Kai-Uwe Kühn 04.03.2020 - Seelische Gesundheit im höheren Praktische Aspekte: (Psycho)pharmaka
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Seelische Gesundheit im höheren Lebensalter Praktische Aspekte: (Psycho)pharmaka Kai-Uwe Kühn 04.03.2020
Angegebene Beschwerden 70% aller Patienten mit einer Depression suchen ihren Hausarzt ausschließlich 31% andere aufgrund von körperlichen Beschwerden 69% körperliche im Rahmen der Depression auf Beschwerden Kopfschmerz Erschöpfung Rückenschmerz Herzklopfen Nackenverspannungen Beklemmungen in der Brust Abdominelle Beschwerden Magenbeschwerden Schwindel Simon et al. (1999): Studie an 1146 Patienten
Behandlung psychiatrischer Erkrankungen im höheren Lebensalter Leitlinien: Welche? Praxis: Rahmenbedingungen für Psychotherapie, Physiotherapie, Soziotherapie,Ergotherapie, Pharmakotherapie
Medikamentenverschreibung an ältere Menschen (%) A. Cartwright, C. Smith 1988 Alter 60- 70- 75- 80- 85- Diuretika 16 22 26 39 37 Analgetika 11 15 17 26 19 Sedativa 13 13 19 14 18 NSAR 11 19 16 17 10 ß – Blocker 12 13 13 7 2 Vasodilatatoren 7 9 7 7 3 Digitalis 2 4 8 10 13 Antihypertensiva 4 4 5 3 5
Ärzteblatt 23. 9.16 • • Medizin • Zu viele Medikamente im Alter • Freitag, 23. September 2016 • Köln – Mit dem Alter steigt das Risiko der gleichzeitigen und andauernden Einnahme mehrerer Medikamente. Schon die konsequente Anwendung von Leitlinien bei Patienten mit mehreren chronischen Erkrankungen kann zu Polypharmazie führen. In Deutschland erhalten rund 42 Prozent der über 65- Jährigen gesetzlich Versicherten fünf oder mehr verschreibungspflichtige Medikamente, was potenziell die Gefahr starker Wechsel- und Nebenwirkungen in sich birgt.
Häufigkeit unerwünschter Arzneimittelwirkungen • Gesamtbevölkerung 10.2 % • Patienten 60 - 70 Jahre 15.4 % • Patienten über 70 Jahre 20.3 %
„Stürze stellen insbesondere für ältere und kranke Menschen ein hohes Risiko dar. Sie gehen häufig mit schwerwiegenden Einschnitten in die bisherige Lebensführung einher, die von Wunden und Frakturen über Einschränkung des Bewegungsradius infolge verlorenen Vertrauens in die eigene Mobilität bis hin zum Verlust einer selbstständigen Lebensführung reichen. Durch rechtzeitige Einschätzung der individuellen Risikofaktoren, eine systematische Sturzerfassung, Information und Beratung von Patienten/Bewohnern und Angehörigen, sowie gemeinsame Maßnahmenplanung und Durchführung kann eine sichere Mobilität gefördert werden.“ – Expertenstandard Sturzprophylaxe, Seite 9, Abb. 3
Der altersbedingte Muskelschwund kann schon im Alter von 50 Jahren beginnen, aber ab dem 70. Lebensjahr beschleunigt sich der Prozess. Ab einem Alter von etwa 50 Jahren nimmt die Muskelmasse jährlich um etwa 1-2 Prozent ab. Der Verlust an Muskelkraft beträgt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr etwa 1,5 % pro Jahr, danach sogar etwa 3 % pro Jahr. Als Ursachen für den zunehmenden Muskelabbau werden die altersbedingte Verringerung der anabolen (muskelaufbauenden) und ein Überwiegen kataboler (muskelabbauender) Prozesse sowie Fehlfunktionen zellulärer Prozesse in den Muskelfasern angenommen. [1] Männer und Frauen sind ungefähr gleich häufig betroffen. Die im Alter häufige Mangelernährung (Malnutrition) sowie mangelnde Bewegung und Immobilisation (z. B. bei krankheitsassoziierter Bettruhe) gelten als weitere Ursachen und begünstigen die Sarkopenie. Daher sind ältere Menschen auch unterschiedlich von der Sarkopenie betroffen. Der Bedarf an Protein scheint im Alter erhöht, sodass vermutet wird, dass die Unterversorgung mit Protein ein wesentlicher Faktor für die Entstehung und das Fortschreiten der Sarkopenie ist. [2] Eine Vielzahl von Veränderungen im Skelettmuskel spielt eine Rolle bei der Entstehung der Sarkopenie. So werden funktionelle Einheiten des Muskels (motorische Einheiten) von der Nervenversorgung abgekoppelt und der Muskel wird von Fett- und Bindegewebe infiltriert.
Blasenschwäche/Harninkontinenz/Formen Belastungs- oder Stressinkontinenz Charakteristisch für die Belastungsinkontinenz ist der Urinverlust bei Druckerhöhung im Bauchraum. Der Urinverlust tritt besonders auf beim Husten, Lachen und Heben schwerer Lasten. Dieser Form der Inkontinenz liegt eine Insuffizienz des Schließmuskelapparates zugrunde. Je schwerer die Belastungsinkontinenz desto niedriger die notwendige Druckerhöhung im Bauchraum, die zum unwillkürlichen Urinverlust führt. So kann der Urinverlust bereits im Stehen, beim Gehen oder in der schwersten Ausprägung auch im Liegen auftreten.
Schweregrade Grad 1: Unwillkürlicher Urinabgang bei schweren körperlichen Belastungen wie Lachen, Husten, Niesen, Hüpfen oder Springen Grad 2: Unwillkürlicher Urinabgang bei leichten körperlichen Belastungen wie Treppensteigen, Gehen, Hinsetzen, Aufstehen Grad 3: Unwillkürlicher Urinabgang im Stehen Grad 4: Unwillkürlicher Urinabgang auch im Liegen
Auguste D. K 2.2
Gehirn-Atrophie bei der Alzheimer- Demenz Gesund Alzheimer-Demenz Bildnachweis: J. Bohl K 2.3
Therapieziele Stillstand oder Verlangsamung der Progression Verbesserung der Symptomatik (sowohl im kognitiven als auch nicht-kognitiven Bereich) Möglichst langer Erhalt der noch vorhandenen Funktionen Erleichterung der Pflege Möglichst langer Verbleib in der vertrauten Umgebung Aus: Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie, Band 3 Demenz, DGPPN (Hrsg.) 2000 K 4.3
Die 5 großen I: Intelligenzabbau (vor allem die verschiedenen Demenzen), Immobilität, (Bewegungsmangel, Arthrose, Lähmungen), Instabilität (Schlaganfall, Sturz im Alter), Inkontinenz (Harninkontinenz oder Stuhlinkontinenz) und Impairment of… (Einschränkungen der Wahrnehmungs- Organe Auge, Ohr wie Augenkrankheiten im Alter, insbesondere Alterssichtigkeit, Störungen des Gehörs usw.)
Pharmakokinetische Interaktionen Begriffe – Ursachen – therapeutische Relevanz Definition: Arzneimittelinteraktionen • Veränderung des normalerweise zu erwartenden therapeutischen Effektes durch Wechselwirkungen (therapeutischer Erfolg unsicher) – Pharmazeutische Interaktionen – Pharmakokinetische Interaktionen – Pharmakodynamische Interaktionen • Interaktionen durch: – Medikamente1 – Nahrungsbestandteile (z.B. Broccoli2, Grapefruitsaft3) – Genussmittel (auch „social drugs“ wie Kaffee, Tabak4, Alkohol) 1 Lewis DF et al. Expert Opin Drug Metab Toxicol. 2008, 4:1181-1186 2 Perocco P et al., Mutat Res. 2006, 595: 125-136 3 Uno T et al. Curr Clin Pharmacol. 2006, 1: 157-161 4 Kroon LA Am J Health Syst Pharm. 2007, 64: 1917-1921
Zusammenhang von Dosis und Wirkung Verordnete Dosis • Instruktion • Compliance • Ausgabe-/Einnahmefehler Verabreichte Dosis • Absorbtion • Gewicht • Gewebezusammensetzung • Distribution • Physiologische Variablen • Plasma- u. Gewebebindung • Pathologische Faktoren • Eliminationsrate • Genetische Faktoren Konzentration • Arzneimiittelinteraktionen am Wirkort • Toleranzentwicklung • Rezeptorbindung • Funktioneller Status • Plazeboeffekte Wirkung Nies & Spielberg, 1996
Ältere Patienten: Geriater sehen Problem der Multimedikation Dtsch Arztebl 2015; 112(38): A-1492 • Patienten und Angehörige trügen oft selbst zum Problem bei, indem sie zusätzlich zu den ärztlich verordneten Präparaten frei verkäufliche Mittel einnähmen
Psychopharmaka im Alter
Psychopharmakotherapie im Alter Physiologische Alterungsprozesse – Psychische Erkrankungen bei körperlicher Gesundheit Comorbidität – Psychische Erkrankungen bei körperlicher Erkrankung Demenz – Dementieller Abbau mit oder ohne psychiatrische und somatische Comorbidität
Psychopharmakotherapie im Alter Körperfett Plasma- Gesamtkörper- Extrazellulär- Gewichtsanteil volumen wasser flüssigkeit 35% 8% 17% 40%
Beispiele altersbedingter Veränderungen, die die Pharmakokinetik beeinflussen können (1) Betroffene kinetische altersbedingte Veränderung Parameter Resorption, Bioverfügbarkeit Oberfläche der Magen-Darm- Schleimhaut () Blutfluß im Splanchnikusgebiet () Säureproduktion im Magen () Magenentleerung () Peristaltik () Verteilungsvolumen Muskelmasse () (-20%) Körperfett () Gesamtkörperwasser () (-20%) Serumalbumin () (-20%)
Beispiele altersbedingter Veränderungen, die die Pharmakokinetik beeinflussen können (2) Betroffene kinetische altersbedingte Veränderung Parameter hepatische Clearance, Lebermasse () (-40%) Bioverfügbarkeit Leberdurchblutung () (-50%) Enzymaktivität () (?) Enzyminduktion () (?) renale Clearance Nierendurchblutung () (-50%) glomeruläre Filtration () (-50%) tubuläre Sekretion ()
Änderung der Bioverfügbarkeit im Alter Pharmakon Bioverfügbarkeit Bioverfügbarkeit Verhältnis [Alter in Jahren] [Alter in Jahren] alt/jung Clomethiazol 5-16% [25-28] 70-90% [68-70] ca. 7 Nalbuphin 11% [23-32] 44% [65-90] 4,0 Lidocain 13% [20-34] 27% [73-87] 2,1 Verapamil 23% [33-70] 38% [85-93] 1,65 Propanolol 30% [27-31] 55% [75-81] 1,83 Nifedipin 44-48% [22-35] 54-68% [73-83] 1,32
Psychopharmakotherapie im Alter 140 120 Kreatinin-Clerance [ml/min] 100 Männer 80 60 Frauen 40 20 0 20 40 60 80 Alter
Benzodiazepine im Alter
Klug entscheiden: . . . in der Geriatrie Dtsch Arztebl 2016; 113(40): A-1756 / B-1481 / C-1473 Gogol, Manfred • 1. Die Neuverordnung eines Medikamentes soll nicht ohne Überprüfung der bestehenden Medikation erfolgen.
Polypharmazie-Tendenz steigend, Folgen schwer kalkulierbar Ärzteblatt23.9.16 • Schlussfolgerung: Die Reduktion oder das Belassen einer Medikation ist immer eine individuelle, an Behandlungszielen orientierte Entscheidung und kann mit Hilfe von Listen sowie der Hausärztlichen Leitlinie Multimedikation erfolgen. Bemühungen, in Studien und Leitlinien Multimorbidität und Polypharmazie künftig vermehrt zu berücksichtigen, verdienen Unterstützung.
Ältere Patienten: Geriater sehen Problem der Multimedikation Dtsch Arztebl 2015; 112(38): A-1492 • Ein Problem der Therapie seien fehlende Leitlinien. „Es gibt zwar Bemühungen, Leitlinien für Multimorbidität zu erstellen. Doch eine klinische, kontrollierte Studie in dieser Patientengruppe gestaltet sich sehr schwierig“, so Zeeh. • Der Internist und Geriater betont, das Thema Arzneimittelversorgung älterer Menschen sei auch für erfahrene Mediziner eine Herausforderung
Kooperation der Beteiligten ARZT Alzheimer Demenz ANGEHÖRIGER PATIENT 43 K 4.2
Der herausfordernde Patient
Distribution von Pharmaka im menschlichen Körper Distribution Wirkort: ZNS Gewebe Rezeptoren, Enzyme gebunden frei frei gebunden Blutkreislauf gebundenes Pharmakon freies Arzneimittel Absorption Pharmakon Exkretion Metaboliten gebunden frei Metabolismus/ Biotransformation Metaboliten
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