Korallen und ihre Symbionten Neueröffnung Saal 6 Globale Klimakatastrophe in der Triaszeit
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FRÜHLING 2023 Korallen und ihre Symbionten S A M M LU N G Neueröffnung Saal 6 TITELSTORY Globale Klimakatastrophe in der Triaszeit FORSCHUNG
Kinder UNI Werde Teil von Club Vielfalt und tauche ein in die Forschungswelt Museum! 2 Lerne unsere Wissenschaftler*innen kennen und erlebe die faszinierenden Themen der Natur. Erster Termin der Workshop-Reihe: Club Vielfalt: Schmetterlinge Freitag, 14. April, 15.00 bis 17.30 Uhr Ab 8 Jahren Anmeldung erforderlich Medieninhaber: Naturhistorisches Museum Wien, w. A. ö. R., Burgring 7, 1010 Wien | Gedruckt nach der Richtlinie »Druckerzeug Konzept: Capitale Wien | Produktion: Print Alliance HAV Produktions GmbH, nisse« des Österreichischen Umweltzeichens, 2540 Bad Vöslau | Herausgeber: A. Kroh & A. Krapf | Layout: Capitale Wien | Print Alliance HAV Produktions GmbH, Redaktion: S. Eichert, A. Hantschk, C. Hörweg, S. Jovanovic-Kruspel, I. Kubadinow, Bad Vöslau UW-Nr. 715 J. Landsiedl, I. Ott | ISSN: 2710-5156, eISSN: 2710-5156, Erscheinungsdatum: 15. März Bitte sammeln Sie Altpapier für das Recycling. 2023, DOI: https://doi.org/10.57827/nhmmag.2023.1 EU Ecolabel awarded printed paper. Link zur Offenlegung gem. §25 MedienG: www.nhm-wien.ac.at/impressum EU Ecolabel: AT/053/036 Titelbild: Gesteinsfalte in Granulit aus Krug (Niederösterreich). Das Gestein wurde vor 340 Millionen Jahren bei 1.000°C in 60 km Tiefe verformt. Leihgabe: Universität Wien, Institut für Geologie. Foto: Alice Schumacher.
Liebe Leserin, I N H A LT lieber Leser, Geist und Materie, Wissenschaft und 4 TITELSTORY Kunst – das alles ist im ehemaligen Die Erde: Kaisersaal und neugestalteten Geo- ein dynamischer Planet logie-Saal eng miteinander verwoben. Das gilt für das Zusammenspiel der 9 V E R M I T T LU N G historischen Ausschmückung mit den Augmented Reality wunderbaren Karyatiden ebenso wie Dino Show für die Hands-on Exponate und die 10 Interpretation der Zyklen der Erde S A M M LU N G durch zeitgenössische Musik. Museumssammlungen als Klimaarchive Berichte aus der fernen Vergangenheit 12 durchziehen das aktuelle Heft. Jedes PORTRAIT Beispiel macht deutlich, wieviel Wissen Sie holt die Forschung vor den Vorhang aus den Sammlungen wir durch moderne Methoden erschließen können. Seien 14 es fossile Tintenfischknorpel im Inneren S A M M LU N G von Steinen mit Hilfe von Mikroröntgen- Die Farben der Schmetterlinge strahlen oder das Zusammenspiel von Algen und Korallen durch molekular 16 EINST & JETZT genetische Methoden. Objekte als Zeitzeugen Viel Spaß beim Lesen und herzlich 19 FREUNDE NHM willkommen im neuen Geologie-Saal – Freunde fördern die Erde, ein dynamischer Planet. Forschung am NHM Wien 20 FORSCHUNG Globale Klimakatastrophe 22 QUIZ Pluto oder Neptun? Katrin Vohland Markus Roboch 23 KIDS’ CORNER (Generaldirektorin) (wirtschaftlicher Was blüht denn da…? Geschäftsführer)
TITELSTORY Die Erde: ein dynamischer Planet Text: Mathias Harzhauser & Agnes Mair Bilder: Carlos Bruzos Valin (shutterstock), RKive (alamy) & Alice Schumacher
Den vielfältigen Bezügen erst die Plattentektonik durch ihre zwischen der Litho- Jahrmillionen dauernden Kreis- läufe – bis heute – Leben ermög- sphäre, der äußersten, licht. Überraschend ist, dass auch festen Hülle der Erde, und die großen Revolutionen des Le- dem Leben ist die Ausstel- bens, wie die Entstehung der Foto- lung im NHM Wien synthese und die Besiedlung des gewidmet. Im ehemaligen Festlandes durch Pflanzen, ei- nen unmittelbaren Einfluss auf Kaisersaal zeigt die die Gesteine hatten und dadurch vom Architekturbüro das Antlitz der Erde für immer ver Schuberth & Schuberth änderten. Das Leben färbte den designte Schau, dass Planeten bunt! alles auch ganz anders Die Ausstellung thematisiert hätte kommen können. wenig bekannte geologische 5 Lagerstätten in den Ozeanen, wie Methaneis und Mangan- knollen, die durch Mikroorga- nismen gebildet werden. Als Energie- und Rohstoffquellen könnten sie den Bedarf der Indus- trie auf Jahrzehnte decken. Zu- gleich sind sie an fragile Ökosys- teme gebunden, die durch den Wer mit Geologie nur langweilige Massenauftreten Abbau für immer verlorengehen. Steine verbindet, wird in der neu- einzelliger Algen Die gewaltigen Dimensionen färben die Gewässer en, mit vielen Hands-on-Objekten dieser submarinen Lagerstätten, unseres Planeten ausgestatteten Ausstellung am die sich über eine Fläche von der NHM Wien überrascht sein, wie Größe Europas erstrecken, illust- umfassend die Erdwissenschaften rieren spektakuläre Videoaufnah- heute versuchen, die Prozesse un- men vom Kieler Helmholtz Zent- seres Planeten zu entschlüsseln. rum für Ozeanforschung GEOMAR Längst sind die Grenzen zwischen und dem gemeinnützigen interna- den wissenschaftlichen Diszipli- tionalen Ocean Exploration Trust. nen verschmolzen. Von den Ge- Auch die Gefahr, die von Me steinen führt der Weg rasch in thaneis als Klimakiller ausgeht, die Atmosphäre (die gasförmige zeigen Beispiele der geologischen Schicht oberhalb der Erdoberflä- Vergangenheit. Dem Schmelzen che) und die Hydrosphäre (ihre des Methaneises vor 55 Millionen Wasserhülle aus allen Gewässern, Jahren folgte eine Klimakata Flüssen und Ozeanen) oder in die strophe mit hohen Temperaturen Welt der Mikroben. und großer Trockenheit, die zu ei- Statt eine Systematik der Ge- ner Verzwergung der Tierwelt führ- steine zu präsentieren, werden te. Angesichts der sich erwärmen- die vielfältigen Bezüge zwischen den Ozeane sind schmelzende der Lithosphäre und der Biosphä- Methaneisvorkommen eine sehr re beleuchtet. Der Bogen spannt reale Bedrohung für uns und unser sich dabei vom Aufbau der Erde ohnehin schon stark angeschla bis zum Anthropozän, dem vom genes Klimasystem. Menschen geprägten Zeitalter. Doch wieso wissen wir von die- Während man spielerisch an einer sen Ereignissen? Die Informatio- interaktiven Station Gebirge ent- nen dazu stecken in den geolo- stehen lässt, erfährt man, dass gischen Klimaarchiven, wie zum
TITELSTORY Beispiel in Bohrkernen oder Tropf- steinen. Einige der gravierendsten Umbrüche der Erdgeschichte, wie die große Sauerstoffkatastrophe vor 2,4 Milliarden Jahren, der Me- teoriteneinschlag am Ende der Kreidezeit und der Anstieg des Meeresspiegels am Beginn des Holozäns vor 11.700 Jahren, sind in der Ausstellung mit Bohrkernen dokumentiert. Diese stammen aus wissenschaftlichen Bohrungen, 6 die ECORD, das European Con- sortium for Ocean Research Dril- ling, mit Bohrschiffen geborgen hat und dem NHM Wien zur Ver- fügung stellt. Bohrkerne sind eine der wichtigsten Quellen für unser Verständnis der Geschichte der Erde. Die daraus gewonnenen Da- ten werden als »Fieberkurve« der Erde präsentiert. Ein weiteres ungewöhnliches Thema sind die Rhythmen, die un- seren Planeten prägen. Das Leben auf der Erde wird von den Bewe- Verzwergung durch gungen zwischen Sonne, Erde und die starke Klima- Mond bestimmt. Zyklen wie Tag erwärmung vor 56 Millionen Jahren: und Nacht, die Mondphasen und der nur ca. 20 cm die Jahreszeiten bestimmen den große Paarhufer Lauf des Lebens und sind für Pflan- Diacodexis »Das Leben auf der Erde wird von den Bewegungen zwischen Sonne, Erde und Mond bestimmt.«
7 zen, Tiere und Menschen unmit- An der spanischen tion mit Satellitenaufnahmen der telbar spürbar. Für das Klima sind Küste offenbart sich NASA. In der interaktiven Projek- die »Stein gewordene zusätzlich astronomische Zyklen tion lassen sich globale Phäno- Weltmusik« mit Perioden von bis zu hundert- mene aufrufen und beobachten, tausenden Jahren von Bedeutung – wie etwa die Temperaturen der wir können sie nicht spüren, sie Ozeanströmungen und das Pul- beeinflussen aber die Klima sieren der Vegetation im Jahres- geschichte und damit auch das rhythmus. Besonders eindrucks- Leben. Eine audiovisuelle Instal- voll ist »Die Erde bei Nacht«: Die lation macht diese Rhythmen als Lichter der Städte führen die »Weltmusik« in ungewöhnlicher enorme globale Besiedelungs- Weise erfahrbar. dichte vor Augen und verdeutli- Den Außenblick auf den Pla- chen zugleich die Ungleichheit neten ermöglicht die »Gaia-Sphä- in der Verteilung der Ressourcen. re«, eine große Halbkugelprojek- Dass der Mensch somit eine geo-
TITELSTORY logische Kraft geworden ist, spie- Dünnschliffe gelt sich in der Diskussion um den gewähren ungewohnte Begriff des Anthropozäns wider – Einblicke in einer nach dem Menschen be- Gesteine und ihre nannten geologischen Epoche. Entstehung (Eklogit Doch welches Ereignis definiert aus Kärnten) den Beginn des Anthropozäns? Was macht das Anthropozän aus? Die Atombombentests der 1940er Jahre, Beton und Mikroplastik oder gar Hühnerknochen sind ei- nige potentielle Marker des neuen 8 Erdzeitalters. Die wertvollsten Schaustücke sind drei Originalfossilien aus Ga- bun, die dem NHM Wien von der Universität Poitiers in Frankreich als Dauerleihgaben zu Verfügung gestellt wurden. Mit einem Alter von 2,1 Milliarden Jahren sind sie Unser Planet ist die ältesten Reste mehrzelligen Thema der neuen Lebens. Die Evolution dieser Lebe- Ausstellung in Saal 6 wesen, die weder Tiere noch Pflan- des NHM Wien zen waren, war eng an den Anstieg des Sauerstoffgehaltes der Atmo- Der Umbau von Saal 6 sphäre gebunden. So unerwartet im Zeitraffer das Auftreten dieser rätselhaften Lebewesen war, so überraschend ist ihre geologisch kurze Existenz. Denn schon bald starben diese Zur Ausstellungs- Website Organismen wieder aus. Schuld waren plattentektonische Pro - zesse, die zu einer Abnahme des Sauer s toffgehalts führten. Die Gabonionta – wie die Lebewesen getauft wurden – sind ein beein- druckendes Beispiel dafür, dass Evolution nicht linear verläuft. Doch was wäre passiert, wenn die Gabonionta überlebt hätten? Die- sem Gedankenexperiment wid- mete sich eine Klasse für Industrial Die Erde – Design der Universität für ange- Ein dynamischer wandte Kunst. Die fiktiven, zum Planet, erschienen Teil poetischen alternativen Sze- im Verlag des Naturhistorischen narien erheben keinerlei Anspruch Museums Wien auf wissenschaftliche Korrektheit, vermitteln aber die unendliche Vielfalt an Wegen, die dem Le- ben offen standen ... und vielleicht noch immer stehen?
V E R M I T T LU N G Augmented 9 Reality Dino Show Text: Ursula Göhlich, Mathias Harzhauser & Agnes Mair Bild: Christina Rittmannsperger Die Multimedia-Show »Dino animationen zum Leben erweckt. Obwohl saurier« auf Deck 50 macht es die Dinos die Hauptdarsteller sind, wur- den auch die Landschaften und die jeweils möglich, die faszinierende Welt vorherrschende Vegetation akribisch re- der Dinosaurier hautnah zu erle- konstruiert und detailliert ausgearbeitet. ben. Sie bietet dank moderner Die Show nimmt die Besucher*innen mit Augmented Reality verblüffende auf eine Zeitreise. Zwei Szenen bieten Einblicke in die Zeit der Dinos. Einblick in terrestrische Ökosysteme des Trias- und Jurazeitalters. In der dritten Seit Oktober 2021 läuft die Dino-Show Szene lockt ein Tauchgang in das tropische auf Deck 50 – und das äußerst erfolg- Meer der Kreidezeit. reich: Mehr als 12.500 Besucher*innen Verbunden sind diese Erfahrungs haben das interaktive Format seither ge- ebenen durch »Wurmlöcher«, durch die sehen. Mithilfe einer hochauflösenden das Publikum reist, um jeweils mitten im Infrarot-Tiefenbild-Kamera konnten sie in Geschehen des nächsten Erdzeitalters zu die Zeit der Dinosaurier eintauchen und mit landen. Wer, durch die Animationen ange- ihnen interagieren. Diese Technik kommt regt, mehr wissen möchte, braucht nur zwei ohne VR-Brillen aus und schafft so ein im Stockwerke tiefer zu gehen: Alle Szenen be- wörtlichen Sinne hautnahes Erlebnis. ziehen sich auf Objekte der Schausamm- Basierend auf den Skeletten des Mu- lung, wie etwa das Skelett eines Diplodocus seums und aktuellen wissenschaftlichen in Saal 10 und das neue Plateosaurus-Ske- Erkenntnissen erstellte das Team von lett in Saal 8. 7reasons in Kooperation mit den Paläon- tolog*innen des NHM Wien neue 3D-Re- Mehr Infos im Web konstruktionen der Tier- und Pflanzen- welt des Erdmittelalters. Anschließend wurden die 3D-Modelle durch Computer-
S A M M LU N G Museums- sammlungen als Klimaarchive 10 Alte Korallenexemplare beantworten moderne Fragen zum Klimawandel Text: Pedro Frade, Elisabeth Haring, Cassandra Roch & Helmut Sattmann Fotos: Pedro Frade
Ein Forscher*innenteam des NHM Wien untersucht an alten Museumsexemplaren und neuen Proben, wie sich die Vielfalt der symbiotischen Algen in Stein- korallen verändert hat. Diese einzelligen Lebewesen versorgen die Korallen mit Nahrung. Gehen sie durch Meereserwärmung verloren, sterben die Korallen. 11 Korallen sind bunt und vielgestaltig. Sie ha- links: Anhand molekulargenetischer Methoden ben eine sehr spezielle Biologie. Einerseits Diese grazilen wurden die Korallen aus der Sammlung auf Geschöpfe sind ernähren sie sich von kleinsten organischen die Häufigkeit der verschiedenen Symbion- beteiligt am Bau Partikeln, andererseits beherbergen sie ein- der größten von ten in den untersuchten Korallenarten im zellige Algen (Symbiodiniaceae), die aus Lebewesen geschaf- Vergleich zu heute untersucht. Erste Aus- Licht Energie gewinnen und durch Photo- fenen Strukturen wertungen ergaben, dass eine Anpassung unseres Planeten – synthese Kohlenhydrate erzeugen. Die Ein- an die Klimaerwärmung durch Veränderun- den Korallenriffen zeller tragen damit wesentlich zur Ernäh- gen in der Symbiontengemeinschaft hin zu rung des Wirtstieres bei. Bei ungünstigen Algensymbionten erfolgte, die möglicher- unten: Bedingungen kann es passieren, dass die Historische weise etwas toleranter gegenüber steigen- Korallen ihre Mitbewohner, die Symbion- Proben von Pilz- den Temperaturen sind. Das Projekt zeigt ten, verlieren. Über längere Zeiträume kann korallen aus dem auch, wie bedeutend Informationen aus den Roten Meer werden dieses »Bleaching« zum Absterben der Ko- wissenschaftlichen Sammlungen für das in den Zentralen rallen durch Nahrungsentzug führen. Im Forschungslabors Verständnis von Umweltfragen und auch für günstigen Fall besiedeln erneut symbionti- neu analysiert den angewandten Naturschutz sind. sche Algen die Korallen. Es gibt eine Reihe von Algenarten, die in unterschiedlichem Ausmaß Nahrung für die Korallenwirte liefern, aber auch in unter- schiedlichem Ausmaß Umweltbedingun- gen ertragen. Auf diese Weise verbinden sich verschiedene Korallenarten mit be- stimmten Algensymbionten, die das Gleich- gewicht der energetischen Bedürfnisse ihres Wirts gewährleisten. Wenn sich die Umwelttemperaturen nur um wenige Grade ändern, wird dieses Gleichgewicht gestört. Das NHM Wien beherbergt eine bedeu- tende Sammlung von Korallen. Zum Teil stammen sie aus Forschungsexpeditionen des 19. Jahrhunderts im Roten Meer, wo die Umweltbedingungen zu dieser Zeit noch wenig von Menschen beeinflusst waren.
PORTRAIT Sie holt die Forschung vor den Vorhang Text: Juliane Fischer Bilder: Christina Rittmannsperger
Marion Koller hat den News-Ver- wusst, dass es so ein modernes Forschungs- lag mitgegründet und ein Kunst- museum ist.« Man käme relativ rasch in der NHM-Familie an, berichtet Koller. Nach museum geleitet. Seit einem Jahr dem Start im April baute sie die Abteilung ist sie im NHM Wien für Marketing kontinuierlich auf und griff dabei gerne auf und Sponsoring zuständig. den Erfahrungsschatz altgedienter Mit- arbeiter*innen zurück: »Eine Kollegin ist seit 30 Jahren da. Sie kennt einfach jedes Detail dieses Hauses. Das ist fantastisch«, Marion Koller leitete sieben Jahre lang Gerne nützt schwärmt Koller. In ihr Büro hängte Koller das Kunstmuseum Gugging bei Kloster- Marion Koller ein Plakat der Venus von Willendorf: »Ich die Schausamm- neuburg. Wenn sie ihre Söhne allerdings bin ein totaler Fan von ihr – nicht nur, lung für Bespre- fragte: »In welches Museum gehen wir?«, chungen mit weil es eines der ältesten Kunstwerke der dann wollten die nach Wien ins Naturhis- ihrem Team Menschheit ist, sondern auch, weil diese torische. Genau hier ist nun seit etwa ei- kleine Statuette für mich ein Synonym für 13 nem Jahr ihr Arbeitsplatz. Der naturwis- das Urmütterliche ist.« senschaftliche Bezug des NHM Wien passt gut zu der gebürtigen Südburgenländerin: Koller sieht es als Privileg an, in einem so »Das rundet meine berufliche Laufbahn großen Museum wie dem NHM Wien ar- ab«, sagt sie. Sie verantwortet das strate- beiten zu dürfen. »Ich bin schon ein biss- gische Marketing und die kommerzielle chen stolz darauf, dass ich Teil dieses Hau- Vermarktung von Veranstaltungen und ses sein darf, in dem sich Geschichte und Kongressen. Auch viele wissenschaftliche moderne Dynamik ergänzen«, sagt sie. Das Symposien und Tagungen der unterschied- habe ihr erst der Blick hinter die Kulissen lichen Abteilungen des Hauses werden von gezeigt. Ihr Fazit: »Mich freut es, dass ich ihrem Team unterstützt. zu einem Zeitpunkt hergekommen bin, wo so viel Neues passiert und ich diesen Pro- Ein weiterer Schwerpunkt ist der Bereich zess mitgestalten darf.« Sponsoring: »Es gibt viele Themen, wo ich großes Potenzial sehe, aber da bin ich noch in der Aufbauphase«. Sie möchte weitere Zielgruppen erreichen, neue Ver- anstaltungsformate entwickeln und die Wissenschaft noch stärker »vor den Vor- hang bringen«. Wie umfangreich ihr neues Arbeitsfeld ist, überraschte Koller, und for- dert sie im positiven Sinne, wie sie betont. »Ich bin schon ein »Es ist wunderbar, dass man sich einbrin- gen darf und kreativ sein kann. Das wird bisschen stolz hier gerne angenommen.« darauf, dass ich Begonnen hat die steile Karriere von Ma- rion Koller, die neben der wirtschaftlichen Teil dieses Hauses auch eine psychologische Ausbildung hat, 1992, als sie die Verlagsgruppe News mitge- sein darf, in dem gründet hat. Der News-Verlag sei eine »gute Schule« gewesen, sagt sie heute: »Ich hab sich Geschichte extrem viel gearbeitet und bin sehr daran gewachsen.« An ihren Empfang im Natur und moderne historischen Museum denkt sie gerne zu- rück. »Ich wurde in diesem vielfältigen Dynamik ergänzen.« Haus sehr offen aufgenommen. Ich kannte es nur als Besucherin und mir war nicht be-
S A M M LU N G 14 Die Farben der Schmetterlinge von Carl von Linné bis Ignaz Schiffermüller
Unter dem Einfluss des schwedischen Naturforschers Carl von Linné (1707–1778), der die Grundlagen der modernen botanischen und zoologischen Systematik schuf, sollte nicht nur die Beschreibung von Lebewesen, sondern auch jene von Farben standardisiert werden. Der österreichische Forscher Ignaz Schiffermüller leistete sowohl bei Schmetterlingen als auch bei Farben in dieser Hinsicht Pionierarbeit. Text: Stefanie Jovanovic-Kruspel Bilder: Harald Bruckner Der Name Ignaz Schiffermüller Die »RAL-Farben zu entwickeln. Wieder orientierte 15 des 18ten Jahrhun- (1727–1806) ist bis heute in der er sich an Linné. Er unterschied derts«, ein früher Schmetterlingsforschung unver- Versuch Farben zu Gattungen von Farben und such- gessen. Unter dem Eindruck von ordnen te nach eindeutigen Namen. In Linnés Systema Naturae (1735, seinem »Versuch eines Farben 1. Ausgabe) begann der Jesuit und systems« (1771/72) entwickelt er Lehrer am Theresianum 1757 In- auch eine Farbharmonie, die der sekten zu sammeln und zu ordnen. Kunst dienen sollte. Ein Farben- Zusammen mit seinem Lehrer - kreis – die erste Darstellung die- kollegen Michael Denis (1729–1800) ser Art in der deutschsprachi- erforschte und dokumentierte er gen Kunsttheorie – illustriert das die Schmetterlingsfauna Wiens Buch. Sowohl »Versuch eines und seiner Umgebung. Neben Farbensystems« als auch das dem Aufbau einer umfangrei- »Wiener Verzeichnis« zählen zu chen Sammlung publizierten sie den Kostbarkeiten der zoolo- das sogenannte Wiener Verzeich- gischen Bibliothek des Natur- nis (1775/76). Dieses Werk gilt bis historischen Museums. heute als Standardwerk der Schmetterlingsforschung. Viele Ignaz Schiffermüller ist auch in der neuen der darin enthaltenen Beschrei- historischen Vitrine im 2. Stock thematisiert. bungen – wie jene des Großen Wiener Nachtpfauenauges – sind bis heute taxonomisch gültig. 1806 kam seine Sammlung ins Wiener Naturalienkabinett, wo sie 1848 durch einen Brand leider zerstört Das Große Wiener wurde. Nachtpfauenauge wurde von Ignaz Schiffermüller Voraussetzung für die Einordnung entdeckt von Arten nach Linnés System war die exakte Beschreibung aller Merkmale eines Lebewesens. Vor allem bei Schmetterlingen spiel- ten Farben eine wichtige Rolle. Doch Farben eindeutig zu benen- nen stellte zahlreiche Naturfor- scher vor ein großes Problem. Schiffermüller versuchte daher ein Ordnungssystem für Farben
EINST & JETZT Objekte als 16 Zeitzeugen Von den Dingen und ihren Geschichten… Text: Stefanie Jovanovic-Kruspel Bilder: Alice Schumacher Modelle von Mikroorga- Zeichnung von wie nicht mehr verwendete Mo- nismen, alte Schausamm- Ernst Haeckel »Kunstformen aus delle, Geräte, Dioramen und Bil- der, aber auch Sammlungskästen lungsvitrinen oder die dem Meer« werden so im Rückblick zu wich- ehemalige Gala-Uniform tigen historischen Quellen. Die der Aufseher – sie alle er- alte Gala-Uniform der Aufseher, zählen Geschichten über aber auch die originalen Eichen- das »Leben des Muse- holz-Vitrinen der Erstausstattung des Museums zum Zeitpunkt sei- ums«. Scheinbar wertlose ner Eröffnung 1889 sind kostbare Objekte werden zu wert- Zeitzeugen der Gründungsge- vollen Zeitzeugen, die schichte des Hauses. Sie ergän- spannende Einblicke in zen die offizielle historische Über die Arbeit am und im lieferung des Museums durch Alltags- und Arbeits-, aber auch Museum ermöglichen. Kunstgeschichten. Naturhistorische Museen haben Denn viele der Dinge, die für den die Aufgabe, die Natur und ihre Schaubetrieb geschaffen wurden, Vielfalt zu dokumentieren. Doch sind Grenzgänger zwischen Kunst neben der Erfassung von Bio und Natur. Ein gutes Beispiel diversität sind Museen auch Orte, dafür sind die von dem böhmischen die daran erinnern, wie Wissen er- Glaskünstler Leopold Blaschka worben und dargestellt wurde und und seinem Sohn Rudolf Ende wird. Scheinbar wertlose Objekte, des 19. Jahrhunderts geschaffenen
EINST & JETZT Glasmodelle von Quallen. Sie sind Zerbrechlich wie Glas wirken die lebensechte Nachbildungen fili 1.000-fach vergrö- graner Meereswesen. ßerten Modelle ein- zelliger Radiolarien Gleiches gilt für die Gipsmodelle und Gemälde fossiler Tiere. Der österreichische Künstler Franz Roubal (1889–1967) hat sie gestal- tet. Doch auch zeitgenössische, nicht mehr verwendete, Ausstel- lungsmodelle, wie die aus recycel- ten PET-Flaschen gestalteten Ra- 18 diolarien, also Strahlentierchen, zählen dazu. Die Darstellungen der einzelligen Lebewesen beru- hen auf Zeichnungen des künst- lerisch begabten Zoologen und Philosophen Ernst Haeckel aus seinem »Kunstformen aus dem Meer« benannten Werk von 1862. Ebenso haben die alten Schaukäs- ten des Museums das Potential, eines Tages den »Kunst-Status« zu erreichen. Diese scheinbar wertlosen Objekte zu erfassen, zu katalogisieren und zumindest Spuren der Vergangenheit: zum Teil aufzubewahren, sollte Galauniform eines eine der Aufgabe des Museums Aufsehers im der Zukunft sein. 19. Jahrhundert
FREUNDE Freunde fördern 19 Forschung am NHM Wien Text: Christoph Hörweg & Vera Hammer Foto: Alexander Lukeneder Der Verein »Freunde des Natur- historischen Museums Wien« unterstützt das NHM Wien bei seinen vielfältigen Aktivitäten. Ein Schwerpunkt ist die Förde- rung von Forschungsprojekten. Der Verein »Freunde des Naturhistori- Ohne die Freunde strategischen Zielen ist Grundlage der Zu schen Museums Wien« fördert das NHM des NHM Wien erkennung. Aktuelles Beispiel eines geför- wären manche Wien seit vielen Jahrzehnten sowohl durch derten Forschungsprojektes ist die Studie Forschungs- die Finanzierung von wissenschaftlichen projekte unmöglich von Alexander Lukeneder, welche auf S.20 Projekten, Grabungen, Expeditionen und (ein Zweig einer dieses Heftes vorgestellt wird. So kann ein Sammelreisen, als auch durch die Veröf- fossilen Voltzia Teil der Kosten von geochemischen Analy- aus Polzberg) fentlichung der Ergebnisse in wissenschaft- sen der Gesteinsproben finanziert werden. lichen und populärwissenschaftlichen Publikationen. In enger Zusammenarbeit Mitglied werden mit der Generaldirektion wird auch der An- kauf von Sammlungsobjekten zum Ausbau der wissenschaftlichen Sammlungen und von attraktiven Ausstellungsobjekten für die Schausammlung unterstützt. Förderrichtlinien Die finanziellen Mittel werden haupt- sächlich durch die Mitgliedsbeiträge und Spenden aufgebracht. Der Bezug zu den Sammlungen des NHM Wien und seinen
FORSCHUNG Globale Klima- katastrophe
Selbst fliegende durch ein Treibhausklima mit Fische sind in monsunartigen Niederschlägen den unter- geprägt. Der verstärkte Schlamm- suchten Meeres- ablagerungen eintrag ins Meer ließ die Riffe er- erhalten sticken und am Meeresboden wurde der Sauerstoff knapp. Ein weltweites Massensterben war die Folge. Ein internationales Team er- forschte das in einem von der Österreichischen Akademie der 1 cm Wissenschaften und dem Land NÖ geförderten Projekt. Im süd- lichen Niederösterreich werden in den 233 Millionen alten Reing- 21 rabner Schichten seit mehr als 140 Jahren ungewöhnliche Fossilien Massensterben, entdeckt. Denn die schwarzen Meeres-Ablagerungen beinhalten fliegende Fische eine Fundstelle von Weltruf, in und der Fossilien besonders gut und vollständig erhalten sind. Neben Sumpfwälder tausenden Ammoniten, Tinten fischen, Muscheln, Schnecken, - Krebsen, Meeresasseln und Bor Text: Alexander Lukeneder stenwürmern fanden sich sogar Bilder: 7reasons & Alexander Lukeneder fliegende Fische und der Schä- del eines Lungenfischs. Mehr als 11.000 Fossilien wurden in den Ein weltweiter Klimawandel Rekonstruktion des letzten zwei Jahren gesammelt, führte vor 233 Mio. Jahren Lebensraumes zur Zeit der Karnischen wissenschaftlich bearbeitet und in den renommierten Journa- zu einem gigantischen Mas- Krise vor 233 Mio. len Scientific Reports und PlosOne sensterben in den Meeren Jahren beschrieben. des Mesozoikums. Die un- ter dem Namen »Karnische Rätselhafte Strukturen im Gestein Krise« bekannte Phase kann entpuppten sich als weltweiter Erstnachweis fossiler Tintenfisch- in Gesteinen bei Lunz am Knorpel. Durch Röntgenauf- See und Gaming erforscht nahmen mit einem Computerto- werden. mographen (CT) entstanden so erstmals digitale 3D-Modelle der Die Fossil-Fundstelle der späten fossilen Tintenfisch-Reste. Triaszeit gibt tiefe Einblicke in die Erdgeschichte Österreichs zur »NHM Science Talk« Zeit einer der größten Umwelt- mit Alexander Lukeneder: katastrophen der Erdgeschichte. Was man über diese globale Klima krise weiß? – Die durch starken Vulkanismus ausgelöste Krise und der damit einhergehende Klima wandel dauerten zwei Millionen Mit finanzieller Jahre lang an. Diese Periode war Unterstützung der
QUIZ Hier gehts zum Gewinnspiel! Wir verlosen drei Exemplare Pluto oder unserer Publikation »NHM Top 100«! Mit der Teilnahme am Gewinnspiel bestätigen Sie, die Teilnahmebedingungen auf unserer Gewinnspiel-Seite gelesen zu haben und diesen zuzustimmen. Neptun? Die Gewinner aus dem letzten Heft sind: Anna Maria Z. aus Wien, Elisabeth L. aus Wien und Elisabeth S., ebenfalls aus Wien. Wir gratulieren herzlich und wünschen viel Vergnügen mit den »Top 100«! In unserem Gewinnspiel stellen wir Ihnen versteckte Details des NHM Wien vor. 22 Text: Stefanie Jovanovic-Kruspel Bild: Alice Schumacher Diese Figur aus der Dekoration des NHM Wien stammt vom Wiener Bildhauer Rudolf Weyr und symbolisiert den Basalt. Wie Basalt entsteht, war bis Ende des 18. Jahr- hunderts nicht ein- deutig geklärt. Im sogenannten »Ba- saltstreit« standen »Neptunisten« und »Plutonisten« einander unver- söhnlich gegen- über. Während die Neptunisten – einer davon war der deutsche Mineralo- ge Abraham Gottlob Werner, dessen Statue im Stiegenhaus steht – davon ausgingen, dass Ba- salt als Sedimentgestein des Urozeans gebildet worden ist, vertraten die Plutonisten wie etwa der schottische Pionier der modernen Geologie James Hutton einen vulkanischen Ursprung. Erst im 19. Jahrhundert gelang es Alexander von Humboldt dank seiner um- menten des Vulkanismus, wo- fangreichen Reisebeobachtungen diese rauf die züngelnden Flammen Frage zugunsten der Plutonisten zu klären. zwischen den Basaltsäulen hin- Die Stuckfigur nimmt auf diesen »Basalt- deuten. Sie ist Teil eines größeren streit« Bezug, denn sie vereint Attribute Figurenzyklus in einem Schausaal des des Gottes Neptun – erkennbar am Drei- NHM Wien. Können Sie herausfinden in zack und dem wallenden Bart – mit Ele- welchem?
Langsam wird der Wald wieder grün – erste Blätter spitzen schon hervor. Aber Kids’ Corner nicht nur das: Da blüht auch schon was! Aber warum gibt es eigentlich Pflanzen, die schon so zeitig im Frühjahr blühen und wie machen sie das? Was blüht denn da…? Text: Andrea Krapf Bilder: Gerd Krapf & Damian Lugowski (shutterstock) 23 Die sogenannten Frühjahrsblüher nutzen die kurze KNOLLEN Zeit, in der die Bäume noch keine Blätter haben und – sind Verdickungen, die die Pflanze bildet und in denen sie blühen schon im zeitigen Frühjahr. Die Energie ziehen Energie speichert. sie aus Speicherorganen, die im Boden liegen: Zwie- beln oder Knollen. Schon nach kurzer Zeit bilden sie ZWIEBELN – sind eigentlich schon eine ganze Pflanze: Vom »Boden« Samen und ziehen sich wieder in den Boden zurück, aus wachsen die Blätter in mehreren Schichten umeinan- wo sie auf den der. In der Mitte liegen schon die Anlagen für alle oberir- nächsten Früh- dischen Pflanzenteile. ling warten. Blüten und Früchte zu produzieren ist für Pflanzen mit einem hohen Energieaufwand verbunden. Diese Energie erhalten sie aus der Sonnenstrahlung. Aber gerade im Wald wird es früh im Jahr finster – wenn die Bäume erst ein- mal Blätter ausge- Sicher kennst du den einen oder anderen Frühjahrs- bildet haben, er- blüher! Schneeglöckchen, Osterglocken oder Kro- reicht nicht mehr kusse wachsen bei dir vielleicht sogar im Garten. In so viel Sonnen- vielen Parks sieht man ganze Teppiche aus den zarten licht den Boden. Blüten der Buschwindröschen. Dem weiß und lila blü- Blütenpflanzen henden Hohlen am Waldboden Lerchens porn müssen daher oder dem gel- schnell sein. ben Schar- bockskraut be- gegnen wir auf Spaziergängen im Wald. Hal- te deine Augen offen!
PREMIERE 5. MAI 2023 Weitere Vorstellungen: 13.5. 19.8. 19.5. 25.8. 26.5. 2.9. 3.6. 8.9. 9.6. 16.9. 17.6. 22.9. 23.6. 30.9. 30.6. 6.10. 1.7. 14.10. 7.7. Eine neue Inszenierung von Jacqueline Kornmüller ganymedbridge.at B E Z A H LT E A N Z E I G E Naturhistorisches, Ausgabe 1/2023 Österreichische Post AG S P 20Z042008 S Naturhistorisches Museum, Burgring 7, 1010 Wien
Sie können auch lesen