Glykämischer Index und glykämische Last - ein für die Ernährungspraxis des Gesunden relevantes Konzept?

 
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                                                                                 Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung
                                                                                 des Verlages unzulässig und strafbar.
                                                                                 Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die
                                                                                 Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.
DGE | Stellungnahme

   Glykämischer Index und glykämische
   Last – ein für die Ernährungspraxis des
   Gesunden relevantes Konzept?
   Wissenschaftliche Stellungnahme der DGE

   Daniela Strohm, Bonn

                                                               Die Bedeutung von glykämischem Index
                                                               und glykämischer Last für die Gesundheit
                                                               und die Entwicklung ernährungsmitbeding-
                                                               ter Krankheiten sind nach wie vor Gegen-
                                                               stand der wissenschaftlichen Diskussion.
                                                               Die vorliegende Stellungnahme ersetzt die
                                                               DGE-Stellungnahme „Glykämischer Index
                                                               und glykämische Last“ aus dem Jahr 2004
                                                               [1, 2].
    Blutglukosespiegel

                                                              Zeitablauf
                         M 26   Ernährungs Umschau | 1/2013
Definitionen                                                         koseanstiegs als solche mit einem         nisse von 205 Studien zusammen-
                                                                     niedrigen GI [5]. Als relative Größe      fasst [8], wobei der GI in humanex-
Bereits 1973 wiesen OTTO et al. da-                                  der glykämischen Antwort auf die          perimentellen Untersuchungen er-
rauf hin, dass sich kohlenhydrathal-                                 Zufuhr einer definierten Kohlenhy-        mittelt wurde [9]. Die Datensamm-
tige Lebensmittel in ihrer Wirkung                                   dratmenge ist der GI ein Maß für die      lung enthält Angaben zu fast 1 900
auf die Blutglukosekonzentration                                     ernährungsphysiologische Qualität         Lebensmitteln, die entsprechend der
sehr unterscheiden [3]. JENKINS et al.                               der verzehrten Kohlenhydrate. Das         Standards zur GI-Bestimmung aus
[4] führten einige Jahre später den                                  Ausmaß der glykämischen Antwort           Untersuchungen an Probanden mit
Begriff des glykämischen Index (GI)                                  wird aber auch von der zugeführten        normaler Glukosetoleranz abgeleitet
ein. Er ist ein Maß für die Blutgluko-                               Kohlenhydratmenge beeinflusst. Da-        wurden [10]. Angaben zu weiteren
sewirksamkeit nach Zufuhr von                                        her wurde der Begriff der glykämi-        600 Lebensmitteln wurden aus Un-
50 g verwertbaren Kohlenhydraten                                     schen Last (GL) definiert. Diese          tersuchungen an Probanden mit
mit einem Testlebensmittel (쏆 Ab-                                    ist das Produkt des GI und der ver-       einem gestörten Glukosestoffwech-
bildung 1). Die Angabe erfolgt in                                    wertbaren Kohlenhydratmenge (in           sel abgeleitet und werden deswegen
Prozent bezogen auf die Fläche unter                                 Gramm) pro Portion eines Lebens-          als weniger valide eingestuft und an
der Blutglukosekurve einer Referenz-                                 mittels, dividiert durch 100 (쏆 Kasten    dieser Stelle nicht weiter betrachtet.
substanz, welche der Zufuhr von                                      1 und 2). Die GL ist ein Indikator der    Das wiederholte Testen von Lebens-
ebenfalls 50 g Kohlenhydraten in                                     glykämischen Antwort auf eine Le-         mitteln innerhalb der letzten 25
Form von Glukose oder Weißbrot                                       bensmittelportion bzw. des dadurch        Jahre ergab für einige Lebensmittel,
entspricht. Die Verwendung von                                       ausgelösten Insulinbedarfs [6, 7].        wie z. B. Weiß- und Vollkornbrot,
Glukose als Referenzsubstanz führt
zu niedrigeren GI-Werten als die Ver-
wendung von Weißbrot, da die gly-                                                 GL = GI x verzehrte verwertbare Kohlenhydrate [g]
kämische Antwort auf Glukose (Er-                                                                        100
höhung der Blutglukosekonzentra-
tion) um den Faktor 1,43 über der                                            Kasten 1: Definition der Glykämischen Last (GL)
von Weißbrot liegt. Die glykämische
Antwort wird hier als Erhöhung der
                                                                     GI und GL ausgewählter                    einheitliche Ergebnisse. Die Ergeb-
Blutglukosekonzentration definiert,                                                                            nisse zum GI anderer Lebensmittel,
                                                                     Lebensmittel
welche wiederum einen Insulinbe-                                                                               wie z. B. Frühstücksflocken, haben
darf auslöst.                                                        쏆 Tabelle 1 enthält Angaben zum GI        sich in den vergangenen Jahren zum
Pro Gramm Kohlenhydrate führen                                       und zur GL verschiedener Lebens-          Teil stark verändert. Aufgrund zu-
Lebensmittel mit einem hohen GI zu                                   mittel (Referenzsubstanz Gluko-           sätzlicher industrieller Verarbei-
einem rascheren Anstieg der Blut-                                    se = 100). Diese sind einer Daten-        tungsschritte ist der GI von verschie-
glukosekonzentration und einem                                       sammlung mit fast 2 500 Lebens-           denen Lebensmitteln mit zunehmen-
höheren Maximalwert des Blutglu-                                     mitteln entnommen, die die Ergeb-         dem Verarbeitungsgrad der Produkte
                                                                                                               angestiegen. Darüber hinaus ist zu
                                                                                                               beachten, dass Lebensmittelhersteller
                                           4                                                                   ihre Produkte mit identischer Pro-
                                                                                       Glukose
                                                                                                               duktbezeichnung in verschiedenen
     Δ Blutglukosekonzentration (mmol/l)

                                                                                       Kartoffel
                                                                                       Weißbrot                Ländern mit unterschiedlicher Re-
                                           3           ⴛ                           ⴛ   alkoholfreie Getränke
                                                                                                               zeptur und Kohlenhydratzusam-
                                                                                   * Linsen                    mensetzung anbieten. So ist es mög-
                                           2       ⴛ                                                           lich, dass in unterschiedlichen Stu-
                                                            ⴛ                                                  dien für Lebensmittel mit der
                                                       *                                                       gleichen Produktbezeichnung unter-
                                           1                *                                                  schiedliche Werte für den GI ermit-
                                                                    *
                                                   *                ⴛ
                                                                                                               telt werden.
                                           0 ⴛ
                                             *                                     *                     *     Bei der Beurteilung der glykämi-
                                                                                                               schen Antwort auf kohlenhydrat-
                                                                                   ⴛ
                                                                                                         ⴛ     haltige Lebensmittel sollte neben dem
                                                                                                               GI als Parameter der Kohlenhydrat-
                                               0       30          60             90                    120    qualität auch die GL eines Lebens-
                                                                Zeit (min)                                     mittels betrachtet werden. Zum Bei-
                                                                                                               spiel hat die Wassermelone einen GI,
                Abb. 1: Verlauf der Blutglukosekonzentration nach Zufuhr von 50 g ver-                         der über dem von Brot aus niedrig
                        wertbaren Kohlenhydraten mit verschiedenen Lebensmitteln [70]                          ausgemahlenem Getreide (hellem           쑺

                                                                                                                 Ernährungs Umschau | 1/2013   M27
DGE | Stellungnahme

         Mehl) liegt. Durch den höheren Ge-
                                                                                                       GICornflakes = 81
         halt an verwertbaren Kohlenhydra-
         ten hat allerdings Brot aus niedrig                             30 g (übliche Portionsgröße) Cornflakes enthalten 25 g verwertbare
         ausgemahlenem Getreide pro Portion                              Kohlenhydrate
         (30 g) eine mehr als doppelt so hohe                                                          81 ⫻ 25
                                                                                        GLCornflakes =         = 20,25; gerundet 20
         GL als eine Portion (120 g) Wasser-                                                            100
         melone.
                                                                              Kasten 2: Berechnungsbeispiel zur Glykämischen Last (GL)

          Lebensmittel                                                            Anzahl    Glykämischer Übliche           Verwertbare   Glykämische
                                                                                  der       Index (GI)   Portions-         Kohlenhy-     Last (GL)
                                                                                  Studien                größe (g)         dratmenge     pro Portion
                                                                                                                           (g/Portion)
          Frühstücksflocken
          Cornflakes                                                               5          81 ± 3          30             25            20
          Porridge (Haferflocken gekocht in Wasser)                               13          55 ± 2         250             24            13
          Porridge aus Instant-Haferflocken                                        4          79 ± 3         250             26            21
          Brot/Teigwaren/Getreide
          Brot aus niedrig ausgemahlenem Weizen                                   16          75 ± 2          30             15            11
          Weizenvollkornbrot (aus fein gemahlenem Getreide)                       10          74 ± 2          30             12             9
          Roggenbrot mit (80 % intakten) ganzen Körnern                            1              41          30             12             5
          Langkorn-Reis (gekocht)                                                  5          60 ± 3         150             41            25
          Basmati-Reis (gekocht)                                                   6          57 ± 4         150             38            22
          Jasmin-Reis (gekocht)                                                    1        109 ± 10         150             42            46
          Spaghetti (weiß, 10–15 min gekocht)                                      6          49 ± 3         180             48            24
          Vollkornspaghetti (gekocht, Kanada)                                      1          42 ± 4         180             40            17
          Obst (frisch)
          Wassermelone                                                             1          80 ± 3         120              6             5
          Ananas                                                                   1          66 ± 7         120             10             6
          Kiwi                                                                     1          58 ± 7         120             12             7
          Banane (Australien)                                                      1          47 ± 5         120             24            11
          Orange (Kanada)                                                          1          40 ± 3         120             11             4
          Aprikosen                                                                1          34 ± 3         120              9             3
          Apfel, Golden-Delicious (Kanada)                                         1          39 ± 3         120             16             6
          Kartoffeln
          Kartoffelbrei (Instant)                                                  6          87 ± 3         150              20           17
          Kartoffeln (gekocht)                                                     4          82 ± 7         150           16–32         9–251
          Kartoffeln (gebacken)                                                    4          86 ± 6         150              26           222
          Gemüse
          Zuckermais (gekocht)                                                     5          52 ± 5          80             17             9
          grüne Linsen (gekocht)                                                   1          37 ± 3         150             14             5
          Karotten (roh und gekocht)                                               4          39 ± 4          80              6             2
          Milch(-produkte)
          Smoothie (aus Milch und Früchten)                                        4          35 ± 3      250 ml             30            11
          Pudding (Instant, Vanille)                                               1          40 ± 4        100              16             6
          Naturjoghurt                                                             4          19 ± 6        200              14             3
          Milch (Vollfett)                                                         7          31 ± 4      250 ml             12             4
          Getränke
          Orangensaft                                                              4          50 ± 2      250 ml             24            12
          isotonisches Sportgetränk                                                1         70 ± 15      250 ml             18            13
          Sonstiges
          Cashew-Nüsse                                                             5          25 ± 1          50             11             3
          Haushaltszucker                                                          6          65 ± 4          10             10             7
          Schoko-Riegel (USA)                                                      1         68 ± 12          60             40            27
          Nussnougatcreme                                                          3              29          20             12             3
          Kartoffelchips                                                           3              56          50             21            12
          1
              abhängig von der Kartoffelsorte
          2
              hier werden keine Angaben zu den Kartoffelsorten gemacht

                     Tab. 1: GI und GL ausgewählter Lebensmittel (Referenzsubstanz Glukose) [8]

         M 28          Ernährungs Umschau | 1/2013
Einflussfaktoren auf den GI
Bevor das GI-Konzept eingeführt           Retrogradation von Stärke
wurde, galt die Annahme, dass sich        Beim Kochen von Kartoffeln dringt Wasser in die feste Struktur der Stärke
der Anstieg der Blutglukosekonzen-        ein, was zur Gelbildung und einem Aufbrechen der Stärkekörnchen führt
tration als Reaktion auf die Kohlen-      und damit die Stärkeverdauung fördert. Das Amylopektin-Netzwerk bleibt
hydratzufuhr aus der chemischen           hierbei erhalten. Aufgrund seines hohen Wasserbindevermögens quillt die-
Struktur der Kohlenhydrate ableiten       ses sehr stark auf. Die Amylose-Moleküle dagegen lösen sich im heißen
lässt [11]. So wurde mit der Zufuhr       Wasser auf und verändern ihre Struktur. Gelöste niedermolekulare Amylose
von Mono- und Disacchariden ein           lagert sich dann an andere Amylose-Moleküle an und fällt aus der Lösung
starker Anstieg der Blutglukosekon-       aus. Dieses Bestreben, sich mit anderen Amylose-Molekülen zu aggregie-
zentration in Verbindung gebracht,        ren, wird Retrogradation genannt. Abkühlung beschleunigt diesen Pro-
mit der Zufuhr von Polysacchariden        zess. Die retrograde Amylose (resistente Stärke) kann von Enzymen des
dagegen ein geringer. Es stellte sich     Speichels und des Dünndarms nicht verdaut werden und wird erst im Dick-
jedoch heraus, dass diese Beobach-        darm durch die Darmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut [13,
tung nicht unbedingt zutrifft und         15].
der Anstieg der Blutglukosekonzen-
tration als Reaktion auf die Kohlen-
hydratzufuhr nicht über die chemi-
                                          lose- und Amylopektingehalt zwi-          Aus diesem Grund haben heiße
sche Struktur der Kohlenhydrate er-
                                          schen 57 (Basmati-Reis, weiß,             Kartoffeln einen höheren GI als er-
klärbar war. Das führte zur
                                          gekocht) und 109 (Jasmin-Reis,            kaltete Kartoffeln. Wiederholtes Er-
Entwicklung des GI-Konzepts. Auf-
                                          weiß, gekocht) [8].                       hitzen und Abkühlen fördert die
grund der vielen Einflussfaktoren
                                                                                    Bildung von retrograder Stärke
auf den GI lässt sich der GI eines Le-   – Grad der Verarbeitung, z. B. hat
                                                                                    [14].
bensmittels nur schlecht vorhersa-         Vollkornbrot aus fein gemahlenem
gen und muss daher durch eine Mes-         Getreide einen höheren GI als Brot   – Enzyminhibitoren wie α-Amylase-
sung genau bestimmt werden. Zu             mit ganzen Getreidekörnern [8]         Hemmer in Getreide sowie Lektine,
den Einflussfaktoren auf den GI ge-        und Kartoffelbrei hat einen höhe-      Phytate, Tannine und Saponine in
hören:                                     ren GI als gekochte Kartoffeln, da     Hülsenfrüchten, Nüssen und
                                           die Kohlenhydrate in stärker zer-      Samen verlangsamen die Stärke-
– Zusammensetzung der Stärke im
                                           kleinerten Lebensmitteln für En-       verdauung und senken so die gly-
  Lebensmittel, z. B. Gehalt von
                                           zyme besser zugänglich sind.           kämische Antwort.
  Amylose und Amylopektin. Amy-
  lose ist wegen seiner linearen Mo-     – Technologische Bearbeitung, d. h.    – Gehalt an weiteren energieliefern-
  lekülstruktur für Verdauungsen-          Einwirken von Hitze und Feuchtig-      den Nährstoffen in der Nahrung.
  zyme schlechter angreifbar als das       keit. Erhitzen eines kohlenhydrat-     GI-Werte werden meist für einzelne
  verzweigtkettige     Amylopektin.        haltigen Lebensmittels auf über        Lebensmittel und nicht für ganze
  Demzufolge bewirken Lebensmit-           100 °C führt zu einem deutlichen       Mahlzeiten ermittelt. Eine Mahlzeit
  tel mit einem hohen Gehalt an            Anstieg des GI. Rohe Kartoffel-        besteht jedoch aus mehreren Le-
  Amylose einen geringeren Blutglu-        stärke bspw. ist kaum verdaulich.      bensmitteln, die neben Kohlenhy-
  koseanstieg als Lebensmittel mit         Auch beim Abkühlen erhitzter           draten auch Fette und Proteine lie-
  einem hohen Gehalt an Amylopek-          Stärke wird ein Teil in retrograde     fern. Fette verzögern die Magen-
  tin. Die bei verschiedenen Reis-         Stärke umgewandelt, die im             entleerung und reduzieren dadurch
  sorten gemessenen GI-Werte z. B.         Dünndarm nicht hydrolysiert und        die glykämische Antwort [16]1. Die
  liegen in Abhängigkeit vom Amy-          damit nicht verdaut werden kann.       glykämische Antwort bei Gabe von
                                                                                  Kohlenhydraten zusammen mit
                                                                                  Protein fällt niedriger aus als bei
                                                                                  getrennter Kohlenhydrat- oder
 Stärke                                                                           Proteingabe [18]. Lebensmittel mit
 Stärke ist aus Glukoseeinheiten aufgebaut, die unterschiedlich miteinander       einem hohen „Zuckergehalt“ haben
 verknüpft sind. Unverzweigte molekulare Strukturen werden als Amylose            nicht unbedingt einen hohen GI.
 bezeichnet. Amylose ist aus etwa 200 bis 1 000 Glukoseeinheiten zusam-           Saccharose (Haushaltszucker, zu
 mengesetzt und in Form einer Helix gewickelt. Bei Amylopektin dagegen            gleichen Anteilen aus Glukose und
 handelt es sich um verzweigt-verkettete Glukoseeinheiten, im Mittel besitzt      Fruktose bestehend) gehört zu den
 jede 25. Glukoseeinheit eine seitliche Verzweigung. Auch Amylopektin ist,
 zumindest teilweise, spiralig gewickelt. Stärke besteht aus diesen beiden      1
                                                                                Auch Säure verzögert die Magenentleerung
 Hauptbestandteilen [12, 13].                                                   und reduziert dadurch die glykämische Ant-
                                                                                wort [17].

                                                                                    Ernährungs Umschau | 1/2013    M29
DGE | Stellungnahme

           Faktoren, die mit einem niedrigeren        mischen Antwort einhergeht [24].         Kartoffeln in gekochter Form, wel-
           GI des Lebensmittels einhergehen           Der Vergleich des GI von Brot mit        che mit einem niedrigeren GI einher-
           [19]. Auch Fruktose geht mit               ganzen Getreidekörnern und Brot          gehen [28]. Aufgrund dieser unter-
           einem niedrigeren GI des Lebens-           aus fein gemahlenem Vollkorn (s. o.)     schiedlichen Verzehrgewohnheiten in
           mittels einher. Dagegen haben Le-          unterstützt diese Annahme [8].           den USA und Europa sind die nord-
           bensmittel mit einem hohen Glu-            Somit kann man nicht automatisch         amerikanischen Studienergebnisse
           koseanteil, wie z. B. Gummibär-            bei einem hohen Ballaststoffgehalt       bezüglich GI bzw. GL und ihre Aus-
           chen, einen höheren GI.                    eines Lebensmittels auf einen niedri-    wirkungen auf die Gesundheit nicht
                                                      gen GI schließen.                        unbedingt auf die deutsche Situation
                                                                                               übertragbar.
         Ballaststoffhaltige Lebensmittel
         und GI                                       GI der Kartoffel
                                                                                               Ermittlung des GI bzw.
         In welchem Maß der Ballaststoffge-           Der GI von Kartoffeln ist abhängig
                                                                                               der GL der Ernährung
         halt eines Lebensmittels den GI beein-       von Art und Dauer der Zubereitung,
         flusst, ist umstritten. JENKINS et al. [4]   Sorte und Reifegrad [14, 25]. SOH        Die experimentell ermittelten GI-
         fanden keinen Zusammenhang zwi-              und BRAND-MILLER [26] fanden zwar        Werte einzelner Lebensmittel werden
         schen GI und Ballaststoffgehalt ver-         in einer Untersuchung, dass sich         dazu genutzt, den GI bzw. die GL der
         schiedener Lebensmittel. Auch BAO et         Kartoffeln unabhängig von Zuberei-       Ernährung zu schätzen, um sowohl
         al. [6] zeigten, dass die postprandiale      tungsmethode, Sorte und Reifegrad        in Beobachtungsstudien als auch in
         Blutglukoseantwort nicht mit dem             durch einen hohen GI auszeichnen,        Interventionsstudien Ernährungs-
         absoluten Ballaststoffgehalt von Le-         jedoch ist in verschiedenen Untersu-     formen mit unterschiedlichem GI
         bensmitteln korreliert.                      chungen die hohe Variation der GI-       miteinander zu vergleichen.
                                                      Werte von Kartoffeln besonders auf-      In Bezug auf die Bestimmung des GI
         Entgegen der früheren Annahme,               fällig [8]. Kartoffelzubereitungen wie   einzelner Lebensmittel bzw. des GI
         dass eine hohe Ballaststoffzufuhr            Kartoffelbrei, Backofen-Pommes-          bzw. der GL der Ernährung sind ver-
         mit einem niedrigen GI der Ernäh-            frites und Backofenkartoffeln weisen     schiedene Probleme zu diskutieren.
         rung einhergeht, zeigt eine Auswer-          meist einen GI > 70 auf. Nach dem        Wie bereits erläutert, wird der GI
         tung der EPIC-Studie (European Pro-          Verzehr von im Mikrowellengerät          eines Lebensmittels von zahlreichen
         spective Investigation into Cancer and       gekochten Kartoffeln wurden eben-        Faktoren wie der Zusammensetzung
         Nutrition), dass der GI der Ernährung        falls hohe GI-Werte gemessen. Her-       der Ernährung, der Verarbeitung
         nur schwach mit der zugeführten              kömmlich auf dem Herd gekochte           und Zubereitung des Lebensmittels
         Ballaststoffmenge korreliert [20].           Kartoffeln dagegen haben in der          beeinflusst. Darüber hinaus werden
         Publikationen zur Nurses‘ Health             Regel einen GI < 70, wobei es starke     in Beobachtungsstudien v. a. bei gro-
         Study und ARIC-Study (Atherosclerosis        Schwankungen zwischen den unter-         ßen Kohorten Ernährungsfragebö-
         Risk in Communities Study) zeigen            schiedlichen Kartoffelsorten gibt. Es    gen (food frequency questionnaires,
         sogar, dass eine hohe Ballaststoffzu-        sind einige Kartoffelsorten bekannt,     FFQ) eingesetzt, um die durch-
         fuhr aus Getreide auch mit einem             die unabhängig von ihrer Zuberei-        schnittliche Nahrungszufuhr der
         höheren GI der Ernährung einherge-           tung einen geringen GI aufweisen.        Teilnehmer zu charakterisieren. Hier-
         hen kann [21, 22].                           Allerdings machen Studien nur sel-       durch wird dann anhand von Daten-
         Andere Autoren diskutieren einen             ten Angaben zur verzehrten Kartof-       banken der GI bzw. die GL der Er-
         Zusammenhang zwischen einem                  felsorte [27].                           nährung berechnet [29]. Faktoren
         hohen Gehalt an löslichen Ballast-                                                    wie z. B. der Gehalt an weiteren ener-
                                                      Meistens beziehen sich die Angaben
         stoffen (z. B. Hemizellulose, Pektin                                                  gieliefernden Nährstoffen in der
                                                      zum GI auf sehr reife Kartoffeln,
         und Guargummi) und einem niedri-                                                      Nahrung (s. o.), die die glykämische
                                                      deren Stärke aufgrund des höheren
         gen GI eines Lebensmittels [23]. Je-                                                  Antwort auf das verzehrte Lebens-
                                                      Anteils an Amylopektin einfacher zu
         doch hat wahrscheinlich nicht der                                                     mittel beeinflussen, sind jedoch nicht
                                                      verdauen ist. Der höhere Anteil an
         absolute Gehalt an Ballaststoffen,                                                    in den Datenbanken enthalten. Da-
                                                      Amylose von Frühkartoffeln bedingt
         sondern die Anordnung der Ballast-                                                    rüber hinaus ist es oft nicht möglich,
                                                      dementsprechend einen geringeren
         stoffe im Lebensmittel einen Einfluss                                                 mit in den Fragebögen erfassten Le-
                                                      GI. Festkochende Kartoffelsorten
         auf die Blutglukoseantwort. In                                                        bensmittelgruppen einzelne Lebens-
                                                      zeichnen sich generell durch einen
         ihrem natürlichen botanischen Ver-                                                    mittel mit unterschiedlich hohem GI
                                                      niedrigeren GI aus als mehlig ko-
         band schließen Ballaststoffe die Stär-                                                getrennt auszuwerten. Als Beispiel
                                                      chende Kartoffeln [25].
         kekörnchen ein und bilden so eine                                                     hierfür dient der bereits erwähnte
         physikalische Barriere gegen Verdau-         In den USA werden Kartoffeln über-       Vergleich des GI von Vollkornbrot
         ungsenzyme, was mit einer verzö-             wiegend gebacken, frittiert oder in      mit ganzen Getreidekörnern und
         gerten Freisetzung der Kohlenhy-             Form von Kartoffelbrei verzehrt.         Brot aus fein gemahlenem Vollkorn.
         drate und einer verringerten glykä-          Viele Europäer bevorzugen dagegen        Alternativen bei der Zuordnung der

         M 30      Ernährungs Umschau | 1/2013
GI-Werte aus den Tabellen können bei     Krankheiten war nicht Inhalt der          der Ergebnisse aller Studien wird die
der Auswertung der Fragebögen zu         Leitlinie. Im Folgenden werden die        Evidenz für eine positive Assoziation
einem unterschiedlichen GI bzw. un-      Ergebnisse der KH-Leitlinie [30] dar-     als möglich eingestuft. Für die GL
terschiedlicher GL der Ernährung         gestellt. Weitere Publikationen (Inter-   weist die Mehrzahl der Studien auf
führen. All dies führt unter Um-         ventions- und Kohortenstudien             keinen Zusammenhang hin. Zwei
ständen zu widersprüchlichen Er-         sowie deren Meta-Analysen), die           Meta-Analysen weisen im Gesamt-
gebnissen oder auch zur Fehlein-         nach der KH-Leitlinie bis zum             ergebnis zwar auf eine positive Be-
schätzung des Zusammenhangs              15. Juli 2012 zum Zusammenhang            ziehung hin, sind aber durch metho-
zwischen GI bzw. GL und den ver-         zwischen GI bzw. GL und den in der        dische Schwächen gekennzeichnet
schiedenen ernährungsmitbedingten        KH-Leitlinie untersuchten Krankhei-       (z. B. Heterogenität, selektive Studi-
Krankheiten. Gegenwärtig gibt es je-     ten veröffentlicht wurden, werden         enauswahl, Ergebnisse einer Kohor-
doch keine andere Methode zur Ab-        gegebenenfalls an entsprechender          tenstudie fließen zweimal ein). Die
schätzung des GI bzw. der GL der Er-     Stelle genannt.                           Evidenz für einen fehlenden Zusam-
nährung.                                                                           menhang zwischen der GL und dem
                                                                                   Risiko für Diabetes mellitus Typ 2
                                         GI bzw. GL und Adipositas
                                                                                   wird aufgrund der heterogenen Stu-
Rolle von GI bzw. GL
                                         Zum Ende der Literaturrecherche für       dienergebnisse als möglich bewertet
für die Prävention ernäh-
                                         die KH-Leitlinie (s. o.) lagen zur Un-    [30].
rungsmitbedingter                        tersuchung des Zusammenhangs              Eine nach der Erstellung der KH-Leit-
Krankheiten                              zwischen dem GI und der Prävention        linie publizierte Auswertung einer
In der evidenzbasierten Leitlinie        der Adipositas bei Erwachsenen drei       finnischen Kohorte mit 25 943 Rau-
„Kohlenhydratzufuhr und Präven-          Kohortenstudien und eine Interven-        chern zeigte keinen signifikanten
tion ernährungsmitbedingter Krank-       tionsstudie vor. Diese Studien legen      Zusammenhang zwischen dem GI
heiten“ (= KH-Leitlinie) der DGE         nahe, dass ein hoher GI in der Er-        bzw. der GL und dem Risiko für Dia-
wurde der Zusammenhang der               nährung bei Frauen mit möglicher          betes mellitus Typ 2 [35]. Eine wei-
quantitativen und qualitativen Koh-      Evidenz mit einem erhöhten Adipo-         tere Meta-Analyse von elf prospekti-
lenhydratzufuhr mit dem Risiko für       sitasrisiko einhergeht, während die       ven Kohortenstudien, die alle in der
Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2,     Evidenz für einen Zusammenhang            KH-Leitlinie berücksichtigt wurden,
Dyslipoproteinämie, Hypertonie,          bei Männern unzureichend ist. Für         ergab eine signifikante Risikoerhö-
metabolisches Syndrom, koronare          die GL legen die drei Kohortenstudien     hung für Diabetes mellitus Typ 2
Herzkrankheit (KHK) und Krebs-           übereinstimmend nahe, dass kein           durch eine Erhöhung des GI sowie
krankheiten auf Basis der bis Ende       Zusammenhang mit dem Adiposi-             der GL [36]. Nach dieser Meta-Ana-
2009 publizierten Studien (Interven-     tasrisiko bei Erwachsenen besteht.        lyse wurden zwei weitere Kohorten-
tions- und Kohortenstudien sowie         Die diesbezügliche Evidenz wird als       studien publiziert. Die eine Kohor-
deren Meta-Analysen) untersucht.         möglich eingestuft. Für Kinder und        tenstudie mit chinesischen Erwach-
Aus dem Jahr 2010 wurden darüber         Jugendliche ist die Evidenz zur Rolle     senen konnte keinen Zusammen-
hinaus Meta-Analysen mit einbezo-        des GI bzw. der GL in der Adipositas-     hang zwischen der GL und dem Ri-
gen, die bis zum 15.12.2010 veröf-       entstehung unzureichend [30].             siko für Diabetes mellitus Typ 2 fest-
fentlicht wurden [30]. Die Bedeu-        In einer nach der Erstellung der KH-      stellen [37]. Die andere Kohortenstu-
tung des GI bzw. der GL für das Ri-      Leitlinie publizierten Auswertung der     die mit japanischen Männern zeigte
siko der Entstehung der genannten        EPIC-Studie war das Risiko für die        eine signifikant positive Assoziation
Krankheiten wurde in diesem Rah-         viszerale Adipositas bei Frauen und       zwischen dem GI und dem Risiko für
men ebenfalls untersucht. Neben den      Männern signifikant positiv mit dem       Diabetes mellitus Typ 2, für die GL
in der KH-Leitlinie berücksichtigten     GI assoziiert, wobei eine Erhöhung        ergab sich kein Zusammenhang
Krankheiten werden der GI bzw. die       der GL nur bei den Frauen mit einer       [38].
GL darüber hinaus noch mit einer         signifikanten Risikoerhöhung asso-
Reihe weiterer Krankheiten, wie z. B.    ziiert war [34].
                                                                                   GI bzw. GL und Dyslipo-
altersbedingten Augenkrankheiten
                                                                                   proteinämie
und entzündungsassoziierten Krank-
                                         GI bzw. GL und Diabetes                   Einfluss auf die Konzentration von
heiten, in Verbindung gebracht
                                         mellitus Typ 2                            Gesamt- und LDL-Cholesterol
[31–33].
In der Leitlinie wird dargestellt, in-   Die KH-Leitlinie zitiert eine Meta-       In der KH-Leitlinie wurde aufgrund
wieweit eine Ernährung mit einem         Analyse, die einen Teil der bis dato      der Ergebnisse von zwei Meta-Ana-
niedrigen GI bzw. einer niedrigen GL     publizierten Kohortenstudien enthält      lysen von Interventionsstudien (von
mit einem primärpräventiven Nut-         und ein höheres Diabetesrisiko mit        13 bzw. drei Interventionsstudien)
zen verbunden ist. Die mögliche Rolle    höherem GI der Ernährung aus-             und vier weiteren Einzelstudien
des GI in der Therapie chronischer       weist. Aufgrund der Heterogenität         (zwei Interventions- und zwei Ko-        쑺

                                                                                     Ernährungs Umschau | 1/2013   M31
DGE | Stellungnahme

         hortenstudien) gezeigt, dass ein        die Konzentration des HDL-Choleste-      dagegen nicht mit der Nüchterntri-
         hoher GI die Konzentration des Ge-      rols im Plasma hat. Die Evidenz für      glyzeridkonzentration im Plasma as-
         samtcholesterols im Plasma mit          eine Beziehung der GL zur Konzen-        soziiert.
         wahrscheinlicher Evidenz erhöht. Die    tration des HDL-Cholesterols im
         Evidenz für eine Beziehung des GI       Plasma wird aufgrund der zu gerin-       Die bereits erwähnte DiOGenes-In-
         zur LDL-Cholesterolkonzentration        gen Anzahl von Studien als unzurei-      terventionsstudie zeigte bei Überge-
         im Plasma ist wegen inkonsistenter      chend bewertet [30].                     wichtigen keinen Zusammenhang
         Ergebnisse unzureichend.                                                         zwischen den Nüchterntriglyzerid-
         Zur Untersuchung der Beziehung          Die nach der Erstellung der KH-Leit-     konzentrationen im Plasma und dem
         zwischen GL und den Konzentratio-       linie publizierte und bereits zitierte   GI in der Ernährung [40]. In der
         nen von Gesamt- und LDL-Choleste-       randomisierte kontrollierte Interven-    ebenfalls bereits erwähnten Inter-
         rol im Plasma lagen zum Ende der        tionsstudie mit neun männlichen          ventionsstudie von EBBELING et al.
         Literaturrecherche für die KH-Leitli-   und sechs weiblichen Übergewichti-       [41] war die Nüchterntriglyzerid-
         nie nur zwei Kohortenstudien vor,       gen, deren Aussagekraft aber durch       konzentration bei einer Ernährung
         sodass die Evidenz als unzureichend     die geringe Teilnehmerzahl einge-        mit niedrigem GI und niedriger GL
         bewertet wird [30].                     schränkt ist, zeigte keinen signifi-     signifikant niedriger als bei einer Er-
                                                 kanten Zusammenhang zwischen             nährung mit hohem GI und hoher
         In einer nach der Erstellung der KH-    GL und der HDL-Cholesterolkonzen-        GL.
         Leitlinie veröffentlichten randomi-     tration [39].
         sierten kontrollierten Interventions-
         studie mit neun männlichen und                                                   GI bzw. GL und koronare
                                                 In der DiOGenes-Interventionsstudie
         sechs weiblichen Übergewichtigen                                                 Herzkrankheit (KHK)
                                                 gab es keinen Zusammenhang zwi-
         zeigte sich kein Zusammenhang der       schen dem GI der Ernährung und der       Die KH-Leitlinie kommt zu dem Er-
         GL mit der Konzentration von Ge-        Konzentration des HDL-Cholesterols       gebnis, dass in Bezug auf das Risiko
         samt- und LDL-Cholesterol im            im Plasma [40]. In der Interven-         für KHK signifikant positive Asso-
         Plasma [39]. Aufgrund der geringen      tionsstudie von EBBELING et al. [41]     ziationen für GI bzw. GL nur bei
         Teilnehmerzahl kann dieser Studie al-   war die HDL-Cholesterolkonzentra-        Frauen beobachtet wurden. Zum
         lerdings keine starke Aussagekraft      tion im Serum bei einer Ernährung        Zusammenhang zwischen GI und
         zugesprochen werden.                    mit niedrigem GI und niedriger GL        dem Risiko für KHK liegen für Frauen
         Die DiOGenes-Interventionsstudie        signifikant höher als bei einer Er-      und Männer jeweils zwei Kohorten-
         konnte keinen signifikanten Zusam-      nährung mit hohem GI und hoher           studien und eine Meta-Analyse von
         menhang bei Übergewichtigen zwi-        GL.                                      Kohortenstudien vor. Der Zusam-
         schen dem GI der Ernährung und                                                   menhang zwischen GL und KHK-Ri-
         den Gesamt- und LDL-Cholesterol-        Einfluss auf die Konzentration           siko bei Frauen wurde in drei, bei
         konzentrationen im Plasma feststel-     der Triglyzeride                         Männern in zwei Kohortenstudien
         len [40]. Dagegen war in einer wei-     In der KH-Leitlinie wird auf der Basis   untersucht. Eine Meta-Analyse von
         teren Inter ventionsstudie mit 21       der Ergebnisse einer Meta-Analyse        2009 von fünf Kohortenstudien
         Frauen und Männern, während der         (die sieben Interventionsstudien mit     wertete den Einfluss von GI und GL
         Phase der Gewichtserhaltung nach        normalgewichtigen Personen ent-          zusammen aus. Aufgrund der Er-
         einem Gewichtsverlust, die Konzen-      hält) die Evidenz dafür, dass eine       gebnisse dieser Studien wird die Evi-
         tration von Gesamt- und LDL-            hohe GL bei normalgewichtigen Per-       denz für ein erhöhtes KHK-Risiko bei
         Cholesterol im Serum bei einer Er-      sonen zu einem geringen Anstieg der      hohem GI bzw. hoher GL der Ernäh-
         nährung mit niedrigem GI und nied-      Nüchterntriglyzeridkonzentration         rung bei Frauen mit möglich bewer-
         riger GL im Vergleich zu einer          im Plasma führt, als wahrscheinlich      tet. Bei Männern besteht mit mögli-
         Ernährung mit hohem GI und hoher        bewertet. Dagegen hat ein hoher GI       cher Evidenz kein Zusammenhang
         GL signifikant niedriger [41].          mit wahrscheinlicher Evidenz auf         [30].
                                                 der Basis von zwei Meta-Analysen
         Einfluss auf die Konzentration von      von 13 bzw. drei Interventionsstu-       Nach der Publikation der KH-Leitli-
         HDL-Cholesterol                         dien keinen Einfluss auf die Nüch-       nie wurden weitere Kohortenstudien
         Die KH-Leitlinie zeigt, dass aufgrund   terntriglyzeridkonzentration       im    zur Beziehung von GI bzw. GL zum
         der weitgehend einheitlichen Ergeb-     Plasma [30].                             KHK-Risiko veröffentlicht. In einer
         nisse aus zwei Meta-Analysen von                                                 Auswertung der EPICOR-Studie,
         Interventionsstudien (von 13 bzw.       In der nach der Erstellung der KH-       einer italienischen Subkohorte der
         drei Interventionsstudien), zwei In-    Leitlinie veröffentlichten bereits er-   EPIC-Kohorte, war die GL der Ernäh-
         terventions- und zwei Kohortenstu-      wähnten Interventionsstudie von          rung bei Frauen signifikant positiv
         dien die Höhe des GI mit überzeu-       VROLIX und MENSINK [39], war mit         mit dem Risiko für KHK assoziiert
         gender Evidenz keinen Einfluss auf      eingeschränkter Aussagekraft die GL      (höchstes versus niedrigstes Quartil),

         M 32     Ernährungs Umschau | 1/2013
der GI der Ernährung war dagegen          GI bzw. GL und Krebs-                       falls berücksichtigt wurde, berech-
nicht mit dem KHK-Risiko assoziiert.      krankheiten                                 nete eine signifikant positive Risiko-
Bei Männern gab es keine signifikan-                                                  beziehung für den GI und Brust-
                                          In der KH-Leitlinie wird die Evidenz
ten Zusammenhänge [42]. Eine dä-                                                      krebs, in Bezug auf die GL gab es kei-
                                          zum Zusammenhang zwischen GI
nische Kohortenstudie ergab bei                                                       nen signifikanten Zusammenhang
                                          bzw. GL der Ernährung und dem Ri-
Männern einen signifikanten inver-                                                    [53]. Eine Auswertung der Women’s
                                          siko für maligne Tumoren in der
sen Zusammenhang zwischen GI                                                          Health Initiative Observational Study,
                                          Speiseröhre und im Magen als unzu-
und dem Risiko für KHK, die GL war                                                    die nicht in der angesprochenen
                                          reichend bewertet. Für Krebs im Ko-
dagegen nicht mit dem KHK-Risiko                                                      Meta-Analyse enthalten ist, zeigte
                                          lorektum gibt es mit möglicher Evi-
assoziiert. Bei Frauen zeigte sich kein                                               keinen Zusammenhang zwischen
                                          denz eine positive Risikoassoziation
Zusammenhang zwischen dem GI                                                          dem GI bzw. der GL der Ernährung
                                          mit dem GI. Es besteht mit möglicher
und dem KHK-Risiko, dagegen ging                                                      und dem Risiko für Brustkrebs [54].
                                          Evidenz keine Beziehung zwischen GI
eine Erhöhung der GL mit einem er-
                                          und Krebsrisiko in der Gebärmutter-
höhten Risiko für KHK einher [43].                                                    In einer Kohortenstudie mit chinesi-
                                          schleimhaut, Brust und Bauchspei-
Übergewichtige Männer einer finni-                                                    schen Frauen [55] und in einer Me-
                                          cheldrüse. Die Evidenz für eine posi-
schen Kohorte hatten bei einer Erhö-                                                  taanalyse von 14 Kohortenstudien
                                          tive Risikobeziehung zwischen GL
hung des GI sowie der GL ein erhöh-                                                   [56], in der diese Kohortenstudie be-
                                          und Krebsrisiko in der Gebärmutter-
tes Risiko für KHK, bei Normalge-                                                     rücksichtigt wurde, waren GI und
                                          schleimhaut wird mit möglich be-
wichtigen gab es keinen signifi-                                                      GL nicht mit dem Risiko für maligne
                                          wertet. Es besteht mit möglicher Evi-
kanten Zusammenhang [44]. In der                                                      Tumoren im Kolorektum assozi-
                                          denz keine Beziehung zwischen der
ARIC-Studie (Atherosclerosis Risk in                                                  iert. In einer Auswertung der Wo-
                                          GL und dem Risiko für maligne Tu-
Communities Study) war bei Afro-                                                      men’s Health Initiative Observational
                                          moren im Kolorektum und in der
Amerikanerinnen und -Amerikanern                                                      Study gab es keinen Zusammenhang
                                          Bauchspeicheldrüse. Die Evidenz für
der GI und bei Kaukasiern die GL sig-                                                 zwischen dem Risiko für Pankreas-
                                          eine fehlende Risikobeziehung zwi-
nifikant positiv mit dem KHK-Risiko                                                   krebs und GI bzw. GL [57]. MEIN-
                                          schen GL und Brustkrebs wird als
assoziiert [45]. Eine weitere dänische                                                HOLD et al. [58] fanden ebenfalls keine
                                          wahrscheinlich eingestuft [30].
Kohortenstudie zeigte, dass ein ge-                                                   Risikoassoziation für Pankreaskrebs
ringerer Verzehr von gesättigten          In Bezug auf eine Risikobeziehung           und GI in der PLCO (Prostate, Lung,
Fettsäuren zugunsten von Kohlen-          zwischen den angesprochenen Krebs-          Colorectal and Ovarian Cancer Scree-
hydraten mit einem hohen GI bei           lokalisationen und dem GI bzw. der          ning)-Kohorte, jedoch eine signifi-
Frauen und Männern signifikant mit        GL wurden nach der Veröffentli-             kante Risikoerhöhung für maligne
einer Risikoerhöhung für KHK asso-        chung der KH-Leitlinie weitere Stu-         Tumoren im Pankreas durch eine Er-
ziiert war [46]. Bei schwedischen         dien publiziert. In einer Auswertung        höhung der GL.
Frauen zeigte sich kein Zusammen-         der Nurses’ Health Study II [51] und
hang zwischen dem GI sowie der GL         der EPIC-Studie [52] waren GI und           Eine Meta-Analyse von sechs Kohor-
und dem Risiko für KHK [47, 48].          GL insgesamt nicht mit dem Risiko           ten- und zwei Fall-Kontroll-Studien
Eine Auswertung der prospektiven          für Brustkrebs assoziiert. Eine             zeigte, dass die GL, nicht jedoch der
Kohortenstudie EPIC-Morgen mit            Meta-Analyse von zehn prospekti-            GI, signifikant positiv mit dem Risiko
holländischen Männern und Frauen          ven Kohortenstudien, in der die er-         für Krebs in der Gebärmutter-
konnte keinen Zusammenhang für            wähnte Studie von LINOS et al. eben-        schleimhaut assoziiert war [59].
den GI der Ernährung und dem Ri-
siko für KHK feststellen. Die GL der
Ernährung war bei Männern signi-
fikant mit einem erhöhten Risiko für
KHK assoziiert, bei Frauen ergab sich
                                                                                   GL
                                                                                    =
kein Zusammenhang [49].
                                                                             (   GI ⫻ KH
                                                                                   100     )
                                                                                 SENKEN
Eine Meta-Analyse von acht Kohor-
tenstudien, die vier Studien aus der
KH-Leitlinie sowie vier der bereits ge-          GI senken                       und/oder                  KH-Zufuhr senken
                                                        =                                                           =
nannten nach der KH-Leitlinie veröf-           bevorzugte Zufuhr                                                Fett- und
fentlichten Studien berücksichtigte            von Lebensmitteln                                              Proteinzufuhr
                                                mit niedrigem GI                                                erhöhen
[42–44, 47], zeigte, dass ein hoher GI
und eine hohe GL der Ernährung sig-
nifikant das Risiko für KHK bei
Frauen, jedoch nicht bei Männern,                Abb. 2: Senken der Glykämischen Last (GL)
erhöhte [50].                                            KH = [verzehrte verwertbare] Kohlenhydrate (g)                             쑺

                                                                                            Ernährungs Umschau | 1/2013       M33
DGE | Stellungnahme

         GI bzw. GL und Hypertonie                Als besonders geeignete Kohlenhy-        Hungergefühle mindern und die Ge-
         sowie metabolisches Syndrom              dratquellen benennt die Experten-        wichtsabnahme fördern soll und da-
                                                  gruppe „in angemessener Weise ver-       rüber hinaus das Risiko für Diabetes
         Die KH-Leitlinie zeigt auf, dass für
                                                  arbeitete“ Getreideprodukte, Gemüse,     mellitus Typ 2, KHK und Krebs sen-
         die Hypertonie nicht genügend
                                                  Hülsenfrüchte und Obst. Bei der          ken soll.
         Daten vorliegen, um die Beziehung
                                                  Auswahl von Lebensmitteln ähnli-
         zu einer Ernährung mit unterschied-
                                                  cher Zusammensetzung innerhalb           Ernährungskonzepte zur Senkung
         lich hohem GI bzw. GL bewerten zu
                                                  einer Lebensmittelgruppe sollte der      der GL
         können, sodass die Evidenz als un-
                                                  GI als Kriterium mit herangezogen        LUDWIG [66] schlägt eine moderate
         zureichend bewertet wird. Zum Zu-
                                                  werden [61]. Neben der FAO/WHO           Senkung der Kohlenhydratzufuhr
         sammenhang zwischen dem meta-
                                                  befürworten Gesundheitsbehörden          vor. In seiner Low Glycemic Load-Py-
         bolischen Syndrom und dem GI bzw.
                                                  aus Großbritannien, Kanada und           ramide bilden Obst, nicht-stärkehal-
         der GL in der Ernährung wurden
                                                  Australien die Idee eines niedrigen GI   tiges Gemüse und Hülsenfrüchte die
         zum Ende der Literaturrecherche für
                                                  in der Ernährung [62].                   Ernährungsgrundlage. Produkte aus
         die KH-Leitlinie keine Kohorten- und
                                                                                           niedrig ausgemahlenem Getreide,
         Interventionsstudien gefunden [30].
                                                  Die Europäische Behörde für Lebens-      Süßwaren und Kartoffeln werden
                                                  mittelsicherheit (EFSA) [63] sowie die   hier an der Spitze positioniert.
         Die nach der Erstellung der KH-Leit-
                                                  US-amerikanischen Ernährungs-            Auch von Experten der Harvard Uni-
         linie veröffentlichte DiOGenes-Inter-
                                                  empfehlungen [64] sprechen sich          versität, USA, wird nicht der GI, son-
         ventionsstudie konnte bei Überge-
                                                  bisher aufgrund der geschilderten        dern die GL als relevanter Parameter
         wichtigen keinen signifikanten Zu-
                                                  methodischen Probleme gegen eine         zur Senkung der glykämischen Ant-
         sammenhang zwischen dem GI der
                                                  Berücksichtigung des GI oder der GL      wort angesehen [21, 67]. Sie weisen
         Ernährung und dem systolischen
                                                  in der Ernährung aus.                    darauf hin, dass bei alleiniger Be-
         und diastolischen Blutdruck feststel-
         len [40]. Eine weitere Interventions-                                             rücksichtigung des GI v. a. solche Le-
         studie mit 21 Frauen und Männern         Reduktion des GI bzw. der GL             bensmittel schlechter beurteilt wer-
         zeigte ebenfalls keine Unterschiede in   in der Ernährung                         den, die zwar einen hohen GI, aber
         Bezug auf den Blutdruck zwischen                                                  eine geringe Kohlenhydratmenge pro
                                                  Die GL der Ernährung kann auf ver-       Portion aufweisen (s. o.). Die Healthy
         einer Ernährung mit niedrigem GI
                                                  schiedene Weise reduziert werden:        Eating Pyramid von WILLETT et al.
         und niedriger GL und einer Ernäh-
                                                  durch die bevorzugte Zufuhr von Le-      [67] berücksichtigt im Gegensatz zu
         rung mit hohem GI und hoher GL
                                                  bensmitteln mit einem niedrigen GI,      anderen Ernährungspyramiden auch
         [41].
                                                  durch die Verringerung der Kohlen-       Lebensstilfaktoren. Tägliche Bewe-
         In einer prospektiven Kohortenstudie     hydratzufuhr oder durch eine Kom-        gung und die Kontrolle des Körper-
         mit Jugendlichen im Alter von 12 bis     bination aus beidem (쏆 Abbildung 2).     gewichts bilden die Basis seiner Py-
         17 Jahren waren der GI und die GL        Diese Möglichkeiten werden in Er-        ramide. Bezüglich der Lebensmittel-
         der Ernährung bei Mädchen signifi-       nährungskonzepten unterschiedlich        auswahl stellen nicht nur Obst und
         kant mit dem systolischen Blutdruck      umgesetzt. LIVESEY et al. [65] konn-     Gemüse wie bei LUDWIG, sondern
         assoziiert [60].                         ten in einer Meta-Analyse zeigen,        auch Vollkornprodukte die Ernäh-
                                                  dass Ansätze zur alleinigen Reduk-       rungsgrundlage dar. Auch hier sind
                                                  tion des GI meist mit einer Verrin-
         Umsetzung von GI und GL                                                           Produkte aus niedrig ausgemahle-
                                                  gerung der GL einhergehen.               nem Getreide und die Kartoffel an der
         in Ernährungskonzepte
                                                                                           Spitze positioniert.
         Internationale Empfehlungen
                                                  Die Ernährungskonzepte                   WILLETT räumt dem GI eine ähnliche
         Im Rahmen eines Expertenwork-
         shops der FAO/WHO zu Kohlenhy-           Zwei verschiedene Ernährungskon-         Bedeutung ein wie die Experten-
         draten in der menschlichen Ernäh-        zepte aus den USA von LUDWIG [62,        gruppen der FAO/WHO: Bei der
         rung wurde 1997 die Empfehlung           66] und WILLETT [67, 68] fokussieren     Wahl zwischen verschiedenen Le-
         bezüglich einer kohlenhydratbeton-       die GL. Der kanadische Wissen-           bensmitteln innerhalb einer Gruppe
         ten Ernährung mit mindestens 55 %        schaftler WOLEVER und die australi-      sollten die mit dem niedrigen GI aus-
         der Energiezufuhr aus Kohlenhydra-       sche Wissenschaftlerin BRAND-MILLER      gewählt werden, also bspw. Getrei-
         ten ausgesprochen. Der Großteil der      dagegen fokussieren in ihren Aus-        deprodukte aus Vollkorn (mit gan-
         kohlenhydrathaltigen Lebensmittel        führungen den GI [69]. Ziel all die-     zen Körnern) statt Produkte aus
         sollte reich an nicht-stärkehaltigen     ser Ansätze ist eine Ernährung, mit      niedrig ausgemahlenem Getreide.
         Polysacchariden sein, also Zellulose,    der die Blutglukose- und Insulinant-     Die Ernährungskonzepte von LUDWIG
         Hemizellulose, Pektine, Pflanzen-        wort auf zugeführte Kohlenhydrate        und WILLETT sehen eine sparsame
         gummi und anderen Ballaststoffen,        verringert wird, was den Zugang zu       Verwendung von Produkten aus
         und einen niedrigen GI aufweisen.        gespeicherter Energie verbessern,        niedrig ausgemahlenem Getreide und

         M 34     Ernährungs Umschau | 1/2013
Kartoffeln vor. In Bezug auf die spar-   In Australien wird ein GI-Symbol für      tungsstudien dazu beitragen, dass
same Verwendung von Kartoffeln           bestimmte Lebensmittel vergeben,          diese Zusammenhänge auch in Zu-
weichen sie somit von traditionellen     sofern diese die geforderten Anforde-     kunft nicht mit höheren Härtegra-
Ernährungskonzepten wie den Die-         rungen erfüllen2. Die Vergabe der Li-     den abgesichert werden können.
tary Guidelines for Americans [64] und   zenz für das GI-Symbol erfolgt
den 10 Regeln der DGE [70] ab. Die       durch die Glycemic Index Founda-          Die KH-Leitlinie zeigte, dass eine Er-
hohe Nährstoffdichte der Kartoffel       tion, hinter der u. a. die Universität    nährung mit hohem GI das Risiko
wiegt nach Ansicht von LUDWIG und        Sydney mit der Arbeitsgruppe von          für Adipositas (bei Frauen), Diabetes
WILLETT ihre hohe GL nicht auf, was      BRAND -MILLER steht. Die Einteilung       mellitus Typ 2, KHK (bei Frauen) und
in der oben genannten Empfehlung         der Lebensmittel erfolgt nach festge-     malignen Tumoren im Kolorektum
in einer sparsamen Verwendung re-        legten Grenzwerten in solche mit          mit möglicher Evidenz erhöht. Mit
sultiert (wobei hier zu berücksichti-    hohem, mittlerem und niedrigem GI.        wahrscheinlicher Evidenz erhöht eine
gen ist, dass es sich um ein US-         Ein GI bis 55 (Referenzlebensmittel       Ernährung mit hohem GI auch die
amerikanisches Konzept handelt und       Glukose) wird als niedrig, ein Wert       Konzentration des Gesamtcholeste-
die US-Verzehrgewohnheiten Kartof-       zwischen 56 und 69 als mittel und         rols. Eine Ernährung mit einer hohen
feln mit einem hohen GI favorisieren)    ein GI ab 70 als hoch angesehen [8].      GL erhöht das Risiko für maligne Tu-
[28]. In Europa dagegen werden Ver-      Die Produkte müssen durch aner-           moren in der Gebärmutterschleim-
zehrgewohnheiten favorisiert, die        kannte Labore nach den australi-          haut und KHK (Frauen) mit mögli-
mit einem niedrigeren GI einher-         schen Standardverfahren getestet          cher, das Risiko für eine Erhöhung
gehen (s. o.).                           werden. Die Lebensmittel müssen           der Triglyzeridkonzentration mit
                                         strenge Kriterien in Bezug auf ihren      wahrscheinlicher Evidenz.
Ernährungskonzept zur Senkung            Energie-, Fett- und Ballaststoffgehalt
des GI                                   erfüllen, d. h. eine alleinige Ausrich-   Inzwischen sind eine Reihe weiterer
Die Wissenschaftler WOLEVER und          tung der Ernährung am Konzept des         Studien auch zu diesen Krankheits-
BRAND-MILLER postulieren, kohlenhy-      GI wird auch von Befürwortern des         bildern veröffentlicht worden, die
dratreiche Grundlebensmittel mit         GI nicht als sinnvoll angesehen [72].     vielfach – zumindest für vulnerable
hohem GI gezielt durch vergleichbare                                               Untergruppen (z. B. Übergewichtige)
mit niedrigerem GI zu ersetzen [69].                                               – eine Risikoerhöhung durch eine Er-
Hintergrund ist die Argumentation,                                                 höhung von GI bzw. GL nahelegen.
                                         Zusammenfassung und
dass günstige Effekte auf die Ge-
                                         Fazit
sundheit in Interventions- und Be-                                                 Die nach der Literaturrecherche für
obachtungsstudien bereits bei einer      Als relative Größe der glykämischen       die KH-Leitlinie veröffentlichten und
relativ geringen Senkung des GI der      Antwort (Erhöhung der Blutgluko-          hier dargestellten Studien zum pri-
Ernährung (< 10 Einheiten) zu be-        sekonzentration) auf die Zufuhr           märpräventiven Nutzen einer Er-
obachten sind [9, 71]. Nach BRAND-       einer definierten Kohlenhydratmenge       nährung mit einem niedrigen GI
MILLER et al. [72] profitieren v. a.     ist der glykämische Index (GI) ein In-    bzw. einer niedrigen GL weisen ten-
Menschen mit Insulinresistenz von        dikator für die Qualität der verzehr-     denziell in die gleiche Richtung wie
der Berücksichtigung des GI bei der      ten Kohlenhydrate. Die glykämische        die Evidenzbewertung der KH-Leitli-
Auswahl kohlenhydratreicher Le-          Last (GL) ist das Produkt aus dem GI      nie zu GI und GL. Im Rahmen einer
bensmittel. Da keine negativen Aus-      eines Lebensmittels und dessen ver-       Überarbeitung der KH-Leitlinie wird
wirkungen für die Allgemeinbevöl-        wertbarer Kohlenhydratmenge und           die KH-Leitlinienkommission gegebe-
kerung zu erwarten seien, wird das       berücksichtigt somit neben der Art        nenfalls eine Neubewertung der Evi-
Konzept auch von einigen Wissen-         der Kohlenhydrate auch die zuge-          denz für den Zusammenhang zwi-
schaftlern für die Gesamtbevölke-        führte Kohlenhydratmenge.                 schen GI und GL und dem Risiko für
rung empfohlen [73].                                                               die aufgeführten ernährungsmitbe-
                                         Die Ergebnisse der evidenzbasierten       dingten Krankheiten vornehmen.
Das australische GI-Symbol               KH-Leitlinie der DGE sichern eine
Da es bei industriell gefertigten Pro-   Rolle des GI bzw. der GL für die Prä-     Die GL der Ernährung kann wie oben
dukten für den Verbraucher sehr          vention ernährungsmitbedingter            erwähnt auf verschiedene Weise
schwierig ist, eine Lebensmittelaus-     Krankheiten derzeit nicht mit hohen       reduziert werden (쏆 Abbildung 2):
wahl nach dem GI zu treffen, wurde       Evidenzgraden ab. Obwohl die An-          durch die Berücksichtigung des GI
in Australien das Programm zur           zahl der Studien zur Bedeutung des        bei der Lebensmittelauswahl, d. h.
Kennzeichnung des GI von Lebens-         GI und der GL weiter sprunghaft zu-       also durch die bevorzugte Zufuhr
mitteln initiiert. Aber auch in ande-    nimmt, ist es denkbar, dass metho-
ren Ländern findet sich eine große       dische Probleme bei der Bestimmung
Auswahl an mit dem GI gekenn-            der glykämischen Antwort einer ge-        2
                                                                                   Siehe hierzu URL: www.gisymbol.com.au/
zeichneten Lebensmitteln [74].           mischten Ernährung in Beobach-            Zugriff 01.08.12                         쑺

                                                                                       Ernährungs Umschau | 1/2013   M35
DGE | Stellungnahme

         von Lebensmitteln mit einem niedri-                aus Hartweizengrieß, Hülsenfrüchte               Literatur
         gen GI, aber auch durch die Verrin-                und einheimisches Obst3 trägt zur
         gerung der Kohlenhydratzufuhr                      Senkung des GI der Ernährung bei                  1. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2004)
         oder durch eine Kombination aus                    und steht im Einklang mit den bis-                   Glykämischer Index und glykämische Last –
         beidem.                                            herigen Empfehlungen zur Lebens-                     ein für die Ernährungspraxis des Gesunden
                                                            mittelauswahl [76–78]. Hierbei ist                   relevantes Konzept? Teil 1: Einflussfaktoren
                                                            aber zu beachten, dass die Berück-                   auf den glykämischen Index sowie Relevanz
         Bewertung des GL-Konzepts                                                                               für die Prävention ernährungsmitbedingter
                                                            sichtigung des GI nur bei kohlen-
         Die Rolle der GL für die Prävention                hydratreichen und nicht bei kohlen-                  Erkrankungen. Ernährungs Umschau 51:
         ernährungsmitbedingter Krankhei-                   hydratarmen Lebensmitteln als Ori-                   84−91
         ten wurde, mit Ausnahme einer                      entierungshilfe dienen kann.                      2. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2004)
         wahrscheinlichen Evidenz für eine                                                                       Glykämischer Index und glykämische Last –
         Risikoerhöhung für erhöhte Trigly-                 Vollkornprodukte aus fein gemahle-                   ein für die Ernährungspraxis des Gesunden
         ceridkonzentrationen durch eine Er-                nem Getreide haben zwar im Gegen-                    relevantes Konzept? Teil 2: Umsetzung des
         nährung mit einer hohen GL, in der                 satz zu Vollkornprodukten mit gan-                   Konzeptes eines niedrigen GI bzw. GL in
         KH-Leitlinie nicht mit harten Evi-                 zen Getreidekörnern einen relativ                    Ernährungsempfehlungen für die Bevöl-
         denzgraden abgesichert, sodass die                 hohen GI, sind aber dennoch auf-                     kerung. Ernährungs Umschau 51: 128−132
         DGE diesbezüglich keine Ernäh-                     grund ihres hohen Ballaststoffge-
                                                                                                              3. Otto H, Bleyer G, Pennartz M et al. Kohlen-
         rungsempfehlungen         ausspricht.              halts gegenüber Produkten aus nied-
                                                                                                                 hydrataustausch nach biologischen Äquiva-
         Vorschläge, die GL durch eine Reduk-               rig ausgemahlenem Getreide zu be-
         tion der Kohlenhydratzufuhr zu sen-                vorzugen. Die primärpräventiven                      lenten. In: Otto H, Spaethe R (Hg). Diätetik
         ken, werden von der DGE nicht un-                  Eigenschaften ballaststoffreicher Le-                bei Diabetes mellitus. Hans Huber, Bern
         terstützt. Eine Reduktion der Kohlen-              bensmittel, zu denen auch die Voll-                  (1973), S. 41–50
         hydratzufuhr birgt das Risiko einer                kornprodukte aus fein gemahlenem                  4. Jenkins DJ, Wolever TM, Taylor RH et al.
         unerwünschten Senkung der Zufuhr                   Getreide gehören, wurden in der KH-                  (1981) Glycemic index of foods: a physiolog-
         der primärpräventiv wirksamen Bal-                 Leitlinie mit wahrscheinlicher und                   ical basis for carbohydrate exchange. Am J
         laststoffe. Ebenfalls birgt eine Sen-              überzeugender Evidenz nachgewie-                     Clin Nutr 34: 362–366
         kung der Kohlenhydratzufuhr das                    sen [30]. Daher sind Vollkornpro-
                                                                                                              5. Foster-Powell K, Holt SHA, Brand-Miller JC
         Risiko einer Reduktion des Nah-                    dukte allgemein, ob aus fein gemah-
                                                                                                                 (2002) International table of glycemic index
         rungsvolumens und einer höheren                    lenem Getreide oder mit ganzen Kör-
                                                                                                                 and glycemic load values: 2002. Am J Clin
         Energiedichte [75].                                nern, in jedem Fall den ballast-
                                                                                                                 Nutr 76: 5–56
                                                            stoffärmeren Produkten aus niedrig
                                                            ausgemahlenem Getreide vorzu-                     6. Bao J, Atkinson F, Petocz P et al. (2011) Pre-
         Bewertung des GI-Konzepts
                                                            ziehen.                                              diction of postprandial glycemia and insu-
         Die Rolle des GI für die Prävention er-                                                                 linemia in lean, young, healthy adults:
         nährungsmitbedingter Krankheiten                                                                        glycemic load compared with carbohydrate
         ist ebenfalls, mit Ausnahme einer                                                                       content alone. Am J Clin Nutr 93: 984–996
         wahrscheinlichen Evidenz für eine                                                                    7. Brand-Miller JC, Thomas M, Swan V et al.
         Risikoerhöhung für erhöhte Gesamt-                                                                      (2003) Physiological validation of the con-
         Cholesterolkonzentrationen durch                                                                        cept of glycemic load in lean young adults. J
         eine Ernährung mit einem hohen GI,                                                                      Nutr 133: 2728–2732
         nicht mit harten Evidenzgraden ab-
         gesichert. Hinsichtlich der Qualität                                                                 8. Atkinson FS, Foster-Powell K, Brand-Miller
         der Kohlenhydrate kann dennoch die                                                                      JC (2008) International tables of glycemic
         Berücksichtigung des GI von kohlen-                                                                     index and glycemic load values: 2008. Dia-
         hydratreichen Lebensmitteln als Ori-               Dr. Daniela Strohm
                                                                                                                 betes Care 31: 2281–2283
         entierungshilfe angesehen werden.                  Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.         9. Chiu CJ, Liu S, Willett WC et al. (2011) In-
         Ein regelmäßiger Verzehr von Le-                   Referat Wissenschaft
                                                                                                                 forming food choices and health outcomes by
                                                            Godesberger Allee 18
         bensmitteln mit niedrigem GI wie                                                                        use of the dietary glycemic index. Nutr Rev
                                                            53175 Bonn
         z. B. Vollkornbrot mit ganzen Ge-                  E-Mail: strohm@dge.de                                69: 231–242
         treidekörnern, Müsli, Pasta/Nudeln
                                                                                                             10. Brouns F, Bjorck I, Frayn KN et al. (2005)
                                                            Interessenkonflikt
                                                            Die Autorin ist Mitglied der Leitlinienkommis-       Glycaemic index methodology. Nutr Res Rev
         3
          Heimische Obstarten wie z. B. Äpfel, Birnen       sion der evidenzbasierten Leitlinie „Kohlen-         18: 145–171
          und Pflaumen haben generell einen niedrige-       hydratzufuhr und Prävention ausgewählter
          ren GI als viele der importierten Obstarten wie   ernährungsmittelbedinger Krankheiten“ der
                                                                                                             11. Committee of the American Diabetes Associ-
          z. B. Bananen, Ananas, Melonen und Orangen        DGE.                                                 ation on Food and Nutrition, Special Report
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                                                        incretin response to grain products in healthy         in relation to the risk of type 2 diabetes: a
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                                                        mercially available potatoes in Great                  ship between dietary intake and the develop-
    Glycemic index of potatoes commonly con-
                                                        Britain. Br J Nutr 94: 917–921                         ment of type 2 diabetes in a Chinese popula-
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                                                                                                               tion: the Hong Kong Dietary Survey. Public
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    alter glycemic, insulinemic or satiety re-                                                                 glycemic load on metabolic risk markers in
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                                                    30. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.
                                                                                                               and genes (DiOGenes) study: a randomized,
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                                                                                                               controlled trial. Circulation 124: 2829–
    of glucose and insulin responses of normal          fuhr und Prävention ausgewählter ernäh-
                                                                                                               2838
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                                                                                                               ergy expenditure during weight-loss mainte-
19. Louie JC, Atkinson F, Petocz P, Brand-Miller    31. Barclay AW, Petocz P, McMillam-Price J et
                                                                                                               nance. JAMA 27: 2627–2634
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                                                                                                               hort: the EPICOR study. Arch Intern Med
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