Fachliche leitlinien Für Streetwork/Mobile Jugendarbeit nrw
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Bild: AllzweckJack/photocase.com Fachliche Leitlinien für Streetwork/Mobile Jugendarbeit NRW Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork / Mobile Jugendarbeit NRW e.V.
Bild: artstripper/photocase.com Um der besseren Lesbarkeit willen wird in die- Bei der Planung und Entwicklung von Projek- sem Text die männliche Form verwendet, die ten, bei konzeptionellen Überarbeitungen oder 1. Einleitung weiblichen Leserinnen sind selbstverständlich Qualitätsdiskussionen sind die folgenden fachli- trotzdem angesprochen. Darüber hinaus muss chen Leitlinien unverzichtbare Basis. Sie bieten angemerkt werden, dass zwar explizit die Ansät- Orientierung in Bezug auf das berufliche Selbst- ze Streetwork und Mobile Jugendarbeit genannt verständnis. werden, jedoch Arbeitsfelder wie Aufsuchende Streetwork/Mobile Jugendarbeit (kurz: SW/MJA) ist ein Jugendarbeit, Aufsuchende Sozialarbeit u. ä. im In den Jahren 2011/2012 hat sich der Vorstand eigenständiges Aufgabenfeld der Sozialen Arbeit. Folgenden mit darunter gefasst werden. der LAG mit seinen bestehenden Qualitätskri- terien für das Arbeitsfeld befasst. Über eine Zur Wahrung und Weiterentwicklung der fachlichen Die Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mo- NRW-weite Fragebogenerhebung wurden die bile Jugendarbeit NRW e.V. (LAG) versteht es als Leitlinien auf ihre Aktualität hin überprüft. Da- Qualität in diesem Arbeitsfeld bedarf es der Einhaltung ihre Aufgabe, fachliche Leitlinien zur Qualitäts- rauf aufbauend wurden auf einem Fachtag die professioneller Standards. sicherung zu benennen und Mitarbeitern und Grundlagen der neuen Qualitätskriterien durch Trägern von SW/MJA zugänglich zu machen. Fachkräfte aus NRW beraten. Für die praktische Arbeit ist die Beachtung die- Somit können die vorliegenden, partizipativ er- ser Grundsätze unerlässlich, denn ohne die arbeiteten fachlichen Mindeststandards für das Einhaltung der Mindeststandards ist qualitativ Arbeitsfeld Streetwork/Mobile Jugendarbeit als gute Arbeit kaum möglich. Leitlinien aus der Praxis und für die Praxis ver- standen werden. Düsseldorf im November 2012 2 3
Da beide Arbeitsfelder mehr verbindet als un- Werner Steffan (2007, S. 948) formuliert die ty- terscheidet, wurde nach langjährigen Abgren- pischen Aufgaben und Handlungsebenen für zungsdiskussionen in den 1970er und 1980er Streetwork und Mobile Jugendarbeit folgender- Jahren schließlich in den 1990er Jahren die maßen: Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobi- le Jugendarbeit als gemeinsamer Dachverband „(...) Knüpfen eines Kontaktnetzes in der Le- gegründet (Steffan, 2007, S. 658). benswelt und Vertrauenserwerb; Pflege des Kontaktnetzes mit der Zielgruppe und Vertrau- Mobile Jugendarbeit hat mit ihrer konzeptionel- enserhalt; einzelfallorientierte psychosoziale len Ausrichtung stärkeren Gemeinwesenbezug Unterstützung; Gruppen-/Cliquenarbeit; Stadt- und arbeitet in sozialräumlich orientierten Pro- teil-/Gemeinwesenarbeit; institutionelle Inno- jekten. Streetwork hingegen hat einen deutli- vation in Hintergrundeinrichtungen und durch chen Milieu-/Cliquenbezug, wie z. B. zur Drogen-, den Aufbau von Unterstützungsangeboten; Punk-, Prostitutions-, Straßenkinderszene (ebd.). Konfliktverhinderung/-vermittlung/Deeskalati- on; institutionelle Vernetzung und Verbundar- Mobile Jugendarbeit ist also im Allgemeinen beit; Öffentlichkeitsarbeit, Interessenvertretung; weniger szene-/brennpunktbezogen und stär- Einmischung/Lobbyarbeit und Aktivierung.“ ker stadtteil- und sozialräumlich orientiert, wobei die häufig praktizierte Verbindung von lebensweltzentriertem Aufsuchen und ein- richtungsgebundener Club-/Freizeitarbeit u. a. wegen unterschiedlicher Auftragslagen einen Rollenkonflikt bergen kann. Beide Arbeitsfelder bedienen sich der klassischen Methoden der Sozialen Arbeit: Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit Bild: Franziska Fiolka/photocase.com und Gemeinwesenarbeit. 2. Die Arbeitsfelder Streetwork Quellen: und Mobile Jugendarbeit Steffan, W. (2007). Mobile Jugendarbeit. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.), Fachlexikon der Sozialen Arbeit (6. Aufl., S.658). Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. Steffan, W. (2007). Streetwork. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.), Fachlexikon der Sozialen Arbeit (6. Aufl., S.948-949). Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. Die konzeptionellen und alltagspraktischen Grenzen zwischen Streetwork und Mobiler Jugendarbeit sind fließend. 4 5
3. Adressatengruppe Streetwork/Mobile Jugendarbeit richtet sich schwerpunkt- mäßig an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 27 Jahren, die als Einzelpersonen, Gruppen oder Szenen im öffentlichen Raum anzutreffen sind. Diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen Aber auch Jugendliche ohne speziellen oder ak- haben häufig besonderen Unterstützungsbe- tuellen Unterstützungsbedarf werden von der darf. Sie werden von anderen Angeboten des SW/MJA angesprochen. Absicht hierbei ist es Hilfesystems nicht oder nicht mehr erreicht. dann im Wesentlichen, sich bei den jeweiligen Darüber hinaus sind sie oftmals von Ausgren- Gruppen und Personen als parteilicher Vertre- zung und Stigmatisierung bedroht. Des Weite- ter ihrer Interessen und als Ansprechpartner ren unterstützt SW/MJA junge Menschen, wenn für künftigen Hilfebedarf anzubieten. diese von ihren Treffpunkten vertrieben wer- den sollen. Bild: pofex/photocase.com 6 7
4. Ziele SW/MJA versteht sich als aktivierende und ressourcenori- entierte Sozialarbeit und bietet keine fertigen Lösungen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe im Sinne des Empowerment- Ansatzes an. Sie befähigt junge Menschen dazu, ihre per- Weitere Teilziele sind: sönlichen oder kollektiven Lebenssituationen, insbesondere im Konfliktfall, selbst bewältigen • die Vermittlung zum Hilfesystem und der zu können. Abbau von Schwellenängsten gegenüber anderen Hilfsangeboten Ziel ist die Erschließung von öffentlichen Räu- • Hilfen zur Alltagsbewältigung men und die Erweiterung von Sozialkompe- • Prävention (Suchtprävention, Gewaltpräven- tenzen, wie z.B. Kommunikations- und Kon- tion, Gesundheitsprävention etc.) fliktfähigkeit, Beziehungsaufbau und -pflege sowie Entwicklung und Realisierung individu- • Ausstiegshilfen (Drogenszene, eller Lebensperspektiven. Extremistische Gruppierungen etc.) • Orientierungshilfen bei verschiedenen Lebensfragen (Jugend- und Sozialhilfe, Ausbildung, Arbeit, Wohnen, Familie, Existenzsicherung, Gesundheitsfürsorge etc.) 8 9 Bild: Franziska Fiolka/photocase.com
Niedrigschwelligkeit: Lebensweltorientierung: Damit Adressaten die Angebote von SW/MJA SW/MJA geht flexibel auf die spezifischen Le- ohne Vorbedingungen und Vorleistungen in An- benslagen ihrer Adressaten ein. Dabei hat sie spruch nehmen können, sorgen Fachkräfte da- insbesondere Bedarfe aufgrund von Geschlecht, für, dass Zugangsmöglichkeiten, Angebotszei- Migrationshintergrund, sozialer Lage, sexueller ten, Orte und Methoden den Bedürfnissen und Orientierung und Behinderung im Blick. Möglichkeiten der Adressaten entsprechen. Partizipation: Freiwilligkeit: Fachkräfte motivieren und unterstützen ihre Die Kontaktaufnahme und Mitarbeit durch die Adressaten in Bezug auf politische und ge- Adressaten erfolgt grundsätzlich auf freiwilli- sellschaftliche Teilhabe. Sie beteiligen die Ad- ger Basis. SW/MJA unterbreitet wiederkehrende ressaten an der Planung, Ausgestaltung und Kontakt- und Beziehungsangebote. Durchführung von Angeboten im Rahmen ihrer eigenen Arbeit. SW/MJA arbeitet mit Klienten Akzeptanz: und nicht für sie. Die Fachkräfte orientieren sich an der Lebens- welt der Adressaten und gehen offen und res- Flexibilität: pektvoll mit ihnen um. Dabei nehmen sie eine SW/MJA formuliert gemeinsam mit den Ad- akzeptierende Haltung gegenüber der individu- ressaten realistische Ziele, entwickelt Prob- ellen Lebensgestaltung der Adressaten ein, bei lemlösungen und Zukunftsperspektiven. Dabei gleichzeitiger kritischer Betrachtungsweise der stellt sie sich flexibel auf kurzfristige Verände- gewählten Lebensstrategie. rungen und neue Bedarfslagen ein und bleibt ergebnisoffen. Vertraulichkeit/Transparenz: In der praktischen Arbeit wird auf Wunsch die • Zeitliche Flexibilität: Anonymität der Adressaten gewahrt und Infor- Fachkräfte räumen den Bedürfnissen ihrer Kli- mationen werden vertraulich behandelt. Dabei enten die Zeit ein, die sie je nach Situation in machen die Fachkräfte gesetzliche Grundlagen ihrer Individualität benötigen. bzgl. Datenschutz und Schweigepflicht transpa- • Methodische Flexibilität: rent. Sie treten ihren Adressaten gegenüber au- Die Methoden, mit denen SW/MJA arbeitet, rich- thentisch auf. ten sich einerseits danach, was fachlich geboten ist und andererseits nach den Ressourcen, Kom- Kontinuität: petenzen und Wünschen der Adressaten. Dabei Auf der Beziehungsebene bietet SW/MJA den verfügen die Fachkräfte über ein breit gefächer- Adressaten verlässliche und professionelle Be- tes Methodenwissen und sind in der Lage, flexi- Bild: pixx/photocase.com ziehungs- und Kontaktangebote an. SW/MJA bel auf neue Bedarfslagen zu reagieren. bietet personelle Kontinuität, um stabile Bezie- hungsarbeit zu gewährleisten und räumliche Reflektierte Parteilichkeit: Kontinuität im Sinne von Szenepräsenz. Die SW/MJA arbeitet grundsätzlich anwaltschaftlich 5. Arbeitsprinzipien Adressaten bestimmen dabei den Zeitpunkt für die Adressaten und schafft ihnen eine Lob- des Beziehungsaufbaus und die Intensität der by. Konkrete praktische Arbeitsaufträge wer- Beziehung. den vornehmlich durch die Adressaten erteilt. Grundsätzlich nehmen die Fachkräfte eine Hal- Um Adressatengruppen und Ziele zu erreichen, gelten im tung der Loyalität gegenüber ihren Adressaten ein. SW/MJA hat immer auch eine Vermittler- Arbeitsfeld SW/MJA folgende Arbeitsprinzipien: funktion. 10 11
6. Anforderungsprofil Fachliche Anforderungen: Fachkräfte im Arbeitsfeld SW/MJA • haben ein Studium der Sozialen Arbeit oder (Sozial-)Pädagogik abgeschlossen • nehmen regelmäßig an Fort- und Weiterbildungen teil • verfügen über fundierte Kenntnisse der Hilfesysteme • nehmen Bezug auf die für ihr Tätigkeitsfeld relevanten rechtlichen Grundlagen • sind mit den aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Aufwachsens, auch in Bezug auf Jugendszenen, vertraut • sind kompetente Vermittler bei ungleicher Interessenlage: Sie ermöglichen eine Annäherung der Parteien im Konfliktfall und vertreten die berechtigten Interessen ihrer Adressaten • sind in der Lage, ihre Zielgruppe differenziert wahrzunehmen (Kultur, Geschlecht, soziales Umfeld etc.) und gehen sensibel mit resultierenden Bedarfen und Bedürfnissen um • haben eine professionelle Distanz und sind teamfähig Persönliche Anforderungen: Fachkräfte im Arbeitsfeld SW/MJA • sind kommunikationsstark und konfliktfähig • hegen eine professionelle, durchaus auch kritische Sympathie für die Zielgruppe • sind selbstsicher und können ihre eigenen Interessen und Meinungen anderen Personen gegenüber durchsetzen • arbeiten selbstständig und zielführend 12 13 Bild: .marqs/photocase.com
Finanzielle Rahmenbedingungen: • Für eine qualitativ gute Arbeit müssen Fachkräfte im Arbeitsfeld SW/MJA über ein eigen- verwaltetes Budget für Veranstaltungen, Freizeitaktivitäten und individuelle Hilfen sowie über ein belegfreies Handgeld verfügen. Die Empfehlungen zur Höhe des Budgets richten sich nach den individuellen Gegebenheiten vor Ort und können bei Bedarf gemeinsam mit der LAG ermittelt werden. • Die Eingruppierung für Streetworker muss nach einem transparenten Verfahren mindestens in Entgeltgruppe S12 erfolgen. Personelle Rahmenbedingungen: • Ein Team ist im Arbeitsfeld SW/MJA mit mindestens zwei hauptberuflichen Stellen und paritä- tisch zu besetzen. • Zur Gewährleistung einer tragfähigen professionellen Beziehungsarbeit ist personelle Konti- nuität von besonderer Bedeutung. Diese muss durch unbefristete Beschäftigungsverhältnis- se gewährleistet sein. • Zur Gestaltung besonderer Freizeitangebote und Großereignisse sowie zur Unterstützung der Hauptberuflichen ist die Beschäftigung von Honorarkräften erforderlich. Strukturelle Rahmenbedingungen: • Die Tätigkeit der Fachkräfte im Arbeitsfeld SW/MJA basiert auf der Konzeption ihrer Einrich- tung. Diese greift die spezifischen Bedarfe der Zielgruppen vor Ort auf und fußt auf einer Sozialraumanalyse. • Das Betätigungsfeld muss durch eine Arbeitsplatzbeschreibung klar abgegrenzt sein (siehe www.betreten-erlaubt.de/index.php?id=arbeitsplatzbeschreibung). Ein flexibles Arbeits- zeitkonto ermöglicht es der Fachkraft, die eigene Arbeitszeit eigenständig zu planen, um flexibel und bedarfsorientiert zu arbeiten. • Für diverse Aufgabenbereiche neben der Arbeit im direkten Kontakt mit den Adressaten, wie etwa Dokumentation, Vor- und Nachbereitung etc., muss den Fachkräften ausreichend Arbeitszeit zur Verfügung stehen. • Das professionelle Handeln der Fachkräfte wird gewährleistet durch regelmäßige Dienstbe- sprechungen innerhalb des Teams sowie die Möglichkeit zur Teilnahme an Kollegialer Bera- tung und Supervision. Darüber hinaus sind eine ständige Fort- und Weiterbildung, die Teilnah- me an Arbeitskreisen und die Eingebundenheit in Netzwerke unerlässlich, um qualitativ hoch- wertige Arbeit zu gewährleisten. Räumliche/Sachliche Rahmenbedingungen: • Eine Einrichtung im Arbeitsfeld SW/MJA benötigt eine Anlaufstelle, die in ihrer Ausstattung den Bedarfen der Zielgruppe entspricht (mit Küchengeräten, Dusche etc.). Darüber hinaus muss die Möglichkeit zur Nutzung von Räumlichkeiten, etwa für feste Angebote mit Cliquen oder beson- dere Aktionen, bestehen. 7. Rahmenbedingungen • Die Fachkräfte benötigen ein vollständig ausgestattetes Büro mit freiem Internetzugang, Faxge- rät und Festnetzanschluss sowie einen geeigneten Dienstwagen, der die Bedarfe des Alltags aufgreift (9 Sitzer, Jugendmobil etc.). • Ein Mobiltelefon gehört zur Standardausstattung eines Streetworkers/Mobilen Jugendarbei- ters, darüber hinaus werden ein Dienstausweis und Visitenkarten benötigt. 14 15 Bild: laCarolina/photocase.com
Anhang Inhaltsverzeichnis Bild: zettberlin/photocase.com der rechtliche Rahmenbedingungen: § 1 SGB VIII Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe § 11 SGB VIII Jugendarbeit § 13 SGB VIII Jugendsozialarbeit Zeugnisverweigerungsrecht 8. Sozialdatenschutz Rechtliche Rahmenbedingungen Aussagegenehmigung Schweigepflicht Einwilligung SW/MJA arbeitet auf der gesetzlichen Grundla- Im Anhang hat die LAG die wichtigsten recht- ge des SGB VIII und des Bundeskinderschutz- lichen Rahmenbedingungen für das Arbeitsfeld Rechtfertigender Notstand gesetzes. zusammengestellt. In diesem Zusammenhang verweist die LAG Die Ergänzungen und Erläuterungen zu einigen Streetwork/Mobile Jugendarbeit NRW e.V. auf der Gesetzestexte stammen von Prof. Dr. Klaus aktuelle Informationen zum Bundeskinder- Riekenbrauk, Fachhochschule Düsseldorf. schutzgesetz auf den Internetseiten: Arbeitsgemeinschaft Evangelische Jugend NRW (www.aej-nrw.de/aktuelles). 16 17
§ 11 SGB VIII Jugendarbeit (1) Jungen Menschen sind die zur Förderung (4) Angebote der Jugendarbeit können auch ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote Personen, die das 27. Lebensjahr vollendet ha- der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie ben, in angemessenem Umfang einbeziehen. sollen an den Interessen junger Menschen an- knüpfen und von ihnen mitbestimmt und mit- gestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverant- wortung und zu sozialem Engagement anregen Bild: vice/photocase.com und hinführen. (2) Jugendarbeit wird angeboten von Verbän- den, Gruppen und Initiativen der Jugend, von § 1 SGB VIII anderen Trägern der Jugendarbeit und den Trä- gern der öffentlichen Jugendhilfe. Sie umfasst für Mitglieder bestimmte Angebote, die Offe- ne Jugendarbeit und Gemeinwesen orientierte Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe Angebote. (3) Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören: (1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf För- 2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei derung seiner Entwicklung und auf Erziehung der Erziehung beraten und unterstützen, 1. außerschulische Jugendbildung mit allge- zu einer eigenverantwortlichen und gemein- 3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr meiner, politischer, sozialer, gesundheitlich- schaftsfähigen Persönlichkeit. Wohl schützen, cher, kultureller, naturkundlicher und tech- nischer Bildung, (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das 4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst für junge Menschen und ihre Familien sowie 2. Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit, ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung eine kinder- und familienfreundliche Um- wacht die staatliche Gemeinschaft. welt zu erhalten oder zu schaffen. 3. arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit, (3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere 4. Internationale Jugendarbeit, 1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu bei- 5. Kinder- und Jugenderholung, tragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, 6. Jugendberatung. 18 19
§ 13 SGB VIII Jugendsozialarbeit (1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozi- (3) Jungen Menschen kann während der Teil- aler Benachteiligungen oder zur Überwindung nahme an schulischen oder beruflichen Bil- individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem dungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sol- Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch len im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogi- begleiteten Wohnformen angeboten werden. In sche Hilfen angeboten werden, die ihre schuli- diesen Fällen sollen auch der notwendige Un- sche und berufliche Ausbildung, Eingliederung terhalt des jungen Menschen sichergestellt und in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 geleistet fördern. werden. (2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Men- (4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen schen nicht durch Maßnahmen und Programme der Schulverwaltung, der Bundesagentur für anderer Träger und Organisationen sicherge- Arbeit, der Träger betrieblicher und außerbe- stellt wird, können geeignete sozialpädagogisch trieblicher Ausbildung sowie der Träger von Be- begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungs- schäftigungsangeboten abgestimmt werden. maßnahmen angeboten werden, die den Fähig- keiten und dem Entwicklungsstand dieser jun- gen Menschen Rechnung tragen. Bild: andreas mang/photocase.com 20 21
Zeugnisverweigerungsrecht §§ 52, 53 StPO, § 35 Abs. 3 SGB I, §§ 383 ff. ZPO Zeugen sind ausnahmsweise berechtigt, ihrer In gleicher Weise sind auch die sog. Berufshel- Zeugnispflicht nicht nachzukommen und die fer und die sich in der Ausbildung befindlichen Aussage über persönliche Wahrnehmungen zu Personen (z. B. Praktikanten) zur Zeugnisver- verweigern, wenn ihnen ein Zeugnisverweige- weigerung berechtigt (§ 53a StPO). rungsrecht zusteht. Bild: diekatha/photocase.com Anders als in Zivilprozessen haben staatlich an- 1. Es wird unterschieden zwischen einem per- erkannte Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen sönlich begründeten und einem beruflich be- in Strafverfahren grundsätzlich kein Zeugnis- gründeten Zeugnisverweigerungsrecht verweigerungsrecht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönli- chen Gründen steht z. B. zu Auch wenn den Angehörigen der genannten 3. Ein Zeugnisverweigerungsrecht lässt sich 4. Nach der Rechtsprechung des Bundesver- Berufsgruppen ein Zeugnisverweigerungsrecht weiterhin aus der Verpflichtung zum Sozialda- fassungsgerichts kann im Einzelfall und unter • Verlobten zusteht, können sie das Zeugnis nicht verwei- tenschutz der Sozialleistungsträger (z. B. des besonders strengen Voraussetzungen der Ver- • Ehegatten gern, wenn sie von der Verpflichtung zur Ver- Jugendamtes) ableiten. Gem. § 35 Abs. 3 SGB I hältnismäßigkeitsgrundsatz gebieten, die Zeug- • Lebenspartnern und schwiegenheit durch den Beschuldigten bzw. besteht für diese und für ihre Mitarbeiter kei- nispflicht von Sozialarbeitern und Sozialpäda- • nahen Verwandten des Beschuldigten bzw. die Prozesspartei entbunden werden (§ 53 Abs. ne Auskunfts- und Zeugnispflicht, soweit eine gogen auch in Strafverfahren einzuschränken. einer Prozesspartei (§ 52 StPO, § 383 ZPO). 2 StPO, § 385 Abs. 2 ZPO). Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist. Voraussetzung dafür ist, dass eine konkrete Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen und fallorientierte Interessenabwägung zu dem Aus beruflichen Gründen sind diejenigen zur 2. In einem weiteren Sinne sind auch Richter, Sozialdaten übermittelt werden dürfen, vgl. So- Ergebnis führt, dass das Interesse an der Ge- Zeugnisverweigerung berechtigt, denen in Aus- Beamte und andere Personen des öffentlichen zialdatenschutz. heimhaltung höchstpersönlicher oder intimer übung ihres Berufes Tatsachen anvertraut oder Dienstes, also auch Angestellte z. B. in kirchli- Sachverhalte in besonderem Maße schützens- bekannt geworden sind; dazu gehören u. a. chen Einrichtungen, berechtigt, die Zeugen- Liegt keine Befugnis zur Übermittlung von Sozi- wert ist und demgegenüber die Belange der • Geistliche aussage über Umstände zu verweigern, auf die aldaten vor, ist der Dienstherr nicht berechtigt, Strafrechtspflege zurückzutreten haben. • Rechtsanwälte sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit be- für seine Mitarbeiter eine Aussagegenehmi- • Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten, zieht. Nur bei Vorliegen einer Aussagegenehmi- gung zu erteilen, so dass der Zeuge auch keine Dieses unmittelbar aus der Verfassung abgelei- Kinder- und Jugendtherapeuten, Hebammen gung durch den Dienstvorgesetzten besteht die Aussage machen darf. tete Zeugnisverweigerungsrecht gilt gleicher- • Mitarbeiter einer anerkannten Beratungs- Pflicht zur Aussage (§ 54 StPO, § 376 ZPO). maßen für Fachkräfte, die bei öffentlichen oder stelle nach den §§ 3 und 8 Schwangerschafts- Mitarbeiter von freien Trägern unterliegen in freien Trägern beschäftigt sind. konfliktgesetz und der Regel nicht den Vorschriften des Sozialda- • Berater für Fragen der Betäubungsmittelab- tenschutzes und können sich folglich auch nicht hängigkeit in einer anerkannten Beratungs- auf die Begrenzung der Zeugnispflicht nach § 35 stelle (§ 53 StPO, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO). Abs. 3 SGB I berufen. 22 23
Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst haltspflicht und beim Versorgungsausgleich die Pflicht, auch innerhalb der Behörden sicher- (§ 74 SGB X) und zustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zu- • Übermittlung von Sozialdaten für die For- gänglich sind oder nur an diese weitergegeben schung und Planung (§ 75 SGB X). werden. Die Übermittlungsbefugnis von Sozialdaten an Unter welchen Voraussetzungen die Erhebung, Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht besteht Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten zu- danach im Wesentlichen nur unter den Voraus- lässig ist, ist in den §§ 67a bis 78 SGB X geregelt. setzungen der §§ 68 und 73 SGB X. Hinzu kommen für den Bereich der Jugendhilfe Nach § 68 Abs. 1 SGB X ist es zulässig, im Ein- die Vorschriften der §§ 61 bis 68 SGB VIII. zelfall auf Ersuchen Name, Vorname, Geburts- datum, Geburtsort, derzeitige Anschrift des Be- Besondere Bedeutung kommt der Frage zu, troffenen, seinen derzeitigen oder zukünftigen wann die Übermittlung, also die Weitergabe, Aufenthalt sowie Namen und Anschriften sei- von Sozialdaten zulässig ist. Zulässig ist die Da- ner derzeitigen Arbeitgeber zu übermitteln, tenübermittlung nur, wenn der Betroffene • soweit kein Grund zur Annahme besteht, • einwilligt (im allgemeinen schriftlich) oder dass dadurch schutzwürdige Interessen des • wenn eine Übermittlungsbefugnis nach den Betroffenen beeinträchtigt werden, §§ 68 bis 75 SGB X vorliegt. Bild: piripi/photocase.com • wenn das Ersuchen nicht länger als sechs Monate zurückliegt und Soweit eine Übermittlung nicht zulässig ist, be- • die Übermittlung zur Erfüllung von Aufgaben steht auch keine Auskunftspflicht, keine Zeug- der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des nispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Gerichts, der Behörden der Gefahrenabwehr, Auslieferung von Schriftstücken oder Dateien (§ der Justizvollzugsanstalten oder zur Durchset- 35 Abs. 3 SGB I). In diesen Fällen darf auch kei- zung von öffentlichrechtlichen Ansprüchen ne Aussagegenehmigung erteilt werden. in Höhe von mindestens 600 Euro erforder- lich ist. Folgende Übermittlungsbefugnisse sind vorge- sehen: Sozialdatenschutz • Übermittlung für Aufgaben der Polizeibehör- den, der Staatsanwaltschaften und Gerichte, Nach § 73 Abs. 1 SGB X ist die Übermittlung von Sozialdaten an Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht nur zulässig, soweit sie zur Durchfüh- der Behörden der Gefahrenabwehr (Ord- rung eines Strafverfahrens wegen eines Ver- § 35 SGB I nungsämter) oder zur Durchsetzung öffent- brechens oder wegen einer sonstigen Straftat lich-rechtlicher Ansprüche (§ 68 SGB X), von erheblicher Bedeutung (z.B. sexueller Miss- §§ 67 - 85a SGB X brauch) erforderlich ist. Die Übermittlung muss §§ 61 - 68 SGB VIII • Übermittlung für die Erfüllung von Aufgaben durch den Richter angeordnet werden. nach dem Sozialgesetzbuch (§ 69 SGB X), • Übermittlung für die Durchführung des Ar- Grundsätzlich bindet der Sozialdatenschutz nur beitsschutzes (§ 70 SGB X), die – öffentlichen – Sozialleistungsträger, nicht • Übermittlung für die Erfüllung besonderer jedoch die Träger der freien Wohlfahrtspflege Der Sozialdatenschutz gewährleistet die umfas- Sozialdaten sind nach § 67 Abs. 1 SGB X Ein- gesetzlicher Pflichten und Mitteilungsbefug- oder andere private Einrichtungen. Im Bereich sende Achtung des Sozialgeheimnisses. Nach zelangaben über persönliche oder sachliche nisse (§ 71 SGB X), der Jugendhilfe hat allerdings das Jugendamt si- § 35 Abs. 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, Verhältnisse einer bestimmten oder bestimm- • Übermittlung für den Schutz der inneren cherzustellen, dass der Schutz von Sozialdaten dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den baren Person (personenbezogene Daten des und äußeren Sicherheit (§ 72 SGB X), in entsprechender Weise gewährleistet wird, Leistungsträgern (z. B. Sozialamt, Jugendamt, Betroffenen), die von einem öffentlichen Sozi- • Übermittlung für die Durchführung eines wenn Einrichtungen und Dienste der Träger der Arbeitsagentur) nicht unbefugt erhoben, verar- alleistungsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben Strafverfahrens (§ 73 SGB X), freien Jugendhilfe in Anspruch genommen wer- beitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis). erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. • Übermittlung bei Verletzung der Unter- den (§ 61 Abs. 3 SGB VIII). 24 25
Aussagegenehmigung § 54 StPO; §§ 67, 68 BBG; § 3 Tod Angehörige des öffentlichen Dienstes haben Bei der Entscheidung über die Erteilung einer über Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätig- Aussagegenehmigung muss der Dienstvorge- keit bekannt geworden sind, Verschwiegenheit setzte im Bereich der Sozialverwaltung ins- zu bewahren. Nur mit einer Aussagegenehmi- besondere die Vorschriften des Sozialdaten- gung ihres Dienstvorgesetzten ist es ihnen er- schutzes berücksichtigen. Liegen z. B. keine laubt, vor Gericht oder außergerichtlich, sich Übermittlungsbefugnisse nach den §§ 67 ff. über dienstliche Sachverhalte zu äußern. SGB X und den §§ 61 ff. SGB VIII vor, darf eine Aussagegenehmigung nicht erteilt werden (§ 35 Die Verschwiegenheitspflicht im öffentlichen Abs. 3 SGB I). Dienst beruht für Beamte auf § 67 BBG sowie den entsprechenden Vorschriften der Landesbe- Die Beschäftigten der - verfassten - Kirchen amtengesetze und für Angestellte auf § 3 Abs. 1 und Religionsgemeinschaften mit ihrem Status Tod. als Körperschaften des öffentlichen Rechts un- terliegen ebenfalls den Vorschriften über die Werden Angehörige des öffentlichen Dienstes Verschwiegenheitspflicht und der Aussagege- als Zeugen vor Gericht geladen, entscheidet der nehmigung. Für Beschäftigte von kirchlichen Dienstvorgesetzte auf entsprechende Anfrage Einrichtungen (z. B. Diakonie oder Caritas) gel- des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft, ob ten die Regelungen zur Aussagegenehmigung und in welchem Umfang eine Zeugenaussage entsprechend, wenn sie öffentliche Aufgaben, überhaupt gemacht werden darf. Im Strafver- beispielsweise der Jugendhilfe, wahrnehmen. fahren sind gem. § 54 Abs. 1 StPO die einschlä- gigen beamtenrechtlichen Vorschriften anzu- Bei anderen freien Trägern gilt der Vorbehalt wenden, die auch für Angestellte gelten. der Aussagegenehmigung nicht; es sei denn, sie nehmen Aufgaben wahr, die ihnen ein öffentli- Danach darf die Aussagegenehmigung nur ver- cher Sozialleistungsträger zur eigenverantwort- sagt werden, wenn die »Aussage dem Wohle lichen Erfüllung übertragen hat. des Bundes oder eines deutschen Landes Nach- teile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde« (§ 68 BBG). 26 27 Bild: Franziska Fiolka/photocase.com
Die Schweigepflicht obliegt u. a. Die in Ausübung des oben aufgeführten Berufs bekannt gewordenen Geheimnisse dürfen nicht • Ärzten und Angehörigen anderer Heilberufe offenbart, d. h. einem anderen mitgeteilt wer- mit staatlich geregelter Ausbildung, den, der diese nicht, nicht in dem Umfang oder • Berufspsychologen mit staatlich anerkannter nicht sicher kennt. wissenschaftlicher Abschlussprüfung, • Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendbe- Dabei ist es unerheblich, ob der andere selbst ratern sowie Beratern für Suchtfragen in ei- schweigepflichtig ist. So darf also die Sozialpä- ner anerkannten Beratungsstelle, dagogin dem Psychologen die ihr anvertrauten • Mitgliedern oder Beauftragten einer aner - Geheimnisse nicht weitergeben, auch wenn sie kannten Beratungsstelle nach dem Schwan- damit rechnen kann, dass dieser sie für sich be- gerschaftskonfliktgesetz und hält. Auch käme es einem unbefugten Offenba- • staatlich anerkannten Sozialarbeitern oder ren gleich, wenn Akten oder Gesprächsnotizen staatlich anerkannten Sozialpädagogen. offen liegen gelassen werden und damit andern ermöglicht wird, diese zur Kenntnis zu nehmen. Weiterhin unterliegen ihr neben den genann- Bild: prokop/photocase.com ten Berufsgruppen auch ihre berufsmäßig tä- Die Strafbarkeit wegen Verletzung der Schwei- tigen Gehilfen sowie diejenigen, die sich bei ih- gepflicht entfällt, wenn der Schweigepflichtige nen in der Berufsausbildung befinden wie z.B. die Befugnis besitzt, die ihm bekannt geworde- Praktikanten. nen Geheimnisse zu offenbaren. Als Offenba- rungsbefugnisse kommen in Betracht: Unter Geheimnis i. S. v. § 203 StGB ist jede Tatsa- • die Einwilligung che zu verstehen, die nur einem einzelnen oder • der rechtfertigende Notstand und einem beschränkten Personenkreis bekannt ist • die – gesetzlich vorgeschriebenen – Schweigepflicht und an dessen Geheimhaltung der Betroffene Offenbarungspflichten. ein schutzwürdiges Interesse hat. Dazu gehören nicht nur die persönlichen, fami- § 203 StGB liären, wirtschaftlichen und beruflichen Verhält- nisse, sondern auch schon die Tatsache, dass ein Besuch in einer Beratungsstelle stattgefun- den hat. Angehörige bestimmter Berufe sind unter An- Wie auch im Sozialdatenschutz allgemein geht drohung von Strafe nach § 203 Abs. 1 StGB ver- es hierbei um einen verstärkten Schutz des »in- pflichtet zu schweigen, d. h. Geheimnisse, die formationellen Selbstbestimmungsrechts« des ihnen in Ausübung ihres Berufes bekannt ge- Bürgers, dem vom Bundesverfassungsgericht worden sind, nicht unbefugt zu offenbaren. (BVerfG) der Rang eines Menschenrechts zu- erkannt worden ist, und das grundsätzlich je- Mit der Schweigepflicht wird das Vertrauen ge- dem die eigene Entscheidung überlässt, wann schützt, das eine hilfesuchende Person braucht, und innerhalb welcher Grenzen persönliche Le- um sich einem Arzt oder einer Sozialarbeiterin benssachverhalte von Dritten offenbart werden zu offenbaren. dürfen. 28 29
Einwilligung Als betroffene Rechtsgüter stehen hier das »in- Wenn der Klient oder Patient in die Offenbarung formationelle Selbstbestimmungsrecht« und das seiner Geheimnisse ausdrücklich einwilligt oder »sexuelle Selbstbestimmungsrecht« gegenüber. auch durch sein Verhalten seine Einwilligung stillschweigend zum Ausdruck bringt, entfällt Eine Lösung des Konfliktes bietet § 34 StGB die Schutzwürdigkeit der Geheimniswahrung. an. Danach handelt derjenige nicht rechtswid- Allerdings ist erforderlich, dass der Betroffene rig, der »in einer gegenwärtigen, nicht anders vorher in verständlicher Weise auf die beab- abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, sichtigte Offenbarung hingewiesen wurde. Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem Dies gilt insbesondere auch dann, wenn in anderen abzuwenden«. Teambesprechungen, Supervisionssitzungen, Hilfeplankonferenzen, im Rahmen kollegialer Weitere Voraussetzung ist, dass »bei Abwägung Beratung oder gegenüber der Geschäftsführung der widerstreitenden Interessen, namentlich anvertraute Geheimnisse weitergegeben wer- der betroffenen Rechtsgüter und des Grades den sollen. der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich über- wiegt«. Bei dieser Rechtsgüterabwägung wird Rechtfertigender Notstand man in dem Beispiel zu dem Ergebnis kommen, dass das »sexuelle Selbstbestimmungsrecht« Ausgangspunkt des rechtfertigenden Notstan- das »informationelle Selbstbestimmungsrecht« des ist ein Konflikt, in dem sich der zur Geheim- wesentlich überwiegt, so dass die Sozial-arbei- haltung Verpflichtete befindet. Sein Schweigen terin befugt ist, das ihr anvertraute Geheimnis kann dazu führen, dass ein bedeutsameres z. B. gegenüber dem Jugendamt oder der Polizei Rechtsgut verletzt wird. zu offenbaren. Bild: cydonna/photocase.com Beispiel: Eine Klientin vertraut sich unter dem Liegen nach dem Gesetz Offenbarungspflichten Siegel der Verschwiegenheit einer Sozialarbei- vor, so lassen sich daraus natürlich auch Offen- terin an und berichtet, dass ihr Lebensgefährte barungsbefugnisse ableiten. seit einiger Zeit ihre minderjährige Tochter se- xuell missbraucht. Aus Angst vor ihrem Freund bittet sie, dass niemand davon erfährt. Einwilligung Rechtfertigender Notstand 30 31
Bild: ts-grafik.de/photocase.com Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork / Mobile Jugendarbeit NRW e.V. Gefördert durch: Herausgeber: Layout: Vorstand der LAG Streetwork/Mobile Jugendarbeit NRW e.V. h2werk Graf Recke Str. 209 Andreas Hitzmann 40237 Düsseldorf www.h2werk.de www.betreten-erlaubt.de Düsseldorf im November 2012
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