Katastrophenplanung für Öffentliche Bibliotheken - Eine Literaturübersicht Dr. Karsten Schuldt - OPUS 4 ...
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Katastrophenplanung für Öffentliche Bibliotheken Eine Literaturübersicht Dr. Karsten Schuldt Hamilton Library stacks after the October 30, 2004 flood (University of Hawai‘i News, cc-by-nc-nd 2.0, https://www.flickr.com/photos/uhawaii/15025065334/in/photostream/) 26. Mai 2020
Agenda 1) Ausgangslage 2) Methode und erste Übersicht 3) Vorhandene Literatur und konkrete Katastrophenerfahrungen 4) Konkrete Themen 1) Menschen 2) Rollenverteilung 3) Warum sollte man planen? 4) Netzwerke 5) Katastrophenfall 6) Nach dem Katastrophenfall 5) Modelle zur Katastrophenplanung 6) Fazit 1
Ausgangslage • Zu Beginn der COVID-19 Pandemie war das Handeln Öffentlicher Bibliotheken schnell, aber wenig planvoll • Auch, als es wieder darum ging, Bibliotheken zu öffnen, wurde viele Fragen gestellt, die darauf hindeuteten, dass es keine vorgängigen Planungen gab • Dabei war vorher bekannt, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Klimaextremen und Pandemien kommen wird. (Das gilt weiterhin.) • Sollte zum professionellen Handeln nicht gehören, vorbereitet zu sein? • Kann man das als Öffentliche Bibliothek? Gibt es Vorarbeiten? • Im Vortrag: Darstellung dieser Vorarbeiten Informationsblatt über die Schliessung der Öffentlichen Bibliothek Pully, Kanton Waadt. Private Aufnahme. 2
Methode und erste Übersicht Methode • Alle im Homeoffice legal zugänglichen Medien zum Thema der letzten 10 Jahren wurden recherchiert • Eingrenzung auf Öffentliche Bibliotheken, andere Texte wurden als «Kontext» mit beachtet • Texte gelesen Kategorien beim Lesen gebildet Inhalte zusammengefasst • Es «fehlen» dadurch Medien, die nicht zugänglich waren Übersicht • Es gibt eine grosse, aber überblickbare Anzahl an Vorarbeiten zur Katastrophenplanung • Im DACH-Raum in den letzten Jahren viel zu Bestandsschutz • Anstoss Brand der Anna-Amalia-Bibliothek (2004), Einsturz des Gebäudes des Historischen Archives Köln (2009) • Zudem eine ganze Anzahl an Berichten zu Katastrophen, bei denen Öffentliche Bibliotheken betroffen waren, sowohl wissenschaftliche Studien als auch direkte Berichte aus Bibliotheken oder in der Presse 3
Literatur zu Katastrophenplanung in Öffentlichen Bibliotheken • Im Nachhinein (nach Katastrophen, z.B. Hurrikan Katrina 2005) wird immer wieder betont, dass ein Katastrophenplan notwendig gewesen wäre (vorher kaum vorhanden) • Lessons Learned (Jaeger et al. 2006) 1) eine Katastrophen-Planung, inklusive Training, auch für Öffentliche Bibliotheken ist notwendig 2) kleinere Bibliotheken müssen von einer grösseren Einrichtung unterstützt werden, um nach Katastrophen wieder zur Funktionsfähigkeit zurückzukehren 3) Bibliotheken müssen sich schon vor Katastrophen klar Pascagoula, Jackson County, MS. Friday, September 16, 2005. Pascagoula Public Library. (Collection: Hurricane Katrina Photographs), Mississippi werden, welche Rolle sie im Katastrophenfall in ihrer Department of Archives and History, 2005, no restrictions, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pascagoula,_Jackson_County,_MS._Fri Gemeinde überhaupt spielen können und wollen day,_September_16,_2005._Pascagoula_Public_Library_(19674630243).jpg 4) gerade für die Zeiten direkt nach einer Katastrophe kann man nicht davon ausgehen, sofortige Hilfe zu bekommen 4
Literatur zu Katastrophenplanung in Öffentlichen Bibliotheken Mögliche Rollen für Bibliotheken, aus Erfahrungen von Bibliotheken mit Katastrophenerfahrungen (Featherstone et al. 2008: 345-348) • Institutionelle Unterstützung • Manager von Beständen • Verbreitung von Informationen • Interne Partnerorganisation • Unterstützung der Community • Partnereinrichtung für staatliche Einrichtungen • Bildung und Training • Unterstützung der „Informations-Community‟ FEMA Community Relations(CR) Specialist Doug Bodem provides FEMA printed materials including Mitigation, as outreach to spread the word about FEMA help available for those affected by Tropical Storm Fay, FEMA Photo Library, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:FEMA_-_38306_- _CR_outreach_at_a_Lee_County_Library.jpg 5
Konkrete Katastrophen • Hauptsächliche Naturkatastrophen und deren Nachwirkungen • Hurrikans, viel zu Hurrikan Katrina und andere Stürme • Erdbeben • Feuer • Gesellschaftliche Auseinandersetzungen • v.a. Ferguson, Missouri (2014-2015) • Pandemie • H1N1 (Schweinegrippe) 2009 • «lokale Katastrophen» • Einsturz von Gebäuden Protestors demonstrating down West Florissant Ave. (Ferguson, 2015), Loavesofbread, CC, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ferguson,_Day_4,_Photo_26.png • Wasserrohrbruch etc. 6
Thema: Menschen „In der Tat, die erste, nicht zu verhandelnde Regel bei der Reaktion auf Katastrophen ist, dass zuerst Leben gerettet werden müssen, dann erst Besitz – egal, wie wertvoll die Bibliotheksbestände sind.‟ (Bolger 2003: 27) „Eine weitere lebenswichtige Aufgabe bei jeder Katastrophe, ist die Kommunikation mit den Kolleg*innen. Erstens müssen Sie deren Situation herausfinden und auch, wer Hilfe braucht. Zweitens wollen Sie wissen, wer zur Verfügung steht, um andere Kolleg*innen unterstützen, um in der Bibliothek oder auch der Gemeinde zu helfen.‟ (Curzon 2006: 23) • Auch das Personal sind «Menschen», die Hilfe benötigen (emotional, medizinisch, finanziell etc.) 7
Thema: Rollenverteilung • Es müssen klare Rollen definiert sein • Es muss klar sein, wer welche Rollen übernimmt (Personal, aber auch Freiwillige oder andere Organisationen im Netzwerk) • Es muss den Personen klar sein, welche Rollen sie übernehmen 8
Thema: Warum sollte man planen? • Ein Plan erhöht die Wahrscheinlichkeit, • Katastrophen zu überstehen • ihre Effekte möglichst klein zu halten • schnell wieder in einen funktionierenden Betrieb überzugehen • Ein Plan hilft, notwendige Schritte nicht zu vergessen • Ein Plan muss allen Beteiligten bekannt sein • Training ist sinnvoll (wird kaum gemacht) 9
Thema: Netzwerke • Bibliotheken müssen sich frühzeitig in Netzwerke zur Katastrophenplanung integrieren (lokal) • Das müssen Bibliotheken selber machen, auch gegen Widerstände • Bibliotheken müssen sagen, was sie machen können • Kontakte müssen • hergestellt werden • gepflegt werden • aktuell gehalten werden (insbesondere Informationen wie z.B. Telefonnummern) 10
Thema: Katastrophenfall • Trotzdem flexibel bleiben • Klären, dass alle zusammen ein gemeinsames Ziel haben, auf das hin zugearbeitet wird • Kommunikation aufrecht erhalten (Netzwerk, Personal, Öffentlichkeit) • Wenn Hilfe nötig ist, direkt und konkret danach fragen (andere Einrichtungen / Institutionen / Personen haben da wenig Einblick) 11
Thema: Nach dem Katastrophenfall • Übergang zur «Normalität» sollte schon Teil des Katastrophenplanes sein • Evaluation / Aufarbeitung des Geschehenen sollte Teil des Prozesses sein • Guter Zeitpunkt, um zu klären, ob alles «weiterlaufen» soll wie vorher oder was geändert werden könnte («Was ist wirklich wichtig?») • Aus Erfahrungen anderer Bibliotheken kann gelernt werden, die müssen dafür zugänglich gemacht werden 12
Modelle zur Katastrophenplanung • Es gibt eine erstaunlich grosse Zahl von «Toolkits» und Modellen • Nach den Hurrikans 2005 wurden viele aufgesetzt • Heute nicht mehr gepflegt • Nur sinnvoll, wenn nachhaltig unterhalten • Als gute Basis können die beiden folgenden Monographien dienen • Robertson, Guy 2015. Disaster planning for libraries: process and Guidelines • Kahn, Miriam B. 2012. Disaster Response and Phasen des Katastrophenmanagements (Nach: "Disaster Management Phases", Planning for Libraries [viele Formulare] Featherstone (2012: 737)), eigene Darstellung 13
Modelle zur Katastrophenplanung Katastrophenplanung wird als Kreislauf verstanden 1) Überhaupt mögliche Katastrophen wahrnehmen 2) Ziele und Möglichkeiten von Bibliotheken in solchen Katastrophen bestimmen 3) Auf diese hin planen 4) Im Krisenfall dann Handeln ermöglichen 5) Den Übergang von der Krise zum Normalbetrieb nach dieser ermöglichen 6) Arbeitsabläufe und Verantwortlichkeiten definieren, diesen Plan und die notwendigen Informationen jeweils à jour halten 14
Modelle zur Katastrophenplanung Ein Beispiel (Bolger 2003): 1) Verantwortlichkeiten klären und zuteilen 2) Vorgängige Recherchen (zu Umfeld, Möglichkeiten, schon bestehenden Netzwerken und so weiter) durchführen 3) Verbindung mit lokalen Katastrophenschutz-Einrichtungen herstellen und halten 4) Klare Ziele und Aufgaben für das eigene Team etablieren 5) Eine Revision des Bestandes durchführen und Prioritäten zur Rettung desselben festlegen 6) Potentielle Gefahrenquellen identifizieren und bewerten 7) Finanzielle Auswirkungen erwägen 8) Den Plan umsetzen, soweit vorgängig möglich 9) Testen, Überarbeiten und Aktuell-Halten des Planes 15
Fazit • Die aktuelle Katastrophe ist (trotz der tausenden Toten und Langzeitbetroffenen, Unsicherheiten und ökonomischer Kosten) im DACH-Raum relativ glimpflich abgelaufen. Das wird nicht unbedingt immer so sein. Insbesondere extreme Wetterphänomene werden uns betreffen. • Auch Bibliotheken sollten sich planend darauf vorbereiten. Es sollte als Teil des professionellen Handels angesehen werden, solche Planungen zu erstellen und aktuell zu halten. • Das ist möglich. Modelle und Vorbilder stehen zur Verfügung. 16
Fazit • Bibliotheken sollten (gemeinsam) klären, • was sie in welchen Krisenfällen tun können und wollen • wie sie Funktionsfähigkeit wieder herstellen • in welche Netzwerke sie eingebunden sein sollten und wie • wie sie nach einer Katastrophe vorgehen werden • Modelle sollten erarbeitet und nachhaltig gepflegt werden (wie Richtlinien vielleicht eher Aufgabe von Verbänden) • Lokale Pläne sollten, auf dieser Basis, erarbeitet werden • Erfahrungen über die jetzige Pandemie sollten ausgetauscht und dokumentiert werden Plakat des Bundesamtes für Gesundheit, Schweizerische Eidgenossenschaft, 2020, private Aufnahme 17
Literatur Bolger, Laurie 2003. Scared or Prepared? Disaster Planning Makes the Difference. Information Outlook 7, 7, 26. Curzon, Susan Carol 2006. Coming Back From Major Disaster: Month One. Public Library Quarterly 25, 3–4, 17– 29. Featherstone, Robin M. 2012. The Disaster Information Specialist: An Emerging Role for Health Librarians. Journal of Library Administration 52, 8, 731–753. Featherstone, Robin M., Lyon, Becky J. & Ruffin, Angela B. 2008. Library roles in disaster response: an oral history project by the National Library of Medicine. Journal of the Medical Library Association : JMLA 96, 4, 343– 350. Jaeger, Paul T. u. a. 2006. The 2004 and 2005 Gulf Coast Hurricanes: Evolving Roles and Lessons Learned for Public Libraries in Disaster Preparedness and Community Services. Public Library Quarterly 25, 3–4, 199–214. Kahn, Miriam B. 2012. Disaster Response and Planning for Libraries. Chicago: American Library Association. Robertson, Guy 2015. Disaster planning for libraries: process and Guidelines. Waltham: Elsevier. Schuldt, Karsten 2020. [Preprint] Die nächste Pandemie kommt bestimmt. Literaturbericht zu Möglichkeiten der Katastrophenplanung für Öffentliche Bibliotheken. Informationspraxis 6, 1, https://doi.org/10.11588/ip.2020.1.72410 18
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