Kaum eine Region bietet genügend einfache Jobs
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IAB Kurzbericht Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 11/2014 In aller Kürze Arbeitsmarktchancen von Geringqualifizierten Nahezu jeder zweite Arbeitslose in Deutschland kann mangels hö herer Qualifikation nur Helfertätig Kaum eine Region bietet keiten ausüben. Dabei entspricht nur jeder siebte Arbeitsplatz diesem genügend einfache Jobs Niveau. von Dieter Bogai, Tanja Buch und Holger Seibert Die Beschäftigungsperspektiven von gering qualifizierten Arbeits losen sind regional sehr unter Auf dem deutschen Arbeitsmarkt gilt renzen nicht zueinander. Bauer und Gartner schiedlich. In Ostdeutschland, im Ruhrgebiet und in zahlreichen Groß- nach wie vor: Je höher die Qualifikation, (2014) zeigen, dass je nachdem, wie breit städten haben sie besonders große desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, die beruflichen Segmente definiert sind, Schwierigkeiten, passende Stellen arbeitslos zu sein und desto höher ist der bis zu 45 Prozent der Arbeitslosigkeit mit zu finden. Lohn. Vergleicht man die Qualifikations- einem solchen Mismatch erklärt werden Dagegen ist der Arbeitsmarkt für anforderungen, die an Beschäftigte ge- können. Helfer vor allem in einigen indus stellt werden, mit den Qualifikationsprofi- Mit dem Wandel zur Informations- und triell geprägten Regionen Bayerns len der Arbeitslosen, zeigen sich allerdings Wissensgesellschaft sind Arbeitsplätze mit und Baden-Württembergs sowie erhebliche Diskrepanzen. Diese bestätigen niedrigen Qualifikationsanforderungen in in einigen ländlichen Regionen von nicht nur das besonders hohe Arbeitslo- den vergangenen Jahrzehnten hierzulande Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sigkeitsrisiko von Geringqualifizierten, sie massiv abgebaut worden. Verlierer dieses wesentlich günstiger. machen auch deutlich, dass diese Risiken Prozesses sind gering qualifizierte Erwerbs Regionale Mobilität von Arbeits regional unterschiedlich verteilt sind. personen, die den gestiegenen Anforderun- losen kann angesichts des deutli chen Angebotsüberhangs im Hel gen der Betriebe nicht mehr gerecht wer- ferbereich insgesamt nur wenig Die Beschäftigungs- und Verdienstaussich den und die deshalb in besonderem Maße zum Arbeitsmarktausgleich beitra ten fallen je nach Bildungsabschluss einer von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Zudem gen. Eine bessere Qualifizierung Erwerbsperson sehr unterschiedlich aus (We- verläuft die Erwerbsintegration in Deutsch- und die Reduzierung von gering ber/Weber 2013; Schmillen/Stüber 2014). land über berufsfachliche Arbeitsmärkte qualifizierten Neuzugängen in die Einerseits finden gering qualifizierte Ar- und selbst bei der Besetzung von Einfach- Arbeitslosigkeit bleiben in der Ar beitslose schwer eine Beschäftigung, an- arbeitsplätzen wird häufig ein Berufsab- beitsmarktpolitik vorrangig. dererseits klagen viele Arbeitgeber über schluss als Zeichen für eine hohe Leistungs- Darüber hinaus ist gerade für Schwierigkeiten, geeignete Bewerber für fähigkeit erwartet. Personen mit multiplen Vermitt ihre vakanten Stellen rekrutieren zu können. Im Folgenden geht es darum, wie An- lungshemmnissen z. B. eine länger fristig angelegte Unterstützung der Eine solche Situation wird als Mismatch gebot und Nachfrage in verschiedenen betrieblichen Eingliederung durch bezeichnet: Arbeitsangebot und Arbeits- Arbeitsmarktsegmenten zusammenpassen. individuell abgestimmte Coaching nachfrage passen aufgrund von qualifikato- Dabei wird nach Personengruppen und hilfen ratsam. rischen, beruflichen oder regionalen Diffe- verschiedenen Landesteilen differenziert.
Besonderes Augenmerk gilt den Beschäftigungsper- kräfte, (3) Spezialisten und (4) Experten (vgl. Ta- spektiven von Personen, die aufgrund ihrer geringen belle 1). Das Anforderungsniveau beschreibt neben Qualifikation zumeist nur Aussicht auf Helfertätig- der Beruflichkeit als horizontale Dimension, die keiten haben. Komplexität von Berufen als vertikale Dimension (Bundesagentur für Arbeit 2011). Jedem Beruf ist Berufe, Tätigkeiten und in der KldB 2010 eine der vier genannten Qualifi- Qualifikationen kationsanforderungen zugeschrieben. Entscheidend Mit der Einführung der Klassifikation der Berufe ist dabei, welche Qualifikationen üblicherweise für (KldB) 2010 der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist es den jeweiligen Beruf erforderlich sind, nicht aber der seit Kurzem möglich, die Berufe nach vier Anforde- konkrete Bildungsabschluss einer Person, die diesen rungsniveaus zu unterscheiden: (1) Helfer, (2) Fach- Beruf ausübt. Eine entsprechende Zuordnung liegt sowohl in den Beschäftigungsdaten als auch in den Arbeitslosendaten vor. i Anforderungsspezifische Arbeitslosenquote – Definition Für die Beschäftigten melden die Arbeitgeber den und Berechnung jeweils ausgeübten Beruf. Damit können die unter- Für die Analysen werden nur Arbeitslose und sozialversicherungspflichtig Be- schiedlichen Anforderungsniveaus der ausgeübten schäftigte (ohne Auszubildende und geringfügig Beschäftigte) im Alter von 25 Tätigkeiten als Indikator für die Qualifikationsnach- bis 64 Jahren und mit gültigen Angaben zum Anforderungsniveau ausgewählt. frage der Unternehmen interpretiert werden. Eine Da für die Anforderungsniveaus keine Bezugsgrößen vorliegen, wird die anforde- rungsspezifische Arbeitslosenquote (ALQN) lediglich auf die Zahl der Arbeitslosen Abbildung der Qualifikationsanforderungen über die (ALN) und die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (SVBN) im jewei- offenen Stellen eignet sich nur bedingt als Alter- ligen Anforderungsniveau (N) bezogen und nach der folgenden Formel gebildet: native, denn die der BA gemeldeten offenen Stel- ALN len erfassen nicht alle Vakanzen. Zudem variiert die ALQN = ALN + SVBN Beteiligung der BA am Stellenbesetzungsprozess Zum Vergleich: Die amtliche Arbeitslosenquote enthält als Bezugsgröße im stark nach Qualifikationsanforderungen, Branchen Nenner alle zivilen Erwerbspersonen, also neben sozialversicherungspflichtig und Regionen, sodass bei dieser Vorgehensweise ein Beschäftigten und Arbeitslosen auch Selbstständige, mithelfende Familienan- unvollständiges und verzerrtes Bild der Arbeitsnach- gehörige, geringfügig Beschäftigte, Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Mehr- frageseite zugrunde liegen würde. aufwandsentschädigung, auspendelnde Grenzarbeitnehmer und Beamte. Daher Bei den Arbeitslosen wird im sogenannten Pro- liegt die in diesem Bericht errechnete spezifische Arbeitslosenquote entspre- chend höher. Beträgt die amtliche Arbeitslosenquote der 25- bis 64-Jährigen filing unter anderem der Zielberuf des Kunden er- z. B. im Juni 2013 bundesweit 7,0 Prozent, wären es unter Verwendung lediglich mittelt. Dabei handelt es sich um das aufgrund der der Arbeitslosen und Beschäftigten als Bezugsgröße 8,7 Prozent. individuellen Qualifikation realisierbare Ziel bei der In der regionalen Analyse wird die anforderungsspezifische Arbeitslosenquote Jobsuche. Dieser Beruf wird durch die Arbeitsver- auf der Kreisebene betrachtet. In 17 der insgesamt 402 Kreise liegen für mehr mittler in Abstimmung mit den Arbeitsuchenden in als 25 Prozent der Arbeitslosen keine Angaben zum Zielberuf vor. Die entspre- den Daten vermerkt. Er bildet damit den aktuellen chenden Kreise (vgl. Tabelle unten und graue Schraffierung in Abbildung 4 auf individuellen Bildungsstand ab und ist in der Summe Seite 6) sind deshalb aus der Analyse ausgeschlossen. Bei diesen Kreisen handelt es sich um solche, in denen zugelassene kommunale Träger mit den Aufgaben der der Zielberufe aller Arbeitslosen ein Indikator für die Grundsicherung für Arbeitsuchende betraut sind. Aufgrund deren uneinheitlicher Qualifikation des Bestandes an Arbeitslosen. Meldeverfahren kommt es in einigen dieser Kreise zu größeren Meldeproblemen. Auch der formale berufliche Bildungsabschluss Insgesamt weisen die Arbeitslosendaten in 5,5 Prozent der Fälle ungültige Werte der Beschäftigten und der Arbeitslosen ist in der Be- beim Zielberuf auf. schäftigungs- bzw. Arbeitslosenstatistik der BA er- Kreise, die wegen unvollständigen Bildungsangaben in den Arbeitslosendaten fasst. Allerdings liegen in der Beschäftigtenstatistik aus den Analysen ausgeschlossen wurden inzwischen für fast 20 Prozent der Meldungen keine Landkreis/Kreisstadt Bundesland verwertbaren Bildungsdaten mehr vor. Die Angaben Nordfriesland, Schleswig-Flensburg Schleswig-Holstein zum Anforderungsniveau der ausgeübten Berufe, die Soltau-Fallingbostel, Verden, Grafschaft Bentheim, Osnabrück Niedersachsen nach der Umstellung auf die neue Klassifikation seit Mülheim an der Ruhr, Solingen, Düren, Minden-Lübbecke Nordrhein-Westfalen Ende 2012 nun zuverlässig und umfänglich gemeldet Wiesbaden, Bergstraße, Main-Kinzig-Kreis Hessen Tuttlingen Baden-Württemberg werden, sind damit eine neue Quelle zur Ermittlung Schweinfurt Bayern des qualifikatorischen Mismatches auf dem Arbeits- St. Wendel Saarland markt. Tabelle 2 zeigt, dass das berufliche Anforde- Anhalt-Bitterfeld Sachsen-Anhalt rungsniveau erwartungsgemäß in hohem Maße mit dem Bildungsstand der Beschäftigten zusammen- 2 IAB-Kurzbericht 11/2014
hängt. Zugleich wird aber auch deutlich, dass einer- Tabelle 1 seits ein vorhandener Abschluss kein Garant für das Anforderungsniveaus von Berufen Erlangen einer qualifizierten Tätigkeit ist und dass es andererseits auch zahlreiche Personen gibt, denen es Kurz- Niveau Bezeichnung Anforderungsniveau beschreibung gelingt, ohne formale Bildungsabschlüsse in höhere 1 Helfer- und Helfer Einfache, wenig komplexe (Routine-)Tätig- Segmente des Arbeitsmarktes vorzudringen. Anlern- keiten; kein formaler beruflicher Bildungs- Im Folgenden wird für die verschiedenen Anfor- tätigkeiten abschluss oder einjährige (geregelte) Berufs- ausbildung derungsniveaus eine spezifische Arbeitslosenquote 2 Fachlich Fachkraft Fundierte Fachkenntnisse und Fertigkeiten; gebildet und nach unterschiedlichen individuellen ausgerichtete Abschluss einer mindestens zweijährigen und regionalen Merkmalen betrachtet. Die Berech- Tätigkeiten Berufsausbildung oder vergleichbare Quali- nung der hier verwendeten Arbeitslosenquoten wird fikation im Infokasten auf Seite 2 näher erläutert. 3 Komplexe Spezialist Spezialkenntnisse und -fertigkeiten, gehobene Spezialisten- Fach- und Führungsaufgaben; Meister- oder tätigkeiten Technikerausbildung oder gleichwertiger Fachschul- oder Hochschulabschluss Beschäftigte – Viele Fachkräfte, 4 weniger Helfer Hoch komplexe Experte Sehr hohes Kenntnis- und Fertigkeitsniveau, Tätigkeiten Leitungs- und Führungsaufgaben; mindestens vierjährige Hochschulausbildung oder ent- Der deutsche Arbeitsmarkt ist ein Fachkräftemarkt, sprechende Berufserfahrung der viele Positionen für qualifizierte und hoch quali- Quelle: Bundesagentur für Arbeit 2011, S. 27 f. © IAB fizierte Arbeitskräfte bereithält, aber nur wenige für gering qualifizierte (Solga 2005). So üben im Juni 2013 86 Prozent der 25- bis 64-jährigen sozialver- Tabelle 2 sicherungspflichtig Beschäftigten berufliche Tätig- Berufliche Anforderungsniveaus1) und Bildungsabschlüsse von keiten aus, die in Bezug auf ihre Qualifikationsan- sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Arbeitslosen forderungen mindestens einen Facharbeiterabschluss 25- bis 64-Jährige im Juni 2013, Anteile in Prozent voraussetzen. Lediglich 14 Prozent gehen Helfer- und Anforderungsniveau Anlerntätigkeiten nach (vgl. Abbildung 1, Seite 4). der Berufe keine Ins- Helfer Fachkraft Spezialist Experte Die Qualifikationsanforderungen der von Männern Qualifikation Angabe gesamt der Personen und Frauen ausgeübten Tätigkeiten unterscheiden Beschäftigte (ausgeübter Beruf) sich in Westdeutschland stärker als in Ostdeutsch- ohne abgeschlossene 22,0 6,2 2,8 2,2 0,0 7,4 land. Im Westen sind 16 Prozent der Frauen in Hel- Berufsausbildung fertätigkeiten zu finden, aber nur 13 Prozent der betriebliche/ 44,7 74,1 65,1 28,7 0,0 62,1 schulische Ausbildung Männer. Als Experten oder Spezialisten arbeiten akademische 1,3 4,3 21,2 60,4 0,0 13,8 jeweils 16 Prozent der westdeutschen Männer, wäh- Ausbildung rend es westdeutsche Frauen in diesem Segment keine Angabe 32,0 15,4 10,9 8,7 100,0 16,7 nur auf jeweils 11 Prozent bringen. Im Osten be- sozialversicherungspfl. 3,657 15,034 3,523 3,532 0,136 25,882 steht zwar auf den höheren beruflichen Positionen Beschäftigte in Mio. ebenfalls ein Vorsprung der Männer, allerdings fällt Arbeitslose (Zielberuf) ohne abgeschlossene dieser deutlich geringer aus als im Westen. Helfertä- Berufsausbildung 64,1 28,7 13,5 7,3 34,7 42,1 tigkeiten üben ostdeutsche Männer mit 13 Prozent betriebliche/ 31,4 65,9 63,9 21,9 23,7 46,2 genauso häufig aus wie ostdeutsche Frauen. schulische Ausbildung akademische Die deutlichsten Unterschiede beim Anforde- Ausbildung 1,5 2,8 20,4 68,5 4,8 7,1 rungsniveau zeigen sich, wenn die Beschäftigten keine Angabe 3,0 2,6 2,2 2,3 36,9 4,6 nach Staatsangehörigkeit verglichen werden: Wäh- rend nur 12 Prozent (Ost) bzw. 13 Prozent (West) der Arbeitslose in Mio. 1,110 1,068 0,132 0,151 0,143 2,604 Beschäftigten mit deutscher Staatsangehörigkeit 1) Bei den Beschäftigten ist es das Anforderungsniveau des ausgeübten Berufs, als Helfer arbeiten, sind es bei denen ohne deut- bei den Arbeitslosen dasjenige des Zielberufs. schen Pass 34 Prozent im Westen und 30 Prozent Lesebeispiel: Im Juni 2013 gab es in Deutschland 3,657 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Helferberufen. Von ihnen besitzen 22,0 Prozent keine abgeschlossene im Osten. In Westdeutschland finden Beschäftigte Ausbildung, 44,7 Prozent einen betrieblichen oder schulischen Ausbildungsabschluss und ohne deutsche Staatsbürgerschaft mit 10 Prozent 1,3 Prozent einen akademischen Abschluss. Für 32,0 Prozent fehlen die Bildungsangaben. Quelle: Beschäftigungsstatistik und Arbeitslosenstatistik der BA (Data-Warehouse; auch deutlich seltener Zugang zu Tätigkeiten auf Zugriff: Januar 2014); eigene Berechnungen. © IAB Expertenniveau. Dagegen sind in Ostdeutschland IAB-Kurzbericht 11/2014 3
sogar 18 Prozent der nicht-deutschen Beschäftig- zu finden sind als unter den jüngeren. Dies spiegelt ten als Experten tätig. Dieser Sachverhalt ist in der zumindest teilweise den qualifikatorischen Wandel Bundeshauptstadt weniger stark ausgeprägt als in auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Dekaden wider. Ostdeutschland insgesamt und verweist auf die sehr Da es heute zunehmend weniger einfache Berufs- selektive Zuwanderung von Migranten in die ost- positionen gibt, sind jüngere Beschäftigte dement- deutschen Bundesländer. In Westdeutschland sind sprechend dort immer seltener zu finden. Gleichwohl die Zahlen hingegen noch ein Resultat der Anwer- dominieren auch unter den älteren Beschäftigten bepolitik der 1960er Jahre, in denen man verstärkt eindeutig Berufspositionen mit höherem Anforde- ungelernte Arbeitskräfte für die damals boomende rungsniveau. Industrie rekrutiert hat. Unzureichende Integrati- Schließlich bestehen auch ausgeprägte regionale onsbemühungen und die Tatsache, dass Deutsch- Differenzen. So erweisen sich verdichtete Regionen land ein Land ist, in dem sich soziale Ungleichheit in als solche mit einem erkennbar höheren Anforde- hohem Maße über die Generationen vererbt, haben rungsniveau am Arbeitsmarkt. In den deutschen dafür gesorgt, dass diese Diskrepanzen auch heute Großstädten mit mindestens 100.000 Einwohnern noch so deutlich zu Tage treten. Allerdings stellt sich sind im Durchschnitt nur 12 Prozent der Beschäftig- die Situation der Neuzuwanderer inzwischen weni- ten als Helfer, aber 34 Prozent als Spezialisten oder ger dramatisch dar (Seibert/Wapler 2012). Experten beschäftigt. In den übrigen Regionen sind Betrachtet man verschiedene Altersgruppen, so hingegen im Durchschnitt 16 Prozent der Beschäf- fällt auf, dass unter den älteren Beschäftigten etwas tigten als Helfer und nur 23 Prozent als Spezialisten mehr Helfer und weniger Spezialisten oder Experten oder Experten tätig. Abbildung 1 Abbildung 2 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach dem Arbeitslose nach dem Anforderungsniveau des Zielberufs Anforderungsniveau des ausgeübten Berufs Juni 2013, Anteile in Prozent Juni 2013, Anteile in Prozent Helfer Fachkraft Spezialist Experte Helfer Fachkraft Spezialist Experte Insgesamt 14 58 14 14 45 43 5 6 Insgesamt Nach Geschlecht und Region Nach Geschlecht und Region Männer, West 13 55 16 16 40 46 7 7 Männer, West Frauen, West 16 62 11 11 52 39 4 5 Frauen, West Männer, Ost 13 60 13 14 38 50 6 6 Männer, Ost Frauen, Ost 13 61 12 13 50 40 4 5 Frauen, Ost Nach Staatsangehörigkeit und Region Nach Staatsangehörigkeit und Region Deutsche, West 13 59 15 14 41 45 6 7 Deutsche, West Nicht-Deutsche, West 34 49 7 10 63 31 23 Nicht-Deutsche, West Deutsche, Ost 12 61 13 14 42 47 5 6 Deutsche, Ost Nicht-Deutsche, Ost 30 44 8 18 60 30 4 6 Nicht-Deutsche, Ost Nach Alter Nach Alter 25–34 Jahre 13 59 14 15 47 42 4 7 25–34 Jahre 35–44 Jahre 13 58 14 14 49 41 5 6 35–44 Jahre 45–54 Jahre 15 58 14 13 47 43 5 5 45–54 Jahre 55 Jahre und älter 16 58 12 13 38 48 7 7 55 Jahre und älter Nach Agglomerationsgrad Nach Agglomerationsgrad Großstädte1) 12 54 16 18 46 40 5 8 Großstädte1) übrige Regionen 16 61 12 11 45 45 5 5 übrige Regionen mindestens 100.000 Einwohner. 1) Abweichungen von 100 % durch Runden der Zahlen. Quelle: Beschäftigungsstatistik und Arbeitslosenstatistik der BA (Data-Warehouse; Zugriff: Januar 2014), eigene Berechnungen. © IAB 4 IAB-Kurzbericht 11/2014
Arbeitslose – Viele Helfer, weniger doppelt so häufig nach Spezialisten- und Experten- Fachkräfte tätigkeiten wie jene in Westdeutschland. Betrachtet man die Arbeitslosen nach Alter, sind Die Auswertung der Anforderungsniveaus der Ziel- deren Qualifikationsprofile in den Gruppen zwischen berufe von Arbeitslosen ergibt ein völlig anderes 25 und 54 Jahren relativ gleich verteilt. Knapp die Bild als bei den Beschäftigten. Von den 25- bis Hälfte von ihnen ist auf der Suche nach Helferjobs. 64-jährigen Arbeitslosen sind bundesweit 45 Pro- In der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen hingegen sind zent aufgrund ihrer geringen Qualifikation auf die es nur noch 38 Prozent. Ursächlich für den geringe- Suche nach Helfertätigkeiten beschränkt (vgl. Ab- ren Helferanteil in dieser Gruppe – bei gleichzeitig bildung 2). Weitere 43 Prozent suchen nach einer überdurchschnittlich hohem Helferanteil unter den Arbeit als Fachkraft und lediglich 5 bzw. 6 Prozent älteren Beschäftigten – könnte sein, dass ältere Hel- nach einer Spezialisten- bzw. Expertentätigkeit. fer ihren Arbeitsplatz seltener verlieren als jüngere. Arbeitslose Frauen sind sowohl in Ost- als auch Es kann aber auch ein Hinweis darauf sein, dass sich in Westdeutschland mit 50 und 52 Prozent deutlich gering qualifizierte Ältere aufgrund ihrer schlech- häufiger auf der Suche nach Helfertätigkeiten als teren Aussichten am Arbeitsmarkt häufiger bereits Männer mit 38 und 40 Prozent. Ursache könnte un- vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben. ter anderem eine Entwertung einstmals erworbener Qualifikationen aufgrund von Erwerbsunterbrechun- Wo es die Geringqualifizierten gen in der Familienphase sein. besonders schwer haben Auch Arbeitslose ohne deutsche Staatsangehö- rigkeit suchen überdurchschnittlich häufig nach Vergleicht man die spezifischen Arbeitslosenquoten Tätigkeiten mit niedrigen Qualifikationsanforderun- für die vier Anforderungsniveaus (vgl. Infokasten gen. Hier sind sogar 60 Prozent in Ost- und 63 Pro- auf Seite 2), zeigt sich, dass Arbeitslosigkeitsrisiken zent in Westdeutschland auf der Suche nach einer im Bereich der Helfer durchweg häufiger sind als im Arbeit als Helfer. Neben einem tatsächlich niedri- Bereich der (hoch) Qualifizierten (vgl. Abbildung 3). gen Bildungsstand kann in dieser Gruppe auch die In Ostdeutschland, wo der Arbeitsmarkt noch im- Nichtanerkennung der im Ausland erworbenen Bil- mer wesentlich angespannter ist, liegt die Arbeits- dungsabschlüsse zu einer Beschränkung der Jobsu- losenquote im Helferbereich bei fast 35 Prozent. Im che auf Helfertätigkeiten führen. Zugleich suchen Westen fällt sie mit knapp 22 Prozent zwar deutlich nicht-deutsche Arbeitslose in Ostdeutschland etwa geringer aus, der relative Abstand zu den Quoten für Abbildung 3 Spezifische Arbeitslosenquoten1) nach dem Anforderungsniveau der Berufe Helfer Juni 2013, in Prozent Fachkraft Spezialist 34,4 Experte Insgesamt 28,5 21,6 22,0 13,2 8,0 13,2 10,3 8,0 7,1 6,8 6,0 5,7 5,9 3,4 4,3 3,8 4,0 4,2 3,3 West Ost Großstädte2) Übrige Regionen 1) zur Berechnungsgrundlage vgl. Infokasten auf Seite 2. 2) mindestens 100.000 Einwohner. Quelle: Beschäftigungsstatistik und Arbeitslosenstatistik der BA (Data-Warehouse; Zugriff: Januar 2014), eigene Berechnungen. © IAB IAB-Kurzbericht 11/2014 5
die Berufe mit höherem Anforderungsniveau ist aber Auch zwischen den Bundesländern – und mehr noch vergleichbar mit dem im Osten. Zu ähnlichen Ergeb- zwischen den einzelnen Kreisen –sind große Un- nissen kommen Weber und Weber (2013) bei ihrer terschiede zu beobachten. In 37 der 77 Kreise bzw. Analyse der qualifikationsspezifischen Arbeitslosig- kreisfreien Städte Ostdeutschlands liegt die Ar- keitsrisiken: Unter den Personen ohne abgeschlos- beitslosenquote im Helfersegment bei mindestens sene Berufsausbildung betrug die Arbeitslosenquote 34 Prozent (vgl. Abbildung 4, dunkelorange mar- im Jahr 2011 demnach 17,8 Prozent in West- und kierte Flächen). In weiteren 23 ostdeutschen Kreisen 31,8 Prozent in Ostdeutschland. erreicht sie mindestens 25 Prozent. In Westdeutsch- Große regionale Unterschiede in der Arbeitslosen- land findet sich insbesondere in den altindustriellen quote der Helfer zeigen sich nicht nur zwischen Ost Räumen im und um das Ruhrgebiet eine Reihe von und West, sondern auch zwischen Großstädten und Kreisen mit sehr ungünstiger Arbeitsmarktlage für den übrigen Regionen in Deutschland. Liegt ihre Ar- arbeitslose Helfer. In Gelsenkirchen, Herne, Duisburg, beitslosigkeit in den Großstädten bei fast 29 Prozent, Recklinghausen, Dortmund und Oberhausen liegt die so fällt sie in den übrigen Regionen um gut 6 Pro- Arbeitslosenquote der Helfer bei über 40 Prozent. Die zentpunkte geringer aus. insgesamt ungünstigere Situation in den Städten ist in dieser kleinräumigen Betrachtung ebenfalls zu er- kennen: Unter den bundesweit 54 Kreisen bzw. kreis- Abbildung 4 freien Städten mit einer Helferarbeitslosenquote von Spezifische Arbeitslosenquoten im Bereich der Helferberufe mindestens 34 Prozent befinden sich 26 Städte. im Juni 2013 in Prozent Wo sich Arbeitsplätze für Helfer finden Schleswig-Holstein Mecklenburg-Vorpommern Trotz des Trends zur Höherqualifizierung weisen be- Hamburg stimmte Wirtschaftszweige einen beachtlichen An- Bremen teil an Arbeitsplätzen mit relativ geringen Qualifika- tionsanforderungen auf. Dabei sind insbesondere die Niedersachsen Berlin Arbeitnehmerüberlassung, Reinigungs- und Wach- Brandenburg dienste, der Agrarsektor und das Gastgewerbe zu Sachsen-Anhalt nennen. Absolut betrachtet stellt aber das Produzie- rende Gewerbe gut ein Viertel dieser Arbeitsplätze, Nordrhein-Westfalen gefolgt von den unternehmensnahen Dienstleistun- Sachsen gen Logistik und Reinigung mit gut einem Fünftel. Hessen Thüringen Zudem bestehen Potenziale in der Gesundheitsver- Rheinland-Pfalz sorgung und der sozialen Arbeit. Die regional unterschiedliche Branchenstruktur spiegelt sich auch in der Arbeitslosenquote im Helfer- Saarland bereich wider. Ein besonders positives Bild zeichnet sich in Baden-Württemberg und vor allem in Bayern Bayern Baden-Württemberg ab. Von insgesamt 34 Kreisen mit einer Arbeitslosen- quote der Helfer von unter 10 Prozent befinden sich 29 im Freistaat, vier in Baden-Württemberg (Boden- seekreis, Hohenlohekreis, Enzkreis, Ravensburg) und einer in Niedersachsen (Wolfsburg). Im bayerischen Landkreis Eichstätt liegt die Arbeitslosenquote im Spezifische Arbeitslosenquote unzuverlässige Angaben (17) 15 bis unter 25 (125) Helfersegment bei lediglich 5,2 Prozent. Viele dieser in Prozent 25 bis unter 34 (88) unter 10 (34) Kreise sind Standorte von Großunternehmen des Ver- ( ) Anzahl der Kreise 10 bis unter 15 (84) 34 und mehr (54) arbeitenden Gewerbes. Hier kann es zu selbstverstär- kenden positiven Effekten für die Beschäftigungssitu- Quelle: Beschäftigungsstatistik und Arbeitslosenstatistik der BA (Data-Warehouse; Zugriff: Januar 2014), eigene Berechnungen. © IAB ation von Helfern kommen: Produktionsprozesse, an denen sowohl geringer als auch höher Qualifizierte 6 IAB-Kurzbericht 11/2014
gemeinsam beteiligt sind, können die Beschäfti- im Helferbereich arbeitslos. Gleichzeitig bietet der gungschancen von Personen mit niedrigem Qualifi- Arbeitsmarkt für Helfer an Standorten mit industri- kationsniveau langfristig verbessern (Schlitte 2010). ellen Betrieben und unternehmensnahen Dienstleis- Neben den genannten, fast ausschließlich in Süd- tungen in einigen süddeutschen Regionen mit gerin- deutschland zu findenden Kreisen, ist die Situation ger Bevölkerungsdichte durchaus gute Bedingungen. für Helfer insbesondere in einigen ländlich gepräg- In den kommenden eineinhalb Dekaden ist zu- ten westdeutschen Landkreisen von Rheinland-Pfalz, mindest kein weiterer massiver Abbau an Stellen Hessen und Niedersachsen relativ günstig. Hier für Ungelernte zu erwarten. Zwar geht der Bedarf dürften jedoch die Beschäftigungsbedingungen der an Arbeitskräften ohne eine abgeschlossene Berufs- Helfer durch unstetigere Beschäftigungsverhältnis- ausbildung bis 2030 noch zurück, bleibt aber auf se und geringere Entlohnung um einiges schlech- substanziellem Niveau (Helmrich et al. 2012; Zika et ter ausfallen als in den süddeutschen Regionen. In al. 2012). Derzeit existiert ein Kern von rund 4 Mil- Ostdeutschland zeigt sich lediglich in Thüringen ein lionen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen etwas positiveres Gesamtbild. Hier befindet sich mit mit Helferanforderungen. Diese werden besonders Sonneberg (10,6 %) auch der einzige ostdeutsche im Produzierenden Gewerbe sowie in den unterneh- Kreis mit einer Arbeitslosenquote im Helfersegment mens- und personenbezogenen Dienstleistungen von unter 15 Prozent. auch zukünftig benötigt. Insgesamt steht die spezifische Arbeitslosenquo- Gleichwohl bleibt das Ungleichgewicht im Helfer- te der Helfer in einem engen positiven Zusammen- segment aber zentrale arbeitsmarkt- und bildungs- hang mit der allgemeinen Arbeitslosenquote. Sie ist politische Herausforderung. Regionale Mobilität dort am niedrigsten (höchsten), wo die allgemeine von Arbeitslosen kann angesichts des insgesamt Arbeitslosenquote besonders niedrig (hoch) ausfällt. deutlichen Angebotsüberhangs nur relativ wenig Der entsprechende Korrelationskoeffizient liegt bun- zum Arbeitsmarktausgleich beitragen. Die gravie- desweit bei über 0,9 und ist hochsignifikant. In pros- renden Beschäftigungsprobleme der Geringquali- perierenden Regionen ist der Arbeitsmarkt also auch fizierten lassen sich nur langfristig lösen. Dabei ist für Personen mit geringen Qualifikationen aufnah- die Anhebung des Bildungsniveaus zentral für die mefähig. Hingegen stehen Regionen mit schlechter künftige Beschäftigungsfähigkeit von Personen mit Arbeitsmarktlage vor einer besonderen Herausforde- geringer Qualifikation. Hierzu gehören auch und vor rung: Sie müssen eine hohe Arbeitslosenquote bei allem präventive Maßnahmen, wie die Vermeidung ungünstiger Qualifikationsstruktur im Arbeitslosen- von Schul- und Ausbildungsabbrüchen, eine besse- bestand und wenigen vorhandenen Arbeitsplätzen re Berufsorientierung sowie die gezielte Fort- und im Helferbereich abbauen. Dies ist beispielsweise Weiterbildung. Entsprechende Maßnahmen sollten in Berlin der Fall, wo die allgemeine Arbeitslosen- insbesondere auch arbeitslosen Frauen, und hier quote im Juni 2013 11,6 Prozent betrug, während es vor allem Berufsrückkehrerinnen zugutekommen. im Bundesdurchschnitt 6,6 Prozent waren. Zugleich Das gilt ebenso für arbeitslose Ausländer, ggf. un- lag die Arbeitslosenquote der Helfer mit gut 38 Pro- ter Berücksichtigung ihrer im Ausland erworbenen zent weit über dem bundesweiten Durchschnitt von Vorqualifikation. Dabei sollten Geringqualifizierten 23,1 Prozent. berufsanschlussfähige Teilqualifikationen und Kom- petenzen vermittelt werden, damit sie sich sukzessi- ve dem Fachkraftniveau annähern. Fazit Zudem gilt es, im Vermittlungsprozess zu prüfen, Ein großer Teil der Arbeitslosigkeit in Deutschland ob die individuelle Leistungsfähigkeit eines Arbeits- steht mit einer unzureichenden Qualifikation der losen trotz formal fehlender Übereinstimmung mit Betroffenen im Zusammenhang. Fast die Hälfte der dem Anforderungsniveau eines Arbeitsplatzes ei- Arbeitslosen ist aufgrund zu geringer Bildungsab- nen Vermittlungsvorschlag im Einzelfall nicht doch schlüsse bei der Arbeitsuche auf einfache Tätigkei- rechtfertigt. Schließlich kann die Schaffung zusätz- ten beschränkt, die auf den jeweiligen regionalen licher befristeter Beschäftigungsgelegenheiten für Arbeitsmärkten zumeist nur in geringem Umfang Personen mit multiplen Vermittlungshemmnissen nachgefragt werden. gerade in den Regionen sinnvoll erscheinen, in de- In Ostdeutschland ist die Lage besonders prekär. In nen die Arbeitslosenquote im Helferbereich beson- vielen Kreisen ist dort über ein Drittel der Menschen ders hoch ausfällt. IAB-Kurzbericht 11/2014 7
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