Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung

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Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Ausgabe 3 | 2017

Landinfo                  Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung

             Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017 der Universität Hohenheim

  Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Impressum

Herausgeber
Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und
der ländlichen Räume (LEL)
Oberbettringer Str. 162
73525 Schwäbisch Gmünd
Telefon: 07171/ 917-100
Telefax: 07171/ 917-101

Schriftleitung
Susanne Mezger
Telefon: 07171/ 917-114
E-Mail: susanne.mezger@lel.bwl.de

Redaktionsbeirat
Dr. Peter Grün, LRA Schwäbisch Hall
Gottfried Bleyer, WBI Freiburg
Martina Burkhardt, RP Stuttgart
Jürgen Käßer, LEL Schwäbisch Gmünd
Robert Koch, LVG Heidelberg
Andreas Maier, RP Karlsruhe
Walter Maier, LRA Schwarzwald-Baar-Kreis
Uwe Michelfelder, LVWO Weinsberg
Marcus Köhler, LSZ Boxberg
Daniela Schweikhart, EZ Bodensee/Oberschwaben Bad Waldsee
Renate Lindner, LAZBW Baden-Württemberg

Layout
Ramona Maier
E-Mail: ramona.maier@lel.bwl.de

Hinweis
Alle Artikel werden im Intranet der Landwirtschaftsverwaltung bei:
online-Service/Publikationen/Landinfo eingestellt. Bereits erschienene
Artikel können dort recherchiert werden, die Abbildungen erscheinen farbig.
Ältere Jahrgänge der Landinfo sind allgemein zugänglich unter:
www.landinfo.landwirtschaft-bw.de

Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung der Autoren wieder.
Für die fachliche Richtigkeit zeichnet die Redaktion nicht verantwortlich.

Druck
e. kurz + co. druck und medientechnik gmbh
Kernerstr. 5, 70182 Stuttgart

Erscheinungsdatum
Juli 2017

ISSN 0947-9392

Titelbild
Copyright Fa. AGCO
Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

                          Landwirtschaft 4.0
                    - wo bleibt der Landwirt?

      Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017
                  der Universität Hohenheim
                                 06. Juli 2017

Landinfo 3 | 2017                                                       1
Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

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Landwirtschaft 4.0
- wo bleibt der Landwirt?

                         Programm
             09:30 Uhr   BEGRÜSSUNG UND ERÖFFNUNG

                         Prof. Dr. Stephan Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim
                         Prof. Dr. Rolf T. Vögele, Dekan der Fakultät Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim
                         Grit Puchan, Ministerialdirektorin MLR, Baden-Württemberg

                         VORTRÄGE (Moderation: Prof. Dr. Reiner Doluschitz)

             09:45 Uhr   MEGATREND DIGITALISIERUNG - WOHIN GEHT DIE REISE?
                         Prof. Dr. Bogdan Franczyk, Wirtschaftsinformatik, Universität Leipzig

             10:15 Uhr   DIGITALISIEREN ODER WEICHEN? WO BLEIBT DIE LANDWIRTSCHAFT?
                         Dr. Wolfgang Schneider, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück

             10:45 Uhr                                                Kaffeepause

             11:15 Uhr   SMART CROP FARMING
                         Prof. Dr. Hans-Werner Griepentrog, Universität Hohenheim

             11:45 Uhr   SMART LIVESTOCK FARMING
                         Prof. Dr. Thomas Jungbluth, Universität Hohenheim

             12:15 Uhr   DATENMANAGEMENT AUF DEM BETRIEB - HEUTE UND MORGEN
                         Klaus-Herbert Rolf, 365FarmNet

             12:45 Uhr                                               Mittagspause

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Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

ochschultag 06. Juli 2017

      ERFAHRUNGEN UND ERWARTUNGEN AUS DER PRAXIS                                           14:00 Uhr
      Oliver Martin, Landwirt, Neuwiesenhof Kraichtal
      Friedrich Bürkle, Landwirt, Hof Bürkle, Loßburg-Ursental

      DIGITALE LANDWIRTSCHAFT AUS DER SICHT EINES LANDMASCHINENHERSTELLERS                 14:30 Uhr
      Dr. Thomas Engel, John Deere, ETIC Kaiserslautern

      RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN BEI DER DATENNUTZUNG                                    15:00 Uhr
      Stefan Walter, RA und Justitiar, Deutscher Bauernverband

      PODIUMSDISKUSSION

      DIE BADEN-WÜRTTEMBERGISCHE LANDWIRTSCHAFT AUF DEM WEG ZU 4.0                         15:30 Uhr
      MODERATION:
      Joachim Hauck, Abteilungsleiter Landwirtschaft MLR

      Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, MLR
      Prof. Dr. B. Franczyk, Universität Leipzig
      Dr. W. Schneider, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
      Robin Kümmerer und Julius Stein, Junge DLG, Universität Hohenheim
      Oliver Martin, Landwirt
      Dr. K.-H. Rolf, 365FarmNet
      Prof. Dr. R. Doluschitz, Universität Hohenheim

      ENDE DER VERANSTALTUNG                                                               16:30 Uhr

      Landinfo 3 | 2017                                                                                       3
Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

Grußwort von Minister Peter Hauk, MdL
                          Sehr geehrte Damen und Herren,

                          das Thema Digitalisierung 4.0 bewegt alle. Über die Branchen hinweg, aber auch im alltäglichen Le-
                          ben, bestimmt dieses Thema die Diskussionen und das Wirtschaftsgeschehen. Technik und Robotik,
                          Sensortechnik, e-Commerce, Big Data Analysen, Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz, Cloud-
                          Computing oder Datensicherheit sind dabei nur einige Schlagworte.

                          Digitalisierung 4.0 verändert und fordert Veränderungen: Arbeits- und Organisationsprozesse, Ge-
                          schäftsprozesse, Wertschöpfungsmodelle, Kommunikationsprozesse oder Lernprozesse müssen neu
                          überdacht werden. Digitalisierung 4.0 ist in allen Wirtschaftsbereichen zu einem wichtigen Wettbewerbs-
                          faktor geworden. Wer hier keine oder zu spät Veränderungen einleitet, erleidet Nachteile und schwächt
                          seine Konkurrenzkraft.

                          In der Landwirtschaft und der Agrarbranche ist die Digitalisierung bereits jetzt allgegenwärtig: Er-
                          tragskartierung am Mähdrescher, teilflächenspezifische Düngung und Pflanzenschutz, Prognosemodel-
                          le zu Krankheitsentwicklungen oder automatische Melk- und Fütterungssysteme sind nur wenige Bei-
                          spiele. Landwirtschaft 4.0 hat jetzt die Herausforderung, die vielfältigen Anwendungen zu verzahnen,
                          damit eine Überwachung und Steuerung sowie Dokumentation erfolgen kann. Die Verzahnung umfasst
                          nicht nur die landwirtschaftlichen Unternehmen, sondern erfolgt über alle Stufen der Wertschöpfung
                          hinweg.

                          Wo stehen wir im Prozess Landwirtschaft 4.0 im Augenblick? Profitieren die landwirtschaftlichen Un-
                          ternehmerinnen und Unternehmer in Baden-Württemberg von dieser Entwicklung? Welchen konkreten
                          Nutzen können sie haben? Verschafft Landwirtschaft 4.0 unseren landwirtschaftlichen Unternehmerin-
                          nen und Unternehmern Wettbewerbsvorteile und unter welchen Voraussetzungen? Welche Anforde-
                          rungen stellt Landwirtschaft 4.0 an die Qualifikation der Fachkräfte und der Unternehmensleitung? Wie
                          steht es um die Datensicherheit und Datenhoheit? Können sich die landwirtschaftlichen Unternehmen
                          diesem Prozess entziehen und mit welcher Konsequenz? Und schließlich: Kann Landwirtschaft 4.0
                          gleichzeitig die hohen Erwartungen zur Lösung der aktuellen Herausforderungen wie Klimaschutz,
                          Ressourcenschutz oder Tierwohl leisten?

                          Eine Vielzahl von Fragen, die das Thema Landwirtschaft 4.0 aufwirft! Der Hochschultag bietet Ihnen
                          eine ausgezeichnete Gelegenheit diese zu diskutieren. Forschung und Praxis, Unternehmerinnen, Un-
                          ternehmer und Studierende, Landwirtschaft und Gesellschaft, Verbände und Verwaltung sind aufgefor-
                          dert, Entwicklungen darzustellen und zu reflektieren sowie Antworten für die baden-württembergische
                          Landwirtschaft zu finden. Nutzen Sie diese hervorragende Chance und Gelegenheit.

                          Peter Hauk, MdL
                          Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Peter Hauk, MdL
Minister für Ländlichen
Raum und Verbraucher-
schutz, Stuttgart
Tel. 0711/ 126-0
poststelle@mlr.bwl.de

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Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

Grußwort von Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch,
sehr geehrte Frau Ministerialdirektorin Puchan,
sehr geehrter Herr Hauck,

ich heiße Sie an der Universität Hohenheim herzlich willkommen zum diesjährigen Landwirtschaft-
lichen Hochschultag.
Dieses Willkommen gilt selbstverständlich auch unseren Gästen aus Wissenschaft und Praxis, meinen
Kolleginnen und Kollegen hier aus Hohenheim und allen Interessierten, die uns heute auf unserem
schönen Campus besuchen, um sich zum Thema „Landwirtschaft 4.0“ auszutauschen.

Der Landwirtschaftliche Hochschultag hat sich in den vergangenen Jahren als ein geschätzter Rahmen
des fachlichen Austausches und des Dialoges etabliert, in dem die Universität Hohenheim mit Partnern
anderer Hochschulen ebenso wie mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, den baden-württem-
bergischen Ministerien und der Wirtschaft, aber auch mit praktizierenden Landwirten und der interes-
sierten Öffentlichkeit ins Gespräch kommt.

Nach der Industriellen Revolution des 18. Jahrhunderts, der folgenden Hochindustrialisierung und der
so genannten digitalen Revolution des späten 20. Jahrhunderts brachte die Bundesregierung in den
vergangenen Jahren das Wort von einer vierten industriellen Revolution in Umlauf. Die dadurch be-
zeichneten Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung greifen längst auch in den landwirtschaftlichen
Produktionsprozess ein. Der Deutsche Bauernverband schreibt gar von einem „chancenträchtigen
Megatrend mit großem Anwendungspotential für eine ressourcen- und klimaschonende Landbewirt-
schaftung“. Gleichzeitig entstehen neue Herausforderungen im Bereich Datenmanagement und Daten-
schutz. So stellt sich der heutige Landwirtschaftliche Hochschultag mit der provokanten Frage „Wo
bleibt der Landwirt?“ der Diskussion, ob der Landwirt überhaupt angesichts der fortschreitenden
Weiterentwicklung zu komplexen Farmmanagementsystemen die Entscheidungshoheit im Netz der
Systeme behalten kann.

Die Universität Hohenheim steht mit ihren Forschungsschwerpunkten wie Bioökonomie, Klimawandel
und Ernährungssicherung im nationalen und internationalen Vergleich seit Jahren auf den vorderen
Plätzen. Die „Digitalisierung der Landwirtschaft“ wird dabei als ein in alle Schwerpunkte eingreifender
und umfassender Bereich betrachtet. Er durchdringt die gesamte agrarwissenschaftliche Fakultät unse-
rer Universität und verknüpft die drei Hohenheimer Fakultäten der Agrarwissenschaften, Naturwissen-
schaften und Wirtschafts- und Sozialwissenschaften miteinander. Der wachsenden Bedeutung dieses
Themas wurde auch durch die Einrichtung einer Core Facility zur disziplinübergreifenden Erforschung
im Bereich Big Date Rechnung getragen; ein Clusterantrag im Rahmen der laufenden Exzellenzstrategie
greift die Möglichkeiten der Digitalisierung zum Schutz vor Dürren auf.

Um das Potential einer wachsenden Digitalisierung wirklich ausschöpfen zu können und um den damit
verbundenen Risiken rechtzeitig und mit der nötigen Aufmerksamkeit begegnen zu können, ist die
Vernetzung der einzelnen Disziplinen unabdingbar. Aber auch der Austausch zwischen Wissenschaft
und Politik, zwischen Praxis und Gesellschaft gewinnt an Bedeutung.

Der diesjährige Landwirtschaftliche Hochschultag bietet eine hervorragende Gelegenheit zum fachli-
chen Austausch zum Thema Landwirtschaft 4.0 und ist gleichzeitig Ausdruck unserer erfolgreichen
Zusammenarbeit mit den Ministerien des Landes, insbesondere dem Ministerium für Landlichen Raum
und Verbraucherschutz. Ich freue mich sehr über das breite Interesse an der Veranstaltung und auf
spannende und anregende Diskussionen.                                                                     Prof. Dr. sc. agr.
                                                                                                          Stephan Dabbert
                                                                                                          Rektor der Universität
                                                                                                          Hohenheim
                                                                                                          Tel. 0711/ 459-22000
                                                                                                          rektor@uni-hohenheim.de

Landinfo 3 | 2017                                                                                                              5
Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

Grußwort von Prof. Dr. Ralf T. Vögele
                           Meine sehr verehrten Damen und Herren,

                           der Landwirtschaftliche Hochschultag ist eine traditionsreiche Veranstaltung, welche seit Jahren sehr
                           erfolgreich vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg und
                           der Fakultät Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim ausgerichtet wird. Beim Landwirtschaft-
                           lichen Hochschultag sind wir bestrebt aktuelle Themen aus der Landwirtschaft aufzugreifen und diese
                           einem breiten Publikum in verständlicher Form nahe zu bringen. So hatten wir in den vergangenen
                           Jahren beispielsweise Themen zum Tierwohl, zu Böden, zu Smart Farming, zum Biolandbau, aber auch
                           zur gesellschaftlichen Akzeptanz moderner Landwirtschaft.

                           Die in den letzten Jahren gewählte Form der Veranstaltung - Einführung in das Themenfeld über Vor-
                           träge zu verschiedenen Aspekten des gewählten Themas, gefolgt von einer Podiumsdiskussion - hat sich
                           sehr gut bewährt und das Interesse an dieser Veranstaltung nachhaltig beflügelt.

                           Meine sehr verehrten Damen und Herren, die universitäre agrarwissenschaftliche Forschung darf nie
                           Selbstzweck sein, sondern sollte immer die Landwirtschaftliche Produktion und die Bedürfnisse der
                           Landwirte, sowie die gesellschaftliche Akzeptanz im Auge haben. Insofern macht es Sinn, dass wir auch
                           dieses Jahr wieder ein sehr kontrovers diskutiertes Thema zum Motto genommen haben: Landwirtschaft
                           4.0 – wo bleibt der Landwirt?

                           Die zunehmende Digitalisierung ist ein sogenannter Megatrend, der gegenwärtig alle Bereiche des ge-
                           sellschaftlichen Lebens durchdringt und beschäftigt – wer von uns kann sich heute noch ein Leben
                           ohne E-Mail, Facebook und SmartPhone vorstellen. Auch in der Landwirtschaft kommen bereits heute
                           digitale Technologien beispielsweise in der Tierhaltung, im Pflanzenbau, aber auch im betrieblichen und
                           überbetrieblichen Management zum Einsatz. Durch den Einsatz solcher Technologie können natürliche
                           Ressourcen geschont, Betriebsmittel effizienter eingesetzt und insgesamt die Produktivität gesteigert
                           werden. Systeme rund um „Landwirtschaft 4.0“ bieten Landwirtschaft und Agribusiness daher ein
                           enormes Potenzial. Gleichzeitig stellt dieser technologische Fortschritt die Landwirte aber auch vor
                           große Herausforderungen, besonders was den Datenschutz und die Datensicherheit angeht. Viele
                           Punkte sind hier noch nicht nachhaltig geklärt.

                           Im Zuge der fortschreitenden Weiterentwicklung der einzelnen Systeme hin zu komplexen Manage-
                           mentsystemen, über welche die gesamte Wertschöpfungskette vernetzt, gesteuert und verwaltet wird,
                           wird häufig auch die Frage aufgeworfen, ob der Landwirt in Zukunft die Entscheidungshoheit behalten
                           wird.

                           Der diesjährige Landwirtschaftliche Hochschultag an der Universität Hohenheim nähert sich dem hoch-
                           aktuellen Thema „Landwirtschaft 4.0“ aus verschiedenen Blickwinkeln. Welche Probleme und Heraus-
                           forderungen, aber auch welche Lösungsmöglichkeiten bestehen, soll in Vorträgen und Diskussionen mit
                           Wissenschaftlern, Industrie und Interessenvertretern sowie Praktikern erarbeitet und dargestellt werden.

                           In diesem Sinne bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auch dieses Jahr ein interessantes Thema aufgegrif-
                           fen haben und dass es auch zu diesem komplexen Thema wieder angeregte Diskussionen und nachhal-
                           tige Lösungsansätze geben wird.

Prof. Dr. Ralf T. Vögele
Dekan der Fakultät
Agrarwissenschaften
der Universität
Hohenheim
Tel. 0711 /459 22387
Ralf.Voegele@uni-          Prof. Dr. Ralf T. Vögele
hohenheim.de

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Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

Prof. Dr. Bogdan Franczyk

Megatrend Digitalisierung - wohin geht die Reise?
Artikel lag bei Redationsschluss nicht vor!

                                                               Prof. Dr. Bogdan Franczyn
                                                               Universität Leipzig
                                                               Tel. 0341/ 9733711
                                                               franczyk@wifa.uni-leipzig.de

Landinfo 3 | 2017                                                                      7
Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

Dr. Wolfgang Schneider

Digitalisieren oder weichen?
Wo bleibt die Landwirtschaft?
Über die Veränderungswirkungen der Digitalisierung auf die Landwirtschaft kann derzeit nur spekuliert
werden. Zu denken gibt, dass der Hype um die sogenannte Landwirtschaft 4.0 nicht von Landwirten
ausgeht, sondern von einer überraschenden Vielzahl an Branchen, die alle eigene Strategien und
Geschäftsmodelle verfolgen. Eine Kernidee hinter der Landwirtschaft 4.0 ist die vertikal integrierte
Agrarproduktion. Dies könnte beispielsweise aus Sicht des Lebensmitteleinzelhandels zur Durchsetzung
von zentral gesteuerten Produktions- und Lieferketten führen.

                         W      ie in der Industrie 4.0 wird auch im Agrar-
                                sektor das Ziel angestrebt, ausgehend vom
                         Abverkauf der Erzeugnisse deren Produktion auf
                                                                                Betriebliche Sicht

                                                                              Aus einzelbetrieblicher Sicht ist die Digitalisierung
                         dem Acker oder im Stall direkter zu steuern. Über    in der Landwirtschaft ein stetiger Prozess. Wenn
                         zentrale Cloud-Rechenzentren sollen alle Daten       die Vorteile greifbar sind, gibt es kaum Verweige-
                         aus den produzierenden landwirtschaftlichen Be-      rer. Dies zeigt der Siegeszug des Smartphones in-
                         trieben gebündelt und mit Big Data-Technologien      nerhalb weniger Jahre. Das mobile Internet ist
                         ausgewertet werden. An diese monopol-ähnliche        nach nur kurzer Zeit auf dem Acker oder im Stall
                         Datenmanagement-Plattformen werden Subsys-           angekommen. Demgegenüber stehen Verfahren
                         teme angegliedert, die beispielsweise den Betrie-    des Precision Farmings mit GPS-gestützter Er-
                         ben verbindliche Anbauregularien vorgeben oder       tragskartierung und davon abgeleiteter Dünger-
                         auch intelligente Land- und Robotertechnik direkt    applikation schon seit über 25 Jahren der Praxis
                         ansteuern und vernetzen können.                      zur Verfügung. Dennoch konnte sich, zumindest
                                                                              im Süden Deutschlands, die informationsgestütz-
                         In vielen Branchen trifft die strukturverändernde    te teilflächenspezifische Bewirtschaftung in den
                         bzw. disruptive Wirkung der Digitalisierung meist    Betrieben kaum durchsetzen. Den Landwirten
                         die kleinen Unternehmer, beispielsweise Buch-        fehlen dort vielfach die Belege, dass sich Betriebe
                         händler oder Taxiunternehmer. Kennzeichnend          mit diesen Technologien wirtschaftlich besser stel-
                         für das Internetzeitalter ist, dass übermächtige     len. Im Gegenteil, fast jeder Landwirt kennt Kol-
                         Datenmanagement-Plattformen entstehen, für           legen, die aufgrund von Technik-, Daten- oder
                         die es auch im Agrarsektor zunächst einfacher wä-    Schnittstellenproblemen das Precision Farming
                         re, einen landwirtschaftlichen Unternehmer zu        nach kurzer Zeit wieder aufgegeben haben und
                         ersetzen als dessen Arbeiter auf dem Hof. Zur        über Fehlinvestitionen klagen.
                         Durchsetzung solcher Digitalisierungsziele stünde
                         genügend außerlandwirtschaftliches Kapital zur       Vor diesem Hintergrund neigen kostenbewusst
                         Verfügung, zumal Kapitalanlagen in den knappen       und strategisch denkende Landwirte dazu, Inves-
                         Produktionsfaktor Boden locken.                      titionen in digitalisierte Technik erst dann zu täti-
                                                                              gen, wenn sich offene und ausgereifte Daten- und
                         Nachfolgend wird von der Annahme ausgegan-           Kommunikationsstandards am Markt bewährt
                         gen, dass Gründe für den Erhalt landwirtschaftli-    haben. Bei Landtechnik und Betriebsmitteln wird
                         cher Familienbetriebe und deren Weitergabe an        zunehmend auf Hersteller bzw. Lieferanten aus-
                         nächste Generationen im heutigen Digitalzeitalter    gewichen, die keine hohen Entwicklungskosten
                         weniger auf produktionstechnischer und wirt-         für den Aufbau digitaler Plattformen auf ihre
                         schaftlicher Ebene zu finden sind als vielmehr auf   Kunden abwälzen müssen. Entsprechend zurück-
                         gesellschaftlicher Ebene im Zusammenspiel mit        haltend sind diese Betriebsleiter bei der Abliefe-
                         den Verbrauchern in der Region.                      rung von Betriebsdaten zur Verwaltung und Aus-
                                                                              wertung durch Dritte. Wenn sich die digitalisierte
                                                                              Technik bewährt und rechnet, wird gezielt inves-

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Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

tiert oder ein überbetriebliches Angebot genutzt.       produktion in der Lebensmittelkette industriali-
Derart kalkulierende Landwirte müssen denjeni-          siert würde.
gen Kollegen, die mit allen technologischen und
datengebundenen Risiken spontan und umfas-            Aus Sicht der Wirtschaft bietet die Zentralisierung
send ins Smart Farming einsteigen, auf absehbare      des Datenmanagements in der Landwirtschaft ne-
Zeit kaum weichen.                                    ben strategischen Vorteilen auch vielschichtige
                                                      Möglichkeiten zur Steigerung der Wertschöpfung
Die spannende Frage im Zeitalter der digitalen        im Tagesgeschäft mit Landwirten als Kunden
Transformation lautet daher: Was motiviert außer-     oder Lieferanten. So eröffnen beispielsweise Big
landwirtschaftliche Interessengruppen, in die Ent-    Data-Auswertungen der mit Cloud-Plattformen
wicklung einer zentral steuerbaren Landwirtschaft     zentral gesammelten landwirtschaftlichen Be-
4.0 zu investieren? Zumal Landwirte auf entspre-      triebsdaten erkennbare Vorteile beim Vertrieb
chende Digitalisierungsangebote nicht zwingend        oder bei der Produktentwicklung.
angewiesen sind und diese auf Jahre „aussitzen“
könnten.                                              Darüber hinaus lassen sich die von Landwirten
                                                      freiwillig abgelieferten Daten durch intelligente
                                                      Verfahren des Wissensmanagements zu Service-
  Industrielle Sicht                                  dienstleistungen im Rahmen des informationsge-
                                                      stützten und vernetzten Smart Farmings veredeln.
Wo bleibt die uns vertraute Landwirtschaft mit        Dieses Produktionswissen kann als digitale
ihren Familienbetrieben, wenn der Megatrend der       Dienstleistung an Landwirte verkauft werden.
Digitalisierung auch in dieser Branche eine struk-    Dies bietet zusätzliche Möglichkeiten, um an der
turverändernde und disruptive Kraft entfalten         Wertschöpfung aus der landwirtschaftlichen Pri-
würde? Soll und kann der Landwirt als selbständi-     märproduktion verstärkt zu partizipieren.
ger Unternehmer abgelöst und durch eine zentral
steuerbare industrielle landwirtschaftliche Primär-   Langfristig interessanter ist das Sammeln dieses
produktion ersetzt werden? Viele weigern sich         standortspezifischen Wissens als Big Data für den
noch, die Konsequenzen einer digitalen Transfor-      Fall, dass Landwirte neben ihrer Entscheidungs-
mation in der Landwirtschaft zu Ende zu denken.       hoheit auch ihre Betriebe „freiwillig“ aufgeben
Dennoch sprechen folgende Trends für disruptive       sollten. Das zentrale Datenmanagement mit Big
Effekte, die eine Industrialisierung der Landwirt-    Data-Auswertungen in der Cloud rechnet sich vor
schaft erleichtern würden:                            allem dann, wenn sich auf diese Weise eine groß-
                                                      flächig aufgestellte, industrielle Landwirtschaft 4.0
• Weitere Konzentration des weltweiten Nah-           zukünftig möglichst effizient steuern lässt.
  rungsmittelhandels;
                                                      Dieser Megatrend der digitalen Transformation
• Kapitalvermögen zur Übernahme des Produk-           hat das Potenzial, den Strukturwandel in der
  tionsfaktors Boden wächst;                          Landwirtschaft weiter zu verschärfen. Betriebsda-
                                                      ten abliefern, dann irgendwann den Betrieb aufge-
• enorme Fortschritte bei Technologien zur Au-        ben und in die 40-Stunden-Woche wechseln; die
  tomatisierung der landwirtschaftlichen Primär-      meisten Landwirte stellen sich ihre Zukunft an-
  produktion (z.B. „Hands Free Farming“);             ders vor. Doch welche Chancen hätten Betriebe,
                                                      die die Flucht nach vorne antreten und ins Smart
• internetbasierte Datenmonopole auf globaler         Farming investieren? Passen inhabergeführte
  Ebene realisierbar;                                 landwirtschaftliche Betriebe zukünftig noch in die
                                                      visionär und kostenintensiv digitalisierten
• wachsende Bereitschaft der (jüngeren) Landwir-      Produktions- und Lieferketten einer Landwirt-
  te zur Ablieferung von Betriebsdaten und -wis-      schaft 4.0?
  sen an „kostenfreie“ Cloud-Plattformen;

• Organisationen des landwirtschaftlichen Be-           Erwartungen der Verbraucher
  rufsstandes können oder wollen dem Trend
  zum Aufbau zentraler Datenmonopole nichts           Antworten hierauf sind letztlich im Dialog mit
  entgegensetzen;                                     den Bürgern von ganz anderen Fragen abzuleiten:
                                                      „Digitalisieren oder Ernährung sichern? Wo blei-
• die (EU-)Politik sieht Chancen, Agrarsubventi-      ben die Verbraucher?“
  onen sukzessive zu kappen, wenn die Primär-

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Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

                       Bei der Digitalisierung der landwirtschaftlichen
                       Primärproduktion zählt die Ausfallsicherheit zu          Bestehende staatliche
                       den zentralen Herausforderungen der Zukunft.             Rahmenbedingungen
                       Mit der forcierten Abhängigkeit vom Internet
                       steigt unbestritten die Verwundbarkeit der Land-       Demgegenüber hat der Staat zum Schutz der Bür-
                       wirtschaft. Dieses Thema betrifft jeden Bürger,        ger krisenbezogene Gesetze zur Ernährungssi-
                       der sich und seine Familie auch in Krisenzeiten        cherstellung (ESG) bzw. Ernährungsvorsorge
                       ernähren muss.                                         (EVG) erlassen, die im Krisenfall eine hoheitliche
                                                                              Zuweisung der Anbausteuerung an dezentrale
                       Die Landwirtschaft steht vor einer Weichenstel-        staatliche Stellen regeln, was in der Umsetzung
                       lung. Kaum nachvollziehbar ist deshalb das Feh-        vorrangig die Landkreisebene betrifft.
                       len fundierter Arbeiten zur Folgenabschätzung bei
                       einem möglichen Ausfall der internetbasierten          Um diesen schwierigen Verpflichtungen bei Be-
                       Digitalisierung in der existenziell wichtigen „Kri-    darf nachkommen zu können, hatte der Staat
                       tischen Infrastruktur Landwirtschaft und Ernäh-        schon früh die erforderlichen Rahmenbedingun-
                       rung“. Auf dem sensiblen Feld der Ernährungssi-        gen geschaffen. Hierzu zählten unter anderem das
                       cherung sollten Verbraucher neben den Chancen          Grundstückverkehrsgesetz (GrdstVG), das u.a.
                       auch über die Risiken der Digitalisierung infor-       der Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Be-
                       miert werden. Sicherheitserwartungen der Bürger        triebe dienen soll und gegen eine Industrialisie-
                       sind bei der Formulierung von entsprechenden           rung der Landwirtschaft gerichtet ist.
                       politischen und staatlichen Rahmenbedingungen
                       für die Digitalisierung zu berücksichtigen.            Auch die von den Bürgern der EU-Mitgliedstaa-
                                                                              ten aufgebrachten Mittel für die Direktzahlungen
                       Die Ernährungssicherung hat für Verbraucher ei-        der Agrarförderung dienen u.a. der Ernährungssi-
                       nen selbstverständlichen und damit herausragen-        cherung durch den Erhalt von inhabergeführten
                       den Stellenwert. Zudem liegen eindeutige gesetz-       landwirtschaftlichen Betrieben in einem gestärk-
                       liche Regelungen für Krisenfälle vor. Im anstehen-     ten ländlichen Raum.
                       den Digitalzeitalter sollten diese Rahmenbedin-
                       gungen auf Basis neutraler Risikobewertungen           Die vorgenannten Maßnahmen galten zu Zeiten,
                       auch auf der Ebene der EU und des Bundes fort-         als Menschen noch jeden Prozessschritt in der
                       geschrieben werden. Insbesondere vor dem Hin-          Landwirtschaft überwiegend dezentral steuern
                       tergrund, dass beide bereits eine intensive For-       konnten, als ein austariertes Fundament der Resi-
                       schungsförderung in Richtung der erwarteten            lienz und der staatlich verantworteten Ernäh-
                       Transformation zur digitalen Landwirtschaft 4.0        rungsvorsorge. Mit der Digitalisierung und insbe-
                       betreiben. Deshalb erwarten Landwirte und Ver-         sondere der Internetabhängigkeit einer Landwirt-
                       braucher von den politisch Verantwortlichen            schaft 4.0 kommt dieses Modell der staatlichen
                       nachhaltig ausgerichtete Resilienzkriterien, die die   Absicherung ins Wanken.
                       Widerstandsfähigkeit der digitalisierten Landwirt-
                       schaft in Krisenfällen garantieren. Dies setzt be-     Die Bundesregierung hat die zunehmende digitale
                       lastbare Studien mit regionalen Akteuren voraus,       Verwundbarkeit der „Kritischen Infrastruktur
                       auch wenn niemand sich solche Szenarien                Landwirtschaft und Ernährung“ im Jahr 2015
                       wünscht.                                               durch deren Zuordnung zur 1. Stufe des IT-Si-
                                                                              cherheitsgesetzes (IT-SiG) manifestiert.
                       Die Landwirtschaft 4.0 bzw. das Smart Farming
                       sind geprägt von einer fortschreitenden Auslage-       Vor diesem Hintergrund erwarten Erzeuger und
                       rung der Anbau- und Maschinensteuerung auf             Verbraucher ein verantwortungsvolles staatliches
                       überwiegend zentral ausgerichtete und cloudba-         Vorgehen bei der Festlegung von Rahmenbedin-
                       sierte Datenmanagementsysteme beispielsweise           gungen für die digitale Transformation hin zu ei-
                       von Agrarhandel, Industrie oder IT-Dienstleis-         ner Landwirtschaft 4.0.
                       tern. Deren Geschäftsmodelle, die bis hin zu einer
                       vertikal integrierten und industriell gesteuerten      Für den Staat besteht die disruptive Wirkung einer
                       landwirtschaftlichen Produktion gehen können,          digitalisierten Landwirtschaft zunächst darin, dass
                       berücksichtigen eher Umweltschutz- und Nach-           das Grundstückverkehrsgesetz nicht mehr aus-
                       haltigkeitsregelungen als lokale Resilienzanforde-     reicht, um eine resiliente Nahrungsmittelproduk-
                       rungen, die für die Ausfallsicherheit der sensiblen    tion über einen hohen Anteil an Familienbetrie-
                       landwirtschaftlichen Primärproduktion entschei-        ben im ländlichen Raum zu sichern, wenn auch
                       dend sind.                                             deren Produktionstechnik zukünftig zunehmend

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Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

digitalisiert und durch Strom- und Internetausfäl-
le sowie Cyberattacken verwundbar wird.
Das Dilemma der Bundesländer besteht darin,
dass diese nach gegebener Gesetzeslage keine Ge-
staltungsmöglichkeiten haben, wenn Landwirte
und Industrie auf ein Smart Farming beispielswei-
se mit cloudgesteuerten Feldrobotern umstellen
würden. Sicher ist jedoch, dass im Krisenfall mit
Strom- und Internetausfällen die gesetzlich be-
stimmten staatlichen Organisationen vor Ort für
den Not- bzw. Ersatzbetrieb eben dieser digitalen
Produktionstechnologien in der regionalen Land-
wirtschaft zuständig sein werden.

  Koexistenz von vertikaler Integration
  und regionaler Vernetzung

Die Ernährungssicherstellung lässt sich nicht pri-
vatisieren. Deshalb ist es aus staatlicher Sicht an-    Abbildung 1
gebracht, zunächst den konzeptionellen Rahmen           Verbesserung der Ausfallsicherheit der „Landwirtschaft 4.0“ durch zusätzliche
für eine „Ernährungssicherstellung 4.0“ zu be-          dezentrale Datenhaltung und regionale Vernetzung.
stimmen, der die Digitalisierung in der Landwirt-
schaft nicht blockiert, sondern über Empfehlun-
gen und Infrastrukturvorgaben die nötigen Resili-       wesentlich besser gewährleisten als dies die zent-
enzimpulse und damit Rahmenbedingungen für              ralen Datenmanagementsysteme von internetba-
die Branche liefert.                                    sierten Cloud-Plattformen können. Im Sinne ei-
                                                        ner für die digitalisierte Landwirtschaft zukünftig
Die Zukunft von inhabergeführten landwirt-              erforderlichen „Ernährungssicherstellung 4.0“ ist
schaftlichen Betrieben wird nicht zuletzt von der-      die Digitale HofBox als „systemrelevant“ einzu-
artigen Rahmenbedingungen abhängen. Derzeit             stufen. Am Beispiel einer in Rheinland-Pfalz pro-
deutet alles darauf hin, dass es bei der Digitalisie-   totypisch entwickelten Digitalen HofBox soll ge-
rung der Landwirtschaft zu einer Koexistenz von         zeigt werden, dass für Landwirtschaft, Beratungs-
zwei Ansätzen kommen wird. Einerseits zu der            dienste und Agrarverwaltung weitere Synergieef-
von der Industrie vorangetriebenen vertikalen In-       fekte entstehen (Abb. 2).
tegration einer Landwirtschaft 4.0 mit einer Aus-
lagerung der Anbau- und Maschinensteuerung in
Big Data-Rechenzentren in der Cloud. Demge-
genüber steht der Ansatz einer resilienten regiona-
len Vernetzung mit zusätzlicher dezentraler Da-
tenhaltung (z.B. „Digitale HofBox“) zur Verbesse-
rung der Ausfallsicherheit der digitalisierten Land-
wirtschaft (Abb. 1). Diese regionale Ausprägung
erleichtert zudem die Digitalisierung in Regionen
mit kleinstrukturierter Landwirtschaft, beispiels-
weise durch überbetriebliche Nutzung der moder-
nen informationsgestützten Produktionstechnik.

Ziel ist es, die Fortschritte der Digitalisierung in
der Landwirtschaft zu nutzen, ohne die Ausfallsi-
cherheit der landwirtschaftlichen Primärprodukti-
on und damit die Lebensmittelversorgung der
Verbraucher zu gefährden. Mit der softwareba-
sierten Digitalen HofBox als Kernkomponente
eines dezentral ausgerichteten Ökosystems zur
Zwischenspeicherung der wichtigsten Basisdaten          Abbildung 2
in den Betrieben, lässt sich die Ausfallsicherheit      Öffentlich-privater Zusatznutzen der „Digitalen HofBox“.

Landinfo 3 | 2017                                                                                                                       11
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

Abbildung 3
Effekte eines standardisierten
digitalen Ökosystem in der
Landwirtschaft.

                                 • Relevante Basisdaten für ein überbetriebliches        Kompetenzaufbau für ein
                                   Smart Farming sollen auf Betriebsebene stan-          überbetriebliches Smart Farming
                                   dardisiert vorgehalten werden;
                                                                                       Speziell in Regionen mit kleinstrukturierter Land-
                                 • dies unterstützt den Bürokratieabbau und si-        wirtschaft bietet das überbetriebliche Smart Far-
                                   chert zudem die Datensouveränität und damit         ming einen Weg, wie inhabergeführte landwirt-
                                   auch die Wertschöpfung in den Betrieben, was        schaftliche Betriebe mit Hilfe intelligent vernetz-
                                   dem ländlichen Raum und der regionalen Wirt-        ter und überbetrieblich organisierter digitaler
                                   schaft insgesamt dient;                             Technologie einerseits ihre Standortadaption,
                                                                                       Produktion und Wertschöpfung verbessern kön-
                                 • Einführung von geodatengestützten Online-           nen und sich andererseits in industriell ausgerich-
                                   Beratungsangeboten zur Förderung von Res-           tete Lieferketten der Landwirtschaft 4.0 integrie-
                                   sourceneffizienz und Umweltschonung;                ren lassen.
                                                                                       Voraussetzung ist, dass auf allen Ebenen, d.h. bei
                                 • regionale Förderung von Innovationen im Be-         Landwirten, Maschinenringen und Lohnunter-
                                   reich der Digitalisierung, wobei aus Kosten-        nehmern die erforderlichen Kompetenzen einer-
                                   und Auslastungsgründen der überbetriebliche         seits für das dezentrale Datenmanagement in den
                                   Einsatz von informationsgestützter Landtech-        Betrieben und andererseits für die Organisation
                                   nik zunächst im Vordergrund steht.                  eines überbetrieblichen Smart Farmings weiter
                                                                                       entwickelt werden. Dementsprechend sind die
                                 Der Aufbau eines digitalen Ökosystems (Abb. 3)        Ausbildungsinhalte in den landwirtschaftlichen
                                 mit der Festlegung von standardisierten Daten-        Berufsschulen, Fachschulen und Hochschulen an
                                 schnittstellen zwischen landwirtschaftlichen Be-      die Praxisrelevanz der Digitalisierung in den un-
                                 trieben und Einrichtungen der Offizialberatung        terschiedlichen Produktionsrichtungen der Land-
                                 bzw. der Agrarverwaltung stellt nicht nur für die     wirtschaft anzupassen. Die Bereitschaft und
                                 Umsetzung der Onlineberatung, sondern auch für        Kompetenz landwirtschaftlicher Betriebsleiter
                                 Antrags- und Meldeverfahren eine Erleichterung        zum inner- und überbetrieblichen Datenmanage-
                                 dar.                                                  ment wird mit darüber entscheiden, in welchem
                                                                                       Umfang es zukünftig noch eine Landwirtschaft
                                 Im Zeitalter der digitalisierten Landwirtschaft mit   mit inhabergeführten landwirtschaftlichen Betrie-
                                 gestiegenen Anforderungen an eine „Ernährungs-        ben geben wird. Diese Familienbetriebe stärken
Dr. Wolfgang Schneider           sicherstellung 4.0“ lassen sich derartige Standards   aus Verbrauchersicht eine ausfallsichere dezentra-
Dienstleistungszentrum           ebenfalls als „systemrelevant“ einstufen und be-      le Produktion und stellen aus Erzeugersicht eine
Ländlicher Raum                  gründen. Die mit solchen Schnittstellen gewonne-      besondere Motivation dar, die betriebliche Le-
Rheinhessen-Nahe-                ne Planungssicherheit erleichtert Dienstleistern,     bensgrundlage von unabhängigen Bauernfamilien
Hunsrück                         Handel und Industrie den Aufbau weiterer dezen-       nachhaltig weiter zu entwickeln und mit einer res-
Tel. 0671/ 820-470               traler Services innerhalb des digitalen Öko-          ilienten und regional vernetzten digitalisierten
Wolfgang.Schneider@dlr.          systems.                                              Produktion an kommende Generationen zu über-
rlp.de                                                                                 geben. 

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Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

Prof. Dr. Hans W. Griepentrog

Smart Crop Farming
Die digital unterstützte Landtechnik ist bereits im Ackerbau angekommen: Selbstlenkende Traktoren,
Applikationstechniken mit variabler Dosierung für Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie automatische
Ertragskartierungen beim Mähdrescher sind Beispiele hierfür. Auch in der Tierproduktion unterstützen
schon längst Melkroboter, Sensoren, Datenbanken und diverse digitale Hilfsgeräte den Landwirt.

D    ie digitale Landwirtschaft geht darüber hinaus
     und steht für die durchgängige interne und
externe informationstechnische Vernetzung bis-
                                                        zess. Deshalb wird auch in Zukunft der Landwirt
                                                        mit seiner Erfahrung unverzichtbar sein. Er muss
                                                        korrigierend eingreifen oder zwischen Varianten
her isolierter Einzelsysteme des landwirtschaftli-      entscheiden, die eventuell ein digitales System ihm
chen Betriebes. Im Zustand der Vernetzung geht          anbietet.
die Interaktion zwischen Maschinen und Produk-
tionsprozessen weit über den ISOBUS-Standard            Die Teilschlagtechnik scheitert heute ja häufig da-
hinaus. Dadurch entstehen insgesamt sehr kom-           ran, dass sich bei den bisher verfügbaren Verfah-
plexe Produktionssysteme. Ermöglicht wird dies          ren des Precision Farming die Informationsmen-
durch mobile Telekommunikation und internet-            ge nicht mehr manuell bewältigen lässt. Hinzu
basierte Portale. Vielversprechend sind solche          kommt, dass beispielsweise die Dosiermenge des
Systeme, da sie ein großes Potenzial aufweisen, um      Düngers, basierend nur auf einem Parameter, ver-
vielfältige Optimierungen im Landbau voran zu           ändert wird, obwohl häufig mehrere Parameter
bringen.                                                berücksichtigt werden müssten. Diese Defizite
                                                        lassen sich aber zukünftig vermeiden, wenn kar-
Es bedeutet allerdings nicht, dass mit den digitalen    ten- und sensorbasierte Systeme stärker ver-
Möglichkeiten dann alles vollautomatisch wie in         schmelzen und automatisiert in Echtzeit arbeiten.
einer Fabrikhalle abläuft. Landwirtschaft ist nicht     Dann werden immer mehrere relevante Parameter
gleich Industrie. Das liegt daran, dass in der indus-   - kartiert oder aktuell gemessen - berücksichtigt.
triellen Produktion in Gebäuden und Hallen an           Dies könnte eine neue Lösung sein, der Teilschlag-
jedem Tag des Jahres dieselben Produktionsbedin-        technik des Precision Farming zum Durchbruch
gungen herrschen. Die Landwirte hingegen arbei-         zu verhelfen und den Zusatznutzen vernetzter
ten unter Freilandbedingungen mit einer großen          Daten den Landwirt mit aktuellen situationsba-
Abhängigkeit vom Wetter. Wechselnde, sich ge-           sierten Informationen beim Entscheidungspro-
genseitig beeinflussende und zufällige Variable         zess zu unterstützen.
prägen den landwirtschaftlichen Produktionspro-

                                                                                                              Abbildung 1
                                                                                                              Die Entwicklung von Precision
                                                                                                              zu Digital Farming und zur
                                                                                                              Definition einiger Begriffe.

Landinfo 3 | 2017                                                                                                                       13
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

                            Das gilt auch für den gesamten Betrieb, weil eine    turpflanzen während der Vegetation pflegen und
                            umfassende Systemanalyse die Nachhaltigkeit der      ertrags- und qualitätsrelevante Vegetation entfer-
                            gesamten Produktion steigern kann. Das schont        nen. Die Teilschlagtechnik ist auch hier sinnvoll
                            Ressourcen und sorgt dafür, dass Umweltschutz-       für Bodenbearbeitung, Sätechnik und Nährstoff-
                            auflagen eingehalten werden, beispielsweise in-      applikation. Betriebsmittel werden auf ein Mini-
                            dem die Feldspritze oder der Düngerstreuer inner-    mum reduziert und sowohl hohe Erträge und
                            halb des Mindestabstands zu Gewässern automa-        Qualitäten, als auch eine hohe Nachhaltigkeit und
                            tisch abschalten. Die Systemanalyse und die          Umweltschonung werden erreicht.
                            Transparenz in Kombination mit einer elektroni-
                            schen Ackerschlagkartei erlauben auch eine lü-       Bei der Nutzung von digital vernetzten Systemen
                            ckenlose Dokumentation der Produktion, was           in der Landwirtschaft sollte der Datenschutz eine
                            dem Landwirt in vielerlei Hinsicht große Vorteile    hohe Priorität aufweisen. Die standortspezifi-
                            bringt.                                              schen Betriebs- und Geschäftsdaten dürfen nur
                                                                                 genutzt werden, wenn sie vom Landwirt autori-
                            Spezielle Methoden des Big Data können bei be-       siert werden, da die Daten aus der Landwirtschaft
                            triebsübergreifender Nutzung zu einer sinnvollen     mittlerweile handelbare Wirtschaftsgüter gewor-
                            Anwendung kommen. Dabei erlauben regionale           den sind, die einen erheblichen kommerziellen
                            Datenpools die Analyse regional geprägter Infor-     Wert besitzen. Wenn Geschäftsmodelle genutzt
                            mationen wie etwa der Bestandesführung, des          werden, muss der Landwirt als Dateneigner öko-
                            Sortenverhaltens, des Wirkstoffeinsatzes oder des    nomisch beteiligt und die Geschäftsvorgänge
                            Anwendungszeitpunktes. Diese Analyse könnte          müssen transparent dokumentiert werden.
                            dem einzelnen Betriebsleiter enorm helfen, da un-
                            mittelbar nicht nur die Erfahrung des Einzelnen      Es gibt momentan eine wachsende Sensibilität bei
                            verfügbar ist, sondern die Erfahrungen vieler Kol-   politisch Verantwortlichen bezüglich Daten-
                            legen mit ähnlichen Problemen derselben Region.      schutzregeln, da die Sicherheit der Lebensmittel-
                            Landwirte aus derselben Region könnten für be-       produktion in Zukunft stärker von digital vernetz-
                            stimmte Kulturen Informationen gemeinsam auf         ten Systemen abhängig sein wird. Dies macht
                            einer Plattform freigeben und nutzen. Dabei          Hacker- und Cyberangriffe gefährlich. Dass die
                            könnten auch andere Dienstleister auf Wunsch         Landwirtschaft durch das Bundesamt für Sicher-
                            der Landwirte die Daten zusammenfassend analy-       heit in der Informationstechnik (BSI) zu den so-
                            sieren und die optimierten Maßnahmen daraus          genannten ‘kritischen Infrastrukturen‘ gerechnet
                            schlag- und sogar teilschlagspezifisch empfehlen.    wird, unterstreicht die Relevanz des Themas.

                            Digitale Landwirtschaft kann generell auch dem       Die Digitalisierung stellt keine neue Stufe von Me-
                            Ökolandbau zugutekommen, da hier die aktuelle        chanisierung dar. Das heißt, die Kosten sind bei-
                            Kenntnis über Bestandesentwicklung und Feldbe-       spielsweise weniger abhängig von der Auslastung
                            dingungen ein besseres Produktionsergebnis er-       einer Maschine, sondern sie sind prozessorien-
                            möglicht. Es wäre auch eine enge Kombination         tiert. Es ist zu erwarten, dass auch kleine und mitt-
                            aus Ökolandbau und Robotik vorstellbar, da auto-     lere Betriebe sich diese Technik leisten können, da
                            nome Maschinen neue Möglichkeiten eröffnen.          sie häufig mit vorhandener Hardware funktioniert
                            Sie können mittels Sensorik den Boden nach Be-       und daher was die Betriebsgröße betrifft eher
                            darf lockern, die Samen äußerst schonend und         Struktur erhaltend wirkt. 
                            gleichmäßig in den Boden einbringen und die Kul-

Prof. Dr. Hans W.
Griepentrog
Universität Hohenheim,
Institut für Agrartechnik
Tel. 0711/ 459-24551
hw.griepentrog@uni-
hohenheim.de

14                                                                                                              Landinfo 3 | 2017
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

Prof. Dr. Thomas Jungbluth

Smart Livestock Farming
Der Elektronikeinsatz in der Tierhaltung begann bereits in den siebziger Jahren. Zunächst war es die
Abruffütterung für Milchvieh ohne Einzeltieridentifikation. Auch erste Fütterungscomputer für
Mastschweine hielten Einzug in die Praxis. Mit der Einführung elektronischerTieridentifikationssysteme
mittels Radiofrequenzidentifikation (RFID) seit dem Ende der 70er/Beginn der 80er Jahre erlebte der
Elektronikeinsatz einen gewaltigen Aufschwung, konnte man nun Daten einzelnen Tieren - vorzugs-
weise Kühen und später auch Zuchtsauen - zuordnen. Mit der Entwicklung stalltauglicher Sensoren
und Aktoren und standardisierter Datenprotokolle (isoagrinet, agroXML) gelang die Vernetzung der
Stalltechnik zunehmend, zunächst intern und später auch mit externen Rechnern. Diese Elemente sind
heute fester Bestandteil moderner Tierhaltungen und werden als Precision Livestock Farming (PLF)
zusammengefasst.

  Stand der Technik                                  Die große Besonderheit ist das Tier, welches sich
                                                     von Gegenständen und von Pflanzen deutlich un-

U    nter Precision Livestock Farming verstehen
     wir die elektronische Erfassung, Aufberei-
tung und Bereitstellen von Daten in der Tierhal-
                                                     terscheidet. Berckmans (1991) bezeichnet den le-
                                                     benden Organismus als ein CITD-System: Com-
                                                     plex – Individual – Time varying – Dynamic. Mit
tung, die zur Prozesssteuerung der Verbesserung      diesem Begriff umreißt er auch die besondere
des Managements sowie für den Datenaustausch         Problematik beim Einbinden von Tieren in Regel-
verwendet werden können.                             kreise. Jedes Tier hat ein individuelles Verhalten,
                                                     eine individuelle Physiologie, die es vom anderen
Neuere Ansätze versuchen nun über die Prozess-       Tier unterscheidet (Intervariabilität). Darüber va-
kontrolle hinaus Gesundheitsmonitoringsysteme        riieren im Zeitverlauf beim gleichen Tier die ein-
zu entwickeln, die im Prinzip das Tier über sein     zelnen Parameter (Intravariabilität). Damit wird
Verhalten und/oder seine Physiologie als Sensor      klar, warum die Nutzung des Tieres als Sensor zur
verwenden.                                           Kontrolle und Regelung so schwierig ist.

Hier wird der Übergang zu Smart Livestock Far-
ming teilweise schon vollzogen. Smart Livestock        Forschungsbedarf auf dem Weg zu
Farming basiert auf Precision Livestock Farming        Smart Livestock Farming
und hat die Aufgabe Komplexes einfach zu gestal-
ten. Mit Hilfe sehr informationsintensiver Tech-     • In der Milchviehhaltung ist auf der Basis von
nologien, wie z.B. Sensorfusion und autonomen,         LF Transpondern in Verbindung mit zahlrei-
selbstlernenden Netzwerken, zielt Smart Live-          chen Sensoren (vor allem am AMS) ein hoher
stock Farming auf kontextsensitive Steuer- und         Automatisierungsgrad erreicht. Algorithmen
Regelungssysteme, Automatisierung und Robotik,         zur Auswertung der Messwerte sind schon rela-
intuitive Interaktion zwischen Mensch und Ma-          tiv weit entwickelt (Monitoringsysteme). Wün-
schine. Es speist Management bzw. Entschei-            schenswert wären weitere Sensoren zur Erfas-
dungshilfesysteme für die gesamte Prozesskette         sung physiologischer Zustände und höhere
und deren transparente Dokumentation (HAR-             Korrelationen bzw. (treff)-sicherere Algorith-
TUNG 2017, KUNISCH 2017, WELTZIEN 2016). Wet-          men zur Interpretation der Messwerte.
zien (2016) definiert wie folgt: Smarte Produkte
nennen wir Geräte, die schlauer erscheinen als der   • In der Schweinehaltung ist das Tier als CITD
Nutzer, indem sie Antworten liefern noch bevor         eine besondere Herausforderung. Auch stoßen
die Fragen gestellt werden.“ Diese Aussagen gel-       die LF Transponder auf Grund der langsamen
ten im Prinzip auch für das gesamte Feld der           Datenübertragung und der Reichweite an ihre
Smart Agriculture.                                     Grenzen; neue UHF Transponder existieren als

Landinfo 3 | 2017                                                                                                    15
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

                          Prototypen und haben großes Potenzial für eine      Aspekt hingewiesen. Moderne Hochtechnologien
                          Markteinführung (ADRION 2017, HAMMER                verfügen heute über die Möglichkeit den Service
                          2017).                                              online/telemetrisch durch den Hersteller oder be-
                                                                              auftragte Unternehmen sicher zu stellen. Die Da-
                        • Die Bildanalyse wird erfolgreich zur Schätzung      ten landen in der Cloud. Unter Umständen verfügt
                          des Lebendgewichtes eingesetzt, die Forschung       dann der Serviceanbieter sehr frühzeitig über Da-
                          und erste Anwendungen befassen sich mit der         ten zu Leistung und Erträgen des Betriebes, viel-
                          Erkennung von Bewegungsabläufen (Locomo-            leicht sogar bevor der Betriebsleiter diese selbst
                          tion Score), des Körperzustandes und der            hat. In Verbindung mit anderen öffentlich zugäng-
                          Gruppenstruktur bzw. des Gruppenverhaltens.         lichen Quellen kann er sich ein recht genaues Bild
                                                                              über die (finanzielle) Leistungsfähigkeit seines
                        • Tierortung im Außenbereich, aber auch im Stall,     Kunden machen. Diese Konsequenzen müssen
                          um über Bewegungsmuster Aussagen zur Tier-          bedacht werden.
                          gesundheit treffen zu können.

                        • Sensoren, die miteinander kommunizieren.            Literatur
                                                                              ADRION, F.: Adaption and assessment of a UHF-
                        • Intrakorporale Sensoren                             RFID system for livestock management, Diss.
                                                                              Hohenheim 2017
                        • Und schließlich: Können wir automatisiert kon-
                          tinuierlich feststellen, ob unsere Nutztiere        BERCKMANS, D. 1991 zitiert in Berckmans, D. 2014:
                          glücklich sind und dies in Managementsysteme        My Vision of Precision Pig Farming in 2020, Vor-
                          einbinden?                                          trag anlässlich der BPEX – Innovation conference
                                                                              2014, Download am 08. Juni 2017

                          Wo bleibt der Landwirt                              HAMMER, N.: Evaluation of a UHF RFID system
                                                                              for livestock, Diss. Hohenheim 2017
                        Die direkte Antwort auf diese Frage lautet: Im
                        Büro, die Arbeit ändert sich. Schick (2017) geht      HARTUNG, E.: Smart Agriculture und Landwirt-
                        davon aus, dass die Arbeitszeit im Büro um ca.        schaft 4.0 – Ein Weg für QS in der Landwirtschaft,
                        20% zunimmt, die im Stall um ca. 35% abnimmt;         67. Öffentliche Hochschultagung am 02. Februar
                        eine Arbeitszeiteinsparung geht mit einer anderen     2017, Christian-Albrechts-Universtität zu Kiel
                        Qualität der Arbeit einher. Zukünftig ist nicht der
                        Tierhalter erfolgreich, der am besten im Stall ar-    KUNISCH, M.: Digitalisierung, Landwirtschaft 4.0
                        beitet, sondern derjenige, der zum richtigen Zeit-    und BigData in der Landwirtschaft, Vortrag im
                        punkt die richtigen Entscheidungen trifft (SCHICK     Agrartechnischen Seminar am 30. Januar 2017
                        2017).
                                                                              SCHICK, M.: Digitale Tierhaltung, Interview, agri-
                        Komplexe Managementsysteme, seien es Ab-              bizz Heft 1, 2017
                        ruffütterungen, Sortierschleusen oder automati-
                        sche Melksysteme u.v.m. generieren eine Vielzahl      WELTZIEN, C.: Digitale Landwirtschaft – Oder wa-
                        von Daten. Ohne auf die Notwendigkeit des Da-         rum Landwirtschaft 4.0 auch nur kleine Brötchen
                        tenschutzes näher einzugehen – dies sollte heute      backt, Landtechnik 71 (2), 2016, 66-68 
                        selbstverständlich sein – sei auf einen anderen

Prof. Dr. agr.
Thomas Jungbluth
Universität Hohenheim
Tel. 0711/ 459-22835
thomas.jungbluth@
uni-hohenheim.de

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Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

Klaus-Herbert Rolf, Yasmin Hammerschmidt

Datenmanagement auf dem Betrieb – Heute und Morgen
Landwirtschaft war seit jeher integraler Teil jeder Gesellschaft und elementar für Sicherheit und
Stabilität eines Staates: Die Landwirtschaft stellt der Bevölkerung Rohstoffe und Lebensmittel zur
Verfügung. Auch in der digitalen Zeit hat sich diese Rolle nicht verändert, sie unterliegt nur neuen
Rahmenbedingungen und Herausforderungen, wie steigenden Bevölkerungszahlen, verändertem
Konsumverhalten, abnehmender Flächenverfügbarkeit, steigenden Dokumentationspflichten (z.B.
Greening-Auflagen), stetigem Kostendruck und erhöhten gesellschaftlichen Transparenzforderungen.

D   iesen Herausforderungen kann der Landwirt
    nur bedingt durch größere Maschinen, größe-
re Betriebe oder mit etablierten Mechanismen der
Betriebsverwaltung begegnen. Der Schlüssel für
eine effiziente, nachhaltige und zukunftsfähige
Landwirtschaft in den heutigen Strukturen ist der
Landwirt und seine Digitalisierung.

Das Potential der digitalen Entwicklung für die
Landwirtschaft beschrieben Porter & Heppel-
mann im Dezember 2014 im Harvard Business
manager in einem Beitrag zu den drei Wellen der
IT-Revolution in der Landwirtschaft: Die erste
Welle der Informationstechnologie in der Land-
wirtschaft war die Automatisierung einzelner Tä-
tigkeiten, zum Beispiel bei Buchhaltung und Res-
sourcenplanung. Die zweite Welle der IT in der
Landwirtschaft führte zur Vernetzung von Ma-
schinendaten und Betriebsdaten – individuelle
Tätigkeiten konnten integriert und koordiniert         Abbildung 1
werden. Ein Merkmal der dritten Welle ist die In-
tegration von IT – Lösungen im Produkt. Also
eine Computerisierung des Produktes, die zu einer
maßgeblichen Verbesserung der Funktionen und
Leistungen eines Produkts führen, und langfristig
zu einer Revolution der Wertschöpfungskette.

  Vernetzung und Smart Data

Der wichtigsten Trends der digitalen Zukunft
landwirtschaftlicher Betriebe sind intelligente Ver-
netzung und die Nutzung von Smart Data. Durch
intelligente Vernetzung aller Betriebszweige, -mit-
tel, Mitarbeiter, Partner und Dienstleister kann der
Landwirt seine Prozesse transparent und ver-
gleichbar machen, Kommunikationswege opti-
mieren und Wirtschaftlichkeitspotentiale identifi-
zieren. Elementar ist dabei, aus den riesigen Da-
tenmengen, die der Landwirt für seinen Betrieb
erfasst – Big Data, die wichtigen Daten zu filtern     Abbildung 2

Landinfo 3 | 2017                                                                                        17
Landwirtschaftlicher Hochschultag 2017

                       und einzuordnen – Smart Data. Vernetzung und        Unternehmen mit ihren Produkten digitale Chan-
                       Smart Data ermöglichen belastbare Analysen und      cen und entwickeln innovative Anwendungen in
                       sinnvolle Handlungsempfehlungen, zum Beispiel       verschiedensten Bereichen der Landwirtschaft.
                       Warnungen bei möglichen Konflikten bei Gree-
                       ning-Maßnahmen oder Empfehlungen zu effizi-
                       enter Düngemittelausbringung oder Minimierung         Schwellen abbauen: Digitale
                       des Dieselverbrauchs. Der Landwirt benötigt also      Angebote für jeden Landwirt
                       eine Lösung zur Vernetzung seines gesamten Be-
                       triebes, in die auch externe Partner eingebunden    Bei jeder Innovation unterteilen sich potentielle
                       werden können (z.B. durch ISO-XML). Auch für        Nutzer in drei Typen. Der erste Typ macht, der
                       die in der Landwirtschaft noch zahlreich vorhan-    zweite Typ schaut zu, der dritte Typ wundert sich
                       dene „analoge Technik“ gibt es inzwischen Lö-       über die Innovation. Viele landwirtschaftliche Un-
                       sungen zur Teildigitalisierung, zum Beispiel über   ternehmen haben die zwingende Notwendigkeit
                       Beaconlösungen (Whitepaper „Digitale Land-          der Digitalisierung erkannt, einige machen – sie
                       technik anschlussfähig machen.“ Januar 2017).       nutzen bereits früh neue innovative Lösungen
                       Farmmanagementsysteme können dabei das Da-          oder entwickeln sogar eigene digitale Anwendun-
                       tenmanagement für den Landwirt übernehmen           gen. Andere dieser Landwirte schauen zu – sie
                       und Handlungsoptionen, Effizienz- und Nachhal-      beobachten, sie informieren sich und bewerten
                       tigkeitspotentiale sowie regulatorische Rahmenbe-   dann etablierte Lösungen. Für diese Landwirte
                       dingungen aufzeigen. Gleichzeitig können Maß-       spielen Kosten nicht die ausschlaggebende Rolle,
                       nahmen automatisch cc-konform dokumentiert          sie suchen nach einer für sie passenden Lösung für
                       werden – all dies mit sinkendem Aufwand bei         das identifizierte Problem. Bei der größten Grup-
                       fortschreitender Automatisierung.                   pe, nämlich der dritten Gruppe, die sich noch über
                                                                           die Innovation wundert, gilt es Schwellenängste
                                                                           abzubauen und Verständnis für die Sinnhaftigkeit
                         Digitale Infrastruktur und Kompetenz              der Innovation aufzubauen. Die größten Schwel-
                         als begrenzende Faktoren                          len auf dem Weg zur Annahme der Innovation
                                                                           sind dabei sicherlich Bedenken bezüglich der Kos-
                       Die größten Hemmnisse der Digitalisierung in der    ten, der Anwendbarkeit für Betriebsgröße oder
                       Landwirtschaft sind derzeit Netzinfrastruktur und   -art und eventueller langfristiger Verpflichtungen.
                       Ausbildungsmöglichkeiten. So stellte der Bran-
                       chenverband bitkom in einem Positionspapier aus     Damit die deutsche Landwirtschaft zukunftsfähig
                       dem April 2016 fest: „Ohne einen leistungsstarken   bleibt, muss die Digitalisierung jedoch schon jetzt
                       Internetzugang, auch im ländlichen Raum, ist die    für alle landwirtschaftlichen Betriebe und Be-
Klaus-Herbert Rolf     Nutzung vieler beitragender Systeme und Apps,       triebsformen wirtschaftlich und machbar sein.
365FarmNet             welche zur Kostenersparnis und Ressourceneffizi-    d.h. die Betriebe brauchen einen einfachen Zu-
Tel. 030/ 259329 900   enz beitragen, aber auch den Naturschutz fördern,   gang zu einer Basisplattform, mit der die o.g.
rolf@365FarmNet.com    für Landwirte kaum sinnvoll möglich.“               Schwellen überwunden werden können. Anders
                                                                           formuliert, mit einem Geschäftsmodell mit kos-
                       Auch in der Ausbildung steckt das Thema digitale    tenfreier Basisversion werden allen landwirt-
                       Chancen und Möglichkeiten noch in den Kinder-       schaftlichen Betrieben erste digitale Schritte er-
                       schuhen. Erschwert wird die Ausbildungssituation    möglicht. Wie Landwirte diesen Weg dann weiter-
                       durch die Geschwindigkeit der digitalen Entwick-    gehen, gestalten sie selbst. Dann stehen nur noch
                       lung, Technologien sind schon innerhalb kürzes-     die Faktoren Zeit und abwartende Zurückhaltung
                       ter Zeit überholt. Um diesen Anforderung an die     zwischen dem Landwirt und seinen digitalen Er-
                       Ausbildung des Nachwuchs gerecht zu werden          tragspotentialen.
                       und diese Herausforderung bewältigen zu kön-
                       nen, müssen sich alle Beteiligten – Hochschulen,
                       Industrie und Landwirtschaft – an einen Tisch       Literatur
                       setzen und die zukünftigen Ausbildungsinhalte       Meyers Konversations-Lexikon, Auflage 5, 1893
                       gemeinsam definieren. Diese Inhalte müssen kon-     bis 1901
                       tinuierlich überprüft und stetig weiterentwickelt   Porter, Michael E., Heppelmann, James E. (2014),
Yasmin Hammerschmidt   werden, um den digitalen Fortschritt wirklich zu    Wie smarte Produkte den Wettbewerb verändern.
365FarmNet             begleiten. Unternehmen können an in einem sol-      Havard Business Manager, Heft 12/2014
Tel. 030/259329 901    chen Prozess Erfahrungen und Erkenntnisse an        365FarmNet Whitepaper (2017), Landtechnik an-
hammerschmidt@365      die Hoch- und Berufsschulen herantragen.            schlussfähig machen, www.landtechnik-anschluss-
FarmNet.com            Schließlich ergreifen gegenwärtig viele deutsche    fähig-machen.de 

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