2019 2020 SPIEL ZEIT - Vorarlberger Landestheater
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
1 | Vivienne Causemann 2 | Felix Defèr 3 | Johannes Frick 4 | Heidi Maria Glössner 1 2 5 | Grégoire Gros Im vorliegenden Spielplan 2019/20 präsentiert sich das Vorarlberger 6 | Luzian Hirzel Landestheater wiederum offen und experimentierfreudig, sucht den Gegen- 7 | Rahel Jankowski wartsbezug und stellt Fragen zu unserer Zukunft. Stephanie Gräve punktet dabei im zweiten Jahr ihrer Intendanz mit einer bemerkenswerten Programm- 8 | Jan Kersjes dichte und zeigt sich vor allem durch Kooperationsprojekte mit Salzburg, 9 | David Kopp Bern oder Chur bestens im deutschsprachigen Theaterraum vernetzt. 10 | Johanna Köster Spannend wird sein, wie etwa DIE SCHUTZFLEHENDEN von Aischylos mit 11 | Tobias Krüger einem neu entstandenen Bürger*innenchor und dem Jugendclub 16+ umge- 12 | Nico Raschner setzt werden, oder wie Niklas Ritter nach WELT AM DRAHT in seiner zweiten musikalischen Produktion mit Tilman Ritter am Vorarlberger Landestheater die 13 | Jürgen Sarkiss bröckelnde Welt von Marie-Antoinette, der letzten Königin Frankreichs, 14 | Ines Schiller auslotet. Ebenso richtig Lust auf einen Theaterabend machen das Projekt BITTE NICHT SCHÜTTELN! sowie ANTIGONE :: COMEBACK, bei dem via 15 | Katharina Uhland VR-Brillen-Einsatz eine sehr subjektive Zeitreise zu Brechts Theatervisionen er- 3 4 5 16 | Yannick Zürcher lebbar wird. Verlässliche Grundpfeiler im Programm sind die Stückbearbeitun- gen der Klassiker von Shakespeare, Goethe bis Ibsen sowie die gemeinsam mit dem Symphonieorchester Vorarlberg realisierte Opernproduktion. Ein starker Vorarlberg-Bezug zeigt sich heuer in der Auseinandersetzung mit Stephanie Hollensteins Biografie. Dem gesamten Team des Vorarlberger Landestheaters gratuliere ich zu diesem vielfältigen Jahresprogramm, welches mit der Stoffauswahl, aber auch mit der großen Zahl an Uraufführungen und Neuinszenierungen, die Neugierde weckt. Daher freue ich mich auf eine spannende Saison und wünsche Ihnen, geschätz- tes Publikum, unvergessliche Theatermomente. Dr. Christian Bernhard Kulturlandesrat 6 7 8 9 10 11 Mehr als Unterhaltung Dass die Zukunft eine große Herausforderung ist, hat schon für unzählige Generationen vor uns gegolten und damit wohl auch für jeden beliebigen Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte. Nur spielte die Kunst als Ausdrucks- Liebes Publikum! form menschlicher Kreativität noch nie zuvor eine derart wichtige Rolle, um den menschlichen Geist wachzurütteln und seine kritische Auseinandersetzung mit „Gegen das Schweigen der Natur / stelle ich eine Tätigkeit / In der großen Gleichgültigkeit / der Gesellschaft zu befeuern. Oder um es mit dem russischen Schriftsteller erfinde ich einen Sinn / Anstatt reglos zuzusehn / greife ich ein / und ernenne gewisse Dinge Maxim Gorki zu sagen: Mag die Wissenschaft der Verstand der Welt sein, die für falsch / und arbeite daran sie zu verändern und zu verbessern“ lässt Peter Weiss seinen Kunst ist ihre Seele. Protagonisten Jean Paul Marat sagen. Das gilt insbesondere auch für die darstellende Kunst, die viel mehr ist als Es lohnt, diesen Satz aus dem Blickwinkel unserer Figuren der kommenden Spielzeit zu betrachten: nur eine Unterhaltungsform. Man darf also gespannt sein auf das Programm „Erfinde ich einen Sinn“, formuliert Weiss, und „ernenne gewisse Dinge für falsch“. Sein Marat sieht 2019/20 und die neuen Stücke des ältesten und größten Bregenzer und die Welt als veränderbar an, und der Veränderung bedürftig, und er entschließt sich, zu handeln. Vorarlberger Theaterbetriebes. 12 13 Auch die Held*innen unserer Stücke akzeptieren die Grenzen ihrer Lage nicht: Da sind die 50 Der deutsche Dichter Friedrich Hebbel hat einmal geschrieben, das Publikum Töchter des Danaos, die das Recht einfordern zu leben, wo und mit wem sie wollen. Ibsens würde zwar jedes Feuerwerk beklatschen, aber kaum jemals einen Sonnenauf- Frauenfiguren, die die ihnen zugewiesenen bürgerlichen Rollen nicht annehmen. Die kleine gang. Umso glücklicher können wir Bregenzerinnen und Bregenzer uns schät- Vevi im Familienstück, die Fantasie und Abenteuer dem schnöden Schulalltag vorzieht. Die zen, dass in unserer Stadt am Bodensee eine derart gelungene Symbiose von Mächtigen in Shakespeares Römerdramen, die den Staat nach ihrem Willen gestalten. Marie- Kultur und Natur möglich ist. Die Bühne am Kornmarkt mit ihren modernen Antoinette, das österreichische Mädchen, das an der französischen Hofetikette zerschellt wie Inszenierungen spielt dabei eine ganz bedeutende Rolle. an der eigenen Leere. Und die Ich-Erzählerin in DAS JAHR MAGISCHEN DENKENS, die gegen die ultimative Grenze anrennt und anschreibt: den Tod. Vor diesem Hintergrund wünsche ich den Besucherinnen und Besuchern unvergessliche Abende im Vorarlberger Landestheater. Sie alle nehmen uns mit auf ihren Weg, mal dramatisch-spannend, mal traurig, mal unterhalt- sam. Seien Sie willkommen! DI Markus Linhart Bürgermeister Stephanie Gräve Intendantin 14 15 16
IN DER BOX GROSSES HAUS WHO CARES? TORQUATO COLD DAS JAHR ANTIGONE :: WELCHE KRISE?(AT) TASSO DANIELA EGGER JOHANN WOLFGANG SONGS: ROM MAGISCHEN COMEBACK URAUFFÜHRUNG VON GOETHE WILLIAM SHAKESPEARE BETTINA ERASMY (URAUFFÜHRUNG) DENKENS MIKESKA / ALTHOFF / KITTSTEIN URAUFFÜHRUNG 14+ 14+ JOAN DIDION DI, 4. FEBRUAR 2020 APRIL 2020 SA, 21. SEPTEMBER 2019 SA, 12. OKTOBER 2019 DI, 15. OKTOBER 2019* SPIEL WERTHER! TSCHICK ANTOINETTE CAPET VEVI LA CLEMENZA SAMUEL BECKETT NICOLAS STEMANN NACH DEM ROMAN DIE ÖSTERREICHERIN NACH DEM ROMAN VON ERICA LILLEGG DI TITO WRY SMILE DRY SOB NACH JOHANN WOLFGANG VON GOETHE VON WOLFGANG HERRNDORF 14+ NIKLAS RITTER (TEXT) WOLFGANG AMADEUS MOZART KREATION VON SILVIA COSTA FAMILIENSTÜCK 14+ REPERTOIRE TILMAN RITTER (MUSIK) IN KOOPERATION MIT DEM REPERTOIRE REPERTOIRE URAUFFÜHRUNG SYMPHONIEORCHESTER VORARLBERG DI, 26. NOVEMBER 2019 DO, 14. NOVEMBER 2019 FR, 31. JÄNNER 2020 MY FUTURE - HOLLENSTEIN, BITTE NICHT WHO CARES? EIN HEIMATBILD SCHÜTTELN! ZUKUNFTSKONFERENZ THOMAS ARZT URAUFFÜHRUNG EIN KONFLIKTSCHEUES THEATER VON UND MIT SCHÜLER*INNEN UND LEHRLINGEN AUS VORARLBERG MIT VIEL GESANG IN KOOPERATION FR, 6. MÄRZ 2020 URAUFFÜHRUNG MIT CARE ÖSTERREICH SA, 21. MÄRZ 2020 DO, 6. FEBRUAR 2020* MOBILE PRODUKTIONEN DIE FRAU DIE DON QUIJOTE DIE ZERTRENNLICHEN DIE ZWEITE VOM MEER SCHUTZFLEHENDEN NACH MIGUEL DE CERVANTES FABRICE MELQUIOT PRINZESSIN SIBYL KEMPSON AISCHYLOS 6+ 10+ VON GERTRUD PIGOR NACH HENRIK IBSEN MIT DEM BÜRGER*INNENCHOR REPERTOIRE 5+ UND DEM JUGENDCLUB 16+ FEBRUAR 2020 REPERTOIRE DO, 30. APRIL 2020 MI, 20. MAI 2020 *Nicht im Abonnement enthalten. RONNY VON WELT NACHTS – WARUM ERWACHSENE Reservieren Sie rechtzeitig Ihre Karten. THILO REFFERT 11+ SO LANGE AUFBLEIBEN MÜSSEN REPERTOIRE ALEXANDRA HELMIG NACH DEM BILDERBUCH VON KATHARINA GROSSMANN-HENSEL 5+ REPERTOIRE AN ANDEREN ORTEN KRIEG – STELL DIR VOR, IHR SEID BEREITS EINGESCHIFFT IN 80 TAGEN UM DIE WELT ER WÄRE HIER! SILVIA COSTA JUGENDSTÜCK JANNE TELLER URAUFFÜHRUNG NACH JULES VERNE 15+ KOPRODUKTION MIT DEM REPERTOIRE DO, 4. JUNI 2020 SCHAUSPIELHAUS SALZBURG 10+ VERSCHIEDENE SPIELORTE JUNI 2020 THEATER KOSMOS Änderungen vorbehalten.
COLD SONGS: Es geht nicht um Bagatellen es geht um einen Grundsatz ROM und es gehört zum Lauf der Revolution daß die Halbherzigen die Mitläufer ausgestoßen werden müssen Es gibt für uns nur ein Niederreißen bis zum Grunde so schrecklich dies auch denen erscheint die in ihrer satten Zufriedenheit sitzen WILLIAM SHAKESPEARE und sich in den Schutzmantel ihrer Moral hüllen CORIOLANUS Hört nur BETTINA ERASMY (URAUFFÜHRUNG) hört durch die Wände WILLIAM SHAKESPEARE Inszenierung: Catharina May wie sie flüstern und intrigieren Seht wie sie überall lauern DIE WEISSGESTRICHENE und auf ihre Chance warten KÄLTE DER REVOLUTION (AT) BETTINA ERASMY URAUFFÜHRUNG Es war so schön. Wir hatten es uns bequem gemacht. Wir hatten Inszenierung: Agnes Kitzler gedacht: Alles ist sicher. Das System funktioniert. Unser Weg ist Diese Lügen die im Umlauf sind über den idealen Staat der richtige. Wir hatten gedacht: Lasst sie doch kommen, die Rück- Als wären die Reichen je bereit JULIUS CAESAR wärtsgewandten, die Infragesteller, die Zerstörer. Lasst sie kom- Freiwillig ihre Besitztümer herauszugeben WILLIAM SHAKESPEARE men, denn unsere Demokratie hält das aus. Und wenn sie vom Druck der Verhältnisse gezwungen werden Inszenierung: Johannes Lepper hier und da nachzugeben Dann kamen sie – und wir müssen zusehen, wie sie alles, was wir so tun sie es nur weil sie wissen für sicher hielten, auf ausnutzbare Schwachstellen prüfen, wie sie daß sie dabei auch wieder gewinnen können COLD SONGS: ROM. mit schweren Stiefeln die Zerbrechlichkeit unserer Fundamente Es heißt jetzt Ein mehrstündiges Theaterereignis. testen, mit scharfem Skalpell das Gewebe unserer Gesellschaft an Die Arbeiter hätten bald höhere Löhne zu erwarten neuralgischen Punkten zu durchtrennen suchen, die Despoten und Warum Mit Shakespeare, Picknick und Debatte – fast wie zu Spalter, die Hetzer und Verführer, die Trampeltiere und Schreihälse. Weil mit einer gesteigerten Produktion gerechnet wird elisabethanischen Zeiten! Wir veranstalten dieses Sie sind da, sie werden so schnell nicht wieder verschwinden und und folglich mit größerem Umsatz ungewöhnliche Theaterprojekt nur sieben Mal, in sie bringen den Grund, auf dem wir fest zu stehen glaubten, der die Taschen der Unternehmer dick macht der Zeit von Samstag, 21. September bis Samstag, erheblich ins Wanken. Glaubt nicht 5. Oktober. daß ihnen ohne Gewalt beizukommen ist Hey, Demokratie – was ist da los bei dir? Der Bürger*innenchor eröffnet jeweils den Abend Laßt euch nicht täuschen Bist du eigentlich noch zu retten? um 18 Uhr auf dem Karl-Tizian-Platz, im Anschluss wenn unsre Revolution erstickt worden ist Und wenn ja: Wie? Von wem? (18.30 Uhr) sehen Sie Shakespeares und wenn es heißt CORIOLANUS im Großen Haus. Was kann man da machen? daß die Zustände sich jetzt gebessert haben Theater, natürlich! Auch wenn ihr die Not nicht mehr seht Von 20.00 Uhr bis 21.30 Uhr haben Sie die weil die Not übertüncht ist Möglichkeit, den Monolog DIE WEISSGESTRICHENE Wir gehen dahin zurück, wo wir mit unserer Kunst schon einmal und wenn ihr Geld verdient KÄLTE DER REVOLUTION (AT) von Bettina Erasmy waren: In den offenen Dialog, die direkte Kommunikation. und euch was leisten könnt von dem in der Box anzusehen oder ein Picknick mit künstle- Wir besinnen uns unserer ur-demokratischen Traditionen: der was die Industrien euch andrehn rischem Programm im und vor dem Haus zu genießen, griechischen Agora, die ebenso Ort war für Musisches wie für und es euch scheint in den Lokalen der Nachbarschaft zu speisen. Gemeinwesen und Politik. Des antiken Theaters, das immer euer Wohlstand stände vor der Tür auch den Diskurs herausforderte und keine Auseinandersetzung so ist das nur eine Erfindung von denen Für alle drei Optionen gibt es jeweils ein begrenz- scheute. Des Theaters der elisabethanischen Zeit: ohne vierte die immer noch viel mehr haben als ihr tes Platzangebot, wir empfehlen daher, dass Sie Wand, sondern eher mit einer Membran, durchlässig in beide Glaubt ihnen nicht rechtzeitig Ihr Wunschprogramm buchen Richtungen, für Beteiligung und Befruchtung, für Zwischenrufe (Reservierungen möglich ab 26. August 2019). wenn sie euch freundschaftlich auf die Schulter klopfen und Kurskorrekturen im Denken auf allen Seiten. und sagen die Unterschiede wären nicht mehr der Rede wert Um 21.30 Uhr erwarten wir Sie dann wieder im und es bestände kein Anlaß mehr Großen Haus zur Inszenierung von William Das Großprojekt COLD SONGS: ROM öffnet die Bühne für zu Streitigkeiten Shakespeares JULIUS CAESAR, nach der wir Dramen und Diskussionen, für die Auseinandersetzung mit denn dann sind sie ganz auf der Höhe schließlich – an jedem der sieben Abende – das Europa, unserer Demokratie und der sehr greifbaren Gefahr in ihren neuen Burgen aus Marmor und Stahl Programm mit einem gemeinsamen Fest ihres Verschwindens. Für drei Inszenierungen von drei Regis- von denen aus sie die Welt ausräubern ausklingen lassen. seur*innen, an einem Abend. Mit zwei shakespeareschen Römerdramen, einer Uraufführung von Bettina Erasmy und einem Prolog des Bürger*innenchors. Mit gemeinsamem PREMIERE Essen und Trinken. Mit Gesprächen. Und mit Ihnen: Denn Sa, 21. September 2019 unsere Demokratie wäre nichts ohne Sie. 18.00 Uhr, Großes Haus, Box Peter Weiss: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Mit dem Bürger*innenchor Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade Inszenierung: Agnes Kitzler, Johannes Lepper und Catharina May
ANTIGONE :: COMEBACK Ein Film über eine Hausfrau, die an Gehirntumor sterben DAS JAHR EINE PROBE MIT WEIGEL UND BRECHT MAGISCHEN wird. Die von einer bedeutenden Schauspielerin dargestellte Geschichte einer Krebskranken verzichtet auf jede Schonung MIKESKA/ALTHOFF/KITTSTEIN des Gemüts, auf die bekannten Effekte der Bewußtseins- bildung durch Emotionsverknappung und auf all die ver- URAUFFÜHRUNG leumderischen Rücksichten eines sozialen Heilsgedankens, DENKENS wie wir sie wohl zur Genüge kennen aus unseren in ihrer ästhetischen Moral und Ausdruckswelt gänzlich herunter- gekommenen Fernsehfilmen. Dort wird noch die größte Eine Zeitreise 70 Jahre zurück in ein Theaterlabor der Zukunft – und eine menschliche Katastrophe endlich durch das Nadelöhr der Wiederbegegnung mit den entscheidenden Protagonist*innen, die eine „Frage nach den gesellschaftlichen Ursachen“ gepreßt und Theaterzukunft, die unsere Vergangenheit und Gegenwart ist, entworfen darf in einem fadendünnen Trost auslaufen. Hier hingegen und verwirklicht haben: Bertolt Brecht und Helene Weigel. geschah nichts, was uns aus der unmittelbaren Anstrengung des Gefühls entlassen hätte. In einer schweigsamen, frontalen JOAN DIDION Unter der misstrauischen Beobachtung der Schweizer Fremdenpolizei PREMIERE Bewegtheit entfaltete das Spiel der Krankheit seine beinahe kommt das Ehepaar im Januar 1948 nach Chur und lässt sich, zunächst in der Di, 15. Oktober 2019 antikischen Züge von Unheil und Unausweichlichkeit mit- samt den grausamen Tricks der Hoffnung – ein namenloses Stadt noch unbekannt, im Hotel Stern nieder. Für das experimentierfreudige 17.36 Uhr, Großes Haus Drama, das den freundlich hilflosen Figuren einer schwedi- Theater Chur wird Brecht die Antigone bearbeiten, mit Weigel in der Titelrolle. schen Durchschnittsfamilie seine Schreckensmaske aufge- Es ist seine erste Inszenierung in Europa, seit er 1933 Deutschland verlassen Inszenierung: drückt hatte. Seltsam aber dabei: zu spüren diese Erschütte- hat, und es ist auch das erste Mal seit 15 Jahren, dass Weigel wieder auf einer rung, Furcht und Grauen des Zuschauers als die antisexuelle Bernhard Mikeska Bühne steht. Regung schlechthin – oder muß man im Gegenteil sagen: die zutiefst konsexuelle? Als Zuschauer miterleben, wie ein Der Erfolg dieser Arbeit wird über ihre weitere künstlerische und wirtschaftliche Produktion: RAUM+ZEIT Mensch durch sich selbst stirbt, das Weinen, die Rührung, Man setzt sich zum Abendessen, und das Leben, das man kennt, hört plötzlich auf. die erfüllte Tiefe, das Letzte – ist es nicht das, was wir von Neun Monate nach dem Tod ihres Mannes, des berühmten Journalisten und Autors Existenz entscheiden. Mit dem Konflikt von Antigone und Kreon um Gesetzes- und Theater Chur, der radikalen Umarmung erwarten, der eigentliche Geist der John Gregory Dunne, ist dies einer der ersten Sätze, die Joan Didion schreibt. treue und Freiheit, Tyrannei und Widerstand, wird auf den Proben auch der in Koproduktion mit dem Sexualität, die Trauer der Lust? Jedoch eine solch mächtige persönliche Konflikt eines ebenso beeindruckenden wie unberechenbaren Ergriffenheit wird uns stets nur der Schmerz gewähren, nie die Brechtfestival Augsburg Künstlerpaares verhandelt. Diese Doppelperspektive verschiebt die Grenzen Freude, die uns so sehr viel oberflächlicher beschäftigt. Der Am Abend des 30. Dezember kehrt Didion mit ihrem Mann von der Intensivstation zwischen Spiel und Realität, und Bernhard Mikeskas Inszenierung verschiebt sie und dem Vorarlberger zurück, wo Tochter Quintana im künstlichen Koma liegt. Keiner spricht aus, wie hart Tod des anderen, der jämmerliche, unschuldige, alltägliche ist noch mehr – ausgestattet mit VR-Brillen begeben sich die Zuschauer*innen allein Landestheater, unser ganzes Herz. Wir begehren diesen Menschen in Mitleid, der Tag gewesen ist. Die beiden wechseln ins Alltägliche. Sie macht Feuer im Kamin, in Mitleid erigieren wir. Er stirbt und wir erleben einen Orgas- schenkt ihrem Mann einen Drink ein, bereitet das Abendessen vor. Er liest den in die Installation und kommen Brecht und Weigel auf dieser subjektiven Reise in Kooperation mit mus der Schmerzen, Aufbäumung und Verschüttung. Alle Korrekturabzug eines Buches, sie unterhalten sich. Mitten im Satz verstummt John. ins Innere sehr nahe. Lenore Blievernicht / wirklich großen Anmutungen scheinen Emanationen jenes zentralen Gefühls für den Tod zu sein. Selbst das Glück ist nur Joan denkt, er mache einen Witz, klopft ihm auf den Rücken – und John fällt leblos Bert-Neumann-Association Eingeladen zum Schweizer Theatertreffen 2019. dann etwas wert, wenn wir spüren: es kommt nicht von oben; auf den Tisch, wird kurz darauf im Krankenhaus für tot erklärt. Vierzig Jahre einer (BNA gUG) es erhebt uns zwei Fußbreit über die zitternde Leere. innigen Liebes- und Arbeitsbeziehung: vorbei. Joans Gedanken stocken, fallen aus- einander – bis sie schließlich beginnt, alles Vorgefallene akribisch zu ordnen, in der BOTHO STRAUSS: PAARE, PASSANTEN Erinnerung mögliche Vorzeichen zu finden und zu deuten. In allem, was an jenem Dezemberabend passierte, sucht sie Spuren, die helfen könnten, das Unbegreifliche Ich stelle mir vor, Anouilhs Kreon unterhielte sich mit Giraudoux‘ Aigisth über Antigone und Elektra – zu verstehen. welch ein Konsens ergäbe sich da unter den Herrschern, sobald Aigisth erklärte: „Wenn es den Göttern seit zehn Jahren nicht mehr gelingt, sich in unser Dasein zu mischen, dann nur, weil ich dafür gesorgt Als sie zu schreiben beginnt, geht es um nichts weniger als das Überleben. Unsen- habe, daß Träumer, Maler und Chemiker heiraten müssen. Ich dulde zwischen unsern Mitbürgern keine timental, selbstironisch und mit schonungsloser Offenheit dokumentiert Joan ihre moralischen Unterschiede, damit die Menschheit vor den Augen der Götter keine Farben und Unter- Verdrängungsstrategien, ihre Sucht, immer alles im Griff haben zu müssen, und ih- schiede bekommt. Darum habe ich immer so getan, als ob ich kleinen Verbrechen ungeheure Bedeu- ren Kampf gegen die Last der Schuld: Vielleicht hätte sie ihren Mann retten können. tung beimäße und über große Verbrechen nur lächeln könnte. Nichts ist der göttlichen Beständigkeit zuträglicher, als wenn Mörder und Brutdiebe in gleicher Beleuchtung erscheinen.“ Heidi Maria Glössner spielt den Bühnenmonolog, den die Journalistin und Schrift- ... Parlando auf seiten der Könige, ein Gespräch, das von Weltweisheit geprägt ist, von Skepsis und stellerin Joan Didion auf Basis ihres gleichnamigen internationalen Bestsellers Einsicht in jenes Mögliche, das zugleich das Notwendige sei. Ich bin sicher, sie würden sich vortrefflich verfasste. Ein Stück über das Nichtbegreifbare endgültiger Abschiede, über die verstehen, Aigisth und Kreon – Kreon, der dem gereiften Mörder, ihm gegenüber, die Jugendsünde ver- Liebe und die fordernde Wahrhaftigkeit des Lebens. ziehe: „Mein Gott, Sie waren jung, lieber Freund, Klytaimestra schön und Agamemnon, wie jedermann weiß, ein leibhaftiges Ekel. Lassen wir die Vergangenheit ruhen.“ Ein verständlicher Wunsch – und sogar erfolgreich, wären da jene zwei nicht gewesen, Antigone und PREMIERE Elektra, die sich in gleicher Weise zu einem niemals endenden da capo steigerten wie auf der Königs- etage die Herrscher. Wie würde Giraudoux‘ Elektra applaudieren, wenn Anouilhs Antigone, ein wenig Sa,12. Oktober 2019 außer Atem, ihr Bekenntnis artikulierte: „Ihr widert mich alle an mit Eurem Glück! Mit Eurem Leben, das 19.30 Uhr, Großes Haus man lieben muß, koste es, was es wolle. Man könnte meinen, es wären Hunde, die alles belecken, was sie finden. Diese kleine Chance für alle Tage, wenn man nicht zu anspruchsvoll ist. Ich will alles sofort – Inszenierung: und ganz. Oder aber ich verweigere es. Ich will nicht bescheiden sein und mich mit einem kleinen Stück begnügen, wenn ich schön brav gewesen bin. Ich will heute sicher sein, daß es alles sei und daß es Wolfgang Hagemann schön sei und daß es so schön sei wie damals, als ich ganz klein war. – Oder sterben.“ Oder sterben: alles oder nichts, der Kompromiß oder das Absolute, die Banalität des Lebens oder die Koproduktion mit dem vollkommene Gerechtigkeit – erstrebt selbst um den Preis der Vernichtung der physischen Existenz von Theater an der Effingerstrasse, Bern Tausenden, die unschuldig sind. WALTER JENS: ANTIGONE UND ELEKTRA: AUFSTAND GEGEN DAS „VERTEUFELT HUMANE”
ANTOINETTE CAPET VEVI NACH DEM ROMAN VON ERICA LILLEGG DIE ÖSTERREICHERIN FAMILIENSTÜCK / 6+ NIKLAS RITTER (TEXT) TILMAN RITTER (MUSIK) Alles ist schrecklich!, findet Vevi, die bei ihrer strengen Tante aufwächst. Immer gibt es Regeln, immer gibt es URAUFFÜHRUNG Schulaufgaben, immer soll man brav sein! Dabei gibt es so viel zu entdecken und so viele Abenteuer zu erleben. Besonders, wenn man neugierig und fantasiebegabt ist Sie wurde geliebt und gehasst. Sie wurde verheiratet ohne Liebe, wurde zur Monarchin ohne wie Vevi – und außerdem die Gabe hat, mit Tieren Machtwillen, über ein Volk, das sie nie wirklich verstand, wurde zur perfekten Projektionsfläche sprechen zu können. für romantische Sehnsüchte ebenso wie für alles, was man verabscheute. Als ihr eine Maus eine geheimnisvolle Wurzel mit Wir wissen alles über Marie-Antoinette. Wir wissen nichts von Marie-Antoinette. magischen Kräften schenkt, ändert sich einiges für das junge Mädchen ... denn die Wurzel kann sich in eine Ihr Bild in der Öffentlichkeit prägten die sozialen Medien ihrer Zeit: die Kolportage, der Tratsch, zweite Vevi verwandeln: ein artiges Kind, das daheim die Gerüchte und Intrigen. Ihr ausgeprägter Hang, sich zu vergnügen erregte Misstrauen – und so bleibt und für die Schule lernt, während die echte Vevi stilisierte man „Die Österreicherin“ in Frankreich nicht nur zur Mode-Ikone und zum Star sondern draußen spielt. auch zur naiven Verschwenderin und schließlich zur Symbolfigur für die Dekadenz des Ancien Régime: einem Fall fürs Schafott. Sie war auch: hingebungsvolle Mutter, Freundin und Förderin Eine Warnung wird in den Wind geschlagen, ein Streit der Künste, zerbrechlich und unsicher. mit der Tante hat Folgen, ein kühner Plan läuft aus dem Ruder ... und Vevi muss herausfinden, wer sie eigentlich Erzherzogin Maria Antonia Josepha Johanna von Österreich, Marie-Antoinette, die letzte Königin Frankreichs und am Ende nur noch die „Witwe Capet“: Sie bleibt ein Rätsel, bis heute. Vielleicht muss ist – und wer sie wirklich sein will. PREMIERE man sich, vielleicht kann man sich ihr nur im Spiel weiter nähern, als es die Historiker vermögen. Die ganz zu Unrecht in Vergessenheit geratene öster- Di, 26. November 2019 reichische Kinderbuchautorin Erica Lillegg verfasste die 10.00 Uhr und 19.30 Uhr, Niklas Ritter (Text) lotet nach WELT AM DRAHT in seiner zweiten musikalischen Produktion mit poetisch-fantastische Erzählung mit viel Spannung und Großes Haus Tilman Ritter (Musik) am Vorarlberger Landestheater aus, was die Geschichte zwischen Fremd- mit ebenso viel Empathie für ihr junges Publikum. bestimmtheit und Privilegien, zwischen Pomp und Ödnis bei Hofe uns selbst heute noch Neues Bérénice Hebenstreit inszeniert den wiederentdeckten verraten kann. Auch über uns, die Gesellschaft in der wir leben und das Verhältnis, das wir zu Stoff als berührendes Theatererlebnis für die ganze Inszenierung und Fassung: Macht und Medien entwickelt haben. Familie. Bérénice Hebenstreit rt ist. , da s au s de r W ur zel wird, wenn sie fo zufreunden chen mit dem Mädchen an Da das Wurzelmäd „Schon gehört?“, sagte die eine, eine Brünette mit etwas plumpen Beinen und irritierend schmalem Oberkörper, vi au f di e Id ee , si ch er gu t ve rs te he n. Plötzlich kommt Ve sie einand sselbe, also müßten „angeblich soll Elizabeth Hurley auch im Hotel sein.“ Natürlich erschrak ich in diesem Moment sehr. Hauses „Die Elizabeth Hurley?“, fragte die andere zurück, ohne wirklich von ihrem Magazin aufzusehen, „ist das nicht ur ze lm äd ch en si nd im Gr un de da h be ri ch te n, wa s sich außerhalb des Vevi und das W hnung täglic diese schrecklich ordinäre englische Schauspielerin, die irgendwann mal Gesichtsmodel für Estée Lauder war?“ m ac he n m uß , kö nn te ihm Vevi als Belo n daheim die Aufgabe tert. „Genau die“, sagte die Brünette. „Richtig berühmt wurde sie aber erst, als sich ihr Freund von einer Straßennutte H ei m we g m ac ht un d in ihr Zimmer klet zugetragen hat. l, dass sie sich sogl eich auf den e. Oben d absteigt, denkt si auf dem Sunset Boulevard einen hat blasen lassen.“ al he in t ih r di es er Ei nf r au f- un So großar ti g er sc , da ß da we „Ach ja“, sagte die andere und lachte, „wie hieß der noch mal? Hugh Gant? Sind die noch zusammen?“ nicht merkt nstill am Tisch sitz t und se n au f da s Sp al ie r, damit die Tante nd zu , da s m äu sc he „Er hieß Hugh Grant, Süße“, sagte die Brünette, „und: Nein, sind sie nicht. Sie ist angeblich allein hier.“ Ich muß aufpas sitzen und schaut de m braven Ki e am Fe ns te rb re tt angelangt, bleibt si „Will wohl keiner mehr haben, die Verliererin“, stöhnte die mit dem Magazin und sank in ihre Liege zurück. oh, wenn Was mich überraschte, ja schockierte, war, wie radikal die beiden Mädchen Liz Hurley, den Männertraum und die rt ie ft is t. ha t so ei n lie be s Gesicht. Ich wäre fr in die Arbeit ve deres Mädchen in m einer Klasse rf, soll ihr Überfrau der letzten Jahre, schon abgeschrieben hatten, obwohl sie gerade Mitte dreißig war. M äd ch en ! de nk t si e, ke in an iß si e nu n, da ß si e sich nicht nähern da Ein nett es fahrung we iter: In den letzten Jahren aber, das sah selbst ich ein, war es nicht gerade gut gelaufen für Hurley. in we rd en wo llt e! überlegt sie. Aus Er ht s. Da s W ur ze lm ädchen schreibt we es meine Freund „Pst!“ – N ic sie sitzen und macht Und jetzt muss sie auch noch den Spott dieser zwei hässlichen Liegestuhlvögel hier über sich ergehen lassen, ch wi nd en . So bl ei bt dachte ich und hatte das Gefühl, als sei eine Ära zu Ende gegangen – nicht nur für sie, sondern ebenso für mich. Ebenbild nicht vers holen? Es klingt ausgedacht, ist aber wahr: In genau diesem Moment kam natürlich Elizabeth Hurley in einem weißen al lo !“ – N ic ht s. La uter: „Hallo!“ hr ic kt . Es wi rd do ch nicht die Tante „H Tür. Vevi ersc Bademantel an den Pool spaziert, kein Wunder, sie wohnte ja hier, und hinter ihr her liefen, genau wie früher, ein ze lm äd ch en st eh t auf und geht zur Das Wur paar Fotografen und Beleuchter und Dienerinnen und irgendein Liebhaber, und alles, was dazugehört. Sie sah fantastisch aus und charmant, und sie lachte laut, und den beiden Mädchen neben mir, die sich eben noch über PREMIERE ERICA LILLEGG: VE VI sie lustig gemacht hatten, blieb die Luft weg. Do, 14. November 2019 19.30 Uhr, Großes Haus MARC FISCHER : DAS LIZ-HURLEY-GEFÜHL Inszenierung: Niklas Ritter
MY FUTURE – LA WHO CARES? CLEMENZA ZUKUNFTSKONFERENZ DI TITO IN KOOPERATION MIT CARE ÖSTERREICH Unsere Welt steht vor immensen Herausforderungen. Klimawandel, Armut und Hunger sind einige davon. Die Vereinten Nationen haben in der Agenda 2030 ihre Sustainable Development Goals definiert: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die den Weg in eine bessere Welt ebnen sollen. WOLFGANG AMADEUS MOZART Nicht nur hier bei uns, sondern auch in den Ländern des Südens. Erstmalig arbeiten CARE Öster- reich und das Junge Landestheater zusammen und veranstalten zahlreiche Aktionen, bei denen junge Menschen entdecken, was sie selbst tun können, um die Ziele der UN zu verwirklichen und die eigene Zukunft positiv zu gestalten. Wir erörtern gemeinsam gesellschaftlich relevante Themen, Ganz gleich, in welchen Winkel der Welt man schaut: entwickeln eigene Ideen und verleihen ihnen mit den Mitteln der Kunst individuell Ausdruck. Starke Männer sind als Regierungschefs wieder aus- gesprochen gefragt. Ob in Nord- und Südamerika, Asien oder hier bei uns in Europa – Egoismus, Unnach- . Vorarlberger Schulen und Betriebe können für den Zeitraum von September 2019 giebigkeit und Härte scheinen Attribute zu sein, die XV. VON DEN EIGENSCHAFTEN, DERENTWEGEN DIE bis Februar 2020 aus dem Angebotskatalog Workshops und Vorträge buchen, bei dem Zeitgeist entsprechen und seit Jahren wachsende MENSCHEN UND BESONDERS DIE FÜRSTEN GELOBT denen Schüler*innen bzw. jugendliche Mitarbeiter*innen von 14 –19 Jahren Projekte Zustimmung finden. Altruismus und humanitäre Werte ODER GETADELT WERDEN mit dem Ziel nachhaltiger Entwicklung erarbeiten. sind nicht mehr sehr en vogue. Es bleibt nun noch zu prüfen, von welcher Art das . Wir wollen gemeinsam Verantwortung übernehmen: Die Workshops sollen junge Verhalten eines Fürsten gegenüber seinen Untertanen Menschen anleiten und unterstützen, die Welt in ihrer Komplexität besser zu „Diem perdidi!“, soll dagegen Titus ausgerufen haben: und seinen Freunden sein muß. Da ich weiß, daß schon verstehen und globale Zusammenhänge zu erkennen. Sein Tag sei verloren, weil er niemandem etwas Gutes viele hierüber geschrieben haben, fürchte ich, für . Zum Abschluss des mehrmonatigen Programms wird das Landestheater Schauplatz getan habe. Als Kaiser Roms will er den Menschen ein anmaßend gehalten zu werden, wenn auch ich darüber einer einzigartigen ZUKUNFTSKONFERENZ mit Aktionen vor und im Theater. schreibe, insbesondere da ich bei der Erörterung dieses guter, ein milder Herrscher sein, trotz (oder gerade Themas von den Argumenten der anderen abweiche. . Durch die Teilnahme an mindestens einem Workshop wird die Berechtigung zum wegen) seines Umfeldes, das von Intrigen, Revolte und freien Eintritt zur ZUKUNFTSKONFERENZ erworben. Da es aber meine Absicht ist, etwas Nützliches für den zu Untreue geprägt und vergiftet ist. schreiben, der es versteht, schien es mir angemessener, der Wirklichkeit der Dinge nachzugehen als den bloßen ANGEBOTSKATALOG Welche Chance kann ein Herrscher, der kein Tyrann Vorstellungen über sie. Viele haben sich Republiken und In Anlehnung an die Sustainable Development Goals werden eine Vielzahl von Vorträgen, sein mag, in einer solchen Konstellation haben? Ein Fürstentümer vorgestellt, die nie jemand gesehen oder Workshops, Aktionen, Projekten etc. mit Expert*innen aus dem In- und Ausland erarbeitet. Herrscher, der seine Macht allein durch die Liebe tatsächlich gekannt hat; denn es liegt eine so große Die Veranstaltungen werden an unterschiedlichen Orten stattfinden – neben dem Theater seines Volkes zu ihm verteidigt sehen will? Ohne er- Entfernung zwischen dem Leben, wie es ist, und dem Leben, wie es sein sollte, daß derjenige, welcher das, selbst z. B. in Schulen und Unternehmen. Anmeldungen sind möglich ab Mai 2019. Alle zwungenen Gehorsam, ohne mit Staatsgewalt durch- wichtigen Informationen zu MY FUTURE – WHO CARES? und der ZUKUNFTSKONFERENZ was geschieht, unbeachtet läßt zugunsten dessen, was gesetzte Autorität, praktisch schutzlos gegenüber geschehen sollte, dadurch eher seinen Untergang als gibt es unter www.whocares.jetzt seinen Widersachern? Kann Regieren so überhaupt seine Erhaltung betreibt; denn ein Mensch, der sich in funktionieren? jeder Hinsicht zum Guten bekennen will, muß zugrunde Nach ihrer Uraufführung 1791 galt LA CLEMENZA DI gehen inmitten von so viel anderen, die nicht gut sind. Daher muß ein Fürst, wenn er sich behaupten will, die ZUKUNFTSKONFERENZ TITO für einige Jahrzehnte als Mozarts beliebteste Fähigkeit erlernen, nicht gut zu sein, und diese anwenden Do, 6. Februar 2020, 9.00 Uhr und 19.30 Uhr, Großes Haus oder nicht anwenden, je nach dem Gebot der Notwen- Oper. Am Vorarlberger Landestheater wird die musika- Szenische Einrichtung: Teresa Rotemberg digkeit. lische Leitung in den Händen von Karsten Januschke liegen, die Regie übernimmt Henry Arnold – die beiden NICCOLÒ MACHIAVELLI: DER FÜRST konnten bereits in der Spielzeit 2018/19 mit ihrer WHO CARES? Interpretation von Beethovens FIDELIO das Publikum mitreißen und begeistern. WELCHE KRISE? (AT) DANIELA EGGER URAUFFÜHRUNG PREMIERE 2 Personen. 1 Bühne. 17 Ziele. 1 globale Klima- und Vermüllungskrise, die kaum mehr zu bewältigen Fr, 31. Jänner 2020 ist. 100.000 Kinder weltweit, die auf die Straße gehen, um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Problem einzufordern. 25.000 Lobbyisten, die allein im EU-Parlament die Interessen gigantischer Konzerne 19.30 Uhr, Großes Haus vertreten. 17 Nachhaltigkeitsziele, deren Umsetzung ebenso utopisch ist wie das Ende menschlicher Machtverhältnisse? 1 Stück für Menschen, die nichts mehr glauben – und die Dinge dennoch anpacken! Musikalische Leitung: Karsten Januschke Inszenierung: PREMIERE Henry Arnold Di, 4. Februar 2020, in der Box Inszenierung: Benedikt Greiner In Kooperation mit dem Symphonieorchester Vorarlberg Mit dem Bregenzer Festspielchor
BITTE NICHT Oh, das Alles überraschte mich nicht, wie es die von Blatt zu Blatt. Es waren Abbildungen von Thoren überfällt in ihrem Taumel. Während meine Gemälden aus dem Besitzstande der großen Richter mir, fürchterlich langsam, bei den Lichtern Galerien, sie reizten mich durch ihre ungefäh- meines Glücks, das Urtheil vorlasen, stand ich auf re unharmonische Farbigkeit, ich weiß nicht, SCHÜTTELN! ihrer Seite und übersah schon das ganze Verdikt. wieviele dieser Bilder ich anstarrte, unzählige, Aber eines Abends ertrug ichs nicht mehr. Die immer rascher umblätternd: plötzlich kam es mir schützende, immer noch alles gewährende Stille zum Bewußtsein, daß ich die ganze Zeit gedacht des Hauses und mein entsetzliches Preisgege- hatte: Wohin? Wohin? bensein mitten in ihr, warfen mir solchen Zwie- Wohin, in die Freiheit? Wohin, in den Gleich- spalt ins Herz, daß ich meinte, nicht länger leben muth des eigentlichen Daseins? Wohin, in die zu können. Unfähig zu lesen, ja nicht einmal im- Unschuld, in die nicht länger entbehrliche? EIN KONFLIKTSCHEUES THEATER MIT VIEL GESANG stande, in das sonst so tröstliche Feuer der Tan- URAUFFÜHRUNG nenscheite zu schauen, holte ich irgendwelche Wohin? Wohin? ...... Mappen aus den Fächern des Bücherschranks, Wir alle wollen uns verstanden fühlen. Wir wünschen uns, dass Das Ensemble des Theater Marie begibt sich auf theatralische die ich noch nie geöffnet hatte, und zwang mich RAINER MARIA RILKE: DAS TESTAMENT man uns Empathie entgegenbringt. Und auch wir versuchen, Harmoniesuche und wird fündig: im Gesang, in der Musik! Ein unser Gegenüber zu begreifen, zu entschlüsseln, was andere an- Konflikt, eine Meinungsverschiedenheit mit Aggressionspoten- HOLLENSTEIN, treibt, was sie bewegt, welche Sorgen sie haben, warum sie sind, zial? Die ersehnte Übereinkunft findet sich im tonalen Einklang, wie sie sind und handeln, wie sie handeln. im gemeinsamen Rhythmus – oder doch nicht?! Am Ende müssen vielleicht selbst die Schweizer Künstler*innen, sozusagen qua Aber wir wissen: Interessen kollidieren. Was der andere will passt Nationalität Experten in der demokratischen Konsensfindung, EIN HEIMATBILD nicht immer zu unseren eigenen Zielen. Konflikte und Spannun- feststellen: So einfach ist es nicht mit der Harmonie. Denn in den gen sind unvermeidbar. Wie damit umgehen? Muss man kühl Wohlklang mischen sich immer wieder Dissonanzen und schräge kalkulieren und jederzeit seine Optionen für die Verteidigung der Elemente, ganz im Geiste von Christoph Marthaler, dem National- eigenen Bedürfniserfüllung kennen? Warum sich nicht auch mal heiligen des eidgenössischen Musiktheaters. in die Omnipotenz der Utopie stehlen und ein vollends einhelli- ges Miteinander herbeispielen? Ein Wagnis, sicher. Denn mit der Das Projekt ist Auftakt einer mehrjährigen Zusammenarbeit THOMAS ARZT Harmonie kann es gehen wie mit vielen Dingen: Am Ende wird zwischen dem Schweizer Theater Marie und dem Vorarlberger URAUFFÜHRUNG aus der Suche eine Sucht. Landestheater. Die Welt wird zu eng auf dem elterlichen Hof in Einer Biografie, die außerdem zeigt, wie an- der Marktgemeinde Lustenau: Stephanie Hol- fällig für ideologische Verführungen auch ein so WIR FANGEN LEER AN lenstein will malen, will ihr Talent erproben, will starker Charakter sein kann, welch gefährliche Ich rege mich. Von früh auf sucht man. Ist ganz und gar begehrlich, schreit. Hat Neues sehen, Neues gestalten. Und so zieht es Konsequenzen es hat, wenn man mit dem Bruch nicht, was man will. sie hinaus in die Welt – fort aus dem Vorarlber- ungeliebter Regeln gleich alle moralischen Mau- ger Heimatort, hinein in ein Leben, das fasziniert ern niederreißt? Sicher nicht, indem man glättet, VIELES SCHMECKT NACH MEHR und empört, begeistert und abstößt. beschönigt oder gnädig übersieht. Aber wir lernen auch zu warten. Denn was ein Kind wünscht, kommt selten rechtzeitig. Ja man wartet sogar auf das Wünschen selber, bis es deutlicher Denn Hollenstein ist nicht nur eine ausnehmend Thomas Arzt hat in der vergangenen Spielzeit wird. Ein Kind greift nach allem, um zu finden, was es meint. Wirft alles wieder begabte Künstlerin. Sie ist auch ein höchst das Stück DIE VERUNSICHERUNG im Rahmen weg, ist ruhelos neugierig und weiß nicht, worauf. Aber schon hier lebt das eigenwilliger Mensch, dessen Biografie sich des Doppelprojekts DER 27. KANTON am Frische, Andere, wovon man träumt. Knaben zerstören, was ihnen geschenkt selbst heute kaum begreifen lässt. In München Vorarlberger Landestheater verfasst. Sein neues wird, sie suchen nach mehr, packen es aus. Keiner könnte es nennen und hat studiert sie Kunst und betreibt anschließend Werk ist der Versuch, das unfassbare Leben der es je erhalten. So rinnt das Unsere, ist noch nicht da. eine Malschule. Verkleidet als Mann zieht sie Künstlerin Stephanie Hollenstein ein wenig im Ersten Weltkrieg an die Front, bis man sie besser zu fassen zu bekommen, auf den WAS ALS DRÄNGEN VOR SICH GEHT entdeckt und nach Hause schickt. In Wien lebt Menschen zu schauen, trotz aller Abscheu, die Wer treibt in uns an? Wir regen uns, sind warm und scharf. Was lebt, ist erregt, sie wider alle Konventionen in Partnerschaft mit man gegen seine Entscheidungen hegt und und zwar zuerst durch sich selbst. Es atmet, solange es ist, und reizt uns auf. einer Frau, stellt ihre Werke aus, gewinnt Preise. hegen muss. Die Regie übernimmt Tobias Welle- Um immer wieder zu kochen, von unten her. meyer, der 2018 in Bregenz bereits Daß man lebt, ist nicht zu empfinden. Das Daß, das uns als lebendig setzt, Sie wird Mitbegründerin der Künstlerinnen- Lessings MISS SARA SAMPSON inszenierte. kommt selber nicht hervor. Es liegt tief unten, dort, wo wir anfangen, leibhaft zu gruppe „Wiener Frauenkunst“ – dabei ist es sein. Dieser Stoß in uns ist gemeint, wenn man sagt, der Mensch lebe nicht, um gerade die Männlichkeit, die sie fast kultisch zu leben, sondern „weil“ er lebt. Keiner hat sich diesen drängenden Zustand verehrt. Die Faschisten üben mit ihrem Militaris- ausgesucht, er ist mit uns, seit wir sind und indem wir sind. Leer und daher gierig, strebend und daher unruhig geht es in unserem unmittelbaren Selbst PREMIERE mus eine starke Anziehungskraft auf sie aus, sie wird früh Mitglied der NSDAP und übernimmt in her. Aber all dies empfindet sich nicht, es muß dazu erst aus sich herausgehen. der Partei Führungsfunktionen. Dann spürt es sich als „Drang“, als ganz vagen und unbestimmten. Vom Daß Samstag, 21. März 2020 Wie soll man mit dem Werk dieser Frau heute PREMIERE des Drängens kommt kein Lebender los, so müde er auch davon geworden sein mag. Dieser Durst meldet sich stets und nennt sich nicht. 19.30 Uhr, Großes Haus umgehen? Und wie mit einer solchen Biogra- Fr, 6. März 2020 fie? Einer Biografie, die von bewundernswerter 19.30 Uhr, Großes Haus ERNST BLOCH: DAS PRINZIP HOFFNUNG Inszenierung: Stärke zeugt und von einem Willen zum Wagnis, Olivier Keller und Patric Bachmann den man jungen Frauen heute gerne als Modell Inszenierung: mit auf den Weg geben würde, hätte er Hollen- Tobias Wellemeyer Koproduktion mit dem Theater Marie, stein nicht so völlig in die Irre geführt? mit dem Theater Tuchlaube Aarau und dem Kurtheater Baden
DIE FRAU DIE VOM MEER SCHUTZ SIBYL KEMPSON NACH HENRIK IBSEN FLEHENDEN AISCHYLOS Eine Gruppe nordafrikanischer Mädchen flüchtet nach Europa, um der Zwangsverheiratung zu entkommen. Am Ziel ein- getroffen, die ersehnte Sicherheit in greifbarer Nähe, stellen Eine unglückliche Ehe, ein Leben zwischen Sehnsucht, Zweifel und Sich- sie das Gastgeberland vor ein echtes Dilemma: Soll man den Fremden Asyl gewähren, obwohl dies den Interessen des Lan- Fügen, innerlich zerrissen, schwankend zwischen freiem Willen und Konvention, des zuwider liefe? Oder sie abweisen und damit gegen die zwischen Sicherheit und Fernweh: Für DIE FRAU VOM MEER entwarf Henrik eigenen humanitären Werte verstoßen, das Fundament seiner Ibsen ein Szenario, in dem er die Titelfigur unbarmherzig an den Rand des kulturellen Identität erodieren lassen? Der Regierungschef ÜBER PÄSSE Wahnsinns treibt. lässt die Bürger*innen verhandeln und entscheiden ... Die Kriegsfurie hatte Europa halb abgegrast, aber sie war noch jung und hübsch und überlegte es sich, wie sie noch einen Sprung nach Amerika hinüber machen könnte, als im Sybil Kempsons Bearbeitung verwendet Ibsens Drama als losen Rahmen für eine Ein höchst aktueller, ein höchst moderner Stoff also, in Stück- Bahnhofsrestaurant von Helsingfors zwei Männer sassen und, neue, eigene Annäherung an seine Protagonist*innen; sie öffnet die Handlung form gebracht vor beinahe 2.500 Jahren. sich ab und zu vorsichtig umblickend, über Politik redeten. Der eine war gross und dick und hatte weisse Hände, der für stückfremde Figuren des Dramatikers, bricht die Regeln von Raum und Zeit, andere von untersetzter Statur mit den Händen eines Me- Mit DIE SCHUTZFLEHENDEN greifen wir zum Ende der Spiel- verflicht Mythen, lässt andere Ibsen-Texte einfließen, Themen kollidieren und tallarbeiters. Der Grosse hielt sein Bierglas hoch und durch- zeit noch einmal das brennende Thema auf, mit dem wir auch erzeugt so ein aufregendes Amalgam aus Tradition und Moderne. in die Saison gestartet sind: Die Debatte um unsere Demokra- schaute es. Die New Yorker Dramatikerin, Regisseurin und Performancekünstlerin Sybil PREMIERE tie und welche Rolle sie in unserer überkomplexen Welt noch spielen kann. Spielen darf? Spielen muss! Und dabei gehen DER GROSSE: Das Bier ist kein Bier, was dadurch ausgegli- chen wird, dass die Zigarren keine Zigarren sind, aber der Kempson erreichte internationale Bekanntheit mit ihrer Arbeit bei innovativen Do, 30 April 2020 wir erneut zurück zu den Wurzeln: Zum Ursprung des demo- Pass muss ein Pass sein, damit sie einen in das Land herein- lassen. Theatergruppen wie den New York City Players und Elevator Repair Service 19.30 Uhr, Großes Haus kratischen Gedankens und an den Beginn unserer Theatertra- sowie mit Installationen und Performances am Whitney Museum of American dition, als sich Theater als Forum für Auseinandersetzung mit DER UNTERSETZTE: Der Pass ist der edelste Teil von einem gesellschaftspolitischen Themen entwickelte. Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zu- Art. 2018 wurde sie mit dem renommierten PEN/Laura Pels Theaterpreis Inszenierung: stand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustandkom- ausgezeichnet. Sibyl Kempson Aischylos’ Tragödie um die Bürger*innen von Argos in ihrer men, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er Entscheidungsnot zwischen Moral und Politik wird von Regis- gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch seurin und Choreografin Teresa Rotemberg mit Musik auf die nicht anerkannt wird. Bühne gebracht. DER GROSSE: Man kann sagen, der Mensch ist nur der me- chanische Halter eines Passes. Der Pass wird ihm in die Brust- tasche gesteckt wie die Aktienpakete in das Safe gesteckt PREMIERE werden, das an und für sich keinen Wert hat, aber Wertge- genstände enthält. Mittwoch, 20. Mai 2020 DER UNTERSETZTE: Und doch könnt man behaupten, dass 19.30 Uhr, Großes Haus der Mensch in gewisser Hinsicht für den Pass notwendig ist. Der Pass ist die Hauptsach, Hut ab vor ihm, aber ohne dazu- gehörigen Menschen wär er nicht möglich oder mindestens Und ich will Verstecken spielen und dir meine Kleider geben und dir kommt und auf den Stufen sitzen und rauchen bis du heimkommst und Mit dem Bürger*innenchor nicht ganz voll. Es ist wie mit dem Chirurg, er braucht den Kranken, damit er operieren kann, insofern ist er unselbstän- sagen Ich mag deine Schuhe und auf den Stufen sitzen während du mich sorgen wenn du zu spät bist und erstaunt sein wenn du zu früh und dem Jugendclub 16+ dig, eine halbe Sach mit seiner ganzen Studiertheit … Das badest und deinen Nacken massieren und deine Füße küssen und dei- bist und dir Sonnenblumen schenken und auf deine Party gehen und ist kein so glückliches Thema, dass ich mich nicht von ihm ne Hand halten und essen gehen und mich nicht beklagen wenn du tanzen bis ich schwarz werde und es bedauern wenn ich Unrecht habe abhalten lassen möchte. Ich wunder mich nur, dass sie grad mein Essen isst und dich bei Rudy‘s treffen und über den Tag reden und und glücklich sein wenn du mir vergibst und deine Fotos ansehen und Inszenierung und Choreografie: jetzt so aufs Zählen und Einregistrieren der Leut aus sind, als deine Briefe tippen und deine Kisten tragen und lachen über deinen wünschen ich hätte dich schon immer gekannt und deine Stimme hören Teresa Rotemberg ob ihnen einer verloren gehen könnt, sonst sind sie jetzt doch Verfolgungswahn und dir Kassetten schenken die du nicht anhörst und in meinem Ohr und deine Haut spüren auf meiner Haut und Angst krie- nicht so. Aber sie müssen ganz genau wissen, dass man der und kein anderer ist, als obs nicht völlig gleich wär, wens ver- tolle Filme sehen und schreckliche Filme sehen und schimpfen über das gen wenn du wütend bist und dein Auge rot geworden ist und das an- hungern lassen. Radio und Fotos machen von dir wenn du schläfst und aufstehen um dir dere Auge blau und dein Haar nach links und dein Gesicht orientalisch Kaffee zu bringen und Bagels und Kopenhagener und zu Florent gehen und dir sagen du bist hinreißend und dich in den Arm nehmen wenn und Kaffee trinken um Mitternacht und dich meine Zigaretten klauen du ängstlich bist und dich halten wenns wehtut und dich wollen wenn BERTOLT BRECHT: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE lassen und nie ein Streichholz finden können und dir vom Fernsehpro- ich dich rieche und dich anwidern wenn ich dich berühre und wimmern gramm erzählen das ich die Nacht zuvor gesehen hab und dich in die wenn ich dir nah bin und wimmern wenn nicht und auf deine Brust sab- Augenklinik bringen und nicht über deine Witze lachen und dich wollen bern und dich erdrücken in der Nacht und frieren wenn du die Decke am Morgen aber noch eine Weile schlafen lassen und deinen Rücken nimmst und schwitzen wenn nicht und schmelzen wenn du lächelst und küssen und deine Haut streicheln und dir sagen wie sehr ich dein Haar mich auflösen wenn du lachst und nicht verstehen warum du denkst ich liebe deine Augen deine Lippen deinen Hals deine Brüste deinen Arsch weise dich zurück wenn ich dich nicht zurückweise und mich fragen wie deine und auf den Stufen sitzen und rauchen bis dein Nachbar heim- du denken konntest ich könnte dich jemals zurückweisen SARAH KANE: GIER
IHR SEID BEREITS EINGESCHIFFT TORQUATO SILVIA COSTA URAUFFÜHRUNG TASSO JOHANN WOLFGANG VON GOETHE Dieser Satz aus den GEDANKEN (PENSÉES) von Blaise Pascal steht als Motto über Silvia Costas neuer Arbeit für das Vorarlberger Landestheater. Wir sind bereits eingeschifft, ja, bereits an Bord gegangen für diese Reise, die Leben heißt, aber unweigerlich zum Tode führt. Und dieser Tod kann uns, so Pascal, entweder in die schützenden Hände Gottes führen oder in fürchterliche Frei will ich sein im Denken und im Dichten: Im Handeln schränkt Vernichtung. Oder aber: ins Nichts. die Welt genug uns ein. Mit dieser Forderung lässt Goethe Silvia Costa ist eine italienische Regisseurin und Performerin aus Treviso. den Dichter Torquato Tasso seinem Leiden an den Fesseln der Seit ihrem Abschluss in Bildender Kunst und Theater an der IUAV Universi- Wirklichkeit Ausdruck verleihen. Als Künstler will Tasso seinen tät Venedig im Jahr 2006 ist sie künstlerische Mitarbeiterin der Opern- und eigenen Regeln folgen, will lieben, wider die geltenden Standes- Theaterproduktionen von Romeo Castellucci, hat aber gleichzeitig auch zahlreiche eigene Arbeiten vorgelegt: in einer visuell-poetischen Theater- regeln, und so postuliert er: Erlaubt ist, was gefällt. sprache, die aus einer tiefen Reflexion über Bilder erwächst. In wechselnden Rollen als Autorin, Regisseurin und Bühnenbildnerin bewegt sich die Dass die angebetete, die adelige Leonore von Este ihn in seine Künstlerin auf ihrer sehr persönlichen Erkundung durch diverse ästhetische PREMIERE Bereiche des Theaters. Schranken weist: Erlaubt ist, was sich ziemt, dass sie ihn mit ihrer Replik zurückbeordert in die schnöde Realität gesellschaftlicher Nach ihrem verrätselten, von Publikum und Presse gleichermaßen gefeierten Do, 4. Juni 2020 Übereinkünfte, nährt seinen Leidensdruck bis zur Verzweiflung. Doppelabend, bestehend aus Becketts SPIEL und ihrer eigenen Kreation Verschiedene Spielorte WRY SMILE DRY SOB, entwickelt sie wiederum für Bregenz ein Projekt an der Und Tasso muss erkennen, dass sein schwärmerischer, freier Schnittstelle von Theater und bildender Kunst und nimmt das Publikum im Geist ihm gleichzeitig eine Fessel ist. wahrsten Sinne mit auf den Weg – von der Kunst zum See und zurück. Inszenierung: Silvia Costa Goethes Torquato Tasso darf mit seiner eigenen, seiner wilden Gedankenwelt durchaus als Geistesverwandter des Werther Züst: Bevor man die dreiundzwanzigste Epoche so eines verstanden werden. Und so setzt Milena Fischer-Hartmann, die JOHN MAYNARD Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht, endlosen Dichters auswendig kann, hat man die ersten Der Kapitän nach dem Steuer späht, zwölf längst wieder vergessen. Da ist der Körner ein in der Vorsaison den WERTHER! am Vorarlberger Landestheater John Maynard! Er sieht nicht mehr seinen Steuermann, anderer Bursch gewesen! Mit zweiundzwanzig Jahren in jungem, zeitgenössischen Spiel inszenierte, ihre Auseinander- „Wer ist John Maynard?" Aber durchs Sprachrohr fragt er an: war er schon tot! Aber dieser Goethe! Dieses olympische „John Maynard war unser Steuermann, „Noch da, John Maynard?“ – „Ja, Herr. Ich bin.“ – Monstrum, das allein mehr Jahreszahlen verbraucht hat setzung mit Goethe nun konsequent fort. Erneut in Zusammen- Aushielt er, bis er das Ufer gewann, „Auf den Strand! In die Brandung!“ – „Ich halte drauf hin.“ Er hat uns gerettet, er trägt die Kron, Und das Schiffvolk jubelt: „Halt aus! Hallo!“ als alle anderen Dichter zusammen! Dreiundachtzig Jahre arbeit mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Birgit Klötzer, Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn. Und noch zehn Minuten bis Buffalo. — — hat er alt werden müssen; in alles hat er sich dreinmischen erneut mit einem sehr gegenwärtigen Blick auf den Seelenriss, John Maynard." müssen, bei jedem Datum war er dabei; so oft er mit einem * „Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt's Frauenzimmer was zu tun gehabt hat, ist er fruchtbar auf die tiefen Konflikte, die den Protagonisten treiben: Die „Schwalbe“ fliegt über den Eriesee Mit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt's!“ geworden ... und hat einen neuen Brocken gesammelte Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee; Und in die Brandung, was Klippe, was Stein, Ein TASSO für eine neue Generation. Werke von sich gegeben. Wo er ein Gras gesehen hat, hat Von Detroit fliegt sie nach Buffalo — Jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein. Die Herzen aber sind frei und froh, Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so. er ihm gleich wachsen zugehört; alle besseren Herren in Und die Passagiere mit Kindern und Fraun Rettung: der Strand von Buffalo! seiner Nähe hat er in „Gespräche mit Goethe“ verwickelt Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun, * und die entfernteren hat er zu zwei- bis dreibändigen Und plaudernd an John Maynard heran Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt. Briefwechseln benützt; und wie er schon ganz alt war und Tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?“ Gerettet alle. Nur einer fehlt. nicht mehr hat schreiben können, hat er sich den Ecker- Der schaut nach vorn und schaut in die Rund: * mann geholt und hat ihm Löcher in den Bauch geredet, „Noch dreißig Minuten ... halbe Stund!“ Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n Himmelan aus Kirchen und Kapell'n, nur damit auch aus dieser Zeit etwas über ihn zu lernen ist! Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei — Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt, Linerl: Aber es wird doch net alles so wichtig sein! Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei, Ein Dienst nur, den sie heute hat: Züst: Nicht wichtig?! Sag‘ das einmal dem Professor „Feuer!“ war es, was da klang, Zehntausend folgen oder mehr, Hinterhuber! Kopierend. „In Goethes Leben ist nichts un- Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang, Und kein Aug im Zuge, das tränenleer. wichtig! Merken Sie sich das, Sie Grünschnabel! Goethe ist Ein Qualm, dann Flammen lichterloh, ein Heiligtum! ...“ Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo. Sie lassen den Sarg in Blumen hinab, Mit Blumen schließen sie das Grab, Und die Passagiere, buntgemengt, Und mit goldner Schrift in den Mamorstein ALFRED POLGAR UND EGON FRIEDELL: Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt, Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein: PREMIERE GOETHE. GROTESKE IN ZWEI BILDERN. Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht, „Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand Am Steuer aber lagert sich's dicht, Hielt er das Steuer fest in der Hand, Und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? Wo?“ Er hat uns gerettet, er trägt die Kron, April 2020 Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. — Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn. John Maynard!“ 19.30 Uhr, in der Box THEODOR FONTANE Inszenierung: Milena Fischer-Hartmann
Sie können auch lesen