Kriterien zur Analyse von Drittstaaten zur Gewinnung von Auszubildenden für die Pflege - Kurzbericht - BMWi

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Kriterien zur Analyse von Drittstaaten zur Gewinnung von Auszubildenden für die Pflege - Kurzbericht - BMWi
1 | Mobilität | Bildung |
| Gesundheit                                                  IGES

Kriterien zur Analyse von
Drittstaaten zur Gewinnung von
Auszubildenden für die Pflege
Kurzbericht

                                   IGES Institut. Ein Unternehmen der IGES Gruppe.
Kriterien zur Analyse von Drittstaaten zur Gewinnung von Auszubildenden für die Pflege - Kurzbericht - BMWi
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| Gesundheit | Mobilität | Bildung |

Kriterien zur Analyse von
Drittstaaten zur Gewinnung von
Auszubildenden für die Pflege
Grit Braeseke
Nina Lingott
Sandra Rieckhoff
Ulrike Pörschmann-Schreiber

Kurzbericht
für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Berlin, August 2020

                                                  IGES Institut. Ein Unternehmen der IGES Gruppe.
Kriterien zur Analyse von Drittstaaten zur Gewinnung von Auszubildenden für die Pflege - Kurzbericht - BMWi
Autoren

Dr. Grit Braeseke
Nina Lingott
Ulrike Pörschmann-Schreiber
Sandra Rieckhoff
IGES Institut GmbH
Friedrichstraße 180
10117 Berlin

© Alle Rechte vorbehalten
Kriterien zur Analyse von Drittstaaten zur Gewinnung von Auszubildenden für die Pflege - Kurzbericht - BMWi
IGES                                                                         3

Inhalt
1.     Hintergrund und Ziel der Untersuchung                                11
2.     Der WHO Code of Practice (2010)                                      14
3.     Politische Länderinitiativen zum Gesundheitspersonal der letzten zehn
       Jahre                                                                 17
       3.1      Deutsche Initiativen zur Rekrutierung und Integration von
                Pflegekräften und Auszubildenden aus Drittstaaten            17
       3.1.1    Projekt „Triple Win“                                         19
       3.1.2    Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe
                (DeFa)                                                       20
       3.1.3    Projekte „Fachkräftegewinnung in der Altenpflege“ und
                „Modellvorhaben zur Gewinnung von Arbeitskräften aus Vietnam
                zur Ausbildung in der Krankenpflege in Deutschland“          21
       3.1.4    Projekt „Sprungbrett Pflege“ für geflüchtete Menschen aus
                Drittstaaten                                                 22
       3.1.5    IQ Netzwerk – Integration durch Qualifizierung               22
       3.1.6    „Make it in Germany“                                         23
       3.2      Internationale politische Initiativen im Bereich der
                Gesundheitsfachkräfte                                        23
4.     Überblick über die Fachkräftesituation in der Pflege weltweit
       (Literaturrecherche)                                                 26
       4.1      Klassifikation der Berufsabschlüsse des Pflegepersonals     26
       4.2      Daten zum Pflegepersonal weltweit                           29
       4.2.1    Regionale Verteilung, Dichte des Pflegepersonals            29
       4.2.2    Migration und Mobilität der Pflegekräfte                    32
       4.2.3    Ausbildung und Angebot an Pflegepersonal                    33
       4.2.4    Regulierung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen      36
       4.2.5    Geschlechterverteilung und Alter des Pflegepersonals        38
       4.3      Fachkräftemangel weltweit - heute und morgen                40
5.     Zuwanderungsrechtliche Rahmenbedingungen für Deutschland           44
       5.1   Regelungen für die Zuwanderung zum Zweck der Ausbildung 45
       5.2   Regelungen für Personen aus Drittstaaten mit Berufsabschluss 47
6.     Konzept und Kriterienkatalog zur Analyse von Drittstaaten            49
       6.1     Identifizierung von Kriterien                                49
       6.1.1   Bereich Demografie/Arbeitsmarkt                              52
       6.1.2   Bereich (Pflege-)Fachlichkeit                                53
       6.1.3   Bereich Kulturelle Werte und Integrationspotenziale          53
       6.1.4   Bereich Politik                                              54
       6.2     Finales Konzept für die Drittstaatenanalyse                  54
       6.3     Ergänzende Empfehlung für die Bundes- und Landespolitik      56
Literaturverzeichnis                                                        58
Kriterien zur Analyse von Drittstaaten zur Gewinnung von Auszubildenden für die Pflege - Kurzbericht - BMWi
IGES                                                                4

Anhang                                                              63
    A1        Übersicht der WHO-Regionen mit zugeordneten Ländern   64
    A2        WHO-Liste (2006), Anlage zu § 38 BeschV               65
    A3        Erläuterung zu den Kulturdimensionen nach Hofstede    67
    A4        Sonderauswertungen der Bundesagentur für Arbeit       68
    A5        Anwendungsbeispiel für die Drittstaatenanalyse        71

Abbildungen                                                         5
Tabellen                                                            7
Abkürzungsverzeichnis                                               9
IGES                                                                         5

Abbildungen
Abbildung 1:   Personalausstattung in der Gesundheitsversorgung im
               internationalen Vergleich (2014)                              15
Abbildung 2:   Maßnahmen die die Pflegeeinrichtungen ergreifen, um dem
               Fachkräftemangel zu begegnen                                  16
Abbildung 3:   Anzahl der verschiedenen Berufsbezeichnungen für
               Pflegepersonal pro WHO-Region (Berufsabschlüsse und
               Spezialisierungen in der Pflege)                              27
Abbildung 4:   Globale Dichte des Pflegepersonals im Verhältnis zu 10.000
               Einwohnern pro Land im Jahr 2018                              30
Abbildung 5:   Pflegekräfte pro 1.000 Einwohner in den OECD-Ländern im Jahr
               2000 und 2016                                               30
Abbildung 6:   Anzahl des Pflegepersonals pro 10.000 Einwohner nach
               Einkommensgruppen im Jahr 2018                                31
Abbildung 7:   Anteil von im Ausland geborenen Pflegekräften in den OECD-
               Ländern im Jahr 2015/2016, Angabe in %                     32
Abbildung 8:   Durchschnittliche Dauer der Ausbildung der Pflegefachkräfte
               nach WHO-Region im Jahr 2018                                  34
Abbildung 9:   Indikatoren zur Reglementierung der Pflegeausbildung          35
Abbildung 10: Verteilung von Pflegefach- und -hilfskräften in den WHO-
              Regionen im Jahr 2018, Angabe in %                             36
Abbildung 11: Weltkarte – Anzahl der genutzten Maßnahmen für die
              Regulierung der Arbeitsbedingungen in den einzelnen Ländern in
              2019                                                        38
Abbildung 12: Geschlechterverteilung des Pflegepersonals in den WHO-
              Regionen im Jahr 2018, Angabe in %                             39
Abbildung 13: Anteil des Pflegepersonals im Alter von unter 35 Jahren und 55
              Jahren oder älter nach WHO-Region im Jahr 2018, Angabe in % 40
Abbildung 14: Schätzung des Mangels an Pflegepersonal in den Jahren 2013,
              2018 und 2030                                               41
Abbildung 15: Verteilung der prognostizierten Zunahme des
              Pflegepersonalbestandes (bis 2030), nach WHO-Region und nach
              Einkommensgruppen                                          42
Abbildung 16: Prognose der Pflegepersonalquote pro 10.000 Einwohner für das
              Jahr 2030 (weltweite Verteilung)                           43
Abbildung 17: Schritte zur Durchführung der Potenzialanalyse von
              Drittstaaten                                                   55
IGES                                                                   6

Abbildung 18: Die drei Stufen und fünf Bereiche des Analysekonzeptes   56
IGES                                                                         7

Tabellen
Tabelle 1:    Entwicklung der Zahl der erteilten Zustimmungen der BA zur
              Betriebliche Aus- und Weiterbildung gem. § 8 Abs. 1 BeschV (§ 17
              AufenthG)                                                     12
Tabelle 2:    Ausgewählte deutsche Initiativen zur Gewinnung von
              Pflegefachkräften und jungen Menschen zum Zweck einer
              Pflegeausbildung in Deutschland aus Drittstaaten              17
Tabelle 3:    Ausgewählte internationale politische Initiativen zum
              Gesundheitspersonal                                           24
Tabelle 4:    Unterscheidung der Aufgaben von Pflegefach- und -hilfskräften
              auf Basis des ISCO-Systems (Tätigkeitsprofile Pflege)         28
Tabelle 5:    Anzahl der Absolventen der Pflege pro WHO-Region im Jahr
              2018                                                          33
Tabelle 6:    Anteil der Länder mit Regulierungen zu den Arbeitsbedingungen,
              nach WHO-Region im Jahr 2018, Angaben in %                  37
Tabelle 7:    Mangel an Pflegepersonal in Ländern unterhalb des Richtwertes
              der Globalen Strategie für Humanressourcen im
              Gesundheitswesen im Jahr 2018                               41
Tabelle 8:    Übersicht zu den Elementen des Analysekonzeptes               51
Tabelle 9:    WHO-Regionen und Länder                                       64
Tabelle 10:   WHO-Liste der 57 Länder, aus denen keine Fachkräfte der
              Gesundheits- und Pflegeberufe rekrutiert werden dürfen        65
Tabelle 11:   Ranking der häufigsten in Deutschland vertretenen
              Drittstaatsangehörigen mit sozialversicherungspflichtiger
              Beschäftigung in der Gesundheits- und Kranken- sowie
              Altenpflege in 2019 – Anteil an allen ausländischen
              sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, Angabe in %       68
Tabelle 12:   Ranking der häufigsten Zustimmungen zur Arbeitsaufnahme in
              der Gesundheits- und Krankenpflege sowie Altenpflege von
              Drittstaatsangehörigen zur Aus- oder Weiterbildung (2019) –
              Anteil an allen Drittstaatsangehörigen nach Tätigkeit, in % 69
Tabelle 13:   Ranking der häufigsten Zustimmungen zur Arbeitsaufnahme von
              Drittstaatsangehörigen zur Aus- oder Weiterbildung § 39 i.V.m §
              17 AufenthG (2019) – Anteil an allen Drittstaatsangehörigen im
              Gesundheits- und Sozialwesen, Angabe in %                      70
Tabelle 14:   Initiale Länderauswahl für die Drittstaatenanalyse            71
IGES                                                                        8

Tabelle 15:   Indikatoren zur Einschätzung/Bewertung der Demografie
              ausgewählter Drittstaaten (Anwendung der zweiten Stufe des
              Kriterienkatalogs) als Grundlage für ein Länderranking     72
Tabelle 16:   Indikatoren zur Einschätzung/Bewertung des Arbeitsmarktes
              ausgewählter Drittstaaten (Anwendung der zweiten Stufe des
              Kriterienkatalogs) als Grundlage für ein Länderranking     74
Tabelle 17:   Indikatoren zur Einschätzung/Bewertung des Bereichs „(Pflege-
              )Fachlichkeit“ ausgewählter Drittstaaten (Anwendung der dritten
              Stufe des Kriterienkatalogs) als Grundlage für ein
              Länderranking                                                 76
Tabelle 18:   Indikatoren zur Einschätzung/Bewertung des Bereichs „Kulturelle
              Werte und Integrationspotenziale“ ausgewählter Drittstaaten
              (Anwendung der dritten Stufe des Kriterienkatalogs) als
              Grundlage für ein Länderranking                              77
Tabelle 19:   Ermittlung des Rankings anhand der Kulturdimensionen         79
Tabelle 20:   Indikatoren zur Einschätzung/Bewertung des Bereichs „Politik“
              ausgewählter Drittstaaten (Anwendung der dritten Stufe des
              Kriterienkatalogs) als Grundlage für ein Länderranking        80
IGES                                                                       9

Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung        Erläuterung

AufenthG         Aufenthaltsgesetz

BA               Bundesagentur für Arbeit

BeschV           Beschäftigungsverordnung

BMAS             Bundesministerium für Arbeit und Soziales

BMBF             Bundesministerium für Bildung und Forschung

BMFSFJ           Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

BMG              Bundesministerium für Gesundheit

BMI              Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat

BMWi             Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

DAAD             Deutscher Akademischer Austauschdienst

DeFa             Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegebe-
                 rufe

ESF              Europäischer Sozialfonds

EU               Europäische Union

FEG              Fachkräfteeinwanderungsgesetz

GCNO             Government Chief Nursing Officer

GIZ              Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

HEEG             High-Level Commission on Health Employment and Economic
                 Growth

ILO              International Labour Organization

ISCO             International Standard Classification of Occupations

KAP              Konzertierte Aktion Pflege

KDA              Kuratorium Deutsche Altershilfe

KldB             Klassifikation der Berufe

MUT IQ           IQ Multiplikatorenprojekt Transfer
IGES                                                                  10

Abkürzung   Erläuterung

OECD        Organisation for Economic Co-operation and Development

SEPEN       Support for the health workforce planning and forecasting ex-
            pert network

WHO         World Health Organization

WZ 2008     Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008

ZAV         Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesanstalt
            für Arbeit

ZSBA        Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung
IGES                                                                             11

1.       Hintergrund und Ziel der Untersuchung
Mit der steigenden Anzahl alter und hochaltriger Menschen in unserer Gesell-
schaft steigt auch der Bedarf an professioneller pflegerischer Versorgung deutlich
an. Dies macht sich in Deutschland schon seit mehr als zehn Jahren in Form eines
Fachkräftemangels in der Pflege bemerkbar. Die Politik hat darauf mit vielfältigen
Maßnahmen reagiert - Ausbildungsoffensive, Förderung von Umschulung, Unter-
stützung betrieblicher Maßnahmen zur Erhöhung des Berufsverbleibs, Vermitt-
lungsabkommen für Pflegekräfte mit Drittstaaten und Abbau der Hürden für die
Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland – und nicht zuletzt mit der Verab-
schiedung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG).
Aktuell hat die Bundesregierung eine „Konzertierte Aktion Pflege“ (KAP) zur be-
darfsgerechten Weiterentwicklung der Situation in der Pflege ins Leben gerufen.
Unter Federführung von drei Bundesministerien (BMG, BMAS und BMFSFJ) sowie
mit Beteiligung aller relevanten Akteure tagte die KAP ab Juli 2018 und legte im
Juni 2019 die getroffenen Vereinbarungen vor. Die Partner der Arbeitsgruppe 4
„Pflegekräfte aus dem Ausland“ formulierten folgendes Ziel:
„Ziel der KAP ist, die Versorgungssicherheit in der Pflege sowie eine gute professi-
onelle Pflege vorrangig durch Pflegefachpersonen aus dem Inland und der Europä-
ischen Union zu gewährleisten. Ein darüberhinausgehender Bedarf soll durch Pfle-
gefachpersonen aus Drittstaaten gedeckt werden“ (Bundesministerium für
Gesundheit 2019a: 133).
Im Handlungsfeld VI „Ausbildung in Deutschland“ wurde u. a. die Entwicklung von
Kriterien für eine Drittstaaten-Potenzialanalyse zur Gewinnung von Personen für
die Pflegeausbildung in Deutschland beschlossen. Diese ist Gegenstand des vorlie-
genden Berichts.
Die hier im Fokus stehende „Drittstaatenanalyse“ ist Voraussetzung für eine den
internationalen Regelungen entsprechende und nachhaltige Strategie der Fach-
kräftesicherung in der Pflege, in Bezug auf die Rekrutierung aus dem Ausland. Um
aus Sicht von ganz Deutschland langfristig erfolgreich zu sein, sollte die Wahl von
Herkunftsländern nicht nur den einzelnen Unternehmen und mehr oder weniger
zufälligen Kontakten ins Ausland überlassen werden. Das führt bereits heute zu
einer großen Vielfalt unterschiedlicher Kulturen in den Einrichtungen des Gesund-
heitswesens, was mit Problemen bei der beruflichen Integration und Kommunika-
tion einhergeht. Notwendig ist daher der gezielte Aufbau von bilateralen Migrati-
onspartnerschaften mit einigen geeigneten Herkunftsländern unter Beachtung der
internationalen Regelungen und ethischen Standards (wie beispielsweise mit den
Philippinen). Solche Vereinbarungen bieten den Unternehmen der Pflegebranche
eine verlässliche Basis für eigenständige Rekrutierungen und minimieren die un-
ternehmerischen Risiken.
Das BMWi hat bereits seit 2012 erfolgreich Modellvorhaben in der Alten- und
Krankenpflege umgesetzt, so dass auf breiter Basis praktische Erfahrungen bei der
IGES                                                                                     12

Rekrutierung von Auszubildenden gewonnen werden konnten. Diese zielten da-
rauf ab, zunächst pilothaft zu erproben, unter welchen Voraussetzungen und Be-
dingungen junge Menschen aus Drittstaaten für eine Pflegeausbildung in Deutsch-
land gewonnen werden können und wie eine erfolgreiche Ausbildung ausgestaltet
werden muss. Die Erkenntnisse aus den Evaluationen sind in Handlungsempfeh-
lungen für die Pflegebranche eingeflossen. Diese kann nunmehr auf verlässlicher
Basis (u. a. bilateralen einer gemeinsamen Absichtserklärung mit dem Partnerland
Vietnam) eigenständig Migrationsprogramme zum Zweck der Ausbildung fortfüh-
ren.
Erste Erfolge lassen sich bereits anhand der Statistik der Bundesagentur für Arbeit
(BA) nachweisen: Die Anzahl der Auszubildenden aus Drittstaaten in den nichtme-
dizinischen Gesundheitsberufen hat sich seit 2016 erhöht um 84 % erhöht, aus Vi-
etnam sogar um 88 %. Auf Vietnam entfallen damit ein Viertel der zum Zweck der
Ausbildung aus Drittstaaten zugewanderten Personen dieser Berufsgruppe.

Tabelle 1:           Entwicklung der Zahl der erteilten Zustimmungen der BA zur Be-
                     triebliche Aus- und Weiterbildung gem. § 8 Abs. 1 BeschV (§ 17
                     AufenthG)

  Berufe (KldB 2010)          2016         2017         2018        bis        Zuwachs
                                                                    11/2019

  82 Nichtmedizin. Ge-            3.160        3.589        4.716      5.826     + 84 %
  sundheitsberufe (alle
  Drittstaaten)

  82 Nichtmedizin. Ge-               783          869       1.093      1.470     + 88 %
  sundheitsberufe
  (Vietnam)

  dar. Altenpflege                   782          868       1.091      1.463     + 87 %
  (Vietnam)

Quelle:              Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung

Vietnam lag damit im Ländervergleich 2019 sowohl in der Alten- als auch in der
Krankenpflege an erster Stelle, wie eine Sonderauswertung der BA ergab (vgl. Ta-
belle 12 (nach Berufen) und Tabelle 13 (nach Branchen) im Anhang A4).
Ziel dieser Studie war die Entwicklung eines Konzepts zur Analyse von Drittstaaten
zur Gewinnung von Auszubildenden für die Pflege in Deutschland. Das Analyse-
konzept soll Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Arbeitsverwaltung und Pfle-
gebranche bei der Gestaltung fairer Migrationsprogramme unterstützen.
Das Konzept für die Drittstaatenanalyse soll
        möglichst einfach in der Anwendung,
        mit überschaubarem Zeitaufwand realisierbar und
        ohne besondere fachliche Vorkenntnisse durchführbar sein.
IGES                                                                            13

Der vorliegende Kurzbericht stellt zunächst die migrationspolitischen Regelungen
und Initiativen für die Gesundheitsberufe dar (Kapitel 2 WHO Code of Practice und
Kapitel 3 nationale und internationale politische Initiativen zum Gesundheitsper-
sonal). Im Abschnitt 4 erfolgt ein aktueller Überblick über die Fachkräftesituation
weltweit auf Basis einer Literaturrecherche. Anschließend werden die zuwande-
rungsrechtlichen Rahmenbedingungen Deutschlands erläutert (Kapitel 5). Kapitel
6 stellt das entwickelte Konzept für die Drittstaatenanalyse vor.
Ergänzend zum Abschlussbericht wurden in einem separaten Dokument Hand-
lungsempfehlungen für Politik, Arbeitsverwaltung und Pflegebranche erarbeitet,
in denen das Konzept, die Kriterien und Datenquellen ausführlich erläutert sind.
IGES                                                                             14

2.       Der WHO Code of Practice (2010)
Im World Health Report 2006 stellte die WHO die „Krise im Bereich des Gesund-
heitspersonals“ in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Damals wurde ge-
schätzt, dass weltweit rund 4,3 Mio. ausgebildete Ärzte, Pflegefachpersonen und
Hebammen fehlten. Angesichts großer Unterschiede in der bevölkerungsbezoge-
nen Personalausstattung der einzelnen Länder ermittelte die WHO anhand eines
Schwellenwertes (22,8 Gesundheitsfachkräfte pro 10.000 Einwohner), dass 57
Staaten unterhalb dieses Wertes lagen und somit einen „kritischen Mangel“ an
Gesundheitspersonal aufwiesen, so dass die Sicherstellung der Gesundheitsversor-
gung der Bevölkerung als „gefährdet“ zu bezeichnen war. Es zeigte sich, dass be-
sonders die ärmeren Länder vom Gesundheitspersonalmangel betroffen waren.
Vorgeschlagen wurde daher ein 10-Jahres-Plan zur Überwindung dieser Krise
(WHO 2006).
2010 verständigten sich die Mitgliedsstaaten der WHO daraufhin zum ersten Mal
in der Geschichte dieser Institution auf eine gemeinsame Leitlinie - den Global
Code of Practice on the International Recruitment of Health Personnel. Dabei han-
delt es sich um einen freiwilligen Kodex, der ethische Grundsätze für die internati-
onale Rekrutierung von Gesundheitsfachkräften enthält. Er dient den Mitglieds-
staaten als Referenz und Leitfaden bei der Einrichtung oder Verbesserung des
rechtlichen und institutionellen Rahmens und der Formulierung und Umsetzung
von bspw. bilateralen Abkommen. Kooperation und Zusammenarbeit der Staaten
im Hinblick auf Gesundheitspersonal ist ausdrücklich gewünscht. Die Länder wer-
den zu einer Zusammenarbeit mit Stakeholdern wie Arbeitgebern oder Organisa-
tionen des Gesundheitswesens angehalten. Weiterhin werden sie aufgefordert, ef-
fektive und nachhaltige Gesundheitspersonalplanung sowie Aus- und
Weiterbildung zu betreiben bzw. zu fördern, damit Gesundheitsfachkräfte langfris-
tig gebunden werden und der Bedarf an Fachkräften aus dem Ausland reduziert
wird. Zudem sollen negative Effekte der Fachkraftmigration bzw. der Migration po-
tenzieller Fachkräfte in den Herkunftsländern vermieden werden. Zu erleichtern
und möglichst zu fördern sind Formen zirkulärer Migration (d. h. temporäre Ar-
beitsaufenthalte in anderen Ländern zum Zweck des Kompetenzerwerbs) - auch
das Herkunftsland soll von Fähigkeiten und Wissen des zurückkehrenden Gesund-
heitspersonals profitieren können. Grundsätzlich sind internationale Rekrutie-
rungsmaßnahmen transparent und fair zu gestalten und die Nachhaltigkeit der Ge-
sundheitssysteme der Herkunftsländer ist zu fördern. Die Rechte der Migrantinnen
und Migranten müssen sichergestellt werden (WHO 2010: 3 ff.).
Die spezifischen Bedarfe und Umstände in den Ländern, die hinsichtlich eines Ar-
beitskräftemangels im Gesundheitswesen besonders gefährdet sind oder nur be-
grenzte Kapazitäten haben, um die Empfehlungen des Code of Practice umzuset-
zen, sind bei Migrationsvorhaben explizit zu berücksichtigen (WHO 2010: 3 ff.).
Insofern ist im Rahmen der Analyse von Drittstaaten, die zur Rekrutierung von Per-
sonen mit dem Zwecke der pflegerischen Ausbildung in Deutschland in Betracht
IGES                                                                              15

gezogen werden, möglichst zu überprüfen, inwieweit ein Land derzeit und in ab-
sehbarer Zukunft über ein ausreichendes Arbeitskräftepotenzial im Pflegebereich
verfügt.
Gesundheitsfachkräfte werden von vielen Industrienationen gesucht: Weltweit
standen nach Schätzungen der WHO (2014) nur rund 27,2 Mio. ausgebildete Ge-
sundheitsfachkräfte zur Verfügung (Ärzte, Pflegekräfte und Hebammen). Die Per-
sonalausstattung variiert sehr stark von Land zu Land (von 2,7 bis 240 Fachkräften
pro 10.000 Einwohner). Es existieren verschiedene Schwellenwerte zur Feststel-
lung von Unterversorgung (siehe Abbildung 1, gelbe Balken).

Abbildung 1:    Personalausstattung in der Gesundheitsversorgung im internatio-
                nalen Vergleich (2014)

Quelle:         Braeseke 2015, auf Grundlage von WHO 2014

Lediglich 37 % (68 Länder) überschreiten den oberen, von der WHO 2013 definier-
ten Schwellenwert von knapp 60 Gesundheitsfachkräften je 10.000 Einwohner,
rund 45 % (83 Länder) liegen unterhalb des 2006 genannten Schwellenwertes von
rund 23 Fachkräften.
Für gut ausgebildete Gesundheitsfachkräfte in anderen Ländern ist Deutschland
nicht das Zielland Nr. 1 – an erster Stelle stehen englischsprachige Länder wie Aust-
ralien, die USA, Kanada oder Großbritannien. Aber es bestehen nicht nur sprachli-
che Hürden – auch die komplizierten Regelungen bei Zuwanderung, Arbeits-
markterlaubnis und Berufsanerkennung haben es in der Vergangenheit schwer
gemacht, Fachkräfte aus Drittstaaten zu rekrutieren.
IGES                                                                         16

Die Unternehmen der Pflegebranche haben sich daher bisher auf Maßnahmen
konzentriert, die auf eine bessere Ausschöpfung des inländischen Erwerbspoten-
zials ausgerichtet sind (siehe Abbildung 2), wie es auch der 2010 verabschiedete
WHO-Code of Practice zur internationalen Rekrutierung von Gesundheitsfachper-
sonal vorsieht.

Abbildung 2:   Maßnahmen die die Pflegeeinrichtungen ergreifen, um dem Fach-
               kräftemangel zu begegnen

Quelle:        Bonin, Braeseke, Ganserer 2015

Dennoch zeichnet sich ab, dass die Personalengpässe in der Pflege nur bewältigt
werden können, wenn alle Möglichkeiten zur Erhöhung des Arbeitskräfteangebots
ausgeschöpft werden können – einschließlich der Rekrutierung ausländischer
Fach- und Nachwuchskräfte. Für die Unternehmen der Pflegebranche, die größ-
tenteils zu den kleineren und mittleren Unternehmen gehören, ist dieser Weg
teuer und mit vielen Risiken verbunden. Politik und Wirtschaftsverbände sollten
daher die Bemühungen der Einrichtungen zur Sicherstellung des Personalbedarfs
mit geeigneten wirtschaftspolitischen Maßnahmen flankieren.
IGES                                                                                       17

3.       Politische Länderinitiativen zum Gesundheitspersonal
         der letzten zehn Jahre
Sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene gab es in den letzten Jahren
vielfältige politische Initiativen mit Blick auf die Gewinnung von Gesundheits- bzw.
Pflegepersonal aus Drittstaaten. Ausgewählte deutsche und internationale Initiati-
ven werden in den beiden nachfolgenden Unterkapiteln vorgestellt, wobei der Fo-
kus auf deutschen Projekten liegt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht er-
hoben werden, da viele Träger in kleinerem Maßstab Rekrutierungsinitiativen
gestartet haben.

3.1      Deutsche Initiativen zur Rekrutierung und Integration von
         Pflegekräften und Auszubildenden aus Drittstaaten
Auf nationaler und internationaler Ebene bemüht sich Deutschland in vielfältigen
Projekten und Engagements Pflegekräfte bzw. junge Menschen aus Drittstaaten
anzuwerben und für die deutsche Pflegebranche zu qualifizieren. Dies beinhaltet
auch das Erlernen der deutschen Sprache in einem für die Ausübung des Pflege-
berufs erforderlichen Umfang. Weiterhin sollen auch nach Deutschland geflüch-
tete Menschen sprachlich qualifiziert, fachlich ausgebildet und integriert werden.
Für Unternehmen werden von unterschiedlichen Ressorts der Verwaltung und
Wirtschaftsverbänden breitgefächerte Informationen bereitgestellt und sie wer-
den im Prozess der Gewinnung und Integration ausländischer Arbeitskräfte unter-
stützt und beraten (u. a. vom BMWi, der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung
(ZAV) der BA, dem Bundeministerium für Gesundheit (BMG) sowie von den Indust-
rie- und Außenhandelskammern und Pflegeverbänden).
Die folgende Tabelle 2 gibt einen Überblick über nationale Initiativen der letzten
Jahre mit bundesweiter Ausstrahlung.

Tabelle 2:        Ausgewählte deutsche Initiativen zur Gewinnung von Pflegefach-
                  kräften und jungen Menschen zum Zweck einer Pflegeausbildung
                  in Deutschland aus Drittstaaten

 Jahre       Institutionen     Initiativen / Pro-    Beschreibungen
                               jekte

 2005        IQ Multiplika-    Integration durch     Das Förderprogramm soll die Arbeits-
             torenprojekt      Qualifizierung (IQ)   marktchancen sollen für Menschen mit
             Transfer (MUT                           Migrationshintergrund verbessern, insb.
             IQ) / ebb Ent-                          durch: Anerkennung ausländischer Berufs-
             wicklungsge-                            abschlüsse und Qualifizierungen, um dies
             sellschaft für                          zu unterstützen sowie um die interkultu-
             berufliche Bil-                         relle Kompetenzentwicklung in Behörden
             dung mbH                                und Unternehmen zu stärken, und Auf-
                                                     bau/Unterstützung regionaler Fachkräfte-
                                                     netzwerke (IQ-Netzwerk 2020).
IGES                                                                                         18

 Jahre       Institutionen     Initiativen / Pro-   Beschreibungen
                               jekte

 2012        Bundesregie-      Make it in Ger-      Das mehrsprachige Portal stellt vielfältige
             rung              many                 Informationen zu den Thematiken Erler-
                                                    nen der deutschen Sprache, Fragen rund
                                                    um die Anerkennung ausländischer Berufs-
                                                    abschlüsse sowie zu Einreise und Aufent-
                                                    halt für Migrantinnen und Migranten so-
                                                    wie Arbeitgeber bereit. Ziel ist die
                                                    weltweite Rekrutierung von Fachkräften,
                                                    insb. in den Engpassberufen (Die Bundes-
                                                    regierung o. J.).

 2012 bis    BMWi              Fachkräftegewin-     Bereits ausgebildete Pflegekräfte wurden
 2016                          nung in der Alten-   in Vietnam rekrutiert und noch im Heimat-
                               pflege               land sprachlich auf Deutschland vorberei-
                                                    tet. Im Anschluss absolvierten sie eine auf
                                                    zwei Jahre verkürzten Altenpflegeausbil-
                                                    dung in Berlin, Bayern, Baden-Württem-
                                                    berg oder Niedersachsen
                                                    (Braeseke et al. 2020).

 Seit 2013   ZAV und GIZ       Triple Win           Verfolgt werden die Ansätze bereits ausge-
                                                    bildete Pflegefachkräfte aus Bosnien-Her-
                                                    zegowina, Kroatien, den Philippinen, Ser-
                                                    bien und Tunesien zu vermitteln und
                                                    anschließend in Deutschland eine Aner-
                                                    kennungsqualifizierung durchlaufen zu las-
                                                    sen sowie seit 2019 die Vermittlung junger
                                                    Menschen mit pflegerischer Vorerfahrung
                                                    aus Vietnam, die anschließend in Deutsch-
                                                    land die dreijährige generalistische Pflege-
                                                    ausbildung absolvieren (Bundesagentur für
                                                    Arbeit o. J.).

 2016 bis    BMWi              Modellvorhaben       Ziel war es den Prozess der Gewinnung
 2019                          zur Gewinnung        junger Menschen aus Drittstatten zum
                               von Arbeitskräf-     Zweck einer Pflegeausbildung in Deutsch-
                               ten aus Vietnam      land zu erproben. Dazu wurden in Vietnam
                               zur Ausbildung in    junge Menschen rekrutiert und 13 Monate
                               der Krankenpflege    sprachlich sowie fachlich qualifiziert. In
                               in Deutschland       Deutschland absolvierten sie eine Kran-
                                                    kenpflegeausbildung. (Braeseke et al.
                                                    2020).

 2018        Bonner Verein     Sprungbrett          Geflüchtete Menschen sollen im Rahmen
             für Pflege- und   Pflege               des Projekts sukzessive auf eine Ausbil-
             Gesundheits-                           dung in der Altenpflege vorbereitet wer-
             berufe e. V.                           den. Sprachkenntnisse sollen verbessert,
                                                    Fachwissen zur Altenpflege zu vermittelt,
                                                    ein Hauptschulabschluss nachgeholt oder
                                                    auf den Übergang in eine Altenpflegeaus-
                                                    bildung vorbereitet werden. Zudem sollen
IGES                                                                                           19

  Jahre        Institutionen   Initiativen / Pro-   Beschreibungen
                               jekte

                                                    die Geflüchteten in die deutsche Gesell-
                                                    schaft und ein Mentorenprogramm inte-
                                                    griert werden (Bonner Verein für Pflege-
                                                    und Gesundheitsberufe e. V. 2020).

  Oktober      BMG             Gründung der         Die Deutsche Fachkräfteagentur für Ge-
  2019                         Deutschen Fach-      sundheits- und Pflegeberufe (DeFa) unter-
                               kräfteagentur für    stützt Einrichtungen des Gesundheitswe-
                               Gesundheits- und     sens und Personalserviceagenturen dabei,
                               Pflegeberufe         Pflegefachkräfte im Ausland zu gewinnen
                               (DeFa)               (Bundesministerium für Gesundheit
                                                    2019b). Aktuell konzentrieren sich ihre Ak-
                                                    tivitäten ausschließlich auf Mexiko, die
                                                    Philippinen und Brasilien. Sie sollen jedoch
                                                    sukzessive auf weitere Länder erweitert
                                                    werden (Deutsche Fachkräfteagentur für
                                                    Gesundheits- und Pflegeberufe o. J.).

  Oktober      BMG             Gründung des         Ziel des Kompetenzzentrums ist es, sich an
  2019                         Deutsches Kom-       der Entwicklung, Begleitung und Umset-
                               petenzzentrum        zung von Maßnahmen zur Gewinnung von
                               für internationale   Personen mit einer pflege- oder gesund-
                               Fachkräfte der       heitsfachlichen Ausbildung aus dem Aus-
                               Gesundheits- und     land zu beteiligen. Dazu gehören Instru-
                               Pflegeberufe         mente der Qualitätssicherung im Rahmen
                               (DKF)                von Anwerbungen und Vermittlungen die-
                                                    ser Personengruppe und auch Maßnah-
                                                    men zur fachlichen, betrieblichen und sozi-
                                                    alen Integration im Sinne eines guten
                                                    Integrationsmanagements (KDA 2019).

  Februar      Bundesagentur   Einrichtung einer    Die Zentrale Servicestelle Berufsanerken-
  2020         für Arbeit      Zentralen Service-   nung unterstützt Fachkräfte aus dem Aus-
                               stelle Berufsaner-   land und begleitet sie durch das Anerken-
                               kennung (ZSBA)       nungsverfahren bis zur Einreise nach
                                                    Deutschland. Dadurch sollen die Verfahren
                                                    für Bewerberinnen und Bewerber aus dem
                                                    Ausland schneller, transparenter und ein-
                                                    heitlicher sowie Anerkennungsbehörden
                                                    entlastet werden (BMBF 2020).

Quelle:            IGES

3.1.1       Projekt „Triple Win“
Deutschland hat mit einigen Drittstatten bereits bilaterale Vermittlungsabspra-
chen für Pflegeberufe getroffen, mit dem Ziel, nachhaltig, transparent und fair
Pflegekräfte für die Gesundheits- und Pflegebranche gewinnen zu können. Als Ori-
entierung dient dabei der Code of Practice der WHO. Um das Ziel zu erreichen,
verfolgte das Projekt Triple Win seit 2013 zunächst den Ansatz bereits ausgebildete
Pflegefachkräfte aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien, den Philippinen, Serbien und
IGES                                                                             20

Tunesien zu vermitteln und anschließend in Deutschland eine Anerkennungsquali-
fizierung durchlaufen zu lassen. Die Vermittlung erfolgte in Kooperation mit der
Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durch die Zent-
rale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV). 2019 wurde die Strategie um einen
zweiten Ansatz erweitert. Dieser konzentriert sich auf die Gewinnung von jungen
Menschen mit pflegerischer Vorerfahrung aus Vietnam, die im Anschluss in
Deutschland die dreijährige generalistische Pflegeausbildung absolvieren (Bunde-
sagentur für Arbeit o. J.).
Im Rahmen des Projekts erhalten Arbeitgeber der Pflegebranche Unterstützung
bei der Auswahl, Anerkennung und Integration der Pflegekräfte. Die Pflegekräfte
selbst profitieren durch eine neue berufliche und persönliche Perspektive, wobei
Lohnungleichheiten im Vergleich zu deutschen Pflegekräften durch ein transparen-
tes Vorgehen vermieden und Arbeitnehmerrechte geschützt werden sollen. Geld-
sendungen der Pflegekräfte in ihre Heimatländer unterstützen ihre Familien und
stoßen zudem entwicklungspolitische Impulse im jeweiligen Land an (Bundesagen-
tur für Arbeit o. J., Bundesagentur für Arbeit 2019).
Weiterhin wird der Arbeitsmarkt der Herkunftsländer entlastet, da nur in Ländern
rekrutiert wird, in denen ein Fachkräfteüberschuss besteht (Bundesagentur für Ar-
beit o. J., Bundesagentur für Arbeit 2019) bzw. eine hohe Jugendarbeitslosigkeit
herrscht. Die Anwerbung junger Menschen und die Bereitstellung von Ausbil-
dungsmöglichkeiten in Pflegeberufen birgt für die Herkunftsländer der Migrantin-
nen und Migranten das Potenzial, dass sie als ausgebildete Pflegefachkräfte ggf. in
ihre Heimatländer zurückkehren und eine Tätigkeit in der dortigen Gesundheits-
und Pflegebranche aufnehmen, was die Gesundheitssysteme der Herkunftsländer
stärkt. Zu prüfen ist in diesem Fall, inwiefern die deutsche Pflegeausbildung im je-
weiligen Drittstaat anerkannt wird. Aus deutscher Sicht liegt der Fokus allerdings
auf einer langfristigen Bindung der Fachkräfte in Deutschland. Dies setzt eine er-
folgreiche berufliche und soziale Integration in Deutschland voraus, die maßgeb-
lich von den Arbeitgebern zu gestalten ist.

3.1.2    Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa)
Die im Oktober 2019 gegründete DeFa mit Sitz in Saarbrücken unterstützt Einrich-
tungen des Gesundheitswesens und Personalserviceagenturen dabei Pflegefach-
kräfte im Ausland gewinnen zu können (Bundesministerium für Gesund-
heit 2019b). Aktuell konzentrierten sich ihre Aktivitäten ausschließlich auf Mexiko,
die Philippinen und Brasilien. Sie sollen jedoch sukzessive auf weitere Herkunfts-
länder erweitert werden (Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pfle-
geberufe o. J.). Die DeFa organisiert in erster Linie Anträge auf Visa, die Anerken-
nung der Berufserlaubnis sowie Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Zudem
kontrolliert sie Anträge auf Vollständigkeit und Korrektheit. Auf diese Weise wer-
den Antragsverfahren beschleunigt und beteiligte deutsche Behörden entlastet.
Bereits drei Monate nach dem Visa-Antrag sollen die Fachkräfte nach Deutschland
IGES                                                                           21

einreisen können und nach weiteren drei Monaten die volle berufliche Anerken-
nung vorliegen. Flankiert wird das Angebot durch eine Unterstützung bei der Be-
werberauswahl und Sprachkursen im Herkunftsland (Bundesministerium für Ge-
sundheit 2019b).

3.1.3     Projekte „Fachkräftegewinnung in der Altenpflege“ und „Modellvorha-
          ben zur Gewinnung von Arbeitskräften aus Vietnam zur Ausbildung in
          der Krankenpflege in Deutschland“
Ziel des „Modellvorhaben zur Gewinnung von Arbeitskräften aus Vietnam zur Aus-
bildung in der Krankenpflege in Deutschland“, das von 2016 bis 2019 unter Feder-
führung des BMWi lief, war es, den Prozess der Gewinnung junger Menschen aus
Drittstatten zum Zweck einer Pflegeausbildung in Deutschland zu erproben. Als
Partnerland fungierte Vietnam. Insgesamt haben zwei Jahrgänge das Projekt
durchlaufen (Braeseke et al. 2020).
Das Modellvorhaben ließ sich in vier Phasen bzw. Thematiken einteilen:
         Rekrutierung geeigneter junger Menschen in Vietnam für eine Kranken-
          pflegeausbildung in Deutschland,
         eine dreizehnmonatige sprachliche sowie eine fachliche Qualifizierung in
          Vietnam,
         eine Pflegeausbildung in Deutschland sowie
         der Integrationsprozess in Deutschland.
Von 2012 bis 2016 hatte bereits das Vorgängerprojekt „Fachkräftegewinnung in
der Altenpflege“ stattgefunden, in dem Vietnam ebenfalls als Partnerland am Pro-
jekt teilnahm. Die Pflegekräfte wurden ebenfalls in Vietnam sprachlich auf
Deutschland vorbereitet und absolvierten anschließend eine auf zwei Jahre ver-
kürzten Altenpflegeausbildung in Berlin, Bayern, Baden-Württemberg oder Nie-
dersachen. Die im Projekt geknüpften Kooperationsbeziehungen werden von Akt-
euren der Pflegebranche weiterhin gepflegt und Aktivitäten zur Rekrutierung von
Pflegekräften selbstständig weitergeführt (Braeseke et al. 2020).
Die Projektevaluation bestätigte, dass durch beide Modellvorhaben eine selbst-
ständige Fortsetzung der Rekrutierungen, durch einzelne Akteure der Pflegebran-
che sowie der GIZ und ZAV, erreicht werden konnte und diese weitergeführt wer-
den. Weiterhin erwies sich der Ansatz, junge Menschen aus Vietnam in
Deutschland pflegerisch auszubilden, als erfolgreich und praktikabel. Als heraus-
fordernd zeigte sich in der Evaluation der Spracherwerb. So haben die Sprach-
kenntnisse der Auszubildenden trotz Vorbereitung im ersten Pilotprojekt zunächst
nicht ausgereicht, um zu Beginn der Ausbildung dem Unterricht in Theorie und
Praxis zu folgen. Auch nach Abschluss der Ausbildung wurde zum Teil noch weite-
rer Sprachunterricht in Anspruch genommen, was einerseits die Notwendigkeit ei-
IGES                                                                           22

ner guten sprachlichen Vorbereitung im Herkunftsland und andererseits eines wei-
terführenden Sprachunterrichts in Deutschland unterstreicht (Braeseke et
al. 2020).

3.1.4   Projekt „Sprungbrett Pflege“ für geflüchtete Menschen aus Drittstaaten
Das Projekt wird seit 2018 durch den Bonner Verein für Pflege- und Gesundheits-
berufe e. V. angeboten und richtet sich an Flüchtlinge, die mindestens die Sprach-
ebene A1 erreicht haben. Im Rahmen des Projekts sollen sie auf eine Ausbildung
in der Altenpflege vorbereitet werden. Zentrale Zielstellungen sind dabei: die
Sprachkenntnisse zu verbessern (A2- und B1-Nivau), Fachwissen zur Altenpflege zu
vermitteln, Nachholen des Hauptschulabschlusses oder Vorbereitung auf den
Übergang in eine Altenpflegeausbildung, Aktivitäten zur gesellschaftlichen, sozia-
len und beruflichen Integration in die deutsche Gesellschaft sowie das Einbinden
der Geflüchteten in ein Mentorenprogramm (Bonner Verein für Pflege- und Ge-
sundheitsberufe e. V. 2020).
Weitere Informationen sowie Material zum Download sind unter dem nachfolgen-
den Link zu finden:
https://www.bv-pg.de/index.php/integration_sprache/sprungbrett-pflege/

3.1.5   IQ Netzwerk – Integration durch Qualifizierung
Das Netzwerk des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ arbei-
tet bereits seit 2005 daran, Arbeitsmarktchancen für Menschen mit Migrations-
hintergrund zu verbessern. Gefördert wird das Programm durch das Bundesminis-
terium für Arbeit und Soziales (BMAS) und den Europäischen Sozialfonds (ESF).
Von zentralem Interesse ist, dass ausländische Berufsabschlüsse auch in Deutsch-
land zu einer Beschäftigung führen. Das Förderprogramm IQ weist vier Handlungs-
schwerpunkte auf, die in Teilprojekten umgesetzt werden:
  1. Die Anerkennungsberatung, in deren Zentrum die Anerkennung ausländi-
     scher Berufsabschlüsse steht.
  2. Anpassungsqualifizierungen, um eine volle Anerkennung ausländischer
     Berufsqualifikationen zu unterstützen.
  3. Förderung der interkulturellen Kompetenzentwicklungen in Jobcentern,
     Agenturen für Arbeit, kommunalen Verwaltungen, Unternehmen sowie de-
     ren Verbänden
  4. Vernetzung und Unterstützung von regionalen Fachkräftenetzwerken
   (IQ Netzwerk 2020).
Insgesamt werden durch das Förderprogramm 380 Teilprojekte für zugewanderte
Menschen oder Geflüchtete in allen 16 Bundesländern unterstützt. Eine Übersicht
über alle Teilprojekte (Stand 03/2020) ist über folgenden Link abrufbar:
IGES                                                                              23

https://www.netzwerk-iq.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/IQ_Publikatio-
nen/IQ_Liste/08_2020_IQ_Liste.pdf
Weiterhin stellt das IQ Netzwerk für Arbeitgeber auch Informationen zum Thema
Aufenthalt von Drittstaatenangehörigen zum Zwecke der Erwerbstätigkeit oder
Ausbildung in Deutschland bereit.

3.1.6    „Make it in Germany“
Über das mehrsprachige Portal „Make it in Germany“ bietet die Bundesregierung
seit 2012 ausländischen Fachkräften und interessierten Unternehmen vielseitige
Informationen zu den Thematiken Erlernen der deutschen Sprache, Fragen rund
um die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sowie zu Einreise und Auf-
enthalt. Zusätzlich werden Unternehmen Unterstützung und Informationen zur
Thematik der Gewinnung und Integration von Fachkräften aus dem Ausland, die in
Deutschland arbeiten, studieren oder sich ausbilden lassen wollen, geboten. Pra-
xisbeispiele bieten Einblicke in Erfahrungen anderer Unternehmen. Ziel des Portals
ist es, die Attraktivität Deutschlands als Land für eine Arbeitsmigration zu präsen-
tieren und damit die Rekrutierungsbemühungen deutscher Unternehmen interna-
tional zu stärken (Die Bundesregierung o. J.).

3.2      Internationale politische Initiativen im Bereich der Gesund-
         heitsfachkräfte
Unabhängig von den deutschen Bemühungen und Projekten gab es in den vergan-
genen zehn Jahren, mit Blick auf Gesundheitsfachkräfte, verschiedene internatio-
nale politische Initiativen. Bereits 2006 erstellte die WHO eine Liste mit 57 Staaten
(Anhang A2), in denen nach WHO-Einschätzung ein Mangel an Gesundheitsperso-
nal bestand und aus denen hierzulande nicht ohne Abstimmung mit der BA Ge-
sundheitspersonal rekrutiert werden darf (Bundesagentur für Arbeit 2020a: 23).
2010 verabschiedete die WHO den Kodex zur internationalen Rekrutierung von
Gesundheitspersonal, welcher jedoch auf Freiwilligkeit basiert (WHO 2010).
Daneben existieren weitere politische Initiativen (Tabelle 3). In der Recherche bei
großen internationalen politischen Organisationen stellte sich heraus, dass sich Ini-
tiativen auf den europäischen Raum fokussieren. Sie verfolgen hauptsächlich das
Ziel, die Gesundheitspersonalplanung und -prognose der EU-Mitgliedstaaten
nachhaltig und effektiv zu gestalten und dabei länderübergreifend Wissen und Er-
fahrungen auszutauschen. Daneben sollen auf nationaler Ebene Gesundheitssys-
teme gestärkt und Rahmenbedingungen verbessert werden. Die 2016 von der UN
eingesetzte High-Level Commission on Health Employment and Economic Growth
soll zudem Maßnahmen zur Förderung und Schaffung von Arbeitsplätzen im Ge-
sundheitssektor vorschlagen (WHO 2020b).
IGES                                                                                          24

Tabelle 3:          Ausgewählte internationale politische Initiativen zum Gesund-
                    heitspersonal

 Jahre       Institutionen   Initiativen       Beschreibungen

 2010        WHO             Global Code of    Freiwilliger Kodex, der ethische Grundsätze
                             Practice on the   für die internationale Rekrutierung von Ge-
                             International     sundheitsfachkräften enthält. Er dient den
                             Recruitment of    Mitgliedsstaaten zudem als Referenz und Leit-
                             Health Person-    faden bei der Einrichtung oder Verbesserung
                             nel               des rechtlichen und institutionellen Rahmens
                                               und in Formulierung und Umsetzung von
                                               bspw. bilateralen Abkommen. Weiterhin wer-
                                               den Mitgliedstaaten aufgefordert, effektive
                                               und nachhaltige Gesundheitspersonalplanung
                                               sowie Aus- und Weiterbildung zu betreiben,
                                               damit Gesundheitsfachkräfte langfristig ge-
                                               bunden werden (WHO 2010).

 2012        Europäische     Action Plan for   Aktionsplan zur Förderung der gemeinsamen
             Kommission      EU Health         Zusammenarbeit der Länder der EU. Ziel war
                             Workforce         es, die Planung und Prognose von Gesund-
                                               heitsfachkräften zu verbessern, zukünftige
                                               Qualifikationsbedarfe zu antizipieren sowie
                                               die berufliche Weiterbildung kontinuierlich zu
                                               verbessern (Europäische Kommission o. J.a)

 2013-       Europäische     Joint Action      Die Initiative sollte für Partner aus 28 europäi-
 2016        Kommission      Health Work-      schen Ländern eine gemeinsame Plattform
                             force Planning    zur Zusammenarbeit und zum Wissensaus-
                             and Forecasting   tausch bieten. Ziel war die Unterstützung in
                                               der Gesundheitspersonalplanung und -prog-
                                               nose (Europäische Kommission o. J.a; Europäi-
                                               sche Kommission o. J.b)

 Seit        WHO             Global Strategy   Richtet sich hauptsächlich an Planer und poli-
 2015                        on Human Re-      tische Entscheider der WHO-Mitgliedstaaten.
                             sources for       Verfolgt u. a. die Ziele: (1) evidenzbasierte Ge-
                             Health: Work-     sundheitspersonalpolitik, z. B. zur Leistungs-
                             force 2030        und Qualitätssteigerung sowie Stärkung der
                                               Gesundheitssysteme, (2) Abstimmung von In-
                                               vestitionen in Personalplanung mit künftigen
                                               Bevölkerungsbedarfen und den Gesundheits-
                                               systemen, um Engpässe zu beheben und Be-
                                               schäftigte im Gesundheitswesen besser zu
                                               verteilen, (3) Auf- bzw. Ausbau institutioneller
                                               Kapazitäten auf verschiedenen Ebenen mit
                                               dem Ziel einer effektiven Public Policy, Füh-
                                               rung und Governance hinsichtlich Human Re-
                                               sources, (4) Ausbau bzw. Stärkung u. Monito-
                                               ring des Datenbestandes zu Human Resources
                                               sowie Sicherstellung der Implementierung
                                               von Strategien auf regionaler, nationaler u.
                                               globaler Ebene (WHO 2016; WHO 2020c).
IGES                                                                                      25

  Jahre   Institutionen   Initiativen       Beschreibungen

  Seit    ILO/OECD/WHO    High-Level        Die von der UN eingesetzte Kommission soll
  2016                    Commission on     Maßnahmen zur Förderung und Schaffung
                          Health Employ-    von Arbeitsplätzen im Gesundheits- und Sozi-
                          ment and Eco-     alsektor entwickeln, um ein integratives Wirt-
                          nomic Growth      schaftswachstum voranzutreiben, wobei den
                          (HEEG)            Bedürfnissen der Länder mit niedrigem und
                                            niedrig-mittlerem Einkommen besondere Auf-
                                            merksamkeit geschenkt werden soll (WHO
                                            2020b).

  Seit    Europäische     Support for the   Expertennetzwerk für Planung und Progno-
  2017    Kommission      health work-      sen, das u. a. folgende Zielsetzungen verfolgt:
                          force planning    (1) Bildung von Expertennetzwerken zur Wis-
                          and forecasting   sensstrukturierung und zum Wissensaus-
                          expert network    tausch, sowie Aufbau einer gemeinsamen
                          (SEPEN)           Plattform,
                                            (2) Kartierung nationaler Strategien für Ge-
                                            sundheitsfachkräfte, (3) Förderung und Aus-
                                            tausch von Wissen und bewährten Verfahren
                                            der Gesundheitspersonalplanung in Work-
                                            shops,
                                            (4) ggf. länderspezifische Unterstützung hin-
                                            sichtlich der Umsetzung einer Gesundheits-
                                            personalplanung (Europäische Kommission o.
                                            J.a)

Quelle:          IGES

Die dargestellten Initiativen standen bzw. stehen federführend unter der Leitung
der Institutionen WHO, ILO, OECD sowie der Europäischen Kommission. Im Rah-
men der High-Level Commission on Health Employment and Economic Growth
kommt es innerhalb einer Initiative zur institutionellen Kooperation von WHO, ILO
und OECD. Zum Teil sind Initiativen so angelegt, dass sie auf den Resultaten und
der Arbeit der vorangegangenen Aktionen aufbauen, wie im Fall von SEPEN (Sup-
port for the health workforce planning and forecasting expert network), das ein
Folgeprojekt der Joint Action Health Workforce Planning and Forecasting ist. Die
Finanzierung beider Initiativen wurde im Rahmen des EU-Gesundheitsprogramms
sichergestellt, unter Federführung der Europäischen Kommission (Europäische
Kommission o. J.a). Die Kommission betont die Notwendigkeit, Aktivitäten zur Ge-
sundheitspersonalplanung und -prognose länderübergreifend zu koordinieren,
was sich im Aufbau europaweiter Expertennetzwerke und Foren zum gemeinsa-
men Austausch widerspiegelt (ebd.). Insgesamt liegt der Fokus der vorgestellten
Initiativen größtenteils darauf, Gesundheitsfachpersonal bedarfsgerecht zu planen
und zu prognostizieren, Fachkräfte dem Bedarf entsprechend im Land zu qualifi-
zieren und mittels guter Arbeitsbedingungen dauerhaft im Land zu binden.
IGES                                                                              26

4.       Überblick über die Fachkräftesituation in der Pflege
         weltweit (Literaturrecherche)
Einen globalen Überblick über die Fachkräftesituation in der Pflege ermöglicht eine
aktuelle Studie der WHO (WHO 2020a). In dieser finden sich Daten zu den Pflege-
berufen in 191 WHO-Mitgliedsstaaten. Der Bericht liefert Angaben zu Anzahl und
Art der beschäftigten Pflegepersonen in den jeweiligen Ländern, Beschreibungen
zur Pflegeausbildung und zu Qualifikationsniveaus, zur Regulierung der Pflegeaus-
bildung und der Arbeitsbedingungen, zu Migration etc.
Daten zum Pflegepersonal werden jeweils aggregiert für die sechs WHO-Regionen
dargestellt: Afrika (African Region), Amerika (Region of the Americas), Südostasien
(South-East Asia Region), Europa (European Region), östlicher Mittelmeerraum
(Eastern Mediterranean Region) und der westpazifische Raum (Western Pacific Re-
gion). Eine Übersicht, welche Länder den einzelnen Regionen zugeordnet sind, ist
im Anhang zu finden (siehe Anhang A1).

4.1      Klassifikation der Berufsabschlüsse des Pflegepersonals
Für den internationalen Vergleich werden Berufe, wie auch die Pflegeberufe, ei-
nem international gültigen monohierarchischen Klassifikationsschema für Grup-
pen von Berufen zugeordnet, der International Standard Classification of Occupa-
tions (ISCO, deutsch: Internationale Standardklassifikation der Berufe). Die
Zusammenstellung dieser Systematik erfolgte durch die International Labour Or-
ganization (ILO). Die aktuelle Fassung ist die ISCO-08. In dieser Klassifikation wer-
den Pflegekräfte unterschiedlicher Berufsabschlüsse abgebildet. Zwei Berufsab-
schlüsse, die im Fokus der Erhebung der WHO 2020 liegen, sind Pflegefachkräfte
(professional nurse) mit dem ISCO-Code 2221 und Pflegehilfskräfte (associate pro-
fessional nurse) mit dem ISCO-Code 3221 (WHO 2020a: 8).
Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Ausbildungswege, das Aufgabenspek-
trum und das Rollenverständnis von beispielsweise Pflegefachkräften von Land zu
Land verschieden sein kann (WHO 2020a: 9). Dies wird im Bericht an den unter-
schiedlichen Berufsbezeichnungen des Pflegepersonals verdeutlicht. Folgende Ab-
bildung 3 gibt einen Einblick, wie viele Berufsbezeichnungen für das Pflegeperso-
nal in den einzelnen WHO-Regionen existieren und spiegelt damit auch das
unterschiedliche Verständnis von „Pflegepersonal“ wider:
IGES                                                                             27

Abbildung 3:    Anzahl der verschiedenen Berufsbezeichnungen für Pflegeperso-
                nal pro WHO-Region (Berufsabschlüsse und Spezialisierungen in
                der Pflege)

       40
       35                               32                        31
       30
       25
               20                                                         19
       20
       15                  11                        10
       10
          5
          0

Quelle:         Eigene Darstellung IGES, auf Grundlage von WHO 2020a: 9

Es ist zu beachten, dass Leistungen im Bereich „Pflege“ in einem multidisziplinären
Gesundheitssystem nicht nur von Pflegekräften erbracht werden, sondern in der
Regel weitere Berufsgruppen involviert sind. Je nach Tätigkeitsspektrum könnten
dabei z. B. "nurse aides" in der ISCO-Klassifikation als Gesundheitsassistenten ein-
geordnet werden und damit nicht zu den Pflegekräften im engeren Sinne zählen.
Bei der Länderabfrage der WHO konnten 2,6 Millionen (9 %) „Pflegekräfte“ (gem.
Berufsbezeichnung) keiner der beiden Kategorien „professional nurse“ oder
„associate professional nurse“ zugeordnet werden, da deren Aufgabenbereiche
über den der „Pflege“ deutlich hinausgehen (WHO 2020a: 108).
In einigen Ländern ist auch die eindeutige Zuordnung verschiedener Qualifika-
tionsniveaus zu Pflegefach- und Pflegehilfskräften schwierig. Wenn keine trenn-
scharfe Beurteilung möglich war, konsultierte die WHO nationale Stakeholder.
Diese wurden gebeten, unter Berücksichtigung der Rollen und Verantwortlichkei-
ten der Berufsgruppe zu entscheiden, ob diese eher als Fach- oder Hilfskräfte ein-
zuordnen sind. Als Entscheidungshilfe galt, dass eine Pflegefachkraft eine Min-
destausbildungsdauer von drei Jahren absolviert haben muss. Falls ein Land diese
Entscheidung nicht treffen konnte, gab es die Möglichkeit, die Klassifikation zu um-
gehen und die betreffenden Berufsgruppen in eine Kategorie zu sortieren, die als
„nicht näher bezeichnete Pflegekräfte“ definiert war (WHO 2020a: 108).
IGES                                                                                      28

In der ISCO-08 werden die Pflegefach- und -hilfskräfte anhand ihrer Aufgaben in
der Pflege unterschieden. Dabei ist zusammenfassend zu sagen, dass die Pflege-
fachkräfte Verantwortung für Planung und Management der Pflege von Patienten
tragen, autonom oder in Teams mit Ärzten und anderen Berufsgruppen arbeiten.
Die Pflegehilfskräfte hingegen bieten eine grundlegende pflegerische und persön-
liche Betreuung und arbeiten in der Regel unter Aufsicht und Anleitung einer Fach-
kraft oder zur Unterstützung von medizinischem, therapeutischem oder anderem
Gesundheitspersonal (WHO 2020a: 108) (siehe auch folgende Tabelle 4):

Tabelle 4:       Unterscheidung der Aufgaben von Pflegefach- und -hilfskräften
                 auf Basis des ISCO-Systems (Tätigkeitsprofile Pflege)

 Aufgabenfeld         Aufgaben von Pflegefachkräften         Aufgaben von Pflegehilfskräf-
                                                             ten

 Pflegeprozess        Planung, Durchführung und Bewer-       Durchführung von Pflege, per-
                      tung der Pflege von Patienten          sönlicher Betreuung und Ver-
                                                             sorgung von Patienten

 Versorgungskoordi-   Koordination der Versorgung von Pa-    Gesundheitsberatung der Pati-
 nation und Bera-     tienten in Absprache mit anderen Be-   enten gemäß den Pflegeplä-
 tung                 rufsgruppen innerhalb der Gesund-      nen von anderen Berufsgrup-
                      heitsberufe                            pen der Gesundheitsberufe

 Pflegeplanung und    Entwicklung und Umsetzung der Pfle-    Unterstützung bei der Planung
 -durchführung        geplanung in Zusammenarbeit mit an-    und dem Management der
                      deren Gesundheitsfachkräften           Pflege einzelner Patienten

 Durchführung und        Planung und Durchführung von          Verabreichung von Medi-
 Überwachung von          persönlicher Betreuung, Behand-        kamenten und anderen
 Therapien                lungen und Therapien                   Behandlungen an Patien-
                         Verabreichung von Medikamen-           ten
                          ten                                   Überwachung des Zustan-
                         Überwachung der Reaktionen auf         des der Patienten und Re-
                          die Behandlung oder Pflege             aktionen auf die Behand-
                                                                 lung
                                                                Überweisung von Patien-
                                                                 ten an einen Angehörigen
                                                                 eines Gesundheitsberufs
                                                                 zur spezialisierten Versor-
                                                                 gung nach Bedarf

 Wundversorgung       Wundreinigung und Versorgung mit       Wundreinigung und Versor-
                      Verbänden                              gung mit Verbänden

 Schmerz-/Notfall-       Überwachung von Schmerz und        Unterstützung bei der Ersten
 behandlung               Unwohlsein bei Patienten und       Hilfe in Notfällen
                          Linderung von Schmerzen durch
                          Therapien
                         Verabreichung schmerzstillender
                          Medikamente

 Gesundheitsförde-    Planung und Beteiligung an gesund-
                      heitserziehenden Programmen, z. B.
IGES                                                                                          29

    Aufgabenfeld           Aufgaben von Pflegefachkräften         Aufgaben von Pflegehilfskräf-
                                                                  ten

    rung und Präven-       zur Gesundheitsförderung und Ge-
    tion                   sundheitskursen für Patienten

    Weitergabe von In-     Beantwortung von Fragen von Patien-    Aktualisierung von Informatio-
    formationen über       ten und deren Angehörigen und Be-      nen über den Zustand und Be-
    den Gesundheitszu-     reitstellung von Informationen über    handlungen der Patienten aus
    stand von Patienten    die Prävention von Gesundheitsprob-    der Patientenakte/dem Pfle-
                           lemen, Behandlung und Pflege           gedokumentationssystem

    Koordinierung und      Koordinierung und Anleitung anderer
    Anleitung anderer      Gesundheitsberufe im Behandlungs-
    Gesundheitsberufe      prozess
    im Behandlungspro-
    zess

    Pflegeforschung        Durchführung von Forschung über
                           Pflegepraktiken und Verfahren

Quelle:               Eigene Darstellung IGES, auf Grundlage von WHO 2020a: 109

4.2        Daten zum Pflegepersonal weltweit
27,9 Millionen Pflegekräfte waren im Jahr 2018 weltweit tätig, von denen zwei
Drittel (19,3 Millionen) zu den Pflegefachkräften (professional nurses) gehörten.
Etwa 6 Millionen Pflegekräfte gehören der Gruppe der Pflegehilfskräfte an (associ-
ate professional nurses) und 2,6 Millionen konnten nicht eindeutig zugeordnet
werden (siehe auch Abschnitt 4.1).1 Die Anzahl der Pflegekräfte gesamt ist im Zeit-
raum von 2013 bis 2018 etwa um 4,7 Millionen gestiegen (WHO 2020a: 38). Welt-
weit gehört damit das Pflegepersonal (bestehend aus professionellen Pflegekräf-
ten und Pflegehilfskräften) zu der größten Gruppe im Gesundheitssektor (59 %
aller Beschäftigungsgruppen im Gesundheitssektor) (WHO 2020a: 37).

4.2.1      Regionale Verteilung, Dichte des Pflegepersonals
Die Personalressourcen in der Pflege sind weltweit sehr ungleich verteilt. Über
80 % des weltweiten Pflegepersonals ist in Ländern tätig, die zusammen die Hälfte
der Weltbevölkerung repräsentieren. Abbildung 4 veranschaulicht die großen Un-
terschiede in der Dichte des Pflegepersonals, wobei die niedrigsten Werte in den
Regionen Afrika, Südostasien und dem Östlichen Mittelmeerraum sowie einigen
Ländern in Lateinamerika zu finden sind:

1
     Nicht alle teilnehmenden Länder konnten Daten zum Pflegepersonalbestand für das Jahr 2018
     liefern, sondern stellten Daten aus vorherigen Jahren zur Verfügung. In diesen Fällen wurden
     diese Pflegepersonal-Bestandsdaten auf Basis der Daten zur Bevölkerung im Jahr 2018 hochge-
     rechnet.
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