Kardiopulmonale Reanimation in der Kleintierpraxis - SAT
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Übersichtsarbeiten | Reviews Kardiopulmonale Reanimation in der Kleintierpraxis S.N. Hoehne1, A.P. Kruppert2, M. Boller3 1Departement für klinische Veterinärmedizin, Abteilung für Notfall- und Intensivmedizin, Vetsuisse Fakultät der Universität Bern, Schweiz; 2Departement für klinische Veterinärmedizin, Abteilung für Anästhesie und Schmerztherapie, Vetsuisse Fakultät der Universität Bern, Schweiz; 3Melbourne Veterinary School, Faculty of Veterinary and Agricultural Sciences, The University of Melbourne, Werribee, Victoria 3030, Australia Zusammenfassung Small animal cardiopulmonary https://doi.org/ 10.17236/sat00280 resuscitation (CPR) in general Das Erleiden eines Herzkreislauf- und Atemstillstandes practice Eingereicht: 11.08.2020 ist das akute Sistieren der Herzkreislaufaktivität und der Angenommen: 07.11.2020 Atmung, welches zu einer mangelnden Sauerstoffversor- Cardiopulmonary arrest (CPA) is the acute cessation of gung der Gewebe und ohne sofortige Intervention un- systemic perfusion and ventilation. It leads to a lack of weigerlich zum Tod des Patienten führt. Kardiopul- tissue oxygen delivery and, if not addressed quickly, will monale Reanimation ist die einzige Behandlung für inevitably cause death. Cardiopulmonary resuscitation Herzkreislaufstillstand. Es gibt mehrere Möglichkeiten, (CPR) is the only available treatment for CPA and sev- die Reanimationsfähigkeiten eines veterinärmedizini- eral opportunities exist to improve the veterinary team’s schen Teams zu verbessern und somit die Prognose für resuscitation approach and optimize small animal CPR Kleintierpatienten mit Herzkreislaufstillstand zu opti- patient outcomes. In 2012, the Reassessment Campaign mieren. Im Jahr 2012 führte die Reassessment Campaign on Veterinary Resuscitation (RECOVER) initiative gen- on Veterinary Resuscitation (RECOVER) Initiative eine erated evidence-based clinical guidelines to form the umfassende Literaturrecherche durch und erstellte evi- basis for training and practice of CPR in dogs and cats. denzbasierte Praxisrichtlinien, die die Grundlage für die When employing an evidence-based, standardized ap- Ausbildung und Durchführung der Kleintierreanimati- proach to small animal CPR, return of spontaneous on bilden. Durch ein evidenzbasiertes, standardisiertes circulation can be achieved in up to 58% of patients and Vorgehen bei der Kleintierreanimation kann bei bis zu up to 7% of dogs and 19% of cats can be discharged 58% der Patienten eine Rückkehr der spontanen Zirku- from the veterinary hospital alive. Survival for dogs and lation erreicht werden, bis zu 7% der Hunde und 19% cats that suffer CPA is best in patients that suffer a der Katzen können lebend aus der Tierklinik entlassen peri-anesthetic arrest, so high quality CPR in the anes- werden. Hunde und Katzen die einen Herzkreislaufstill- thesia patient population is of utmost importance and stand unter Vollnarkose oder Sedation erleiden, haben expected to be the most rewarding. To ensure the best bessere Überlebenschancen, sodass sich gute Reanima- possible outcomes for any patient suffering from CPA tionskenntnisse besonders im peri-anästhetischen Be- and undergoing CPR, a comprehensive resuscitation reich auszahlen. Um jedem Patienten mit Herzkreislauf- strategy is necessary, that includes preventive and pre- stillstand die bestmöglichen Überlebenschancen zu paredness measures, basic life support (chest compres- bieten, ist eine umfassende Reanimationsstrategie erfor- sions and ventilation), advanced life support (optimiza- derlich. Diese beinhaltet Präventions- und Bereitschafts- tion of the patient status by targeted drug therapy, massnahmen, Basismassnahmen wie Herzdruckmassage cardiac rhythm monitoring, and defibrillation), and und Beatmung und erweiterte Massnahmen der Reani- post-cardiac arrest critical care. This article summarizes mation wie die Optimierung des Patientenstatus durch the most important RECOVER CPR guidelines for the gezielte medikamentöse Therapie, Herzrhythmusüber- small animal practitioner. wachung und antiarrhythmische Interventionen und die Key words: cardiac arrest, cardiopulmonary resuscitation, Intensivpflege in der Phase der Reanimationsnachsorge. cat, dog, RECOVER guidelines Diese Übersichtsarbeit fasst die wichtigsten, von der RE- COVER Initiative empfohlenen, Reanimations-Praxis- richtlinien für den Kleintierpraktiker zusammen. Schlüsselwörter: Herzkreislaufstillstand, Kleintier, Reanimation, Richtlinien, Wiederbelebung Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS SAT | ASMV 12 | 2020 735
Übersichtsarbeiten | Reviews Kardiopulmonale Abkürzungen der Reassessment Campaign on Veterinary Resuscitati- Reanimation in der on (RECOVER) Initiative entwickelt und publiziert. 27 K leintierpraxis CO2: Kohlenstoffdioxid Die positiven Auswirkungen einer konsequenteren und S. N. Hoehne et al. EtCO2: Endtidales (endexpiratorisches) CO2 standardisierten Durchführung der Kleintierreanimati- HKS: Herzkreislaufstillstand on nach RECOVER Praxisrichtlinien werden am Bei- IO: Intraossär spiel eines amerikanischen Tierspitals deutlich, welches IT: Intratracheal ROSC Raten von bis zu 58% in Hunden und Katzen IV: Intravenös und Überlebenschancen von bis zu 19% in Katzen er- RECOVER: R eassessment Campaign on Veterinary zielt.38,60 Eine japanische Studie die Reanimationserfol- Resuscitation ge vor der Publikation der RECOVER Praxisrichtlinien ROSC: W iederherstellung der spontanen Herzkreislauf mit Erfolgen nach deren Umsetzung vergleicht, be- aktivität (return of spontaneous circulation) schreibt zudem mit einem RECOVER basierten Reani- mationsansatz signifikant höhere ROSC Raten und Überlebenschancen.51 Einleitung Hunde und Katzen, die unter Sedation oder Vollnarko- Das Erleiden eines Herzkreislauf- und Atemstillstandes se einen HKS erleiden, haben bessere Überlebenschan- (nachfolgend zusammenfassend Herzkreislaufstillstand cen als kritisch kranke, multimorbide Patienten.37,39,50,60,93 (HKS) genannt) bezeichnet das akute Sistieren von Gute Kenntnisse in Kleintierreanimation lohnen sich Herzkreislaufaktivität und Atmung und stellt eine me- also insbesondere in der Kleintierpraxis, wo viele Rou- dizinische Notfallsituation dar. Ohne sofortige thera- tineeingriffe an anderweitig gesunden Patienten durch- peutische Intervention führt dieser Zustand zu einer geführt werden. Vertrautheit mit den RECOVER Praxis- unterbrochenen Sauerstoffversorgung der Gewebe und richtlinien gibt betroffenen Patienten die bestmöglichen in Folge ausnahmslos zum Tod des Patienten. 26 Das Ziel Chancen auf eine erfolgreiche Genesung. der kardiopulmonalen Reanimation (Herz-Lungen-Wie- derbelebung, nachfolgend als Reanimation bezeichnet) Die Abteilung für Notfall- und Intensivmedizin des ist es, Organschäden zu minimieren und sowohl Gewe- Tierspitals Bern hat im Sommer 2019 eine internetba- bedurchblutung als auch pulmonalen Gasaustausch sierte Befragung der Schweizer Tierärzteschaft zum aufrechtzuerhalten, bis eine spontane Herzkreislauf- Thema Kleintierreanimation durchgeführt, deren voll- und Atemaktivität wieder einsetzt. ständige Ergebnisse in einer Originalarbeit in dieser Ausgabe des Magazins verfügbar sind. Mit 94% bietet Durch adäquate Reanimation ist es bei Menschen je eine grosse Mehrheit der Schweizer Tierärzte Reanima- nach Grunderkrankung in bis zu 75% der Fälle möglich, tion in ihrem Arbeitsumfeld an und 81% erachten dies ein Wiedereinsetzen spontaner Herzkreislaufaktivität als eine wichtige Fähigkeit für den Kleintierpraktiker. (return of spontaneous circulation, ROSC) zu errei- Nur etwa ein Viertel der befragten Tierärzte sind mit chen.70 Bis zu 37% aller Patienten können zudem nach den internationalen RECOVER Praxisrichtlinien zur erlittenem HKS erfolgreich aus dem Krankenhaus ent- Kleintierreanimation vertraut und nur 22% halten sich lassen werden.70 Im Gegensatz dazu war die Prognose in der praktischen Durchführung an die von der RE- für Hunde und Katzen nach HKS bis vor wenigen Jah- COVER Initiative empfohlenen Reanimationsmassnah- ren deutlich schlechter mit ROSC Raten von höchstens men. Wir nehmen dies zum Anlass, die wichtigsten 40% und Überlebenschancen von unter 10%.39,50,97 Ein Aspekte der RECOVER Praxisrichtlinien in dieser wichtiger Grund für diese Unterschiede war, dass für Übersichtsarbeit zusammenzufassen. Menschen seit den 1960er-Jahren Praxisrichtlinien für das Vorgehen im Falle eines HKS existierten. Richtlini- en dieser Art ermöglichen sowohl Laien als auch medi- Kadiopulmonale Reanimation als wich- zinischem Personal einheitliche Schulungen in Reani- tiges Bindeglied der Überlebenskette mation, was sich positiv auf die Patientenmortalität auswirkt.34,87,88 Das Fehlen von Praxisrichtlinien und Um die Überlebenschancen nach einem HKS zu erhö- standardisiertem Reanimationstraining hat in der Klein- hen, ist eine lückenlose Patientenversorgung wichtig. tiermedizin dagegen zu signifikanter Variabilität in der Durch rechtzeitiges und korrektes Einschreiten kann Durchführung von Reanimationsversuchen geführt, die Prognose des Patienten positiv beeinflusst werden.9 mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Nachteil unserer Diese Möglichkeiten werden als Bindeglieder der Über- Patienten.10,40 lebenskette zusammengefasst und sind in Abbildung 1 ersichtlich.9 Patienten mit erhöhtem Risiko für einen In Anlehnung an die Humanmedizin wurden 2012 die HKS sollten frühzeitig identifiziert und intensiv über- ersten Praxisrichtlinien für Kleintierreanimation von wacht werden, um eine Verschlechterung schnellstmög- 736 SAT | ASMV 12 | 2020 Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS
Übersichtsarbeiten | Reviews Kardiopulmonale Reanimation in der K leintierpraxis S. N. Hoehne et al. Abbildung 1: Schematische Darstellung der Überlebenskette für Kleintiere Eine kontinuierliche Betreuung ist notwendig, um Patienten mit Herzkreislaufstillstand erfolgreich zu behandeln. Dabei symbolisiert jedes Bindeglied der Überlebenskette eine Gelegenheit, die Überlebenschancen zu verbessern. 9 Übersetzt mit Erlaubnis des J Am Vet Med Assoc. nach Boller et al., JAVMA (2012) 240:540–554. lich zu erkennen und unterstützend eingreifen zu kön- besprechung durchgeführt werden. Dies kann die Team- nen.11,61 Diese präventiven Bemühungen können in der leistung bei zukünftigen Reanimationen verbessern und Humanmedizin die Fälle eines tatsächlich eintretenden gleichzeitig als Auffrischung dienen. 20,24 Herkreislaufstillstandes reduzieren.85 Gute Kenntnisse und korrekte Durchführung der Basis- und erweiterten Notfallwagen und kognitive Hilfsmittel Massnahmen der Reanimation erhöhen anschliessend Neben gut ausgebildetem Fachpersonal ist es auch wich- die Chancen auf ROSC.11,44,80 Als letzter Schritt ist die tig, dass Reanimationshilfsmittel verfügbar und einfach Postreanimationsphase wichtig, um den Patienten best- zugänglich sind. Dazu gehören ein gut ausgerüsteter möglich zu stabilisieren und eine Entlassung aus der Notfallwagen oder eine Notfallstation und kognitive Tierarztpraxis zu ermöglichen.84 Hilfsmittel wie Reanimationsalgorithmen und Tabellen mit Medikamentendosierungen. Ein Notfallwagen sollte alle zur Reanimation benötigten Medikamente und me- dizinisches Zubehör beinhalten. Dieser muss regelmässig Präventionsmassnahmen, Bereit- gewartet werden, um sicherzustellen, dass die Gerät- schaft und Früherkennung eines schaften einsatzbereit und die Medikamente vorhanden Herzkreislaufstillstandes und nicht abgelaufen sind. Kognitive Hilfsmittel verbes- sern nachweislich die Einhaltung von Reanimations- Falls ein Patient trotz guter Präventionsmassnahmen richtlinien und die Reanimationsqualität. Diese sollten einen HKS erleidet, ist es wichtig, diesen sofort zu er- daher gut sichtbar in der Praxis angebracht sein.61,79 kennen und die Reanimation unverzüglich einzuleiten. Mehrere Studien bei Mensch und Kleintier belegen, dass Notfallwagen oder Notfallstationen und kognitive Hilfs- unmittelbares Eingreifen und gute Vorbereitung bei mittel sollten überall dort in der Praxis zugänglich sein, einem HKS mit einer besseren Prognose assoziiert wo ein HKS eintreten könnte, zum Beispiel im Bereich sind.37,60,75 der Narkoseeinleitung, im Operationssaal und im Auf- wachraum. Ausbildung in kardiopulmonaler Reanimation Diagnose des Herzkreislaufstillstandes Das gesamte veterinärmedizinische Fachpersonal einer Die Diagnose HKS sollte rasch gestellt werden, um den Praxis sollte regelmässig an Schulungen in Kleintierre- Beginn der überlebensnotwendigen Reanimation nicht animation teilnehmen. Dabei ist wichtig, dass sowohl zu verzögern. Die dazu nötige Patientenevaluation um- theoretisches Wissen, als auch psychomotorische Fähig- fasst eine kurze klinische Untersuchung, welche nicht keiten verbessert werden.15,69 Das Praxisteam sollte min- mehr als 10–15 Sekunden dauert und sich auf freie destens alle 6 Monate ein Reanimationstraining absol- Atemwege, Atemaktivität und Herzkreislaufaktivität vieren, um die erlernten Fähigkeiten immer wieder (airway, breathing, circulation; ABC) konzentriert. Das aufzufrischen.48,65 Des Weiteren sollte nach jedem Rea- Vorliegen von Bewusstseinsverlust und Apnoe sind aus- nimationsversuch in der Praxis eine strukturierte Nach- reichend für die Diagnose eines HKS am nicht anästhe- Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS SAT | ASMV 12 | 2020 737
Übersichtsarbeiten | Reviews Kardiopulmonale Reanimation in der K leintierpraxis S. N. Hoehne et al. Abbildung 2: Algorithmus zur Kleintierreanimation Das Diagramm fasst die wichtigsten Praxisrichtlinien zur Versorgung des Patienten mit Herzkreislaufstillstand zusammen. Der gestrichelten Linie ist die korrekte Abfolge von Basismassnahmen und erweiterten Massnahmen zu entnehmen, die bei jedem Patienten mit Herzkreislaufstillstand eingeleitet werden sollen: 1) Herzdruckmassage, 2) Beatmung, 3) Anbringen von Überwachungsmonitoren, 4) Legen eines venösen Zuganges, 5) Verabreichen von Antagonisten, falls Sedativa oder Anästhetika verabreicht wurden. Darauf folgt eine Schleife von 2-Minuten-Zyklen der Reanimation an deren Ende der Patient reevaluiert wird und ein Wechsel des Retters für Thoraxkompressionen erfolgt. Patienten deren Evaluation einen nicht- defibrillierbaren Arresthrhythmus ergibt, werden mit einem weiteren 2-Minuten-Zyklus von Thoraxkompressionen, Vasopres- soren und allenfalls Anticholinergika behandelt. Patienten mit einem defibrillierbaren Arrestrhythmus müssen bevorzugt elektrisch defibrilliert, oder falls kein Defibrillator vorhanden ist mit einem präkordialen Faustschlag behandelt werden. PEA = pulslose elektrische Aktivität; VF = ventrikuläre Fibrillation; VT = ventrikuläre Tachykardie. 27 Übersetzt mit Erlaubnis des J Vet Emerg Crit Care (San Antonio) nach Fletcher et al., JVECC (2012) 22:S102–S131. 738 SAT | ASMV 12 | 2020 Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS
Übersichtsarbeiten | Reviews sierten Tier und sollte zum sofortigen Beginn der Basismassnahmen der Reanimation Kardiopulmonale Reanimation führen. 26,27 Pulspalpation ist eine unzu- Reanimation in der K leintierpraxis verlässige Massnahme zur Diagnose eines HKS. Sowohl Herzdruckmassage durch Pulspalpation als auch durch Thoraxauskultation Eine gut ausgeführte Herzdruckmassage kann während S. N. Hoehne et al. besteht die Gefahr wertvolle Zeit zu verlieren.19 Jegliche eines HKS den Blutfluss aufrechterhalten und Organ- Verzögerung von Reanimationsmassnahmen kann sich schäden vermindern. Sowohl in der Humanmedizin als negativ auf die Patientenprognose auswirken und die auch in der Veterinärmedizin konnte mehrfach belegt Risiken einer unnötigen Reanimation sind gering im werden, dass sich Überlebenschancen verbessern, wenn Vergleich zu den Risiken verzögerter Hilfeleistung.60 Im die Herzdruckmassage schnellstmöglich begonnen Zweifelsfall sollte daher immer mit Reanimationsmass- wird.6,31,35,37,60,94 Die Herzdruckmassage wird am ge- nahmen begonnen werden. schlossenen Thorax durch externe Thoraxkompressio- nen und bei offenem Thorax (z. B. intraoperativ) durch Im Gegensatz zum wachen Tier können Bewusstseins- direkte Kompression der Ventrikel durchgeführt. Nach- verlust und Apnoe am anästhesierten Patienten nicht folgend soll nur auf die Technik der viel häufiger durch- verlässlich zur Diagnosestellung eines HKS herbeigezo- geführten Thoraxkompressionen eingegangen werden. gen werden. Während der Anästhesie sollte man sich auf die gelieferten Informationen von EKG, Kapnome- Selbst durch ausgezeichnete Thoraxkompressionen trie und arteriellem Blutdruck verlassen. kann nur etwa 25 bis 40% des normalen Herzzeitvolu- mens erzeugt werden.58,91,95 Suboptimal durchgeführte Kompressionen erzeugen vermutlich noch schlechtere Übersicht der Reanimations Resultate. Die richtige Körperhaltung und Technik, um massnahmen die Effizienz der Thoraxkompressionen zu maximieren, ist daher von grösster Wichtigkeit. Sobald ein HKS festgestellt wird, ist es wichtig, um Hil- fe zu rufen und dann schnellstmöglich mit der Reani- Körperhaltung des Retters mation zu beginnen. Kardiopulmonale Reanimations- Um vorschneller Ermüdung vorzubeugen und die best- massnahmen lassen sich in zwei Aspekte gliedern, 1) mögliche Kompressionskraft aufrechtzuerhalten, wird Basismassnahmen und 2) erweiterte Massnahmen der vom Retter eine Körperhaltung eingenommen, die es Reanimation. erlaubt, die Rumpfmuskulatur anstelle der rasch ermü- denden Armmuskulatur einzusetzen. Beide Hände soll- Die Basismassnahmen der Reanimation haben zum ten einen fokalen Kompressionspunkt auf dem Thorax Ziel, die Gewebedurchblutung und den pulmonalen des Patienten bilden, indem die Finger ineinander ver- Gasaustausch aufrechtzuerhalten. Sie setzen sich aus zahnt werden. Hände, Ellenbogen und Schultern sollten Herzdruckmassage durch Thoraxkompressionen, dem sich in einer geraden Linie übereinander befinden, wo- Freimachen und Sichern der Atemwege und der manu- bei die Ellenbogen fixiert sind und sich nicht beugen ellen Beatmung zusammen. Qualitativ hochwertige (Abbildung 3). 26 Falls sich der Patient auf einem höhe- Thoraxkompressionen zur Aufrechterhaltung des Blut- ren Tisch befindet und das Durchstrecken der Ellenbo- flusses sind die allerwichtigste Massnahme für eine er- gen nicht möglich ist, sollte sich der Retter auf einen folgreiche Reanimation, gefolgt von der Beatmung. Stuhl oder Hocker stellen oder den Patienten auf den Boden umlagern. 26 Diese Basismassnahmen werden während des gesamten Reanimationsversuches aufrechterhalten. Sobald genü- Patientenlagerung und Technik gend Retter vor Ort sind, werden parallel dazu erweiter- Die wenigen verfügbaren Studien bei Kleintieren deuten te Massnahmen der Reanimation eingeleitet, um die darauf hin, dass die effizienteste Thoraxkompression Überlebenschancen des Patienten zu erhöhen. Diese erreicht wird, wenn sich Patienten in Seitenlage befin- beinhalten das Anbringen von Überwachungsmonito- den. Die Kompressionstiefe sollte 1 ⁄ 3 bis 1 ⁄ 2 der Tho- ren, das Legen eines Gefässzuganges (falls nicht bereits raxbreite betragen und unabhängig von der Tierart oder vorhanden), unterstützende medikamentelle Therapie -grösse ist eine Kompressionsrate von 100 bis 120 Kom- und, falls indiziert, elektrische Defibrillation. Erweiter- pressionen pro Minute anzustreben.39,58,98 te Massnahmen der Reanimation sollten die Weiterfüh- rung der Basismassnahmen nie behindern. Es sollte sichergestellt werden, dass sich der Patient auf einer festen Unterlage befindet, da eine zu weiche Lage- Im Algorithmus der Abbildung 2 sind die wichtigsten rung die Effizienz der Thoraxkompressionen vermindern Basis- und erweiterten Massnahmen der Kleintierreani- kann. Um eine adäquate Kompressionsfrequenz aufrecht- mation zusammengefasst. zuerhalten, können visuelle oder akustische Taktmesser eingesetzt werden (z. B. blinkende Lichtquelle, Metronom Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS SAT | ASMV 12 | 2020 739
Übersichtsarbeiten | Reviews Kardiopulmonale Reanimation in der K leintierpraxis S. N. Hoehne et al. Abbildung 3: Korrekte Körperhaltung des Retters zur Aus- Abbildung 4: Korrekte Handposition für Thoraxkompressio führung von Thoraxkompressionen beim Kleintier nen bei mittelgrossen- bis grossen Hunden mit runder Tho- Thoraxkompressionen sind am einfachsten auszuführen, wenn raxform sich der Retter hinter dem Patienten befindet, da dies das Thoraxkompressionen werden am höchsten Punkt des latera- Wegrutschen des Patienten verhindert. Kompressionen wer- len Thorax ausgeführt. Dabei kann sich der Patient in rechter den unter Einsatz der Rumpfmuskulatur ausgeführt, dabei oder linker Seitenlage befinden. bleiben die Ellenbogen gestreckt. Schultern, Ellenbogen und Hände bilden eine gerade Linie. Beide Hände werden über einandergelegt und bilden einen fokalen Kompressionspunkt auf dem Thorax des Patienten. oder mentales oder lautes Singen von Liedern mit einem nen Herzkreislaufaktivität. Es werden zwei unterschied- Tempo von 100 bis 120 Schlägen pro Minute). 26,53,101 liche Modelle postuliert, um den Blutfluss durch Thoraxkompressionen zu beschreiben.16 Der «cardiac Zwischen einzelnen Thoraxkompressionen muss das pump» Theorie zufolge kann durch Thoraxkompressi- Abstützen auf den Patienten unbedingt vermieden wer- onen eine direkte Kompression der Ventrikel zwischen den. Wenn sich der Thorax während der Dekompressi- den beiden lateralen Rippenbögen oder zwischen dem onsphase nicht in seine ursprüngliche Form ausdehnen Sternum und der Wirbelsäule erreicht werden. Dies er- kann, erhöht sich der intrathorakale Druck, was den höht den intraventrikulären Druck, öffnet die Pulmo- venösen Rückfluss und damit die überlebenswichtige nal- und Aortenklappe, und generiert somit Blutvor- Zerebral- und Koronardurchblutung herabsetzt.99,102 wärtsfluss. Im Gegensatz dazu kommt der Blutfluss gemäss der «thoracic pump» Theorie durch eine gesamt- Thoraxkompressionen werden in Zyklen von jeweils 2 heitliche Erhöhung des intrathorakalen Druckes wäh- Minuten durchgeführt. Pausen sollten dabei auf ein rend der Thoraxkompression zustande. In den wenig Minimum reduziert werden, denn Unterbrechungen des nachgiebigen grossen Arterien wird dadurch der Druck Blutflusses sind mit schlechteren Überlebenschancen erhöht, während er in den dehnungsfähigen grossen assoziiert. 23,30,52 Eingriffe wie die Intubation des Patien- Venen niedrig bleibt. Durch die arteriovenöse Druck- ten oder erweiterte Massnahmen der Reanimation wer- differenz kommt ein Blutvorwärtsfluss zustande und den daher, wenn immer möglich, unter Weiterführung das Herz fungiert nach dieser Theorie lediglich als pas- der Thoraxkompressionen durchgeführt. Nach Ablauf sive Leitungsführung. Die optimale Handposition für eines jeden 2-Minuten-Zyklus wird der Patient reevalu- Thoraxkompressionen hängt von der Grösse und Tho- iert. Die Evaluation beinhaltet die Pulspalpation und raxform des einzelnen Patienten ab und lässt sich aus Interpretation des EKGs und sollte nur in der wenige diesen zwei Modellen ableiten. 27 Sekunden andauernden Pause zwischen zwei Kompres- sionszyklen vorgenommen werden. Nach der Patiente- Für mittelgrosse- bis grosse Hunde mit runder Thorax- nevaluation wird die Herzdruckmassage für einen er- form (z. B. Labrador Retriever, Rottweiler) wird der neuten 2-Minuten-Zyklus von einem anderen Retter Blutfluss vermutlich grösstenteils durch eine Erhöhung übernommen, um eine ermüdungsbedingte Reduktion des intrathorakalen Drucks generiert. Um diesen zu der Thoraxkompressionsqualität zu vermeiden. maximieren, sollten Thoraxkompressionen bei diesen Patienten in Seitenlage über dem höchsten Punkt des Korrekte Handposition lateralen Thorax ausgeführt werden (siehe Abbildung 4). Die Physiologie der Zirkulation während der Reanima- Im Gegensatz dazu ist es bei Hunden mit keilförmigem tion unterscheidet sich wesentlich von der der sponta- Thorax (z. B. Dalmatiner, Windhunde) wahrscheinlich 740 SAT | ASMV 12 | 2020 Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS
Übersichtsarbeiten | Reviews Kardiopulmonale Reanimation in der K leintierpraxis S. N. Hoehne et al. Abbildung 5: Korrekte Handposition für Thoraxkompressionen Abbildung 6: Korrekte Handposition für Thoraxkompressionen bei mittelgrossen- bis grossen Hunden mit keilförmigem bei Hunden mit ventrodorsal abgeflachtem Thorax Thorax Thoraxkompressionen werden in Dorsallage über dem Ster- Thoraxkompressionen werden direkt über dem Herzen aus- num ausgeführt. geführt. Dabei kann sich der Patient in rechter oder linker Seitenlage befinden. möglich, eine Kompression der Ventrikel zwischen den Beatmung des intubierten Patienten Rippenbögen zu erzielen. Thoraxkompressionen sollten Nur der intubierte Patient lässt sich ohne Unterbrechung daher direkt über derjenigen Stelle ausgeführt werden, der Thoraxkompressionen effizient beatmen. Stehen ein an der anatomisch das Herz erwartet wird (siehe Abbil- Endotrachealtubus, Laryngoskop und mindestens zwei dung 5). Bei Hunden mit ventrodorsal abgeflachtem Personen zur Reanimation zur Verfügung, sollte daher Brustkorb (z. B. Bulldoggen) können Thoraxkompressi- jeder Patient mit HKS intubiert werden. 27,45 Um Unter- onen in Rückenlage über dem Sternum ausgeführt wer- brechungen des Blutflusses zu vermeiden, werden Pati- den (gezeigt in Abbildung 6). enten wenn immer möglich in Seitenlage und unter Fortführung der Thoraxkompressionen intubiert. Die Kleine Hunde und Katzen haben eine weniger steife Intubation in Seitenlage kann einige Übung erfordern Thoraxwand, und eine direkte Kompression der Vent- und es ist für jeden Tierarzt und tiermedizinischen Pra- rikel durch Thoraxkompressionen direkt über dem Her- xisassistenten empfehlenswert, diese gelegentlich an zen sollte angestrebt werden. Kompressionen bei kleinen Patienten, welche für Routineeingriffe intubiert werden, Hunden und Katzen können, wie bei mittelgrossen- bis zu trainieren. Es ist allerdings entscheidend wichtig, dass grossen Hunden oben beschrieben, mit einer zweihän- die endotracheale Intubation korrekt erfolgt und eine digen Technik durchgeführt werden. Alternativ kann kurze Umlagerung in Sternallage kann daher in Patien- man bei sehr kleinen Tieren eine einhändige Technik ten mit herausfordernder Anatomie der oberen Atem- anwenden. Bei dieser wird, wie in Abbildung 7 gezeigt, wege (z. B. brachycephale Patienten, Katzen) nötig sein. die komprimierende Hand ventral um das Sternum des Patienten gelegt und mit dem Handballen die Kompres- Sobald der Patient erfolgreich intubiert ist, wird die Tu- sion ausgeführt. Die nicht-dominante Hand kann dorsal busmanschette aufgeblasen und der Tubus mit Gauze zur Stabilisierung des Patienten dienen. fixiert (z. B. hinter den Ohren oder am Oberkiefer). Die positive Druckbeatmung sollte dann mittels eines Am- Sichern der Atemwege und Beatmung bubeutels mit 10 Atemstössen pro Minute durchge- Langandauernde Hypoxämie und Hyperkapnie können führt werden. Ein Atemzugvolumen von ungefähr 10 die Überlebenschancen der Patienten vermindern und ml/kg über eine Inspirationszeit von 1 Sekunde ist sollten unbedingt vermieden werden.47,100 Sobald die anzustreben. 27,44 Wenn die Möglichkeit zur zusätzli- Herzdruckmassage begonnen wurde, sollten Patienten chen Sauerstoffgabe besteht, sollte der Patient mit 100% daher schnellstmöglich auch beatmet werden. Grund- Sauerstoff beatmet werden. 27,44 sätzlich kann zwischen Beatmungsstrategien des intu- bierten und des nicht-intubierten Patienten unterschie- Eine Hyperventilation des Patienten sollte unbedingt den werden. vermieden werden. Die dadurch entstehende arterielle Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS SAT | ASMV 12 | 2020 741
Übersichtsarbeiten | Reviews Kardiopulmonale Reanimation in der K leintierpraxis S. N. Hoehne et al. Abbildung 7: Technik der einhändigen Thoraxkompressionen Abbildung 8: Mund-zu-Schnauze Atemspende am nicht-intu bei Katzen und sehr kleinen Hunden bier ten Patienten Die Hand wird ventral um das Sternum des Patienten gelegt Der Retter kniet hinter dem Patienten, beugt sich zur Atemspen- und der Handballen zur Kompression benutzt. de zu dessen Kopf hinunter und streckt diesen, um die Atemwe- ge des Tieres nicht abzuknicken. Die Schnauze des Patienten wird mit einer Hand fest umschlossen, der Mund des Retters umschliesst die Nasenlöcher des Patienten. Zwei Atemstösse werden dann in rascher Folge appliziert und danach die Tho- raxkompressionen sofort wieder aufgenommen. Hypokapnie führt zu einer zerebralen Vasokonstriktion hebt. Ein zweiter Atemstoss wird unmittelbar nach dem und kann die Gehirndurchblutung und damit die Er- ersten verabreicht und die gesamte Beatmungszeit bis zur folgschancen der Reanimation herabsetzen. Des Weite- Wiederaufnahme der Thoraxkompressionen sollte weni- ren wird der intrathorakale Druck bei der Applikation ger als 5 Sekunden betragen. eines jeden positiven Atemstosses erhöht, was die Effi- zienz der Thoraxkompressionen beeinträchtigt.3,26,27 Alternativ zur Mund-zu-Schnauze Atemspende kann der nicht-intubierte Patient mit einer eng anliegenden Gesichts- Beatmung des nicht-intubierten Patienten maske beatmet werden (siehe Abbildung 9). Dabei gilt zu Steht kein Endotrachealtubus oder nur eine ungenügen- beachten, dass die Gummimembran der Gesichtsmaske die de Anzahl von Rettern zur Verfügung, kann eine Mund- kompletten Lefzen eng umschliesst und die Maske mit zu-Schnauze Atemspende durchgeführt werden. Dazu beiden Händen in Position gehalten wird, damit eine effi- wird der Patient in Seitenlage belassen, während Thorax- ziente Verabreichung des Atemstosses gewährleistet werden kompressionen zur Verabreichung der Atemstösse zwin- kann.45 Auch die Beatmung mittels G esichtsmaske wird im gend unterbrochen werden müssen. Es werden jeweils 30 Verhältnis von 30:2 Thoraxkompressionen zu Atemstössen Thoraxkompressionen durchgeführt (mit einer Fre- durchgeführt und die Thoraxkompressionen müssen zur quenz von 100 bis 120 pro Minute wie oben beschrieben), Beatmung unterbrochen werden. Da es durch undichte gefolgt von 2 Atemstössen in rascher Folge, gefolgt von Masken zu ungenügender Oxygenation des Patienten kom- sofortiger Wiederaufnahme der Thoraxkompressio- men kann, sollte die Beatmung mittels Gesichtsmaske mit nen. Die Sequenzen von alternierenden 30 Thoraxkom- 100% Sauerstoff erfolgen.45 pressionen und 2 Atemstössen werden für einen vollen 2-Minuten-Zyklus aufrechterhalten. Nach Ablauf der zwei Minuten wird der Patient reevaluiert und falls nötig ein Erweiterte Massnahmen der weiterer 2-Minuten-Zyklus von 30:2 Reanimation begon- Reanimation nen. 27,44 Um Atemstösse effizient zu verabreichen muss der Retter die Schnauze des Patienten fest umschliessen Erweiterte Reanimationsmassnahmen werden dann be- und seinen Mund so um dessen Nasenlöcher legen, dass gonnen, wenn alle Basismassnahmen bereits ausgeführt ein luftdichter Verschluss entsteht (Abbildung 8). Dabei werden und sollen diese nicht behindern. sollte der Kopf des Patienten auf dem Boden belassen und der Nacken ausgestreckt werden, um ein Abknicken der Patientenüberwachung Atemwege zu verhindern. 26 Der Atemstoss wird dann Elektrokardiogramm (EKG) durch kräftiges Einblasen von Luft in die Nasenlöcher Das frühe Anbringen eines EKGs während der Reani- appliziert, bis sich der Thorax des Patienten sichtbar er- mation ist sehr wichtig, da der zugrunde liegende Herz- 742 SAT | ASMV 12 | 2020 Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS
Übersichtsarbeiten | Reviews Rhythmen machen jeweils nur 21% beim Hund und 16% Kardiopulmonale bei der Katze aus.38 Sollte kein EKG in der Praxis vorhan- Reanimation in der K leintierpraxis den sein, ist es akzeptabel von einem nicht-defibrillier- baren Rhythmus auszugehen und zusätzlich zu den S. N. Hoehne et al. Reanimationsbasismassnahmen empirisch medikamen- telle Therapie zu verabreichen (siehe unten).38 Endexpiratorisches (endtidales) CO2 Endexpiratorisches CO2 (EtCO2) kann mittels Kapno- metrie oder Kapnografie kontinuierlich und nicht-invasiv gemessen werden, wobei der resultierende Wert sowohl vom Herzminutenvolumen, als auch vom Atemminuten- volumen abhängt. Bei konstanter Beatmung kann EtCO2 während der Reanimation daher wichtige Informationen zum Blutvorwärtsfluss und der Effizienz der Herzdruck- Abbildung 9: Beatmung des nicht-intubierten Patienten mit- massage liefern.11,27 Ein EtCO2 von mindestens 15 mmHg tels enganliegender Gesichtsmaske und Ambubeutel Um einen luftdichten Schluss und effiziente Beatmung zu ist ein Indiz für qualitativ akzeptable Thoraxkompressi- gewährleisten muss die Gummimembran der Gesichtsmaske onen und sollte als Minimalwert angestrebt werden die gesamten Lefzen des Patienten miteinbeziehen. 38,39,41. Falls dieser Wert nicht erreicht wird, muss unbe- dingt versucht werden, die Thoraxkompressionen zu verbessern oder andere Gründe für einen tiefen Wert (z. B. Fehlintubation, Hypovolämie, Pneumothorax, etc.) auszuschliessen. Beim Eintreten von ROSC ist zu erwar- ten, dass das EtCO2 parallel zum Blutfluss plötzlich sig- rhythmus des Patienten die optimalen weiterführenden nifikant ansteigt. Eine rasche Zunahme des EtCO2 kann Reanimationsmassnahmen diktiert (siehe Algorithmus somit ein wertvoller Hinweis sein, dass spontane Herz- in Abbildung 2). Kardiale Arrestrhythmen können in kreislaufaktivität vorhanden ist.82 zwei Kategorien unterteilt werden: nicht-defibrillierbare und defibrillierbare Rhythmen (siehe Abbildung 10). Pulsoximetrie und Blutdruckmessungen Zu den nicht-defibrillierbaren Rhythmen gehören Asys- Sowohl Pulsoximeter als auch oszillometrische und Ultra- tole und pulslose elektrische Aktivität (PEA). Defibril- schall-Doppler basierte Blutdruckmessgeräte sind während lierbare Arrestrhtyhmen beinhalten pulslose ventrikulä- der Reanimation nicht von Nutzen. Aufgrund der Bewe- re Tachykardie (PVT) und ventrikuläre Fibrillation (VF). gungsartefakte und ungenügendem Pulsdruck liefern sie Nach erfolgter EKG Diagnose wird sofort die Herzdruck- keine zuverlässigen Messdaten. Da sie Retter von wichtige- massage wieder aufgenommen. Zusätzlich werden Pati- ren Massnahmen ablenken können, sollte von ihrer Nut- enten mit nicht-defibrillierbaren Rhythmen durch me- zung während der Reanimation abgesehen werden. Sind dikamentelle Therapie unterstützt und jene mit sie zum Zeitpunkt des HKS bereits am Tier im Einsatz (z. B. defibrillierbaren Rhythmen elektrisch defibrilliert. 27,80 unter Vollnarkose) können sie belassen werden und liefern ab Eintreten von ROSC wieder wertvolle Daten, die der Aufgrund der Störungsanfälligkeit kann ein EKG nur in- weiteren Patientenstabilisierung dienen können. terpretiert werden, wenn keine Thoraxkompressionen stattfinden. Die Ableitungen sollten nur dann evaluiert Medikamentelle Therapie werden, wenn ein 2-Minuten-Zyklus der Herzdruckmas- Die medikamentelle Therapie von Patienten mit HKS sage zu Ende ist und durch den Wechsel des Retters die hängt von deren Arrestrhythmen und Vorbehandlungen Thoraxkompressionen sowieso unterbrochen werden müs- ab. Nicht-defibrillierbare Rhythmen sind mit Vasopresso- sen. Die PEA kann sich auf dem EKG wie ein Sinusrhyth- ren und gegebenenfalls mit Anticholinergika zu behandeln, mus darstellen, der Herzmuskel ist aber nicht in der Lage, während Patienten mit defibrillierbaren Rhythmen even- das elektronische Signal in eine effektive Muskelkontrak- tuell von Antiarrhythmika profitieren. Je nach Anamnese tion umzuwandeln und es wird daher kein Blutfluss und und Vorbehandlung können auch Sedationsantagonisten, kein palpierbarer Puls generiert. Um PEA korrekt zu dia- intravenöse Flüssigkeitsboli oder eine alkalinisierende The- gnostizieren, ist es daher wichtig, während der Unterbre- rapie indiziert sein (siehe unten). Tabelle 1 fasst häufig chung der Thoraxkompressionen nicht nur das EKG zu gebrauchte Medikamente und Dosierungen zusammen. evaluieren, sondern auch den Puls zu palpieren. Verabreichungsarten von Medikamenten Die häufigsten Arrestrhythmen beim Kleintier sind die Medikamente werden während der Reanimation bevor- nicht-defibrillierbare Asystole und PEA. Defibrillierbare zugt intravenös (IV) oder intraossär (IO) verabreicht, Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS SAT | ASMV 12 | 2020 743
Übersichtsarbeiten | Reviews Kardiopulmonale Reanimation in der K leintierpraxis S. N. Hoehne et al. Abbildung 10: Übersicht über kardiale Arrestrhythmen Zu den defibrillierbaren Rhythmen gehören pulslose ventrikuläre Tachykardie und ventrikuläre Fibrillation. Die nicht-defibril- lierbaren Rhythmen beinhalten Asystole und pulslose elektrische Aktivität. Pulslose ventrikuläre Tachykardie und pulslose elektrische Aktivität können nur diagnostiziert werden, wenn ein entsprechender EKG Rhythmus vorliegt und KEIN Puls palpiert werden kann. PEA = pulslose elektrische Aktivität; PVT = pulslose ventrikuläre Tachykardie; VF = ventrikuläre Fibrillation wobei das Legen eines Zuganges nicht mit den Basis- zwei am häufigsten eingesetzten Vasopressoren sind Ad- massnahmen der Reanimation interferieren sollte.68 renalin und Vasopressin. Falls kein IV oder IO Zugang möglich ist, können Va- sopressoren und Anticholinergika auch intratracheal Adrenalin ist ein Katecholamin, welches Effekte auf die (IT) verabreicht werden. Dazu wird ein langer, kleinlu- α-1, β-1 und β-2 Rezeptoren hat. Davon scheinen vor miger Katheter (z. B. Urinkatheter) verwendet, welcher allem die α-1 Effekte während der Reanimation von Vor- durch den Endotrachealtubus geschoben werden kann. 27 teil zu sein.42,71 Adrenalin ist ein kurzwirksames Medi- Die zu verabreichenden Medikamente werden mit kament und seine Verabreichung sollte daher alle 4 Mi- Kochsalzlösung verdünnt, um das Volumen zu erhöhen, nuten (nach jedem zweiten 2-Minuten Reanimationszyklus) und der tracheale Katheter wird anschliessend mit Luft wiederholt werden. 27 Initial sollte eine niedrige Dosie- nachgespült. Kristalloide oder kolloide Flüssigkeitsboli rung von 0,01 mg/kg IV/IO verabreicht werden, da zu dürfen wegen ihres sehr grossen Volumens nie intratra- hohe Dosen mit einer höheren Sterblichkeitsrate assozi- cheal verabreicht werden. iert sind.90 Bei länger andauernder Reanimation (> 10 Minuten) kann eine hohe Adrenalindosis von 0,1 mg/kg Vasopressoren IV/IO in Betracht gezogen werden. Adrenalin kann Da während der Reanimation auch mit idealen Thorax- auch, wie oben beschrieben, intratracheal verabreicht kompressionen nur ein Bruchteil des normalen Herzmi- werden. Allerdings sollte die Dosierung dann verdoppelt nutenvolumens erreicht werden kann, ist es wichtig, den werden (0,02 mg/kg als tiefe und 0,2 mg/kg IT als hohe Blutfluss von der Peripherie zu den lebenswichtigen Dosis).59,73 Organen umzuverteilen. Dies wird mittels Vasopresso- ren erreicht, die durch periphere Vasokonstriktion eine Alternativ zu Adrenalin kann auch Vasopressin alle 4 Zentralisation des Kreislaufes herbeiführen und damit Minuten eingesetzt werden. Die empfohlene Dosierung die Koronar- und Zerebraldurchblutung erhöhen.63 Die beträgt 0,8 U/kg IV/IO oder IT.13,27 Ein potenzieller 744 SAT | ASMV 12 | 2020 Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS
Übersichtsarbeiten | Reviews Vorteil von Vasopressin ist seine Wirkung an V1 Rezep- Wahl. Wenn kein Amiodaron zur Verfügung steht, kann Kardiopulmonale toren, welche in azidämischer Umgebung besser auf- Lidokain zur Therapie von defibrillationsresistenten Reanimation in der K leintierpraxis rechterhalten ist als die Effekte der Katecholamine an Arresthrhythmen angewendet werden (2 mg/kg IV/ α-1 Rezeptoren.5, 13 IO).1,21,22,27,83 Anaphylaktische Reaktionen beim Hund S. N. Hoehne et al. sind bei Amiodaronpräparaten mit Polysorbat Trägerlö- Anticholinergika sungen möglich und falls ROSC erzielt werden kann, Atropin ist das am häufigsten untersuchte Parasympa- sollten Patienten anschliessend auf mögliche Nebenwir- tholytikum bei Patienten mit HKS.4,7 Nur wenige Stu- kungen beobachtet werden.17 dien sind in der Lage, einen positiven Effekt der Atro- pintherapie nachzuweisen, aber es gibt ebenso keine Sedationsantagonisten Hinweise auf schwerwiegende Nebeneffekte. Atropin Wenn Hunden oder Katzen kurz vor Erleiden des HKS mit einer einmaligen Dosis von 0,04 mg/kg IV/IO, kann antagonisierbare Anästhetika, Analgetika, oder Sedativa daher bei Hunden und Katzen mit HKS in Betracht verabreicht wurden, sollten diese antagonisiert wer- gezogen werden. 27,72 Besonders bei Patienten mit Asys- den. 26,27 Naloxon (0,04 mg/kg IV/IO) kann verabreicht tolie oder PEA mit hohem Verdacht auf erhöhten Vago- werden um Opioide zu antagonisieren, Flumazenil (0.01 tonus ist die Anwendung von Atropin sinnvoll. 27,80 Bei mg/kg IV/IO) wird zur Antagonisierung von Benzodi- der IT Verabreichung sollte die Dosierung erhöht werden azepinen eingesetzt und Atipamezol (0,1 mg/kg IV/IO) (0,08 bis 0,2 mg/kg).72 oder Yohimbin (0,1 mg/kg IV/IO) reversieren die Wir- kung von α-2 Agonisten wie (Dex)medetomidin und Antiarrhythmika Xylazin. 26 Die Therapie der Wahl für defibrillierbare Arrestrhyth- men ist die elektrische Defibrillation (siehe unten). 27,80 Flüssigkeitstherapie Patienten mit defibrillationsresistenten Arrhythmien Intravenöse Flüssigkeitstherapie wird immer noch sehr (> 5 erfolglose Versuche) profitieren aber vermutlich von häufig während der Kleintierreanimation eingesetzt. zusätzlicher medikamenteller Therapie. Amiodaron Diese sollte jedoch nur bei denjenigen Patienten zum (2,5–5 mg/kg IV/IO) ist dabei das Medikament der Einsatz kommen, bei denen Hypovolämie vermutet Tabelle 1: Übersicht und Dosierungen der am häufigsten gebrauchten Medikamente während der Reanimation von Hund und Katze Volumina sind basierend auf dem Körpergewicht in Milliliter angegeben, um Rechenfehler zu minimieren. Körpergewicht (kg) 2,5 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Medikament Dosierung ml ml ml ml ml ml ml ml ml ml ml Adrenalin Vasopressoren & 0,01 mg/kg 0.03 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 0,35 0,4 0,45 0,5 Anticholinerika (1 mg/ml) Vasopressin 0,8 IE/kg 0,1 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 (20 IE/ml) Atropin 0,04 mg/kg 0,1 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 (1 mg/ml) Antiarrhythmika Amiodaron 2,5 mg/kg 0,1 0,25 0,5 0,75 1,0 1,25 1,5 1,75 2,0 2,25 2,5 (50 mg/ml) Lidokain 2 mg/kg 0,25 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 (2%) Naloxon 0,04 mg/kg 0,25 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 (0,4 mg/ml) antagonisten Sedations Flumazenil 0,01 mg/kg 0,25 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 (0,1 mg/ml) Atipamezol 100 mcg/kg 0,06 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 (5 mg/ml) Extern Defibrillation 4–6 J/kg 10 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 monophasisch (J) Extern 2–4 J/kg 5 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 biphasisch (J) Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS SAT | ASMV 12 | 2020 745
Übersichtsarbeiten | Reviews Kardiopulmonale wird. Ein HKS alleine stellt keine Indikation für Flüssig- tion effizienter terminieren.80 Für monophasische Reanimation in der keitstherapie dar. Die Bolusverabreichung von Schock- Defibrillatoren sollte eine Energiedosis von 4–6 J/kg und K leintierpraxis volumina intravenöser Flüssigkeit erhöht den rechtsatri- für biphasische eine von 2–4 J/kg benutzt werden. 27 S. N. Hoehne et al. alen Druck und kann somit in normovolämischen Wenn eine weitere Defibrillation notwendig ist, kann Tieren die zur Erlangung von ROSC wichtige Koronar- die Energiedosis einmalig um 50% erhöht werden. 26,27 und Zerebraldurchblutung herabsetzen. 25,29,92 In Patien- ten mit vorbestehender Hypovolämie trägt die Verabrei- Es ist wichtig die Unterbrechung der Herzdruckmassage chung von intravenöser Flüssigkeit hingegen dazu bei, zur Defibrillation so kurz wie möglich zu halten. Nach den Herzauswurf und die Gewebedurchblutung zu er- Identifikation eines defibrillierbaren Rhythmus werden höhen, und ist in solchen Fällen gerechtfertigt. 27 Thoraxkompressionen sofort wieder aufgenommen bis der Defibrillator geladen ist. Sobald das Gerät einsatz- Natriumbikarbonat Therapie bereit ist, wird der Patient in Dorsallage verbracht und In Patienten mit länger bestehendem HKS (> 10–15 Mi- die geladenen Paddles links und rechts am lateralen nuten) kommt es durch den reduzierten Blutfluss zu Thorax auf Höhe des Herzens angesetzt. 27 Zuvor sollte einer metabolischen Azidose. Die entstehende Azidä- eine ausreichende Menge Defibrillatorgel auf die Paddles mie kann Vasodilatation, Myokarddepression und redu- aufgetragen werden um die Ankopplung und den Fluss ziertes Ansprechen auf Katecholamine zur Folge ha- der Energie durch das Myokard zu maximieren. 27 Die ben.43,57 Studien zum Nutzen von Natriumbikarbonat Paddles sollten zudem so kräftig wie möglich an den während der Reanimation fallen widersprüchlich aus Thorax gedrückt werden, sodass der Patient letztlich nur und diese Therapie sollte nur in Patienten mit langan- noch mittels den Paddles in Dorsallage fixiert wird, wäh- haltendem HKS oder nachgewiesener schwerer Azidä- rend Hilfspersonen den Patienten loslassen. Die Ab- mie (pH < 7,0) in Betracht gezogen werden.8,26,27,74,96 sicht, die Paddles zu entladen wird mit einem Komman- Falls nötig, wird Natriumbikarbonat mit einer Dosis von do wie «Clear» oder «Achtung – alle weg!» angekündigt 1 mEq/kg verdünnt IV verabreicht. 27 und allen Personen im Raum wird die Gelegenheit ge- geben, sich von Patient und Behandlungstisch zu ent- Glukokortikoide fernen. 27 Der defibrillierende Retter muss sich vergewis- Während mehrere humanmedizinische und eine vete- sern, dass das gesamte Team inklusive er selber den rinärmedizinische Studie eine Assoziation zwischen Patienten oder dem Behandlungstisch nicht berührt, besseren Überlebenschancen und der Administration bevor er die Paddles entlädt. 27 Alkohol darf nie zur von Glukokortikoiden während der Reanimation auf- Paddleankopplung verwendet werden, da er entzündbar zeigen, demonstrieren andere Studien keinen Überle- ist und der Patient bei der Defibrillation Feuer fangen bensvorteil, sondern vermehrtes Auftreten von Neben- könnte. 27 Nach erfolgter Defibrillation wird die Herz- wirkungen. 26,39,57,62,86 In Hunden ist beschrieben, dass druckmassage sofort für einen kompletten 2-Minu- bereits eine einmalige Verabreichung hoch dosierter ten-Zyklus fortgeführt. Das EKG wird dann nach Ende Glukokortikoide zu schwerwiegenden Folgen wie gast- dieses 2-Minuten-Zyklus reevaluiert.14 rointestinaler bakterieller Translokation, Ulzerationen und Blutungen führen kann.55,78 Diese bekannten Risi- Wenn in der Praxis kein Defibrillator zur Verfügung ken überwiegen den Nutzen von Glukokortikoiden steht, kann bei defibrillierbaren Rhythmen nebst Rea- während der Reanimation und deren routinemässige nimationsbasismassnahmen ein präkordialer Faust- Anwendung wird daher nicht empfohlen. 27 schlag und die Therapie mit Amiodaron oder Lidokain versucht werden, wobei deren Wirksamkeit als alleinige Elektrische Defibrillation Therapie unklar ist. Frühzeitige Defibrillation von Hund und Mensch ist mit höheren Überlebenschancen assoziiert. Patienten mit defibrillierbaren Arrestrhythmen sollten, wenn im- Postreanimationsphase mer möglich, elektrisch defibrilliert werden.38,56 Nur zwanzig Prozent aller Hunde und Katzen, die nach Zur elektrischen Defibrillation sind monophasische einem HKS ROSC erreichen, können auch erfolgreich und biphasische Defibrillatoren erhältlich. Sie unter- nach Hause entlassen werden.37 Dies zeigt, dass die Pha- scheiden sich dadurch, dass bei monophasischen Gerä- se der Reanimationsnachsorge ein wichtiges Bindeglied ten der Stromfluss unidirektional von einem Paddle der Überlebenskette ist und Gelegenheit bietet zahlrei- zum anderen stattfindet, wohingegen bei biphasischen che Leben zu retten.9,26 Die Prognose eines Patienten Geräten der Fluss zuerst von einem Paddle zum anderen nach HKS ist multifaktoriell und ist abhängig von der stattfindet, dann reversiert wird und zum ersten Padd- Grundursache, von Komorbiditäten, sowie vom Aus- le zurückfliesst. Biphasische Defibrillatoren sind mo- mass der erlittenen ischämischen Schäden während der nophasischen vorzuziehen, da sie ventrikuläre Fibrilla- Reanimation und der Reperfusionsschäden nach erfolg- 746 SAT | ASMV 12 | 2020 Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS
Übersichtsarbeiten | Reviews tem ROSC. 26 Zu guter Letzt ist die Überlebensrate in tion ist daher die Aufrechterhaltung von Normoxämie Kardiopulmonale der Tiermedizin ebenso beeinflusst durch die Entschei- (arterieller Sauerstoffpartialdruck von 80–100 mmHg Reanimation in der K leintierpraxis dung des Besitzers über die Euthanasie seines Tieres.37,60 oder periphere Sauerstoffsättigung von 94–96%) und Normokapnie (arterieller CO2 Partialdruck von 32– S. N. Hoehne et al. Sollten sich Besitzer für eine Weiterversorgung ihres 43 mmHg beim Hund und 26–36 mmHg bei der Kat- Tieres entscheiden, ist es wichtig, Herausforderungen ze). 27,84 Um dies zu gewährleisten, sollten komatöse der Reanimationsnachsorge zu kennen. Die Postreani- Postreanimationspatienten solange mit positiver Druck- mationsphase wird bestimmt durch anoxische Gehirn- beatmung versorgt werden, bis eine stabile Spontanat- schäden, post-ischämische Myokarddysfunktion, die mung wieder einsetzt. Sauerstoffsupplementation wird systemische Reaktion auf Ischämie und Reperfusion dabei nach Bedarf titriert. Oxygenation und Ventilation (Sepsis-ähnliche, systemische Entzündungsreaktion) und des Patienten sollten idealerweise durch arterielle Blut- die zugrundeliegenden, vorbestehenden Krankheitspro- gasanalyse überwacht werden. Falls dies nicht möglich zesse.67 Die einzelnen Faktoren sind individuell unter- ist, können Pulsoximeter und EtCO2 stellvertretend schiedlich stark ausgeprägt und somit ist auch das klini- eingesetzt werden. sche Bild des Postreanimationspatienten variabel und reicht von sehr stabilen Patienten bis zu Patienten mit Sobald der Patient kardiovaskulär und respiratorisch Multiorganversagen. Eine Universalmethode zur Reani- stabilisiert ist, sollten neuroprotektive Massnahmen er- mationsnachsorge ist daher nicht verfügbar, vielmehr griffen werden, um trotz erlittener zerebraler Hypoxie muss jeder Patient engmaschig überwacht und die The- eine möglichst gute neurologische Funktion zu errei- rapie den individuellen Symptomen angepasst werden. chen. Dies ist von Bedeutung, weil ein Grossteil der neurologischen Schäden sich nach ROSC entwickelt und Sobald ROSC erreicht wurde, müssen eine gute Zirku- nicht während des eigentlichen HKS. Bei Menschen und lation und Normoxämie sichergestellt werden, um einen Kleintieren können nach erfolgreicher Reanimation bes- erneuten Herkreislaufstillstand zu vermeiden. Erreicht sere neurologische Resultate beobachtet werden, wenn werden kann dies durch intravenöse Flüssigkeitsboli, die Körperkerntemperatur unter dem physiologischen Vasopressoren, manuelle Beatmung und Sauerstoffsup- Normalwert gehalten wird. 2,12,46,54 Eine Zielkörpertem- plementation. Überwachungsmodalitäten wie Pulsoxi- peratur von 33–36 °C für 24 Stunden wird empfohlen, metrie oder indirekte Blutdruckmessungen sind nun wenn Menschen nach erfolgtem ROSC das Bewusstsein hilfreich, um den kardiovaskulären Status des Patienten nicht innerhalb von 1–2 Stunden wiedererlangen.14 Die einzuschätzen und die Therapie anzupassen. Allfällige RECOVER Richtlinien von 2012 empfehlen bei Klein- signifikante Veränderungen im Elektrolyt- oder Säu- tierpatienten eine milde Hypothermie von 32–34 °C für re-Basen-Haushalt, metabolischer (z. B. Hypoglykämie) 24–48 Stunden. 27 Dieser Temperaturbereich wird aber oder hämatologischer Natur (z. B. Anämie) sollten voraussichtlich in den neueren Richtlinien revidiert und schnellstmöglich identifiziert und behoben werden. die Empfehlung etwas flexibler formuliert. Das Herbei- führen von milder therapeutischer Hypothermie, ob- Zur hämodynamischen Stabilisation orientiert man sich schon generell risikoarm, kann Nebenwirkungen wie an den Therapieprinzipien für Patienten mit schwerer Hypovolämie, Arrhythmien, Koagulopathien, Elek Sepsis oder septischem Schock. 28,76 Ein mittlerer Blut- trolytimbalancen und metabolische Azidose zur Folge druck von 80 mmHg sollte angestrebt werden, um eine haben und entsprechendes Monitoring ist angezeigt.32 optimale Durchblutung des Grosshirns nach einer Pha- Einzelne Berichte aus der Veterinärmedizin lassen diese se der Anoxie zu gewährleisten. 27,89 Erreichen kann man Therapie dennoch unter guter Beobachtung praktikabel dieses Ziel durch eine Kombinationstherapie mit isoto- erscheinen.32,49 Hunde und Katzen sind in der Postrea- nen Kristalloidlösungen, um eine allfällige Hypovolä- nimationsphase häufig hypotherm und wenn die Mittel mie zu beheben, und falls nötig durch die Verabreichung zur Induktion oder Überwachung von milder therapeu- von Vasopressoren und positiven Inotropika. 27,84 tischer Hypothermie fehlen, sollten hypotherme Patien- ten zumindest nicht aktiv gewärmt werden (permissive Einhergehend mit der hämodynamischen Stabilisation Hypothermie).36 Auch bei passivem Wärmen sollte ein sollte die Atmung des Patienten optimiert werden. An- Temperaturanstieg nicht mehr als 0,25 bis 0,5 °C pro dauernde Hypoxämie kann Organschäden verschlim- Stunde betragen und langsam erfolgen. mern, während Hyperoxämie durch die Bildung von reaktiven Sauerstoffradikalen neuronale Schäden her- Zerebrale Ödeme treten in der Postreanimationsphase vorrufen kann.66,77 Ebenso nachteilig kann sich Hyper- häufig auf.33 Wenn Patienten Anzeichen eines anhalten- kapnie durch erhöhte Zerebraldurchblutung und erhöh- den erhöhten Hirndruckes zeigen (reduziertes Bewusst- ten Hirndruck auswirken, andererseits kann Hypokapnie sein, abnormale Kranialnervenreflexe, persistierende zu einer Vasokonstriktion und Minderdurchblutung des Apnoe), sollte eine Therapie mit hyperosmolaren Sub- Gehirns führen. 27,84 Ziel der respiratorischen Stabilisa- stanzen in Betracht gezogen werden (entweder Mannitol Band 162, Heft 12, Dezember 2020, 735–753, © GST | SVS SAT | ASMV 12 | 2020 747
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