Kohlenhydrate in der Debatte: Wie viel und welche? - Juni 2012 Dr. oec. troph. Anette Buyken
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Kohlenhydrate in der Debatte: Wie viel und welche? 16. Juni 2012 Dr. oec. troph. Anette Buyken Forschungsinstitut für Kinderernährung Jetzt: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Kohlenhydrate in der Prävention Konsens und Kontroverse Konsens 1. Ballaststoffe und Vollkorn 2. Zuckergesüßte Getränke 3. Gesamtkohlenhydratzufuhr (Evidenz) Kontroverse 1. Zugesetzter Zucker (inkl. Fruktose) 2. Empfehlung Gesamtkohlenhydratzufuhr 3. Glykämischer Index (GI) / Glykämische Last (GL) 2
Kohlenhydrate in der Prävention Konsens und Kontroverse Konsens 1. Ballaststoffe und Vollkorn 2. Zuckergesüßte Getränke 3. Gesamtkohlenhydratzufuhr (Evidenz) Kontroverse 1. Zugesetzter Zucker (inkl. Fruktose) 2. Empfehlung Gesamtkohlenhydratzufuhr 3. Glykämischer Index (GI) / Glykämische Last (GL) 3
Leitlinie Kohlenhydrate – Evidenz für Gesamtkohlenhydrate DGE 2011 Adipositas DM Typ 2 Dyslipo- Hypertonie KHK Krebs proteinämie ↑↑↑ TG ↑↑↑ HDL ↔ Gesamt- Ο Kohlenhydrat- ΟΟΟ ΟΟ gesättigtete F.S. ↔ unges. FS: Ο Ο anteil ↓↓↓Cholesterol ↑ kurzfristig ↔ unges. FS: ↑↑↑Cholesterol ↓ - möglich, ↓↓ - wahrscheinlich, ↓↓↓ - überzeugend) Risiko senkend (↓ ↑ - möglich, ↑↑ - wahrscheinlich, ↑↑↑ - überzeugend) Risiko erhöhend (↑ Kein Zusammenhang (Ο Ο - möglich, ΟΟ - wahrscheinlich, ΟΟΟ - überzeugend) ↔ KH-Anteil ausgetauscht gegen Höhe der Gesamt-Kohlenhydratzufuhr für Erkrankungsrisiko kaum relevant Ausnahme: Dyslipoproteinämie Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 4
Kontroverse – Gesamt-Kohlenhydratzufuhr Fachgesellschaften empfehlen hohe KH-Zufuhr DGE: Richtwert >50% Kohlenhydrate - gewährleistet hohe Ballaststoffzufuhr - beugt hoher Zufuhr an gesättigten Fetten vor WHO 2003: 55-70% - Proteinzufuhr 10-15%, Fett ≤ 30% EFSA (European Food Safety Administration) 2010: 45-60% - KH-arm /fett-reich erhöht Risiko für Anstieg im Körpergewicht - KH-reich ungünstig für Serumlipide DGAC (Dietary Guidelines Advisory Committee) 2010: 45-65% - Gesamt-Kohlenhydratmenge für optimale Gesundheit ist unbekannt Keine evidenzbasierten Ableitungen Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 5
Kontroverse – Empfehlung zur Kohlenhydratzufuhr Vorteile einer KH-reiche Kost Begünstigt ausreichende Zufuhr an Antioxidantien, Mikronährstoffen und Ballaststoffen Ermöglicht geringere Energiedichte Begünstigt niedrigere LDL-Cholesterin-Spiegel Erlaubt breite Lebensmittelauswahl Gesellschaftlich erwünscht Auch erreichbar durch: - mediterrane Kostformen - proteinreiche Kostformen (v.a. pflanzl. Protein) - Kostformen mit niedrigem GI 6 Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit
Kontroverse – Empfehlung zur Kohlenhydratzufuhr Nachteile einer KH-reichen Kost Hohe KH-Zufuhr per se hat keinen gesundheitlichen Nutzen für die meisten Erkrankungen Hohe KH-Zufuhr per se hat negative Auswirkungen auf Serumlipide Löst postprandiale Blutzucker- und Insulinspitzen aus Begünstigt starke Beanspruchung der ß-Zelle Durch Empfehlung KH-reicher Kostformen bleiben Potentiale einer Reduktion ungenutzt Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 7
Potenzial KH-reduzierter Kostformen – HDL-Cholesterin-Spiegel Mittlere HDL-Cholesterinsenkung nach 6 Monaten Metaanalyse von 4 Studien Low fat Low carb Nordmann et al. Arch Int Med 2006 Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 8
SonstigeKH-reduzierter Potenzial günstige Effekte einer Kostformen – kohlenhydratarmen Kost Triglycerid-Spiegel Mittlere Triglyceridsenkung nach 6 Monaten Metaanalyse von 4 Studien Nordmann et al. Arch Int Med 2006 Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 9
Potenzial KH-reduzierter Kostformen – Gewichtsreduktion n=322 Israelis BMI 31 50% KH Dauer: 2 Jahre 50% KH 3 Kostformen Low-Carb: ad lib Low-Carb bzw. 41% KH mediterrane Kost als effektive Alternativen Shai et al. 2008 Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 10
Potenzial KH-reduzierter Kostformen – Gewichtsreduktion n=811 US-Am. BMI 33 Dauer: 2 Jahre 4 Kostformen Effektivität vergleichbar Sacks et al. 2009 Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 11
Potenzial KH-reduzierter Kostformen – Gewichtserhalt nach Gewichtsreduktion 44% KH 46% KH n=773, die Gewicht um 8% reduziert 45% KH hatten (aus 8 europ. Ländern) 51% KH Dauer: 26 Wochen 5 Kostformen mit Modifikation in 45% KH Protein ± GI HP-LGI ist Kostform mit der Larsen et al. NEJM 2011 niedrigsten pp BZ/Insulinantwort Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 12
Populäre Kostformen mit niedriger Blutzuckerantwort Buyken et al. Diabetologia 2010 KH-reiche Kostformen ohne spezifische Empfehlungen zum GI bieten dies nicht! Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 13
Kohlenhydrate in der Prävention Konsens und Kontroverse Konsens 1. Ballaststoffe und Vollkorn 2. Zuckergesüßte Getränke 3. Gesamtkohlenhydratzufuhr (Evidenz) Kontroverse 1. Zugesetzter Zucker (inkl. Fruktose) 2. Empfehlung Gesamtkohlenhydratzufuhr 3. Glykämischer Index (GI) / Glykämische Last (GL) 14
Giykämischer Index (GI) von Lebensmitteln Blutzuckerspiegel A: Glukose (Referenz-LM): GIGlukose=100 A 100% B: Test-LM: GITest-LM=(AUCB/AUCA)x100=60 B 60% Basis Blutzuckerspiegel früh 2 mittel spät Zeit nach Mahlzeit (Std.) 4 6 Postprandiale Phase GI ist ein Maß für die glykämische Potenz eines kohlenhydrat- reichen Lebensmittels GL= GI* g KH/Portion GL entspricht der Kohlenhydratmenge adjustiert für ihre glykämische Potenz (GI) Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 15
Niedriger GI – häufige Missverständnisse “Erhöhung der Ballaststoffzufuhr führt zur Senkung des GI” Zusammenhang GI Ballaststoffe - ist nur schwach (z.B. EPIC r=-0.04) - z.T. Getreideballaststoffe GI (z.B. Nurses’ Health Study) “Zuckervermeidung führt zur Senkung des GI” Meist moderater inverser Zusammenhang (z.B. EPIC r=-0.25) Viele Getreideprodukte haben hohen GI (außer: Ganzkorn/Schrot) Haushaltszucker und Soft drinks / Soda haben nur mittleren GI GI hängt v.a. von Stärke ab (Bsp: EPIC r=0.41) Empfehlungen zur Ballaststoff- und Zuckerzufuhr begünstigen nicht niedrige pp Glukose- und Insulinspiegel Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 16
GI einiger Lebensmittel GI hoch: >70 Weißbrot (Weizen) 75 GI niedrig:
Leitlinie Kohlenhydrate – Evidenz für GI/GL Erhöhung von Adipositas DM Typ 2 Dyslipo- Hypertonie KHK Krebs proteinämie ↑ Cholesterol ↑ bei Frauen Glykämischer ↑ bei Frauen ↑ ΟΟ HDL ? ↑ Kolorektum Index Ο bei Männern ΟΟ TG ? Cholesterol ↑ bei Frauen Glykämische Ο Ο ? ↑ Gebärmutter- ? HDL Last Ο bei Männern schleimhaut ↑ TG ↑ - möglich, ↑↑ - wahrscheinlich, ↑↑↑ - überzeugend) Risiko erhöhend (↑ Kein Zusammenhang (Ο Ο - möglich, ΟΟ - wahrscheinlich, ΟΟΟ - überzeugend) GI: 5 Krankheitsbilder mit möglicher Evidenz für Risiko-Erhöhung Außerdem diskutiert für Gestationsdiabetes, altersbedingte Augenerkrankungen, entzündungsbedingte Erkankungen etc. 18 Wieviel KH? Welche KH? Kostformen mit niedriger BZ-Antwort Fazit
Giykämischer Index : Methodische Probleme Meta-Analyse GI und Typ 2 DM Risiko Dong et al. BJN 2011 Schätzung des GI/GL der Kost (GI-Werte, Zuordnung, FFQ etc.) Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 19
Ballaststoffe/Vollkorn/GI und Inflammation BS/VK/GI Studien Inflammationsmarker Ballaststoffe 16 Kohorten 14/16: Assoziation mit geringeren Spiegeln 2/16: kein Zusammenhang 5 Interventionen 1/5: Verbesserung der Spiegel durch BS (3-26 Wochen) 4/5: kein Effekt Vollkorn 5 Kohorten 4/5: Assoziation mit geringeren Spiegeln 1/5: kein Zusammenhang 7 Interventionen 2/7: Verbesserung der Spiegel durch VK (3-16 Wochen) 5/7: kein Effekt GI/GL 9 Kohorten 6/9: Assoziation mit höheren Spiegeln 3/9: kein Zusammenhang 11 Interventionen 8/11: Verbesserung der Spiegel durch GI/GL (4-52 Wochen) 3/11: kein Effekt Confounding in Kohortenstudien begünstigt Evidenz für Ballaststoffe und Vollkorn Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 20
GI – Relevanz bei Insulinresistenz β-cell response Low GI/GL meal Normal Normal β-cell β-cell mass Insulin sensitive Buyken et al. High GI/GL meal Diabetologia ↑β-cell 2010 replication Larger β-cell mass ↑β-cell ↑β-cell (non-diabetic obese) Insulin sensitive size neogenesis High GI/GL meal ↑β-cell apoptosis decompensation Smaller Insulin resistant β-cell mass Susceptible individual (type 2 diabetes) Postprandial Postprandial Metabolic Effective glycaemia insulinemic adaptation β-cell mass response Hoher GI (chron.) begünstigt Typ 2 DM Entwicklung bei Insulinresistenz Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 21
Glykämischer Index – biologisch plausibel Mögliche Wirkungsmechanismen (Adipositas und Typ 2 DM) Einfluss auf Appetit (Ludwig et al. 1999, McMillan-Price et al. 2006) - milde postprandiale Hypoglykämie → vermehrte Energiezufuhr → gegenregulatorische Hormonantwort begünstigt Proteolyse → unerwünschter Verlust fettfreier Körpermasse Einfluss auf Glukosehomöostase - chronisch postprandial erhöhte Glukose- und Insulinspiegel → begünstigen Kohlenhydratoxidation (statt Fettoxidation) → Insulinsensitivität ↓ → längerfristig ggf. höhere Insulinsekretion zur Kompensation benötigt → vermehrte Triglyceridsynthese in der Leber und Leberfett ↑ → erhöhte Entzündungsneigung durch oxidativen Stress (v.a. bei Insulinresistenz) Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 22
Niedriger GI – wie? Pro Mahlzeit ≥ 50% der Kohlenhydratträger mit niedrigem GI Obst (v.a. heimische Arten) Hülsenfrüchte Pasta, Basmati/Parboiled Reis, Gerste o.ä. Frühstückscerealien mit niedrigerem GI (z.B. Früchtemüsli) Nüsse Milch und Milchprodukte (z.B. Joghurt) LM-Auswahl im Einklang mit Empfehlungen Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 23
Niedriger GI – wie? Ersetzen Sie ... ... durch Weißbrot, Brötchen, Baguette Ganzkorn/Schrotbrot, Hafer-, (auch feingemahlenes Früchte-, oder Sauerteigbrot, Vollkornbrot) Pumpernickel Verarbeitete Müsli (mit getrockneten Früchten), Frühstückscerealien, Hafer- oder Vollkornflocken z.B. Cornflakes, Coco Pops Kartoffelpüree, Pasta, Hülsenfrüchte, Kartoffelsorten/- Backofenkartoffeln zubereitungen mit niedrigem GI (festkochend, klein, Salat) Klebriger weißer Reis Parboiled, Basmati-, oder Naturreis Kräcker, Waffeln Nüsse, Müsliriegel mit getrockneten Früchten etc. Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 24
Fazit – Kontroverse Empfehlung KH-Zufuhr Keine evidenzbasierte Ableitung der Empfehlungen Bemühungen um hohe KH-Zufuhr per se haben keinen Nutzen bzw. negative Auswirkungen auf Serumlipide Begünstigt postprandiale Blutzucker und Insulinspitzen und starke Beanspruchung der ß-Zelle (Problem bei Insulinresistenz) Vorteile einer KH-reichen Kost auch mit anderen Kostformen erreichbar - mediterrane Ernährung - Kost mit niedrigem GI - protein-reiche Kost (v.a. pflanzl. Protein) Alternative: Liberalisierung/keine spezif. Empfehlung Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 25
Fazit – Kontroverse GI/GL Keine Empfehlung wird mit schwacher Evidenz begründet Methodische Probleme erschweren Absicherung der Relevanz des GI mit harten Evidenzgraden Primärpräventive Relevanz des GI für breites Erkrankungsspektrum diskutiert & biologisch plausibel Berücksichtigung verringert pp Glukose- und Insulinspitzen (besondere Relevanz bei hoher KH-Zufuhr + Insulinresistenz) Bereits moderate GI Reduktion ist effektiv und einfach - zu jeder Mahlzeit ein LM mit niedrigem GI - LM mit hohem GI ↔ vergleichbares mit niedrigem GI Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 26
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 27
Kontroverse – Fruktose Risikofaktor Fruktose (Stanhope et al. 2009) n= 32 (BMI 29) 10 Wochen +25E% Fru vs +25E%Glc (aus Getränken) Fru: spezifisch viszerale abdominale Fettmasse ↑ (VAT) außerdem unter Fru (vs Glc): Hepatische de-novo Lipogenese ↑ Dyslipidämie ↑ (z.B. pp TG ↑) Insulinsensitivität ↓ Fruktose Empfehlung Gesamt-KH-Zufuhr GI/GL Fazit 28
Kontroverse – Fruktose Gegenargumente (vgl. Jones 2009) Viele experimentelle Studien setzen unrealistisch hohe Fruktosemengen ein bzw. erhöhen nur Fruktosezufuhr per se (z.B. 25 E% durch Fruktose) - in Kost ist Fruktose nie isoliert erhöht (Glukose:Fruktose ca. 50:50) - mittlere Fruktosezufuhr bei jungen US-Frauen und Männern 11 E% (aber: 90te Perzentile >100g/Tag (Mariott et al. 2009)) Meta-Regression (Livesey et al. 2008): - Triglyceridspiegel: kein Effekt bis
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