KLUB KATARAKT17 INTERNATIONALES FESTIVAL FÜR EXPERIMENTELLE MUSIK - Lecture mit Klaus Lang Porträtkonzert 1 Klaus Lang mit Trio Amos und Tamriko ...
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17 KLUB KATARAKT INTERNATIONALES FESTIVAL FÜR EXPERIMENTELLE MUSIK ------------------------------------------------------------------------------------------------- Donnerstag, 20.1.2022 ------------------------------------------------------------------------------------------------- 18:00 Lecture mit Klaus Lang 19:30 Porträtkonzert 1 Klaus Lang mit Trio Amos und Tamriko Kordzaia 21:00 Porträtkonzert 2
klub katarakt17 Internationales Festival für experimentelle Musik Donnerstag, 20.1.2022 18:00 Lecture mit Klaus Lang 19:30 Porträtkonzert 1 Klaus Lang Johannes Ockeghem / Klaus Lang: kyrie eleison (aus der missa prolationum) für Flöte, Akkordeon, Violoncello und Harmonium (2019) EA Klaus Lang: sieben sonnengesichter. I für Klavier (2012-13) EA darkness. freedom. für Flöte, Akkordeon, Violoncello (2016) EA sieben sonnengesichter. VII für Klavier (2012-13) EA Pierre de la Rue / Klaus Lang: agnus dei. für Flöte, Akkordeon, Violoncello und Harmonium (2019) EA
21:00 Porträtkonzert 2 Klaus Lang Klaus Lang: sieben sonnengesichter. IV für Klavier (2012-13) EA dreamland. für Flöte, Akkordeon, Violoncello, Klavier und Harmonium (2020) UA Kompositionsauftrag von klub katarakt Johannes Ockeghem/ Klaus Lang: mors tu as navré. für Harmonium (2019) EA Klaus Lang: origami. für Flöte, Akkordeon, Violoncello und Harmonium (2011) EA sieben sonnengesichter. VI für Klavier (2012-13) EA Trio Amos Sylvie Lacroix, Flöte Krassimir Sterev, Akkordeon Michael Moser, Violoncello Tamriko Kordzaia, Klavier / Harmonium Klaus Lang, Harmonium
ZUR MUSIK Texte von Klaus Lang das atmen der zeit. „Nichts ist abstrakter als die Realität.“ (Giorgio Morandi) Die Grundfrage jedes Komponisten, die er mit jedem Stück, das er schreibt, aufs neue beantwortet, ist: Was ist Musik? In der Geschichte und in verschiedenen geographischen und kulturellen Regionen gibt es die unterschiedlichsten Antworten auf diese Frage – vom Therapeutikum über das persönliche Ausdrucksmedium bis hin zum politischen oder kommerziellen Indoktrinationsmittel kann Musik für die verschiedensten Aufgaben benutzt werden. Nüchtern empirisch betrachtet kann man ganz allgemein sagen: Musik beschäftigt sich primär mit der Organisation von Luft, genauer gesagt mit der Schwingung ihrer Moleküle. Wenn man sich mit Schall eingehender auseinandersetzt, stößt man auf sehr signifikante und frappierende Diskontinuitäten in unserer Wahrnehmung: Ein und dasselbe physikalische Phänomen, nämlich Schallwellen, also schwingende Luftmoleküle, wird von uns als etwas völlig verschiedenes und teilweise sogar von verschiedenen Sinnesorganen wahrgenommen. Luftschwingungen können von unseren Ohren aufgefangen und als Klänge wahrgenommen werden, aber auch als Vibrationen oder Wärme durch die Haut, oder mit Hilfe technischer Geräte durch unsere Augen als „Ultraschallbilder“. Auch die akustische Wahrnehmung weist in sich erstaunliche Brüche auf: Zum Beispiel werden Schallwellen als regelmäßige rhythmische Impulse oder als Tonhöhen wahrgenommen, je nachdem wie schnell sie schwingen. Der wesentlichste Unterschied zwischen diesen Phänomenen ist die Zeitlichkeit, in der sie sich befinden. Ausschließlich von der Zeit hängt ab, über welches Sinnesorgan und als was wir ein bestimmtes Schwingungsphänomen wahrnehmen. So könnte man sagen, wenn wir etwas mit unseren Ohren als Klang akustisch wahrnehmen, dann ist das, was wir wahrnehmen, nämlich der Klang, nichts anderes als hörbar gemachte Zeit. Und gerade hier, auf dieser elementaren Ebene möchte ich mit meinem Musikverständnis ansetzen: Musikalisches Material ist durch das Klingen wahrgenommene Zeit, der Gegenstand von Musik das hörende Erlebnis von Zeit. Die Zeit als das eigentliche Material des Komponisten ist für mich also auch zugleich zentraler Gegenstand der Musik. Ich suche nach Musik, in der Klang zum hörbar gemachten Atem der Zeit wird. Das ist, denke ich, nur möglich, wenn Klang nur Klang ist (und auf nichts anderes verweisen soll), denn gerade dann wird er als das wahrnehmbar, was er eigentlich ist, nämlich als ein zeitliches Phänomen, als hörbare Zeit. Und auch hier stoßen wir wieder auf eine scheinbar paradoxe Diskontinuität: Wenn wir hörend in
einen Zustand der puren Gegenwärtigkeit eintreten, in welchem Musik uns zu purer Dauer wird, verlassen wir die Zeitlichkeit eigentlich, denn indem Zeit zu reiner Präsenz wird, löst sie sich auf. In meinen Arbeiten wird Klang nicht benutzt, er wird hörend erforscht und ihm wird die Möglichkeit gegeben, seine ihm innewohnende reiche Schönheit zu entfalten. Musik wird nicht als Mittel gebraucht, um außermusikalische Inhalte zu transportieren, seien es Affekte, philosophische oder religiöse Ideen, politische Programme, Werbeslogans etc. Musik ist für mich keine Sprache, die der Kommunikation außermusikalischer Inhalte dient, sie ist ein freies für sich stehendes akustisches Objekt. Sie ist wie eine Schneeflocke oder ein Felsriff. (Was wollen diese uns mitteilen? Was möchten uns die Gletscher erzählen?) Zum klanglichen, konkreten „Inhalt“ werden, wie in einem Stillleben, die elementarsten Klänge der Instrumente (leere Saiten, Naturflageoletts, lange ausgehaltene Töne, einfachste Skalen, Glissandi etc.), also einfachste akustische Objekte, die weder interpretiert noch psychologisch oder inhaltlich aufgeladen werden. Es ist wie ein Erforschen des Wesens von Instrumentalklang, durch welches das Altbekannte, das Alltägliche, gleichsam durch die Lupe betrachtet zum unbekannten wilden Neuland wird. Den Klängen, als quasi mikrozeitlichen Phänomenen mit ihrem ungezähmten sinnlichen Reichtum gerade dort, wo sie am vielfältigsten und am schwersten kontrollierbar sind, nämlich im leisesten, an den Grenzen zum Hörbaren und zum Geräusch, wird die musikalische Makrozeit, also die musikalische Form, als der Aspekt des kompositorischen Handwerks, der sich am direktesten nachvollziehbar mit Zeit beschäftigt, gegenübergestellt. Der klanglichen Fülle tritt eine klare formale Struktur entgegen, die die Musik zu einer klingenden Hörarchitektur werden lässt. * Das, was mich vielleicht am meisten fasziniert an Musik, ist die Tatsache, dass ihre Schönheit, Größe und Tiefe nicht auf Wertvollem, auf Gesuchtem und Exotischem gegründet ist, sondern auf dem Alleralltäglichsten, auf dem, was uns immer umgibt, nämlich auf nichts anderem als auf bewegter Luft. Was ist eine Quinte? Wir können eine physikalische Definition von Intervallen geben, wir können eine musiktheoretische Definition geben, aber dabei beantworten wir die eigentlich zentrale Frage überhaupt nicht: Wie klingt eine Quinte, oder allgemeiner, wie klingen Intervalle? In Jahrhunderten von Musikgeschichte haben wir kein Vokabular entwickelt, um Klänge sprachlich fassen zu können. Unsere Musikwissenschaft, Kompositionslehre und vor allem Notationstechnik hat sich in der pythagoräischen Tradition stehend immer auf die in Zahlen ausdrückbaren Tonhöhen und Rhythmen konzentriert.
Doch ist gerade das hörende Erforschen von Klang Gegenstand von vielen meiner Arbeiten. Wie eine kontrapunktische Komposition des 16. Jahrhunderts ein gegebenes Thema dreht und wendet und dehnt und staucht, so unterziehe ich Klang verschiedenen kompositorischen Verfahren und setze klangliche Strukturen in verschiedene Kontexte, mit dem Ziel, Klang eingehend betrachten zu können. Mein Material sind dabei nicht die traditionellen acht mittelalterlichen Modi, sondern ich schöpfe aus der Fülle aller möglichen Klänge, vom weißen Rauschen bis zum Sinuston. Auch meine Mittel und Methoden sind nicht die kontrapunktischen Regeln vergangener Jahrhunderte, sondern von mir neu entwickelte Ordnungsmodelle und Regelsysteme. Diese kompositorischen Techniken und Regeln grenzen ein, fokussieren und führen zur Konzentration auf bestimmte Aspekte von Klang und deren vertiefte Wahrnehmung. Erst die Regel macht das individuelle und spezifische deutlich erkennbar. Gleichzeitig generieren Regeln musikalische Form, und Form macht Klänge zugänglich und öffnet sie. Kompositorische Technik ist für mich ein Hilfsmittel auf der Suche nach der Schönheit in den Klängen, es liegt mir fern, mit Hilfe von Klängen etwas sagen zu wollen. Das Ziel der Kompositionstechnik liegt im Gegenteil darin, die Klänge vom Komponisten zu befreien und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Schönheit zu entfalten. Klang hat keine ihm innewohnende Bedeutung oder Entwicklungs- oder Richtungstendenz. Bedeutung kommt einzig und allein aus dem definierten System von Verboten und Geboten, das man musikalischen Stil nennt. Musik ist absolut nicht universell: Ein Künstler (oder besser: eine Generation von Künstlern) etabliert in seinen Werken und durch seine Werke ein Regelwerk aus Prinzipien, Verboten, Geboten, entweder intuitiv oder aber wie fast immer im Falle der Kompositionstechnik ganz bewusst. (Nichtsdestotrotz wurden diese erfundenen Regeln dann üblicherweise als „natürlich“ bezeichnet.) Freiheit in der Kunst ist immer relativ zu diesen gesetzten Verboten oder Geboten und wird erst durch diese wahrnehmbar. Freiheit wird erst durch Regelhaftigkeit möglich. * Im Verlauf der Musikgeschichte wurden die Partituren immer genauer. Je größer das „EGO“ des Komponisten wurde, je mehr er sich in der Rolle des Künstlergenies sah, und je mehr der Kontrapunkt ersetzt wurde durch den Gefühlsausdruck, desto detailgenauer wurden die Partituren. Alle Aspekte der Musik und deren Ausführung sollten unter die präzise Kontrolle des genialen Komponisten kommen und möglichst vollständig in der Partitur festgehalten werden. Gleichzeitig wurde die bis dahin selbstverständliche Einheit von Musiker und Komponist langsam aufgelöst und mit dem Verbot der „entarteten“ Musik im 20. Jahrhundert einerseits die Verbindung zwischen Komponisten und Interpreten vollständig gekappt und andererseits ein Kanon
geschaffen, der sich seit 70 Jahren unverändert im Kreise dreht. Durch die Verbannung der lebenden Komponisten aus dem Mainstream-Musikleben in kleine Nischen wurden im Musikbetrieb der großen Konzert- und Opernhäuser und der Musikhochschulen die Reliquien der toten Komponisten, nämlich deren Partituren, zu Objekten quasi kultischer Verehrung. Die Einführung, Übertragung und Anwendung des protestantischen „sola skriptura“-Prinzips von der Religion auf die Musik führte zu Erscheinungen wie der historischen Aufführungspraxis und Urtextausgaben: Die Partituren wurden sozusagen heilig gesprochen, die Musiker gleichen Priestern und Theologen. Aber ist eine Partitur wirklich schon die Musik? Wo ist die Musik? Ist sie im Kopf des Komponisten? Ist sie in der Partitur, im Konzert, im Kopf der Hörer? Viele Arbeiten von mir knüpfen auch in diesem Sinne mehr an die Partituren des 15. und 16. Jahrhunderts an: Viele dieser Partituren sind sehr einfach und klar, rechnen aber mit Musikern, die durch ihre Fähigkeiten der Diminuition und Figuration dem notierten Gerüst während der Aufführung klanglichen Glanz verleihen, oder die aus ein paar Ziffern der Generalbassnotation einen rauschenden Klangteppich hervorzuzaubern imstande sind. Doch hier gilt: Je klarer strukturiert und organisiert die grundlegende Struktur ist, desto mehr Freiheit gibt es für den Spieler im Augenblick der Aufführung. Musik entsteht im Moment des Erklingens aus dem Zusammentreffen von Vorgefertigtem und Spontanem als eine feine Mischung aus Determination und Freiheit. Es geht darum, eine Balance herzustellen, die letztendlich einem Zweck dient: der Entfaltung der verborgenen Qualitäten und der Schönheit der Klänge. hardcore Biedermeier. 1. Hermeneutik Stellen wir uns vor, wie in ferner Zukunft ein Paläoanthropologe vom Mars einen spektakulären Fund auf einem völlig unbedeutenden kleinen Planeten macht, auf dem eine relativ bescheiden entwickelte Zivilisation es immerhin geschafft hat, sich selbst auszulöschen. In einer marsianischen Fachpublikation veröffentlicht er die Schilderung eines Gegenstandes, der, nachdem er offenbar praktisch keinen Nutzen hatte, wohl ein archaisches Sakralobjekt gewesen sein musste: Er meint einen großen und schweren Gegenstand, den er deutet als eine abstrahierte vollplastische Darstellung eines großen schwarzen Fisches mit einer Vielzahl von Gräten in seinem Inneren und einem riesigen Gebiss voller abwechselnd fauler und gesunder Zähne und einer riesigen Zunge, die am
Ende mit einer dreigespaltenen goldenen Spitze versehen ist. Als Opfergaben wurden Papierblätter mit seltsamen Punkten und Linien dargebracht. Zur Untermauerung seiner Deutung führt er an, dass in eindeutig als Sakralräumen definierten Gebäuden der gleichen Kultur sich viele Hinweise auf die Verehrung von heiligen Tieren wie Tauben, Schlangen, Ochsen, Eseln und eben auch Fischen – teilweise sogar mit Menschen im Magen – finden lassen. Ebenfalls wurde dort bedrucktes Papier geopfert. 2. Kunst In der bildenden Kunst gibt es die lange ehrwürdige Tradition des Stilllebens und der Landschaftsdarstellung. In diesem Genre beschränkt sich Kunst darauf, das Gegebene darzustellen, es abzubilden, sie versucht weder zu deuten noch sieht der Künstler seine Kunstwerke als phantastische Neukreation eines quasi gottgleichen Schöpfers. Das Ziel ist nicht die Schaffung einer neuen Realität, sondern die künstlerische Durchdringung des Gegebenen, ein Vordringen zum Kern der Realität, das sich nicht durch Deutungsversuche aufhalten lässt. In Bezug auf den Malstil, sowohl in den „Bodegones“ (spanisch für Stillleben) als auch in der Darstellung der Stoffe und Materialtexturen der Portraits von Francisco de Zurbaran wird der scheinbar in sich widersprüchliche Begriff des mystischen Realismus verwendet. Oft hat man den Eindruck, in Zurbarans Bildern wird eine Geschichte nur deshalb erzählt, um Objekte abbilden zu können und nicht umgekehrt, die Objekte dekorieren oder illustrieren eine Geschichte. Man denkt, er malt den Heiligen oder Mönch nur, um einen Grund zu haben, sein eigentliches Interesse, den weißen Stoff der Kutte zu malen. Die profanen Gebrauchsgegenstände, die weißen Stoffe, die Schalen und Töpfe und deren Oberflächenstrukturen werden durch Zurbarans künstlerische Kraft zum Sublimen und gerade darin liegt die Sakralität seiner Werke und nicht im Inhalt der Heiligengeschichte, die erzählt wird. Gerade das Einfachste, das Alltäglichste wird zum Tor in die Transzendenz, indem es durch die Konzentration auf das Betrachten dessen, was zu sehen ist, seine durch Sprache und Denken definierte Funktion verliert. Der weiß schattierte Farbfleck hört auf, von uns als „Kutte“ gedacht zu werden und wird dadurch befreit zum „reinen“ sinnlichen Eindruck. Auch Adalbert Stifter, ein anderer Künstler, dessen Werke in weiten Strecken minutiösen und realistischen Naturbeschreibungen gewidmet sind, hat sich mit Töpfen beschäftigt. Nach Stifters „sanftem Gesetz“ ist die Kraft, die die Milch am Herd zum Überkochen bringt, die gleiche, die Vulkane zum Ausbruch bringen kann.
Nicht tiefe metaphysische Spekulation, nicht verzückte Extase, nein, die Beobachtung des heimischen Herdes lässt Stifter die Antwort auf die größten Fragen finden. Stifter sieht das Milchhäferl am Herd als Bild des Kosmos und seiner Kräfte. In der Kunst kann es Momente geben, in denen dieses Bild direkt erfahrbar wird und nicht ein theoretisches Konzept bleibt – das Milchhäferl wird zum Kosmos, das lapidar Kontingente zum Erhabenen. Stifter nimmt zwar das Bild des häuslichen Herdes als Grundlage für seine Kunstanschauung, in seinen Werken verlässt er aber das Innere seines Hauses und erreicht – wenn auch langsam – sogar die Gletscherregionen des Hochgebirges. Noch einen Schritt weiter geht der große italienische Maler Giorgio Morandi, der tatsächlich auch in seiner Kunst niemals seinen unmittelbarsten Lebensbereich verlassen hat und in seinem ganzen Leben nur Bilder von den Töpfen, Vasen und allerlei sonstigen Tongefäßen gemalt hat, die sich in seinem Atelier befanden. Kein gesuchtes, interessantes, tiefgründiges oder vielschichtiges Sujet, sondern das Allernaheliegendste wird zum zentralen Gegenstand seiner Werke. Morandis Töpfe erzählen nichts, sie werden auch nicht zum Sinnbild oder Symbol für ein philosophisches Prinzip, sie sind das, was sie sind, nämlich Töpfe, dargestellt in großer nüchterner Intensität. Auch wenn es ganz nahe ist, ist es dennoch ein Gegenüber, das Morandi zum Gegenstand der Kunst wird, doch auch diese Grenze wurde überschritten. Marina Abramovićs Material ist das Allernächste, das Allerelementarste, näher noch als die Küche oder das Atelier: Sie selbst, ihr eigener Körper. Kaum eine künstlerische Arbeit, die ich in den letzten Jahren erleben konnte, hat mich so tief berührt wie Marina Abramovićs Performance „The Artist is Present“ im New Yorker MOMA. Die Arbeit bestand darin, dass Marina Abramović für die wochenlange Dauer der Ausstellung jeden Tag während der gesamten Öffnungszeiten regungslos auf einem Stuhl gesessen hat. Abramovćs „Gegenstand“, das heißt sie selbst wurde als solcher präsentiert, ohne „bearbeitet“ oder gestaltet zu werden, ohne etwas anderes darzustellen. In äußerster Konsequenz fand Abramović eine künstlerische Form für das, was für mich als Ziel künstlerischer Bestrebungen bezeichnet werden könnte: die Erfahrung reiner und purer Präsenz. In der Erfahrung dieser Präsenz, also diesem Verweilen im „hier und jetzt“ verschwindet das Gefühl der konkreten Verortung, das „hier und jetzt“ erlebt man an keinem bestimmten Ort, „now and here“ wird zu „nowhere“.
Auch ich habe versucht, mich dem Klavier wie ein „friendly alien“ zu nähern, mir die Frage zu stellen: „Was ist das für ein Gegenstand vor mir?“; „Was für Klänge kann er hervorbringen?“ Aber im Unterschied zum intergalaktischen Wissenschaftler geht es mir eben gerade nicht um eine marsianische Hermeneutik, nicht um Deutung oder um Neudeutung, Vorurteil oder Urteil, sondern um einen Versuch der Betrachtung ohne gleichzeitige Deutung. Wenn ich für Klavier schreibe, versuche ich keine Neudeutung dessen, was ein Klavier ist, sondern ich versuche, das Klavier darzustellen so wie es ist. Durch das Abtasten des Instrumentes entsteht die Musik als ein Prozess des Hörbarmachens des Instrumentes. Im Falle von „sieben sonnengesichter.“ gehe ich von einer immer gleichbleibenden elementaren klanglichen Grundstruktur aus, nämlich der Skala der weißen Tasten (und deren Schatten, den schwarzen Tasten). So, wie man ein visuelles Objekt aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann, und so, wie die verschiedenen Schattenlängen der jeweiligen Tageszeiten den optischen Eindruck verändern, stelle ich das klangliche Material aus verschiedenen „Hörwinkeln“ dar. Es ergeben sich immer verschiedene zeitliche Verzerrungen des gleichen Klanges in Analogie zur räumlichen Verzerrung des Lichtes. Wie ein Forscher ein Objekt entdeckt, finde ich als Komponist Klänge, versuche sie aber weder zu deuten noch sie zu benutzen, um mit ihrer Hilfe etwas auszusagen – ich mache sie einfach dem Hören zugänglich. Ich sehe Musik als die Darstellung von Klang, ein Musikstück als eine Entfaltungsmöglichkeit von Klang. Ich denke, nur wenn wir versuchen, einfach das zu hören, was klingt, kann sich das Wunder das Hörens ereignen. Hören mit verstopften Ohren und Sehen mit geschlossenen Augen. Sehr oft ist das, was wir wahrnehmen, nicht das, was unsere Sinne uns an Eindrücken liefern, sondern unsere durch Begriffe vorgeprägte Vorstellung von etwas. Ein erlernter Mechanismus in unserem Geist hindert uns daran, unsere sinnliche Wahrnehmung zu realisieren. Und nicht selten sind unsere vorgefassten Erwartungen, unsere Vorurteile genau das Gegenteil von dem, was wir sinnlich erfahren: Wenn wir alle Geräusche ausschließen, wird es immer lauter, wenn wir die Augen schließen, wird es hell. Wir könnten uns fragen, was wir wirklich sehen, wenn wir, um „nichts“ zu sehen, die Augen schließen, und was ist nur unser Konzept von „nichts sehen“ und „Dunkelheit“? Ähnliches gilt auch für Bewegung: manchmal können wir nicht sagen, ob sich ein Objekt bewegt oder nicht. Ist das, was wir hören, ein Akkord oder eine
Linie, eine Fläche oder ein Prozess oder bewegt sich nur unser Geist? Wo können wir die Antworten auf diese Fragen finden? origami. Der englische Philosoph John Locke sprach vom menschlichen Geist als von einer „tabula rasa“, einer weißen leeren Tafel, in die die Sinneseindrücke sich eindrücken. Wäre diese Tafel ein Stück Papier, würden diese Eindrücke verschiedene Faltungen bewirken. Der menschliche Geist ist so gesehen eigentlich das, was wir die Wirklichkeit nennen und wäre nichts als ein mehrfach gefaltetes Stück Papier – manche meinen darin genau drei Faltungen ausmachen zu können.
BIOGRAFIEN Klaus Lang (*1971 in Graz) lebt in Steirisch Lassnitz (Österreich). Er studierte Komposition und Musiktheorie (bei H. M. Preßl, B. Furrer and Y. Pagh-Paan) und Orgel. Klaus Lang liebt Tee. Was er nicht mag, sind Rasenmäher und Richard Wagner. TRIO AMOS Sylvie Lacroix, Flöte Michael Moser, Violoncello Krassimir Sterev, Akkordeon Das Zusammenfinden dieser drei Instrumente und dieser drei Musiker*innen zu einer festen Trio-Besetzung geht auf eine Idee Bernhard Langs zurück, für diese Besetzung zu komponieren. Es entstand ein Stück aus der Differenz/Wiederholung-Serie: Differenz/Wiederholung 3. Dem vorausgehend und quasi als Gründungsmythos und Inspirationsquelle für das Trio dienend, entstand die Reihe der Schriftstücke, bestehend aus drei Solostücken – Schrift 1, 2 und 3 – für die Instrumente Flöte, Violoncello und Akkordeon. Diese drei Schriften sind durchaus als eine erdacht und als solche auch zusammenhängend, d. h. kontinuierlich ohne Pause zwischen den Stücken zu spielen. Nach dieser Initialzündung und der daraus resultierenden erfolgreichen Konzerttätigkeit mit einem reinen Bernhard-Lang-Programm (mit Konzerten bei Festivals wie wien modern, Musica Strasbourg, Oper Basel, Darmstädter Ferienkurse, Schwetzinger Festspiele) entstand im Lauf der Zeit die Idee, das Repertoire, das bis zu diesem Zeitpunkt von einem einzigen Komponisten stammte, auszuweiten. Das reizvolle dieser Triobesetzung liegt in ihrer speziellen Klanglichkeit, die fein abgestufte Mischungsverhältnisse zulässt, verbunden mit der Tatsache, dass die drei Instrumente als Kleinstform eines Orchesters – Melodie-, Bass- und Harmonie-Instrument – betrachtet werden können. Ein wichtiger Aspekt der Entwicklungsarbeit des Trio Amos ist es, neben der angestrebten Zusammenarbeit mit renommierten Komponist*innen auch ein Dialog- und Arbeitsfeld mit Komponist*innen der jüngsten Generation herzustellen. So entstand im Sommer 2007 ein Programm mit neuen Werken von Peter Jakober, Leah Muir und Elisabeth Harnik. Im Januar 2008 folgten zwei Uraufführungen von Daniel Salechic und Marcel Reuter, 2009 ein Stück von Simeon Pironkoff und 2010 Uraufführungen von Angelo Sturiale, Klaus K. Hübler und Reinhard Fuchs. Die CD Schrift/Differenz mit den Werken von Bernhard Lang erschien 2010 auf durian records. 2011 entstanden Werke von Sivan Cohen-Elias, Uday Krishnakumar, Jean Baptiste Marchand und Klaus Lang. Im Mai 2013 gelangte die neue Komposition stairs von Joanna Woszny im Wiener Radiokulturhaus zur
Uraufführung und im Herbst ein Werk von Matthias Kranebitter in Taipeh. Es folgten 2014 Uraufführungen von Zesses Seglias, Nimrod Sahar und je ein weiteres neues Stück von Joanna Wozny und Bernhard Lang, der dem Trio Amos ein Werk aus seinem Monadologie Zyklus widmete (Monadologie XXI....for Franz), sowie 2016 die UA der Monadologie XVIII „Moving Architecture“ in der Version für Stimme, Flöte und Akkordeon, und 2018 bei den Klangspuren in Schwaz die UA von Klaus Langs 2. Komposition für das Trio Amos, darkness and freedom. Tamriko Kordzaia hatte sich bereits in ihrer georgischen Heimat einen Namen als Haydn- und Mozart-Interpretin erarbeitet. Nach ihrer Übersiedlung in die Schweiz führte sie diese Beschäftigung weiter, zunehmend rückte aber auch die neue Musik, besonders diejenige der jüngeren Komponist*innengenerationen, in ihr Blickfeld. Sie erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen, darunter den ersten Preis und den Preis für Mozart-Interpretation am Internationalen Sakai-Wettbewerb in Japan und den Kulturförderpreis der Stadt Winterthur. Seit 2008 ist sie Mitglied des Mondrian Ensembles, mit dem sie 2018 den Schweizer Musikpreis erhielt. Tamriko Kordzaia hat zahlreiche Tonträger veröffentlicht, unter anderen auf den Labels Edition Wandelweiser, NEOS, WERGO, SME, Guild, A Tree in a Field Records; 2020 erscheint bei Col Legno eine CD mit Musik des österreichischen Komponisten Thomas Wally und auf dem Berliner Label Tochnit Aleph das Solo-Stück „Experience of Limit" von Antoine Chessex auf Vinyl. Seit 2005 ist sie als Vermittlerin aktueller Musik in Georgien aktiv geworden und wirkt dort seither als Leiterin des Festivals »Close Encounters«. Sie ist Dozentin an der Hochschule der Künste Zürich.
klub katarakt17 Festivalleitung: Jan Feddersen, Robert Engelbrecht, Rebecca Raddatz Produktionsleitung: Sabine Noll, Frank Scheuffele Produktionsassistenz: Elke Scholz, Moritz Harms Volontariat: Quitterie Schirr-Bonnans Pressesprecherin: Lasse Nehren Grafik: Anna Bertermann, Matthias Meyer Dokumentation: Jann Wilken (Foto), Andrew Levine (Ton/Video) Web: Nils Hartlef Produktion: Kampnagel, Miguel Martinez Ton: Juliette Wion, Tobias Gronau, Nina Ozan, Rolf Schwarz, Beata Berger Licht: Doria Worden, Lennart Schmitz, Malte Ehlers, Arne Apitsch, Henning Eggers Video Jiv Wagner Bühne: Robert Fass, Andrea Wirth, Holger Duwe
klub katarakt17 FESTIVALPROGRAMM Freitag, 21. Januar 19:30 Gustavo Costa 20:30 The Interstring Project 22:00 Julia Eckhardt Samstag, 22. Januar 20:00 Nelly Boyd 21:00 Valentina Magaletti 22:00 Emol 23:00 Andrea Belfi 00:00 Lucrecia Dalt 01:00 !!! JONH & THCB Abgesagt wegen Covid-19 !!!
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