Ökonomische Regulierungsdoktrin: Keynesianismus vs. Neoklassik/ Neoliberalismus

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Ökonomische Regulierungsdoktrin: Keynesianismus vs. Neoklassik/
Neoliberalismus

Wiederholung:
- Liberaler Kapitalismus bis zum Ersten Weltkrieg
- Koordinierter ("fordistischer") Kapitalismus bis zum Zusammenbruch
    des Bretton Woods-Abkommens
- Neoliberaler Kapitalismus seit ca. 1975

Übersicht

Klassik und Neoklassik / "Angebotstheorie"
Keynesianismus / "Nachfragetheorie"
Klassik und Neoklassik / Angebotstheorie

Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of
Nations (1776)

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Ist das Angebot höher als
die aktuelle Nachfrage, sollte der Preis sinken. Ist die Nachfrage höher als
das Angebot, wird der Preis steigen.
Auf diese Weise werden alle Bereiche effektiv mit den erforderlichen
wirtschaftlichen Faktoren versorgt - also Gütern, Dienstleistungen,
(Fach)Arbeitskräften, Boden, Kredit ("Invisible hand").

Der Preis ergibt sich im Endeffekt aus den durchschnittlichen Gestehungs-
kosten (=Arbeit) plus dem ortsüblichen Unternehmensgewinn.

Der Staat sollte nur die Eigentumsrechte garantieren, möglichst wenig
Steuern erheben und sich ansonsten aus allem heraushalten.

Jean-Baptiste Say (Saysches Gesetz von 1803; firmiert heute auch unter
dem Namen "Angebotstheorie"):
Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage selbst, weil die Wirtschaft ein
Kreislauf ist. Jedenfalls gilt dies unter der Bedingung freier Märkte, weil
dann die Preise beliebig sinken können. Entsprechend gibt es auch keine
Arbeitslosigkeit – es sei denn freiwillig, oder weil der Staat Mindestlöhne
(oder ähnliche Sozialleistungen) festsetzt.

David Ricardo, Theorie des Komparativen Kostenvorteils (1817):
Es ist für eine Volkswirtschaft am besten, das zu produzieren und zu
exportieren, was sie - vergleichsweise zu anderen Volkswirtschaften - am
besten bzw. am kostengünstigsten produzieren kann; und umgekehrt das
zu importieren, was andere besser bzw. kostengünstiger produzieren. Es
handelt sich also um eine frühe und im Prinzip heute noch gültige Theorie
der "Globalisierung".
Neoklassik (Leon Walras, Alfred Marshall u.a.; seit Ende 19. und Beginn
des 20. Jahrhunderts)
a) erklärt den ökonomischen Wert nicht mehr aus Herstellungskosten,
   sondern aus Konsumentennutzen.
b) Etablierung der sogenannten "Grenznutzenlehre", die es erlaubt (auf
   Grundlage der Modellannahmen) exakt die Zusammenhänge zwischen
   Mengen und Preisen zu bestimmen.
c) Lehre von den öffentlichen Gütern (z.B. Samuelson 1954 ): Nicht-rivale
   (z.B. Wissenschaft) und nicht-ausschließbare Güter (z.B. Straßen)
   sowie Netzbetriebe (z.B. Telefonnetze) sollten von der öffentlichen
   Hand angeboten bzw.kontrolliert werden.

Neoliberalismus/Marktradikalismus seit 1970er Jahren (Milton Friedman
   und "Chicago School"):
a) revidiert die neoklassische Lehre von den "öffentlichen Gütern" (s.o.) -
   alles soll möglichst weitgehend privatisiert werden.
b) Auch privatwirtschaftliche Firmen als "Hierarchien" bzw. "Bürokratien"
   sollten am besten möglichst weitgehend aufgelöst werden und durch
   möglichst kurzfristige Kontraktbeziehungen (="Markt") ersetzt werden
   (vgl. z.B. Verträge von Firmenvorständen).
c) Staat sollte sich möglichst vollständig auflösen; Schutz des Privateigen-
   tums kann auch durch private Sicherheitsdienste garantiert werden.
Keynesianismus / Nachfragetheorie
John Maynard Keynes (1883-1946) und andere:
Historischer Hintergrund: zunehmende Monopolwirtschaft / Große
Depression.
Gegen J. B. Say: Nachfrage ergibt sich nicht automatisch aus dem
   Angebot und dem sinkenden Preis. Die Gesamtnachfrage in einer
   Volkswirtschaft hängt ab von den ökonomischen Erwartungen der
   Firmen und Haushalte, die bei düsteren Aussichten ihr Geld sparen
   (und es umgekehrt bei günstigen Aussichten ausgeben). Mit hohen
   Ersparnissen auf beiden Seiten entsteht Arbeitslosigkeit (aller
   Produktionsfaktoren).
Keynesianismus wird auch als "Makroökonomik" bezeichnet, weil er von
   der Gesamtwirtschaft ausgeht und nicht von den individuellen
   Wirtschaftsakteuren wie die Neoklassik (die dann auch entsprechend
   als "Mikroökonomik" bezeichnet wird).
Um die Beschäftigung anzukurbeln und Unternehmen mit hohen Fixkosten
   (vgl. Fordismus) vor dem Verfall zu retten, sollte die Regierung die
   Nachfrage stimulieren, um damit den selbstverstärkenden Kreislauf zu
   brechen und positive Erwartungen zu wecken.
Staatliche Wirtschafts-Stimulantien: Aufnahme von Krediten und
   Erhöhung der Staatsausgaben, Steuerreduzierungen, Leitzinssenkung
   (durch die Notenbank). Umgekehrt in Boomzeiten zum Bremsen:
   Senkung der Staatsausgaben, Abtragen der Staatsschulden durch
   Steuererhöhungen, Leitzinsanhebung.

Staatsausgaben können in Infrastruktur oder Sozialausgaben gelenkt
   werden - weil die ärmeren Haushalte ihr Geld ausgeben und nicht
   sparen können ("sozialdemokratischer Keynesianismus").
Oder man gibt das Geld via Steuersenkung an die reichen Haushalte in der
   Hoffnung, dass sie es investieren ("liberaler Keynesianismus").
Oder der Staat führt Krieg - USA und Deutschland während des Zweiten
   Weltkriegs. USA seit dem 11. September 2001 ("nationalistischer
   Kriegs-Keynesianismus").
Keynesianismus sehr einflussreich während der Zeit nach dem Zweiten
  Weltkrieg - Konjunkturlenkung und Vollbeschäftigung. Seit den 1970er
  Jahren, wegen Inflation und Stagnation vielfach zurückgewiesen und
  durch neoliberale Rhetorik ersetzt. Ironischerwiese blieb der
  Keynesianismus aber gerade in liberalen Ökonomien (USA und UK)
  praktisch sehr einflussreich.

Seit den Finanzkrisen von 2001 und 2007 wird der Keynesianismus
   allgemein rehabilitiert. Die Notenbanken fluten die Wirtschaft mit Geld
   um das Wirtschaftswachstum anzuregen, allerdings weitgehend ohne
   Erfolg. Die niedrigen Notenbankzinsen ("das Gelddrucken") führen
   nicht mehr wie in früheren Zeiten zur Inflation der Güter und Löhne,
   sondern zur Inflation der Anlagewerte. Das scheint ein Problem zu sein,
   das bisher noch wenig verstanden ist.
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