelt durchaus als Geistesverwandter des Werther
                                                                                                                             Züst: Bevor man die dreiundzwanzigste Epoche so eines          verstanden werden. Und so setzt Milena Fischer-Hartmann, die
  JOHN MAYNARD                                         Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,                        endlosen Dichters auswendig kann, hat man die ersten
                                                       Der Kapitän nach dem Steuer späht,                                    zwölf längst wieder vergessen. Da ist der Körner ein           in der Vorsaison den WERTHER! am Vorarlberger Landestheater
  John Maynard!                                        Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,                                anderer Bursch gewesen! Mit zweiundzwanzig Jahren              in jungem, zeitgenössischen Spiel inszenierte, ihre Auseinander-
  „Wer ist John Maynard?"                              Aber durchs Sprachrohr fragt er an:                                   war er schon tot! Aber dieser Goethe! Dieses olympische
  „John Maynard war unser Steuermann,                  „Noch da, John Maynard?“ – „Ja, Herr. Ich bin.“ –
                                                                                                                             Monstrum, das allein mehr Jahreszahlen verbraucht hat
                                                                                                                                                                                            setzung mit Goethe nun konsequent fort. Erneut in Zusammen-
  Aushielt er, bis er das Ufer gewann,                 „Auf den Strand! In die Brandung!“ – „Ich halte drauf hin.“
  Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,              Und das Schiffvolk jubelt: „Halt aus! Hallo!“                         als alle anderen Dichter zusammen! Dreiundachtzig Jahre        arbeit mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Birgit Klötzer,
  Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.             Und noch zehn Minuten bis Buffalo. — —                                hat er alt werden müssen; in alles hat er sich dreinmischen
                                                                                                                                                                                            erneut mit einem sehr gegenwärtigen Blick auf den Seelenriss,
  John Maynard."                                                                                                             müssen, bei jedem Datum war er dabei; so oft er mit einem
                    *                                  „Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt's                        Frauenzimmer was zu tun gehabt hat, ist er fruchtbar           auf die tiefen Konflikte, die den Protagonisten treiben:
  Die „Schwalbe“ fliegt über den Eriesee               Mit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt's!“                      geworden ... und hat einen neuen Brocken gesammelte
  Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;    Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,                                                                                          Ein TASSO für eine neue Generation.
                                                                                                                             Werke von sich gegeben. Wo er ein Gras gesehen hat, hat
  Von Detroit fliegt sie nach Buffalo —                Jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein.
  Die Herzen aber sind frei und froh,                  Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.                             er ihm gleich wachsen zugehört; alle besseren Herren in
  Und die Passagiere mit Kindern und Fraun             Rettung: der Strand von Buffalo!                                      seiner Nähe hat er in „Gespräche mit Goethe“ verwickelt
  Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,                                      *                                               und die entfernteren hat er zu zwei- bis dreibändigen
  Und plaudernd an John Maynard heran                  Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.                           Briefwechseln benützt; und wie er schon ganz alt war und
  Tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?“            Gerettet alle. Nur einer fehlt.                                       nicht mehr hat schreiben können, hat er sich den Ecker-
  Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:                               *
                                                                                                                             mann geholt und hat ihm Löcher in den Bauch geredet,
  „Noch dreißig Minuten ... halbe Stund!“              Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
                                                       Himmelan aus Kirchen und Kapell'n,                                    nur damit auch aus dieser Zeit etwas über ihn zu lernen ist!
  Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei —       Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,                     Linerl: Aber es wird doch net alles so wichtig sein!
  Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,      Ein Dienst nur, den sie heute hat:                                    Züst: Nicht wichtig?! Sag‘ das einmal dem Professor
  „Feuer!“ war es, was da klang,                       Zehntausend folgen oder mehr,                                         Hinterhuber! Kopierend. „In Goethes Leben ist nichts un-
  Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,                  Und kein Aug im Zuge, das tränenleer.
                                                                                                                             wichtig! Merken Sie sich das, Sie Grünschnabel! Goethe ist
  Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
                                                                                                                             ein Heiligtum! ...“
  Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.                Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
                                                       Mit Blumen schließen sie das Grab,
  Und die Passagiere, buntgemengt,                     Und mit goldner Schrift in den Mamorstein                             ALFRED POLGAR UND EGON FRIEDELL:
  Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,             Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
                                                                                                                                                                                                                                        PREMIERE
                                                                                                                             GOETHE. GROTESKE IN ZWEI BILDERN.
  Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,           „Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
  Am Steuer aber lagert sich's dicht,                  Hielt er das Steuer fest in der Hand,
  Und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? Wo?“        Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,                                                                                                                                                  April 2020
  Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. —             Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
                                                       John Maynard!“
                                                                                                                                                                                                                                      19.30 Uhr, in der Box

                                                       THEODOR FONTANE
                                                                                                                                                                                                                                           Inszenierung:
                                                                                                                                                                                                                                Milena Fischer-Hartmann
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