Krankenhausplanung - Wie kann man Qualitätskriterien einbauen? - Nomos eLibrary

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Krankenhausplanung –
Wie kann man Qualitätskriterien
einbauen?

Jochen Metzner                      Krankenhausplanung hat für die bedarfsgerechte
                                    Versorgung der Bevölkerung zu sorgen, nicht für
Jochen Metzner ist Leiter des
Referats Krankenhausversor-         eine -von den Kassen oft geforderte- künstliche
gung im Hessischen Sozial-          Angebotsverknappung, um steigende Fallzahlen
ministerium, Wiesbaden
                                    zu verhindern. Vielmehr muss der Nutzen für den
                                    Patienten im Vordergrund stehen.
                                    Stichworte hierbei sind: über die Rettungskette
                                    optimierte Notfallversorgung, intersektorale
                                    Netzwerke bei chronischen Krankheiten, längere
                                    Wege bei Elektivleistungen. Mittelfristig muss für
                                    Planungsentscheidungen die Ergebnisqualität messbar,
                                    allerdings auch justiziabel, sein, denn letztlich zählt das
                                    Ergebnis. Für einen wirklichen Qualitätswettbewerb
                                    muss das Vergütungssystem umgebaut werden.

                                    1. Einleitung                                                   werden. Meldungen, wonach die Bun-
                                                                                                    desländer im Jahr 2011 ihre Kranken-
                                    Es ist ein guter Zeitpunkt, um über                             hausbeförderung nochmals um insge-
                                    Krankenhäuser zu schreiben. Da lief                             samt 300 Millionen Euro zurückgefah-
                                    ein Krimi um die geplante Übernahme                             ren haben, führen zu leisen Protesten
                                    der Rhön-Klinik AG durch Fresenius,                             der Krankenhausseite und zu Berech-
                                    der in der Endphase an alte Folgen von                          nungen der Krankenkassen, ab wann
                                    Dallas oder Denver-Clan erinnerte.                              die heute noch 2,6 Milliarden Euro bei
                                    Da versuchen die Krankenkassen, die                             Null angelangt sind. Gleichzeitig läuft
                                    Krankenhäuser pauschal zu kriminali-                            ein Gesetzgebungsverfahren, mit dem
                                    sieren. Sie werfen Ihnen nacheinander                           die Krankenhausfinanzierung auch in
                                    Abrechnungsbetrug und Zahlung von                               der Psychiatrie und Psychosomatik auf
                                    Zuweiserpämien vor, Sie mahnen die                              ein pauschalierendes System umgestellt
                                    starke Zunahme der Fallzahlen an und                            wird. Die Bundesregierung verlautbart,
                                    unterstellen den Krankenhäusern, ein                            im Rahmen dieses Verfahrens den Kli-
                                    Großteil der Fallzahlsteigerungen sei                           niken einen teilweisen Ausgleich für
                                    überflüssig. Krankenhäuser müssen                               die Tariflohnsteigerungen gewähren
                                    in den Tarifverhandlungen Lohnstei-                             zu wollen. Nachdem der Bundestag in
                                    gerungen von 5 bis 6 % in den Jahren                            dritter Lesung beschlossen hat, dass die
                                    2013 und 2014 akzeptieren, die von der                          Entlastung der Krankenhäuser durch
                                    Öffentlichkeit als angemessen bewertet                          neue Zusatzbelastungen teilweise kom-

                                               https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-4-25
                                       Generiert durch IP '46.4.80.155', am 02.12.2021, 12:37:26.
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THEMA

pensiert wird, kündigen einzelne Länder       auch der Verfasser in seiner juristischen                       soll sie dazu beitragen, die Kosten zu
an, den Vermittlungsausschuss anrufen         Ausbildung nie erfahren, dass es so                             beherrschen und, soweit wie möglich,
zu wollen. Darauf droht der Bundesge-         etwas wie ein Krankenhausfinanzie-                              jede Verschwendung finanzieller, tech-
sundheitsminister den Ländern in einem        rungsgesetz oder Krankenhausgesetze                             nischer und menschlicher Ressourcen zu
Schreiben, er werde die Regelungen zur        der Länder überhaupt gibt, geschweige                           verhindern. Eine solche Verschwendung
Krankenhausfinanzierung insgesamt             denn Informationen über die Inhalte von                         wäre umso schädlicher, als der Sektor
zurücknehmen, wenn der Vermittlungs-          Krankenhausplanung erhalten. "Kran-                             der Krankenhausversorgung bekannt-
ausschuss angerufen wird. Er hat offen-       kenhausplanung" ist jedenfalls nicht                            lich erhebliche Kosten verursacht und
sichtlich ein besonderes Verhältnis zur       "sexy" und klingt nach Kolchose und                             wachsenden Bedürfnissen entsprechen
Gewaltenteilung (aus der Homepage des         kommunistischer Planwirtschaft.                                 muss, während die finanziellen Mittel,
Deutschen Bundestags: "Der Bundestag             Aber auch manchen "Insidern" ist                             die für die Gesundheitspflege bereitge-
ist nach dem Prinzip der Gewaltentei-         offensichtlich nicht klar, was Kranken-                         stellt werden können, unabhängig von
lung die gesetzgebende Gewalt (Legis-         hausplanung kann, soll und darf. So                             deren Art und Weise der Finanzierung
lative) in Deutschland. Demgegenüber          heißt es im Anschreiben der Herausge-                           nicht unbegrenzt sind.“ Das Bundesver-
stehen die Bundesregierung als Exeku-         ber dieses Sonderhefts an den Verfasser                         fassungsgericht hat in ähnlicher Weise
tive und die Bundes- und Landesgerichte       u.a.: „Die erfolgreiche Einführung des                          formuliert 2 : „Zu den Gemeinwohlbela-
als Judikative."). Als an der Grenze zu       DRG-Systems hat bisher keine adäqua-                            ngen von hoher Bedeutung, die Vorrang
Mainz wohnender Wiesbadener möchte            te, leistungsbezogene Krankenhauspla-                           vor der ungehinderten Berufsausübungs-
man ausrufen: "ja iss dann heut schon         nung Nach sich gezogen. So weist die                            freiheit haben, zählt die bedarfsgerechte
Fassenacht!?".                                Zahl der erbrachten Leistungen und ihre                         und leistungsfähige Krankenversorgung
   Das Ganze findet erstaunlicherwei-         jährliche Steigerung deutlich über eine                         der Bevölkerung sowie sozial tragbare
se weitgehend unbemerkt von der Öf-           morbiditätsbedingte Zunahme hinaus.“                            Krankenhauskosten, dies schon wegen
fentlichkeit statt, sieht man davon ab,       Ich bin daher dankbar, hier die Gele-                           ihrer Auswirkungen auf die Stabilität
dass die geplante Übernahme von Rhön          genheit zu erhalten, die Sicht eines Län-                       der gesetzlichen Krankenversicherung.
durch Fresenius in den Wirtschaftsseiten      dervertreters zur Krankenhausplanung                            Bezogen auf die Zielsetzungen sind die
der Zeitungen Thema war.                      einbringen zu dürfen. Freilich würde ein                        gesetzgeberischen Mittel der Kranken-
   Es ist erstaunlich: Krankenhäuser          ausschließlicher Blick auf die Planung                          hausplanung, besonders die Planzulas-
werden in der Öffentlichkeit nicht als        nicht ausreichen, den komplexen Zu-                             sungsvoraussetzungen, nicht unverhält-
Wirtschaftssubjekte wahrgenommen.             sammenhängen der derzeitigen Dyna-                              nismäßig. Sie sind geeignet, erforderlich
Sie sind einfach da, müssen einfach da        mik im Krankenhausbereich gerecht zu                            und auch für die Betroffenen zumutbar.“
sein, schließlich macht fast jeder von uns    werden: "Alles hängt mit allem zusam-                           Die Verantwortung des Staates für die
seinen ersten Atemzug in einem Kran-          men“, das erklärte nicht nur Bundes-                            Krankenhausplanung ergibt sich unmit-
kenhaus, die meisten von uns werden           kanzlerin Merkel im März 2011 in Bad                            telbar aus dem Grundgesetz (GG). Auch
auch ihren letzten Atemzug in einem           Kreuznach und auch Finanzminister                               hierzu hat das BVerfG ausgeführt3: „Das
Krankenhaus machen. Krankenhäuser             Wolfgang Schäuble beim G 20-Treffen                             Grundgesetz verpflichtet den Staat,
verbindet man mit Emotionen, nicht mit        im November 2009, das gilt auch für die                         menschliches Leben zu schützen. Diese
Nachrichten im Sender NTV. Daher ist          Krankenhausversorgung, wo Planung,                              Schutzpflicht hat ihren Grund in Art. 1
auch kaum bekannt, welch gewaltige            Betriebs- und Investitionskostenfinan-                          Abs. 1 GG; ihr Gegenstand und – von
Wirtschaftsmacht Krankenhäuser dar-           zierung sich gegenseitig beeinflussen.                          ihm her – ihr Maß werden durch Art. 2
stellen. Hier werden mehr als 75 Mrd.                                                                         Abs. 2 GG näher bestimmt.“ Die Wür-
Euro umgesetzt, in deutschen Kranken-         2. Grundsätze der                                               de des Menschen und das Recht auf
häusern arbeiten ca. 1,1 Mio Menschen,        Krankenhausplanung                                              Leben und körperliche Unversehrtheit
in der Automobilindustrie inklusive Zu-                                                                       sind somit Maßstab jeder Gesundheits-
lieferbetriebe ca. 720.000. Alleine in        Dass Krankenhausplanung notwendig                               politik. Das in Art. 20 GG verankerte
hessischen Krankenhäusern sind 71.400         ist, wird nicht bestritten. Der Europäi-                        Sozialstaatsprinzip drückt zusätzlich die
Personen beschäftigt, exakt so viele wie      sche Gerichtshof1 hat hierzu festgestellt:                      „unverrückbare Verantwortung“ des
bei Apple und Google weltweit zusam-          „So ist allgemein bekannt, dass die Zahl                        Staates für die Versorgung der Bevölke-
men! Dennoch geht es in öffentlichen          der Krankenanstalten, ihre geographi-                           rung mit Krankenhausleistungen aus.
Diskussionen bei Krankenhäusern fast          sche Verteilung, ihr Ausbau und die                             Die Zuständigkeit ergibt sich ebenfalls
immer darum, welche Kosten sie verur-         Einrichtungen, über die sie verfügen,                           aus dem GG: nach Art. 74 Nr. 19a, der
sachen. Öffentliche Forderungen, Kran-        oder auch die Art der medizinischen                             im Jahr 1969 ins GG eingefügt wurde,
kenhäuser zu schließen, wie Ende letzten      Leistungen, die sie anbieten können,
Jahres vom BEK Chef Dr. Straub, finden        planbar sein müssen. Eine derartige
Beifall, die Neckermann-Insolvenz mit         Planung beruht im Allgemeinen auf                                   1 EuGH-Urteil in der Rechtssache Smits und
                                                                                                                    Peerbooms (C-157/99) vom 12.07.2001,
dem möglichen Verlust von 2.400 Ar-           verschiedenen Bestrebungen. Zum ei-                                   RdNr. 76ff.; ebenso in der Rechtssache
beitsplätzen deutschlandweit sorgt für        nen bezweckt sie, im betreffenden Staat                               Müller-Fauré und van Riet (C-385/99) vom
Schlagzeilen auf Seite 1.                     zu gewährleisten, dass ein ausgewoge-                                 13.05.2003, Rdnr. 73ff.
                                                                                                                  2 BVerfG, Beschluss vom 12.06.1990, 1 BvR
   Mit Krankenhausplanung können              nes Angebot qualitativ hochwertiger                                   355/86, BVerfGE 82, 209.
die wenigsten Leute etwas anfangen.           Krankenhausversorgung ständig aus-                                  3 BVerfG, Urteil vom 28.05.1993, BVerfGE 88,
Das ist nicht ungewöhnlich, hat doch          reichend zugänglich ist. Zum anderen                                  203 ff.

                                                      https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-4-25
26        G+S      4/2012                     Generiert durch IP '46.4.80.155', am 02.12.2021, 12:37:26.
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THEMA

obliegt dem Bund die Zuständigkeit für      Bedarf ist also das, was „ist“, nicht                          2 SGB V kraft Gesetzes zur Versorgung
die wirtschaftliche Sicherung der Kran- das, was „sein soll“. Es ist nicht Aufga-                          gesetzlich Versicherter zugelassen sind,
kenhäuser und die Regelung der Kran- be der Krankenhausplanung, Fallzahl-                                  vermeidet.“
kenhauspflegesätze. Da Krankenhaus- steigerungen zu verhindern. Für jede                                      Auch der Sachverständigenrat zur
planung nicht erwähnt wird, ergibt sich Krankenhauseinweisung muss nach §                                  Begutachtung der Entwicklung im Ge-
im Umkehrschluss die Zuständigkeit der 39 SGB V der behandelnde Arzt beur-                                 sundheitswesen8 spricht dafür aus, von
Länder für die Krankenhausplanung.4      teilen, ob sie notwendig ist oder nicht.                          der Angebotsplanung zu einem Ange-
   Die Aufgabe der Krankenhauspla- Ob dies begründet ist oder nicht, kann                                  botsmonitoring überzugehen. Dabei
nung ist die „bedarfsgerechte Versor- von der Krankenhausplanungsbehörde                                   solle man Unterversorgung vermeiden;
gung der Bevölkerung mit Kranken- überhaupt nicht beurteilt werden. Dazu                                   ein Überangebot könne toleriert werden,
hausleistungen“, das ergibt sich aus § ist der Medizinische Dienst der Kran-                               wenn Investitionsanteile in den DRGs
1 Abs. 1 i.V. mit § 6 Abs. 1 des Kran- kenkassen da, von dem wohl niemand                                  enthalten seien. Krankenkassen und
kenhausfinanzierungsgesetzes (KHG). behaupten würde, er nehme seine Prüf-                                  Ärztekammern müssten einer angebot-
Zur Verwirklichung dieser Ziele haben tätigkeit unzureichend wahr, speziell bei                            sinduzierten Nachfrage entgegenwirken.
die Länder nach § 6 Abs. 1 Kranken- der Frage der primären Fehlbelegung. Es                                   Krankenhausplanung wird sich im-
hauspläne aufzustellen. Die Aufnahme wird keinesfalls verkannt, dass es eine                               mer mit der Frage befassen müssen, wie
in den Krankenhausplan ist eine Kon- Vielzahl von unnötigen Operationen                                    viel Regulierung sein muss und wie viel
zession und berechtigt zur Abrechnung gibt. Die jüngsten Veröffentlichungen                                Freiheit für die Akteure bleibt. Der Staat
mit den gesetzlichen Krankenkassen, des RWI hierzu sind überzeugend. Im                                    hat die Grundlagen und die Spielregeln
wenn deren Patienten behandelt wur- Krankenhausratingreport 2012 wird                                      vorzugeben, sollte aber ansonsten un-
den, sie verschafft dem Krankenhaus zu Recht darauf hingewiesen, dass es                                   ternehmerische Freiheit belassen. Das
daneben einen Anspruch auf Förde- folgerichtig ist, wenn sich Marktteil-                                   ist deshalb zwingend, weil Regelungen
rung seiner notwendigen Investitionen nehmer entsprechend verhalten, um                                    in der Krankenhausplanung immer auch
gegen das Bundesland, in dessen                                                                            Eingriffe in die Berufsfreiheit der Be-
Krankenhausplan es aufgenom-                                                                               treiber sind. Schon die Nichtaufnahme
men ist (vgl. §§ 4, 8 Abs. 1 KHG).
                                     „Krankenhausplanung“                                                  eines Krankenhauses in den Kranken-
Doch was ist der „Bedarf“ einer      ist nicht „sexy“ und klingt                                           hausplan stellt einen schwerwiegenden
Bevölkerung? Ist er subjektiv                                                                              Eingriff in die Berufswahl dar, der nur
– vom einzelnen Bürger aus be-
                                     nach kommunistischer                                                  durch Gemeinwohlbelange von hoher
trachtet – oder objektiv – nach      Planwirtschaft.                                                       Bedeutung gerechtfertigt sein kann. Erst
festzusetzenden Kriterien zu                                                                               recht würde die – von den Krankenkas-
bemessen? Die Rechtsprechung hierzu ihre Erlöse zu optimieren. Dass ihnen                                  sen oft geforderte – Herausnahme eines
ist eindeutig: „Die Bedarfsanalyse ist freilich teilweise gar keine Wahl bleibt,                           Krankenhauses aus dem Krankenhaus-
die Beschreibung des zu versorgenden als Fallzahlen um jeden Preis zu steigern,                            plan vor Gericht nur mit allergrößten
Bedarfs der Bevölkerung an Kranken- wird weiter unten diskutiert. Es wird                                  Schwierigkeiten Bestand haben. Soweit
hausbetten. Dabei kann zwischen der auch nicht verkannt, dass die heute übli-                              ersichtlich haben schließlich auch Kran-
Beschreibung des gegenwärtigen Be- chen Leistungsanreize in Form variabler                                 kenkassen noch nie von der Möglichkeit
darfs und der Bedarfsprognose, also Vergütungsanteile für Chefärzte dazu                                   des § 110 SGB V Gebrauch gemacht,
der Beschreibung des voraussichtlich in herausfordern, auch dann zu operieren,                             den Versorgungsvertrag eines Plan-
der Zukunft zu erwartenden Bedarfs, wenn man dies bei sich selbst nicht tun                                krankenhauses zu kündigen. Das Land
unterschieden werden. In beiden Hin- würde. Jedoch ist es nicht Aufgabe der                                könnte dem nur widersprechen, wenn
sichten aber ist unter dem Bedarf der Krankenhausplanung, dies durch eine                                  das Krankenhaus für die Versorgung der
tatsächlich auftretende und zu versor- Angebotsverknappung zu verhindern.                                  Bevölkerung unverzichtbar ist, was in
gende Bedarf und nicht ein mit dem Das hieße, Unterversorgung in Kauf zu                                   Hessen für nicht einmal die Hälfte der
tatsächlichen nicht übereinstimmender nehmen, was gegen das Grundgesetz                                    Plankrankenhäuser gilt.
erwünschter Bedarf zu verstehen. Dem verstieße, weil es weder Art. 2 Abs. 2
Land ist nicht erlaubt, bei der Ermitt- GG noch dem Sozialstaatsprinzip ent-                               3. Krankenhausförderung
lung des zu versorgenden Bedarfs seiner spräche.
Bedarfsanalyse nicht den tatsächlichen      Das BVerwG hat in seinem Urteil                                Hier soll keineswegs behauptet werden,
Bedarf zugrunde zu legen, sondern da- vom 25.9.20087 denn auch folgendes                                   die Höhe der von den Ländern derzeit
von abweichende niedrigere Zahlen, und ausgeführt: „Aus § 8 Abs. 2 Satz 2                                  gezahlten Fördermittel sei ausreichend.
damit eine Minderversorgung in Kauf KHG lässt sich ein Verbot der Überver-                                 Das sind sie nicht. Die derzeit gezahlten
zu nehmen. Die Bedarfsanalyse als sol- sorgung mit Plankrankenhäusern nicht
che ist kein Planungsinstrument.“5 „Der entnehmen. Erst recht begründet die
                                                                                                            4 Dazu ausführlich Metzner 2011.
tatsächlich zu versorgende Bedarf ergibt Vorschrift kein subjektives Recht eines
                                                                                                            5 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
sich aus der Summe der Verordnungen Plankrankenhauses auf Einhaltung ei-                                      16.04.2002, 9 S 1586/01.
für Krankenhausbehandlung durch die nes solchen Verbots. Ein Krankenhaus                                    6 OVG Lüneburg, Urt. v. 15.12.1998 – 11 L
Ärzte und deren Anerkennung, also Ab- hat keinen Anspruch darauf, dass die                                    6860/98, MedR 2000, S. 93.
                                                                                                            7 BVerwG, Urt. V. 25.9.2008, 3 C 35.07, zit. n.
rechnung durch die jeweils zuständigen Planungsbehörde eine Überversorgung                                    juris, RdNr. 17.
Krankenkassen.“6                         mit Krankenhäusern, die nach § 108 Nr.                             8 SVR 2007, S. 303.

                                                      https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-4-25
                                              Generiert durch IP '46.4.80.155', am 02.12.2021, 12:37:26.
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THEMA

ca. 2,7 Mrd. Euro jährlich sind zu we-       programm gewährt hat. Kein Unterneh- werte dafür entsprechend stärker ge-
nig, notwendig wären 5–6 Mrd. Euro,          men kann auf Dauer am Markt bestehen, stiegen wären. Der Krankenhaus Rating
davon ausgehend, dass man alle deut-         wenn die Preise weniger stark steigen als Report 2012 liefert hierzu überzeugende
schen Kliniken alle 25 Jahre neu bauen       die Kosten. Genau diese Situation haben Berechnungen. Nötig sind intelligente
müsste (übliche Abschreibungszeit). Bei      wir aber im Krankenhausbereich. Die Lösungen für die Mengendynamik, die
einer Summe von ca. 200.000 Euro pro         Veränderungsrate, künftig der „Verän- Kollektivhaftung aller Krankenhäuser
Bett (ohne die nicht förderfähigen Auf-      derungswert“, der ab 2013 eine grotesk für hohe Fallzahlanstiege einzelner ge-
wendungen für Erschließung. Grund-           minimale Erhöhung Richtung Orientie- hört nicht dazu. Steigende Fallzahlen
stück, Instandhaltung und Ambulan-           rungswert möglich machen soll, bildet und Schweregradsteigerungen dürfen
zen) ergäbe sich bei 500.000 Betten ein      die Obergrenze für die Erhöhung des den Landesbasisfallwert nicht senken.
Betrag von 100 Mrd. Euro, also 4 Mrd.        Landesbasisfallwerts. Selbst diese wird Morbidität und Demographie müssen
Jährlich, dazu kämen die Auswendun-          aber nicht immer erreicht, denn steigen- bezahlt werden. Die Mengensteuerung
gen für die kurzfristigen Anlagegüter,       de Morbidität und steigende Fallzahlen muss daher auf Ebene des einzelnen
also im Wesentlichen Medizintechnik.         führen zu einer Absenkung des Landes- Krankenhauses erfolgen. Dort könnte
   In der Tat beruht ein Teil der wirt-      basisfallwerts. Gleichzeitig werden ver- man anhand der § 21-Daten mühelos
schaftlichen Schwierigkeiten vieler Kli-     einbarte Mehrleistungen nur zu 75 % feststellen, wodurch steigende Fallzah-
niken auch darauf, dass sie eigentlich       bezahlt, nicht vereinbarte nur zu 35%. len zustande kommen, und dies auch bei
förderfähige Investitionen aus Betriebs-     Insgesamt resultiert daraus eine Situa- einem prospektiven Budget berücksich-
mitteln bezahlen. Die Investitionsbe-        tion, die zutreffend mit „Hamsterrad- tigen. Leichte Elektiveingriffe könnten
wertungsrelationen nach § 10 KHG,            effekt“ bezeichnet wird. Ein Kranken- mit einem sehr hohen Mehrleistungsab-
die aktuell vom InEK kalkuliert werden,      haus verschlechtert seine
werden Licht ins Dunkel bringen, bein-       wirtschaftliche Situation,
halten sie ja nicht nur Investitionsrela­    wenn es im nächsten Jahr
                                                                              Der Staat hat die Grundlagen
tivgewichte, sondern werden mit echten       gleichbleibende Fallzahlen       und Spielregeln vorzugeben,
Zahlen unterlegt sein. Das bedeutet, dass    hat. Also versuchen fast
die investiven Relativgewichte, es auch      alle Krankenhäuser, Fall-
                                                                              sollte aber ansonsten
erlauben, einen „Bundes- oder Landes­        zahlsteigerungen um jeden        unternehmerische Freiheiten
basisinvestitionsfallwert“ zu ermitteln,     Preis zu erreichen, auch
aus dem dann die tatsächlich erforder-       wenn die Eingriffe nicht im-
                                                                              belassen.
lichen Mittel ersichtlich werden. Ob         mer notwendig wären. Sinn-
das angesichts der in Kürze greifenden       volle und notwendige Kooperationen schlag belegt werden, der mehrere Jahre
Schuldenbremsen in den Länderhaushal-        finden nicht statt, weil man den Kon- gültig sein sollte. Der GBA könnte einen
ten für eine Erhöhung der Fördermittel       kurrenten lieber die Patienten abwirbt, Katalog dieser Leistungen erstellen. So-
sorgt, bleibt abzuwarten. Im Übrigen         indem Konkurrenzangebote aufgebaut weit es Kriterien für die Ergebnisquali-
wird im Krankenhaus Rating Report            werden, statt alternative Schwerpunkte tät dieser Leistungen gibt, könnte man
2012 darauf hingewiesen, dass die Wirt-      zu bilden. Es spricht Bände, wenn das Mengensteigerungen auch nur noch dort
schaftlichkeit der Krankenhäuser nicht       InEK berichtet, dass fast die gesamtem zulassen, wo die Ergebnisqualität beson-
von der Höhe der erhaltenen Förder-          Fallzahlsteigerungen der letzten Jah- ders gut ist. Schließlich wäre das auch
mittel abhängt. Der Verfasser plädiert       re auf leichte orthopädische Eingriffe, ein Feld für Selektivverträge, gekoppelt
dafür, die Möglichkeiten des § 10 KHG        Gallenblasenoperationen, und elektive an Ergebnisqualität, sodass nicht die
zu nutzen und die Förderung auf Basis        Herzkatheteruntersuchungen zurückge- Billigsten zum Zuge kommen, sondern
der Investitionsbewertungsrelationen         hen. Das InEK arbeitet durch Splittung die Besten. Auch die im Rahmen des Ge-
zu pauschalieren. Hessen ist dazu ent-       bei diesen DRGs ja teilweise daran, die setzgebungsverfahrens zum PsychEntgG
schlossen und hat hierfür ein spezielles     Anreize zu mindern, leider werden die diskutierte Lösung, dass Krankenkassen
Konzept entwickelt.                          schon jetzt vorhanden Möglichkeiten ihren Versicherten anbieten könnten,
                                             des § 17b Abs. 1 Satz 11 KHG von der auf die Zuzahlung für den stationären
4. Betriebskostenfinanzierung                Selbstverwaltung nicht genutzt. Diese Aufenthalt (immerhin bis zu 280 Euro
                                             Vorschrift bestimmt, dass die Relativ- jährlich) zu verzichten, wenn der Ver-
Die Zahlen des Statistischen Bundesam-       gewichte für Leistungen, bei denen in sicherte ein von der Kasse vorgeschla-
tes belegen, dass die bereinigten Kosten     erhöhtem Maß wirtschaftlich begrün- genes Krankenhaus wählt, wäre eine
der Krankenhäuser für die stationären        dete Leistungssteigerungen eingetreten gute Möglichkeit, aber nur, wenn der
Leistungen seit Einführung des DRG-          oder zu erwarten sind, gezielt abgesenkt Vorschlag der Kasse auf nachprüfbaren
Systems deutlich stärker gestiegen sind      oder in Abhängigkeit von der Fallzahl Erkenntnissen zur Ergebnisqualität des
als die Ausgaben der Krankenkassen           bei diesen Leistungen gezielt vorgegeben Krankenhauses für die Leistung beru-
für die Krankenhäuser. Noch deutlich         werden können.                            hen muss.
geringer sind die Anstiege der Landes-          Man müsste insgesamt nicht mehr          Man sollte sich endlich davor hüten,
basisfallwerte in diesem Zeitraum. Und       Geld ausgeben, wenn die Fallzahlstei- jede Idee sofort mit einem „das geht
dies, obwohl im Jahr 2009 die Bundes-        gerungen der letzten Jahre bei den ver- nicht“ zu kontern, wie dies die DKG
gesetzgebung reagiert hat und u.a. einen     muteten morbiditätsbedingten ca. 1% oder auch manche Bundesländer re-
Tarifausgleich sowie das Pflegesonder-       geblieben wären, die Landesbasisfall- flexhaft tun. Dies gilt auch für die neue,

                                                     https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-4-25
28        G+S     4/2012                     Generiert durch IP '46.4.80.155', am 02.12.2021, 12:37:26.
                                      Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA

hochinteressante Idee eines „Zertifika-      schiedenen Ansätze aufzuzählen, wie ja                          gesetzlichen Auftrag, Verfahren und
tehandels“ von Leistungen. Bei elektiven     auch die Planungstiefe in den Ländern                           Methoden für eine einrichtungs- und
Eingriffen, etwa solchen, die in § 17b       ganz unterschiedlich ausgeprägt ist. Im                         möglichst sektorenübergreifende Ergeb-
Abs.1 Satz 11 KHG genannt sind, sollte       Wesentlichen werden in einzelnen Berei-                         nisqualität zu entwickeln. All dies lässt
man das intensiv diskutieren, statt gleich   chen qualitative Vorgaben für Struktur-                         die Patienten ratlos zurück. Wer sich be-
mit Kennermiene zu erläutern, warum es       und Prozessqualitätsaspekte gemacht.                            müht, in dem Wust an Informationen
nicht funktionieren kann.                       Die subjektiven Erwartungen der Pa-                          einen roten Faden, eine nachvollziehbare
   Die Bundesländer beschäftigen sich        tienten müssen im Rahmen der Kran-                              Entscheidungsgrundlage für etwa eine
derzeit in einer Arbeitsgruppe mit der       kenhausplanung berücksichtigt werden,                           geplante Operation zu erhalten, wird
Thematik. Freilich wird man nun ab-          müssen aber gegen andere Ziele abge-                            am Ende der Empfehlung seines Arztes
zuwarten haben, welche Ergebnisse das        wogen werden. Dies gilt besonders,                              vertrauen oder dort hingehen, wo die
im Rahmen des PsychEntgG nun zum             wenn sich Erwartungen gegenseitig                               Familie schon immer hingegangen ist.
Thema Vergütungssystem/Mengenpro-            widersprechen. Wer gesund ist, hart
blematik/Qualität vorgesehene Gutach-        andere Erwartungen als der akut oder                            6. Künftige Rolle der
ten, das die Selbstverwaltung in Auftrag     chronisch Kranke. Wer Geburtshilfen                             Krankenhausplanung
geben muss, erbringen wird. Man darf         oder gar Kinderkliniken wohnortnah
hierauf sehr gespannt sein.                  an jeder Ecke fordert, muss akzeptie-                           Was bedeuten die geschilderten Rah-
                                             ren, dass diese regelmäßig weder qua-                           menbedingungen für die Kranken-
5. Qualität                                  litativ hochwertig sein können noch                             hausplanung? Wie kann ein Konzept
                                             wirtschaftlich arbeiten können. Qualität                        für die Zukunft aussehen, woran soll
Wie soll und kann nun die Qualität in        spielt in vielerlei Hinsicht eine Rolle. Es                     sich Krankenhausplanung orientieren?
der Krankenhausplanung berücksich-           gibt die umfangreichen Vorgaben des                             Michael Porter, der Guru der Betriebs-
tigt werden? Das führt zunächst zu der       Gemeinsamen Bundesausschusses in                                wirtschaftslehre aus Harvard, be-
Frage, was die Qualität in der Kranken-      Form von Richtlinien, es gibt dabei die                         schäftigt sich seit einigen Jahren auch
hausbehandlung eigentlich ausmacht.          – momentan ausgesetzten – Mindest-                              mit Gesundheitssystemen und hat die
Worauf kommt es an, um Qualität be-          mengen, es gibt Vorgaben zur einrich-                           einfache, aber dadurch auch geniale
urteilen zu können? Die alte Erkenntnis      tungsübergreifenden Qualitätssicherung                          Antwort: am „Value“ d.h. „Wert“ oder
aus dem Marketing "Qualität ist wenn         mit dem „strukturierten Dialog“, es gibt                        „Nutzen“ für den Patienten. Was das ist,
der Kunde zurückkommt und nicht die          Qualitätsanforderungen in den OPS,                              ist freilich immer noch so unscharf wie
Ware" gilt auch im Krankenhaus, wenn-        es gibt Leitlinien der medizinischen                            die Betonung von „flächendeckender“
gleich nicht wörtlich. Wer rückblickend      Fachgesellschaften und unterschiedli-                           Versorgung. Krankenhausplanung, die
diese Klinik wieder wählen würde, weil       che Anforderungen diverser Zertifizie-                          sich am Nutzen für den Patienten ori-
die Erwartungen erfüllt wurden, die          rungsverfahren. Krankenhäuser müssen                            entieren will, muss differenzieren und
man hatte, wird dieses Krankenhaus           mittlerweile jährlich Qualitätsberichte                         Schwerpunkte setzen.
weiterempfehlen und wieder wählen.           veröffentlichen und dort zunehmend
Die Erwartungen sind allerdings so ver-      auch „harte“ Fakten veröffentlichen. Im
                                                                                 6.1 Notfallversorgung
schieden wie die Menschen, die sie ha-       strukturierten Dialog müssen Kranken-
ben: bei identischer Diagnose wird der       häuser sich rechtfertigen, wenn sie auf-
                                                                                 Wer einen schweren Unfall, einen Herz-
eine Patient von einer Knieendoprothese      fällige Ergebnisse haben. Es existieren
                                                                                 infarkt oder Schlaganfall erleidet und
erwarten, wieder schmerzfrei gehen zu        eine Reihe von Initiativen, vorwiegend
                                                                                 in Lebensgefahr ist, genießt einen be-
können, der nächste, wieder Tennistur-       getrieben von privaten Klinikketten, wie
                                                                                 sonderen Schutz des Staates aus Art.
niere spielen zu können. Von den                                                      2 Abs. 2 GG. Hier muss die ge-
Erwartungen hängt die subjekti-                                                       samte Rettungskette greifen, die
ve "Qualität" des Ergebnisses der
                                        Fast alle Krankenhäuser                       Rettungsdienst und Krankenh-
Krankenhausbehandlung ab, hängt         versuchen Fallzahlsteigerungen ausversorgung umfasst. Für den
allerdings auch ab, ob man sich                                                       Nutzen des Patienten ist es gleich,
überhaupt zu einer Operation ent-
                                        zu erreichen, auch wenn                       wie das organisiert wird. Er muss
schließt oder nicht. Ob und inwie-      Eingriffe nicht immer                         lediglich innerhalb einer Stunde
fern die Notwendigkeit einer Kran-                                                    nach Alarmierung in einem ge-
kenhausbehandlung überhaupt von
                                        notwendig sind.                               eigneten Krankenhaus sein, muss
den persönlichen Erwartungen der                                                      dort in der erforderlichen Art und
Patienten abhängig gemacht werden darf QSR (Helios, AOK), Qualitätskliniken. Zeit (etwa „door to needle“) weiterbe-
und ob es Aufgabe der GKV ist, diese de (Asklepios, Rhön, Sana), und diverse handelt werden. Um das zu erreichen,
Erwartungen zu finanzieren, ist eine an- Veröffentlichungen im Internet oder in sind in Hessen in den letzten Jahren eine
dere Frage, die nicht Gegenstand dieses Magazinen (Fokus). Allen gemeinsam Vielzahl von Aktivitäten unternommen
Aufsatzes ist. Die bisherige Berücksich- ist, dass sie (auch) die Ergebnisse der worden, auch durch klare und mitein-
tigung von Qualitätsaspekten erfolgt in stationären Versorgung transparent ander abgestimmte gesetzliche Vorga-
der Krankenhausplanung der einzelnen und messbar machen wollen. AQUA ben im Rettungsdienst- und Kranken-
Bundesländer höchst unterschiedlich: es als vom Gemeinsamen Bundesausschuss hausgesetz, durch die Unterstützung
würde den Rahmen sprengen, die ver- beauftragtes Institut hat schließlich den von Netzwerken wie dem bundeswei-

                                                        https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-4-25
                                                Generiert durch IP '46.4.80.155', am 02.12.2021, 12:37:26.
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THEMA

ten Traumanetzwerk oder regionalen          6.3 Planbare Leistungen                                         Federn gelassen, daher will keine Kasse
Schlaganfall- und Herzinfarkinitiativen,                                                                    mehr ein solches Risiko eingehen. Na-
zuletzt durch die Verpflichtung, einen   Planbare Leistungen, hierzu gehören                                türlich ist die Kritik der Kassen am fau-
hessenweit einheitlichen webbasierten    auch Geburten, muss es nicht an je-                                len Kompromiss Gesundheitsfonds ver-
Versorgungskapazitätsnachweis einzu-     der Ecke geben. Im Hessischen Kran-                                ständlich, natürlich braucht eine Kasse
führen, durch den in Frankfurt bereits   kenhausgesetz 2011 wird die beson-                                 Beitragssatzautonomie. Dennoch ist es
jegliche Notzuweisung der Vergangen-     dere Rolle der Notfallversorgung, der                              schade, dass nicht mehr Kassen erken-
heit angehört.                           Intensivmedizin und der chronischen                                nen, dass sie einen Wettbewerbsvorteil
                                         Erkrankungen betont. Es wird aber                                  erzielen könnten, wenn sie sich ernsthaft
6.2 Chronische Krankheiten               auch definiert, dass planbare Leistun-                             bemühten, ihren Kunden den maxima-
                                         gen „zeitnah“ innerhalb des jeweiligen                             len Nutzen zu verschaffen, indem ihnen
Chronische und altersbedingte Erkran- Versorgungsgebiets (insgesamt sechs in                                wirkliche Versorgungsverbesserungen
kungen schränken die Lebensqualität Hessen) zur Verfügung stehen sollen.                                    angeboten werden. Der bereits erwähn-
der betroffenen Menschen stark ein und Es ist also gesundheitspolitischer Wille,                            te in Hanau abgeschlossene Vertrag hat
verbrauchen einen Großteil der Ressour- dass Patienten dafür längere Wege in                                zusätzlich den besonderen Charme, dass
cen des Gesundheitssystems. Die betrof- Kauf nehmen, wenn dafür die Quali-                                  gleich zwei große Kassen gemeinsam
fenen Menschen haben nur dann wirk- tät stimmt. Planung muss Wege finden,                                   beteiligt sind. Auch die Ankündigung
lichen „Nutzen“, wenn die Behandlung Zentralisierungen und Spezialisierungen                                der AOK, i.V.-Verträge an Qualitäts-
„um sie herum“ organisiert wird, wenn zu stärken. Das geht nicht, indem ein-                                ergebnisse aus Routinedaten koppeln
mittels Case Management interdiszipli- zelnen Kliniken vorgeschrieben wird,                                 zu wollen, gibt Anlass zu vorsichtigem
                                                     welche einzelnen Facharzt-                             Optimismus.
     Die subjektiven Erwartungen                     kompetenzen sie betreiben
                                                     dürfen. Vielmehr müssen                                6.5 Berücksichtigung von
     der Patienten müssen bei                        alle Versuche unternommen                              Qualitätsaspekten
     der Krankenhausplanung                          werden, größere Einheiten
                                                     zu schaffen, um Spezialisie-                           Unter 5. wurde dargelegt, wie viele
     berücksichtigt, aber gegen                      rung und Wirtschaftlichkeit                            unterschiedliche Qualitätsvorgaben
     andere Ziele abgewogen                          zu fördern. Stichworte sind                            es bereits gibt. Die Vorgaben des Ge-
                                                     Konzernbildung, Fusionen,                              meinsamen Bundesausschusses gelten
     werden.                                         Standortzusammenlegun-                                 bundesweit, das ist begrüßenswert.
                                                     gen, teil auch mit Schlie-                             Allerdings greifen die Richtlinien zum
när, intersektoral und abgestimmt be- ßungen. Aus diesem Grund (und um                                      Teil sehr stark in die Krankenhauspla-
handelt wird. Hier spielen Netzwerke die Zukunft der kommunalen Träger,                                     nung ein. Daher sollte den Ländern
eine wichtige Rolle. Mit der Neufassung die den Sicherstellungsauftrag inneha-                              zumindest ein Sitz ohne Stimme im
des Hessischen Krankenhausgesetzes ben, zu stärken), wird in Hessen derzeit                                 Ausschuss für Qualitätssicherung zuer-
werden solche Netzwerke gefordert, es im Auftrag des hessischen Gesundheits-                                kannt werden, wie es die Gesundheits-
kann jetzt erstmalig auch ein Versor- ministers Stefan Grüttner ein Konzept                                 ministerkonferenz jüngst gefordert hat.
gungsauftrag als besondere Aufgabe entwickelt, um die kommunalen Kli-                                       Hierüber kann es eigentlich keine zwei
an ein gemeinsam agierendes Netzwerk niken in Hessen in Holdingstrukturen                                   Meinungen geben. Ergänzende quali-
vergeben werden. Für diese Erkrankun- einzubinden.                                                          tätssichernde Regelungen der Länder
gen machen auch besondere Länderkon-                                                                        sind da sinnvoll, wo die Vorgaben des
zepte Sinn, wenn die bundesrechtlichen 6.4 Integrierte Versorgung (i.V.)                                    Gemeinsamen Bundesausschusses nicht
Vorgaben nicht ausreichen. Als Beispiel                                                                     vorhanden sind oder nicht weit genug
sei das Hessische Onkologiekonzept ge- Sie bietet ideale Möglichkeiten, um bei                              gehen. So hat Hessen eine Struktur-
nannt, das derzeit umgesetzt wird. Hier- chronischen Erkrankungen eine patien-                              mindestmenge von 35–50 Geburten
bei sind alle Krankenhäuser einer Regi- tenorientierte, qualitätsgesicherte und                             unter 1500g für die Neonatologie Le-
on verpflichtet, bei Krebserkrankungen wirtschaftliche Versorgung zu organi-                                vel 1 vorgegeben, um ein „Hochrüsten“
zu kooperieren. Die Koordination über- sieren. Leider ist die Geschichte der i.V.                           aus Marketinggründen zu verhindern.
nehmen insgesamt acht Krankenhäuser ein Trauerspiel, von wenigen positiven                                  Wer unter dieser Menge bleibt, hat die
in den sechs Versorgungsgebieten. Die Ausnahmen wie dem in diesem Heft                                      Möglichkeit, eine besondere Qualität
niedergelassenen Spezialpraxen sind beschriebenen Vertrag zur Behandlung                                    anhand der hessischen Neonatologie-
(hier werden die künftigen Vorgaben des psychischer Erkrankungen in Hanau ab-                               studie nachzuweisen. Im Hessischen
§ 116b ohnehin greifen) einzubinden. gesehen. Die Krankenkassen nutzen die                                  Krankenhausgesetz ist in § 19 Abs. 2
Alle Patienten sollen in abgestimmte und Möglichkeiten der i.V. praktisch nie, es                           nun geregelt, dass bei den krankenhaus-
qualitätsgesicherte Behandlungsverläufe geht bei fast allen bekannten Verträgen                             planerischen Entscheidungen auch die in
eingebunden werden. Ob das die Quali- nur um Preisdumping. Das liegt offen-                                 den §§ 135 bis 139 c SGB V entwickelten
tät tatsächlich verbessert, wird man in sichtlich, man erkennt es auch an den                               Indikatoren zur Ergebnisqualität zu be-
den nächsten Jahren überprüfen kön- Diskussionen um das Krankenhausent-                                     rücksichtigen sind. In der Begründung
nen, wenn die klinischen Krebsregister geltsystem, an der panischen Angst vor                               dazu heißt es: „Der Hinweis auf die
deutschlandweit eingeführt sind.         Zusatzbeiträgen. Die DAK hat genug                                 Berücksichtigung von Qualitätsindi-

                                                    https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-4-25
30        G+S     4/2012                    Generiert durch IP '46.4.80.155', am 02.12.2021, 12:37:26.
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THEMA

katoren in Abs. 1 macht deutlich, dass     erstellt, die Anhaltspunkte für Struk-                          7. Schlussbemerkung
die Qualität der erbrachten Ergebnisse     turdefizite oder Schnittstellenprobleme
künftig bei den Einzelentscheidungen       liefern können. Wann es auch soweit ist,                        Die Krankenhausplanung hat sich als
des Krankenhausplans eine bedeutende       krankenhausplanerische Entscheidun-                             Instrument bewährt, um die bedarfsge-
Rolle spielen wird. Allerdings steht die   gen auf der Basis von Ergebnisqualität                          rechte Versorgung der Bevölkerung mit
Entwicklung gerichtsfester Ergebnis-       zu treffen, bleibt abzuwarten.                                  Krankenhausleistungen zu sichern. Da-
qualitätsindikatoren erst am Anfang.                                                                       mit Gesundheitspolitik sich wirklich am
Hier wird man auch die Ergebnisse des      6.6 Sektorenübergreifende                                       Nutzen der Patienten orientiert, muss
Instituts nach § 137a SGB V abwarten       Versorgungsplanung                                              auch die Planung Qualitätsaspekte be-
müssen.“ Das macht deutlich, dass es                                                                       rücksichtigen und Transparenz fördern.
Hessen ernst meint. Die Ergebnisqua-        Über sektorenübergreifende Versor-                             Dies wird nur gemeinschaftlich mit den
lität als entscheidender Outcomefaktor      gungsplanung zu reden, ist „in“. Man                           Partnern auf der Selbstverwaltungsebe-
muss künftig berücksichtigt werden, bei     sollte freilich die durch Grundgesetz                          ne gelingen.                         n
nachgewiesen schlechter Qualität muss       oder SGB V vorgegebenen Zuständig-
auch eine Kündigung des Versorgungs-        keitsregelungen für die Sicherstellung
                                                      der stationären und ambu-
     Echte sektorübergreifende                        lanten Versorgung nicht au-
                                                      ßeracht lassen. Echte sekto-
     Entscheidungsbefugnisse                          renübergreifende Entschei-
     wird es auf absehbare Zeit                       dungsbefugnisse wird es auf
                                                      absehbare Zeit nicht geben.
     nicht geben.                                     Dass der frühere Vorsitzende
                                                      des Gemeinsamen Bundesaus-
auftrags möglich sein. Allerdings muss schusses, Dr. Hess, im Oktober bei einer
das vor Gericht auch Bestand haben. Es Veranstaltung von Oberender & Partner
sind aber heute schon in einzelnen Fäl- einen Vortrag halten wird mit dem Titel:
len Restriktionen denkbar, wenn etwa „Herausforderungen und Möglichkeiten
ersichtlich wird, dass Krankenhäuser der Versorgungsplanung als neue Aufga-
Patienten mit Oberschenkelhalsbruch be für den GBA“, verwundert.                                                  Literatur
nicht mehr innerhalb der vorgesehenen          Es macht aber viel Sinn, Gremien                              Augurzky, Dr. B., Krankenhaus Rating Report
höchstens 48 Stunden operieren, weil zu schaffen, die das Ziel haben, einen                                  2012, medhochzwei 2012
am Wochenende kein Operateur da ist. breiten Konsens zu erzielen, dem sich                                   Beivers, A., Ländliche Krankenhausversor-
Solche Häuser dürfen vom Rettungs- die eigentlichen Entscheider nicht ent-                                   gung in Deutschland: Eine gesundheitsöko-
dienst bei dieser Indikation nicht mehr ziehen können. So wurden in Hessen,                                  nomische Analyse; Peter Lang-Verlag, 2010
angefahren werden, weil sie nicht „ge- ähnlich auch in anderen Bundeslän-                                    Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie,
                                                                                                             Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung,
eignet“ sind. In letzter Zeit muss sich die dern, regionale Gesundheitskonferen-                             2., erweiterte Auflage, Thieme 2012
Krankenhausplanung damit beschäfti- zen gebildet, die durch das Hessische                                    Hessisches Sozialministerium, Hessischer
gen, dass immer mehr Kardiologen ka- Krankenhausgesetz die Aufgabe haben                                     Krankenhausrahmenplan 2009, Allgemei-
thetergestützte Herzklappenimplanta- die regionalen Versorgungsstrukturen                                    ner Teil, download unter: „hsm.hessen.de/
tionen durchführen wollen, ohne dass zu beobachten und mit den an der Ge-                                    Gesundheit/Krankenhauswesen“
die Klinik einen Versorgungsauftag für sundheitsversorgung Beteiligten einen                                 Deutsche Krankenhausgesellschaft,
                                                                                                             Bestandsaufnahme zur Krankenhauspla-
Herzchirurgie hat. Gerade in diesem intensiven Dialog zu führen. Insbeson-
                                                                                                             nung und Investitionsfinanzierung in den
Bereich ist aber die enge Zusammenar- dere soll sie drohende Unterversorgung                                 Bundesländern, download unter: „dkgev.
beit beider Fachrichtungen (gemeinsame erkennen, Qualitätsdefizite aufdecken,                                de/Geschäftsbereiche/Finanzierung und
Indikationsstellung, gemeinsame Infra- Vorschläge zur Optimierung der Versor-                                Planung“
struktur) für die Patientensicherheit not- gung machen, die Bildung von Koope-                               Kolb, Dr. T., Morbiditätsorientierte Kran-
wendig, wie es auf einem Workshop bei rationen und Versorgungsnetzwerken                                     kenhausplanung am Beispiel des Landes
                                                                                                             Hessen, Shaker-Verlag, 2008
der Qualitätskonferenz von AQUA im zu unterstützen und zu moderieren und
                                                                                                             Metzner, J., Einfluss auf die Krankenhaus-
Mai 2012 von Experten beider Fachrich- dem Sozialministerium jährlich über die                               planung, in: Rau, Roeder, Hensen (Hrsg.),
tungen bestätigt wurde. Es ist daher ein Entwicklung der regionalen Versorgung                               Auswirkungen der DRG-Einführung in
herzchirurgischer und kardiologischer berichten. Auf der Landesebene wird in                                 Deutschland, Standortbestimmungen und
Versorgungsauftrag erforderlich, um Hessen ab 2013 das in § 90a SGB V                                        Perspektiven, Kohlhammer-Verlag 2009,
                                                                                                             Seiten 391-402
diesen Eingriff durchzuführen.              vorgesehene sektorenübergreifende Lan-
                                                                                                             Metzner, J., Krankenhausplanung; aktueller
    Zurzeit steht das Hessische Kranken- desgremium gebildet, das vergleichbare
                                                                                                             Stand und zukünftige Entwicklungen, in:
hausreferat in Verhandlungen mit der Aufgaben hat. So könnte zukünftig eine                                  Doelfs, Goldschmidt, Greulich, Preusker, Rau,
Landesgeschäftsstelle für Qualitätssi- abgestufte und abgestimmte Kommu-                                     Schmid (Hrsg.), Management Handbuch
cherung und deren Beirat, um Auswer- nikationsstruktur zur Förderung inter-                                  DRGplus, medhochzwei 2011
tungen der einrichtungsübergreifenden disziplinärer Strukturen entstehen, die                                Porter, M, Guth, C., Chancen für das deut-
Qualitätssicherung zu erhalten. Aktu- auch ähnliche Gremien auf Landkreise-                                  sche Gesundheitssystem, Springer Gabler
                                                                                                             2012
ell wurde eine Liste mit 23 Indikatoren bene einbezieht.

                                                      https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-4-25
                                              Generiert durch IP '46.4.80.155', am 02.12.2021, 12:37:26.
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