K-EINS-18 interventionen im öffentlichen raum - Linda Steck, 6c Kantonsschule Hohe Promenade, Zürich Schuljahr 2018/2019 - Impuls Mittelschule

Die Seite wird erstellt Sven-Aarge Nowak
 
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K-EINS-18 interventionen im öffentlichen raum - Linda Steck, 6c Kantonsschule Hohe Promenade, Zürich Schuljahr 2018/2019 - Impuls Mittelschule
Linda Steck, 6c
           Kantonsschule Hohe Promenade, Zürich
                               Schuljahr 2018/2019

                        K-EINS-18
    interventionen im öffentlichen raum

       Betreuende Lehrperson      Irene Ledermann
               Korreferentin       Veronica Votta

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INHALTSVERZEICHNIS

  EINLEITUNG                                                                             1
  INTERVENTIONEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM                                                    3
     KERI SMITH                                                                          4
     BANKSY                                                                              5
     GUERILLA GARDENING                                                                  6
  EINE AUSWAHL DER AKTIONEN VON K-EINS-18                                                7
     POST-IT                                                                             7
     VERÄNDERE DIESE KARTE                                                              10
     RESERVIERT FÜR...                                                                  11
     FÜR DICH, EINFACH SO no.1 – BRIEFKASTEN                                            13
     FÜR DICH, EINFACH SO no. 2 – SCHWARZ-WEISS ZU VERSCHENKEN                          15
  PROZESS                                                                               16
  REFLEXION                                                                             22
  LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS                                                     23
     GEDRUCKTE QUELLEN                                   Fehler! Textmarke nicht definiert.
     INTERNETQUELLEN                                     Fehler! Textmarke nicht definiert.
     ABBILDUNGSVERZEICHNIS                               Fehler! Textmarke nicht definiert.
  ANHANG                                                 Fehler! Textmarke nicht definiert.

                                                                    0
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EINLEITUNG

    mir war schon immer klar, dass ich meine maturarbeit im rahmen des bildnerischen gestaltens
    schreiben will, denn ich bin sehr gerne kreativ tätig, male oft, erfinde gerne neue gerichte oder nähe
    kleider nach selbst entworfenen schnittmustern. im herbst 2017 habe ich den artikel Willkommen in
    der verrückten Welt von Keri Smith im MAGAZIN1 gelesen. in diesem artikel erfuhr ich von Smiths buch
    The Guerilla Art Kit, in dem sie dazu anregte, unkonventionelle verbreitungsmethoden für kunstwerke
    zu suchen, etwa auf gehsteigen, stickern, posters, flugblättern2.

    diese idee faszinierte mich unglaublich und ich wusste sofort, dass ich das zum thema meiner
    maturarbeit machen will. die vorstellung, anonym kleine nachrichten zu verteilen, die bei der leserin3
    eine reaktion auslösen – und sei sie noch so klein – gefiel mir.

    viel früher schon hatte ich eine andere idee. ich wollte einen fragekatalog im stil von Rolf Dobellis
    Fragen an das Leben4 aufstellen. als ich mir jetzt die frage stellte, was für nachrichten ich verbreiten
    will, war mir schnell klar, ich würde die beiden ideen verbinden und post-it zettel mit fragen
    bedrucken.

                                                                                                                    1 Das Magazin N° 39

1
  Seiler, Christian: Willkommen in der verrückten Welt von Keri Smith, in: Das Magazin N° 39, 30. September 2017.
2
  Ebd., S. 14.
3
  in dieser maturarbeit wird der einfachheit halber nur die weibliche form verwendet. die männliche form ist
selbstverständlich immer mit eingeschlossen.
4
  Dobelli, Rolf: Fragen an das Leben, Zürich 2004.

                                                                                        1
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ich war so begeistert von diesem thema, dass ich unmöglich bis im frühling warten konnte, um meine
interventionen im öffentlichen raum zu starten. deshalb beschloss ich, mein projekt unter dem
namen K-EINS-18 bereits im januar 2018 zu beginnen. ich wählte diesen namen, da es sich um meine
erste kunstaktion handelt, K-EINS. die 18 verweist auf das jahr 2018.

am 1. januar frühmorgens, damit mich möglichst niemand sehen würde – ich wollte ja anonym
bleiben – machte ich mich auf den weg, um in zürich meine ersten post-it zettel aufzuhängen.
passend zum datum lautete die frage: „wird es ein gutes jahr?“. dass es nicht bei den post-it- fragen
bleiben würde, sondern dass noch viele andere, ganz verschiedenartige aktionen dazukommen
würden, wusste ich damals noch nicht.                                                                   1. januar – im seefeld

                                                                              2
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INTERVENTIONEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM

    interventionen im öffentlichen raum können sehr vielfältig sein. meistens haben sie folgende
    merkmale:

    • sie spielen mit dem urbanen raum, dem ort, der umgebung und dem vorhandenen.
    • sie werden in eigeninitiative autonom hergestellt, sind nicht kommerziell und selbst finanziert.
    • sie autorisieren sich selbst. beim eingriff in den öffentlichen raum wird nicht um erlaubnis gefragt.
    • sie sind kostenlos zugänglich und außerhalb etablierter orte der kunstvermittlung anzutreffen5.

    auch ich habe mir diese grundsätze zu eigen gemacht. zusätzlich war mir wichtig, dass kein fremdes
    eigentum beschädigt wird, d.h. meine interventionen im öffentlichen raum sollten wieder entfernt
    werden können. zudem wollte ich mit meinen aktionen anonym bleiben. einerseits strahlt anonymität
    immer etwas geheimnisvolles aus, andererseits schafft sie freiheit. ich bin freier in meinem tun und
    die betrachterin meiner aktionen ist freier im interpretieren meiner interventionen, da sie
    unvoreingenommen ist.

    bevor ich von meinen aktionen berichte, möchte ich drei etablierte exponenten dieser kunstgattung
    vorstellen:

    • Keri Smith, weil ihre ideen mich hauptsächlich inspiriert haben
    • Banksy, weil ich seine arbeiten schon seit längerem verfolge und sie mir ausserordentlich gefallen
    • guerilla gardening in zürich aufgrund des lokalen bezugs

5
 Gabbert, Jan: Street Art. Kommunikationsstrategie von Off-Kultur im urbanen Raum, Masterarbeit, Potsdam
2007, S.16.

                                                                                   3
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KERI SMITH

    die gebürtige kanadierin ist kaum bekannt, obwohl ihre bücher bestseller sind. das liegt daran, dass
    sie sich schlicht weigert, ein star zu sein. sie widersetzt sich nach dem vorbild der musikband fugazi6
    den spielregeln der branche, sich selbst zu kommerzialisieren und verzichtet freiwillig auf ruhm,
    anerkennung und geld.7

    der fokus der konzeptkünstlerin liegt darin, das publikum als gestalterin miteinzubeziehen, wie in
    einem ihrer bekanntesten und erfolgreichsten bücher wreck this journal 8, welches 2007 erschien.
    das im deutschsprachigen raum unter dem titel mach dieses buch fertig erschienene buch ist voller
    anweisungen, was man mit dem buch machen soll. die leserin wird beispielsweise aufgefordert, eine
    seite in brand zu setzen oder mit kaffee zu bekleckern oder gnadenlos durch mehrere seiten hindurch
    zu schneiden.
                                                                                                                       2 Ausschnitt aus Keri Smiths Buch Mach dieses Buch
    im selben jahr erschien auch The Guerilla Art Kit9, in dem Keri Smith unkonventionelle                             fertig
    verbreitungsmethoden für kunstwerke vorstellt und die leserinnen animiert, selbst künstlerisch tätig
    zu werden.

6
  fugazi waren eine postpunk- und hardcoreband der achtziger- und neunzigerjahre und verweigerten sich dem
kommerz der musikindustrie. sie unterschrieben nie bei einem grossen label und verkauften ihre konzertkarten
billig, damit sie sich jeder fan leisten konnte. sie machten für nichts und niemanden werbung, nicht einmal für sich
selbst.
7
  Seiler, Christian: Willkommen in der verrückten Welt von Keri Smith, in: Das Magazin N° 39, 30. September 2017,
S. 12.
8
  Smith, Keri : Wreck This Journal. New York 2013.
9
  Smith, Keri : The Guerilla Art Kit. New York 2007.

                                                                                          4
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BANKSY

      Banksy gehört weltweit zu den berühmtesten sprayern. wer hinter dem pseudonym steckt, ist aber
      nach wie vor unbekannt. er ist hauptsächlich für seine graffitis bekannt, die er meistens mithilfe von
      schablonen zahlreich an die wände sprayt. er ist der meinung, dass eine wand der beste platz ist,
      kunst zu verbreiten 10 , da sie so für alle zugänglich ist. die motive sind zum teil witzig, wie zum beispiel
      die zwei sich küssenden bobbys11. es gibt aber auch politische und gesellschaftskritische arbeiten von
      banksy, wie sein neustes werk vom märz 2018 in new york. auf einer 21 meter langen mauer sind
      schwarze striche wie gitterstäbe eines gefängnisfensters zu sehen. durch die gitterstäbe schaut die
      kurdische künstlerin und journalistin Zehra Dogan hindurch. sie wurde inhaftiert wegen einem
      gemälde, welches die zerstörung einer türkischen stadt zeigt.

      wie Keri Smith kritisiert auch Banksy den kunstkommerz. mit einer aufsehen erregenden aktion
      machte er erst kürzlich darauf aufmerksam, wie sehr er den kunsthandel verabscheut. eine kopie von
      The Girl with Balloon wurde versteigert und im moment, als der hammer fiel, aktivierte sich ein
      schredder-mechanismus, der im rahmen versteckt war. The Girl with Balloon wurde vor den augen
      der auktionsbesucherinnen zum neuen kunstwerk Love is in the Bin.

                                                                                                                      3 Schablonengraffiti von Banksy in Brighton:
                                                                                                                      kissing coppers

10
     „a wall has always been the best place to publish your work“ aus: Banksy: Wall and Piece. London 2005, S. 8.
11
     Banksy: Wall and Piece. London 2005, S. 31.

                                                                                          5
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GUERILLA GARDENING

     nicht alle blumen, die man in zürich im öffentlichen raum sieht, wurden von der stadt gepflanzt. so
     werden in einer guerilla gardening aktion seit vielen jahren malvensamen gesät. der erste zürcher
     guerilla gardener ist Maurice Maggi. seit 1984 sät der „blumenrebell“ – wie er mittlerweile genannt
     wird – in zürich und umgebung malvensamen. er wählte diese blumensorte, weil sie bis zum ersten
     kälteeinbruch blühen, anspruchslos und robust sind. zudem gibt es sie in vielen verschiedenen farben,
     von weiss bis violett.

     Maurice Maggi schloss eine lehre als landschaftsgärtner ab und bildete sich später autodidaktisch
     zum koch aus. als er anfang der neunziger jahre nach new york reiste, um dort als küchenchef zu
     arbeiten, lernte er die dortige green-guerilla bewegung kennen.

     bis in die achtziger jahre hat Grün Stadt Zürich Maggis blumen entfernt, mittlerweile werden sie
     stehen gelassen und man freut sich auch bei Grün Stadt Zürich darüber. seit april 2018 verteilt Grün
     Stadt Zürich eigene malvenmischungen und animiert die bevölkerung, ebenfalls guerilla gardening zu
     betreiben. sogar auf der werbung für die stadt zürich von Schweiz Tourismus sind Maggis malven zu
     sehen12.

                                                                                                                4 Maggis malven in zürich

12
  Grossrieder, Beat: Der Blumenrebell, in: NZZ, 16. Juli 2016. URL: https://www.nzz.ch/gesellschaft/aktuelle-
themen/guerilla-gaertner-maurice-maggi-der-blumenrebell-ld.105831 [31.10.2018]

                                                                                     6
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EINE AUSWAHL DER AKTIONEN VON K-EINS-18

      von januar bis dezember 2018 habe ich insgesamt 70 post-it-fragen gestreut und 19 andere kunstaktionen
      realisiert. sie alle zu beschreiben würde den rahmen dieser arbeit sprengen. ich stelle deshalb im folgenden nur
      eine auswahl vor 13.

      POST-IT

      die post-it-fragen waren meine grösste aktion, denn sie dauerte ein ganzes jahr.
                                                                                                                           5. januar – im seefeld
      am 1. januar begann ich meine ersten post-its aufzuhängen. bis ende februar klebte ich im seefeld
      pro woche an 2-3 tagen je ungefähr 120 post-its auf. die gelben zettel befestigte ich bei
      tramhaltestellen, an strassenlaternen, auf schaufenstern oder an briefkästen.

      ich bedruckte die post-its mit fragen, die zum nachdenken anregen oder gar provozieren sollten,
      fragen, welche die aktualität aufnahmen, aber auch fragen mit einem augenzwinkern.

      schon am 6. januar, als ich dabei war, meine dritte post-it-frage zu streuen, sprach mich ein
      taxifahrer darauf an und fragte, um was es bei meiner aktion gehe und wo man mehr darüber
      erfahren könne. nun war mir klar, dass ich die webseite, die ich bereits geplant, aber noch nicht
      aufgesetzt hatte, sofort in angriff nehmen musste. ich wählte den anbieter yola.com, der zwar nicht
      sehr viele gestaltungsmöglichkeiten bietet, aber als einziger kostenlos die besucherzahlen
      aufzeichnet. wichtig war mir zudem die feedback-funktion.                                                            9. januar – im seefeld
                                                                                                                         schon bald erhielt ich nicht nur persönliche
                                                                                                                         rückmeldungen beim aufhängen im seefeld,

13
     eine auflistung aller aktionen und aller post-it-fragen befindet sich im anhang.

                                                                                            7
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sondern auch auf meiner homepage. es kam aber auch vor, dass leute ihre antwort direkt unter meine
frage schrieben.

ende februar begann ich, die post-its an anderen orten aufzuhängen und fragen mit einem bezug
zum ort zu stellen. im zug und in trams stellte ich beispielsweise die frage wohin fährt wohl die person
vis à vis von Ihnen?, in buchhandlungen klebte ich post-its auf bücher mit fragen wie fällt es Ihnen
schwer in bücher reinzuschreiben?, wie fühlt sich lesen an? oder wie wird Sie dieses buch verändern?.

dann ging ich dazu über, meine fragen überall aufzuhängen, wo ich vorbeikam, oder auch in private
briefkästen zu kleben. eine serie von fragen liess ich ins persönliche fach einiger lehrpersonen der
Hohen Promenade legen.
                                                                                                           10. februar - seefeld
das feedback fiel ganz unterschiedlich aus. im januar kam Donald Trump fürs WEF nach davos.
anlässlich seines besuches stellte ich die frage was trägt trump wohl für ein pyjama?. von allen nicht
persönlich adressierten post-its generierte diese frage am meisten klicks auf der homepage. das hat
mich sehr überrascht. es könnte sein, dass die besucher auf der webseite eine antwort erwarteten.

auf persönlich adressierte post-it-fragen erhielt ich jeweils deutlich mehr klicks als auf wild
aufgehängte, was nachvollziehbar ist. besonders gefreut haben mich natürlich jeweils positive
feedbacks auf meiner homepage. so schrieb mir Elli:

   Ich halte jedesmal nach einem neuen post it Ausschau. Danke für die schöne Idee.

als ich am 22. februar im seefeld mein vorläufig letztes post-it aufhängte mit der frage ich ziehe nun
weiter, werden Sie mich vermissen?, antwortete mir Carmelo:

   Und wie werde ich Sie vermissen! Die Zettel haben Suchtpotential...!
                                                                                                           19. märz – in der S16

                                                                                8
provozierende fragen riefen logischerweise negatives feedback hervor. in der Hohen Promenade
stellte ich folgende zwei fragen:

   gucci, longchamp, balenciaga: sind gymnasiasten luxusgeschöpfe?
   fjällräven, stussy, yeezy: wo bleibt die individualität der jugendlichen?

ein kommentar darauf lautete:

   ...Ist die Idee, Menschen zum Denken anzuregen? Oder schlicht die Jugend und die Bevölkerung zu
   beleidigen? ... Lasst die Menschen anziehen, was sie wollen...

bis ende september hängte ich regelmässig post-it-fragen auf. dann wollte ich wissen, welche fragen
sich andere stellen. ich druckte alle meine bisher erschienen fragen auf einen farbigen papierbogen.
                                                                                                           5. april – am löwenplatz
diesen fragekatalog drückte ich den passantinnen auf der chinawiese in die hand mit der
aufforderung, mir zu verraten, welche fragen sie sich stellen. die idee war, die fragen der passantinnen
später auf post-its zu drucken. leider waren nicht sehr viele leute bereit, ihre fragen zu notieren.
immerhin kamen fünf listen mit fragen zusammen. die fragen, die mir am besten gefielen, begann ich
ab mitte september zu streuen.

das letzte post-it werde ich am 31. dezember 2018 aufhängen gehen.

                                                                                9
VERÄNDERE DIESE KARTE

     mein aktion mit den zeitungsfotokarten war eine weiterentwicklung von Keri Smiths Postcard
     Project14. auf A6 karten klebte ich fotos von bekannten personen, vorwiegend politikerinnen, die ich
     aus zeitungen ausgeschnitten hatte. ich wählte personen aus, die gerade im gespräch oder sicher
     allen bekannt waren, so zum beispiel den neu gewählten zürcher regierungsrat, Trump und Macron
     oder Putin und Merkel. auf der rückseite forderte ich dazu auf, das bild auf der karte so zu verändern,
     bis es der finderin gefällt, und sie anschliessend zurückzuhängen. zusammen mit kugelschreibern
     befestigte ich die karten an die tiefhängenden äste einer trauerweide an der zürcher seepromenade.

     die aktion fand grossen anklang. kaum hatte ich am mittag die ersten karten aufgehängt, stürzten
     sich passantinnen förmlich darauf und begannen zu malen. als ich abends wieder vorbeiging, waren
     alle fotos mit kommentaren und zeichnungen versehen. wie erwartet, gab es hauptsächlich kritische
     bemerkungen, vereinzelt aber auch lustige.

     wer hat nicht schon einmal das zeitungsfoto einer öffentlichen person mit einem schnauz versehen?
     genau diese idee stand hinter meiner aktion. ich wollte den passantinnen die möglichkeit geben,
     kreativ zu werden, aber auch ihre kritik auszudrücken. die aktion lebt aber auch davon, dass die karten
     zurückgehängt werden müssen, sodass jede die künste der anderen begutachten kann.

14
  Smith, Keri: The Guerilla Art Kit. New York 2007, S. 88-89.
im Postcard Project regt Keri Smith dazu an, im öffentlichen raum kunstkarten zu streuen mit der aufforderung,
die karten zu verändern und dann wieder zurückzulegen oder weiterzugeben. im mai führte auch ich ein
kunstkarten projekt durch.

                                                                                     10
RESERVIERT FÜR...

      seit ein paar jahren stehen auf dem sechseläutenplatz stühle, auf denen sich passantinnen ausruhen
      können. frühmorgens an einem julisonntag begann ich 110 stühle für bestimmte leute zu reservieren.
      an der lehne des stuhls befestigte ich eine laminierte A6 karte, auf der zum beispiel stand reserviert
      für alltagsheld.
      die begriffe auf den reservationskarten können grob in 4 kategorien unterteilt werden:
      •    namen und vornamen, wie laura, valentin, olga, ahmed, ruth, frau meier, herr huber, etc.
      •    alte dialektausdrücke15 wie rätschbäse, bodesuri, chratzbürschte, blödian, modetüpfi, etc.
      •    aktuellere bezeichnungen wie dramaqueen, 1 nicer dude, suchti, bücherwurm, etc.
      •    namen aus der literatur, der politik oder aus einem lied, die ich paarweise oder in gruppen
           aufstellte wie
           max und moritz, leonce und lena, romeo und julia,
           vladimir, donald, angela, emmanuel,
           lööl, blöde siech, glünggi, sürmel.

      ein paar bäume auf dem sechseläutenplatz reservierte ich zudem für hunde, so zum beispiel für idefix,
      struppi, lassie, etc.16

      auf meiner webseite schaltete ich gleichzeitig den post, dass wer seinen namen oder einen
      gewünschten begriff nicht gefunden hat, mir schreiben soll. andreas, emilia und sabina haben sich
      darauf bei mir gemeldet und nachträglich eine eigene reservation bekommen.

15
     Gallmann, Heinz: Zürichdeutsches Wörterbuch. Zürich 2009.
16
     die liste aller reservationsschilder findet man auf meiner webseite: www.k-eins-18.ch, eintrag vom 22. juli.

                                                                                           11
die aktion hat etwas spielerisches an sich. die begriffe sollen überraschen oder amüsieren. zudem
könnte ich mir vorstellen, dass die eine oder andere die stühle auch absuchte, in der hoffnung ihren
namen zu finden.

reserviert für... erreichte am meisten leute. nicht nur konnte ich zahlreiche passantinnen beobachten,
die von einem stuhl zum andern gingen, um die reservationen zu lesen, laut seitenaufruf-diagramm
besuchten auch 192 leute meine webseite, ein record.
die schilder blieben sieben tage hängen, bevor sie entfernt wurden.

                                                                              12
FÜR DICH, EINFACH SO no.1 – BRIEFKASTEN

     in den sommerferien startete ich die briefkastenaktion. ich griff dabei die idee auf, einfach so etwas
     zu verschenken, ohne dass es werbung ist oder ein profitgedanke dahinter steckt. während mehreren
     wochen hinterliess ich in 35 ausgewählten briefkästen im niederdorf unregelmässig botschaften.

     bei der ersten nachricht handelte es sich um eine wiesenblume, die in einer karte mit der aufschrift
     für dich steckte.

     das zweite mal klebte ich ein post-it mit der aufschrift wofür bist du in deinem leben am meisten
     dankbar? bitte antworte mir auf K-EINS-18.ch in die gleichen briefkästen.

     das dritte geschenk war eine karte mit einem walfisch und einem etwas abenteuerlichen
     tagebucheintrag eines kapitäns. er erzählte, wie er von einem walfisch verschluckt und schliesslich
     von seiner mannschaft gerettet wurde. diese kleine anekdote fand ich in einem buch17 und konnte sie
     fast nicht glauben, deshalb suchte ich im internet nach beweisen für diese geschichte. ich wollte diese
     anekdote weiterschenken und stellte mir vor, wie vielleicht auch die beschenkten personen zu
     recherchieren beginnen.

     die vierte karte war ein bild aus der zeitung, das vier balletttänzer während einem anmutigen
     luftsprung zeigt. es scheint fast, als würden sie schweben. auf der rückseite notierte ich
     handschriftlich fühle dich heute federleicht. schenke die karte weiter, wenn du willst.

17
   Riva Verlag (Hg.): Die Freiheitsstatue hat Schuhgrösse 1200. Die neue Dosis unnützes Wissen. München 2013,
S. 204.

                                                                                    13
meine letzten beiden botschaften ähnelten der zweiten briefkastenaktion, wobei die thematik einmal
     die nase und einmal das auge darstellte18.

     auf all die briefkastenbotschaften fielen die reaktionen unerwartet gering aus. ich erhielt während
     dieser zeit lediglich einen einzigen kommentar, doch immerhin besuchten ungefähr 30 leute die
     webseite. mit so wenig echo habe ich nicht gerechnet. ich nahm an, dass wer mehrmals etwas
     persönlich erhält, ein feedback auf der homepage hinterlassen würde. trotzdem bin ich mir sicher,
     dass die kleinen botschaften irgendetwas ausgelöst haben.

18
     die details dazu findet man auf meiner webseite: www.k-eins-18.ch, eintrag vom 26. august und september.

                                                                                      14
FÜR DICH, EINFACH SO no. 2 – SCHWARZ-WEISS ZU VERSCHENKEN

  die idee des verschenkens habe ich später in einer weiteren aktion wieder aufgenommen. auf dem
  lindenhof und dem sechseläutenplatz spannte ich zwischen mehreren bäumen orangefarbene
  wollschnüre und hängte daran schwarz-weisse fotografien auf. es waren einerseits alte französische
  postkarten mit elegant gekleideten pariserinnen, andererseits aufnahmen, die einen lustigen moment
  festhielten, wie zum beispiel ein mann, der auf einem liegestuhl schlafend von der flut überrascht
  wird oder ein kind, das im kinderwagen seinen hund spazieren fährt.
  neben den schwarz-weiss-bildern befestigte ich orangefarbene zettel mit der aufforderung, eine
  karte auszuwählen und weiterzuschenken.
  die idee des weiterschenkes war mir dabei sehr wichtig. es ging nicht darum, etwas gratis zu
  bekommen, sondern eine passende karte für jemand anderen auszuwählen und sie dann
  weiterzugeben.
  die aktion ist zudem nicht in dem moment zu ende, wo eine passantinn eine karte von der leine nimmt,
  sie geht weiter und involviert noch eine weitere person.

  schon während ich die karten aufhängte, kamen passantinnen vorbei und fragten mich etwas
  ungläubig, ob sie wirklich einfach eine karte mitnehmen dürften. als ich die installation beendet hatte,
  setzte ich mich in der nähe hin und beobachtete das geschehen. es gab leute, die fotografierten einige
  karten oder die ganze installation. andere nahmen mit einem lächeln im gesicht eine karte von der
  schnur, und ich stellte mir vor, dass sie nun gerade an die person dachten, der sie die karte später
  überreichen würden.

                                                                                 15
PROZESS

      das erste konzept meiner arbeit vom 14. april sah zwei arten von interventionen vor. geplant waren
      das ganze jahr über post-it-fragen an verschiedenen orten und von april bis august monatlich eine
      grössere aktion19.
      die post-it-fragen realisierte ich regelmässig bis ende jahr. wie geplant stellte ich fragen zum
      nachdenken und provozieren. angeregt von meinen anderen aktionen, die dazu aufforderten, kreativ
      zu werden, stellte ich später aber auch multiple-choice-fragen oder ich fügte der frage die
      aufforderung hinzu, mir auf meiner homepage zu antworten.

      die fragen waren meist ein spiegel meiner gedanken. ich nahm auf, was mich gerade beschäftigte
      oder stellte fragen zur aktualität oder zu in der zeitung gelesenem. als ich in den frühlingsferien 9
      tage in südspanien verbrachte, streute ich auch dort meine post-it-fragen. es stellte sich jedoch als
      ziemlich schwierig heraus, für spanien passende fragen zu finden. ich realisierte, dass ich den ort
      spüren musste, um zu wissen, welche fragen passen würden.

      zu beginn stellte ich meine fragen immer in der höflichkeitsform. ende märz war mir das Sie plötzlich
      zu distanziert und ich ging zum du über. dank der feedbacks, die ich erhalten hatte, war meine
      leserschaft von einer anonymen masse zu einem publikum geworden, dem ich mich nun näher fühlte.

      wie im konzept vorgesehen streute ich meine fragen im januar und februar nur im seefeld. ende
      februar verabschiedete ich mich von den passantinnen im seefeld mit der frage ich ziehe nun weiter,
      werden Sie mich vermissen? um in öffentlichen verkehrsmitteln, in buchhandlungen oder schulen
      weiterzumachen.

19
     das detaillierte, erste konzept befindet sich im anhang.

                                                                                   16
ende märz realisierte ich plötzlich, dass ich mich von meinem eigenen konzept hatte einengen lassen.
      im seefeld hatte ich von ein paar leuten nämlich immer wieder feedback erhalten, auf das ich zum
      teil auch reagierte. es entstand ein kleines ping-pong von fragen und antworten, das ich
      dummerweise abbrach, nur um mich an mein konzept zu halten und zur nächsten phase überzugehen.
      im nachhinein bedaure ich das sehr. ich nahm mir vor, ab sofort flexibel zu sein und nicht mehr stur
      an meinem konzept festzuhalten. ich wollte meine aktionen in zukunft nach der devise weniger kopf,
      mehr intuition realisieren.

      ab april ging ich dann dazu über, meine post-it-fragen überall dort aufzuhängen, wo ich gerade war.

      von meinen grösseren aktionen, die in den sommermonaten vorgesehen waren, realisierte ich nur zwei
      genau so wie geplant: die frühlingsgedichte an ostern und die umfrage wie lautet deine frage? 20

      die anderen aktionen änderte ich leicht ab oder ich realisierte sie gar nicht, weil sie mir nicht mehr
      stimmig, unbrauchbar oder gar langweilig schienen.
      beispielweise hatte ich geplant, alle stühle auf dem sechseläutenplatz in einer linie aufzustellen und
      auf jeden stuhl ein wort zu kleben. aneinandergereiht hätten die wörter eine kurzgeschichte ergeben.
      als ich im juni meine erste aktion auf dem sechseläutenplatz startete21 und dabei die stühle in grossen
      und kleinen kreisen aufstellte, sah ich, dass leute die stühle, kaum hatte ich sie plaziert, wieder
      wegtrugen. die idee mit der kurzgeschichte konnte also gar nicht funktionieren. entstanden ist dann
      später die aktion reserviert für...

20
     siehe kapitel POST-IT, seite 9 dieser arbeit.
21
     siehe weiter unten: aktion auf dem sechseläutenplatz kannst du dich verwirklichen.

                                                                                          17
auch die für juli geplante aktion realisierte ich nicht. geplant war ein wörterpuzzle, das ich an der
     seepromenade auflegen wollte. auf steine oder auf holztäfelchen aufgemalte wörter sollten
     verschieden arrangiert unterschiedliche fragen ergeben. die idee erschien mir zum zeitpunkt, als ich
     sie laut konzept hätte realisieren müssen, zu starr. möglich wäre nur eine beschränkte anzahl fragen
     gewesen. ich wollte meine aktionen aber offener gestalten und die leute in ihrer kreativität nicht
     limitieren.

     es gab auch aktionen, die ich, obwohl geplant, nie verwirklichte. inspiriert von Keri Smiths Guerilla Art
     Scavenger Hunt 22 arbeitete ich ein konzept für einen HoPro parcours aus. die planung lag schon sehr
     detailliert vor, doch als es an die eigentliche realisierung ging, fand ich die idee plötzlich langweilig
     und kindisch. entstanden sind daraus aber später andere interventionen wie follow this arrow 23 oder
     der faden der ariadne 24.

     beeinflusst von Keri Smith buch The Guerilla Art Kit, realisierte ich ab mai immer wieder
     interventionen, welche das publikum miteinbezogen und aktiv werden liessen.

     ich begann mit sehr einfach gestalteten, selbst gemalten kunstkarten, die viel raum zum
     interpretieren und verändern liessen. ich hängte sie an der seepromenade auf und regte dazu an, die
     karten zu verändern und zurückzuhängen oder mitzunehmen. die karten waren innert kürzester zeit
     weg. entweder hatten alle die zweite option gewählt und die karten mitgenommen oder es lag an den
     fehlenden stiften. als ich das nächste mal am selben ort die fotokarten mit den politikerinnen
     aufhängte, klammerte ich kugelschreiber an die blätter. daraufhin habe ich deutlich mehr echo
     erhalten. alle benötigten materialien standen bereit, die aktion wurde ein erfolg.

22
   Smith, Keri: The Guerilla Art Kit. New York 2007. S. 111.
23
   genaueres zu dieser aktion siehe weiter unten in diesem kapitel.
24
   aus verschiedenen richtungen führten gelbe wollfäden zu einem baum auf dem grossmünsterplatz. unter diesen
baum stellte ich ein glas, darin ein blatt mit der aufschrift wenn es dir heute gut geht, mach hier einen strich.

                                                                                       18
motiviert von diesem erfolg suchte ich weitere möglichkeiten und formen, das publikum zu
aktivieren.
anlässlich der abstimmung über die nutzung des sechseläutenplatzes vom 9. juni realisierte ich die
aktion auf dem sechseläutenplatz kannst du dich verwirklichen. ich gruppierte die stühle auf dem
platz zu kreisen und legte kleine kreidepäcklein in die mitte mit der aufforderung, kreativ zu werden.
die kreide wurde rege genutzt und der sechseläutenplatz war am ende des tages mit
kreidezeichnungen und kurzen botschaften verziert.
auch bei späteren aktionen stellte ich immer wieder kreide zur verfügung, weil ich merkte, dass das
die leute ansprach.

im august veranstaltete ich unter dem namen follow this arrow einen kleinen parcours in der nähe
des grossmünsters. am ende des pfades lagen unter anderem kreiden bereit und die möglichkeit, ein
feedback zu geben. nicht nur der boden, sondern auch die mauern wurden bemalt und beschriftet.
zwei feedbacks freuten mich ganz besonders und erklären vielleicht auch den erfolg dieser kreide-
aktionen.

Anna aus spanien schrieb:

   it’s beeing a child again.

und Deepack aus indien:

   never did before something like this.

neben den post-it-fragen und den interventionen, welche die kreativität anregen sollten, rückte eine
dritte idee immer mehr in den vordergrund, nämlich einfach so etwas zu schenken. bereits die
frühlingsgedichte, die ich am ostersamstag ans geländer der quaibrücke und an die bäume auf dem
lindenhofplatz hängte, versah ich mit der bemerkung:

wenn Ihnen dieses gedicht gefällt, dürfen Sie es mitnehmen.

                                                                              19
ab ende juli realisierte ich eine ganze reihe von aktionen mit der idee des schenkens und
     weiterschenkens, so zum beispiel die bereits vorgestellte briefkastenaktionen oder schwarz-weiss zu
     verschenken, aber auch die kleine zugslektüre25 der kluge liest im zuge oder die wolkenkarten 26.
     der aspekt des schenkens setzte sich immer mehr durch, vor allem auf grund der positiven feedbacks,
     die ich persönlich oder via homepage erhielt, aber auch weil mir die idee immer mehr gefiel. unsere
     gesellschaft ist geprägt vom gedanken, dass fast nichts gratis ist, jedenfalls empfinde ich das so. mit
     meinen aktionen wollte ich einen gegenpol dazu setzen.

     reserviert für... ist eine aktion, die gänzlich aus dem rahmen fällt.
     entstanden ist sie am 21. juli abends innerhalb von nur 6 stunden. schon seit längerem war ich
     krampfhaft auf der suche nach originellen nachrichten oder texten, die ich auf die stühle des
     sechseläutenplatzes kleben wollte. ich fand nichts brauchbares und die idee erschien mir je länger
     desto fader. ich wurde immer nervöser. in der not fragte ich meine mutter um rat. sie hatte die idee,
     den stühlen begriffe zuzuordnen, wie glück oder freude. besucherinnen des sechseläutenplatzes
     könnten sich so beispielsweise auf den glücksstuhl setzen.
     diese idee überzeugte mich auch nicht ganz, stattdessen entwickelte ich sie weiter: statt glück wollte
     ich glückspilz auf den stuhl schreiben oder alltagsheld oder dramaqueen oder... die aktion war
     geboren! ich wollte stühle für bestimmte personen reservieren. nun begannen die ideen nur so zu
     sprudeln. innerhalb kürzester zeit hatte ich eine lange liste mit unterschiedlichen begriffen
     zusammen. ans aufhören war nun nicht zu denken.

25
  ein exemplar der zugslektüre befindet sich im anhang.
26
   während den sommerferien fotografierte ich unzählige wolkenformationen. ich bedruckte A6 karten
doppelseitig mit zwei verschiedenen sujets und dem spruch verpass das schauspiel am himmel nicht, schau mal
wieder in die wolken. vier karten befinden sich als beispiel im anhang.

                                                                                   20
ich arbeitete wie im rausch und war völlig absorbiert von meiner idee. ich druckte die begriffe noch
am selben abend auf farbige blätter, laminierte sie, schnitt sie zu A6 karten und versah sie mit
kabelbinder oder schnüren. am nächsten tag frühmorgens ging ich auf den sechseläutenplatz und
reservierte 110 stühle.

auch wenn diese aktion, wie bereits erwähnt, nicht viel gemeinsam hat mit all meinen anderen
interventionen, ist sie für mich eines der highlights dieses jahres. das liegt einerseits daran, dass ich
sie mit grosser leidenschaft realisierte und schon während dem realisieren intuitiv wusste, dass es ein
erfolg werden würde. andererseits hat diese aktion etwas leichtes, spielerisches an sich, das mir sehr
gefällt. eine aktion mit augenzwinkern sozusagen.

                                                                                21
REFLEXION

  wenn ich mir nochmals vor augen führe, was ich anfänglich geplant hatte und zu was sich meine
  arbeit schliesslich entwickelt hat, staune ich. geplant hatte ich, regelmässig post-it-fragen zu
  streuen und in den sommermonaten 5 grössere aktionen zu realisieren. die erste lektion, die ich dann
  lernte, war, dass kreativität und kunst nicht planbar sind. zwei mal wöchentlich eine originelle frage
  zu finden setzte mich manchmal ganz schön unter druck. griff ich in der not auf meine zu beginn
  verfasste frageliste zurück, war das selten befriedigend. liess ich mich bei der fragefindung hingegen
  von gelesenem oder erlebtem inspirieren, fühlte sich das richtig und stimmig an. auch die grösseren
  aktionen entstanden meist auf umwegen. geplante interventionen habe ich nicht realisiert oder erst,
  nachdem ich sie weiterentwickelt hatte. die in meinen augen besten resultate entstanden immer,
  wenn ich mich von meiner intuition leiten liess und wenn ich die eigendynamik, die gewisse projekte
  entwickelten, auch zuliess.die zweite lektion, die ich lernte, war also, dass intuition und eine offenheit
  des geistes voraussetzungen sind für künstlerisches schaffen.

  für mich persönlich lernte ich auch, wie gut es mir tut, kreativ zu sein. während den sommerferien
  habe ich verschiedene grössere interventionen realisiert. ich beschäftigte mich während tagen nur
  mit meinen projekten und vergass dabei manchmal sogar zu essen, so absorbiert war ich. fuhr ich
  von einem projekt in zürich nach hause, dachte ich schon auf dem nachhauseweg über die nächste
  aktion nach. während dieser zeit fühlte ich mich unglaublich lebendig und voller energie. ich war
  konstant in einem euphorischen zustand und die ideen sprudelten nur so.

                                                                                   22
wie sollte ich die vielen gedanken, die vielen entwicklungsschritte, die jeder aktion vorangingen, für
die leserin dieser arbeit nachvollziehbar zu papier bringen? es fiel mir nicht einfach, die verschiedenen
projekte und den prozess, den ich mit meiner arbeit durchlief, zu beschreiben. gerne lasse ich deshalb
auch die bilder meines fotobuches sprechen, mit dem ich meine interventionen zusätzlich
dokumentierte. einen weiteren einblick in meine arbeit gibt meine homepage www.K-EINS-18.ch
leider sind die gestaltungsmöglichkeiten meiner homepage ziemlich eingeschränkt und im nachhinein
bedaure ich, keinen anderen anbieter ausgewählt zu haben.

man kann kritisieren, dass die gesamtheit meiner aktionen ein sehr heterogenes bild abgibt. die
meisten interventionen sind jedoch teil eines entwicklungsprozesses, der sich intuitiv ergab und in
den ich nicht korrigierend eingreifen wollte, nur um ein konzept einzuhalten oder damit ein
homogenes bild entsteht. ich wollte mich nicht beschränken, sondern zulassen, was kam.

bei der arbeit an meinen projekten begleiteten mich stets verschiedene gefühle. da war einerseits die
unruhe, die ich jeweils verspürte, bis eine idee soweit gediehen war, dass ich zur realisation übergehen
konnte, dann die grosse motivation und freude, mit der ich meine aktionen umsetzte, aber auch die
zweifel, die immer wieder hochkamen. was mach‘ ich da eigentlich? hat das alles einen sinn? in einer
zeitung entdeckte ich zufällig einen interviewausschnitt von Christo. unsere projekte haben keinen
sinn. ihr zweck ist es, das zu sein, was sie sind, meinte der verpackungskünstler. diese aussage
verstand ich zu hundert prozent und ich fühlte mich wieder bestätigt in meinem schaffen.

und jetzt? die arbeit das ganze jahr über hat etwas in gang gesetzt, das nur schwer zu stoppen ist.
ich stelle immer wieder fest, dass ich schon über neue projekte nachdenke. am meisten gefällt mir
der gedanke einfach so. aber wer weiss, vielleicht nutze ich mein neu gefundenes medium auch, um
auf anliegen des umweltschutzes aufmerksam zu machen, ein thema, das mir sehr am herzen liegt.

                                                                                23
LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

GEDRUCKTE QUELLEN

  Aron, Arthur: 36 Fragen um sich in einem Gespräch (noch) besser kennenzulernen, aus: The Experimental Generation of Interpersonal Closeness 1997.
  Banksy: Wall and Piece. London 2005.
  Dobelli, Rolf: Fragen an das Leben. Zürich 2014.
  Frisch, Max: Fragebogen. Frankfurt am Main 1992.
  Gallmann, Heinz: Zürichdeutsches Wörterbuch. Zürich 2009.
  Riva Verlag (Hg.): Die Freiheitsstatue hat Schuhgrösse 1200. Die neue Dosis unnützes Wissen. München 2013.
  Seiler, Christian: Willkommen in der verrückten Welt von Keri Smith, in: Das Magazin N° 39, 30. September 2017.
  Smith, Keri : Wreck This Journal. New York 2013.
  Smith, Keri : The Guerilla Art Kit. New York 2007.

INTERNETQUELLEN

  Banksy Homepage. URL: http://banksy.co.uk/out.asp [11.10.2018]

  Gabbert, Jan: Street Art. Kommunikationsstrategie von Off-Kultur im urbanen Raum, Masterarbeit, Potsdam 2007.
  https://www.rosalux.de/fileadmin/ls_sh/dokumente/veranstaltungen_2010/reclaimStreet_masterarbeit_gabbert.pdf [11.10.2018]

  Grossrieder, Beat: Der Blumenrebell, in: NZZ, 16.7.2016. https://www.nzz.ch/gesellschaft/aktuelle-themen/guerilla-gaertner-maurice-maggi-der-
  blumenrebell-ld.105831 [31.10.2018]

  Güll, Birgit: Der Mann ohne Gesicht und sein zerstörtes Werk, in: welt, 27.7.2011. https://www.welt.de/kultur/article13509062/Der-Mann-ohne-Gesicht-und-
  sein-zerstoertes-Werk.html [31.10.2018]

                                                                               24
Keri Smith Homepage. http://www.kerismith.com/bio [31.10.2018]

  Maurice Maggi Homepage. http://maurice-maggi.ch/blumengraffiti/tag/malven-stadtplan/ [11.10.2018]

  Metzler, Beat: Stadt Zürich kreiert eigene Guerilla-Mischung, in: Tagesanzeiger, 10.4.2012. https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Stadt-Zuerich-kreiert-
  eigene-GuerillaMischung/story/12769102 [31.10.2018]

  Müller, Monica: Gefahr für Zürichs Guerilla-Malven?, in: Tagesanzeiger, 6.8.2010. https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Gefahr-fuer-Zuerichs-
  GuerillaMalven/story/28491811 [31.10.2018]

  Proust, Marcel: Fragebogen. http://www.alphas.de/downloads/proustfragebogen.pdf [19.10.2018]

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

  1 Das Magazin N° 39, 30. September 2017. https://www.dasmagazin.ch/aktuelles_heft/n39/ [16.12.2018]
  2 Smith, Keri: Wreck This Journal. New York 2013.
  3 Schablonengraffiti von Banksy in Brighton: kissing coppers. http://freakytrigger.co.uk/wedge/2005/10/its-his-subversion-thats-interesting/ [22.10.2018]
  4 Maggi, Maurice: Malven in Zürich, Zürich 2009. http://maurice-maggi.ch/blumengraffiti/malven/malven-zurich/ [31.10.2018]

ANHANG

  auflistung aller aktionen
  konzept vom 14. april 2018
  der kluge liest im zuge
  wolkenbilder

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