Krise ist für Business Schools ein "Super-Katalysator"
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personal- und organisationsentwicklung Krise ist für Business Schools ein „Super-Katalysator“ EXECUTIVE EDUCATION. Die Corona-Krise hat auch die Business Schools vor enorme Herausforderungen gestellt. Mit kostenlosen Webinaren und der Umstellung auf Onlineunterricht gelang es ihnen, ihre Kunden zu halten oder sogar neue dazuzugewinnen. Inzwischen gibt es wieder die ersten Präsenzseminare, aber die reinen Onlineprogramme werden künftig wohl ihren festen Platz im Portfolio haben. „Wir reden seit Langem über Agilität, telt, aber für den persönlichen Austausch asynchrone Angebote genutzt“, erklärt jetzt haben wir sie live erlebt und müssen gibt es weiter Präsenzphasen. Andere Hungenberg. Beim synchronen (Live-) weiter mit der Unsicherheit leben“, be- verschieben ihre Weiterbildungsangebote Unterricht nützten zwei Drittel der Kun- schreibt Claudia Peus, Professorin für For- ins nächste Frühjahr, sei es aus Sicher- den Zoom, aber auch zusätzlich noch an- schungs- und Wissenschaftsmanagement heitsgründen oder weil sie ihre Führungs- dere Formate. an der Technischen Universität München kräfte im Herbst dringend im Unterneh- (TUM) die Situation. Business Schools men brauchen. „Business Schools müssen wurden durch die Corona-Krise vor völlig Dank ihrer eigenen Lernplattform „In- sehr flexibel sein“ neue Herausforderungen gestellt. sendi“ war die ESMT eigentlich gut gerüs- Das gilt vor allem im Bereich „Execu- tet für die Umstellung auf Onlinekurse. Manche Kunden hätten auch ihre eigene tive Education“ – also die offenen oder Sie wurde jedoch nur beschränkt für Plattform. „Als Business School müssen firmeninternen Seminare, die viele Uni- Executive-Education-Programme einge- wir da sehr flexibel sein“, so Hungenberg. versitäten neben den klassischen MBA- setzt. „Die Plattform wird vor allem für Als Zusatzangebot bot die ESMT ihren Ausbildungen auch noch anbieten. Dabei gelang es den meisten Hochschulen zwar, die Angebote relativ schnell auf Online- unterricht umzustellen, aber es gab na- türlich auch Stornierungen, vor allem bei den firmeninternen Programmen. Ein Drittel wurde auf „online“ umgestellt „Was das Gesamtvolumen der offenen und firmeninternen Programme angeht, wurde rund ein Drittel auf online umge- stellt, etwa 60 Prozent wurden verscho- ben und ein kleiner Teil gestrichen“, er- klärt Professor Harald Hungenberg, Dean of Executive Education an der ESMT in Berlin. Die 2002 von 25 Unternehmen und Verbänden gegründete Business School ist der größte deutsche Anbieter von Executive Education. Bei den Unter- nehmen erlebe man verschiedene Reakti- onen: Manche sagen, sie müssten sparen und ihre Weiterbildung effizienter durch- führen und steigen daher auf Blended- Learning-Programme um. Dann werden bestimmte inhaltliche Teile online vermit- 28 wirtschaft + weiterbildung 09_2020
Kunden eine Serie von zehn Onlinesessi- ruhigen Raum in ihrem Homeoffice hat- Neu angeboten wird das Zertifikatspro- ons mit Vortrag und Frage- und Diskussi- ten, wurde sogar ein spezielles Raumnut- gramm „BIM Professional“. BIM steht onsmöglichkeiten zum Thema „Leading zungskonzept erarbeitet, damit sie TUM- für Building Information Modeling, eine through the Crisis“ mit ESMT-Professoren Räume nutzen und an digitalen Unter- innovative Methode zum Planen, Bauen und Coachs an. Sie umfassen zwei As- richtsformaten teilnehmen konnten. Für und Bewirtschaften von Bauwerken, die pekte: das Geschäft aufrechtzuerhalten Firmenkunden und Teilnehmer an den auf einem digitalen semantischen 3D- und sich für die Zukunft vorzubereiten. Zertifikatsprogrammen gab es ein zusätz- Modell basiert. Das Programm besteht Wer alle zehn Module durchläuft und liches „Wissenspaket“ mit wissenschaft- aus drei mehrtägigen Modulen und rich- einen Onlinetest erfolgreich absolviert, lich fundierten Handlungsempfehlungen tet sich an Ingenieure, Architekten, Füh- erhält das Zertifikat: „Leading through für die Arbeit in virtuellen Teams. Anbie- rungskräfte und Projektleiter. Es wurde the Crisis“. Die Onlinesessions wurden ter von Weiterbildung seien künftig noch in Zusammenarbeit mit dem Leonhard zunächst nur den Unternehmenspartnern stärker gefordert, sehr schnell kundenori- Obermeyer Center der Technischen Uni- und ehemaligen Teilnehmern der Pro- entierte Produkte zu kreieren, so Peus. Im versität München entwickelt und wird gramme angeboten, inzwischen stehen Trend lägen dabei kurze und fächerüber- in Zusammenarbeit mit Hochtief Vicon, sie auch auf der Website. greifende Themen und neue Formate. Bei einem der führenden deutschen Unter- Auch bei der TUM School of Manage- den Reaktionen der Unternehmen sehe nehmen für digitales Planen und Bauen, ment, der Business School der Tech- man eine Mischung. „Manche setzen der Ruhr-Universität Bochum sowie der nischen Universität München (TUM), alles auf null“, so die TUM-Professorin. Bayerischen Architektenkammer veran- mussten die Programme quasi über Andererseits habe man viele Anfragen zu staltet. Nacht auf online umgestellt und die tech- digital Leadership und virtueller Führung. „Digital Twins für Städte“ heißt ein wei- nische Infrastruktur aufgerüstet werden. teres neues Zertifikatsprogramm, bei Gerade für die Teilnehmer am Executive Virtuelle Kaminabende dem sich interdisziplinäre Lösungen zu MBA habe man daraufhin die Kommuni- funktionieren gut einem virtuellen Stadtmodell – dem digi- kation intensiviert und „Care-Pakete“ mit talen Zwilling – vereinen, der als Basis für virtueller Weinprobe und virtuellen Ka- Wie alle Anbieter muss sich auch die Entscheidungen in Hinblick auf Nachhal- minabenden geschnürt. „Die Teilnehmer TUM School of Management den jeweils tigkeit, Sicherheit und Lebensqualität in haben es sehr geschätzt, dass wir uns geltenden Corona-Bestimmungen anpas- der bebauten Umwelt dient. „Gerade Pro- Gedanken gemacht haben“, so TUM-Pro- sen. „Nachdem wir unsere Programme gramme an der Schnittstelle zur Techno- fessorin Peus. Für Teilnehmer, die keinen erst radikal virtualisiert haben, bieten logie werden immer gefragter“, beobach- wir nun für Gruppen bis zu 30 Personen tet Professorin Peus. Dazu gehöre zum hybride Lehr- und Lernformate an, die Beispiel die Kombination von Manage- sowohl eine virtuelle als auch eine Teil- ment mit Bioengineering und Biotechno- nahme im Klassenzimmer ermöglichen“, logie, additiver Fertigung und natürlich erklärt Peus, die auch Senior Vice Presi- auch mit Data Science. „Die wichtigsten dent for Talent Management and Diver- Themen werden von der Technologie und sity der TUM ist. Langfristig werde es den Naturwissenschaften getrieben und auch auf der Top-Ebene eine Mischung hier gibt es auch die größten Innovatio- von Präsenz- und Onlineelementen nen“, so die Professorin. Anbieter, die es geben. „Die Erfahrungen werden dem schaffen, nicht nur Managementthemen, Onlineunterricht sicher einen deutlichen sondern auch das Technologiethema Schub nach vorn bringen“, glaubt die glaubhaft zu transportieren, würden TUM-Professorin. Schließlich habe jeder daher in Zukunft gut fahren. durch die Corona-Krise gezwungenerma- ßen Erfahrungen mit der Online-Kommu- Individueller Entwicklungspfad nikation gemacht. „Wir wissen jetzt bes- für Teilnehmer erarbeitet ser, was online gut funktioniert und das ist mehr, als man bisher dachte“, so die ESMT-Professor Hungenberg sieht einen Psychologin. Das betreffe auch das Net- Trend bei der zunehmenden Individuali- working. Bei den virtuellen Kaminaben- sierung des Lernens, bei dem man sich den sei es sogar einfacher gewesen, hoch- die Lernhistorie und die Arbeitsplatzan- karätige Sprecher zu gewinnen. Sehr gut forderungen des Teilnehmers anschaut angekommen sei auch die Serie „TUM ex und überlegt, wie er sich am besten wei- Summer Sundays“, bei der hochkarätige terentwickeln kann. „Das ist ein zusätz- Referenten wie ein Ex-General und Kom- licher Mehrwert, den wir als Business mandeur in Afghanistan über „Leader- School bieten“, so Hungenberg. „Wir ship in der Krise“ erzählten. setzen uns mit dem Teilnehmer hin und R wirtschaft + weiterbildung 09_2020 29
personal- und organisationsentwicklung R erarbeiten gemeinsam einen individu- Geschäftsführer mittelständischer Un- ellen Entwicklungspfad.“ Vor allem im ternehmen mit zwei zweieinhalbtägigen Mittelstand sei das ein gefragtes Angebot. Präsenzmodulen. Wichtiger werde auch der Impact, also Auch bei der WHU – Otto Beisheim die Wirksamkeit von Weiterbildung. „Wir School of Management führte die Corona- müssen künftig sehr gut argumentieren, Krise zu einem deutlichen Onlineschub. warum sich unser Angebot in einer bes- Als erste der führenden Business Schools seren Leistung niederschlägt“, so der Pro- in Deutschland bot die WHU Onlinefor- Foto: TUM fessor. Hier arbeite die ESMT an neuen mate mit Workshop-Charakter in der Ma- Konzepten, um Wirksamkeit besser be- nagementweiterbildung an. Gestartet sei urteilen zu können. Näheres dazu will er man mit mehreren kleinen, synchronen Claudia Peus. Sie ist Professorin für For- aber noch nicht verraten. Formaten mit zweimal vier Stunden oder schungs- und Wissenschaftsmanagement Für eine Prognose zur weiteren Entwick- dreimal vier Stunden über zwei bis drei an der Technischen Universität München. lung sei es noch zu früh. „Durch die er- Wochen, erklärt Rebecca Winkelmann, zwungene Erfahrung wurde die Tendenz Geschäftsführerin für Executive Educa- zum Onlinelernen auf jeden Fall be- tion bei der WHU. „Wir wollten damit Auch künftig werde es rein digitale Pro- schleunigt“, glaubt der ESMT-Professor. erst einmal Erfahrung sammeln.“ gramme geben. „Die Akzeptanz ist jetzt Vor allem die intelligente Kombination In der nächsten Stufe ist eine Erweiterung da und es gibt einen Markt dafür“, erklärt von Online- und Präsenzphasen werde auf fünf bis sechs Wochen vorgesehen. die Leiterin der Executive-Education-Pro- dabei zunehmen. Präsenzkurse gebe es Die Workshops und Onlineeinheiten gramme. bereits seit Anfang Juni wieder, aller- sind so konzipiert, dass Interessierte Aber auch Präsenzkurse mit einem ent- dings bei beschränkter Raumkapazität, diese nahtlos in ihren persönlichen Ar- sprechenden Hygienekonzept gibt es und nicht in allen Unternehmen sei das beitsalltag integrieren können. Sie finden wieder. „Wir haben die Rückmeldung erlaubt. Zudem biete man hybride Veran- an mehreren Tagen statt, sodass Teil- bekommen, dass die Leute ein großes Be- dürfnis nach einem persönlichen Treffen „Gezwungen durch die Corona-Krise wissen wir jetzt haben“, so Winkelmann. „Das ist einfach eine andere Lernerfahrung.“ Je höher die besser, was online gut funktioniert, und das ist Führungsebene, desto wichtiger sei das mehr, als man bisher dachte.“ Claudia Peus (TUM) persönliche Networking. „Das, was in der Pause passiert, lässt sich online nicht so staltungen an. Da sei er sich nicht sicher, nehmer das Gelernte parallel in der Pra- gut abbilden“, sagt Winkelmann. Das be- ob das nur ein Übergangsphänomen ist xis anwenden und evaluieren können. stätigt auch Bettina Hartmann. „Je höher oder das dauerhaft bleibe. Langfristig Neben der Wissensvermittlung gibt es die Hierarchieebene ist, desto mehr wird gebe es aber keine Alternative für das auch einen persönlichen Austausch zwi- Präsenz gewünscht“, so die Vizedirekto- Miteinander vor Ort. schen den Teilnehmern. Weitere Online- rin der Open-Enrolment-Programme an Bei neuen Angeboten konzentriert sich programme zu verschiedenen Manage- der Executive School of Management, die ESMT auf ihre drei Kompetenzfelder: mentthemen sind in Planung und werden Technology and Law der Universität St. Innovation, Analytics und Führung. Zum auch langfristig einen festen Bestandteil Gallen. „Bei unserem dreitägigen Board Thema Innovation gibt es das neue Pro- im Portfolio ausmachen. Angeboten wur- Retreat kommen die Teilnehmer nur, gramm „Innovation Spirit“ im Blended- den bisher Workshops zu Themen wie wenn es in Präsenzform angeboten Learning-Format, bei dem die Teilneh- Verhandlungsführung, Design Thinking wird.“ mer sechs Wochen online, unterstützt und Coaching. Bei den offenen Programmen habe man durch Impulse und den Austausch mit Im Oktober startet das siebentägige De- unterschiedlich reagiert. Bei etwa einem den anderen Teilnehmern, an ihrem ei- sign-Thinking-Programm „Unlock hidden Fünftel der Präsenzprogramme habe man genen Thema arbeiten und dann zwei potential within your company and estab- zunächst 1:1 auf online umgestellt. „Das Tage einen Präsenzkurs besuchen. Auch lish long-term success“. Zudem gibt es ein war nicht optimal, hat aber funktioniert“, die Kurse zu Analytics sind stark gefragt. kostenloses Schnupper-Onlineseminar so Hartmann. Teils habe man damit sogar Dabei gehe es vor allem um den Umgang „Wie man Unsicherheiten steuern kann. Teilnehmer dazugewonnen. Andere Pro- mit Informationen, um bessere Entschei- Mit Design Thinking neue Geschäftsmo- gramme habe man in Module aufgeteilt. dungen treffen zu können. Nachgefragt delle entwickeln“. Thematisch habe sich „Was man gut virtuell machen kann, sind auch alle Arten von Leadership-An- bei der Nachfrage nicht viel geändert. haben wir durchgeführt“, so Hartmann. geboten. Gefragt seien Themen wie Leadership, „Wo es ums Üben und den Austausch Neu ist der dreitägige Präsenzkurs „Lea- Strategie, Innovation und Digitalisierung. ging, haben wir das auf später verscho- der as a Coach“, bei dem sehr interaktiv Weitere Leadership-Angebote in digitaler ben.“ am Führungsstil gearbeitet wird. Eben- Variante sind ebenso geplant wie Ange- Schon früh hat die Schweizer Hochschule falls neu ist ein C-Level-Programm für bote zum Führen von virtuellen Teams. auch ein umfangreiches Angebot an We- 30 wirtschaft + weiterbildung 09_2020
binaren zu Corona-Themen aufgelegt. gebe es auch einige Onlinekurzseminare, Die Nachfrage sei ähnlich wie im Vorjahr „Unsere Intention war es zunächst, vor die fest im Portfolio verankert sind wie hoch. Gefragt seien insbesondere Pro- allem die Unternehmen in unserer Re- etwas den Kurs „Strategisch führen in gramme zu den neuen Herausforderun- gion zu unterstützen und als Hochschule Zeiten hoher Unsicherheit.“ Neu ist das gen durch die Corona-Krise, aber auch Verantwortung zu übernehmen“, sagt reine Onlineprogramm „Digital Readi- Angebote zur Neuorientierung für Mana- Hartmann. „Dafür haben wir sehr viel ness for Senior Business Leaders“, das ger. positive Resonanz bekommen.“ Die Teil- erstmals im November startet und neben „Die Zukunft wird sehr viel digitaler nehmerzahl habe zwischen 50 bis 3000 dem selbstständigen Onlinelernen auch sein“, ist die Vizedirektorin für offene gelegen. Am meisten Teilnehmer hatte fünf Abende im synchronen Onlineformat Programme überzeugt. Man habe be- das erste Webinar zu den juristischen Im- umfasst. reits Anfang des Jahres überlegt, wie plikationen der Corona-Krise. Zu den neuen deutschsprachigen Ange- man die Programme digitaler gestalten boten gehört das fünfwöchige Onlinepro- könne. Dabei habe man festgestellt, dass „Corona wirkt wie ein gramm „Global Value Chains neu denken die fehlende Bereitschaft der Professoren Super-Katalysator“ und transformieren“. Aufs nächste Jahr und Referenten das größte Hindernis sei. verschoben wurde dagegen das neue Inzwischen hätten alle gelernt, die zahl- Seit Anfang Juni gibt es wieder Präsenz- dreitägige Programm Foresense für Top- reichen Optionen des Onlineunterrichts veranstaltungen unter Einhaltung der manager. Thema sei die Auseinander- zu nutzen, um effektive Lernerfahrungen Schutzmaßnahmen auf dem Executive setzung damit, in welcher Welt Manager zu ermöglichen. Künftig wolle man daher Campus in St. Gallen. „Unsere Raumka- künftig agieren müssen und wie sie den den größtmöglichen Nutzen aus Präsenz- pazitäten waren schon immer großzü- Herausforderungen begegnen können. formaten ziehen: Inhalte werden vor dem gig“, sagt Hartmann. Daher könne man „Das Programm richtet sich auch an in- Kurs online vermittelt, vor Ort wird geübt die Programme problemlos durchführen. ternationale Teilnehmer und hier spielt und Feedback praktiziert. Hartmann: Bei neuen Programmen werde vermehrt das Netzwerken eine zentrale Rolle“, er- „Corona ist ein Super-Katalysator.“ auf hybride Lernformen gesetzt. Zudem klärt Hartmann. Bärbel Schwertfeger
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