Klasse statt Masse - Sinnesschulung von Kindern und Jugendlichen als Maßnahme zur Steigerung des Qualitätsbewusstseins bei Lebensmitteln ...

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Verbraucher

Klasse statt Masse...
Sinnesschulung von Kindern und Jugendlichen als Maßnahme zur Steigerung
des Qualitätsbewusstseins bei Lebensmitteln

von Angelika Meier-Ploeger

                 Die Agrarwende setzt mit dem Motto „Klasse statt Masse“ auf den qualitätsbewuss-
                 ten Verbraucher. Doch was unter Qualität von Lebensmitteln verstanden wird ist ge-
                 prägt durch die Erfahrungen mit Essen und Trinken aus der Kindheit und den Wer-
                 bebotschaften der Lebensmittelindustrie heute. Umfragen weisen darauf hin, dass
                 für den Konsumenten der Geschmack von Lebensmitteln das bedeutendste Kriteri-
                 um für den Kauf bzw. Wiederkauf eines Lebensmittels ist. Aber auch Qualität
                 schmecken will gelernt sein. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Ent-
                 wicklung eines Qualitätsbewusstseins von Lebensmitteln durch Schulung der Sinne
                 bei Kindern und Jugendlichen.

Über Geschmack lässt sich streiten....                      dem gegessen und geredet wird, ist diese Be-
„Das Kind is(s)t anders“ lautet die These des be-           schreibung heute noch Realität oder Wunsch-
kannten Ernährungspsychologen Prof. Dr. Volker              traum?
Pudel (1). Für Kinder existieren die zeitlichen Ab-
                                                            „Alles zu jeder Zeit an jedem Ort“ (3) kennzeich-
läufe der sinnlichen Erfassung des Essens und
                                                            net heute die Ernährungssituation insbesondere bei
Trinkens nicht. Anschauen, tasten, riechen,
                                                            Jugendlichen. „Eating on the run“, Finger Food
schmecken verschmelzen zu einem Erlebnis. Fragt
                                                            und Fast Food Restaurants, Kiosk, Tankstellen mit
man Kinder nach dem Essen z. B. was sie zum Mit-
                                                            Bistro und zu Hause die Mikrowelle in Kombina-
tag bekommen haben und wie es geschmeckt hat,
                                                            tion mit dem Tiefkühlschrank erlauben diese vom
so erhält man häufig das „Endurteil“ wie z. B. „Die
                                                            Mahlzeiten-Rhythmus und der Familie losgelöste
Spaghetti waren super“, obwohl hier sicher nicht
                                                            Ernährung. Bereits im Kindergartenalter fängt die-
nur die Teigwaren allein auf dem Teller lagen
                                                            ser Trend schon an. Kinder essen gerne „nebenbei“
sondern mit einer Soße verzehrt wurden. Erwach-
                                                            und wollen ihre Spiele fortsetzen. Es ist ja „so viel
sene hingegen vermögen nach einem bewussten
                                                            los“, und das Essen und Trinken wird zur Neben-
Essen bei einer Nachfrage die einzelnen Menü-
                                                            sache. Essen wird in solchen Situationen eher als
komponenten zu benennen und auch für jede
                                                            Belastung denn als Spaß empfunden. Wer kennt
dieser Komponenten ein separates Urteil abzuge-
                                                            nicht zudem die Situation wenn das Essen zum
ben, welches dann in eine Gesamtbeurteilung ein-
                                                            Schlacht- und Spielfeld im Familienleben wird?
fließt. Bohrt man bei Kindern nach und gibt
                                                            Pudel beschreibt in seinem Buch „Ketchup, Big
ihnen Anhaltspunkte („auf den Spaghetti war doch
                                                            Mac, Gummibärchen“, dass bereits Säuglinge
sicher eine Soße drauf ...“), dann können auch sie
                                                            lernen, dass Schreien die Mutter aktiviert. Da die-
das Gegessene ausführlich beschreiben und be-
                                                            se nicht zwischen Angstschrei und Hungerschrei
werten.
                                                            unterscheiden kann, wird häufig die Flasche als
Für Kinder ist das Umfeld in dem sie essen und              Trost gegeben. Die Idee setzt sich fest: “Ich muß
trinken sowie ein regelmäßiger Rhythmus der                 schreien, dann wird’s angenehm“ (4). Auf Stress
Mahlzeiten wichtiger als für Erwachsene. Gerade             folgt ein „Trostpflaster“ das häufig Essen oder
für Kinder, die die Uhr noch nicht lesen können,            Trinken ist. Die Konsequenz: 30 % der Erwachse-
gliedern Mahlzeiten den Tagesablauf („Nach dem              nen haben in Stresssituationen ein gesteigertes Be-
Aufstehen gibt es Frühstück. Dann ist Zeit zum              dürfnis nach Nahrung, während Stress im Tierreich
Spielen, dann schneidet Mama einen Apfel auf,               mit Appetitlosigkeit beantwortet wird. Es ist daher
dann kocht sie Mittagessen, dann kommt die große            ganz normal wenn Kinder bei Trauer oder sonsti-
Schwester nach Hause, dann sitzen alle um den               gem Stress appetitlos sind. Ein Drängen von seiten
Tisch und essen ...“ (2) ). Der gemeinsame Tisch an         der Mutter oder des Vaters die Mahlzeit aufzuessen

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Der Kritische Agrarbericht 2002

fördert langfristig die Entstehung von Essproble-           Befreiung von übersteigertem, möglicherweise
men.                                                        krankmachendem Kaufverhalten vermitteln und
                                                            ermöglichen sollen. Insbesondere fordert die
Unser Verhalten allgemein (aber insbesondere das
                                                            Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher im Hinblick
Essverhalten) wird nachhaltig von den Ereignissen
                                                            auf die geschilderte Situation als politische und
beeinflusst, die es auslöst. Positive Konsequenzen,
                                                            pädagogische Konsequenz „die Stärkung der Iden-
die das Kind erlebt, stabilisieren das Verhalten,
                                                            tität von Kindern, die Förderung ihrer Kreativität
negative unterdrücken es. Ein guter Geschmack
                                                            sowie das Ermöglichen kritischer und verantwor-
(z. B. süß) ist ein starkes Motiv. Die Androhung,
                                                            tungsbewusster Kompetenzen...“ (7).
dass bei zu vielen Süßigkeiten Karies entsteht, ist
für Kinder als negative Konsequenz so weit weg,             Essen heute will gelernt sein, obgleich ein berühm-
dass dieser Appell ins Leere laufen muss. Wer               tes Experiment von Dr. Clara Davis (1926) zeigen
kennt nicht die Situation, dass Kinder ihr ganzes           konnte, dass die biologische Regulation von Hun-
schauspielerisches Talent einsetzen, um das Herz            ger und Sättigung im Prinzip bei Säuglingen funk-
der Mutter oder des Vaters für die Süßigkeiten an           tioniert. Pudel bezeichnet daher die Lernvorgänge
der Supermarktkasse zu erweichen, wohlwissend,              in unserer Kultur eher als Störfaktoren, die das
dass ihr Quengeln und Toben der Mutter oder dem             Kind vom natürlichen Verhalten entfernen. Er for-
Vater unangenehm sind und sie daher in der                  dert, dass die biologische Regulation ihre Chance
Öffentlichkeit eher nachgeben?                              behalten solle und es daher besser wäre, gelassener
                                                            auf das Essverhalten der Kinder einzuwirken.
Kinder und Werbung
Insgesamt haben es Eltern heute schwer gegen die            Fühlen wie’s schmeckt
Versprechungen der Fernsehwerbung insbesonde-               Hier setzt das Konzept „Fühlen wie’s schmeckt“
re für „Kinderprodukte“ anzukommen. Kinder sind             (8, 9) an. Ziel ist die Aufmerksamkeit, den For-
für den Markt ein ernst zu nehmender Wirtschafts-           scherdrang der Kinder und Jugendlichen für das
faktor! Dies verdeutlicht nicht nur die Anzahl der          alltägliche Essen und Trinken zu wecken, Lebens-
Werbespots der Medien (5) (900 Stunden pro Jahr             mittel als Erlebnis für Auge, Hand, Nase und
für Kinderlebensmittel), sondern auch im Bereich            Zunge, verbunden mit kleinen Experimenten, zu
des Marketings werden Kinder offen als „Kauf-               erfahren, Essen und Trinken als Mittelpunkt des
motoren der Familie“ oder auch „Markenspeicher“             Spielens oder des Unterrichts (und nicht als Ab-
bezeichnet. Nach Aussagen der Arbeitsgemein-                lenkung) zu erleben und Probieren nicht als Macht-
schaft der Verbraucherverbände (6) belaufen sich            kampf in der Familie sondern als Spielwiese der
die verfügbaren Geldmittel der 7- bis 15-Jährigen           Sinne zu genießen – kurz – die Qualität von
in Deutschland auf 17,25 Mrd. DM / Jahr, die                Lebensmitteln auf der Zunge, in der Nase, in der
tatsächliche Kaufkraft (Kinder als Kaufmotor)               Berührung mit Hand und Gaumen zu be-greifen.
wird sogar mit 52 Mrd. DM für die Bundesrepublik            Da die Werbung in erster Linie verarbeitete
angegeben. Dabei sind Kinder nicht nur eigenstän-           Lebensmittel bewirbt und damit den Verkauf und
dige Käufer und Konsumenten von Waren, son-                 Verzehr dieser Produkte anheizt ist es notwendig,
dern fungieren auch als „Berater“ bei Kaufent-              von öffentlicher Seite (Politik, Verbraucherschutz,
scheidungen in der Familie und sind Trendsetter im          Bildungseinrichtungen) gerade die Qualität unver-
Freundeskreis.                                              arbeiteter Lebensmittel, ihre Vielfalt in Form,
                                                            Farbe, Geruch und Geschmack wieder in das Be-
Werbung ist peppig, cool, kommt bei den Kindern
                                                            wusstsein der Kinder und Jugendlichen zu rücken.
gut an. Kinder verstehen jedoch erst nach dem
                                                            Die Werbung für (konventionelle) Lebensmittel
6. Lebensjahr das Ziel und den Zweck der Werbung
                                                            vermittelt heute Bilder, die der Realität in keinster
und sind somit bis zu diesem Alter „hilflos“ dem
                                                            Weise entsprechen (z. B. Joghurtherstellung auf der
Drängen auf Konsum bestimmter Produkte ausge-
                                                            Alp mit handverlesenen Früchten (10) ). „Stories
setzt. Auch bei älteren Kindern hat sich trotz
                                                            statt Produkte“ (11) – dieser Trend in der Lebens-
Erkenntnis und Distanz die Werbung als Produkt-
                                                            mittelindustrie und Produktentwicklung wird bis
beratung einen Platz erkämpft, der einen höheren
                                                            zum Jahr 2020 vorausgesagt. Es geht nicht um die
Stellenwert besitzt als die Hinweise der Eltern. In
                                                            Qualität des Lebensmittels an sich, sondern um die
ihrem Artikel „Kinder im Visier der Werbung“
                                                            emotionalen Gefühle, die durch die Wahl und den
weist die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher
                                                            Verzehr des Lebensmittels ausgedrückt sein sollen.
darauf hin, dass es in Bildungseinrichtungen soge-
                                                            Der eigentliche Warenwert im Privatkonsum steigt
nannte Konsumpädagogen geben sollte, die die
                                                            von 1100 Mrd. Euro im Jahr 1999 auf 1600 Mrd.

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Verbraucher

im Jahr 2020 (+ 2 % / Jahr), der Wert der Güter am          Ernährungserziehung entziehen. Auch Studien der
Markt (inkl. dem Wert für die „Stories“ / Werbung           Lebensmittelindustrie (z. B. Firma IGLO) verdeut-
in Höhe von 580 Mrd.) um 4% auf 2300 Mrd. Euro.             lichen, dass sich immer weniger Männer und Frau-
Die Abenteuerlust (z. B. Punica-Oase), das Gefühl           en in der Zubereitung frischer Lebensmittel ver-
in einer Gemeinschaft zu leben (Spaghettiwer-               stehen und daher den Kindern das Lernen aus der
bung), das Lebensmittel als Statussymbol (golde-            Beobachtung nur noch eingeschränkt möglich ist
ne Rochet-Kugel), diese emotionalen Bedürfnisse             (Zubereitung von Convenience-Produkten). Daher
werden auch in der Werbung für Lebensmittel ge-             ist es notwendig, dass öffentliche Träger wie Kin-
spiegelt und haben mit der Qualität des Produktes           dergärten und Schulen die Bildung im Bereich
an sich nichts zu tun. Bereits Kleinkinder im Alter         Essen und Trinken (Ernährung) übernehmen. Im
von 3 und 4 Jahren kennen durch Werbespots im               Rahmen eines 2-jährigen Forschungsprojektes
Fernsehen die Logos bestimmter Kinderlebensmit-             wurden für die Praxis in Kindergärten und Schulen
tel (Abb.1) und ältere Kinder haben keine Schwie-           Sinnesschulungs-Programme erarbeitet, die sich in
rigkeiten, 10 Firmen von Schokolade zu benennen             erster Linie an Erzieherinnen bzw. Lehrer und Leh-
und wissen auch sehr genau, welche Firmen die be-           rerinnen wenden, um Ideen zu einer sinnes- und
sten Mohrenköpfe herstellen (12). Dagegen ist z. B.         handlungsorientierten Herangehensweise zu lie-
das Wissen um Apfelsorten und ihrem unter-                  fern (z. B. Einbezug der Lebensmittel und ihrer
schiedlichen Geschmack nicht oder nur rudimentär            Qualität sowie der Aspekte Ökologie und Kultur in
vorhanden (und dies nicht nur bei Kindern), ganz            die diversen Schulfächer wie z. B. Biologie, Ge-
zu schweigen von Birnen- oder Tomatensorten.                sellschaftskunde, Geographie, Ethik / Religion und
                                                            Kunst bzw. spielerisches Herantasten im Kinder-
Gerade der Ökologische Landbau und die Verar-
                                                            garten z. B. über Märchen, in denen Lebensmittel
beitung von Lebensmitteln auf dem Hof (z. B. Kä-
                                                            vorkommen).
serei, Bäckerei) bietet heute noch die Möglichkeit,
Kinder in die Welt der Lebensmittelerzeugung ein-           Selbstverständlich sollen durch die Aktionen in
zuführen und den emotionalen Bezug zu Lebens-               Kindergärten und Schulen auch die Eltern einbe-
mitteln und ihrer Qualität auf realistischer Basis          zogen und interessiert werden, denn auch heute
wieder herzustellen (Tierhaltung und -fütterung,            gilt bei kleinen Kindern (bis ca. 8 Jahre) noch das
Feldbearbeitung, Ernte, Verarbeitung). Die sinn-            sog. „Lernen am Modell“, also das Elternvorbild.
liche Erfahrung schafft Nähe und das Bewusstsein            In späteren Jahren dient den Kindern die sog. Peer-
für unterschiedliche Qualitäten – erlebbar über die         Group als Vorbild, also das was von den Gleich-
Sinne.                                                      altrigen gegessen und getrunken wird und der Ein-
                                                            fluss der Eltern geht zurück. Die Lernpsychologie
Am Beispiel der Zubereitung und Mitnahme von
                                                            geht davon aus, dass durch eine emotionale Be-
Pausenbroten für Kinder im Kindergarten und in
                                                            teiligung der Kinder auch die Lernbereitschaft und
der Schule kann verdeutlicht werden, dass immer
                                                            Lernfähigkeit gesteigert wird und das Erlernte
mehr Eltern sich der Verantwortung im Bereich der
                                                            länger verfügbar ist.

 Abb. 1: Markenlogo-Kenntnis von Kindern *

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Der Kritische Agrarbericht 2002

„Erkläre mir, und ich werde vergessen.                       Zunge geträufelt und Kinder erfahren wo sie am
Zeige mir, und ich werde mich erinnern.                      besten „süß“ schmecken (Zungenspitze) bzw.
Beteilige mich, und ich werde verstehen!“                    „bitter“ (Zungengrund). Das Entdecken der Ge-
Konfuzius (551 – 479 v. Chr.)                                schmacksknospen mit der Lupe lässt Kinder
                                                             staunen ebenso wie die Erfahrung, dass Mund und
Nach diesem Motto werden als Einstieg in die Sin-
                                                             Nase zusammen den Geschmack (Aroma) eines
neserfahrung für die fünf Sinneseindrücke (sehen,
                                                             Lebensmittels prägen: Ein Kind kaut mit geschlos-
hören, riechen, schmecken, tasten) Experimente
                                                             sener Nase eine gesalzene Nuss und merkt sich den
rund um das Thema Lebensmittel und Qualität von
                                                             Geschmack. Dann wird die Nase geöffnet. Nach
Lebensmitteln aufgebaut. Für das Sehen z.B. er-
                                                             Öffnung entwickelt sich beim Weiterkauen das
fahren Kinder, dass die Farbe von Lebensmitteln
                                                             typische Nussaroma. Kinder kennen die Erfahrung,
(z. B. Banane) etwas über den Reifezustand aussagt
                                                             dass mit einer verstopften Nase „alles nicht so
(grün, gelb, braun) oder über den Verderb (dunkle
                                                             richtig schmeckt“.
Stellen, Schimmel). Farbe kann ebenso Rück-
schlüsse auf einen bestimmten Geschmacksein-                 Bei kleineren Kindern kann über (Grimmsche)
druck zulassen (z. B. Apfelsorte und Geschmack               Märchen, in denen Lebensmittel vorkommen, das
säuerlich, süß). Auch die Manipulation mit Farben            Interesse für diese Lebensmittel und ihre Verarbei-
(z. B. Vortäuschung eines hohen Fruchtgehaltes               tung geweckt werden (z. B. „Der süße Brei“). Auch
durch Zusatz von Farbstoffen oder Beleuchtung                der Bezug zur Landwirtschaft ist hier spielerisch zu
der Obst-, Gemüse- und Fleischtheke mit roten /              vermitteln. So wird mit dem Märchen „Der Bauer
gelben Lampen) wird spielerisch aufbereitet. Für             und der Teufel“ erzählt, dass es Lebensmittel gibt,
das Riechen werden typische Gewürze und Pflan-               die über und solche die unter der Erde wachsen
zen bereitgestellt und die ätherischen Öle in Riech-         (z. B. Getreide und Rüben). Bei einem Spaziergang
fläschchen. Die Kinder ordnen Pflanze / Gewürz               über den Wochenmarkt suchen nun Kinder ober-
und Riechfläschchen einander zu. Fragen nach As-             irdisch und unterirdisch wachsende Lebensmittel
soziationen mit den erfahrenen Gerüchen bringen              aus, die anschließend besprochen, zubereitet und
Kinder dazu, aus dem Alltag und über Gefühle und             verzehrt werden. Sowohl für Schulkinder bis zur
Erfahrungen mit Lebensmitteln zu reden (z. B.                Sekundarstufe I als auch Kindergartenkinder sind
Nelke: Zahnarzt oder auch Weihnachtszeit; Zimt:              Exkursionen zu Bauernhöfen, Bäckereien, Käse-
Gefühl der Wärme durch Heißgetränk, Apfelmus).               reien etc. eine Notwendigkeit, um die emotionale
Typische Kombinationen von Gewürzen und Le-                  Bindung zur Lebensmittelerzeugung und -verar-
bensmitteln werden präsentiert (z. B. Rotkraut mit           beitung zu bekommen.
Nelke). Das Er-tasten von Oberflächen bekannter
                                                             Will man also langfristig das Kaufverhalten in
Obst- und Gemüsesorten oder von Nüssen in Tast-
                                                             Richtung Frische, hohe Qualität der Lebensmittel
beuteln oder Tastkästen (mit Händen und ohne
                                                             durch ökologische Erzeugung und Verarbeitung,
Sichtkontakt) macht Kindern immer wieder große
                                                             Geschmacksvielfalt durch Sortenreichtum und
Freude. Das Ertasten mit der Zunge von Körnern,
                                                             vieles mehr verändern – also Klasse statt Masse
selbst hergestellten Flocken, Schmelzflocken oder
                                                             fördern – , so bedarf es der bewussten sinnes- und
Gries vermittelt Kindern spielerisch die Erzeugung
                                                             handlungsorientierten Schulung unserer Kinder
verschiedener Verarbeitungsgrade eines Lebens-
                                                             und Jugendlichen. Ziel ist die Übernahme von Ver-
mittels (z. B. Hafer, Weizen). Auch die Zuordnung
                                                             antwortung (13) für die eigene Gesundheit durch
bekannter Lebensmittel wie Nudeln, Brot, Bier zu
                                                             die richtige Auswahl, Zubereitung und Verzehr von
Getreidesorten (geerntete Büschel vom Feld) un-
                                                             frischen, dem Gaumen und der Mitwelt gut tuen-
terstützt diese „Warenkunde“. Die Frage „Kann
                                                             den Lebensmitteln.
man Lebensmittel hören?“ erstaunt Kinder zuerst,
schnell aber fallen ihnen Chips, Kekse, Sprudel-
flasche, Bierflasche beim Öffnen ein. Das Beispiel
frischer und gelagerter Möhren und deren Ge-
räusch beim Kauen verdeutlicht die Wichtigkeit               Literatur:
dieses Sinneseindrucks zur Qualitätsbeurteilung               1 Pudel, V., 1995: Ketchup, Big Mac, Gummibärchen.
von Lebensmitteln. Die Erfahrungen des Schme-                   Essen im Schlaraffenland. Beltz Quadriga Verlag,
ckens verschiedener Lebensmittel wird anhand                    Weinheim, Berlin (S.11)
typisch saurer, süßer, bitterer und salziger Lebens-          2 Hilsberg, R., 1995: „Meine Suppe ess ich nicht!“
mittel (je nach Saison) vermittelt. Mit Pipetten-               Kultur und Chaos am Familientisch. rororo Verlag
fläschchen werden Standardlösungen auf die                      Reinbeck

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Verbraucher

3 Meier-Ploeger, A., 1995: Alles zu jeder Zeit an jedem           10 Karmasin, H., 1999: Die geheime Botschaft unserer
  Ort – Standardisierung und zeitliche Kontrolle als Zie-            Speisen. Was Essen über uns aussagt. Antje Kunst-
  le der Lebensmittelverarbeitung. Politische Ökologie,              mann Verlag, München, S. 244
  Sonderheft 8 S. 87 – 91
                                                                  11 Stories statt Produkte. Lebensmittelzeitung 40 vom
4 Pudel, V., 1995: Ketchup, Big Mac, Gummibärchen.                   8. 10. 1999
  Essen im Schlaraffenland. Beltz Quadriga Verlag,
                                                                  12 Egmont Ehapa Verlag (Hrsg.), o. J.: Kids: Die Ent-
  Weinheim, Berlin (S.13)
                                                                     decker im Food-Markt. Neues über Eß-, Trink- und
5 Egmont Ehapa Verlag (Hrsg.), o.J.: Coole Profis: Die               Marktpräferenzen und wie sie entstehen. Stuttgart
  Medienrealität der Kids. Neues über Mediennutzung,
                                                                  13 Meier-Ploeger, A., 2001: Ökologische Lebensmittel-
  Medienerinnerungen und die Einstellung zur Wer-
                                                                     qualität und Ernährungskultur
  bung bei Kindern, Kids und Jugendlichen. Stuttgart
                                                                  14 Ökologie & Landbau 117, 1 / 2001, S. 35 f
6 AgV (Hrsg), 1996: Aktuelle Trends in der Verbrau-
  cherbildung. Verbraucher Rundschau 1– 2 / 96. Ar-
  beitsgemeinschaft der Verbraucher Verbände, Bonn
7 AgV (Hrsg), 1997: Kinder im Visier der Werbung. Ver-
  braucher Rundschau 9 / 97. Arbeitsgemeinschaft der
  Verbraucher Verbände, Bonn, S. 2
8 Meier-Ploeger, Stockmayer, Lange, 1999: Fühlen
  wie´s schmeckt. Sinnesschulung für Kinder 3 – 6 Jah-
  re. Food media Verlag, Im Sandfeld 9, 36093 Künzell,
  food.media@t-online.de
                                                                  Autorin
9 Meier-Ploeger, Goetze, Lange, 1999: Fühlen wie´s                Prof. Dr. Angelika Meier-Ploeger (Jg. 1952), Professur
  schmeckt. Sinnesschulung für Kinder und Jugendli-               „Ökologische Lebensmittelqualität und Ernährungskul-
  che 6 – 14 Jahre. Food media Verlag, Im Sandfeld 9,             tur“ am FB Landwirtschaft der Universität Gesamthoch-
  36093 Künzell, food.media@t-online.de                           schule Kassel

                                                            313
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