Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw

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Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw
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Fachliche Leitlinien für Streetwork/Mobile Jugendarbeit NRW

      Landesarbeitsgemeinschaft
      Streetwork / Mobile Jugendarbeit NRW e.V.
Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw
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                                                              Um der besseren Lesbarkeit willen wird in die-      Bei der Planung und Entwicklung von Projek-
                                                              sem Text die männliche Form verwendet, die          ten, bei konzeptionellen Überarbeitungen oder

    1. Einleitung
                                                              weiblichen Leserinnen sind selbstverständlich       Qualitätsdiskussionen sind die folgenden fachli-
                                                              trotzdem angesprochen. Darüber hinaus muss          chen Leitlinien unverzichtbare Basis. Sie bieten
                                                              angemerkt werden, dass zwar explizit die Ansät-     Orientierung in Bezug auf das berufliche Selbst-
                                                              ze Streetwork und Mobile Jugendarbeit genannt       verständnis.
                                                              werden, jedoch Arbeitsfelder wie Aufsuchende
    Streetwork/Mobile Jugendarbeit (kurz: SW/MJA) ist ein     Jugendarbeit, Aufsuchende Sozialarbeit u. ä. im     In den Jahren 2011/2012 hat sich der Vorstand
    eigenständiges Aufgabenfeld der Sozialen Arbeit.          Folgenden mit darunter gefasst werden.              der LAG mit seinen bestehenden Qualitätskri-
                                                                                                                  terien für das Arbeitsfeld befasst. Über eine
    Zur Wahrung und Weiterentwicklung der fachlichen          Die Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mo-        NRW-weite Fragebogenerhebung wurden die
                                                              bile Jugendarbeit NRW e.V. (LAG) versteht es als    Leitlinien auf ihre Aktualität hin überprüft. Da-
    Qualität in diesem Arbeitsfeld bedarf es der Einhaltung   ihre Aufgabe, fachliche Leitlinien zur Qualitäts-   rauf aufbauend wurden auf einem Fachtag die
    professioneller Standards.                                sicherung zu benennen und Mitarbeitern und          Grundlagen der neuen Qualitätskriterien durch
                                                              Trägern von SW/MJA zugänglich zu machen.            Fachkräfte aus NRW beraten.

                                                              Für die praktische Arbeit ist die Beachtung die-    Somit können die vorliegenden, partizipativ er-
                                                              ser Grundsätze unerlässlich, denn ohne die          arbeiteten fachlichen Mindeststandards für das
                                                              Einhaltung der Mindeststandards ist qualitativ      Arbeitsfeld Streetwork/Mobile Jugendarbeit als
                                                              gute Arbeit kaum möglich.                           Leitlinien aus der Praxis und für die Praxis ver-
                                                                                                                  standen werden.

                                                                                                                  Düsseldorf im November 2012

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Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw
Da beide Arbeitsfelder mehr verbindet als un-               Werner Steffan (2007, S. 948) formuliert die ty-
                                                                                            terscheidet, wurde nach langjährigen Abgren-                pischen Aufgaben und Handlungsebenen für
                                                                                            zungsdiskussionen in den 1970er und 1980er                  Streetwork und Mobile Jugendarbeit folgender-
                                                                                            Jahren schließlich in den 1990er Jahren die                 maßen:
                                                                                            Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobi-
                                                                                            le Jugendarbeit als gemeinsamer Dachverband                 „(...) Knüpfen eines Kontaktnetzes in der Le-
                                                                                            gegründet (Steffan, 2007, S. 658).                          benswelt und Vertrauenserwerb; Pflege des
                                                                                                                                                        Kontaktnetzes mit der Zielgruppe und Vertrau-
                                                                                            Mobile Jugendarbeit hat mit ihrer konzeptionel-             enserhalt; einzelfallorientierte psychosoziale
                                                                                            len Ausrichtung stärkeren Gemeinwesenbezug                  Unterstützung; Gruppen-/Cliquenarbeit; Stadt-
                                                                                            und arbeitet in sozialräumlich orientierten Pro-            teil-/Gemeinwesenarbeit; institutionelle Inno-
                                                                                            jekten. Streetwork hingegen hat einen deutli-               vation in Hintergrundeinrichtungen und durch
                                                                                            chen Milieu-/Cliquenbezug, wie z. B. zur Drogen-,           den Aufbau von Unterstützungsangeboten;
                                                                                            Punk-, Prostitutions-, Straßenkinderszene (ebd.).           Konfliktverhinderung/-vermittlung/Deeskalati-
                                                                                                                                                        on; institutionelle Vernetzung und Verbundar-
                                                                                            Mobile Jugendarbeit ist also im Allgemeinen                 beit; Öffentlichkeitsarbeit, Interessenvertretung;
                                                                                            weniger szene-/brennpunktbezogen und stär-                  Einmischung/Lobbyarbeit und Aktivierung.“
                                                                                            ker stadtteil- und sozialräumlich orientiert,
                                                                                            wobei die häufig praktizierte Verbindung von
                                                                                            lebensweltzentriertem Aufsuchen und ein-
                                                                                            richtungsgebundener Club-/Freizeitarbeit u. a.
                                                                                            wegen unterschiedlicher Auftragslagen einen
                                                                                            Rollenkonflikt bergen kann. Beide Arbeitsfelder
                                                                                            bedienen sich der klassischen Methoden der
                                                                                            Sozialen Arbeit: Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit
                                                     Bild: Franziska Fiolka/photocase.com
                                                                                            und Gemeinwesenarbeit.

    2. Die Arbeitsfelder Streetwork                                                         Quellen:

    und Mobile Jugendarbeit                                                                 Steffan, W. (2007). Mobile Jugendarbeit. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.),
                                                                                            Fachlexikon der Sozialen Arbeit (6. Aufl., S.658). Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.

                                                                                            Steffan, W. (2007). Streetwork. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.),
                                                                                            Fachlexikon der Sozialen Arbeit (6. Aufl., S.948-949). Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
    Die konzeptionellen und alltagspraktischen Grenzen zwischen
    Streetwork und Mobiler Jugendarbeit sind fließend.

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Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw
3. Adressatengruppe
    Streetwork/Mobile Jugendarbeit richtet sich schwerpunkt-
    mäßig an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von
    14 bis 27 Jahren, die als Einzelpersonen, Gruppen oder
    Szenen im öffentlichen Raum anzutreffen sind.

    Diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen      Aber auch Jugendliche ohne speziellen oder ak-
    haben häufig besonderen Unterstützungsbe-      tuellen Unterstützungsbedarf werden von der
    darf. Sie werden von anderen Angeboten des     SW/MJA angesprochen. Absicht hierbei ist es
    Hilfesystems nicht oder nicht mehr erreicht.   dann im Wesentlichen, sich bei den jeweiligen
    Darüber hinaus sind sie oftmals von Ausgren-   Gruppen und Personen als parteilicher Vertre-
    zung und Stigmatisierung bedroht. Des Weite-   ter ihrer Interessen und als Ansprechpartner
    ren unterstützt SW/MJA junge Menschen, wenn    für künftigen Hilfebedarf anzubieten.
    diese von ihren Treffpunkten vertrieben wer-
    den sollen.

                                                                                                    Bild: pofex/photocase.com

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4. Ziele
                                           SW/MJA versteht sich als aktivierende und ressourcenori-
                                           entierte Sozialarbeit und bietet keine fertigen Lösungen,
                                           sondern Hilfe zur Selbsthilfe im Sinne des Empowerment-
                                           Ansatzes an.

                                           Sie befähigt junge Menschen dazu, ihre per-            Weitere Teilziele sind:
                                           sönlichen oder kollektiven Lebenssituationen,
                                           insbesondere im Konfliktfall, selbst bewältigen    • die Vermittlung zum Hilfesystem und der
                                           zu können.                                        		 Abbau von Schwellenängsten gegenüber
                                                                                             		 anderen Hilfsangeboten
                                           Ziel ist die Erschließung von öffentlichen Räu-   • Hilfen zur Alltagsbewältigung
                                           men und die Erweiterung von Sozialkompe-
                                                                                              • Prävention (Suchtprävention, Gewaltpräven-
                                           tenzen, wie z.B. Kommunikations- und Kon-
                                                                                             		 tion, Gesundheitsprävention etc.)
                                           fliktfähigkeit, Beziehungsaufbau und -pflege
                                           sowie Entwicklung und Realisierung individu-       • Ausstiegshilfen (Drogenszene,
                                           eller Lebensperspektiven.                         		 Extremistische Gruppierungen etc.)
                                                                                              •   Orientierungshilfen bei verschiedenen
                                                                                             		   Lebensfragen (Jugend- und Sozialhilfe,
                                                                                             		   Ausbildung, Arbeit, Wohnen, Familie,
                                                                                             		   Existenzsicherung, Gesundheitsfürsorge etc.)

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    Bild: Franziska Fiolka/photocase.com
Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw
Niedrigschwelligkeit:                              Lebensweltorientierung:
                                                                                    Damit Adressaten die Angebote von SW/MJA           SW/MJA geht flexibel auf die spezifischen Le-
                                                                                    ohne Vorbedingungen und Vorleistungen in An-       benslagen ihrer Adressaten ein. Dabei hat sie
                                                                                    spruch nehmen können, sorgen Fachkräfte da-        insbesondere Bedarfe aufgrund von Geschlecht,
                                                                                    für, dass Zugangsmöglichkeiten, Angebotszei-       Migrationshintergrund, sozialer Lage, sexueller
                                                                                    ten, Orte und Methoden den Bedürfnissen und        Orientierung und Behinderung im Blick.
                                                                                    Möglichkeiten der Adressaten entsprechen.
                                                                                                                                       Partizipation:
                                                                                    Freiwilligkeit:                                    Fachkräfte motivieren und unterstützen ihre
                                                                                    Die Kontaktaufnahme und Mitarbeit durch die        Adressaten in Bezug auf politische und ge-
                                                                                    Adressaten erfolgt grundsätzlich auf freiwilli-    sellschaftliche Teilhabe. Sie beteiligen die Ad-
                                                                                    ger Basis. SW/MJA unterbreitet wiederkehrende      ressaten an der Planung, Ausgestaltung und
                                                                                    Kontakt- und Beziehungsangebote.                   Durchführung von Angeboten im Rahmen ihrer
                                                                                                                                       eigenen Arbeit. SW/MJA arbeitet mit Klienten
                                                                                    Akzeptanz:                                         und nicht für sie.
                                                                                    Die Fachkräfte orientieren sich an der Lebens-
                                                                                    welt der Adressaten und gehen offen und res-       Flexibilität:
                                                                                    pektvoll mit ihnen um. Dabei nehmen sie eine       SW/MJA formuliert gemeinsam mit den Ad-
                                                                                    akzeptierende Haltung gegenüber der individu-      ressaten realistische Ziele, entwickelt Prob-
                                                                                    ellen Lebensgestaltung der Adressaten ein, bei     lemlösungen und Zukunftsperspektiven. Dabei
                                                                                    gleichzeitiger kritischer Betrachtungsweise der    stellt sie sich flexibel auf kurzfristige Verände-
                                                                                    gewählten Lebensstrategie.                         rungen und neue Bedarfslagen ein und bleibt
                                                                                                                                       ergebnisoffen.
                                                                                    Vertraulichkeit/Transparenz:
                                                                                    In der praktischen Arbeit wird auf Wunsch die      • Zeitliche Flexibilität:
                                                                                    Anonymität der Adressaten gewahrt und Infor-       Fachkräfte räumen den Bedürfnissen ihrer Kli-
                                                                                    mationen werden vertraulich behandelt. Dabei       enten die Zeit ein, die sie je nach Situation in
                                                                                    machen die Fachkräfte gesetzliche Grundlagen       ihrer Individualität benötigen.
                                                                                    bzgl. Datenschutz und Schweigepflicht transpa-     • Methodische Flexibilität:
                                                                                    rent. Sie treten ihren Adressaten gegenüber au-    Die Methoden, mit denen SW/MJA arbeitet, rich-
                                                                                    thentisch auf.                                     ten sich einerseits danach, was fachlich geboten
                                                                                                                                       ist und andererseits nach den Ressourcen, Kom-
                                                                                    Kontinuität:                                       petenzen und Wünschen der Adressaten. Dabei
                                                                                    Auf der Beziehungsebene bietet SW/MJA den          verfügen die Fachkräfte über ein breit gefächer-
                                                                                    Adressaten verlässliche und professionelle Be-     tes Methodenwissen und sind in der Lage, flexi-
                                                         Bild: pixx/photocase.com   ziehungs- und Kontaktangebote an. SW/MJA           bel auf neue Bedarfslagen zu reagieren.
                                                                                    bietet personelle Kontinuität, um stabile Bezie-
                                                                                    hungsarbeit zu gewährleisten und räumliche         Reflektierte Parteilichkeit:
                                                                                    Kontinuität im Sinne von Szenepräsenz. Die         SW/MJA arbeitet grundsätzlich anwaltschaftlich

     5. Arbeitsprinzipien
                                                                                    Adressaten bestimmen dabei den Zeitpunkt           für die Adressaten und schafft ihnen eine Lob-
                                                                                    des Beziehungsaufbaus und die Intensität der       by. Konkrete praktische Arbeitsaufträge wer-
                                                                                    Beziehung.                                         den vornehmlich durch die Adressaten erteilt.
                                                                                                                                       Grundsätzlich nehmen die Fachkräfte eine Hal-
     Um Adressatengruppen und Ziele zu erreichen, gelten im                                                                            tung der Loyalität gegenüber ihren Adressaten
                                                                                                                                       ein. SW/MJA hat immer auch eine Vermittler-
     Arbeitsfeld SW/MJA folgende Arbeitsprinzipien:                                                                                    funktion.

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6. Anforderungsprofil

     Fachliche Anforderungen:
     Fachkräfte im Arbeitsfeld SW/MJA

       •   haben ein Studium der Sozialen Arbeit oder (Sozial-)Pädagogik abgeschlossen
       •   nehmen regelmäßig an Fort- und Weiterbildungen teil
       •   verfügen über fundierte Kenntnisse der Hilfesysteme
       •   nehmen Bezug auf die für ihr Tätigkeitsfeld relevanten rechtlichen Grundlagen
       •   sind mit den aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Aufwachsens, auch in
     		    Bezug auf Jugendszenen, vertraut
       •   sind kompetente Vermittler bei ungleicher Interessenlage: Sie ermöglichen eine Annäherung
     		    der Parteien im Konfliktfall und vertreten die berechtigten Interessen ihrer Adressaten
       •   sind in der Lage, ihre Zielgruppe differenziert wahrzunehmen (Kultur, Geschlecht, soziales
     		    Umfeld etc.) und gehen sensibel mit resultierenden Bedarfen und Bedürfnissen um
       •   haben eine professionelle Distanz und sind teamfähig

     Persönliche Anforderungen:
     Fachkräfte im Arbeitsfeld SW/MJA

      • sind kommunikationsstark und konfliktfähig
      • hegen eine professionelle, durchaus auch kritische Sympathie für die Zielgruppe
      • sind selbstsicher und können ihre eigenen Interessen und Meinungen anderen Personen
     		gegenüber durchsetzen
      • arbeiten selbstständig und zielführend

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                                                                                                        Bild: .marqs/photocase.com
Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw
Finanzielle Rahmenbedingungen:
                                                              • Für eine qualitativ gute Arbeit müssen Fachkräfte im Arbeitsfeld SW/MJA über ein eigen-
                                                             		 verwaltetes Budget für Veranstaltungen, Freizeitaktivitäten und individuelle Hilfen sowie über
                                                             		 ein belegfreies Handgeld verfügen. Die Empfehlungen zur Höhe des Budgets richten sich nach
                                                             		 den individuellen Gegebenheiten vor Ort und können bei Bedarf gemeinsam mit der LAG
                                                             		 ermittelt werden.
                                                              • Die Eingruppierung für Streetworker muss nach einem transparenten Verfahren mindestens
                                                             		 in Entgeltgruppe S12 erfolgen.

                                                             Personelle Rahmenbedingungen:
                                                              • Ein Team ist im Arbeitsfeld SW/MJA mit mindestens zwei hauptberuflichen Stellen und paritä-
                                                             		 tisch zu besetzen.
                                                              • Zur Gewährleistung einer tragfähigen professionellen Beziehungsarbeit ist personelle Konti-
                                                             		 nuität von besonderer Bedeutung. Diese muss durch unbefristete Beschäftigungsverhältnis-
                                                             		 se gewährleistet sein.
                                                              • Zur Gestaltung besonderer Freizeitangebote und Großereignisse sowie zur Unterstützung der
                                                             		 Hauptberuflichen ist die Beschäftigung von Honorarkräften erforderlich.

                                                             Strukturelle Rahmenbedingungen:
                                                              • Die Tätigkeit der Fachkräfte im Arbeitsfeld SW/MJA basiert auf der Konzeption ihrer Einrich-
                                                             		 tung. Diese greift die spezifischen Bedarfe der Zielgruppen vor Ort auf und fußt auf einer
                                                             		 Sozialraumanalyse.
                                                              •   Das Betätigungsfeld muss durch eine Arbeitsplatzbeschreibung klar abgegrenzt sein (siehe
                                                             		   www.betreten-erlaubt.de/index.php?id=arbeitsplatzbeschreibung). Ein flexibles Arbeits-
                                                             		   zeitkonto ermöglicht es der Fachkraft, die eigene Arbeitszeit eigenständig zu planen, um
                                                             		   flexibel und bedarfsorientiert zu arbeiten.
                                                              • Für diverse Aufgabenbereiche neben der Arbeit im direkten Kontakt mit den Adressaten, wie
                                                             		 etwa Dokumentation, Vor- und Nachbereitung etc., muss den Fachkräften ausreichend
                                                             		 Arbeitszeit zur Verfügung stehen.
                                                              •   Das professionelle Handeln der Fachkräfte wird gewährleistet durch regelmäßige Dienstbe-
                                                             		   sprechungen innerhalb des Teams sowie die Möglichkeit zur Teilnahme an Kollegialer Bera-
                                                             		   tung und Supervision. Darüber hinaus sind eine ständige Fort- und Weiterbildung, die Teilnah-
                                                             		   me an Arbeitskreisen und die Eingebundenheit in Netzwerke unerlässlich, um qualitativ hoch-
                                                             		   wertige Arbeit zu gewährleisten.

                                                             Räumliche/Sachliche Rahmenbedingungen:
                                                              • Eine Einrichtung im Arbeitsfeld SW/MJA benötigt eine Anlaufstelle, die in ihrer Ausstattung den
                                                             		 Bedarfen der Zielgruppe entspricht (mit Küchengeräten, Dusche etc.). Darüber hinaus muss die
                                                             		 Möglichkeit zur Nutzung von Räumlichkeiten, etwa für feste Angebote mit Cliquen oder beson-

                                                             			dere Aktionen, bestehen.
     7. Rahmenbedingungen                                     • Die Fachkräfte benötigen ein vollständig ausgestattetes Büro mit freiem Internetzugang, Faxge-
                                                             		 rät und Festnetzanschluss sowie einen geeigneten Dienstwagen, der die Bedarfe des Alltags
                                                             		 aufgreift (9 Sitzer, Jugendmobil etc.).
                                                              • Ein Mobiltelefon gehört zur Standardausstattung eines Streetworkers/Mobilen Jugendarbei-
                                                             		 ters, darüber hinaus werden ein Dienstausweis und Visitenkarten benötigt.

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                            Bild: laCarolina/photocase.com
Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw
Anhang
                                                                                                                          Inhaltsverzeichnis
                                                                                         Bild: zettberlin/photocase.com
                                                                                                                          der rechtliche Rahmenbedingungen:

                                                                                                                          § 1 SGB VIII Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe
                                                                                                                          § 11 SGB VIII Jugendarbeit
                                                                                                                          § 13 SGB VIII Jugendsozialarbeit
                                                                                                                          Zeugnisverweigerungsrecht
     8.                                                                                                                   Sozialdatenschutz

     Rechtliche Rahmenbedingungen                                                                                         Aussagegenehmigung
                                                                                                                          Schweigepflicht
                                                                                                                          Einwilligung
     SW/MJA arbeitet auf der gesetzlichen Grundla-   Im Anhang hat die LAG die wichtigsten recht-
     ge des SGB VIII und des Bundeskinderschutz-     lichen Rahmenbedingungen für das Arbeitsfeld                         Rechtfertigender Notstand
     gesetzes.                                       zusammengestellt.

     In diesem Zusammenhang verweist die LAG         Die Ergänzungen und Erläuterungen zu einigen
     Streetwork/Mobile Jugendarbeit NRW e.V. auf     der Gesetzestexte stammen von Prof. Dr. Klaus
     aktuelle Informationen zum Bundeskinder-        Riekenbrauk, Fachhochschule Düsseldorf.
     schutzgesetz auf den Internetseiten:

     Arbeitsgemeinschaft Evangelische Jugend NRW
     (www.aej-nrw.de/aktuelles).

16                                                                                                                                                                                             17
Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw
§ 11 SGB VIII
                                                                                                                         Jugendarbeit

                                                                                                                         (1) Jungen Menschen sind die zur Förderung          (4) Angebote der Jugendarbeit können auch
                                                                                                                         ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote           Personen, die das 27. Lebensjahr vollendet ha-
                                                                                                                         der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie      ben, in angemessenem Umfang einbeziehen.
                                                                                                                         sollen an den Interessen junger Menschen an-
                                                                                                                         knüpfen und von ihnen mitbestimmt und mit-
                                                                                                                         gestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung
                                                                                                                         befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverant-
                                                                                                                         wortung und zu sozialem Engagement anregen
                                                                                              Bild: vice/photocase.com   und hinführen.

                                                                                                                         (2) Jugendarbeit wird angeboten von Verbän-
                                                                                                                         den, Gruppen und Initiativen der Jugend, von

     § 1 SGB VIII                                                                                                        anderen Trägern der Jugendarbeit und den Trä-
                                                                                                                         gern der öffentlichen Jugendhilfe. Sie umfasst
                                                                                                                         für Mitglieder bestimmte Angebote, die Offe-
                                                                                                                         ne Jugendarbeit und Gemeinwesen orientierte
     Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe                                                               Angebote.

                                                                                                                         (3) Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit
                                                                                                                         gehören:
     (1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf För-    2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei
     derung seiner Entwicklung und auf Erziehung         der Erziehung beraten und unterstützen,
                                                                                                                         1. außerschulische Jugendbildung mit allge-
     zu einer eigenverantwortlichen und gemein-
                                                      3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr                        meiner, politischer, sozialer, gesundheitlich-
     schaftsfähigen Persönlichkeit.
                                                         Wohl schützen,                                                     cher, kultureller, naturkundlicher und tech-
                                                                                                                            nischer Bildung,
     (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das     4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen
     natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst      für junge Menschen und ihre Familien sowie
                                                                                                                         2. Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,
     ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung      eine kinder- und familienfreundliche Um-
     wacht die staatliche Gemeinschaft.                  welt zu erhalten oder zu schaffen.
                                                                                                                         3. arbeitswelt-, schul- und familienbezogene
                                                                                                                            Jugendarbeit,
     (3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des
     Rechts nach Absatz 1 insbesondere
                                                                                                                         4. Internationale Jugendarbeit,
     1. junge Menschen in ihrer individuellen und
        sozialen Entwicklung fördern und dazu bei-                                                                       5. Kinder- und Jugenderholung,
        tragen, Benachteiligungen zu vermeiden
        oder abzubauen,                                                                                                  6. Jugendberatung.

18                                                                                                                                                                                                                            19
§ 13 SGB VIII
     Jugendsozialarbeit

     (1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozi-      (3) Jungen Menschen kann während der Teil-
     aler Benachteiligungen oder zur Überwindung       nahme an schulischen oder beruflichen Bil-
     individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem      dungsmaßnahmen oder bei der beruflichen
     Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sol-      Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch
     len im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogi-     begleiteten Wohnformen angeboten werden. In
     sche Hilfen angeboten werden, die ihre schuli-    diesen Fällen sollen auch der notwendige Un-
     sche und berufliche Ausbildung, Eingliederung     terhalt des jungen Menschen sichergestellt und
     in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration   Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 geleistet
     fördern.                                          werden.

     (2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Men-      (4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen
     schen nicht durch Maßnahmen und Programme         der Schulverwaltung, der Bundesagentur für
     anderer Träger und Organisationen sicherge-       Arbeit, der Träger betrieblicher und außerbe-
     stellt wird, können geeignete sozialpädagogisch   trieblicher Ausbildung sowie der Träger von Be-
     begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungs-       schäftigungsangeboten abgestimmt werden.
     maßnahmen angeboten werden, die den Fähig-
     keiten und dem Entwicklungsstand dieser jun-
     gen Menschen Rechnung tragen.

                                                                                                         Bild: andreas mang/photocase.com

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Zeugnisverweigerungsrecht
     §§ 52, 53 StPO, § 35 Abs. 3 SGB I, §§ 383 ff. ZPO

     Zeugen sind ausnahmsweise berechtigt, ihrer         In gleicher Weise sind auch die sog. Berufshel-
     Zeugnispflicht nicht nachzukommen und die           fer und die sich in der Ausbildung befindlichen
     Aussage über persönliche Wahrnehmungen zu           Personen (z. B. Praktikanten) zur Zeugnisver-
     verweigern, wenn ihnen ein Zeugnisverweige-         weigerung berechtigt (§ 53a StPO).
     rungsrecht zusteht.
                                                                                                                                                                                                       Bild: diekatha/photocase.com
                                                         Anders als in Zivilprozessen haben staatlich an-
     1. Es wird unterschieden zwischen einem per-        erkannte Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen
     sönlich begründeten und einem beruflich be-         in Strafverfahren grundsätzlich kein Zeugnis-
     gründeten Zeugnisverweigerungsrecht                 verweigerungsrecht.
     Ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönli-
     chen Gründen steht z. B. zu                         Auch wenn den Angehörigen der genannten             3. Ein Zeugnisverweigerungsrecht lässt sich         4. Nach der Rechtsprechung des Bundesver-
                                                         Berufsgruppen ein Zeugnisverweigerungsrecht         weiterhin aus der Verpflichtung zum Sozialda-       fassungsgerichts kann im Einzelfall und unter
      •   Verlobten
                                                         zusteht, können sie das Zeugnis nicht verwei-       tenschutz der Sozialleistungsträger (z. B. des      besonders strengen Voraussetzungen der Ver-
      •   Ehegatten
                                                         gern, wenn sie von der Verpflichtung zur Ver-       Jugendamtes) ableiten. Gem. § 35 Abs. 3 SGB I       hältnismäßigkeitsgrundsatz gebieten, die Zeug-
      •   Lebenspartnern und
                                                         schwiegenheit durch den Beschuldigten bzw.          besteht für diese und für ihre Mitarbeiter kei-     nispflicht von Sozialarbeitern und Sozialpäda-
      •   nahen Verwandten des Beschuldigten bzw.
                                                         die Prozesspartei entbunden werden (§ 53 Abs.       ne Auskunfts- und Zeugnispflicht, soweit eine       gogen auch in Strafverfahren einzuschränken.
     		   einer Prozesspartei (§ 52 StPO, § 383 ZPO).
                                                         2 StPO, § 385 Abs. 2 ZPO).                          Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist.    Voraussetzung dafür ist, dass eine konkrete
                                                                                                             Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen         und fallorientierte Interessenabwägung zu dem
     Aus beruflichen Gründen sind diejenigen zur
                                                         2. In einem weiteren Sinne sind auch Richter,       Sozialdaten übermittelt werden dürfen, vgl. So-     Ergebnis führt, dass das Interesse an der Ge-
     Zeugnisverweigerung berechtigt, denen in Aus-
                                                         Beamte und andere Personen des öffentlichen         zialdatenschutz.                                    heimhaltung höchstpersönlicher oder intimer
     übung ihres Berufes Tatsachen anvertraut oder
                                                         Dienstes, also auch Angestellte z. B. in kirchli-                                                       Sachverhalte in besonderem Maße schützens-
     bekannt geworden sind; dazu gehören u. a.
                                                         chen Einrichtungen, berechtigt, die Zeugen-         Liegt keine Befugnis zur Übermittlung von Sozi-     wert ist und demgegenüber die Belange der
      •   Geistliche                                     aussage über Umstände zu verweigern, auf die        aldaten vor, ist der Dienstherr nicht berechtigt,   Strafrechtspflege zurückzutreten haben.
      •   Rechtsanwälte                                  sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit be-      für seine Mitarbeiter eine Aussagegenehmi-
      •   Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten,       zieht. Nur bei Vorliegen einer Aussagegenehmi-      gung zu erteilen, so dass der Zeuge auch keine      Dieses unmittelbar aus der Verfassung abgelei-
     		   Kinder- und Jugendtherapeuten, Hebammen        gung durch den Dienstvorgesetzten besteht die       Aussage machen darf.                                tete Zeugnisverweigerungsrecht gilt gleicher-
      •   Mitarbeiter einer anerkannten Beratungs-       Pflicht zur Aussage (§ 54 StPO, § 376 ZPO).                                                             maßen für Fachkräfte, die bei öffentlichen oder
     		   stelle nach den §§ 3 und 8 Schwangerschafts-                                                       Mitarbeiter von freien Trägern unterliegen in       freien Trägern beschäftigt sind.
     		   konfliktgesetz und                                                                                 der Regel nicht den Vorschriften des Sozialda-
      •   Berater für Fragen der Betäubungsmittelab-                                                         tenschutzes und können sich folglich auch nicht
     		   hängigkeit in einer anerkannten Beratungs-                                                         auf die Begrenzung der Zeugnispflicht nach § 35
     		   stelle (§ 53 StPO, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).                                                        Abs. 3 SGB I berufen.

22                                                                                                                                                                                                                     23
Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst             		 haltspflicht und beim Versorgungsausgleich
                                                                                                                           die Pflicht, auch innerhalb der Behörden sicher-       		 (§ 74 SGB X) und
                                                                                                                           zustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zu-        • Übermittlung von Sozialdaten für die For-
                                                                                                                           gänglich sind oder nur an diese weitergegeben          		 schung und Planung (§ 75 SGB X).
                                                                                                                           werden.
                                                                                                                                                                                  Die Übermittlungsbefugnis von Sozialdaten an
                                                                                                                           Unter welchen Voraussetzungen die Erhebung,            Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht besteht
                                                                                                                           Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten zu-           danach im Wesentlichen nur unter den Voraus-
                                                                                                                           lässig ist, ist in den §§ 67a bis 78 SGB X geregelt.   setzungen der §§ 68 und 73 SGB X.
                                                                                                                           Hinzu kommen für den Bereich der Jugendhilfe           Nach § 68 Abs. 1 SGB X ist es zulässig, im Ein-
                                                                                                                           die Vorschriften der §§ 61 bis 68 SGB VIII.            zelfall auf Ersuchen Name, Vorname, Geburts-
                                                                                                                                                                                  datum, Geburtsort, derzeitige Anschrift des Be-
                                                                                                                           Besondere Bedeutung kommt der Frage zu,                troffenen, seinen derzeitigen oder zukünftigen
                                                                                                                           wann die Übermittlung, also die Weitergabe,            Aufenthalt sowie Namen und Anschriften sei-
                                                                                                                           von Sozialdaten zulässig ist. Zulässig ist die Da-     ner derzeitigen Arbeitgeber zu übermitteln,
                                                                                                                           tenübermittlung nur, wenn der Betroffene
                                                                                                                                                                                   • soweit kein Grund zur Annahme besteht,
                                                                                                                            • einwilligt (im allgemeinen schriftlich) oder
                                                                                                                                                                                  		 dass dadurch schutzwürdige Interessen des
                                                                                                                            • wenn eine Übermittlungsbefugnis nach den
                                                                                                                                                                                  		 Betroffenen beeinträchtigt werden,
                                                                                                                           		 §§ 68 bis 75 SGB X vorliegt.
                                                                                              Bild: piripi/photocase.com
                                                                                                                                                                                   • wenn das Ersuchen nicht länger als sechs
                                                                                                                                                                                  		 Monate zurückliegt und
                                                                                                                           Soweit eine Übermittlung nicht zulässig ist, be-
                                                                                                                                                                                   • die Übermittlung zur Erfüllung von Aufgaben
                                                                                                                           steht auch keine Auskunftspflicht, keine Zeug-
                                                                                                                                                                                  		 der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des
                                                                                                                           nispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder
                                                                                                                                                                                  		 Gerichts, der Behörden der Gefahrenabwehr,
                                                                                                                           Auslieferung von Schriftstücken oder Dateien (§
                                                                                                                                                                                  		 der Justizvollzugsanstalten oder zur Durchset-
                                                                                                                           35 Abs. 3 SGB I). In diesen Fällen darf auch kei-
                                                                                                                                                                                  		 zung von öffentlichrechtlichen Ansprüchen
                                                                                                                           ne Aussagegenehmigung erteilt werden.
                                                                                                                                                                                  		 in Höhe von mindestens 600 Euro erforder-
                                                                                                                                                                                  		 lich ist.
                                                                                                                           Folgende Übermittlungsbefugnisse sind vorge-
                                                                                                                           sehen:
     Sozialdatenschutz                                                                                                      •

                                                                                                                                Übermittlung für Aufgaben der Polizeibehör-
                                                                                                                                den, der Staatsanwaltschaften und Gerichte,
                                                                                                                                                                                  Nach § 73 Abs. 1 SGB X ist die Übermittlung von
                                                                                                                                                                                  Sozialdaten an Polizei, Staatsanwaltschaft und
                                                                                                                                                                                  Gericht nur zulässig, soweit sie zur Durchfüh-
                                                                                                                           		   der Behörden der Gefahrenabwehr (Ord-		           rung eines Strafverfahrens wegen eines Ver-
     § 35 SGB I                                                                                                            		   nungsämter) oder zur Durchsetzung öffent-         brechens oder wegen einer sonstigen Straftat
                                                                                                                           		   lich-rechtlicher Ansprüche (§ 68 SGB X),          von erheblicher Bedeutung (z.B. sexueller Miss-
     §§ 67 - 85a SGB X                                                                                                                                                            brauch) erforderlich ist. Die Übermittlung muss
     §§ 61 - 68 SGB VIII                                                                                                    •   Übermittlung für die Erfüllung von Aufgaben       durch den Richter angeordnet werden.
                                                                                                                           		   nach dem Sozialgesetzbuch (§ 69 SGB X),
                                                                                                                            •   Übermittlung für die Durchführung des Ar-         Grundsätzlich bindet der Sozialdatenschutz nur
                                                                                                                           		   beitsschutzes (§ 70 SGB X),                       die – öffentlichen – Sozialleistungsträger, nicht
                                                                                                                            •   Übermittlung für die Erfüllung besonderer         jedoch die Träger der freien Wohlfahrtspflege
     Der Sozialdatenschutz gewährleistet die umfas-   Sozialdaten sind nach § 67 Abs. 1 SGB X Ein-                         		   gesetzlicher Pflichten und Mitteilungsbefug-      oder andere private Einrichtungen. Im Bereich
     sende Achtung des Sozialgeheimnisses. Nach       zelangaben über persönliche oder sachliche                           		   nisse (§ 71 SGB X),                               der Jugendhilfe hat allerdings das Jugendamt si-
     § 35 Abs. 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf,     Verhältnisse einer bestimmten oder bestimm-                           •   Übermittlung für den Schutz der inneren           cherzustellen, dass der Schutz von Sozialdaten
     dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den    baren Person (personenbezogene Daten des                             		   und äußeren Sicherheit (§ 72 SGB X),              in entsprechender Weise gewährleistet wird,
     Leistungsträgern (z. B. Sozialamt, Jugendamt,    Betroffenen), die von einem öffentlichen Sozi-                        •   Übermittlung für die Durchführung eines           wenn Einrichtungen und Dienste der Träger der
     Arbeitsagentur) nicht unbefugt erhoben, verar-   alleistungsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben                      		   Strafverfahrens (§ 73 SGB X),                     freien Jugendhilfe in Anspruch genommen wer-
     beitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis).    erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.                             •   Übermittlung bei Verletzung der Unter-            den (§ 61 Abs. 3 SGB VIII).

24                                                                                                                                                                                                                                    25
Aussagegenehmigung
     § 54 StPO; §§ 67, 68 BBG; § 3 Tod

     Angehörige des öffentlichen Dienstes haben         Bei der Entscheidung über die Erteilung einer
     über Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätig-   Aussagegenehmigung muss der Dienstvorge-
     keit bekannt geworden sind, Verschwiegenheit       setzte im Bereich der Sozialverwaltung ins-
     zu bewahren. Nur mit einer Aussagegenehmi-         besondere die Vorschriften des Sozialdaten-
     gung ihres Dienstvorgesetzten ist es ihnen er-     schutzes berücksichtigen. Liegen z. B. keine
     laubt, vor Gericht oder außergerichtlich, sich     Übermittlungsbefugnisse nach den §§ 67 ff.
     über dienstliche Sachverhalte zu äußern.           SGB X und den §§ 61 ff. SGB VIII vor, darf eine
                                                        Aussagegenehmigung nicht erteilt werden (§ 35
     Die Verschwiegenheitspflicht im öffentlichen       Abs. 3 SGB I).
     Dienst beruht für Beamte auf § 67 BBG sowie
     den entsprechenden Vorschriften der Landesbe-      Die Beschäftigten der - verfassten - Kirchen
     amtengesetze und für Angestellte auf § 3 Abs. 1    und Religionsgemeinschaften mit ihrem Status
     Tod.                                               als Körperschaften des öffentlichen Rechts un-
                                                        terliegen ebenfalls den Vorschriften über die
     Werden Angehörige des öffentlichen Dienstes        Verschwiegenheitspflicht und der Aussagege-
     als Zeugen vor Gericht geladen, entscheidet der    nehmigung. Für Beschäftigte von kirchlichen
     Dienstvorgesetzte auf entsprechende Anfrage        Einrichtungen (z. B. Diakonie oder Caritas) gel-
     des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft, ob       ten die Regelungen zur Aussagegenehmigung
     und in welchem Umfang eine Zeugenaussage           entsprechend, wenn sie öffentliche Aufgaben,
     überhaupt gemacht werden darf. Im Strafver-        beispielsweise der Jugendhilfe, wahrnehmen.
     fahren sind gem. § 54 Abs. 1 StPO die einschlä-
     gigen beamtenrechtlichen Vorschriften anzu-        Bei anderen freien Trägern gilt der Vorbehalt
     wenden, die auch für Angestellte gelten.           der Aussagegenehmigung nicht; es sei denn, sie
                                                        nehmen Aufgaben wahr, die ihnen ein öffentli-
     Danach darf die Aussagegenehmigung nur ver-        cher Sozialleistungsträger zur eigenverantwort-
     sagt werden, wenn die »Aussage dem Wohle           lichen Erfüllung übertragen hat.
     des Bundes oder eines deutschen Landes Nach-
     teile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher
     Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich
     erschweren würde« (§ 68 BBG).

26                                                                                                                                                27
                                                                                                           Bild: Franziska Fiolka/photocase.com
Die Schweigepflicht obliegt u. a.                     Die in Ausübung des oben aufgeführten Berufs
                                                                                                                                                                                 bekannt gewordenen Geheimnisse dürfen nicht
                                                                                                                            •   Ärzten und Angehörigen anderer Heilberufe
                                                                                                                                                                                 offenbart, d. h. einem anderen mitgeteilt wer-
                                                                                                                           		   mit staatlich geregelter Ausbildung,
                                                                                                                                                                                 den, der diese nicht, nicht in dem Umfang oder
                                                                                                                            •   Berufspsychologen mit staatlich anerkannter
                                                                                                                                                                                 nicht sicher kennt.
                                                                                                                           		   wissenschaftlicher Abschlussprüfung,
                                                                                                                            •   Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendbe-
                                                                                                                                                                                 Dabei ist es unerheblich, ob der andere selbst
                                                                                                                           		   ratern sowie Beratern für Suchtfragen in ei-
                                                                                                                                                                                 schweigepflichtig ist. So darf also die Sozialpä-
                                                                                                                           		   ner anerkannten Beratungsstelle,
                                                                                                                                                                                 dagogin dem Psychologen die ihr anvertrauten
                                                                                                                            •   Mitgliedern oder Beauftragten einer aner -
                                                                                                                                                                                 Geheimnisse nicht weitergeben, auch wenn sie
                                                                                                                           		   kannten Beratungsstelle nach dem Schwan-
                                                                                                                                                                                 damit rechnen kann, dass dieser sie für sich be-
                                                                                                                           		   gerschaftskonfliktgesetz und
                                                                                                                                                                                 hält. Auch käme es einem unbefugten Offenba-
                                                                                                                            •   staatlich anerkannten Sozialarbeitern oder
                                                                                                                                                                                 ren gleich, wenn Akten oder Gesprächsnotizen
                                                                                                                           		   staatlich anerkannten Sozialpädagogen.
                                                                                                                                                                                 offen liegen gelassen werden und damit andern
                                                                                                                                                                                 ermöglicht wird, diese zur Kenntnis zu nehmen.
                                                                                                                           Weiterhin unterliegen ihr neben den genann-
                                                                                              Bild: prokop/photocase.com
                                                                                                                           ten Berufsgruppen auch ihre berufsmäßig tä-           Die Strafbarkeit wegen Verletzung der Schwei-
                                                                                                                           tigen Gehilfen sowie diejenigen, die sich bei ih-     gepflicht entfällt, wenn der Schweigepflichtige
                                                                                                                           nen in der Berufsausbildung befinden wie z.B.         die Befugnis besitzt, die ihm bekannt geworde-
                                                                                                                           Praktikanten.                                         nen Geheimnisse zu offenbaren. Als Offenba-
                                                                                                                                                                                 rungsbefugnisse kommen in Betracht:
                                                                                                                           Unter Geheimnis i. S. v. § 203 StGB ist jede Tatsa-
                                                                                                                                                                                  •   die Einwilligung
                                                                                                                           che zu verstehen, die nur einem einzelnen oder
                                                                                                                                                                                  •   der rechtfertigende Notstand und
                                                                                                                           einem beschränkten Personenkreis bekannt ist
                                                                                                                                                                                  •   die – gesetzlich vorgeschriebenen –

     Schweigepflicht
                                                                                                                           und an dessen Geheimhaltung der Betroffene
                                                                                                                                                                                 		   Offenbarungspflichten.
                                                                                                                           ein schutzwürdiges Interesse hat.

                                                                                                                           Dazu gehören nicht nur die persönlichen, fami-
     § 203 StGB                                                                                                            liären, wirtschaftlichen und beruflichen Verhält-
                                                                                                                           nisse, sondern auch schon die Tatsache, dass
                                                                                                                           ein Besuch in einer Beratungsstelle stattgefun-
                                                                                                                           den hat.

     Angehörige bestimmter Berufe sind unter An-       Wie auch im Sozialdatenschutz allgemein geht
     drohung von Strafe nach § 203 Abs. 1 StGB ver-    es hierbei um einen verstärkten Schutz des »in-
     pflichtet zu schweigen, d. h. Geheimnisse, die    formationellen Selbstbestimmungsrechts« des
     ihnen in Ausübung ihres Berufes bekannt ge-       Bürgers, dem vom Bundesverfassungsgericht
     worden sind, nicht unbefugt zu offenbaren.        (BVerfG) der Rang eines Menschenrechts zu-
                                                       erkannt worden ist, und das grundsätzlich je-
     Mit der Schweigepflicht wird das Vertrauen ge-    dem die eigene Entscheidung überlässt, wann
     schützt, das eine hilfesuchende Person braucht,   und innerhalb welcher Grenzen persönliche Le-
     um sich einem Arzt oder einer Sozialarbeiterin    benssachverhalte von Dritten offenbart werden
     zu offenbaren.                                    dürfen.

28                                                                                                                                                                                                                                   29
Einwilligung                                        Als betroffene Rechtsgüter stehen hier das »in-
                                                               Wenn der Klient oder Patient in die Offenbarung     formationelle Selbstbestimmungsrecht« und das
                                                               seiner Geheimnisse ausdrücklich einwilligt oder     »sexuelle Selbstbestimmungsrecht« gegenüber.
                                                               auch durch sein Verhalten seine Einwilligung
                                                               stillschweigend zum Ausdruck bringt, entfällt       Eine Lösung des Konfliktes bietet § 34 StGB
                                                               die Schutzwürdigkeit der Geheimniswahrung.          an. Danach handelt derjenige nicht rechtswid-
                                                               Allerdings ist erforderlich, dass der Betroffene    rig, der »in einer gegenwärtigen, nicht anders
                                                               vorher in verständlicher Weise auf die beab-        abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit,
                                                               sichtigte Offenbarung hingewiesen wurde.            Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine
                                                                                                                   Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem
                                                               Dies gilt insbesondere auch dann, wenn in           anderen abzuwenden«.
                                                               Teambesprechungen,     Supervisionssitzungen,
                                                               Hilfeplankonferenzen, im Rahmen kollegialer         Weitere Voraussetzung ist, dass »bei Abwägung
                                                               Beratung oder gegenüber der Geschäftsführung        der widerstreitenden Interessen, namentlich
                                                               anvertraute Geheimnisse weitergegeben wer-          der betroffenen Rechtsgüter und des Grades
                                                               den sollen.                                         der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte
                                                                                                                   Interesse das beeinträchtigte wesentlich über-
                                                                                                                   wiegt«. Bei dieser Rechtsgüterabwägung wird
                                                               Rechtfertigender Notstand                           man in dem Beispiel zu dem Ergebnis kommen,
                                                                                                                   dass das »sexuelle Selbstbestimmungsrecht«
                                                               Ausgangspunkt des rechtfertigenden Notstan-
                                                                                                                   das »informationelle Selbstbestimmungsrecht«
                                                               des ist ein Konflikt, in dem sich der zur Geheim-
                                                                                                                   wesentlich überwiegt, so dass die Sozial-arbei-
                                                               haltung Verpflichtete befindet. Sein Schweigen
                                                                                                                   terin befugt ist, das ihr anvertraute Geheimnis
                                                               kann dazu führen, dass ein bedeutsameres
                                                                                                                   z. B. gegenüber dem Jugendamt oder der Polizei
                                                               Rechtsgut verletzt wird.
                                                                                                                   zu offenbaren.
                                 Bild: cydonna/photocase.com
                                                               Beispiel: Eine Klientin vertraut sich unter dem
                                                                                                                   Liegen nach dem Gesetz Offenbarungspflichten
                                                               Siegel der Verschwiegenheit einer Sozialarbei-
                                                                                                                   vor, so lassen sich daraus natürlich auch Offen-
                                                               terin an und berichtet, dass ihr Lebensgefährte
                                                                                                                   barungsbefugnisse ableiten.
                                                               seit einiger Zeit ihre minderjährige Tochter se-
                                                               xuell missbraucht. Aus Angst vor ihrem Freund
                                                               bittet sie, dass niemand davon erfährt.

     Einwilligung
     Rechtfertigender Notstand

30                                                                                                                                                                    31
Bild: ts-grafik.de/photocase.com

          Landesarbeitsgemeinschaft
          Streetwork / Mobile Jugendarbeit NRW e.V.

Gefördert durch:

Herausgeber:                                               Layout:
Vorstand der LAG Streetwork/Mobile Jugendarbeit NRW e.V.   h2werk
Graf Recke Str. 209                                        Andreas Hitzmann
40237 Düsseldorf                                           www.h2werk.de
www.betreten-erlaubt.de

Düsseldorf im November 2012
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