Kompetent lernen im Lockdown mit digitalen Medien?
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FORSCHUNGSDOKUMENTATION Kompetent lernen im Lockdown mit digitalen Medien? EINE ÜBERSICHT ZU AUSGEWÄHLTEN FORSCHUNGSERGEBNISSEN Heike vom Orde Der Artikel bietet einen Überblick zu formen verfügen, ist es in Deutschland ausgewählten Forschungsergebnis- ZUM STAND DES DIGITALEN nur ein Drittel, was deutlich unter dem sen zum digitalen Lernen im schuli- LERNENS IM SCHULISCHEN OECD-Mittel von 54 % liegt (OECD, schen Kontext vor und während der KONTEXT VOR DER CORONA- 2020, S. 12) Schulschließungen im Frühjahr 2020 Der Einsatz digitaler Medien im Unter- KRISE in Deutschland. richt ist im internationalen Vergleich Die Diskrepanz zwischen der Ausstat- ebenfalls selten an deutschen Schulen. International vergleichende Studien tung des Lernorts Schule und den Lern- Nach der ICILS-Studie 2018 nutzen konstatieren bereits seit Jahren, dass und Lebenswelten der Schüler*innen weniger als ein Viertel der befragten die Bedingungen in Deutschland für in Deutschland ist unübersehbar. Die Achtklässler*innen mindestens einmal das digitale Lernen an Schulen alles technische Infrastruktur an deutschen pro Woche digitale Medien in der andere als optimal sind (Autorengrup- Schulen ist im internationalen Vergleich Schule, während es in Dänemark 90 % pe Bildungsberichterstattung, 2020, seit Jahren unterdurchschnittlich. Hier- sind (Eickelmann et al., 2019, S. 19). S. 240 ff.). Schlagzeilen wie »Deutsch- zulande teilen sich 10 Schüler*innen ein Auch werden die Potenziale digitaler lands Schulen bei der Digitalisierung digitales Gerät in der Schule, während Medien an deutschen Schulen selten noch hinter Moldawien«1 oder »Das das Verhältnis in den USA nur 1,6 zu 1 ausgeschöpft: So nutzen Schüler*innen große Schulversagen«2 stehen beispiel- beträgt (Eickelmann et al., 2019, S. 14). digitale Technologien im Unterricht vor haft für den Tonfall in der öffentlichen 2020 gaben mehr als zwei Drittel der allem als Lehr-Lern-Werkzeug zur An- Diskussion. Der durch Corona erzwun- Grundschulleiter*innen an, dass an wendung von Lerninhalten, wie etwa gene Fernunterricht hat die Relevanz des ihrer Schule nicht in allen Klassen- Programme für die Textverarbeitung digitalen Lernens nun endgültig in den räumen Zugang zu Breitbandinternet oder Präsentation. Lehrer*innen wie- Mainstream katapultiert: Lehrer*innen, bzw. WLAN verfügbar ist. An Haupt-, derum vermitteln im Frontalunterricht Eltern und Schüler*innen wurde im Real- und Gesamtschulen gilt dies für mit digitalen Medien überwiegend tagtäglichen Ringen mit den Anforde- 56 % und an Gymnasien für 54 % der Informationen, setzen digitale Medien rungen des Homeschooling klar, dass befragten Einrichtungen (forsa, 2020, aber kaum zur individuellen Förderung das Lernen mit digitalen Medien kein S. 27). An 71 % der Grundschulen, 56 % oder zum kollaborativen Arbeiten ein lebensfernes Thema aus dem Elfenbein- der Haupt-, Real- und Gesamtschulen (Autorengruppe Bildungsberichter- turm der Bildungswissenschaften ist, sowie 42 % der Gymnasien stehen stattung, 2020, S. 256 f.). Das Fehlen sondern unmittelbare Auswirkungen auf keine Klassensätze an Tablet-PCs und von Konzepten und Strategien zum Bildungschancen im 21. Jahrhundert hat. Smartphones für die Schüler*innen zur Einsatz digitaler Medien in der Schule Nachfolgend werden Befunde aus Verfügung (ebd., S. 28). wird von Bildungsexpert*innen bereits Studien zum digitalen Lernen im schu- Die Art der Ausstattung wird nach wie seit Jahren angemahnt (Bertelsmann lischen Kontext vor und während des vor von Computerräumen dominiert Stiftung, 2017, S. 31 ff.). Lockdown zusammengefasst, die auf und das Mitbringen von eigenen Ge- Diese geringe Nutzung digitaler Me- die Bandbreite an Defiziten, Chancen räten (»bring your own device«) spielt dien sowie die Fokussierung auf einen und Anknüpfungspunkten für das an deutschen Schulen im Gegensatz lehrkraftzentrierten Einsatz im Unter- Lernen nach Corona hinweisen. zu anderen Ländern bislang kaum eine richt könnte mit der ambivalenten Ein- Rolle (Autorengruppe Bildungsbericht- stellung von Lehrer*innen in Deutsch- Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.) (2020). Bildung in Deutschland 2020. Ein indikato- erstattung, 2020, S. 240 f.). Während in land hinsichtlich der Lernwirksamkeit rengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung in Ländern wie Singapur mehr als 90 % digitaler Medien zusammenhängen einer digitalisierten Welt. Bielefeld: wbv. der Schulen über digitale Lernplatt- (Autorengruppe Bildungsberichter- 10 33/2020/2
FORSCHUNGSDOKUMENTATION den kompeten- ten Umgang mit digitalen Medien lernen, und sehen die Schule dafür ebenso in der Zuständigkeit wie sich selbst (ebd., S. 52). In der Ausbildung Quelle: Eickelmann et aI., 2019, S. 229 von Lehrer*innen spielt die Ver- mittlung von Kompetenzen im Umgang mit Abb. 1: Im internationalen Vergleich schätzen Lehrer*innen in Deutschland die Lernpotenziale digitaler Medien in der digitalen Medien Schule eher gering ein nur eine unter- geordnete Rolle. 2018 gab nur ein Viertel der be- stattung, 2020, S. 258). So stimmten in möchten nicht im Unterricht mittels fragten Lehrer*innen an, die Nutzung einer Studie (Bitkom, 2019, S. 9) 88 % digitaler Medien lernen und 51 % der und den Einsatz digitaler Medien dort der befragten Sekundarschullehrkräfte befragten Schüler*innen glauben, dass gelernt zu haben, was international zu, dass der Einsatz von digitalen Me- viele Lehrer*innen keine Lust haben, ein unterdurchschnittlicher Wert ist dien die Motivation der Schüler*innen digitale Medien im Unterricht einzu- (Eickelmann et al., 2019, S. 18). Nur fördere. Zugleich befürchtet aber auch setzen (ebd., S. 6). Den Lehrer*innen 40 % der deutschen Schüler*innen jede/r Zweite, dass diese konzentriertes allerdings, die dem digitalen Lernen besuchten laut einer Sonderauswer- Lernen stören könnten, und 77 % gehen positiv gegenüberstehen, stellen die tung der PISA-Studie 2018 eine Schule, davon aus, dass Informationen aus dem befragten Schüler*innen ein positives an der den Lehrer*innen ausreichend Internet von den Schüler*innen kopiert Zeugnis aus. Auch für jüngere Kin- Ressourcen zur Fortbildung im Be- werden könnten. In einer Befragung der ist das Lernen mit dem Internet reich digitale Medien zur Verfügung von Lehrer*innen an allgemeinbilden- mittlerweile Alltag: Zu Hause nutzt standen. In Singapur gaben dagegen den Schulen in Deutschland (Robert bei Schüler*innen der 3. bis 6. Klasse 90 % der Schulleiter*innen an, dass Bosch Stiftung, 2018, S. 4) nannten nur mehr als jedes zweite Kind das Internet ihre Lehrkräfte solche Fortbildungen 13 % der Befragten die Digitalisierung für Hausaufgaben, Referate und Lernen nutzen könnten (OECD, 2020, S. 9). als eine der größten Herausforderun- (KiKA, 2019, S. 16). Allerdings weisen Gefragt nach einer Selbsteinschätzung gen der Schule. die Ergebnisse der ICILS-Studien 2013 ihrer digitalen Kompetenzen trauen In der ICILS-Studie 2018 stimmte nur und 2018 darauf hin, dass die com- sich Lehrkräfte in Deutschland vor ein Drittel der befragten Lehrkräfte puter- und informationsbezogenen allem zu, relevante Unterrichtsmate- der Aussage zu, dass digitale Medien Kompetenzen von Achtklässler*innen rialien im Internet zu finden. Nur etwa die schulischen Leistungen verbessern in Deutschland im internationalen ein Drittel der befragten Lehrkräfte können (Eickelmann et al., 2019, S. 229). Vergleich nur im Mittelfeld liegen der ICILS-Studie 2018 hält sich für Das ist im internationalen Vergleich (Eickelmann et al., 2019, S. 13). fähig, mit einem Lernmanagement- weit unterdurchschnittlich (Abb. 1). Eltern sind nach einer Befragung (Insti- System zu arbeiten (Eickelmann Schüler*innen in Deutschland scheinen tut für Demoskopie Allensbach, 2020, et al., 2019, S. 18). Und nur etwas digitales Lernen mehr wertzuschätzen: S. 18 f.) eher gespalten, was das Lernen mehr als die Hälfte der deutschen So gaben in einer Umfrage (Bitkom, mit digitalen Medien angeht: 46 % Schüler*innen besucht eine Schule, 2020, S. 5) 93 % der befragten 14- bis trauen sich kein Urteil zu, ob das ana- deren Schulleiter*innen ihre Lehrkräf- 19-Jährigen (n=503) an, dass digitale loge Lernen (mit Büchern, Papier und te als so pädagogisch und technisch Medien den Unterricht besser und Stift) dem digitalen mit Computer und kompetent einschätzen, dass sie neue interessanter machen, und 60 % Internet vorzuziehen ist. Dennoch hält Technologien sinnvoll in das Unter- meinen, dass sie dank ihnen Lehrin- die Mehrheit der befragten Eltern es richtsgeschehen integrieren können halte schneller verstehen. Nur 6 % für besonders wichtig, dass ihre Kinder (OECD, 2020, S. 7). 33/2020/2 11
FORSCHUNGSDOKUMENTATION Insgesamt legen die Forschungsergeb- Blume, Carolyn (2020). German teachers’ digital habi- deutlichen Rückgang der Lernzeiten nisse nahe, dass sich die Einstellungen tus and their pandemic pedagogy. Postdigital Science während der Schulschließungen fest. and Education, 2, 879-905. der Lehrer*innen, ihre Kompetenzen Nach Angaben der Eltern hatte sich sowie die technische Ausstattung der diese von 7,4 auf 3,6 Stunden täglich Schule wechselseitig bedingen könnten reduziert, während die Mediennutzung (Autorengruppe Bildungsberichterstat- DIGITALES LERNEN WÄHREND der Kinder von 4 auf 5,2 Stunden am tung, 2020, S. 270): Lehrer*innen, die das DES LOCKDOWN: ERFAHRUN- Tag zugenommen hatte. Vor allem die Lernpotenzial digitaler Medien erken- GEN UND MEINUNGEN leistungsschwächeren Kinder ersetzten nen, schätzen zumeist auch ihre eigenen Lernen durch passive Tätigkeiten. Mehr Kompetenzen positiv ein. Hinsichtlich … von Schüler*innen und Eltern als die Hälfte der Schüler*innen hatte der Verfügbarkeit digitaler Medien ist seltener als einmal pro Woche gemein- zu vermuten, dass ablehnende Einstel- Eine Vielzahl an Studien legt nahe, samen Onlineunterricht und nur 6 % lungen und gering eingeschätzte Kom- dass das mit den Schulschließungen täglich (Wößmann et al., 2020, S. 3). petenzen mit der fehlenden Erfahrung einhergehende Homeschooling für Auch hier ließ der Kontakt mit den im digitalen Lehren und Lernen zusam- viele Familien eine herausfordernde Lehrer*innen nach Ansicht der befrag- menhängen könnten. Es gibt allerdings und stressbelastete Situation darstellte ten Eltern zu wünschen übrig, weshalb auch Hinweise aus Studien darauf, dass (Übersicht bei vom Orde, 2020). Laut 79 % verpflichtenden Onlineunterricht der digitale Habitus von Lehrer*innen in einer Studie fanden während des Lock- bei Schulschließungen und 78 % An- Deutschland von einer grundlegenden down in 85 % aller deutschen Haushalte weisungen der Lehrkräfte zu täglichem Skepsis gegenüber digitalen Medien mit schulpflichtigen Kindern digitaler Kontakt mit ihren Schüler*innen be- geprägt ist (Blume, 2020, S. 883 f.). Unterricht oder Lernen auf Basis von fürworteten (ebd.). In einer anderen digital bereitgestellten Materialien Studie machten die befragten Eltern Eickelmann, Birgit et al. (2019). ICILS 2018 #Deutsch- land: Computer- und informationsbezogene Kompe- statt (Initiative D21 & TU München, neben der fehlenden Unterstützung tenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten 2020, S. 2). Die dabei am häufigsten durch die Schule die mangelnden digi- internationalen Vergleich und Kompetenzen im Be- reich Computational Thinking. Münster: Waxmann. genutzten Geräte zum schulbezogenen talen Kompetenzen der Lehrer*innen forsa (2020). Die Schule aus Sicht der Schulleiterinnen Lernen waren Smartphone (60 %), Lap- als eine der Haupthürden für den und Schulleiter – Berufszufriedenheit von Schullei- tungen und Digitalisierung an Schulen. Berlin. top (58 %) sowie Tablet (49 %). E-Mail Fernunterricht aus (Initiative D21 & OECD (2020). Learning remotely when schools close: war mit Abstand die am häufigsten ge- TU München, 2020, S. 5). How well are students and schools prepared? Insights nutzte digitale Form zur Übermittlung Eine Studie zur Rolle familiärer Merk- from PISA. Verfügbar unter: https://read.oecd-ilibrary. org/view/?ref=127_127063-iiwm328658&title=Learning- von Lerninhalten (ebd., S. 3 f.). male für das Lernen im Homeschooling remotely-when-schools-close [19.10.20] Eine Schüler*innenbefragung (n=169, (Huber & Helm, 2020) konnte anhand Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2017). Monitor Digitale Durchschnittsalter 15,5 Jahre) aus von Daten von 8.344 Schüler*innen Bildung. Die Schulen im digitalen Zeitalter. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. Baden-Württemberg zur ersten Phase aus Deutschland, Österreich und der Bitkom (2019). Smart School – Auf dem Weg zur di- des Fernunterrichts zeigt auf, dass mehr Schweiz aufzeigen, was Schüler*innen, gitalen Schule. Berlin, 12. März 2019. Verfügbar unter: als die Hälfte der Befragten weniger als die viel Lernzeit (25 Stunden pro Wo- https://www.bitkom.org/sites/default/files/2019-03/ Pr%C3%A4sentation%20Bitkom-PK%20Bildungskon- vor der Schulschließung für die Schule che und mehr) investierten, von denen ferenz%2012.03.2019_final.pdf [19.10.20] arbeiteten und nur knapp ein Viertel unterschied, die weniger als 9 Stunden Robert Bosch Stiftung (Hrsg.) (2018). Meinungen zu genauso viel oder mehr (Wacker et al., für den Fernunterricht aufwandten. Die aktuellen Entwicklungen an Schulen in Deutschland. Verfügbar unter: https://www.bosch-stiftung.de/sites/ 2020, S. 84). Als größten Gewinn be- motivierten Schüler*innen waren besser default/files/documents/2019-03/Forsa_RBSG_Down- zeichneten die befragten Schüler*innen in der Lage, den Tag selbst zu planen. load.pdf [19.10.20] die Flexibilisierung und Individualisie- Sie bekamen häufiger die Lernaufgaben Bitkom (2020). Schüler-Studie zur Digitalisierung der Bildung. 26. März 2020. Verfügbar unter: https:// rung des Lernens (64 %), während die von ihren Lehrer*innen kontrolliert und www.bitkom.org/sites/default/files/2020-03/prasen- tation-bitkom-pk-schulerstudie-26-03-2020_final_0. digitalen Lernformate nur von 13 % als hatten somit nicht das Gefühl, Ferien zu pdf [19.10.20] Vorzüge des Fernunterrichts gesehen haben. Insgesamt schätzen sie den Fern- KiKA (2019). Exklusivbefragung zum KiKA-The- wurden (ebd., S. 87). 43 % der befrag- unterricht sehr positiv ein (ebd., S. 40 ff.). menschwerpunkt 2019 »Respekt für meine Rechte! Schule leben!« Verfügbar unter: https://www.kika. ten Schüler*innen beklagten fehlendes Die andere Gruppe zeigt sich deutlich de/erwachsene/begleitmaterial/themenschwerpunkte/ Feedback und Unterstützung durch passiver in ihrer Tagesgestaltung und schule-leben/ergebnisse-befragung100.html [19.10.20] ihre Lehrer*innen und 24 % gaben an, zeichnet sich etwa dadurch aus, dass sie Institut für Demoskopie Allensbach (2020). Wie lernen Kinder und Jugendliche? Ergebnisse einer Befragung Probleme mit dem selbstständigen viermal so viel Zeit wie die lernaktiven von Schülern und Eltern von Kindern der Klassenstu- Arbeiten zu haben (ebd., S. 88). Schüler*innen mit Computerspielen fen 5 bis 10 im Frühjahr 2020. Verfügbar unter: https:// www.telekom-stiftung.de/sites/default/files/files/me- Auch das ifo Bildungsbarometer 2020, verbrachte. Diese Schüler*innen äußer- dia/publications/Wie-lernen-Kinder-und-Jugendliche- bei dem 1.000 Eltern schulpflichtiger ten sich überwiegend kritisch über den Bericht.pdf [19.10.20] Kinder befragt wurden, stellt einen Fernunterricht und erlebten die Situa 12 33/2020/2
FORSCHUNGSDOKUMENTATION tion als belastend. Die Autoren schlie- … von Lehrer*innen regelte (Vodafone Stiftung, 2020, S. 13). ßen daraus, dass Kinder und Jugendliche Während der Schulschließungen zeig- mit niedrigen häuslichen Ressourcen Eine der ersten vorliegenden Untersu- ten sich besonders diejenigen Schulen in Zeiten der Schulschließungen nicht chungen nach Beginn des Lockdown als besonders krisenresistent, die zuvor primär aufgrund fehlender technischer in Deutschland war das Deutsche bereits digital gearbeitet hatten (ebd., Ausstattung oder fehlender elterlicher Schulbarometer Spezial Corona-Krise S. 4). Nur einem Drittel der Befragten Unterstützung zurückbleiben, sondern (2020). Dazu wurden 1.031 Lehrer*innen gelingt es, zu allen Schüler*innen aufgrund fehlender Fähigkeiten zum an allgemeinbildenden Schulen online Kontakt zu halten (ebd., S. 16). Die selbstgesteuerten Lernen und zur befragt. Der Mangel an digitaler Aus- befragten Lehrer*innen haben deut- Selbstorganisation des Tagesablaufs stattung der Schüler*innen, das Erstellen lich geringere Erwartungen hinsichtlich (ebd., S. 56). Ein Mehr an vorhandener und Vermitteln geeigneter digitaler des Lernerfolgs ihrer Schüler*innen technischer Ausstattung hätte dem- Unterrichtsinhalte sowie die Kommuni- und machen vor allem die mangelnde nach nur einen schwachen Effekt auf kation mit den Eltern und Schüler*innen technische Ausstattung zu Hause dafür ein erfolgreiches Lernen mit digitalen wurden von den befragten Lehrer*innen verantwortlich. Mehr als die Hälfte Medien. als die größten Herausforderungen gese- der Lehrer*innen befürchtet, dass der Analog den vorliegenden international hen. Auch Defizite an eigenen digitalen Einfluss des Elternhauses auf die schu- vergleichenden Studien zum digitalen Kenntnissen und digitaler Ausstattung lischen Leistungen der Kinder während Lernen vor dem Lockdown zeigt eine stellten sich als problematisch für die des Lockdown größer geworden ist und Umfrage unter Eltern in Deutschland, Lehrer*innen heraus (ebd., S. 3). Der Ver- so bestehende soziale Ungleichheiten Australien, Großbritannien, Italien, Ka- gleich mit den Befragungsergebnissen verschärft werden (ebd., S. 3). Wäh- nada, Mexiko und Singapur (n=3.500) des Schul-Barometers aus Österreich rend die befragten Lehrer*innen die ähnliche Defizite beim digitalen Fernun- und der Schweiz (Huber et al., 2020) Rückkehr in den normalen Schulalltag terricht. Deutschland belegt den letzten macht deutlich, dass nach Angabe der und das Schließen der Wissenslücken Platz aus Sicht der Eltern (Citrix, 2020). Schulleitungen in der Schweiz signifikant nach dem Lockdown als dringendste Aber selbst in Singapur, dem Land mit mehr und in Deutschland signifikant we- Handlungsbedarfe in der Zukunft dem besten Wert, berichteten nur 30 % niger Ressourcen und technische Kapazi- bewerten, wird das Ausbauen und der Befragten von einem problemlosen täten für digitales Lehren bereitstanden Etablieren digitaler Lernangebote nur Übergang zum digitalen Lernen. Die be- als in Österreich (Abb. 2). Lehrer*innen an fünfter Stelle genannt (ebd., S. 25). fragten Eltern aus Deutschland sehen aus Deutschland schätzten sich im Ver- vor allem Verbesserungsbedarf bei der gleich zu Kolleg*innen aus Österreich Robert Bosch Stiftung & Die Zeit (2020). Das Deutsche Schulbarometer Spezial Corona-Krise. 9. April 2020, Lehrerfortbildung für Fernunterricht und der Schweiz signifikant weniger Berlin: forsa. Verfügbar unter: https://deutsches-schul- portal.de/unterricht/das-deutsche-schulbarometer- (53 %). kompetent ein für den Einsatz digitaler spezial-corona-krise/ [19.10.20] Lehr-Lern-Formen (ebd., S. 97 f.). Huber, Stephan Gerhard et al. (2020). COVID-19 – vom Orde, Heike (2020). Wohlbefinden und Medien- Auch in einer telefonischen Befragung Aktuelle Herausforderungen in Schule und Bildung. nutzung Heranwachsender in der Coronakrise. Was Münster: Waxmann. wir bislang aus der internationalen Forschung wissen. von 310 Lehrkräften an allgemeinbil- Vodafone Stiftung (Hrsg.) (2020). Schule auf Distanz: TelevIZIon, 33(1), 14-18. denden Schulen bestätigt sich die Perspektiven und Empfehlungen für den neuen Schul- Initiative D21 & TU München (2020). Homeschooling Annahme, dass nur wenige Schulen alltag. Düsseldorf. Verfügbar unter: https://www.voda- in Zeiten von Corona. Vorabergebnisse der Studie fone-stiftung.de/umfrage-coronakrise-lehrer/ [19.10.20] eGovernment MONITOR 2020. Verfügbar unter: in Deutschland gut auf die plötzliche https://initiatived21.de/app/uploads/2020/08/home- Umstellung schooling_ergebnisse_egovernment-monitor-2020. pdf [19.10.20] vorbereitet Wacker, Albrecht, Unger, Valentin & Rey, Thomas waren. Dem- (2020). »Sind doch Corona-Ferien, oder nicht?« Be- funde einer Schüler*innenbefragung zum »Fernun- nach verfügte terricht«. DDS – Die Deutsche Schule (16), 79-94. nur ein Drittel Wößmann, Ludger et al. (2020). Bildung in der Co- der Schulen ronakrise: Wie haben die Schulkinder die Zeit der über ein Ge- Quelle: Huber et al., 2020, S. 98 Schulschließungen verbracht, und welche Bildungs- maßnahmen befürworten die Deutschen? München: samtkonzept, ifo Institut. das die Ver- Huber, Stephan Gerhard & Helm, Christoph (2020). Lernen in Zeiten der Corona-Pandemie. Die Rolle fa- sorgung der miliärer Merkmale für das Lernen von Schüler*innen. Schüler*innen Befunde vom Schul-Barometer in Deutschland, Öster- reich und der Schweiz. DDS – Die Deutsche Schule mit digitalen Abb. 2: Die technischen Ressourcen deutscher Schulen waren im (16), 37-60. Lernangebo- Lockdown im Vergleich zu Schulen in Österreich und der Schweiz Citrix (2020). Education Survey 2 – Merged. Unveröf- ten während deutlich geringer fentlichter Forschungsbericht. des Lockdown 33/2020/2 13
FORSCHUNGSDOKUMENTATION für Medienpädagogik und Kommuni- Eickelmann, Birgit & Gerick, Julia (2020). Lernen mit di- FAZIT kationskultur (GMK) bereits 2019 in gitalen Medien. Zielsetzungen in Zeiten von Corona und unter besonderer Berücksichtigung von sozialen Un- einer Stellungnahme zum DigitalPakt gleichheiten. DDS – Die Deutsche Schule (16), 153-162. Der (mehr oder weniger digital statt- Schule »ein Überdenken der bishe- GMK (2019). Stellungnahme der GMK zum »Digital- findende) Fernunterricht während rigen Konzepte von Bildung, Lehren Pakt Schule«. Ein großer Schritt für die technische Infrastruktur, ein zu kleiner für die schulische Me- des Lockdown hat die bekannten und Lernen. Medienbildung wird im dienbildung. Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur. Verfügbar unter: https://www. Mängel in der digitalen Infrastruktur, Unterricht nur dann Erfolg haben, gmk-net.de/2019/04/30/stellungnahme-der-gmk-zum- die konzeptionellen Defizite sowie wenn dieses Thema als eine selbst- digitalpakt-schule/ [19.10.20] die unzureichenden digitalen Kom- verständliche Querschnittsaufgabe Tulodziecki, Gerhard & Grafe, Silke (2020). Kompetenz erwartungen an Lehrpersonen und Professionalisie- petenzen im Kontext des schulischen verstanden wird, die sich an zentraler rung angesichts von Mediatisierung und Digitalisie- Lernens schonungslos aufgezeigt. Stelle in den Fachcurricula der Fächer, rung. MedienPädagogik, 37, 265-281. Gleichzeitig hat die Herausforderung, aber auch in fächerübergreifenden Fischer, Christian et al. (2020). Individuelle Förderung und selbstreguliertes Lernen. Bedingungen und Optio- schulisches Lernen im Lockdown zu Lernarrangements niederschlägt.« nen für das Lehren und Lernen in Präsenz und Distanz. re-organisieren, auch einen neuen Blick Dies trägt dem Gedanken Rechnung, DDS – Die Deutsche Schule (16), 136-152. auf die Potenziale des digitalen Lernens dass die Verfügbarkeit digitaler Medi- eröffnet und neue Handlungspraxen en zwar eine notwendige, aber keine ANMERKUNGEN angeschoben (siehe auch Schratz in hinreichende Bedingung für eine päda- dieser Ausgabe). gogisch sinnvolle Nutzung und den Er- 1 https://www.tagesspiegel.de/politik/im-internatio- Die aktuell stattfindenden Diskussi- werb digitaler Kompetenzen darstellt. nalen-vergleich-in-der-schlussgruppe-deutschlands- schulen-bei-der-digitalisierung-noch-hinter-molda- onen in Politik und Wissenschaft rei- Wissenschaftler*innen diskutieren wien/26228262.html [19.10.20] chen von Euphorie über die Chancen angesichts von Mediatisierung und 2 ht t ps ://www. sp i e g e l . d e/p o lit i k /b i ldu n g -i n - digitalen Lernens und beobachtbaren Digitalisierung zeitgemäße Kompe- deutschland-das-grosse-schul-versagen- a- 0 0 0 0 0 0 0 0 - 0 0 02- 0 0 01- 0 0 0 0 - 0 0 0170 60 4 430 Innovationsschüben bis hin zur Er- tenzerwartungen an Lehrer*innen (Tu- [19.10.20] nüchterung angesichts der unzurei- lodziecki & Grafe, 2020, S. 267) ebenso 3 https://www.bmbf.de/de/wissenswertes-zum-digi- talpakt-schule-6496.php [19.10.20] chenden Rahmenbedingungen, an- wie nötige (mediale und nicht-mediale) gewandten Praktiken und Fragen der Kompetenzen der Schüler*innen, etwa Bildungsgerechtigkeit (Eickelmann & die Fähigkeit zum selbstregulierten Ler- DIE AUTORIN Gerick, 2020, S. 153). Während die Bil- nen im Kontext des lebenslangen Ler- dungspolitik sich auf die Verbesserung nens (Fischer et al., 2020). Ebenso müs- Heike vom Orde, der technischen Ausstattung und die sen soziale Ungleichheiten stärker als Dipl.-Bibl., M. A., Bereitstellung digitaler Inhalte fokus- bisher in den Fokus digitaler Lehr- und ist für die wissen- siert3, sehen Bildungsexpert*innen die Lernstrategien rücken (Eickelmann & schaftliche Litera- Vermittlung von Medienkompetenz Gerick, 2020, S. 155), damit auch be- turdokumentation zum Umgang mit digitalen Medien als nachteiligte Schüler*innengruppen des IZI verantwort- die zentrale Stellschraube zur Verän- Teilhabe an einer digitalisierten Bildung lich. derung an. So forderte die Gesellschaft erfahren können. IMPRESSUM Herausgeber: Internationales Zentralinstitut Satz: Text+Design Jutta Cram, Anschrift der Redaktion: für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Spicherer Straße 26, 86157 Augsburg, Internationales Zentralinstitut für das Jugend- Bayerischen Rundfunk www.textplusdesign.de und Bildungsfernsehen (IZI) Druck: Druckerei Joh. Walch GmbH & Co. KG, Rundfunkplatz 1, D-80335 München Redaktion: Dr. Maya Götz, Birgit Kinateder, Im Gries 6, D-86179 Augsburg Telefon: 089/5900-42991, Fax: 089/5900-42379 Heike vom Orde ISSN (Print) 0943-4755 Internet: www.izi.de Übersetzungen: Birgit Kinateder ISSN (Online) 2199-918X E-Mail: IZI@br.de »TelevIZIon« erscheint zweimal jährlich in deutscher und einmal jährlich in englischer Sprache im Selbstverlag des IZI. Der Bezug ist kostenfrei. Bitte richten Sie Ihre Bestellung an die Redaktionsadresse. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Erlaubnis des Herausgebers. 14 33/2020/2
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