Hieronymus Praetorius - Abendmusiken in der Predigerkirche - PlaceHolder for abendmusiken-basel ...

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Hieronymus Praetorius - Abendmusiken in der Predigerkirche - PlaceHolder for abendmusiken-basel ...
Abendmusiken
in der Predigerkirche

Hieronymus
Praetorius

Soprano: Perrine Devillers, Jessica Jans
Alto: Jan Börner, Terry Wey
Tenore: Raphael Höhn, Hans Jörg Mammel
Basso: Markus Flaig, Dominik Wörner
Cornetto: Frithjof Smith,
Katharina Haun, Clément Gester
Trombona: Henning Wiegräbe,
Charles Toet, Joost Swinkels
Violino: Regula Keller, Johannes Frisch
Viola: Katharina Bopp
Viola da gamba: Brian Franklin, Tore Eketorp
Violone: Matthias Müller
Tiorba: Maria Ferré
Schwalbennestorgel: Nicoleta Paraschivescu
Organo: Jörg-Andreas Bötticher

Sonntag 12. Januar 2020, 17 Uhr
Predigerkirche Basel
Eintritt frei, Kollekte
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Hieronymus Praetorius                        derselben Capellen ... seinen Sohn, Jeronimus
10. 8. 1560 –                                Schulte, zu St. Jacob zum Organisten und
27. 1. 1629                                  Schreiber, wie auch St. Gerdruten alß
                                             Schreiber erwehlet.
Geboren als Sohn des Organisten und          Dieser Mann hatte wohl studirt, und hat es in
Schreibers der Hamburger Jacobikirche,       der Music das Mahl hochgebracht. Er hatte
Jacob Schulte (um 1530 Magdeburg –           von Gott ein sonderliches Talent, und hat
1586 Hamburg).                               auch keiner nach ihme dergleichen Kirchen-
Hieronymus wird unterrichtet durch seinen    Stücke gemacht, seine Motetten wahren
Vater, geht zur Schule am Johanneum          gravitetisch und erweckten sonderbahre
(Kantor: Eberhard Decker) und erhält ab      Andachten, und wahren eine Zierde des
1573 zusätzlich Lektionen vom Organisten     Gottesdienstes“ (Joh. Kortkamp, Hamburger
der Petrikirche, Hinrich thor Mohlen.        Organistenchronik 1702).
1576-77 geht er nach Köln für ein Studium
beim Organisten des Erzbischofs, Albinus     In den ersten Jahren leistet Praetorius
Walran von Cöllen.                           Vorarbeiten für die Cantica Sacra
1580 erfolgt die Ernennung zum Stadtkantor   Franz Ehlers (Lehrer und Succentor des
in Erfurt. 1582 kehrt Hieronymus nach        Knabenchors am Johanneum, † 1590):
Hamburg zurück, arbeitet einige Zeit als     Er hat ein „Choralbuch verfertiget lateinisch
Stellvertreter neben seinem Vater und wird   und teutsch, so er mit eigener Handt sehr
nach dessen Tod Organist der Jacobikirche,   fleißig geschrieben auff pergamenten Bletter,
sowie Kirchenschreiber an St. Jacobi und     mit Gott geendiget 1587.
St. Gertruden:                               Es ist ... in Schweinßleder gebunden mit ein
„Nachdem ... wollgemelter Jacob Schulte      Meßing-Schloß. In selben Buch hat er die
gestorben, haben die Herren Vorsteher        herrlichsten lateinischen Chorale, so von
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den Grichen alß treffliche Musices gemacht,    Joachim Decker (um 1565–1611, Organist
nachgehens von den alten Catholicen in ihren   der Nicolaikirche), David Scheidemann
Kirchen gebraucht, und verbeßert, die Hymni,   (ab 1604 Organist der Katharinenkirche,
Magnificatten, auch unßer lutherischen         † um 1629, Vater Heinrich Scheidemanns)
Kirchen-Melodeyen alle in guter Ordnung        und Jacob Praetorius (1586–1651;
gebracht, wie sie bestendig 113 Jahre          Sweelinck-Schüler und 1604 Nachfolger
(bis1700) unterhalten. Dieses ist 1588 von     Hinrich thor Molens in der Petrikirche).
einem Collegen der Schuelen St. Johannis
nahmens Franciscus Elero zum Druck in          1599 publiziert Praetorius die Cantiones
groß Octav heraußgekomrnen, damit alle         Sacrae, widmet seinen Erstling den Jacobi-
Kirchen des Hamburgischen Territorio mit       Kirchenoberen und erhält ein ansehnliches
Exemplaren konten versehen werden.“            Geldgeschenk, womit die Druckkosten
                                               vermutlich nahezu gedeckt werden können.
1596 nimmt Praetorius Teil an der berühmten    1602 folgt die Sammlung Magnificat octo
Probe der neuen Beck-Orgel in der Schloss-     vocum. Als Krönung verlegt Praetorius sein
kirche Gröningen bei Halberstadt. Anwesend     Gesamtwerk Opus Musicum in fünf Bänden,
sind insgesamt über 50 Organisten aus          darin enthalten revidierte und ergänzte
Nord- und Mitteldeutschland (beschrieben       frühere Publikationen, sowie Kompositionen
in: A. Werckmeister, Organum Gruningense       seines Sohnes Jacob.
redivivum ... 1705).
1604 erscheint das Melodeyen Gesangbuch,       Die Veröffentlichungen ab der Jahrhundert-
von Praetorius ediert, zusammen mit seinen     wende machen Hamburg zu einem wichtigen
Kollegen, Musicos und verordnete Organisten    Ort für die Verlegung von Musikalien.
in den vier Caspelkirchen zu Hamburg / in      William Brade, Johann Schop, Samuel
vier stimmen ubergesetzt:                      Scheidt und weitere Komponisten
                                               publizieren ihre Werke in Hamburg; den
                                               Stadt- und Kirchenoberen kann diese
                                               Entwicklung nur recht und auch etwas wert
                                               sein. Hamburg ist schon um 1600 mit ca.
                                               40‘000 Einwohnern eine der grössten und
                                               und blühendsten Städte Deutschlands; die
                                               Bevölkerung wächst bis 1620 sogar auf
                                               ca. 54‘000 an. Flüchtlinge, die wegen der
                                               Religionskriege eine neue Bleibe suchen
                                               erhalten hier Chancen; Hamburg profitiert
                                               vom importierten Wissen. Ab 1615 wird unter
                                               Leitung des niederländischen Ingenieurs
                                               Johan van Valckenburgh die Stadtbefestigung
                                               modernisiert und stark erweitert; Hamburg
                                               gilt fortan als uneinnehmbar und wird den
                                               Krieg gut überstehen.

                                               Neben Jacob wird ein weiterer Praetorius-
                                               Sohn Musiker: Johann (1595–1660) lernt
                                               wie sein Bruder bei Sweelink in Amsterdam;
                                               1611 erfolgt die Ernennung zum Organisten
                                               und Kirchenschreiber an St. Nicolai.
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Hieronymus II (1595–1651) studiert
Philosophie und Theologie, wird 1626
Professor in Jena, 1637 Superintendent in
Schleusingen und 1642 in Schmalkalden.
Überlieferte Hochzeitsmusiken zeugen von
Familienereignissen; bei der glücklichen
Vermählung einer Tochter tragen Sponsae
Patre & Fratribus, also insgesamt drei
Musiker aus der Praetorius-Dynastie das
Ihrige bei. AJB
– Esther Victoria Criscuola de Laix: Cultures
of Music Print in Hamburg, ca. 1550-1630,
Diss. Berkeley 2009

>
Canon a 4 ...
Jacobo Praetorio, Hieronymi filio Organ:
Hamburgi in aede S. Petri.
Eintrag im Stammbuch des David von
Mandelsloh, 1614. (Stadtbibliothek Lübeck)
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<                                                          HAMBVURGUM
LVBECA VRBS IMPERIALIS LIBERA ...                          Matthäus Merian, 1641, Frankfurt a. M.
HAMBVRCH EIN VORNEMLICHE HANSE STAT
                                                           Unten: Silbermedaille von S. Dadler (ø 7.9 cm), 1636
Die Stadt im späten 16. Jh., ohne schwere                  Merkur als Koloß von Rhodos, mit Schlangenstab
Befestigungswälle. Rechts: S. Iacob / S Gerdrut            und (Friedens)Zweig; auf der Rückseite das
Aus: G. Braun, F. Hogenberg: Beschreibung und              wehrhafte Hamburg. Überschrift: DA PACEM
Contrafactur der vornembster Stät der Welt ... Köln 1574   DOMINE IN DIEBUS NOSTRIS
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Hans Vredeman de Vries
(1527 Leeuwarden – 1606/9 Hamburg oder Amsterdam):
Palastarchitektur mit Musizierenden, Prag 1596.
Figuren: Dirck de Quade van Ravesteyn (1565 – 1620)
Signatur: HANS VREDEMAN VRIESE INV. 1596
135 × 174 cm, Kunsthistorisches Museum Wien

<
Hans Vredeman de Vries,
Radierung, 20 x 12 cm, in: Pictorum aliquot celebrium
Germaniae Inferioris effigies ... 1610

Der Maler, Architekt und Architekturtheoretiker
Vredeman de Vries arbeitet in Amsterdam,
Antwerpen, Wolfenbüttel, Hamburg (mehrere
Aufenthalte zwischen 1590 und 1600), Danzig
und Prag. In Hamburg ist er gefragt als Maler
grosser, illusionistischer Bilder zur Dekoration
öffentlicher Gebäude und Privathäuser; erhalten
sind allerdings fast nur kleinere Werke, die einen
Eindruck der angestrebten optischen Effekte
vermitteln können. Die theoretischen Schriften
(Deutsch, Niederländisch, Französisch) werden in
Antwerpen, Amsterdam und Leiden publiziert;
der Sohn Paul Vredeman de Vries (1567 Antwer-
pen –1617 Amsterdam), ebenfalls Maler, lebt
längere Zeit in Hamburg.
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Heinrich Khunrath (um 1560 Leipzig – 1605 Dresden;
Arzt und Alchemist): Amphitheatrum Sapientiae Aeternae,
Solius, Verae, Christiano-Kabalisticum ... Hamburg 1595
Illustrationen: Hans Vredeman de Vries
(Landesbibliothek Linz)

Der erste Hamburger Druck in Folio; spätere Auflagen
(Magdeburg 1608, Frankfurt 1653) in handlicheren Formaten.
Speziell die Illustrationen durch Vredeman de Vries machen das
Werk bekannt.

<
Khunraths Disputation zur Erlangung der Doktorwürde der
Medizin, 1588 gehalten in Basel: De signatura rerum
naturalium theses ... in celeberrima Basiliensium Academia,
pro Doctoris gradu in Medicina consequendo... disputabit
Henricus Khunrath Lipsicus. (UB Basel)
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Wenn heute von Hamburg und                    das Jahr 1596 belegt, wo zahlreiche
insbesondere von Musik in Hamburg die         Organisten zusammentrafen, um die
Rede ist, so wird vielen zuerst – neben der   neu erbaute Schlosskirchenorgel zu
Bedeutung der Stadt als Teil der Hanse        inspizieren. Unter den 53 ebenfalls weit
– der imposante Bau der Elbphilharmonie       angereisten Kollegen Hieronymus‘
in den Sinn kommen. Vielleicht fallen         fanden sich Hans Leo Hassler, Johann
Ihnen auch Carl Philipp Emanuel               Steffens und Michael Praetorius (der
Bach oder Georg Philipp Telemann              abgesehen von der Namensgleichheit keine
als Musikdirektoren der Hauptkirchen          verwandtschaftlichen Beziehungen zu
ein. Und wenn das der Fall ist, sind Sie      unserem Praetorius aufweist). Ansonsten
eigentlich schon ganz nah dran am heutigen    jedoch zentrierte sich Praetorius‘ Schaffen
Konzertprogramm. Schliesslich war der         und Wirken wohl auf Hamburg und
Protagonist dieses Abends jahrelang als       seine Arbeit an den vier Hauptkirchen
Hamburger Hauptorganist tätig und prägte      St. Jacobi, St. Nicolai, St. Petri und St.
durch sein Orgelspiel, seine Kompositionen    Catharinen. Ungeachtet dessen zählte
und insbesondere durch die Veröffentli-       er zu den angesehensten Musikern
chung eines imposanten Werkkanons die         Hamburgs, der beispielsweise die Musik
kirchliche Musik Hamburgs massgeblich.        zu den Einweihungsfeierlichkeiten an St.
                                              Gertruden im Jahr 1607 organisierte.
Hieronymus Praetorius wurde 1560 als          Ab 1625 wurde ihm sein Sohn Jacob
Sohn des Organisten Jacob Praetorius in       Praetorius II als Substitut zur Seite gestellt,
Hamburg geboren. Sein Vater dürfte ihm        da er aufgrund von Alter und Schwachheit
nicht nur die Musikalität in die Wiege,       nicht mehr voll einsatzfähig war. Vier Jahre
sondern als sein erster Lehrer auch den       später verstarb Hieronymus Praetorius
Grundstein für seine spieltechnischen         am 27. Januar 1629 in der Stadt, die fast
Fähigkeiten gelegt haben. Ab 1573 erhielt     sein ganzes Leben lang seine Heimat und
Hieronymus Unterricht bei Hinrich thor        Wirkungsstätte gewesen war.
Mohlen, seines Zeichens Organist der Petri-
Kirche in Hamburg, später studierte er bei    Nicht nur Hansestadt
Albin Walran in Köln. Nach einem kurzen
Gastspiel von zwei Jahren als Stadtkantor     Nachdem Hamburg im Jahr 1510 die
in Erfurt kehrte er 1582 nach Hamburg         Bestätigung als Freie Hansestadt erhalten
zurück, wo er zunächst Substitut und ab       hatte und bald darauf zur Lehre Luthers
1586 Nachfolger seines Vaters als Organist    übergetreten war, musste unweigerlich
an St. Jacobi wurde. Zudem erhielt er den     auch die Organisation der Musik neu
Posten als Organist und Kirchenschreiber      geregelt werden. In der Hamburger
an St. Gertruden sowie am Hiobshospital.      Kirchenordnung von 1529 wurde die
Praetorius scheint ein durchwegs              Verbindung von weltlichen und kirchlichen
ruhiges und beschauliches Leben in            Musikeinrichtungen festgeschrieben.
Hamburg geführt zu haben. So sind zu          Bezeichnend für diese verfassungsmässig
seinem weiteren Leben nur sehr wenige         vorgeschriebene Symbiose ist die
Begebenheiten zu finden. Ein Ausflug          Bedeutung, die fortan dem Stadtkantor
nach Gröningen bei Halberstadt ist für        zukam: Als Musiklehrer bekleidete er den
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dritten Rang nach Rektor und Konrektor      In der Mehrchörigkeit übernahmen
der Lateinschule und zeichnete für den      Instrumentalgruppen dann ganze Chöre
Sakralgesang der vier Hauptkirchen          der vielstimmigen Kompositionen, auch
verantwortlich. Zudem entwickelte           um eine grössere Farbigkeit der Musik zu
sich das Amt im Laufe des 16. und 17.       gewährleisten. Zu diesem Zwecke wurden
Jahrhunderts zu einem der wichtigsten       den Kantoren ab 1612 sogar Musiker aus
musikalischen Ämter der Stadt überhaupt,    dem Kreis der (eigentlich weltlichen)
dessen Wirkungskreis weit über die rein     Ratsmusiker zugewiesen und unterstellt.
kirchlichen Aufgaben hinausging. Da         Als zeitgenössisches Zeugnis einer solchen
jedoch der Stadtkantor selbst stets nur     Aufführungssituation soll hier Lucas von
an einem Ort tätig sein konnte und eine     Cöllen (Pastor an St. Jacobi, 1549–1611) zu
simultane Betreuung aller vier Kirchen      Wort kommen, der von den Einweihungs-
unmöglich war, oblag die tatsächliche       feierlichkeiten an St. Gertruden berichtet:
musikalische Gestaltung der Liturgie oft
den jeweiligen Organisten. In der häufig    Des morgens so halwege söuen ys tho
praktizierten Alternatim-Praxis – also      der Misse gelüdt worden. Ein weinich
des Abwechselns von gesungenen und          vor Söuen hefft de Cantor unser Scholen
von der Orgel gespielten Choralteilen –     angefangen dat Veni sancte Spiritus
findet sich im Kleinen das, was durch die   choraliter tho singen. Darup ys gesungen
Imitation des venezianischen Stils in den   de Introitus: In nomine Jesu, mit achte
Hauptkirchen Hamburgs im 16. Jh. Einzug     Stemmen Bandovii (Pierre Bonhomme,
hielt: die Ausbildung und Vertiefung        um 1555–1617). Hyrup ys gefolget de
der konzertierenden Mehrchörigkeit.         Missa super: Deus miserator nostri
Um dieser Praxis Rechnung zu tragen         auermal mit achte Stemmen des dreplyken
und ideale Aufführungsbedingungen           Componisten Orlandi (Orlando di Lasso,
zu schaffen, wurden in den Kirchen          1532–94 / Arnold Grothusius).1
zusätzliche Chorräume und Emporen           An stadt der Sequentien ys gesungen
eingebaut, sodass sich die Musiker          Alleluja Handelii (Jacob Handl / Jacobus
entsprechend im Raum verteilen konnten      Gallus, 1550–91), so gesettet ys up twölff
und somit beste Voraussetzungen für         Stemmen, doch in dren Choren.
Echo- und Stereoeffekte vorfanden. Die      Das erste Chor ys gesungen dorch de
gross besetzten Werke von Hieronymus        Knaben unde Musicanten im Chore, das
Praetorius, welche für bis zu zwanzig       ander mit Zinken unde Bassunen, dat
in vier Chören aufgeteilte Stimmen          drüdde mit der Orgel. Düsse beyden Chore
komponiert wurden, sind ein Beispiel für    synt gestanden up sunderigen Bauenchoren
diese Prachtentfaltung.                     (Emporen), so in de Winkel der Capellen
                                            dar achte kanten, alse desülue gebuwet
Eine weitere Besonderheit der Hamburger     ys, also verordnet unde thogerichtet synt,
Kirchenmusik war das Ersetzen von
Gesangspartien durch Instrumenten-          1 Arnold Grothusius (Organist in Helmstedt,
gruppen. Belegt ist die Mitwirkung          spätes 16. Jh.): Missa cum adiuncto Patrem etc. ad
                                            imitationem suavissimae et gravissimae motetae
von Instrumentalisten im Hamburger          Orlandi di Lasso, Deus misereatur nostri, VIII vocum
Gottesdienst bereits vor der Reformation.   harmonia concinnata ... Helmstedt 1588
Hieronymus Praetorius - Abendmusiken in der Predigerkirche - PlaceHolder for abendmusiken-basel ...
Carl Heinrich Wildhagen
                           (1811 – nach 1850):
                           St. Gertruden
                           Lithographie um 1830

                           Nach der Renovation
                           1607 spielte die
                           Kapelle während des
                           ganzen Jahrhunderts
                           eine wichtige Rolle im
                           Hamburger Musikleben.
                           Die Erstaufführung von
                           Thomas Selles Passio
                           secundum Johannem
                           (1643) fand hier statt;
                           generell bot sich der
                           im Vergleich zu den
                           grossen Hauptkirchen
                           leichter bespielbare
                           Raum an für Neues und
                           Aussergewöhnliches.
                           Nach einem Brand 1842
                           wurde die Kapelle
                           abgerissen.

Lucas von Cöllen
(1595–1609 Hauptpastor an St. Jacobi):

Dedicatio Templi S. Gertrudis Hamburgensis.
Eine INWYGINGES PREDIGE / geholden in der
renoverten und vornyerten Capellen S. Gertruden
in Hamborch / dorch M. Lucam de Coloniis
Hamburg. Pastorem dessülven Karspels.
Anno Christi 1607. / Anno Mundi 5569.
16. April. Druck: Hamburg 1609
Anna Amalia Bibliothek, Weimar

In der Vorrede zur eigentlichen Predigt
die detaillierte Beschreibung der im
Einweihungsgottesdienst gespielten Musik.

– Frederick K. Gable: Dedication service
for St. Gertrude‘s Chapel, Hamburg, 1607
A-R Editions, 1998
vor dat Volck, darup tho stahnde unde de      Eine Gesamtausgabe
Predige tho hören.
Dyth ys geschehen vör der Predige. Na der     Es war und ist selten einem Künstler
Predige ys up der Cantzel angefangen:         und insbesondere einem Komponisten
O Godt wy dancken dyner Güde. Na              (die weiblichen Vertreter stets
dem dorch den Organisten ein kort             mit eingeschlossen) vergönnt, die
Praeambulum geschlagen, unde darmit de        Zusammenstellung und Drucklegung
Thon gegeuen worden, worinne de gantze        der eigenen Werke im Rahmen einer
Gemeine einhellich den Choral darin           Gesamtausgabe zu betreuen. Viel öfter
gesungen. De andern auerst mit Orgelen,       erfolgen solche Publikationen posthum,
Zincken, Bassunen de andern Stemmen           Jahre nach dem Tod des entsprechenden
figuraliter geblasen unde tho wegen           Urhebers, sodass selbiger auf die Auswahl
gebracht. Hyrupt ys de gewoentlyke Segen      der veröffentlichten Stücke keinen Einfluss
gespraken von der Cantzel.                    mehr nehmen kann.
Darup ys gesungen: Here Godt wy lauen         Dieses seltene Glück wurde Hieronymus
dy, welckes Hieronymus Praetorius unser       Praetorius jedoch zuteil: In den Jahren
Kercken Organiste gesettet hefft up sösteyn   zwischen 1616 und 1625 konnte er
Stemmen, mit veer Choren. Dat erste           seine insgesamt fünf Bände umfassende
Chor ys gesungen, Dat ander van einem         Gesamtausgabe Opus musicum drucken
besünderigen Bauenchore mit Zincken unde      lassen. Es ist dies auch ein Grund dafür,
Bassunen geblasen. Dat drüdde van einem       dass uns diese Stücke erhalten geblieben
andern Orde mit Fiolen unde Regalen,          sind, zumal gedruckte Werke in einem
Dat veerde up de Orgel, doch also, dat den    grösseren geographischen Feld in
gewoentlyken Choral der Knaben intoneret      Umlauf geraten konnten und somit die
unde dat Sanctus tho dren malen repeteret     Wahrscheinlichkeit wesentlich erhöht
unde wedderhalet ys. Folgendes ys noch        wurde, dass zumindest ein Exemplar die
gesungen dat Cantate 8 vocum dessüluigen      Zeit trotz Kriegen, Bränden, Überflutungen
Hieronymi Praetorii, mit dem Chore,           und ähnlichen Ereignissen überdauerte.
Orgeln, Zincken, Bassunen thogelyke.
Pro conclusione unde thom beschlute ys
gesungen dorch de Gemene, Chor, Orgel
unde Instrumenten: Sy Loff unde Ehr mit
hogem Prysz.
Dyth synt de Ceremonien de beneuen der
Predige, by der Inwyginge der Capellen
gebruket worden. Ick moth dyth hyr hentho
dohn, dat ick moth bekennen, dat effte ick
wol veelmal Musicam gehöret, dennoch
nicht vaken hebbe bether klingen hoeren,
gelyck wo damahl in der Capellen gehöret
worden ys.
Iubilate Deo omnis terra
à 12

Aus: CANTIONES SACRAE,
DE FESTIS PRAECIPUIS TOTIUS ANNI,
5. 6. 7. 8. 10. & 12. Vocum:
Compositae à Hieronymo Praetorio,
Organista in Aede S. Jacobi Hamburgensi.
Operum Musicorum Auctoris
TOMUS PRIMUS. Editio altera …
Hamburg 1599; 2. Auflage 1607

Besetzung:
CATB, CATB, CATB

Text: Psalm 65 (66), 1-4
Übersetzung: M. Luther 1545

                                           UB Basel

Iubilate Deo, omnis terra;                 Mit dem Jubilate Deo für 12 Stimmen
psalmum dicite nomini eius;                erklingt gleich zu Beginn eine strahlende
date gloriam laudi eius.                   Fanfare musikalischen Lobgesanges.
Dicite Deo: Quam terribilia sunt opera     Der höchste der drei Chöre beginnt mit
tua, Domine! In multitudine virtutis       einem freudigen Aufwärtssprung, der
tuae, mentientur tibi inimici tui.         sich imitierend durch alle Stimmen zieht,
Omnis terra adoret te, et psallat tibi;    der zweite Chor kommentiert, der dritte
psalmum dicat nomini tuo.                  Chor eifert dem ersten nach. War der
                                           Anfang noch syllabisch gehalten, werden
                                           die Psalmen von aufwärts strebenden
Jauchzet Gott alle Lande /                 Melismen ausgeziert. Mit einer grossen
Lobsinget zu ehren seinem Namen /          Freude an Synkopen und Punktierungen
rhümet jn herrlich.                        folgt das Dicite Deo, kleine
Sprecht zu Gott / wie wünderlich sind      Chromatismen trüben die inimici tui ein,
deine Werck? Es wird deinen Feinden        bevor nach einer höchst wirkungsvollen
fehlen fur deiner grossen Macht.           Generalpause das gesamte Ensemble bei
Alle Land bete dich an / vnd lobsinge      omnis terra einsetzt.
dir / lobsinge deinem Namen.
Peccavi, quid faciam miser
à6

Aus: CANTIONES SACRAE
DE PRAECIPVIS FESTIS
totius Anni, 5. 6. 7. & 8. Vocum.
Authore HIERONYMO PRAETORIO
Organista in aede S. Iacobi Hamburgensi.
Hamburg 1599

Text: Zusammenstellung in Anlehnung
an Hiob 7, 20; Autor unbekannt

                                           BSB München

Peccavi, quid faciam miser,                Eine ganz andere Klanglichkeit erfährt
ubi fugiam, nisi ad te, Deus meus?         man im nachfolgenden Peccavi, quid
Ignosce culpam petenti,                    faciam miser. Wesentlich kleiner und
veniamque concede quarenti.                schlanker besetzt, weiss Praetorius
                                           die sechs Stimmen dennoch effektvoll
                                           einzusetzen. Höchst schmerzlich beginnt
Ich habe gesündigt: Was soll ich           das Stück mit einem Halbtonschritt,
Verlorener tun, wohin mich wenden,         der von allen Stimmen mit Ausnahme
wenn nicht zu dir, mein Gott?              des Basses imitiert wird. Hieronymus‘
Verzeih gnädig die Sünde des               Meisterschaft in der Textausdeutung, die
Bittenden, vergebe dem, der                bereits im Jubilate Deo angeklungen war,
Hilfe sucht.                               findet sich auch hier, wenn beispielsweise
                                           die Musik passend zu den Worten ubi
                                           fugiam schneller wird und zu fliehen
                                           beginnt. Spannend auch die zum Schluss
                                           vorgetragene Bitte veniam concede:
                                           Praetorius lässt im zweiten Durchgang
                                           des Textes die beiden untersten
                                           Stimmen weg, wodurch der Musik das
                                           Fundament und die Sicherheit des Basses
                                           genommen werden und das Flehen etwas
                                           Abgehobenes, beinahe Verzweifeltes
                                           erhält.
Levavi oculos meos
à 10

Aus: CANTICUM B. MARIAE VIRGINIS
seu MAGNIFICAT Octo Vocum.
Super Octo Tonos Consuetos / quod est /
OPERUM MUSICORUM Tomus Secundus …
Denovo ab ipso autore correctus,
Motectis aliquot 8. 10. & 12. Vocum auctus
& in gratiam Musicae peritorum
Basso Continuo exornatus /
ab Hieronymo Praetorio Sen. /
Organista ad D. Jacobi …
Hamburg 1622

Text: Psalm 120 (121), 1-8
Übersetzung: M. Luther 1545

Levavi oculos meos in montes,                Jch hebe meine Augen auff zu den
unde veniet auxilium mihi.                   Bergen / von welchen mir Hülffe kompt.
Auxilium meum a Domino,                      Meine Hülffe kompt vom Herrn /
qui fecit caelum et terram.                  der Himel vnd Erden gemacht hat.

Non det in commotionem pedem tuum:           Er wird deinen Fus nicht gleitten lassen /
neque dormitet qui custodit te.              vnd der dich behütet / schlefft nicht.
Ecce non dormitabit neque dormiet,           Sihe / der Hüter Jsrael / schlefft noch
qui custodit Israel.                         schlumert nicht.
Dominus custodit te, Dominus protectio       Der Herr behütet dich / Der Herr ist dein
tua, super manum dexteram tuam.              Schatten vber deiner rechten Hand.
Per diem sol non uret te: neque luna         Das dich des Tages die Sonne nicht
per noctem.                                  steche / noch der Mond des nachts.
Dominus custodit te ab omni malo:            Der Herr behüte dich fur allem Vbel /
custodiat animam tuam Dominus.               Er behüte deine Seele.
Dominus custodiat introitum tuum et          Der Herr behüte deinen Ausgang vnd
exitum tuum: ex hoc nunc et usque in         Eingang / von nu an bis in Ewigkeit.
saeculum.
William Brade                                 des Hochchores. Zudem spielt Praetorius
1560–1630                                     mit häufigen Metrumswechseln zwischen
                                              geradem und ungeradem Takt sowie
Paduana a 6                                   mit dem Wiedererkennungseffekt:
Galliarda                                     die wiederkehrenden Worte Dominus
Aus: Newe außerlesene PADUANEN und
                                              custodiat vertont er stets homophon.
Galliarden mit 6. Stimmen, so zuvor niemals
in Druck kommen, auff allen MusicalischenWilliam Brade war ab 1610 als Leiter
Instrumenten und insonderheit auff Fiolender Hamburger Ratsmusiker tätig,
lieblich zu gebrauchen ...
                                         führte aber ein wesentlich bewegteres
Hamburg 1614
                                         Leben als Praetorius. So lässt sich der
                                         gebürtige Engländer unter anderem in
                                         Kopenhagen, Hamburg, Halle und Berlin
Obwohl das Levavi oculos meus mit        nachweisen. Ihm ist es mit zu verdanken,
seiner Zehnstimmigkeit fast an die       dass die englische Tanzmusik auf dem
Besetzungsgrösse des Jubilate Deo        Kontinent Fuss fassen konnte und bald
heranreicht, wählt Praetorius hier eine  zur Kunstform der Instrumentalmusik
andere Aufteilung des Ensembles: Er      erhoben wurde. Über die Tanzform der
komponiert für zwei fünfstimmige Chöre, Pavan schrieb Thomas Morley 1597:
wobei er die Möglichkeiten von Hoch-     After every Pavan we usually set a
und Tiefchor ausnutzt. Oft fungieren die Galliard. Daran halten wir uns ebenfalls;
tieferen Stimmen als oktaviertes Echo    Der Paduana a 6 folgt eine Galliarda.
Exsultate justi
à 16

Aus: CANTIONES VARIAE
V. VI. VII. IIX. X. XII. XVI. XX. Vocum
quae sunt OPERUM MUSICORUM
Tomus Quartus / Cui in gratiam Musicae
peritorum additum habes / Bassum Continuum …
ab Hieronymo Praetorio Sen.
Organista ad D. Jacobi ...
Hamburg 1618

Text: Psalm 32 (33), 1-5

Exsultate, justi, in Domino;                   Frewet euch des Herrn / jr Gerechten /
rectos decet collaudatio.                      die Fromen sollen jn schon preisen.
Confitemini Domino in cithara;                 Dancket dem Herrn mit Harffen /
in psalterio decem chordarum                   vnd lobsinget jm auff dem Psalter
psallite illi.                                 von zehen Seiten.
Cantate ei canticum novum;                     Singet jm ein newes Lied / machts gut
bene psallite ei in vociferatione.             auff Seitenspielen mit Schalle.
Quia rectum est verbum Domini,                 Denn des Herrn Wort ist warhafftig /
et omnia opera ejus in fide.                   vnd was er zusaget / das helt er gewis.
Diligit misericordiam et judicium;             Er liebet Gerechtigkeit vnd Gericht /
misericordia Domini plena est terra.           die Erde ist vol der Güte des Herrn.

Das bislang vielstimmigste Werk                und Schwalbennestorgel übernommen
folgt mit dem Exultate justi. Die              werden. Die aus der Verschiedenheit der
16 Stimmen werden in vier gleiche              Instrumente resultierende Klanglichkeit
Chöre eingeteilt, wobei im heutigen            trägt wesentlich zur Vielfarbigkeit des
Konzert dem Bericht Lucas von Cöllen           Werkes bei.
folgend der zweite Chor von Zink und
Posaunen, der vierte Chor von Sopran
Ab Oriente venerunt magi
à5
In Epiphaniis Domini

Aus: CANTIONES SACRAE …
Hamburg 1599
Text: Nach Matthäus 2, 1-2 und 10

Ab Oriente venerunt magi                  Da kamen die Weisen aus dem
in Bethleem adorare Dominum.              Morgenland nach Bethlehem,
                                          den Herrn anzubeten.
Et apertis thesauris suis                 Und aus ihren Schatzkammern brachten
pretiosa munera obtulerunt,               sie wertvolle Geschenke:
aurum sicut Regi magno,                   Gold, wie einem großen König gebührt,
thus sicut Deo vero,                      Weihrauch, wie einem wahren Gott,
myrrham sepulturae eius.                  und Myrrhe, zu seiner Bestattung.
Alleluja.                                 Halleluja.

Nicht nur drei, sondern gleich fünf Weise schneller gesetzt ist, bevor das Werk mit
kommen in Ab oriente venerunt aus         einem fröhlichen Alleluja mit zahlreichen
dem Morgenland zur Krippe. Praetorius     aneinander gereihten Kadenzen endet.
lässt die Musik in einem ruhig gehenden
Duktus anklingen; die Aufzählung der
Geschenke folgt in einem zweiten Teil,
der wesentlich imitierter und rhythmisch
Domine, probasti me
à 15

Aus: CANTIONES NOVAE OFFICIOSAE / V. VI.
VII. VIII. X. et XV. Voc. / Quae sunt / OPERUM
MUSICORUM Tomus Quintus / Cui in gratiam
Musicae peritorum additum habes / Bassum
Continuum … ab Hieronymo Praetorio Seniore
Organista ad D. Jacobi. …
Hamburg 1625

Text: Psalm 138 (139), 1-6
Übersetzung: M. Luther 1545

Domine, probasti me, et cognovisti me;           Herr / du erforschest mich / vnd kennest
tu cognovisti sessionem meam et                  mich. Jch sitze oder stehe auff so
resurrectionem meam.                             weissestu es.
Intellexisti cogitationes meas de                Du verstehest meine Gedancken von
longe; semitam meam et funiculum                 ferne. Jch gehe oder lige / so bistu vmb
meum investigasti: et omnes vias meas            mich / vnd sihest alle meine Wege.
praevidisti, quia non est sermo in lingua        Denn sihe / es ist kein Wort auff meiner
mea. Ecce, Domine, tu cognovisti omnia,          Zungen / das du Herr nicht alles wissest.
novissima et antiqua. Tu formasti me,            Du schaffest es / was ich vor oder
et posuisti super me manum tuam.                 hernach thue / vnd heltest deine Hand
Mirabilis facta est scientia tua ex me;          vber mir. Solchs Erkentnis ist mir zu
confortata est, et non potero ad eam.            wünderlich vnd zu hoch / ich kans nicht
                                                 begreiffen.
Johann Schop
um 1590 – 1667

Paduana
à6

Aus: Erster Theil NEWER PADUANEN,
Galliarden, Allmanden, Balletten, Couranten,
unnd Canzonen, mit 3. 4. 5. unnd 6. Stimmen /
nebenst einem Basso Continuo /
Componiret von JOHAN SCHOPEN.
Hamburg 1633

Bei Domine probasti me finden wir               Mit der Paduana a 6 erklingt ein Werk
eine bereits bekannte Textur: drei Chöre        des Brade-Schülers Johann Schop. Er war
à fünf Stimmen, wobei der erste Chor            ebenfalls Geiger und Ratsmusiker und
der höchste, der dritte der tiefste ist.        bekannt für seine ausgefeilte und ganz
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde,            eigene Violintechnik. Wie sein Lehrer
in der jeder Chor den anderen mit               übernimmt er die Dreiteilung der Pavane,
Chromatismen auf dem Wort cognovisti            sein Werk scheint jedoch weniger
zu übertrumpfen scheint, erklingt               als tatsächliche Tanzmusik, sondern
derselbe Text im tutti, wobei Praetorius        vielmehr als Instrumentalmusik gedacht.
mit einem extremen Ambitus von drei             Darauf deutet auch der Metrumswechsel
Oktaven plus Quinte zwischen tiefster           zum Dreiertakt im letzten Teil hin. Auf
und höchster Stimme arbeitet. Mit               langsame, ruhige Abschnitte folgen
versetzten Einsätzen der Chöre wird die         bewegtere Imitationen, wobei das im
Raumwirkung der Musik noch verstärkt,           ersten Teil genutzte Motiv mit markant
homophone Tuttieinsätze erscheinen              repetierten Noten ab dem zweiten Teil
erwartungsgemäss zur Vertonung von              von einem figura corta-Motiv abgelöst
Worten wie omnia novissima oder –               wird.
kombiniert mit einem Dreiermetrum –
auf Mirabilis facta est.
Wie lang, o Gott
à5
Aus: CANTIONES NOVAE
OFFICIOSAE ....
Hamburg 1625
Text: Anonym

Wie lang, o Gott, in meiner Not
willst lassen mich?
Erbarme dich über deinen Knecht
der Gnad begehrt und nicht das Recht.

Verzag, Herz, nicht,
Gott wird dein Bitt erhören bald
er hat Gewalt zur rechter Zeit
sein Hülf er allen Frommen gibt.
                                           Cantiones Novae ... 1625: Index

Das einzige deutschsprachige Werk
des Konzertes stammt aus dem 5. Band
von Praetorius‘ Gesamtausgabe Opus
musicum. Wie lang, o Gott ist ein
getragener Gesang für fünf Stimmen,
der die Verzweiflung und das Flehen der
Worte eindrücklich in Musik übersetzt.

Der Tradition der Hamburger Organisten
und Kirchenmusik folgend, die eingangs
bereits erwähnt wurde, erklingt auch das
Magnificat Octavi Toni alternierend
zwischen achtstimmigem Chor und
Orgel. Die vier Verse der Orgel sind in
einer Buchstabentabulatur überliefert,
die heute in Schweden aufbewahrt
wird. Die den Versen zugrunde liegende
                                           UB Basel
Choralmelodie ist dabei nicht immer
erkennbar, sondern wird vielmehr
umspielt, verändert und mit allerlei
Diminutionen ausgeziert.
Magnificat Octavi Toni
à8

Aus: MAGNIFICAT OCTO VOCUM
Super octo Tonos …
Authore Hieronymo Praetorio
Organista in aede S. Iacobi Hamburgensi.
Hamburg 1602

Text: Lukas 1, 46-55
Übersetzung: Martin Luther

Magnificat anima mea Dominum,                Meine Seele erhebt den Herrn.
et exsultavit spiritus meus in Deo           Und mein Geist frewet sich Gottes
salutari meo.                                meines Heilandes.
Quia respexit humilitatem ancillae           Denn er hat seine elende Magd
suae. Ecce enim ex hoc beatam me             angesehen / sihe / von nun an werden
dicent omnes generationes.                   mich selig preisen alle Kinds Kind.
Quia fecit mihi magna, qui potens est,       Denn er hat grosse Ding an mir gethan /
et sanctum nomen eius.                       der da mechtig ist / und des Namen heilig
                                             ist.
Et misericordia eius a progenie in           Und seine Barmhertzigkeit weret immer
progenies timentibus eum.                    für und für / bey denen die in fürchten.
Fecit potentiam in brachio suo,              Er ubet gewalt mit seinem Arm / und
dispersit superbos mente cordis sui.         zurstrewet die Hoffertig sind in ires
                                             Hertzen Sinn.
Deposuit potentes de sede et exaltavit       Er stösset die Gewaltigen vom Stuel /
humiles. Esurientes implevit bonis et        und erhebt die Elenden. Die Hungrigen
divites dimisit inanes.                      füllet er mit Güttern / und lesst die
                                             Reichen leer.
Suscepit Israel puerum suum,                 Er dencket der Barmhertzigkeit /
recordatus misericordiae suae.               und hilfft seinem Diener Jsrael auff.
Sicut locutus est ad patres nostros,         Wie er geredt hat vnsern Vetern /
Abraham et semini eius in saecula.

         Abraham und seinem Samen ewiglich.

Gloria Patri et Filio et Spiritui            Ehre sei dem Vater und dem Sohn und
Sancto, sicut erat in principio et nunc et   dem Heilgen Geiste / wie es war im
semper et in saecula saeculorum.             Anfang / jetzt und immerdar und von
Amen.                                        Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Decantabat populus Israel
à 20

CANTIONES VARIAE ...
Hamburg 1618

Text: Responsorium,
nach I Paralipomenon 15, 28 29

Decantabat populus Israel:
Alleluja.
Et universa multitudo Jacob
canebat legitime: Alleluia.
Et David cum cantoribus
citharam percutiebat: Alleluia.
In domo Domini: Alleluia.
Et laudes Deo canebat.

Es sang das Volk in Israel:
Halleluja.
Und die gesamte Menge Iaakob
sang mit Recht: Halleluja.
Und David mit den Kantoren
schlug die Zither: Halleluja.
Im Haus des Herrn: Halleluja
Und sie sangen Gott Lobgesänge.

Das am Schluss erklingende               universa multitudo zum Tutti-Klang
Decantabat populus Israel für 20         vereinen. Erwähnenswert sind sicher
Stimmen bezeichnen Hoffmann-             die speziell klingenden harmonischen
Erbrecht und Belotti im MGG-Artikel      Wendungen auf Alleluja sowie der erneut
zu Hieronymus Praetorius als eines der   grosse Ambitus zwischen tiefster und
„Glanzstücke seines Schaffens […]        höchster Stimme. Das Werk schliesst
mit ihrer freien Stimmführung und der    mit einer fulminanten Tutti-Kadenz, ein
rauschhaften Klangfülle.“ Tatsächlich    sowohl für die Motette als auch für ein
zeigt sich diese Klangfülle erst nach    Konzert würdiger Schluss.
einer längeren Einleitung, wenn sich
die Chöre, die zuvor stets einzeln in    Eva-Maria Hamberger
Erscheinung getreten waren, mit Et
Johannes Mejer (1606 Husum –1674 Kopenhagen):
Grundtriß der Edlen Weitberumbten Statt HAMBURG. Anno 1651
Der Eintritt zu den Konzerten ist frei –
wir bitten um eine angemessene Kollekte

Die Christkatholische Kirchgemeinde Basel stellt den inspirierenden Raum zur Verfügung.
Grosszügige Unterstützung bieten private Gönner, Bernhard Fleig Orgelbau,
die Sulger-Stiftung, sowie weitere Stiftungen, die nicht namentlich genannt werden wollen.
Um das Projekt erfolgreich fortsetzen zu können, werden nach wie vor Gönner gesucht.
Sie sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen!

Organisation
Albert Jan Becking, Jörg-Andreas Bötticher, Katharina Bopp,
Brian Franklin, Regula Keller, Frithjof Smith

Weitere Informationen
www.abendmusiken-basel.ch
Katharina Bopp / Albert Jan Becking,
Spalentorweg 39, 4051 Basel
061 274 19 55 / info@abendmusiken-basel.ch

Bankverbindung
Abendmusiken in der Predigerkirche,
Bündnerstrasse 51, 4055 Basel
Basler Kantonalbank: IBAN: CH 28 0077 0253 3098 9200 1
Spenden an die Abendmusiken in der Predigerkirche
sind von der Steuer absetzbar.

Nächstes Konzert:                              Programm Hieronymus Praetorius:
                                               Charles Toet

Nicolo Corradini
                                               Einführungstext: Eva-Maria Hamberger
                                               Dokumentation, Gestaltung: Albert Jan Becking
                                               Musikalische Leitung: Jörg-Andreas Bötticher
Sonntag 9. Februar 2020,
17 Uhr, Predigerkirche Basel
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