Konjunkturtendenzen Sommer 2022 - Die Volkswirtschaft
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Kapitel „Grundlagen“, 1.5 / Schutzzone www. cdbund.admin.ch Sommer 2022 Konjunkturtendenzen
Redaktionsschluss Wirtschaftslage Schweiz: 20. Mai 2021 Übrige Kapitel: 7. Juni 2021 Impressum AutorInnen Die « Konjunkturtendenzen » erscheinen viermal pro Jahr Fischer Sarah Indergand Ronald ISSN 1661-3767 Kemeny Felicitas SECO Neuwirth Stefan Staatssekretariat für Wirtschaft Pochon Vincent Direktion für Wirtschaftspolitik Ragni Thomas Holzikofenweg 36 Schmidt Caroline 3003 Bern Speiser Amélie Wegmüller Philipp Tel. 058 462 42 27 Widmer Simon Fax 058 463 50 01 www.seco.admin.ch/konjunkturtendenzen www.seco.admin.ch/tendances-conjoncturelles
Wirtschaftslage Konjunktur- Internationales Schweiz prognose und monetäres Umfeld Überblick Prognose Schweiz Weltwirtschaft Im 1. Quartal 2022 setzte sich die Mit der Aufhebung der gesund- Im 1. Quartal 2022 wurde die Er- Erholung der Schweizer Wirt- heitspolitischen Massnahmen ist holung der Weltwirtschaft durch schaft erwartungsgemäss fort. eine weitere Erholung der Binnen- die Ausbreitung der Omikron-Vari- Auch der Arbeitsmarkt entwi- wirtschaft zu erwarten, die sich ante sowie den Ausbruch des Uk- ckelte sich positiv. Die Preise zo- gemäss der aktuellen Indikatoren- raine-Kriegs gebremst. Ver- gen weiter an. lage für die Schweiz in naher Zu- schärfte Massnahmen zur Ein- Seite 1 kunft fortsetzen dürfte. Im weite- dämmung des Coronavirus, Lie- ren Verlauf des Prognosehorizonts ferengpässe, kräftige Anstiege der Bruttoinlandprodukt könnten die Effekte des Kriegs in Rohstoff- und Energiepreise sowie Im 1. Quartal 2022 wuchs das BIP der Ukraine allerdings stärker aus- eine erhöhte Unsicherheit dämpf- der Schweiz moderat um 0,5 % fallen als bisher erwartet. Die Ex- ten im Verlauf des 1. Quartals den (Sportevent-bereinigt: 0,4 %). Wie pertengruppe senkt ihre Wachs- Wirtschaftsgang in den meisten im Vorquartal kam von der Indust- tumsprognose für die Schweiz grossen Wirtschaftsräumen. Die rie ein kräftiger Impuls. Der 2022 auf 2,6 %. Auftragslage ist aber verbreitet Dienstleistungssektor trug hinge- Seite 14 gut, und die Arbeitsnachfrage ist gen unterdurchschnittlich bei. hoch. Seite 2 Risiken Seite 19 Die Unsicherheit im Zusammen- Arbeitsmarkt hang mit dem Ukraine-Konflikt ist Monetäre Entwicklung Die Corona-Pandemie hatte den sehr gross. Die Schweizer Wirt- Die bereits hohen Inflationsraten Arbeitsmarkt Mitte März 2020 un- schaft würde empfindlich getrof- sind in den vergangenen drei Mo- vermittelt getroffen. Gut zwei fen, sollte es zu einem deutlichen naten nochmals angestiegen. Dies Jahre später hat er sich zu einem Wirtschaftsabschwung bei wichti- ist grösstenteils auf den anhalten- grossen Teil erholt. gen Handelspartnerländern kom- den Aufwärtstrend der Rohwaren- men. Weitere Risiken gehen von preise zurückzuführen. Nach der Seite 11 der stark angestiegenen Verschul- Bank of England hat inzwischen dung aus. auch die US-Notenbank den Leit- Preise Seite 15 zins in den letzten Monaten zwei- Die Inflation setzte den jüngsten mal erhöht. In der Schweiz und im Aufwärtstrend fort und erreichte Szenario Euroraum wurde die expansive im April 2,5 %. Ähnlich hohe Angesichts der grossen Unsicher- Geldpolitik bisher beibehalten. Die Werte wurden letztmals im heit im Zusammenhang mit dem Europäische Zentralbank hat aber Jahr 2008 verzeichnet. Im Gegen- Ukraine-Konflikt ergänzt das SECO eine erste Zinserhöhung für Juli satz zu damals ist aktuell aber die Prognose der Expertengruppe angekündigt. Die Aktienmärkte rund die Hälfte der Inflation auf um ein Negativszenario. In diesem haben seit Anfang Jahr verbreitet höhere Energiepreise zurückzu- wird angenommen, dass Erdgas- nachgegeben. Auf der anderen führen. Im Vergleich zum Ausland lieferungen aus Russland nach Eu- Seite haben die höheren Inflati- bleibt die Inflationsentwicklung in ropa weitgehend und nachhaltig onserwartungen die Langfristzin- der Schweiz bislang moderat. wegfallen und diese kurzfristig nur sen steigen lassen. Seite 13 teilweise durch alternative Quel- Seite 23 len ersetzt werden können. Seite 17
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Wirtschaftslage Schweiz Überblick Im 1. Quartal 2022 setzte sich die Erholung der Schwei- Vergleich zu anderen Ländern und zu vergangenen Jahr- zer Wirtschaft erwartungsgemäss fort. Sportevent-berei- zehnten blieb sie aber weiterhin moderat. Insgesamt nigt wuchs das BIP um 0,4 % (Abbildung 1), was im Be- dürften die bremsenden Effekte der Preisanstiege auf die reich des historischen Mittels liegt. Auch der Arbeits- Konsumaktivität daher vergleichsweise begrenzt gewe- markt entwickelte sich positiv: Die Beschäftigung stieg sen sein. abermals deutlich an, und die entsprechenden Frühindi- katoren lassen einen weiteren Personalaufbau bei den Die Konjunkturindikatoren deuten am aktuellen Rand auf Unternehmen erwarten. eine Fortsetzung der Erholung, wenn auch auf eine we- niger dynamische, als noch zu Jahresbeginn hatte erwar- Abbildung 1: BIP und PMI tet werden können. So hat der Index der Schweizer Kon- BIP: real, saison- und Sportevent-bereinigt, in % ggü. Vorquar- junkturstimmung (KSS) nachgegeben; er befindet sich tal, PMI: saisonbereinigt, 50 = Wachstumsschwelle aber weiterhin deutlich über dem historischen Mittel- 80 8.0 wert (Abbildung 2). Während sich die Einschätzung der 70 6.0 aktuellen Lage in den vergangenen Monaten kaum ver- 60 4.0 ändert hat, waren die Ergebnisse für die erwartete Ent- 50 2.0 wicklung im April nur noch leicht überdurchschnittlich. 40 0.0 Grosse Unterschiede bestehen allerdings zwischen Haus- 30 -2.0 halts- und Unternehmensumfragen. Die Konsumenten- 20 -4.0 stimmung hat sich deutlich eingetrübt (vgl. S. 4), wäh- 10 -6.0 rend die Einkaufsmanagerindizes (PMI) für die Industrie 0 -8.0 und für den Dienstleistungssektor auch im April deutlich 2018 2019 2020 2021 2022 über der Wachstumsschwelle zu liegen kamen (Abbil- BIP-Wachstum (rechte Skala) PMI Industrie PMI Dienstleistungen dung 1). Quellen: SECO, CS/Procure Abbildung 2: Konjunkturstimmung Schweiz (KSS) Abweichung ggü. dem langfristigen Mittelwert, Beiträge der Das verarbeitende Gewerbe trug im 1. Quartal massge- Komponenten blich zum Wachstum bei; die Warenexporte wuchsen 2.0 breit über die Rubriken abgestützt. Zudem erholten sich 1.5 die Konsumausgaben der privaten Haushalte weiter vom 1.0 starken Einbruch in der Corona-Krise. Zwar wirkten sich 0.5 die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus 0.0 bremsend auf Teile der Konsumnachfrage aus. Gegen- -0.5 über den ersten Corona-Wellen wurde die Wirtschaft -1.0 aber deutlich weniger stark beeinflusst. Mitte Februar -1.5 wurden die Massnahmen weitestgehend gelockert. -2.0 -2.5 Die Konsumteuerung überschritt ab Februar erstmals 2018 2019 2020 2021 2022 seit 2008 die Marke von 2 % gegenüber dem Vorjahr, im Erwartungen Aktuelle Lage KSS Quelle: SECO Konjunkturtendenzen SECO │Sommer 2022 1
BRUTTOINLANDPRODUKT Bruttoinlandprodukt Produktion (−0,4 %). Die Branche ist von den Auswirkungen der glo- Im 1. Quartal 2022 wuchs das BIP moderat um 0,5 % balen Lieferengpässe und von gestiegenen Rohstoffprei- (Sportevent-bereinigt: 0,4 %; Abbildung 1 sowie S. 8). sen stark betroffen. So stiegen beispielsweise die Import- Wie im Vorquartal kam von der Industrie ein kräftiger Im- preise für Zementprodukte im April um gut 8 % gegen- puls: Der 2. Sektor lieferte insgesamt einen Beitrag zum über dem Vorjahr. Zudem fällt es den Bauunternehmen BIP-Wachstum von 0,3 Prozentpunkten, was über dem zunehmend schwer, geeignete Fachkräfte zu rekrutieren. historischen Mittelwert liegt. Vom Dienstleistungssektor hingegen kam ein unterdurchschnittlicher Beitrag in der Die Omikron-Welle und die damit einhergehenden Ein- Höhe von 0,2 Prozentpunkten. Zu Jahresbeginn wirkten dämmungsmassnahmen hemmten die Erholung in ver- sich die Omikron-Welle und die damit einhergehenden schiedenen Branchen. Allen voran das Gastgewerbe ver- Eindämmungsmassnahmen bremsend aus. zeichnete eine deutlich rückläufige Wertschöpfung (−2,2 %). Die im Januar gültige 2-G-Zertifikatspflicht (Zu- Die Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes ver- gang nur für geimpfte und genesene Personen), die all- zeichnete insgesamt ein Wachstum von 1,7 % und kam gemeine Maskenpflicht sowie die bis Anfang Februar gel- damit fast 13 % über dem Vorkrisenniveau zu liegen. tende Homeoffice-Pflicht lasteten auf der Geschäftstätig- Während die chemisch-pharmazeutische Industrie nach keit der Gastronomie. Die Hotellerie vermochte dies mehreren ausserordentlich starken Quartalen nur mit nicht zu kompensieren: Die Schweizer Bevölkerung ging abgeschwächtem Tempo wuchs (+0,3 %), verzeichneten in den Wintermonaten wieder vermehrt ins Ausland in die übrigen Industriebranchen im Zuge dynamischer Wa- die Ferien. Entsprechend gingen die Logiernächte der In- renexporte ein überdurchschnittlich starkes Wachstum länder gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um (Abbildung 3). Wie beispielsweise aus der PMI-Umfrage1 9 % zurück, lagen damit aber immer noch deutlich über von April hervorgeht, ist die Stimmung trotz anhaltend dem Vorkrisenniveau. Gleichzeitig nahmen jene der aus- langer Lieferfristen und hoher Einkaufspreise weiter zu- ländischen Gäste nur um 2 % zu. Insgesamt besteht wei- versichtlich. Die Unternehmen erfreuen sich an weiter- terhin ein grosses Aufholpotenzial: Die Wertschöpfung hin sehr gut gefüllten Auftragsbüchern; dementspre- des Gastgewerbes lag im 1. Quartal noch immer über chend sind die Produktionskapazitäten so stark ausgelas- 20 % unter dem Vorkrisenniveau. tet wie seit 2008 nicht mehr. Von den Eindämmungsmassnahmen negativ betroffen Abbildung 3: Wertschöpfung im Industriesektor war auch die Transport- und Kommunikationsbranche. Real, saisonbereinigt, in % Zwar stieg die Wertschöpfung leicht an (+0,2 %), aller- dings liegt sie immer noch mehr als 6 % unter dem Vor- Energie krisenniveau (Abbildung 5). Im Januar war die Mobilität der Bevölkerung aufgrund der Homeoffice-Pflicht einge- Bau schränkt. Mit den letzten Lockerungsschritten ab Februar 2022 hat sich die Mobilität der Schweizer Bevölkerung al- Chemie, Pharma lerdings weitgehend normalisiert. Die durchschnittlich pro Person zurückgelegten Kilometer pro Woche liegen übriges verarb. mittlerweile deutlich über dem Niveau von vor einem Gewerbe Jahr. Die Transportbranche profitierte von der robusten -6 -3 0 3 6 9 12 15 18 21 Industrieentwicklung: Die Menge per Schiene, Strasse Wachstum im 1. Quartal 2022 Abweichung zum Vorkrisenniveau und Flugzeug transportierter Güter hat mittlerweile den Quelle: SECO Vorkrisenstand erreicht oder bereits deutlich überschrit- ten. Auch die Passagierzahlen an den Schweizer Flughä- Die Wertschöpfung in der Energiebranche ging im fen erreichten zuletzt beinahe wieder das Niveau von 1. Quartal leicht zurück (−0,1 %). Zwar kam das AKW 2019. Leibstadt nach einer mehrmonatigen Revision per Mitte Dezember wieder ans Netz, in den Wintermonaten Einen deutlichen Rückgang verzeichnete der Detailhan- wurde allerdings bei den Speicher- und Laufkraftwerken del (−2,5 %). Während die Umsätze mit Nahrungsmitteln weniger Strom produziert als in derselben Periode in den gegenüber dem Vorquartal anstiegen, gingen jene im Vorjahren. Auch im Baugewerbe sank die Wertschöpfung Non-Food-Bereich deutlich zurück (Abbildung 4). Die Ein- dämmungsmassnahmen und die hohe Viruszirkulation 1 https://www.procure.ch/fileadmin/user_upload/Dokumente/PROCURE_SWISS_MAGAZIN/PMI/PMI_April_2022_Deutsch.pdf 2 Konjunkturtendenzen SECO │ Sommer 2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ dürften zumindest teilweise vom Besuch gastronomi- Trotz Zertifikatspflicht in der ersten Quartalshälfte hat scher Betriebe abgehalten und den Konsum zu Hause ge- sich die Erholung in der von der Krise stark betroffenen stützt haben. Insgesamt bewegen sich die Umsätze wei- Branche Kunst, Unterhaltung und Erholung fortgesetzt. terhin auf hohem Niveau; entsprechend schätzen die De- Das Quartalsergebnis dieser Branche ist auch durch die tailhändler den Geschäftsgang nach wie vor überdurch- im Februar 2022 in China ausgetragenen Olympischen schnittlich positiv ein. Im übrigen Handel stieg die Wert- Winterspiele beeinflusst, sodass die Wertschöpfung der schöpfung im 1. Quartal leicht an (+0,8 %), gestützt ins- Branche insgesamt im 1. Quartal beträchtlich anstieg besondere durch die positive Industriedynamik (Abbil- (+9,8 %). Bereinigt um diesen Effekt, resultierte dennoch dung 5). ein solides Wachstum (+2,4 %), womit die Sportevent- bereinigte Wertschöpfung der Branche erstmals seit Aus- Abbildung 4: Detailhandelsumsätze bruch der Corona-Pandemie über das Vorkrisenniveau Index, real, saisonbereinigt kletterte. 140 130 Sportevent-bereinigt lag das BIP-Wachstum im 1. Quartal 120 bei 0,4 %, gegenüber +0,5 % ohne Sportevent-Bereini- 110 gung (Abbildung 6). 100 90 Abbildung 6: BIP und internationale Sportgrossanlässe 80 Real, saisonbereinigt, Veränderung zum Vorquartal in % 8 70 2018 2019 2020 2021 2022 6 Nahrungsmittel, Getränke, Tabak 4 Übrige Warengruppen (ohne Treibstoffe) 2 Quelle: BFS 0 -2 Die Finanzdienste (+1,1 %), das Gesundheits- und Sozial- -4 wesen (+0,7 %) sowie die öffentliche Verwaltung (+0,1 %) -6 blicken auf ein positives Quartalsergebnis zurück. Hinge- -8 gen stagnierte die Wertschöpfung bei den unterneh- 2018 2019 2020 2021 2022 mensnahen Dienstleistungen, bei den sonstigen Dienst- BIP BIP Sportevent-bereinigt leistungen war sie gar rückläufig (−0,8 %). Quelle: SECO Abbildung 5: Wertschöpfung Dienstleistungsbranchen Real, saisonbereinigt, in % Gesundheit, Soziales Unternehmens- nahe Dienste Finanzdienste Gastgewerbe Transport, Kommunikation Handel -24 -21 -18 -15 -12 -9 -6 -3 0 3 6 Wachstum im 1. Quartal 2022 Abweichung zum Vorkrisenniveau Quelle: SECO Konjunkturtendenzen SECO │Sommer 2022 3
BRUTTOINLANDPRODUKT Verwendung dürfte dies die Bereitschaft zu grösseren Anschaffun- Konsum gen dämpfen. Andererseits dürften die Konsumentin- Der private Konsum stieg im 1. Quartal um 0,4 % nach nen und Konsumenten auf Kaufkraftgewinne in der einem moderaten Wachstum von 0,3 % im Vorquartal jüngsten Vergangenheit zurückblicken: Die Arbeitneh- (Abbildung 7 sowie S. 9 f.)2. merentgelte lagen im 1. Quartal 3,9 % über dem Vor- jahreswert3; der Landesindex der Konsumentenpreise Die verschärfte pandemische Lage prägte die Konsum- stieg im Vergleich zum Vorjahresquartalsdurchschnitt ausgaben in der ersten Quartalshälfte: Die Homeoffice- um 2,1 %. Pflicht bzw. -Empfehlung führte zu einer grösseren Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Getränken im Abbildung 8: Konsumentenstimmung Detailhandel, weil das Essen wiederum öfter zu Hause Abweichung vom Mittelwert ab 1972 = 0, saisonbereinigt zubereitet wurde. Auch die Ausgaben für Mobilität san- 20 ken, gebremst auch von Lieferengpässen bei Automo- 10 bilen, die sich seit dem Ausbruch des Krieges in der Uk- 0 raine akzentuiert haben. -10 -20 Die Eindämmungsmassnahmen schränkten die Kon- -30 summöglichkeiten aber deutlich weniger stark ein als in -40 den ersten Corona-Wellen, zudem wurden sie ab 2018 2019 2020 2021 2022 Mitte Februar weitestgehend aufgehoben. Entspre- Anschaffungsneigung Vergangene finanzielle Lage chend übertrafen die Ausgaben für Restaurant-, Beher- Erwartete finanzielle Lage Erwartete Wirtschaftsentwicklung bergungs- und Freizeitdienste das Niveau des Vorquar- Konsumentenstimmung (Abweichung vom Mittelwert ab 1972) tals. Insbesondere erhöhten sich die Konsumausgaben Quelle: SECO für Auslandreisen spürbar, auch wenn sie noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau verblieben. Die Konsumausgaben des Staates stiegen im 1. Quartal erheblich an (+1,4 %; Abbildung 9). Wie im Vorquartal Abbildung 7: Privater Konsum trugen dazu insbesondere Ausgaben im Zusammen- Real, saisonbereinigt, Niveau in Mrd. Franken hang mit der Corona-Pandemie bei. So wurden im Zuge 12 98 der Omikron-Welle im 1. Quartal fast 40 % mehr Tests 9 95 auf Covid durchgeführt als im Vorquartal. Ausgaben im 6 92 Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg bzw. der damit 3 89 einhergehenden Flüchtlingsbewegung dürften sich im weiteren Jahresverlauf erheblich auf den Staatskonsum 0 86 auswirken. -3 83 -6 80 Abbildung 9: Staatskonsum -9 77 Real, saisonbereinigt, Niveau in Mrd. Franken 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 3.0 22.0 Veränderung zum Vorquartal in % Niveau (rechte Skala) 2.5 21.5 Quelle: SECO 2.0 21.0 1.5 20.5 Die erhöhte Unsicherheit durch den Krieg in der Ukra- 1.0 20.0 ine widerspiegelt sich in der Stimmung der Konsumen- 0.5 19.5 tinnen und Konsumenten, die sich zuletzt stark einge- 0.0 19.0 trübt hat. Der Index der Konsumentenstimmung no- -0.5 18.5 tierte im April deutlich unter dem langjährigen Mittel -1.0 18.0 (Abbildung 8). Die Schweizer Haushalte erwarteten 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 erstmals seit über einem Jahr eine schwache Konjunk- Veränderung zum Vorquartal in % Niveau (rechte Skala) turentwicklung. Auch die vergangene und die erwar- Quelle: SECO tete finanzielle Lage wurden stark unterdurchschnitt- lich beurteilt. Dies dürfte auch an den steigenden Kon- Investitionen sumentenpreisen liegen, welche die Kaufkraft der Die Bauinvestitionen gingen im 1. Quartal um 0,7 % und Haushalte bremsen. Neben der erhöhten Unsicherheit damit zum vierten Mal in Folge zurück (Abbildung 10). 2 Inkl. Konsum der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck. 3 Arbeitnehmerentgelte zuzüglich Kurzarbeitsentschädigung. 4 Konjunkturtendenzen SECO │ Sommer 2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Dies dürfte unter anderem auf einen zunehmenden Nachfrage nach Wohneigentum während der Corona- Mangel an Vorleistungsgütern zurückzuführen sein. Die Pandemie verstärkt, was auch in den gestiegenen Prei- mit dem knappen Angebot einhergehende Verteue- sen für Wohneigentum zum Ausdruck kommt. Anders rung der Vorleistungsgüter resultierte zudem in einem sieht es für den Mietwohnungsmarkt aus: In gewissen erneuten kräftigen Anstieg der Baupreise. Belastend Regionen bestehen beträchtliche Leerstände, was nach wirkte ausserdem ein zunehmender Mangel an Fach- der starken Bautätigkeit der letzten Jahre ein Überan- kräften in der Bauwirtschaft. gebot an Mietwohnungen signalisiert. Trotzdem stie- gen die Angebotsmieten, d. h. die Mieten von öffent- Abbildung 10: Bauinvestitionen lich ausgeschriebenen Wohnungen, im 1. Quartal erst- Real, saisonbereinigt, Niveau in Mrd. Franken mals seit 19 Quartalen wieder, ausgehend von einem 6.0 17.5 sehr tiefen Niveau. 4.0 17.0 Die Ausrüstungsinvestitionen gingen im 1. Quartal nach 2.0 16.5 einem kräftigen Anstieg im Vorquartal um 3,1 % zurück 0.0 16.0 (Abbildung 12). Der Rückgang ist grösstenteils aber -2.0 15.5 nicht dem Konjunkturgang geschuldet: Bei der Rubrik « Forschung und Entwicklung » kam es zu einer Kom- -4.0 15.0 pensation nach sehr hohen Investitionen im Vorquar- -6.0 14.5 tal. Dies war auch der Fall bei diversen kleineren Inves- 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 titionsrubriken, die im Sommer besonders von den glo- Veränderung zum Vorquartal in % Niveau (rechte Skala) balen Lieferengpässen betroffen gewesen waren und Quelle: SECO von Aufholeffekten im 4. Quartal 2021 profitierten. Po- sitive Impulse kamen im 1. Quartal von den Investitio- Zwar ist die Auftragslage so gut wie seit 2013 nicht nen in Maschinen und in elektrische Ausrüstungsgüter mehr (Abbildung 11), v. a. aufgrund des Hochbau- und sowie in EDV und in EDV-Dienstleistungen. Ausbaugewerbes, während sie im Tiefbau auf niedri- gem Niveau stagniert. Dies dürfte jedoch kaum in einer Abbildung 12: Ausrüstungsinvestitionen Steigerung der Produktion resultieren. Grund dafür Real, saisonbereinigt, Niveau in Mrd. Franken sind die im historischen Vergleich stark ausgelasteten 12 33 10 32 Kapazitäten, die angesichts des Fachkräftemangels 8 31 kaum ausgeweitet werden können. Gleichzeitig hat 6 30 sich der Ausblick sowohl im Tiefbau als auch im Hoch- 4 29 2 28 bau etwas eingetrübt. Einzig das Ausbaugewerbe rech- 0 27 net mit einer weiteren Ausweitung der Nachfrage. -2 26 -4 25 -6 24 Abbildung 11: Stimmung im Baugewerbe -8 23 Saldo, saisonbereinigt; Nachfrage, Bauaktivität: Erwartungen -10 22 für die nächsten 3 Monate 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 30 Veränderung zum Vorquartal in % Niveau (rechte Skala) 20 Quelle: SECO 10 0 -10 Die fundamentale Lage der Industrie in der Schweiz -20 präsentiert sich im historischen Vergleich weiterhin -30 günstig (Abbildung 13). Zwar schwächten sich im -40 -50 1. Quartal die Erwartungen für den Auftragseingang bei -60 Produzenten von Investitionsgütern etwas ab, die Ka- -70 pazitätsauslastung in der Industrie legte jedoch wieder 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 zu. Beide Indikatoren weisen damit noch immer über- Nachfrage Bauaktivität Auftragsbestand durchschnittlich hohe Werte aus. Zuletzt stieg der An- Quelle: KOF teil der Unternehmen mit Finanzierungsschwierigkei- ten etwas an; er befindet sich aber weiterhin auf einem Die Fundamentalfaktoren im Baugewerbe sind aber sehr niedrigen Niveau. weiterhin gut: Obwohl die Hypothekarzinsen zuletzt leicht angestiegen sind, bleiben die Finanzierungsbe- dingungen noch immer günstig. Zudem hat sich die Konjunkturtendenzen SECO │Sommer 2022 5
BRUTTOINLANDPRODUKT Abbildung 13: Indikatoren, Industrie Abbildung 14: Aussenhandel mit Waren Saisonbereinigt Real, saisonbereinigt, Jahresmittel 2013 = 100 40 87 160 30 85 150 140 20 83 130 10 81 120 0 79 110 100 -10 77 90 -20 75 80 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 70 Erwarteter Auftragseingang Investitionsgüter, Saldo 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Unternehmen mit Finanzierungsschwierigkeiten, Anteil in % Exporte Total Importe Total Kapazitätsauslastung in % (rechte Skala) ohne Chemie-Pharma ohne Chemie-Pharma Quelle: KOF Quelle: SECO Aussenhandel Trotz des andauernden Konflikts in der Ukraine, der Insgesamt lieferte der Aussenhandel im 1. Quar- strengen Corona-Massnahmen in China und der gros- tal 2022 einen leicht negativen Beitrag zum BIP-Wachs- sen Unsicherheit ist bis zum April insgesamt kein Ein- tum (s. auch S. 9 f.). Sowohl der Waren- wie auch der bruch der Auslandnachfrage nach Schweizer Produkten Dienstleistungshandel trugen negativ zum Resultat bei. festzustellen (Abbildung 15). Die Warenexporte (ohne Wertsachen und Transithan- Abbildung 15: Warenexporte, ausgewählte Rubriken del, +2,1 %) wuchsen das siebte Quartal in Folge klar Real, saisonbereinigt, Jahresmittel 2019 = 100, überdurchschnittlich und erreichten damit ein Niveau Anteile 2021 in Klammern 160 von knapp 16 % über jenem vor der Krise (Abbil- dung 14).4 Das Wachstum war breiter abgestützt als in 140 den Vorquartalen. Positive Wachstumsbeiträge kamen 120 insbesondere von den Exporten von Uhren, Präzisions- 100 instrumenten, Maschinen, Metallen und Landwirt- 80 schaftsgütern. Die Exporte von Chemie- und Pharma- 60 produkten wuchsen hingegen unterdurchschnittlich 40 und zum ersten Mal seit Ende 2020 schwächer als jene 2019 2020 2021 2022 der übrigen Rubriken insgesamt. Chemie, Pharma (52%) Präzisionsinstr., Uhren (18%) Maschinen (12%) Metalle (6%) Die positive Entwicklung der Warenexporte ist im Ein- Übrige (12%) klang mit der dynamischen Entwicklung des Welthan- Quelle: SECO dels seit dem Herbst 2021 und widerspiegelt die Erho- lung der Weltwirtschaft von der Corona-Krise. Das Ex- Im Zuge von Lieferengpässen und starken Preisanstie- portwachstum betraf im 1. Quartal viele wichtige Ab- gen bei vielen Rohstoffen und Vorleistungen sind Preis- satzregionen wie die USA, den Euroraum, Japan und anstiege bei den betroffenen Exportgütern zu be- China. Im Gegensatz dazu gingen die Warenexporte in obachten, was sich im Deflator der Warenexporte ohne die Ukraine und nach Russland im Zuge des Ausbruchs die Rubrik Chemie und Pharma reflektiert (Abbil- des Krieges in der Ukraine stark zurück. Während die dung 16). Gleichzeitig führten die sinkenden Export- Schweizer Exporte nach Russland im April nur noch preise für die chemischen und pharmazeutischen Er- halb so hoch waren wie im Februar – der kaum vom zeugnisse dazu, dass der Deflator der gesamten Waren- Krieg betroffen war –, brachen jene in die Ukraine um exporte wie im Vorquartal stagnierte. mehr als drei Viertel ein. Allerdings entfiel auf beide Länder in der Vergangenheit nur ein geringer Anteil der Warenexporte der Schweiz (1,3 % respektive 0,2 %). 4 Um die konjunkturelle Interpretation zu erleichtern, werden im Folgenden die Warenexporte und -importe ohne Wertsachen und Transithandel kom- mentiert. Aufgrund unterschiedlicher Definition und Deflationierung weichen die hier präsentierten Zahlen von denjenigen des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit ab. In den Abbildungen werden die folgenden Kurzformen verwendet: Chemie, Pharma: Produkte der chemisch-pharmazeuti- schen Industrie; Maschinen: Maschinen, Apparate, Elektronik; Präzisionsinstr., Uhren: Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie. 6 Konjunkturtendenzen SECO │ Sommer 2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Abbildung 16: Deflatoren des Warenhandels Mit der Verschlechterung der Corona-Situation Saison- und mittelwertbereinigt Ende 2021 wurde die Erholung der Reisetätigkeit un- 110 terbrochen, gerade europäische und amerikanische 105 Gäste reisten wieder etwas weniger in die Schweiz (Ab- bildung 18). Mit dem Ausklingen der Omikron-Welle 100 knüpfen die jüngsten Zahlen an die positive Entwick- 95 lung des zweiten Halbjahrs 2021 an. Unter den asiati- schen Gästen sind seit Mitte 2021 v. a. jene aus dem 90 Nahen Osten vermehrt in die Schweiz zurückgekehrt. 85 Hingegen sind die Gäste aus Südostasien, insbesondere 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 China und Japan, immer noch zurückhaltend. Im März Exporte Total Importe Total war entgegen dem positiven Trend in Europa ein deut- ohne Chemie-Pharma ohne Chemie-Pharma licher Rückgang an Gästen aus Russland und der Ukra- Quelle: SECO ine zu verzeichnen, was mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und den verhängten Sanktionen gegen Die Warenimporte (ohne Wertsachen; +6,1 %) setzten Russland zusammenhängen dürfte. Vor dem Ausbruch ebenfalls die Aufwärtsbewegung der Vorquartale fort der Corona-Pandemie gingen rund 1 % der Logier- und verzeichneten das grösste Wachstum seit dem nächte auf Reisende aus den beiden Ländern zurück. 3. Quartal 2020 (Abbildung 14). Die meisten Rubriken waren im Plus, der weitaus grösste Wachstumsbeitrag Abbildung 18: Logiernächte nach Herkunft der Gäste wurde dabei von der Rubrik der chemischen und phar- Saisonbereinigt, Jahresmittel 2019 = 100 mazeutischen Erzeugnisse geliefert. Der grösste nega- 140 tive Beitrag kam von der Rubrik der Fahrzeuge, die seit 120 mehreren Quartalen besonders von Lieferschwierigkei- 100 ten betroffen ist. Zudem fand im 1. Quartal ein weite- 80 rer starker Anstieg der Importpreise statt (Abbil- 60 dung 16). Insbesondere die starken Preisanstiege bei 40 den Rubriken Energie und Metalle treiben seit 2020 den Deflator der Warenimporte nach oben. 20 0 Die Dienstleistungsexporte sanken im 1. Quartal 2022 2019 2020 2021 2022 um 5,2 % nach einem deutlichen Anstieg von 9,4 % im Ausland Total Europa USA Asien Vorquartal (Abbildung 17). Die starken Bewegungen Quelle: BFS (Saisonbereinigung: SECO) sind zu einem grossen Teil auf die Exporte von Lizenzen und Patenten zurückzuführen. Im Übrigen war die Ent- Die Dienstleistungsimporte gingen im 1. Quartal 2022 wicklung eher moderat positiv. Der Fremdenverkehr leicht zurück (−1,2 %; Abbildung 17). Insbesondere die stagnierte praktisch. Importe von Forschung und Entwicklung trugen negativ dazu bei. Es wurden dagegen mehr Transportdienste, Abbildung 17: Aussenhandel mit Dienstleistungen Lizenzen und Patente sowie übrige Geschäftsdienste Real, saisonbereinigt, in Mrd. Franken importiert. Letztere setzten die positive Entwicklung 36 der letzten Quartale fort und haben damit die Vorkri- 34 senniveaus hinter sich gelassen. Insgesamt bewegen 32 sich die Dienstleistungsimporte seit Mitte 2021 etwa 30 auf Vorkrisenniveau. Gewisse Bereiche wie der Frem- 28 denverkehr sind aber nach wie vor v. a. durch Massnah- 26 men im Ausland beeinträchtigt. 24 22 20 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Exporte Importe Quelle: SECO Konjunkturtendenzen SECO │Sommer 2022 7
BRUTTOINLANDPRODUKT Tabelle 1: Bruttoinlandprodukt gemäss Produktionsansatz Real, saisonbereinigt, Veränderung zum Vorquartal in % 2021:2 2021:3 2021:4 2022:1 Verarbeitendes Gewerbe 2.0 2.6 1.7 1.7 Baugewerbe 0.0 0.0 -0.8 -0.4 Handel 4.2 -4.1 0.0 -0.1 Gastgewerbe 38.2 107.2 -3.2 -2.2 Finanz, Versicherung 0.6 0.2 -1.2 0.9 Unternehmensnahe Dienstleistungen 1.1 1.5 0.6 0.0 Öffentliche Verwaltung 0.0 0.5 0.1 0.1 Gesundheit, Soziales 0.3 1.6 0.3 0.7 Kunst, Unterhaltung, Erholung 52.7 24.8 -15.5 9.8 Übrige 1.5 3.4 0.2 0.4 Bruttoinlandprodukt 2.0 1.9 0.2 0.5 Bruttoinlandprodukt Sportevent-bereinigt 1.8 1.7 0.3 0.4 Quelle: SECO Abbildung 19: Beiträge der Branchen zum BIP-Wachstum Real, saisonbereinigt, gegenüber dem Vorquartal, in Prozentpunkten 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 2018 2019 2020 2021 2022 Verarbeitendes Gewerbe Handel Finanz, Versicherung Öff. Verwaltung, Gesundheit, Soziales Unternehmensnahe Dienstl. Kunst, Unterhaltung, Erholung Übrige BIP (Veränderung in %) Quelle: SECO Verarbeitendes Gewerbe: « Verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren », Noga 10–33; Baugewerbe: « Baugewerbe/Bau », Noga 41–43; Handel: « Handel; Instandhaltung und Reparatur von Motorfahrzeugen », Noga 45–47; Gastgewerbe: « Gastgewerbe/Beherbergung und Gastronomie », Noga 55–56; Finanz, Versicherung: « Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen », Noga 64–66; Unternehmensnahe Dienstleistungen: « Grundstücks- und Wohnungswesen » sowie « Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen » und « Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen », Noga 68–82; Öffentliche Verwaltung: « Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung », Noga 84; Gesundheit, Soziales: « Gesundheits- und Sozialwesen », Noga 86–88; Kunst, Unterhaltung, Erholung: « Kunst, Unterhaltung und Erholung », Noga 90–93. 8 Konjunkturtendenzen SECO │ Sommer 2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Tabelle 2: Bruttoinlandprodukt gemäss Verwendungsansatz Real, saisonbereinigt, Veränderung zum Vorquartal in % 2021:2 2021:3 2021:4 2022:1 Privater Konsum 4.0 2.6 0.3 0.4 Staatskonsum 2.1 -0.7 1.3 1.4 Bauinvestitionen -0.1 -0.2 -0.4 -0.7 Ausrüstungsinvestitionen 3.0 -1.5 4.6 -3.1 Warenexporte ohne Wertsachen 2.0 5.9 -2.1 1.4 Warenexporte ohne Wertsachen und Transithandel 2.1 3.6 2.7 2.1 Dienstleistungsexporte 7.3 2.1 9.4 -5.2 Warenimporte ohne Wertsachen -0.2 3.4 1.1 6.1 Dienstleistungsimporte 6.9 4.7 1.3 -1.2 Bruttoinlandprodukt 2.0 1.9 0.2 0.5 Quelle: SECO Tabelle 3: Beiträge zum BIP-Wachstum Real, saisonbereinigt, gegenüber dem Vorquartal, in Prozentpunkten 2021:2 2021:3 2021:4 2022:1 Inländische Endnachfrage 2.7 1.0 1.0 -0.2 Vorratsveränderungen inkl. statistischer Diskrepanz -1.7 -0.2 -1.0 2.6 Handelsbilanz ohne Wertsachen 1.0 1.1 0.3 -1.9 Quelle: SECO Konjunkturtendenzen SECO │Sommer 2022 9
BRUTTOINLANDPRODUKT Abbildung 20: Komponenten der inländischen Endnachfrage Beiträge zum BIP-Wachstum gegenüber dem Vorquartal in Prozentpunkten, real, saisonbereinigt 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 2018 2019 2020 2021 2022 Privater Konsum Staatskonsum Bauinvestitionen Ausrüstungsinvestitionen Inländische Endnachfrage Quelle: SECO Abbildung 21: Komponenten der Handelsbilanz Beiträge zum BIP-Wachstum gegenüber dem Vorquartal in Prozentpunkten, real, saisonbereinigt, Warenexporte und -importe ohne Wertsachen 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 2018 2019 2020 2021 2022 Warenexporte Dienstleistungsexporte Warenimporte Dienstleistungsimporte Handelsbilanz Quelle: SECO 10 Konjunkturtendenzen SECO │ Sommer 2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Arbeitsmarkt Die Corona-Pandemie hatte den Arbeitsmarkt Abbildung 23: Arbeitslosenquote, einzelne Branchen Mitte März 2020 unvermittelt getroffen, wie der abrupte Saisonbereinigt, in % der Erwerbstätigen, Noga-Codes der Anstieg der Tageswerte der Arbeitslosenbestände ab Branchen in Klammern dem 17. März belegt. Gut zwei Jahre später hat sich der 10 9 9.6 Arbeitsmarkt zu einem grossen Teil erholt. Ende Ap- 8 7.5 7 6.1 ril 2022 war die saisonbereinigte Arbeitslosenquote 6 5.9 4.0 3.8 4.8 4.7 4.2 (ALQ) auf 2,2 % gesunken, d. h., die Anzahl Arbeitsloser 5 3.8 4.2 4.2 3.9 4 3.2 2.9 2.7 2.8 2.2 2.3 lag 2 600 Personen unter dem Vorkrisenniveau von Ende 3 4.9 4.8 2.7 2 3.9 3.7 3.4 Februar 2020 (Abbildung 22).5 Die saisonbereinigte Stel- 1 3.1 2.9 2.7 2.6 2.6 lensuchendenquote (STQ6) sank auf 3,9 %, womit noch 0 Uhren (2652) Metall (24-25) Unterhaltung Bau (41-43) Dienste (77-82) Gastgewerbe Fahrzeugbau Handel (45-47) Verkehr (49-53) Elektro, Optik Sonst. wirtsch. rund 2 700 Personen mehr als vor der Krise stellensu- (29-30) (55-56) (90-93) (26-27) chend waren. Hauptgrund dafür, dass die Stellensuchen- denzahl im Gegensatz zur Arbeitslosenzahl noch über dem Vorkrisenniveau lag, war der vermehrte Einsatz des Februar 20 April 22 Maximum Februar 20 - April 22 Zwischenverdienstes (ZV). (Die Stellensuchenden in ZV Quelle: SECO gelten als nicht arbeitslos, sodass der verstärkte Einsatz von ZV die Distanz zwischen Stellensuchenden und Ar- Abbildung 24: Arbeitslosenquote nach Branchen beitslosen vergrössert.) Saisonbereinigt, in % der Erwerbstätigen 10 Abbildung 22: Stellensuchenden- und Arbeitslosenquote 9 Saisonbereinigt, in % der Erwerbspersonen 8 7 5.5 6 5.0 5 4.5 4 4.0 3 3.5 2 3.0 1 2.5 0 2.0 1.5 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 1.0 Verarb. Gewerbe (Noga 10-33) Gastgewerbe (Noga 55-56) 0.5 Baugewerbe (Noga 41-43) Handel (Noga 45-47) 0.0 Quelle: SECO 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Stellensuchendenquote Arbeitslosenquote Auch in der Entwicklung der ALQ nach Altersklassen so- Quelle: SECO wie in den Kantonen sind die negativen Effekte der Corona-Pandemie weitestgehend überwunden. Wäh- Seit Anfang 2021 ging die Arbeitslosigkeit breit abge- rend die ALQ Ende April 2022 in den jüngeren Altersklas- stützt zurück (Abbildung 23 und Abbildung 24). In fast al- sen bereits deutlich unter das Vorkrisenniveau gesunken len Branchen wurde der Anstieg der ALQ aufgrund der ist, ist sie mit 2,3 % in der ältesten Altersgruppe der 50- Corona-Krise inzwischen wieder wettgemacht. bis 64-Jährigen zumindest wieder beim Vorkrisenniveau angekommen. In der grossen Mehrheit der Kantone ist die ALQ Ende April 2022 bereits wieder unter das Vorkri- senniveau gefallen. Die Kurzarbeit ist seit Frühjahr 2021 ebenfalls deutlich zurückgegangen, auch wenn sie nach wie vor klar über den Vorkrisenständen zu liegen kommt. Im Februar 2022 5 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf saisonbereinigte Arbeitslosen- und Stellensuchendenzahlen. 6 Zu den Stellensuchenden (STS) zählen die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum gemeldeten Arbeitslosen – genauer: die arbeitslosen Stellen- suchenden – sowie die nicht arbeitslosen Stellensuchenden. Zu Letzteren zählen u. a. Personen, die noch in einer gekündigten Stelle beschäftigt sind, einen Zwischenverdienst haben, sich in einer aktiven arbeitsmarktlichen Massnahme befinden (z. B. an einem Programm zur vorübergehenden Beschäfti- gung teilnehmen oder eine Weiterbildung besuchen) oder bspw. aufgrund einer Krankheit nicht sofort vermittelbar sind. Konjunkturtendenzen SECO │Sommer 2022 11
ARBEITSMARKT wurde bisher für rund 50 000 Arbeitnehmende Kurzar- (Abbildung 27). Im 2. Sektor nahm insbesondere die beitsentschädigung (KAE) abgerechnet (rund 1 % der Be- Beschäftigung in der Herstellung von Daten- schäftigten, Abbildung 25). Die Zahl für Februar wird in verarbeitungsgeräten und Uhren zu. Das Beschäftigungs- den Folgemonaten noch leicht nach oben revidiert wer- wachstum im 3. Sektor war von einem deutlichen den, dennoch ist mit einer leichten Abnahme der KAE- Aufschwung in der Gastronomie getrieben. Dies dürfte Nutzung zu rechnen. Für April 2022 verfügten rund mit dem Erhebungszeitpunkt der Beschäftigungsdaten 11 000 Betriebe über eine KAE-Bewilligung für im März zu tun haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der 127 000 Arbeitnehmende (2,5 % der Beschäftigten). Bundesrat u. a. die Zertifikatspflicht für Restaurantbesu- Nach einem minimalen Anstieg bis Februar fiel die Zahl cherinnen und -besucher aufgehoben. Gleichwohl liegt der Voranmeldungen für KAE im März und April auf den die saisonbereinigte Anzahl Beschäftigter in der tiefsten Stand seit Beginn der Corona-Krise. Der Rück- Gastronomie weiterhin unter dem Vorkrisenniveau. gang erfolgt allerdings langsam, da Bewilligungen sechs Monate lang gültig bleiben, auch wenn sie voraussicht- Abbildung 27: Vollzeitäquivalente im 2. und im 3. Sektor lich nicht mehr beansprucht werden. Gegenüber dem Vorquartal in %; saisonbereinigt 1.5 Abbildung 25: Abgerechnete Kurzarbeit seit 2020 1.0 Anzahl Arbeitnehmende (in Tausend), Noga-Codes der Bran- chen in Klammern 0.5 1'800 0.0 1'500 -0.5 1'200 900 -1.0 600 -1.5 300 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 0 2. Sektor 3. Sektor 2020 2021 2022 Quelle: BFS (Saisonbereinigung: SECO) übrige verarb. Gewerbe (10-33) Gastgewerbe (55-56) Handel (45-47) Freib., tech., wiss. DL (69-75) Verkehr, Transport (49-53) Die gängigen Arbeitsmarktindikatoren deuten für das Kunst, Unterhaltung (90-93) 2. Quartal 2022 auf ein erneutes Beschäftigungswachs- Quelle: SECO tum hin (Abbildung 28). Einzig der saisonbereinigte Sub- index des Einkaufsmanagerindex der Industrie (PMI) zur Im 1. Quartal 2022 stieg die vollzeitäquivalente Beschäf- Beschäftigung ging am aktuellen Rand leicht zurück. Al- tigung mit +0,6 % im Vergleich zum Vorquartal zum wie- lerdings kam der Index im April 2022 mit 60,7 Punkten derholten Mal deutlich an. Der saisonbereinigte Anstieg immer noch deutlich über der Wachstumsschwelle von belief sich auf 0,6 % (Abbildung 26). 50 Punkten zu liegen. Abbildung 26: Beschäftigung in Vollzeitäquivalenten Saisonbereinigt Abbildung 28: Arbeitsmarktaussichten PMI monatlicher Wert; übrige Indizes: Quartalswerte standar- 1.2 4.6 disiert 1.0 4.5 0.8 4.4 70 6 0.6 4.3 65 4 0.4 4.2 60 0.2 4.1 55 2 0.0 4.0 50 45 0 -0.2 3.9 -0.4 3.8 40 -2 -0.6 3.7 35 -0.8 3.6 30 -4 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 2018 2019 2020 2021 2022 PMI Beschäftigung (linke Skala) Veränderung zum Vorquartal in % Adecco-Stellenmarktindex Vollzeitäquivalente Beschäftigung in Mio. (rechte Skala) Besta-Beschäftigungsaussichten Quelle: BFS (Saisonbereinigung: SECO) KOF-Beschäftigungsindikator Quellen: CS/Procure, Adecco, BFS, KOF Der Anstieg der vollzeitäquivalenten Beschäftigung war im 2. und im 3. Sektor mit 0,6 % gleich stark ausgeprägt 12 Konjunkturtendenzen SECO │ Sommer 2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Preise Die Inflation setzte den jüngsten Aufwärtstrend fort und Im Vergleich zum Ausland (Euroraum: 7,4 %; USA: 8,3 %; erreichte im April 2,5 %. Ähnlich hohe Werte wurden UK: 9,0 %) bleibt die Inflationsentwicklung in der Schweiz letztmals im Jahr 2008 verzeichnet (Abbildung 29). Im bislang moderat. Dies liegt zum einen an dem tieferen Gegensatz zu damals ist aktuell aber rund die Hälfte der Gewicht der Energie im Warenkorb der Konsumenten: Inflation auf höhere Energiepreise zurückzuführen. So Mit 5,5 % ist es nur etwa halb so gross wie im Euroraum zogen die Rohwarenpreise für europäisches Gas und (10,9 %). Zudem haben Zollsenkungen und Kontingenter- Erdöl mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine Ende Februar weiterungen im Agrarbereich zur Stabilisierung der Nah- stark an. Auf Konsumentenstufe hat sich vor allem das rungs- und Futtermittelpreise beigetragen. Damit liegen Heizöl im Vorjahresvergleich stark verteuert (+76 %), in der Schweiz z. B. die Preise für tierische Produkte wie aber auch Gas und Treibstoffe sind deutlich teurer Fleisch, Milch, Butter und Eier immer noch nahe beim (+39 % bzw. +26 %). 2008 war hingegen nur rund ein Vorjahresniveau, während sie im Euroraum angesichts Drittel des Preisanstiegs auf die Energiepreise zurückzu- der höheren Tierhaltungskosten seit Februar in die Höhe führen. Dagegen trugen damals die Lebensmittelpreise schiessen.7 Schliesslich wurden im europäischen Ausland rund 0,5 Prozentpunkte zur Inflation bei. Aktuell liegt die- die Stromtarife bereits teils stark nach oben angepasst. ser Beitrag bei null. In der Schweiz erfolgt eine Erhöhung der Tarife erst auf Anfang 2023. Zudem dürften die höheren Kosten für Die Kerninflation, welche neben den Energiepreisen auch Energie und Vorleistungen auch in anderen Branchen die volatilen Lebensmittelpreise ausschliesst, lag im April erst mit einer gewissen Verzögerung an die Endkunden bei 1,5 %. Im September 2008 wurde ein Maximum von weitergegeben werden. So stieg der Anteil der Unterneh- 1,9 % erreicht. Nennenswerte Beiträge zur Kernteuerung men, die für die nächsten drei Monate Preiserhöhungen kamen im April von den gebrauchten und den neuen Au- erwarten (Abbildung 30), auch im Grosshandel, im De- tomobilen (0,5 Prozentpunkte), den Mieten (0,3 Pro- tailhandel und in der Industrie weiter an und lag im zentpunkte), vom Hausrat (0,2 Prozentpunkte, v. a. Mö- 2. Quartal 2022 höher als 2008. bel) und von den Luftreisen (0,1 Prozentpunkte). Abbildung 30: Erwartungen zu Ab- oder Zunahme der Ver- Abbildung 29: Inflation und Beiträge kaufspreise in den nächsten drei Monaten Gegenüber dem Vorjahresmonat, in Prozentpunkten Saldi, saisonbereinigt 3.5 100 3 80 2.5 2 60 1.5 40 1 0.5 20 0 0 -0.5 -1 -20 -1.5 -40 -2 -60 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Treibstoffe (Benzin und Diesel) Energie (Wohnen) Detailhandel Industrie, Einkauf Industrie Warenkorb ohne Energie LIK (Veränderung in %) Hotellerie Grosshandel, Einkauf Grosshandel Quelle: BFS Quelle: KOF 7 So wurden z. B. am 15. 3. 2022 die Einfuhrzölle auf Futtergetreide gesenkt (vgl. https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/services/medienmitteilun- gen.msg-id-87482.html). Konjunkturtendenzen SECO │Sommer 2022 13
PROGNOSE SCHWEIZ Konjunkturprognose Prognose Schweiz Abbildung 31: Weltnachfrage Im 1. Quartal setzte sich die Erholung der Schweizer BIP der wichtigsten Handelspartner der Schweiz, export- Wirtschaft erwartungsgemäss fort. Das BIP-Wachstum gewichtet, real, saisonbereinigt, ggü. Vorjahr in % kam im oberen Bereich der Erwartungen zu liegen, ge- 6 stützt insbesondere durch die Industrie. Dagegen wur- 4 den Teile des Dienstleistungssektors zu Jahresbeginn noch von der jüngsten Corona-Welle und den damit ein- 2 hergehenden Massnahmen gebremst. 0 -2 Mit der Aufhebung der gesundheitspolitischen Massnah- men ist eine weitere Erholung der Binnenwirtschaft zu -4 erwarten. Insbesondere in den Bereichen Freizeit und -6 Gastgewerbe dürften sich Aufholpotenziale materialisie- 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 ren. Die günstige Entwicklung des Arbeitsmarkts stützt Aktueller Datenstand Aktuelle Prognose die privaten Konsumausgaben, und die Inflation ist im in- Datenstand letzte Prognose Letzte Prognose ternationalen Vergleich weiterhin moderat. Verschie- Quellen: Statist. Ämter, OECD, IWF, Expertengruppe Konjunkturprognosen dene Indikatoren bestätigen derzeit einen stabilen Gang der Binnenkonjunktur. So haben sich die Bargeldbezüge Vor diesem Hintergrund senkt die Expertengruppe ihre und Kartentransaktionen bis zuletzt robust entwickelt. Wachstumsprognose für die Schweiz für 2022 auf 2,6 % Sowohl der PMI der Industrie als auch jener der Dienst- (Sportevent-bereinigtes BIP; Prognose von März: 2,8 %; leistungen befinden sich deutlich über der Wachstums- Abbildung 32). Somit würde die Schweizer Wirtschaft schwelle. Auf der Grundlage der aktuellen Indikatoren er- vorläufig ihre Erholung von der Corona-Krise mit einem wartet die Expertengruppe, dass sich die Erholung der überdurchschnittlichen BIP-Wachstum fortsetzen, aber Schweizer Wirtschaft in naher Zukunft weiter fortsetzt. weniger dynamisch als in der Vorprognose erwartet. Dies unter der Voraussetzung, dass ein deutlicher Abschwung Im weiteren Verlauf des Prognosehorizonts könnten die bei wichtigen Handelspartnern ausbleibt, und insbeson- Effekte des Kriegs in der Ukraine allerdings stärker aus- dere, dass es zu keinen grossen Energie- und Rohstoffen- fallen als bisher erwartet. Die Aussichten für die interna- gpässen in Europa kommt. tionale Konjunktur haben sich eingetrübt. Auf den Welt- märkten sind die Preise von wichtigen Exporten Russ- Abbildung 32: BIP-Prognose, Sportevent-bereinigt lands und der Ukraine, namentlich Energieträger sowie Real, saisonbereinigt, Veränderung zum Vorjahr in % gewisse Grundnahrungs- und Futtermittel, stark ange- 4 stiegen. Der damit einhergehende Teuerungsdruck lastet 3 auf der Nachfrage in wichtigen Handelspartnerländern, 2 mit dämpfenden Effekten auf die exponierten Bereiche 1 der Schweizer Wirtschaft. Daneben ist in China wegen 0 der weitreichenden Corona-Massnahmen mit einer -1 deutlich schwächeren Entwicklung zu rechnen. Schliess- -2 lich dürfte die restriktivere Geldpolitik im gesamten Prog- nosehorizont dämpfend wirken. In der Folge geht die Ex- -3 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 pertengruppe von einer schwächeren Entwicklung der Aktueller Datenstand Aktuelle Prognose Weltnachfrage aus (Abbildung 31). Datenstand letzte Prognose Letzte Prognose Quellen: BFS, SECO, Expertengruppe Konjunkturprognosen 14 Konjunkturtendenzen SECO │ Sommer 2022
KONJUNKTURPROGNOSE Aufgrund der jüngsten Entwicklung revidiert die Exper- Prognose von März: 2,0 %). Die Inflation dürfte auf 1,4 % tengruppe ihre Erwartung für die Inflation in der Schweiz im Jahresdurchschnitt zurückgehen (Prognose von März: auf 2,5 % (Prognose von März 2022: 1,9 %) und geht von 0,7 %). Die inländische Nachfrage dürfte sich etwas ver- entsprechenden dämpfenden Effekten auf die Konsum- haltener entwickeln als in der Vorprognose unterstellt. ausgaben aus. Gestützt wird der Konsum jedoch von den Auch vom Aussenhandel wird ein geringerer Wachstums- in den vergangenen Quartalen erheblich gestiegenen Ar- beitrag erwartet. beitnehmerentgelten sowie von der günstigen Entwick- lung am Arbeitsmarkt. In der Summe passt die Experten- Für den Arbeitsmarkt geht die Expertengruppe von einer gruppe ihre Prognose für den privaten Konsum nur leicht weiteren Erholung aus und erwartet im Jahresdurch- nach unten an. schnitt 2022 eine Arbeitslosenquote von 2,1 %, gefolgt von 2,0 % im Jahr 2023. Die gestiegene Unsicherheit, die Lieferengpässe und die Preisentwicklung lasten auf der Investitionstätigkeit. Das Abbildung 33: BIP-Prognose und Wachstumsbeiträge Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen dürfte deutlich Real, saisonbereinigt, inkl. Sportevents, Beiträge der Kompo- tiefer ausfallen als noch in der Vorprognose erwartet; bei nenten in Prozentpunkten, 2022 bis 2023: Prognosen den Bauinvestitionen ist für das Gesamtjahr 2022 ein leichter Rückgang zu erwarten. Zudem dürfte der Aus- 6.0 senhandel angesichts der moderaten Entwicklung im 4.5 +3.7 +2.8 Ausland insgesamt ebenfalls keinen nennenswerten 3.0 +1.6 Wachstumsimpuls liefern (Abbildung 33). 1.5 0.0 In der zweiten Hälfte des Prognosezeitraums dürften die -1.5 Aufholeffekte im Zusammenhang mit der Corona-Krise -3.0 schwächer werden. Es ist eine Normalisierung der Kon- -2.5 -4.5 junktur zu erwarten, sofern auch die aktuell bremsenden 2020 2021 2022 2023 Faktoren allmählich nachlassen, v. a. die globalen Liefer- Konsum Bruttoinvestitionen kettenprobleme und die international hohe Inflation. Aussenhandel BIP (Veränderung in %) Quellen: BFS, SECO, Expertengruppe Konjunkturprognosen Für das Gesamtjahr 2023 senkt die Expertengruppe ihre Wachstumsprognose auf 1,9 % (Sportevent-bereinigt; Risiken Die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Ukraine- Angesichts steigender Zinsen verschärfen sich die Risiken Konflikt ist sehr gross. Auch ohne eine internationale mili- im Zusammenhang mit der international stark angestiege- tärische Eskalation besteht das Risiko von grösseren wirt- nen Verschuldung. Die Wahrscheinlichkeit von Korrektu- schaftlichen Auswirkungen als in der aktuellen Prognose ren an den Finanzmärkten ist erhöht. Auch im Immobili- unterstellt. ensektor bestehen im Inland wie international weiter Ri- siken. Die Schweizer Wirtschaft würde empfindlich getroffen, sollte es zu einem deutlichen Wirtschaftsabschwung bei Schliesslich sind Rückschläge bei der Pandemie, z. B. auf- wichtigen Handelspartnerländern kommen. Dies etwa im grund neuer Virusvarianten, nicht auszuschliessen. Insbe- Zuge weitgehender Ausfälle von Energielieferungen aus sondere besteht das Risiko, dass weitere stark einschrän- Russland. In einem solchen Szenario8 wäre sowohl im In- kende Corona-Massnahmen in China die internationale land als auch im europäischen Ausland mit einem hohen Konjunktur beeinträchtigen. Preisdruck bei gleichzeitig rückläufiger Wirtschaftsent- wicklung zu rechnen. 8 Vgl. das ergänzende Negativszenario des SECO auf Seite 17. Konjunkturtendenzen SECO │Sommer 2022 15
SZENARIO Tabelle 4: Konjunkturprognosen Schweiz, Juni 20229 Ohne gegenteilige Angabe Veränderungen in %, Beiträge in Prozentpunkten, BIP und Komponenten: real, saisonbereinigt 2020 2021 2022 * 2023 * Bruttoi nl a ndprodukt ( BIP) und Kom ponenten BIP, Sportevent-bereinigt -2.5 3.6 2.6 (2.8) 1.9 (2.0) BIP -2.5 3.7 2.8 (3.0) 1.6 (1.7) Privater Konsum -3.7 2.6 3.5 (3.6) 1.8 (1.9) Staatskonsum 3.5 4.0 0.3 (-0.7) -0.9 (-1.4) Bauinvestitionen -0.5 1.1 -1.9 (-0.5) -0.4 (0.2) Ausrüstungsinvestitionen -2.5 4.6 2.3 (3.4) 3.0 (3.4) Warenexporte -1.7 11.4 4.7 (4.2) 2.5 (3.7) Dienstleistungsexporte -14.6 12.0 8.0 (8.5) 4.0 (5.0) Warenimporte -6.3 4.6 7.3 (4.7) 2.5 (3.9) Dienstleistungsimporte -10.5 8.0 7.5 (8.0) 4.5 (5.5) Bei trä g e z um BIP- W a chs tum Inländische Endnachfrage -2.0 2.7 2.0 (2.2) 1.3 (1.4) Aussenhandel 0.1 3.6 0.1 (0.6) 0.3 (0.4) A rbei ts m a rkt und Prei s e Vollzeitäquivalente Beschäftigung 0.1 0.6 2.1 (1.8) 0.8 (0.9) Arbeitslosenquote in % 3.1 3.0 2.1 (2.1) 2.0 (2.0) Landesindex der Konsumentenpreise -0.7 0.6 2.5 (1.9) 1.4 (0.7) Quellen: B FS, SECO * P ro gno sen der Expertengruppe Ko njunkturpro gno sen des B undes, vo rherige P ro gno sen in Klammern Tabelle 5: Internationale und monetäre Rahmenbedingungen, Juni 202210 Ohne gegenteilige Angabe Veränderungen in %, BIP und Weltnachfrage: real, saisonbereinigt 2020 2021 2022 * 2023 * BIP i nterna ti ona l USA -3.4 5.7 3.0 (3.5) 2.3 (2.4) Euroraum -6.5 5.4 2.8 (3.4) 2.2 (2.6) Deutschland -4.9 2.9 2.0 (3.0) 2.6 (2.9) Vereinigtes Königreich -9.3 7.4 3.7 (4.1) 1.3 (2.0) Japan -4.6 1.7 2.0 (3.1) 2.2 (1.8) Bric-Länder -0.8 7.5 3.5 (5.0) 4.6 (4.8) China 2.3 8.1 3.8 (5.0) 5.7 (5.3) Weltnachfrage -4.7 5.8 2.9 (3.5) 2.4 (2.7) Erdölpreis in USD pro Fass Brent 41.8 70.7 106.3 (101.2) 94.7 (87.9) Schwei z Saron in % -0.7 -0.7 -0.6 (-0.7) 0.0 (-0.5) Rendite 10-jährige Staatsanleihen in % -0.5 -0.3 0.6 (0.2) 0.9 (0.4) Realer Wechselkursindex 3.9 -2.6 -0.8 (0.8) -0.5 (-0.0) Quellen: SECO, entsprechende statistische Institutio nen * A nnahmen der Expertengruppe Ko njunkturpro gno sen des B undes, A nnahmen zur vo rherigen P ro gno se in Klammern 9 Warenexporte und -importe sowie Wachstumsbeitrag des Aussenhandels: ohne Wertsachen. 10 Bric-Länder: Gewichtetes Aggregat des BIP zu Kaufkraftparitäten (IWF) von Brasilien, Russland, Indien, China. 16 Konjunkturtendenzen SECO │ Sommer 2022
KONJUNKTURPROGNOSE Szenario Angesichts der grossen Unsicherheit im Zusammenhang Entsprechend könnte es im Negativszenario im kommen- mit dem Ukraine-Krieg ergänzt das SECO die Prognose den Winterhalbjahr aufgrund der saisonal deutlich höhe- der Expertengruppe um ein Negativszenario (Abbil- ren Nachfrage zu einem Mangel an Erdgas kommen. Da- dung 34). In diesem wird ein möglicher Auslöser für eine mit wären in der europäischen Industrie bedeutende deutlich negativere Konjunkturentwicklung als im Ba- Produktionsausfälle zu erwarten. Infolgedessen dürften sisszenario abgebildet. Es wird angenommen, dass Erd- sich die Probleme der globalen Lieferketten deutlich ver- gaslieferungen aus Russland nach Europa weitgehend schärfen und den Welthandel zusätzlich belasten. Der und nachhaltig wegfallen und diese kurzfristig nur teil- Euroraum könnte in eine Rezession rutschen. Die Welt- weise durch alternative Quellen ersetzt werden können. wirtschaft dürfte sich insgesamt spürbar verlangsamen. Dies führt im Negativszenario zu einem kräftigen und an- Das eingeschränkte Güterangebot würde die Inflation haltenden Anstieg der Energiepreise und löst einen Ab- bestimmter Warengruppen weiter anheizen. Dadurch schwung im Euroraum aus.11 Die Schweizer Wirtschaft könnte sich insbesondere der Euroraum mit einer Stag- wäre auf vielfältige Weise durch eine solche Entwicklung flation konfrontiert sehen, wodurch sich die geldpoliti- betroffen. Eine vollständige Quantifizierung der Folgen schen Herausforderungen erhöhen dürften. Im darauf- ist daher kaum möglich. Wichtige Wirkungskanäle wer- folgenden Sommerhalbjahr dürfte es im Zuge der gerin- den im Folgenden illustriert. geren saisonalen Nachfrage nach Erdgas und einer zu- nehmenden Substitution der Lieferungen aus Russland Der unterstellte kräftige und anhaltende Anstieg der zu einer wirtschaftlichen Erholung kommen. Allerdings Energiepreise würde die bereits hohe Preisdynamik wei- bleibt die Versorgungslage bis Ende 2023 angespannt. ter verstärken, insbesondere in Europa. Doch auch global Zumindest in Europa dürfte Erdgas nur in geringerer dürften die Energiepreise, vor allem für Flüssiggas, an- Menge verfügbar sein als vor dem Ukraine-Krieg. steigen, was die Kaufkraft der privaten Haushalte welt- Dadurch würden die Energiepreise insgesamt höher aus- weit stark belasten würde. Da nur begrenzt auf Energie fallen und die Wirtschaft belastet. verzichtet werden kann, würde v. a. die Konsumnach- frage für andere Güter zurückgehen. Gleichzeitig dürften Abbildung 34: BIP-Prognose und Szenario, die Investitionen wegen der erhöhten Unsicherheit und illustrative Verläufe steigender Risikoprämien zurückgehen. Die Volatilität an In Mrd. Franken, real, saison- und Sportevent-bereinigt den Finanzmärkten dürfte stark ansteigen. 200 195 Im europäischen Ausland deckt die Industrie ihren Ener- 190 giebedarf zu einem erheblichen Teil mit Gas, das in den 185 vergangenen Jahren zu fast 30 % aus Russland importiert wurde.12 Im Gegensatz zu anderen Energieträgern gilt die 180 Substitution von Erdgas auf andere Technologien oder 175 Bezugsquellen als schwierig.13 Allerdings wird im Som- 170 merhalbjahr generell weniger Gas verbraucht. Zudem 165 hat sich der Füllstand der Erdgaslager in Europa An- 2019 2020 2021 2022 2023 fang Juni nach einigen Monaten mit tiefen Ständen wie- BIP Prognose Juni 2022 Negativszenario der normalisiert.14 Damit könnten die Erdgaslager weg- fallende Lieferungen in europäische Länder zu einem ge- Quellen: SECO, Expertengruppe Konjunkturprognosen wissen Teil und für eine gewisse Zeit kompensieren. Da- her wird im vorliegenden Szenario zum einen davon aus- Die Schweiz wäre im Negativszenario ebenfalls mit höhe- gegangen, dass zunächst keine Mangellage eintritt, zum ren Inflationsraten und einem wirtschaftlichen Ab- anderen aber davon, dass die Versorgungslage bis schwung konfrontiert. Der Schweizer Exportsektor Ende 2023 angespannt bleibt. würde direkt von der tieferen Auslandnachfrage sowie 11 Ein Wegfall der Lieferungen von Erdöl und Kohle aus Russland ist bereits im Basisszenario enthalten: Diese Güter unterliegen inzwischen den Sanktionen der Europäischen Union und werden grösstenteils ab 2023 nicht mehr gehandelt. Der Wegfall der Lieferungen aus Russland sollte jedoch verkraftbar sein, da Erdöl und Kohle einfach transportiert und somit substituiert werden können, wenn auch zu höheren Preisen. 12 Eurostat: EU imports of energy products - recent developments - Statistics Explained (europa.eu) 13 Lieferungen hängen in hohem Masse von spezifischer Infrastruktur ab (Pipelines und LNG-Terminals). Zwar haben viele europäische Länder bereits An- strengungen unternommen, um die Abhängigkeit gegenüber Russland zu reduzieren, wie zum Beispiel die Planung zusätzlicher Infrastruktur sowie die Suche nach alternativen Erzeugerländern. Sowohl der Bau von Infrastruktur als auch Produktionssteigerungen benötigen jedoch Zeit. 14 Der Füllstand der Erdgaslager in der EU betrug Anfang Juni rund 50 %: https://agsi.gie.eu/ Konjunkturtendenzen SECO │Sommer 2022 17
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