Chronischer Husten bei erwachsenen Patienten
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LEITLINIE / GUIDELINE 215 Chronischer Husten bei erwachsenen Patienten Chronic Cough in Adult Patients Sabine Beck, Felix Holzinger, Lorena Dini, Christiane Stöter, Christoph Heintze Hintergrund: Husten ist einer der häufigsten Beratungs- Background: Cough is one of the most common rea- anlässe in der Hausarztpraxis. Die Leitlinie Husten der sons for encounter in a family practice. The Guideline Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedi- „Cough“ of the German College of General Practitioners zin (DEGAM) wurde 2013 überarbeitet und gibt aktuelle and Family Physicians (DEGAM) was updated in 2013 and Entscheidungshilfen zur hausärztlichen Versorgung. In contains current recommendations for primary care. Es- diesem Artikel werden die wesentlichen Inhalte zum chro- sential issues regarding chronic cough (> 8 weeks) are nischen Husten (> 8 Wochen) zusammengefasst. summarized in this article. Methoden: Basierend auf einer systematischen Literatur- Methods: Based on a systematic literature search, cur- recherche wurde die aktualisierte Evidenz aufgearbeitet. rent evidence was assessed. Recommendations for diag- Gemäß den methodischen Standards der S3-Leitliniener- nosis and therapy were approved in a consensus confer- stellung wurden in einer Konsensuskonferenz mit sieben ence with participation of seven scientific medical so- medizinischen Fachgesellschaften Empfehlungen zu Diag- cieties, according to the methodological standards for nostik und Therapie verabschiedet. S3-guidelines. Ergebnisse: Durch eine symptomorientierte Anamnese Results: A focused medical history and clinical examin- und Untersuchung lässt sich bei chronischem Husten in ation often allows a probable diagnosis. Signs of a serious vielen Fällen eine klinische Verdachtsdiagnose stellen. Bei illness like congestive heart failure, pulmonary embolism, Hinweisen auf gefährliche Verläufe wie Herzinsuffizienz, bronchial carcinoma or aspiration of a foreign body Lungenembolien, ein Bronchialkarzinom oder einen aspi- should prompt urgent evaluation and initiation of treat- rierten Fremdkörper ist eine rasche Abklärung bzw. Thera- ment. In chronic cough, asthma, chronic obstructive pieeinleitung geboten. Bei chronischem Husten ist vor- bronchitis and side effects of medication should be con- rangig an ein Asthma bronchiale, eine chronisch obstruk- sidered on the first place and after that an Upper Airway tive Bronchitis oder die Einnahme hustenauslösender Me- Cough Syndrome, cough-variant asthma and gastroeso- dikamente zu denken. Im Folgenden sollten ein Upper phageal reflux. When diagnosed clinically, these con- Airway Cough Syndrome (UACS), eine bronchiale Hyper- ditions can first be treated empirically without further reagibilität oder ein gastroösophagealer Reflux bedacht technical evaluation. werden. Bei diesen Krankheitsbildern wird bei klinischer Conclusions: When no signs of a serious illness are Verdachtsdiagnose zunächst eine probatorische Therapie found, common causes of chronic cough can be diag- ohne aufwendige technische Diagnosesicherung empfoh- nosed and treated without further technical investigation len. in a primary care setting. Schlussfolgerungen: Wenn keine Hinweise auf einen gefährlichen Verlauf vorliegen, können häufige Ursachen Keywords: Chronic Cough; Primary Care; Family Practitioner; eines chronischen Hustens in der Hausarztpraxis ohne Guideline weiterführende technische Untersuchungen diagnostiziert und behandelt werden. Schlüsselwörter: chronischer Husten; Primärversorgung; Hausarzt; Leitlinie Charité Universitätsmedizin Berlin DOI 10.3238/zfa.2014.0215–0221 © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2014; 90 (5) ■
216 LEITLINIE / GUIDELINE Hintergrund Anamnese Körperliche Untersuchung Husten ist einer der häufigsten Bera- Symptome Haut: Blässe, Zyanose, Schweiß tungsanlässe in der Hausarztpraxis [1]. • Hustendauer, charakterist. Auswurf Mund/Rachen/Nase: Inspektion, behin- Die DEGAM-Leitlinie Husten wurde • Atembeschwerden (Dyspnoe, Giemen) derte Nasenatmung, Klopfschmerz über 2008 mit dem Ziel veröffentlicht, Ent- • Fieber NNH • Kopfschmerzen, eitriger Schnupfen Lunge: Inspektion (Einsatz von Atemhilfs- scheidungshilfen für die hausärztliche • Thoraxschmerzen muskulatur), Perkussion, Auskultation, Versorgung zu geben. Aufgrund um- • Sodbrennen, Aufstoßen Atemfrequenz fangreicher neuer Evidenz wurde die Eigen- und Familienanamnese Herz: Auskultation Leitlinie 2013 gemäß den methodischen • vorausgegangene Infekte Abdomen: Palpation des Oberbauches bei • Raucheranamnese V.a. kardiale Insuffizienz (Hepatomegalie, Standards der Erstellung von S3-Leitlini- hepatojugulärer Reflux) und bei V.a. Re- • bekannte Allergien en umfassend aktualisiert. • Exposition gegenüber inhalativen Noxen fluxkrankheit Der zahlenmäßig größere Teil der • Familienanamnese (z.B. Allergien, Beine: Inspektion (Unterschenkelödeme? Asthma) Thrombose?) Beratungsanlässe „Husten“ entfällt auf • Umgebungsanamnese (z.B. Pertussis, Lymphknoten: zervikal/supraklavikulär den akuten Husten, meist im Rahmen Tuberkulose) Allgemein: Ernährungszustand von selbstlimitierenden Atemwegs- Medikamentenanamnese infekten. Ein unklarer anhaltender Hus- • ACE-Hemmer ten stellt den Hausarzt vor besondere di- • bronchokonstriktiv wirksame Medikamente (z.B. Betablocker) Red flags für gefährliche Verläufe agnostische Herausforderungen. In die- • Prothrombotisch wirksame Medikamente sem Artikel werden die wesentlichen (z. B. Antikonzeptiva) • Lungentoxische Medikamente • Gewichtsverlust, Nachtschweiß Empfehlungen der Leitlinie zusammen- (z.B. Zytostatika, Amiodaron) • Hämoptysen, Thoraxschmerz, Heiserkeit gefasst, die sich auf chronischen Husten • bekannte Thrombophilie • Belastungsdyspnoe, schnelle (länger als acht Wochen) beziehen. Eine Erschöpfung vollständige Darstellung aller Krank- • Belastungsdyspnoe, Unterschenkelödeme, Nykturie heitsbilder, die einen chronischen Hus- • länger bestehender Husten insbesondere ten verursachen können, ist hier nicht bei Kindern und alten Menschen möglich. Tabelle 1 Anamnese und Untersuchung bei chronischem Husten Methoden Literaturrecherche tere medizinische Fachgesellschaften tät, Biaswahrscheinlichkeit) auch die beteiligt: die Deutsche Gesellschaft für GRADE-Kriterien (Grading of Recommen- Zur Überarbeitung der Leitlinie wurde Pneumologie und Beatmungsmedizin dations Assessment, Development and die Suchstrategie der Ursprungsversion (DGP), die Deutsche Gesellschaft für In- Evaluation) verwendet, um z.B. die Unsi- bis einschließlich Juli 2012 erweitert. nere Medizin (DGIM), der Bundesver- cherheit zum Ausmaß des Benefits der Durchsucht wurden die Datenbanken band selbstständiger Physiotherapeuten diagnostischen bzw. therapeutischen MEDLINE, Cochrane Library, EMBASE (IFK), die Deutsche Gesellschaft für In- Verfahren, Patientenpräferenzen und und Web of Science. Ergänzend erfolgte fektiologie (DGI), der Deutsche Verband Aspekte der Kosteneffizienz zu berück- eine Suche nach nationalen und inter- für Physiotherapie und die Deutsche sichtigen [2]. nationalen Leitlinien sowie eine Hand- Atemwegsliga. Am 17. Juni 2013 wurde suche, die auch Quellen mit Veröffent- der Leitlinienentwurf im Rahmen einer lichungsdatum nach Ende der systema- Konsensuskonferenz unter Moderation Ergebnisse tischen Datenbankrecherche ein- der AWMF diskutiert und die Empfeh- schließt. Über 4000 potenziell relevante lungen im nominalen Gruppenprozess Definition Artikel wurden gesichtet. Es wurden für konsentiert. Die Mitglieder der Leitlini- das hausärztliche Setting relevante ran- engruppe haben potenzielle Interessen- Der „chronische Husten“ wird mit der domisierte kontrollierte Studien, Meta- konflikte offen gelegt, der Leitlinienre- Neufassung der Leitlinie entsprechend analysen und – vorzugsweise systemati- port dokumentiert das Verfahren aus- internationaler Literatur und internatio- sche – Reviews sowie hochwertige Leitli- führlich. nalen Leitlinien definiert als ein Husten, nien eingeschlossen. Insgesamt wurden der länger als acht Wochen anhält. In der 182 Publikationen, darunter 28 Coch- Empfehlungen Versorgungsrealität sind die zeitlichen rane Reviews und 26 Metaanalysen für Grenzen fließend: Während das kom- das Update berücksichtigt. Es werden drei Empfehlungsgrade un- plette Abklingen einer protrahierten terschieden (A, B, 0), deren qualitative Bronchitis durchaus über 6–8 Wochen Leitliniengruppe und Abstufung durch die Formulierungen abzuwarten ist, kann bei einem Patienten Konsensusverfahren „soll“, „sollte“ bzw. „kann“ ausgedrückt mit gänzlich unklarem Husten bereits wird. Bei der Empfehlungsstärke wur- nach drei Wochen eine weiterführende An der Neufassung der Leitlinie waren den neben der Stärke der Evidenz (Studi- Diagnostik zu Erkrankungen, die chroni- neben Vertretern der DEGAM sechs wei- entyp, Angemessenheit, interne Validi- schen Husten verursachen, sinnvoll sein. ■ © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2014; 90 (5)
LEITLINIE / GUIDELINE 217 Differenzialdiagnose Evidenzbasierte Empfehlung Bei einem anhaltenden unklaren Hus- Alle Patienten mit Husten sollen nach ihrem Tabakkon- ten können eine chronische (obstrukti- Empfehlungsgrad A sum gefragt werden. Der Raucherstatus soll regelmäßig ve) Bronchitis, ein Asthma bronchiale, dokumentiert werden. ein Upper Airway Cough Syndrome (UACS), eine bronchiale Hyperreagibili- Evidenzlevel TIa, SIII Konsensstärke: Starker Konsens tät oder ein gastroösophagealer Reflux ursächlich sein. Auch hustenauslösende Medikamente, eine Tuberkulose oder Tabelle 2 Raucheranamnese ein ggf. länger anhaltender Pertussis- husten sollten in Betracht gezogen wer- Evidenzbasierte Empfehlung den [3]. Durch eine symptomorientierte Anamnese und Untersuchung (Tab. 1) Empfehlungsgrad A Patienten mit Husten, die rauchen, sollen mit persönli- chem Bezug zur Tabakentwöhnung motiviert werden. gelingt meist bereits eine erste Zuord- nung, um eine gezielte Diagnostik ein- leiten zu können [4]. Da ein großer An- Evidenzlevel TIa Konsensstärke: Starker Konsens teil des chronischen Hustens durch Rau- chen (mit)verursacht wird, sollte bei al- len Patienten eine gezielte Rauchera- Tabelle 3 Beratung zum Nikotinentzug namnese erhoben werden (Tab. 2) [5]. Eine ärztliche Beratung zum Nikoti- Evidenzbasierte Empfehlung nentzug erhöht die Rate derer, die auf- hören zu rauchen (Tab. 3) [6]. Bei Verdacht auf eine chronische Sinusitis als Ursache Die Differenzialdiagnose eines chro- Empfehlungsgrad B eines UACS sollte eine Therapie mit topischen Steroiden nischen Hustens kann schwierig sein, da erfolgen. er häufig nicht monokausal zu erklären ist. So können z.B. Asthma, gastroöso- Evidenzlevel TIIb Konsensstärke: Starker Konsens phagealer Reflux und/oder eine unspezi- fische Überempfindlichkeit von Hus- tenrezeptoren koexistieren. Tabelle 4 Verdacht auf chronische Sinusitis Gefährliche Verläufe Rauchen bedingt, und das Asthma. rulentes Sekret und ein pflastersteinarti- Als gefährliche Verläufe eines chro- Nach Anamnese und Untersuchung ist ges Relief („Granulationen“) an der Ra- nischen Hustens sind insbesondere die hier die Spirometrie der nächste diag- chenhinterwand, Räuspern und Nasen- Herzinsuffizienz („kardiales Asthma“), nostische Schritt. Eine klare differenzial- sekretion. Bei entsprechendem kli- rezidivierende Lungenembolien, eine diagnostische Abtrennung beider nischem Verdacht wird empfohlen, eine Fremdkörperaspiration oder ein Bron- Krankheitsbilder ist wichtig, um eine ge- symptomatische Therapie zu beginnen. chialkarzinom zu bedenken. Entspre- zielte Therapie zu ermöglichen und Bei Verdacht auf eine chronische Sinusi- chende red flags in Anamnese und Klinik kann anhand von klinischen Charakte- tis sollte eine Therapie mit einem topi- (Tab. 1) verlangen nach einer raschen di- ristika und der Untersuchung auf eine schen Kortikosteroid erfolgen, in den agnostischen Sicherung und ggf. not- Reversibilität der Obstruktion erfolgen. übrigen Fällen ein Behandlungsversuch fallmäßigen stationären Therapieeinlei- Diagnostik und Therapie von COPD mit abschwellenden Nasentropfen und tung. und Asthma werden umfassend in den einem oralen Antihistaminikum der ers- Um wichtige Differenzialdiagnosen, entsprechenden Nationalen Versor- ten Generation (Tab. 4) [3, 12]. insbesondere ein Bronchialkarzinom, gungsleitlinien dargestellt [10, 11]. Bei fehlendem therapeutischem An- nicht zu übersehen, empfehlen nationa- sprechen ist eine HNO-ärztliche Abklä- le und internationale Leitlinien, eine Upper Airway Cough Syndrome rung anzuraten. Röntgen-Thorax-Aufnahme nach acht (UACS) Wochen Dauer eines unklar gebliebenen Bronchiale Hyperreagibilität Hustens [7–9]. Chronische Irritationen der oberen Atemwege wie eine chronische Sinusitis Bei einem postinfektiös wochen- bis Chronisch obstruktive Bronchitis oder allergische Rhinitis können durch monatelang anhaltendem trockenen (COPD) und Asthma Sekretfluss an der Rachenhinterwand Husten ohne weitere spezifische Symp- („Postnasales Drip-Syndrom“) und di- tome (Fieber, obere Atemwege) und un- Die häufigsten Ursachen eines chro- rekte Reizung der Hustenrezeptoren ei- auffälliger Lungenfunktionsprüfung ist nischen Hustens sind die chronische nen chronischen Husten verursachen. an eine bronchiale Hyperreagibilität zu (obstruktive) Bronchitis, zumeist durch Klinische Hinweise dafür sind mukopu- denken. Wie auch in der uneinheitli- © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2014; 90 (5) ■
218 LEITLINIE / GUIDELINE einhergehen. 75 % der Patienten mit re- Evidenzbasierte Empfehlung fluxassoziiertem Husten zeigen aller- dings klinisch keine gastrointestinalen Bei Husten mit Verdacht auf eine zugrunde liegende Empfehlungsgrad B bronchiale Hyperreagibilität sollte eine probatorische Symptome [18]. Die Assoziation von Behandlung mit einem inhalativen Kortikoid erfolgen. chronischem Husten und gastroösopha- gealem Reflux wird bezüglich der Kausa- Evidenzlevel TIV, SIV Konsensstärke: Starker Konsens lität kontrovers diskutiert, da auch ein anhaltender Husten einen gastroöso- phagealen Reflux auslösen oder verstär- Tabelle 5 Verdacht auf Husten bei bronchialer Hyperreagibilität ken kann [19]. Deshalb sollten vor einer Therapie zunächst andere häufige Hustenursa- Evidenzbasierte Empfehlung chen, insbesondere die chronische Bronchitis, UACS, Asthma und ein me- Bei Verdacht auf GERD-assoziierten chronischen Husten Empfehlungsgrad B sollte ein Therapieversuch mit Protonenpumpeninhibito- dikamentös induzierter Husten aus- ren durchgeführt werden. geschlossen bzw. behandelt werden. Persistiert der Husten weiterhin, ist Evidenzlevel TIa, DIV Konsensstärke: Starker Konsens ein GERD-induzierter Husten wahr- scheinlich [4] und es sollte eine probato- rische Therapie mit einem Protonen- Tabelle 6 Verdacht auf GERD-assoziierten chronischen Husten pumpeninhibitor und einer entspre- chenden Beratung zu nichtmedikamen- tösen Maßnahmen erfolgen. Eine wei- Evidenzbasierte Empfehlung terführende Diagnostik mittels Endo- skopie oder 24h-ph-Metrie führt zu kei- Bei Verdacht auf aktive Tuberkulose soll eine Röntgen- Empfehlungsgrad A Thorax-Aufnahme und Sputumdiagnostik veranlasst ner besseren Klärung der Symptomatik werden. und wird nicht routinemäßig empfoh- len (Tab. 6) [7, 8]. Evidenzlevel DIII Konsensstärke: Starker Konsens Ein GERD-assoziierter Husten spricht allerdings nicht immer auf eine entspre- chende medikamentöse Therapie an Tabelle 7 Verdacht auf aktive Tuberkulose [20], die meisten Leitlinien empfehlen ei- ne Therapie in doppelter Standarddosis über mindestens 8 Wochen [7, 8]. chen Nomenklatur deutlich wird pischerweise nicht-produktiven Husten („cough variant asthma“, „cough type asth- mit kratzenden Empfindungen im Hals Tuberkulose ma“, „Asthmaäquivalent“) bestehen pa- [7, 16]. Die Einnahme eines Betablo- thophysiologische Gemeinsamkeiten ckers oder eines nichtsteroidalen An- Tuberkulose ist in Deutschland weiter- mit einem Asthma bronchiale wie die tiphlogistikums kann zu einem Bron- hin eine seltene Krankheit. Bei Patien- Hyperreagibilität der Atemwege, bron- chospasmus führen. Darüber hinaus ten aus den Nachfolgestaaten der Sow- chiale Epithelschädigung und eine häu- können eine Reihe von Medikamenten jetunion, HIV-Infizierten, i.v.-Drogen- fig positive Allergieanamnese. toxische Lungenschädigungen verursa- abhängigen oder anderen Immunsup- Besteht der klinische Verdacht, muss chen (z.B. Amiodaron, Methotrexat, Ni- primierten ist eine Tuberkulose differen- die Diagnose nicht notwendigerweise trofurantoin bei längerer Therapiedau- zialdiagnostisch zu bedenken [21]. Eine erst durch einen aufwendigen Metacho- er), die mit Husten einhergehen kön- diagnostische Sicherung erfolgt mittels lin-Provokationstest beim Pneumolo- nen. Da diese Schädigungen nicht im- Röntgen-Thorax-Aufnahme und Spu- gen gesichert werden, sondern es kann mer im Röntgenbild ersichtlich sind, tumuntersuchung (Tab. 7) [22]. direkt eine probatorische Therapie mit sollte die Diagnosestellung gemeinsam Zur Therapie sollte eine frühzeitige einem inhalativen Kortikoid erfolgen mit einem Pneumologen erfolgen [17]. Kooperation mit einem Pneumologen (Tab. 5) [13–15]. Therapeutisch wird ein Ab- oder oder Infektiologen erfolgen. Eine Symptombesserung tritt oft be- Umsetzen des entsprechenden Medika- reits nach einer Woche ein. Falls sich ments angeraten. Ungeklärter Husten nach 6–8 Wochen kein Behandlungs- erfolg eingestellt hat, ist eine Überwei- Husten bei gastroösophagealer Auch bei strukturierter Abklärung bleibt sung zum Pneumologen sinnvoll. Refluxkrankheit (GERD) bei 10–42 % der Patienten ein Husten ungeklärt [23]. Als Erklärungsmodell Medikamentös induzierter Husten Neben typischen Symptomen wie Sod- wird u.a. eine erhöhte Sensitivität der brennen, Aufstoßen oder retrosterna- Hustenrezeptoren diskutiert. Ein rein Eine ACE-Hemmer-Therapie verursacht lem Schmerz kann ein gastroösophagea- psychogener Husten ist sehr selten, eine bei etwa 5–10 % der Patienten einen ty- ler Reflux auch mit chronischem Husten psychische Belastung durch die anhal- ■ © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2014; 90 (5)
LEITLINIE / GUIDELINE 219 tende Hustensymptomatik dagegen häufig. Bei hoher und persistierender Beeinträchtigung ist eine symptomori- entierte, interdisziplinäre therapeuti- sche Versorgung mit Atemphysiothera- pie, Logopädie oder Psychotherapie zu erwägen [24, 25]. Diskussion Zusammenfassung – Neuerungen im Vergleich zur Ursprungsversion der Leitlinie Die Neudefinition des chronischen Hus- tens als Husten mit einer Dauer von acht Wochen (vorher: drei Wochen) ermög- licht bei protrahierten Verläufen ohne Warnsignale ein längeres abwartendes Offenlassen. Damit werden unnötige Diagnostik und Belastung des Patienten verhindert. Auf Basis der vorliegenden Evidenz wird bei häufigen Krankheitsbildern be- reits bei der klinischen Verdachtsdiag- nose zu einer probatorischen sympto- matischen Therapie geraten, ohne eine aufwendige technische Diagnosesiche- rung abzuwarten. In der Praxis sind Un- tersuchungen wie z.B. ein Metacholin- Provokationstest oft mit langen Warte- zeiten für Termine, langen Wegstrecken und hohen Kosten verbunden, während eine Therapie ex iuvantibus mit inhala- tiven Kortikosteroiden häufig direkt hilfreich und bei Versagen kaum schäd- lich ist. Beim GERD-assoziierten Husten ist eine weitere endoskopische oder ph- metrische Diagnostik überdies nicht mit Abbildung 1 Mögliches Vorgehen bei chronischem Husten (COPD = Chronisch obstruktive einer besseren Diagnosesicherung ver- Lungenerkrankung; NVL = Nationale Versorgungsleitlinie; GERD = Gastroesophageal Reflux Dis- bunden. Die Empfehlungen der Leit- ease – Refluxösophagitis) linie ermöglichen in diesen Fällen dem Hausarzt einen direkten Therapie- beginn, ohne notwendigerweise einen Facharzt einbeziehen zu müssen. (DGP) „Akuter und chronischer Husten, ben sich zu den hausärztlich relevanten Der Husten unklarer Ursache wird Diagnostik und Therapie von erwachse- Themen zwischen den beiden Leitlinien entsprechend neueren Erklärungs- nen Patienten“. Die Leitlinie ist mit ins- keine wesentlichen Widersprüche. modellen eher als multikausales denn gesamt 37 Empfehlungen deutlich um- als rein psychisches Geschehen betrach- fassender, da sie auch diagnostische und Bedeutung für Hausärzte tet – entsprechend können auch andere therapeutische Verfahren behandelt, die (z.B. physiotherapeutische) Therapie- nur für die spezialisierte fachärztliche Zentrale Anliegen der Leitlinie zum ansätze erwogen werden. Versorgung relevant sind. Die DEGAM- chronischen Husten sind, die Bedeu- Leitlinie dagegen stellt die Abklärung tung von Anamnese und Klinik auch bei Vergleich mit anderen Leitlinien und Therapie aus hausärztlicher Perspek- der Abklärung eines anhaltenden Hus- tive dar und behandelt insbesondere As- tens herauszustellen sowie Entschei- In Deutschland existiert eine weitere pekte der Anamnese und Untersuchung dungshilfen für die weiterführende Di- S3-Leitlinie zum Symptom Husten: die ausführlicher. Auch die Schnittstellen agnostik mit gezielt eingesetzten tech- Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für zur fachärztlichen Diagnostik werden nischen und bildgebenden Unter- Pneumologie und Beatmungsmedizin ausführlicher dargestellt. Inhaltlich erge- suchungen zu geben. Bei der bronchia- © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2014; 90 (5) ■
220 LEITLINIE / GUIDELINE Acknowledgement An der Aktualisierung der S3-Leitlinie waren beteiligt Institut für Allgemeinmedizin – Charité Universitätsmedizin Berlin Dr. med. Sabine Beck* Prof. Dr. med. Vittoria Braun Dr. med. Lorena Dini MScIH* PD Dr. med. Christoph Heintze MPH* Dr. med. Felix Holzinger MPH* Christiane Stöter MPH Dr. med. Susanne Pruskil MScPH Mehtap Hanenberg Max Hartog Vertreter der Fachgesellschaften Prof. Dr. med. Stefan Andreas, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)* Patrick Heldmann MSc, Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK)* PD Dr. med. Susanne Herold PhD, Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI)* Dr. med. Peter Kardos, Deutsche Atemwegsliga Dorothea Pfeiffer-Kascha, Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK)* Dr. med. Guido Schmiemann MPH, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)* Prof. Dr. med. Heinrich Worth, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Deutsche Atemwegsliga* Paten der Leitlinie (DEGAM) Prof. Dr. med. Annette Becker MPH Dr. med. Günther Egidi Dr. med. Detmar Jobst Dr. med. Guido Schmiemann MPH* Dr. med. Hannelore Wächtler Wir danken außerdem Prof. Dr. med. Jost Langhorst Dr. med. Petra Klose Dr. hum. biol. Cathleen Muche-Borowski MPH (DEGAM, AWMF) Dr. med. Monika Nothacker MPH (AWMF)** Dr. phil. Anja Wollny MSc (DEGAM) *Teilnehmer der Konsensuskonferenz, **Moderation der Konsensuskonferenz Dr. Sabine Beck … chen eines chronischen Hustens wurde … Fachärztin für Allgemeinmedizin, seit 2012 wissenschaftliche in der Konsensuskonferenz auch von Mitarbeiterin am Institut für Allgemeinmedizin der Charité Uni- den Vertretern der pneumologischen versitätsmedizin Berlin, Mitarbeit an der DEGAM-Leitlinie Hus- Fachgesellschaft bestärkt. ten, Lehrkoordination. Weitere Schwerpunkte: Arzt-Patient- Kommunikation, Palliativmedizin und Medizinethik Interessenkonflikte: keine angegeben. Korrespondenzadresse len Hyperreagibilität und dem refluxas- ten-Leitlinie abgeleiteten praktischen soziierten Husten wird eine pragmati- Ablauf einer Abklärung, der sich sowohl Dr. Sabine Beck sche Einleitung einer probatorischen am klinischen Bild des einzelnen Patien- Institut für Allgemeinmedizin Therapie empfohlen. Schnittstellen zur ten als auch an den Häufigkeiten der Charité Universitätsmedizin Berlin fachärztlichen Versorgung werden klar möglichen Differenzialdiagnosen orien- Charitéplatz 1 aufgezeigt, in vielen Fällen ist eine voll- tiert, stellen wir in Abbildung 1 dar. 10117 Berlin ständige Diagnostik und Therapie allein Das pragmatische Vorgehen einer Tel.: 030 450–514133 über den Hausarzt möglich und sinn- probatorischen Therapie bei klinischer sa.beck@charite.de voll. Einen aus der aktualisierten Hus- Verdachtsdiagnose von häufigen Ursa- ■ © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2014; 90 (5)
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