Tempelanlage "Virtual Nako" - Geokommunikation in Form einer 3D-Modellierung mit Google Earth
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Tempelanlage „Virtual Nako“ – Geokommunikation in Form einer 3D-Modellierung mit Google Earth Ben NAUSNER Zusammenfassung Kartographische Forschung beschäftigt sich seit dem Übergang ins digitale Zeitalter mit einer Vielzahl an neuen Visualisierungsformen. Gemeinsamer Nenner ist die Darstellung von Objekten und Sachverhalten mit Raum- und Zeitbezug. In diesem Zusammenhang ist auch die frei erhältliche Software Google Earth ins Interesse kartographischer Forschung gerückt. Diese Plattform ermöglicht die Visualisierung von Geo-Objekten und erlaubt die Entwicklung neuer Ansätze zur Optimierung der Kommunikation von räumlichen Sachver- halten. Die Integration von multimedialen Inhalten wie Bild, Text, 3D-Modellen, VR- Panoramen uvm. macht die virtuelle Umgebung von Google Earth zu einem mächtigen Werkzeug. Dieses ermöglicht dem Nutzer bei durchdachtem Gebrauch eine effiziente und intuitive Wahrnehmung von komplexen Sachverhalten. Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes an der Universität Wien wurde ein 3D-Modell einer buddhistischen Tempelanlage im Nordwesten Indiens (Himachal Pra- desh) für Google Earth aufbereitet. Der vorliegende Beitrag erläutert die Konzeption und Ausführung dieses Projekts. Neben der Beschreibung der verwendeten Datengrundlagen wird der „workflow“ von der 3D-Modellierung bis hin zur Erstellung einer ausführbaren Version für Google Earth erläutert. Die Einbindung von verschiedenen Medien (Bild, Text, VR-Panoramen) und dabei auftretende Problembereiche sind ebenso Bestandteil des Bei- trages wie ein zusammenfassender Ausblick auf mögliche Erweiterungen der Applikation. 1 Einleitung Anfang 2007 wurde an der Universität Wien das vom österreichischen Fonds zur Förde- rung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanzierte interdisziplinäre Forschungs- netzwerk „The Cultural History of the Western Himalayas from the 8th Century“1 (CHWH) gegründet. Im Rahmen eines Teilprojekts entwickelt das Institut für Geographie und Regi- onalforschung unter anderem ein kartenbasiertes Online-Informationssystem zur Visuali- sierung der Kulturgeschichte des westlichen Himalayas mit dem Titel „Cultural History Information System“2 (CHIS). 1 http://www.univie.ac.at/chwh 2 http://www.univie.ac.at/chis
Tempelanlage „Virtual Nako“ 843 Ein elementarer Bestandteil der zugrundeliegenden Systemarchitektur wird durch den „Tar- get application layer“ beschrieben. (vgl. PUCHER 2007) Diese Ebene fasst Spezialansichten („Special Views“) zusammen, die für das Forschungsnetzwerk relevante Objekte und Sach- verhalte in Form von großmaßstäbigen Detailansichten visualisieren. Die Form der Visuali- sierung kann hierbei je nach Kommunikations- und Forschungszielen variieren. Die offene Systemarchitektur ermöglicht eine tiefer gehende und akzentuierte Auseinandersetzung mit Arbeitsschwerpunkten der Projektpartner. Des Weiteren können neue Medien zur Optimie- rung der Geokommunikation integriert werden. Eine dieser Spezialansichten stellt die 3D-Modellierung der Tempelanlage „Virtual Nako“ dar. Die buddhistische Tempelanlage in Nako (Indien, Himachal Pradesh) wurde im Rah- men des „Nako Research and Preservation Project“3 (NRPP) restauriert und vor dem Ver- fall bewahrt. Das Konzept für „Virtual Nako“ bestand darin eine ansprechende dreidimen- sionale Darstellung zu konstruieren. Diese sollte einen Eindruck über den Aufbau und die Struktur des Tempelkomplexes gewährleisten. Gleichzeitig soll der Anwender Informatio- nen über die räumliche Lage und die darin modellierten Objekte erhalten. Als Visualisie- rungsumgebung wurde Google Earth gewählt. Durch diese Plattform wurden die Positio- nierung des 3D-Modells in seinem georäumlichen Kontext, sowie die Einbindung von ergänzenden multimedialen Inhalten ermöglicht. 2 Modellierung von „Virtual Nako“ Im folgenden Abschnitt wird die Modellierung und Entwicklung von „Virtual Nako“ von der Zusammenstellung der Datengrundlagen bis hin zur fertigen Applikation in Google Earth beschrieben. 2.1 Datengrundlage Die Qualität von 3D-Visualisierungen wird durch die zur Verfügung stehenden Grundla- gendaten nachhaltig beeinflusst. Die im Zuge des bereits erwähnten „Nako Research and Preservation Projects“ erhobenen Daten umfassen unter anderem Architektenpläne mit detaillierten Grundriss- und Aufrisszeichnungen des Tempelkomplexes. Auf Basis dieser hochwertigen Grundlagen konnten die Gebäude im korrekten Großenverhältnis modelliert werden. Übersichts- und Detailfotoaufnahmen von diversen Besuchen vor Ort waren Grundlage für die Erstellung von Texturen und einer möglichst realitätsgetreuen Darstellung der Gebäude. Zur Verfeinerung dieser Basisdaten konnten einige Details durch Gespräche mit ortskundi- gen Personen herausgearbeitet und verifiziert werden. 3 http://www.univie.ac.at/nako
844 B. Nausner Abb. 1: Architektenplan der Tempelanlage (Quelle NRPP 2003) 2.2 Von der 2D-Vektorisierung zum 3D-Modell Um eine detaillierte, geometrisch korrekte und natürliche Darstellung der Gebäude zu er- langen, wurden sämtliche für das Modell relevante Grundelemente (Mauern, Türen, Fens- ter, Stiegen etc.) des Grundrissplanes in Adobe Illustrator CS3 vektorisiert. Auf diese Wei- se konnten auch komplexe und nicht geradlinig verlaufende Strukturen und Mauerwerke optimal erfasst werden. Als 3D-Modellierungssoftware wurde MAXONs Cinema 4D 10 aufgrund der hohen Flexi- bilität in der Objekteditierung und die für die Weiterverarbeitung erforderlichen Import- und Exporteigenschaften gewählt. In einem ersten Schritt wurden die Vektordaten einge- spielt und entsprechend der Größenverhältnisse aus den Grundlagenplänen modelliert. Um die Interpretation des Modells für den Anwender zu erleichtern wurden die Tempel mit Texturen versehen, die aus dem gesammelten Bildmaterial aufbereitet wurden. Die Bear- beitung der Texturen erfolgte in Adobe Photoshop CS3 und erforderte die Erstellung von Kacheln, die einen für den Nutzer möglichst angenehmen und gleichmäßigen Eindruck bei der Betrachtung der Gebäudeoberflächen gewährleisten. Einen Problembereich bei der 3D-Modellierung stellte die mangelnde Genauigkeit des in Google Earth vorhandenen Höhenmodells dar. Um die konstruierten Objekte auf eine gleichförmige horizontale Ebene zu stellen wurde ein 3D-Block als Basis geformt. Dieser Block wurde mit einem Overlay des Grundrissplans der Tempelanlage versehen und die modellierten Gebäude und Strukturen exakt darauf platziert. Da im Zuge der Restaurierungen auch vereinzelte Mauern und Gebäude umgerissen bezie- hungsweise neu errichtet wurden, war es erforderlich zwei unterschiedliche Zeitstände zu modellieren. So war es möglich die Umgestaltung der Strukturen in der Tempelanlage zu
Tempelanlage „Virtual Nako“ 845 visualisieren und neben der räumlichen Lage auch die zeitlichen Veränderungen (2003 bis 2007) in der fertigen Applikation darzustellen. Zur weiteren Verfeinerung des Modells wurden für die Tempelanlage sehr markante Stein- haufen modelliert und mit einer Textur versehen. Abb. 2: Ansichten der 3D-Modelle in Cinema 4D Um das 3D Modell mit Hilfe von Google SketchUp geokodieren zu können wurden alle Elemente in Polygonobjekte umgewandelt. Um eine fehlerlose Weiterverarbeitung zu ge- währleisten wurden diese, bestimmten Vorgaben entsprechend, in das .3ds-Format expor- tiert. 2.3 Verortung in Google Earth (Google SketchUp) Die räumliche Verortung der 3D-Modelle erfolgte über den Import der .3ds Dateien in Google SketchUp. Diese Software ermöglicht die punktgenaue, räumlich Positionierung der 3D-Objekte in Google Earth. Die besondere Herausforderung bei diesem Arbeitsschritt bestand darin, zwei teilweise identische 3D-Modelle (Zeitstand 2003 und 2007) deckungsgleich in Google SketchUp zu platzieren. Um dies zu gewährleisten mussten etwaige Skalierungs- beziehungsweise Rota- tionswerte aufeinander abgestimmt werden. Die nach Google Earth exportierten Modelle wurden als .dae-Datei mit den dazugehörigen Texturenbildern abgelegt und deren Pfadan- gabe und Geo-Koordinaten in ein .kml File gespeichert. 2.4 Einbindung von Kartenoverlays Die 3D-Modelle in Google Earth repräsentieren großmaßstäbige Detailaufnahmen einer bestimmten Region. Das Konzept von „Virtual Nako“ beruht jedoch darauf den Anwender schrittweise von einer kleinmaßstäbigen Übersicht hin zu einer großmaßstäbigen Detaildar- stellung zu führen. Dadurch soll ein möglichst umfassender Zugang zur räumlichen Positi- on und der Umgebung der Tempelanlage vermittelt werden.
846 B. Nausner Kartenoverlays der Region mit unterschiedlicher Genauigkeit wurden hierfür aufbereitet. Der Einstieg in die Applikation erfolgt zunächst über eine kleinmaßstäbige Übersichtskarte mit den wichtigsten Orten und Flüssen, die dem Anwender eine grobe räumliche Orientie- rung ermöglichen soll. Sobald der Anwender hineinzoomt können weitere Overlays größe- ren Maßstabs, wie etwa Architektenpläne der Tempelanlage, eingeblendet werden. 2.5 Integration von Text- und ildinformation (Points of Interest) Die weitere Integration von multimedialen Inhalten erfolgte über die Platzierung von Sym- bolen („Points of Interest“) die interaktiv aufgerufen werden können. Textliche und bildli- che Informationen zu den wichtigsten Gebäuden der Anlage sowie Quicktime VR- Panoramen, erleichtern dem Anwender die Interpretation des 3D-Modells. Zusätzlich wur- den Detailinformationen eingebunden, die ausgewählte Skulpturen und Malereien der Tem- pelanlage beschreiben. Durch den Einsatz dieser ergänzender „Points of Interest“ wird ein vertiefender Einblick in die Forschungsarbeit im Rahmen verschiedener Teilprojekte des CHWH Netzwerkes er- möglicht. 2.6 Endfertigung einer ausführbaren Version von „Virtual Nako“ Zur Vervollständigung wurde ein Impressum als Startgrafik in die .kml-Datei eingebettet. Diverse Icons wurden im Auswahlmenü zur intuitiveren und besseren Kommunikation mit dem Nutzer angefertigt. Der Aufbau und die eingeblendeten Elemente beim Aufruf der fertigen Applikation folgen einem dramaturgischen Aufbau. Dieser verläuft von einem kleinen Maßstab (Übersichtskarten) bis hin zu einem sehr großen Maßstab (3D-Modell mit „Points of Interest“). Abb. 3: Ansicht von „Virtual Nako“ in Google Earth
Tempelanlage „Virtual Nako“ 847 Das fertige .kml wurde komprimiert und in ein ausführbares .kmz-File umgewandelt, wel- ches von der Öffentlichkeit über das eingangs erwähnte „Cultural History Information System“ (CHIS) aufgerufen werden kann. 3 Ausblick Der Ansatz der 3D-Visualisierung von kulturhistorischen Objekten wie der Tempelanlage in Nako wurde von den beteiligten Projektpartnern äußerst positiv aufgenommen und kann als sinnvolle Erweiterung in vielen Forschungsbereichen eingesetzt werden. Das Ziel, eine einfache Applikation zu entwickeln die plattformunabhängig ausgeführt werden kann und dem Anwender einen Einblick in die Struktur und räumliche Lage des Tempelkomplexes von Nako liefert, wurde mit diesem „Special View“ erreicht. Erwähnenswert sind die bisher nicht vollständig ausgereizten Möglichkeiten der Einbin- dung von multimedialen Inhalten in die virtuelle Umgebung von Google Earth. Weitere Entwicklungsschritte wären die detailliertere Modellierung der 3D-Modelle sowie eine Anreicherung durch zusätzliche „Points of Interest“. Die Einbindung von Animationen beziehungsweise von Videomaterial und Soundaufnahmen könnte die Informationsdichte weiter erhöhen und dem Anwender eine ungeahnte Informationsvielfalt bieten. Literatur NRPP, NAKO RESEARCH AND PRESERVATION PROJECT http://www.univie.ac.at/nako (28.04.2009). PUCHER, A. (2007): System Architecture Report. Internes Dokument, Wien.
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