Change Management in Fachverlagen

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Change Management in Fachverlagen
Brancheninformationen der Deutschen Fachpresse                         Nr . 2

Change Management
in Fachverlagen
                     Am Beispiel der Einführung
                     eines Redaktionssystems

                     Eine Studie von
                     Ehrhardt F. Heinold und PD Dr. Svenja Hagenhoff

                     Unter Mitarbeit von
                     Vitus Graf, Ludger Simon, Simone Pfahler,
                     Marie Schulte und Stefanie Sohn
Change Management in Fachverlagen
Inhalt
                                                                     Change Management
                                                                     in Fachverlagen
                                                                     Am Beispiel der Einführung
                                                                     eines Redaktionssystems

                                                                     S. 1, 2 © vladislav susoy - Fotolia.com
                                                                     S. 1 © olly - Fotolia.com
                                                                     S. 1 © vege - Fotolia.com

1	Management Summary. .  .  .  .  .  . 3                            4       Interviews mit
                                                                             Herstellungsleitern. .  .  .  .  .  .  .  .  . 27
2	Ausgangssituation:
   Change Management und                                             4.1     Olaf Wendenburg, Bauverlag BV . . . . . . . . 27
   Redaktionssysteme . .  .  .  .  .  .  .  .  . 5                   4.2     Vitus Graf, Deutscher Ärzte-Verlag. . . . . . . 29
                                                                     4.3     Ludger Simon, Schlütersche
2.1    Fachverlage im Wandel –                                               Verlagsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
       Veränderung als Herausforderung. . . . . . . . 5
2.2    Wertschöpfung in Fachverlagen. . . . . . . . . . 6            5       Fazit und Empfehlungen. .  .  .  .  . 32
2.3    Einführung von Redaktionssystemen . . . . . . 7
2.3.1 Redaktionssysteme als Grundlage für                            5.1     Planung eines Change-Prozesses. . . . . . . . 32
       modernes Content Management. . . . . . . . . 7                5.2     Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.2 Herausforderungen und Anforderungen . . . . 8
                                                                     6       Anhang. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 36
2.4    Change Management. . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.4.1 Veränderung als Prozess . . . . . . . . . . . . . 10           6.1     Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.4.2 Wirkungsebenen von Veränderungen. . . . . 10                   6.2     Abbildungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.4.3 Change Management als Methode. . . . . . . 12                  6.3     Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.4.4 Grundlegende Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . 12          6.4     Impressum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.4.5 Erfolgfaktoren und Instrumente beim
      Change Management. . . . . . . . . . . . . . . . 16

3      Fallstudien. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 21

3.1    Methodische Vorbemerkungen . . . . . . . . . 21
3.2    Darstellung der Ergebnisse. . . . . . . . . . . . 21
3.2.1 Ausgangssituation und
      Veränderungsprojekt. . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.2.2 Auslöser der Veränderung. . . . . . . . . . . . . 23
3.2.3 Ziele der Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.2.4 Wirkungsebenen der Veränderung. . . . . . . 24
3.2.5 Change Management-Ansätze. . . . . . . . . . 25

             Change Management in Fachverlagen                                                                                             2
Change Management in Fachverlagen
1 Management                                              meist sowohl interne als auch externe Zielsetzungen
                                                          eine wichtige Rolle.
Summary
                                                          Erreicht werden können diese Ziele auf vielfältige Wei­
 Die Studie „Change Management in Fach­                   se. Grundsätzlich lassen sich die Herangehensweisen
 verlagen“ untersucht auf der Basis eines                 aber nach drei Change Management-Konzepten klas­
 theo­retischen Analyserahmens und anhand                 sifizieren.
 von zwei empirischen Fallbei­spielen,
 dem Deutschen Ärzte-Verlag und der                       1.    ei der Organisationsentwicklung handelt es
                                                               B
­Schlüterschen Verlagsgesellschaft, welche                     sich um einen „Bottom up“-Ansatz unter starker
 Veränderungs­prozesse bei der Einführung von                  Beteiligung der Betroffenen.
 Redaktionssystemen in Fachmedien­häusern                 2.    as Business Process Reengineering stellt
                                                               D
 ausgelöst werden – und wie Fachverlage mit                    einen „Top Down“-Ansatz dar, bei dem Zielvorga­
 diesen umgehen.                                               ben im Vordergrund stehen.
                                                          3.    as Transformationsmanagement ist ein
                                                               D
Zentrales Ergebnis ist: Die Veränderungsprozesse               neues Konzept, das sowohl durch Zielvorgaben
bei der Integration einer verlagsübergreifenden Soft­          als auch durch Mitarbeiterpartizipation bestimmt
ware sind tiefgreifend und umfassend. Sie können               ist.
auf vier verschiedenen Managementebenen im Verlag
nachgewiesen werden: in der Ablauforganisation, der       Nicht empfehlenswert ist ein reines Business Process
Aufbauorganisation, der Unternehmenskultur und im         Reengineering, da es die Interessen der Beteiligten
Bereich Technologie. Zudem betreffen sie nahezu alle      am wenigsten berücksichtigt. Es kam auch in keiner
Verlagsabteilungen – von der Redaktion über die Her­      der Fallstudien zur Anwendung. In den untersuchten
stellung und die IT bis zur Anzeigenabteilung. Ursa­      Fallbeispielen wurden die Organisationsentwicklung
che hierfür ist die Tatsache, dass Redaktionssysteme      und das Transformationsmanagement umgesetzt.
in das Management von Inhalten und in die Erstellung
und Publikation von Verlagsprodukten eingreifen –         Die Wahl eines Change Management-Konzepts bringt
und damit die Kernprozesse eines jeden Fachverlags        ein Set von Change-Instrumenten mit sich, die den Er­
betreffen. Da an diesen Abläufen viele Abteilungen be­    folg eines Change-Prozesses unterstützen. Sie wer­
teiligt sind, wirken sich auch die Veränderungen abtei­   den deshalb im Folgenden auch Erfolgsfaktoren ge­
lungsübergreifend aus.                                    nannt. Für die Einführung eines Redaktions­systems
                                                          in Fachverlagen sind aus Sicht der Autoren elf
Die konkreten Veränderungsprozesse sind in jedem          ­Instr­umente besonders relevant, diese werden des­
Verlag verschieden. Sie resultieren u.a. aus der je­       halb in den Fallbeispielen näher betrachtet. Dabei
weiligen Zielsetzung, dem zugrunde liegenden Chan­         zeigt sich, welche Rolle sie jeweils für den Erfolg des
ge Management-Konzept und den gewählten Change-            Veränderungsprojekts spielen und wie sie strategisch
Instrumenten. Die Studie zeigt jedoch, dass die Pro­       eingesetzt werden können. Hier ein Überblick über
zesse sich in ein Raster einordnen lassen, auf dessen      die ausgewählten Change-Instrumente und ihre Wirk­
Basis sie steuerbar sind.                                  weisen:

Ankerpunkt des Analyserasters sind die Zielsetzungen      Die Vision der Unternehmensführung ermöglicht, den
für den Veränderungsprozess. Hierzu zählen zunächst       Wandel aktiv voranzutreiben, Mitarbeiter zu motivie­
externe Zielsetzungen wie etwa der Wunsch, Entwick­       ren und Widerstände zu überwinden. Häufig wird die­
lungen des Markts und der Mediennutzung der Fach­         se Aufgabe von einer Person übernommen, die Initia­
verlagskunden nachzukommen. Aber auch interne             tor des Wandels ist und die Vision verkörpert. Die Ver­
Ziele wie Prozessoptimierung, Automatisierung oder        lagsleitung sollte die Modernisierung der technischen
abteilungsübergreifende Zusammenarbeit können             Infrastruktur und alle daraus resultierenden Verände­
Ausgangspunkte des Veränderungsprozesses sein.            rungen aktiv und konstruktiv begleiten.
Bei der Einführung eines Redaktionssystems spielen

            Change Management in Fachverlagen                                                                   3
Change Management in Fachverlagen
Das Commitment zum Wandel, also die freiwilli­            Prozessanalyse und -modellierung gehören zum
ge Selbstverpflichtung, sich mit dem Veränderungs­        Standardwerkzeug eines jeden technologischen Inno­
prozess zu identifizieren, ist ebenfalls von zentraler    vationsprozesses. Sie schließen gute Prozesskennt­
Bedeutung. Sie kann auf Ebene der Mitarbeiter etwa        nis mit ein und können beispielsweise in Form eines
den Wunsch bewirken, effizienter und strukturierter       kleinen Handbuches Ausdruck finden.
als bisher zu arbeiten – so auch in den Fallstudien.
Dadurch wird der Veränderungsprozess positiv wahr­        Zur genauen Planung der Vorgehensweise bei
genommen und etwa mit der Hoffnung verknüpft,             der Implementierung der Software zählen etwa die
Arbeits­erleichterungen zu erhalten. Die Studie zeigt,    Absprache mit dem Softwareanbieter zur Anpassung
dass in diesem Zusammenhang Promotoren, die das           des Redaktionssystems oder Tests, die mögliche
neue System gut kennen und neuen Prozessen unein­         Fehler auffindbar machen. Die Rückkopplung aus
geschränkt positiv gegenüberstehen, eine wichtige         Tests und Life-Betrieb ermöglicht zudem die konti­
Rolle übernehmen.                                         nuierliche Verbesserung des Systems.

Die Kommunikation der Projektverantwortlichen mit         Ein professionelles Projektmanagement muss ein
den betroffenen Mitarbeiter gewährleistet, die betrof­    Gleichgewicht zwischen übergreifender Planung und
fenen Personen während des Change-Prozesses im­           laufender Anpassung finden. Denn ein starres Fest­
mer wieder motivieren und informieren zu können.          halten an einmal erstellten Plänen ist nicht zielfüh­
Empfehlenswert ist etwa, gezielt Befindlichkeiten bei     rend, wenn sich herausstellt, dass diese nicht sinnvoll
den Mitarbeitern abzufragen und auftretende Pro­          umsetzbar sind. Das Projektmanagement muss mit
bleme unmittelbar anzugehen. Daneben ist ein gutes        einem ausreichenden Maß an Flexibilität reagieren,
Verhältnis der Mitarbeiter untereinander – insbeson­      ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren.
dere bei der abteilungsübergreifenden Zusammen­
arbeit mit dem neuen System – sehr förderlich.            Externe Berater können etwa in der Implemen­tie­
                                                          rungs­phase als Coaches Unterstützung leisten. Sie
Partizipation entsteht durch aktive Einbeziehung          sollten einem ähnlich systematischen Auswahlprozess
der Betroffenen. Sie kann zum Beispiel in sogenann­       wie alle anderen Dienstleister unterzogen werden.
ten Change-Runden, in denen Probleme in Prozessen
oder am System diskutiert werden, ermöglicht wer­         Die Nachhaltigkeit der Technologie wurde als
den. Zudem können Mitarbeiter in Entwicklungs- und        Erfolgs­faktor aus den Fallstudien abgeleitet. Dieser
Testphasen mit einem Vorabzugriff auf das künftige        Aspekt soll sicherstellen, dass die angeschaffte Soft­
System eingebunden werden. Eine weitere Möglich­          warelösung sich nicht in wenigen Jahren als technolo­
keit ist das „Power User“-Konzept: Hier werden aus­       gisch überholt erweisen wird.
gewählte Nutzer zu zentralen Ansprechpartnern für
das Redaktionssystem ausgebildet.                         Struktur der Studie
                                                          Die Studie ist in zwei Bereiche gegliedert. Der er­
Im Bereich Qualifikation können Mitarbeiterschu­          ste Teil entwickelt einen auf Fachverlage und die
lungen „On the Job“ und „Off the Job“ durchgeführt wer­   Einführung von Redaktionssystemen abgestimmten
den. Vorteil der „On the Job“-Schulung ist das bereits    Analyse­rahmen. Hierin werden die oben vorgestellten
bekannte Arbeitsumfeld, Vorteil bei Schulungen „Off the   Zielsetzungen, Change Management-Konzepte und
Job“ die Gelegenheit, sich abseits des Arbeitsumfeldes    Change-Instrumente detailliert erläutert. Der ­zweite
voll und ganz dem neuen System widmen zu können.          Teil zeigt anhand zweier Fallbeispiele, dem Deut­
                                                          schen Ärzte-Verlag und der Schlüterschen Verlags­
Zentral für den Umgang mit Widerständen ist die           gesellschaft, wie der Analyserahmen in der Praxis an­
Information, dass Unzufriedenheit häufig aus Unwis­       gewandt werden kann.
senheit resultiert. Hier greifen deshalb Schulungen
und kontinuierliche Kommunikation sowie Promo­            Gleich, für welche Methode und welche Instrumente
toren, die als gutes Beispiel vorangehen und die Stär­    sich ein Fachverlag entscheidet: Jeder Führungskraft
ken des neuen Systems aufzeigen können.                   sollte klar sein, dass technische Innovationen Verän­

            Change Management in Fachverlagen                                                                  4
Change Management in Fachverlagen
derungsprojekte sind, die auch als solche gemanagt                Redaktionssystems. Das Thema klingt nach einem
werden sollten. Das gilt in besonderem Maß für den                rein technologischen Vorgang, bei dem „nur“ ein
Einsatz von Redaktionssystemen. Diese greifen ele­                neues IT-System angeschafft und implementiert wird.
mentar in den Kernprozess von Verlagen ein, die                   Doch die vorliegende Studie zeigt, wie tief der notwen­
Medien­­erstellung und -vermarktung, und beeinflussen             dige Eingriff in bestehende Geschäftsprozesse ist.
damit das Hauptanliegen eines Fachverlages: die sich
ständig ändernden Kundenbedürfnisse in einer sich                 Fachverlage sind, das ist eine Binsenweisheit, „people
wandelnden Medienwelt noch besser zu bedienen.                    business“, also ein Geschäft, das ganz wesentlich auf
                                                                  den Leistungen seiner Mitarbeiter basiert. Wie anders

2 Ausgangssituation:
                                                                  könnte ein Fachverlag erfolgreiche Medien­produkte
                                                                  erstellen und vermarkten? So betrifft jede Verände­

Change Management                                                 rung von Geschäftsprozessen nicht nur die techno­
                                                                  logische Infrastruktur, nicht nur die Abläufe, sondern

und Redaktionssysteme                                             insbesondere die Mitarbeiter: Sie müssen gewohnte
                                                                  Arbeitsweisen verändern, um die Möglichkeiten eines
                                                                  Redaktionssystems auszuschöpfen.
2.1 Fachverlage im Wandel –
                                                                  Ein solcher Veränderungsprozess sollte immer ge­
Veränderung als Herausforderung
                                                                  meinsam mit den betroffenen Mitarbeitern gestaltet
Fachverlage wandeln sich. Die Veränderungen finden                werden. Geschieht das nicht, können gravierende
auf vielen Ebenen statt und werden durch zahlreiche               Auswirkungen folgen – von ineffizienter Arbeit bis hin
Faktoren ausgelöst. In der vorliegenden Studie soll               zu Kündigungen, wie eine Untersuchung der Unter­
ein solcher Wandlungsprozess exemplarisch an einem                nehmensberatung Cap Gemini aus dem Jahr 2008
Thema untersucht werden: an der Einführung eines                  ergeben hat (siehe Abbildung 1). 1

 Welche negativen Effekte treten Ihrer Meinung nach besonders häufig auf, wenn das
 Thema Change Management in Unternehmen vernachlässigt wird?

        Ineffizientes Arbeiten durch fehlende/unzureichende                                                      79 %
                Informationen über den Veränderungs-Prozess                                                         82 %

           Bewusstes Agieren gegen die Veränderung (z.B.                                                     73 %
                            Blockieren, Verzögern, Vermeiden)                                                   77 %

        Ineffizientes Arbeiten durch fehlende/unzureichende                                        42 %
               Informationen über das Veränderungs-Ergebnis                                        41 %

 Häufigere Unterbrechungen der Arbeit (z.B. Diskussionen                                           42 %
     mit Kollegen, privates Internetsurfen, längere Pausen)                             31 %

                                             Höhere Fluktuation                21 %
                                                                                   26 %

                                         Höherer Krankenstand        11 %                                       2007
                        (z.B. Krankschreibung, blauer Montag)     5%                                            2005

Abbildung 1:   Effekte bei der Vernachlässigung von Change Management

                                                                  1 Cap Gemini (2008), Seite 55.

                 Change Management in Fachverlagen                                                                        5
Change Management (CM) ist also eine zentrale Auf­                            dass es ohne die Unterstützung durch geeignete Soft­
gabe der Verlagsführung. Die unterschiedlichen CM-                            waresysteme nicht mehr wirtschaftlich handhabbar
Methoden bieten eine Reihe von bewährten Verfahren                            ist. Moderne Redaktionssysteme unterstützen den
und Instrumenten, um die Mitarbeiter im Wandel mit­                           Publikationsprozess, immer mehr Verlage entschei­
zunehmen – von der Kommunikation über Partizipa­                              den sich deshalb für ein solches System.
tion bis hin zur transparenten Führung (siehe Abbil­                          Bei der Einführung eines Redaktionssystems steht
dung 2).2                                                                     die Unterstützung des verlegerischen Kernprozesses

  Welche Erfolgsfaktoren waren bei erfolgreichen Veränderungsprozessen in Ihrem Unternehmen
  ausschlaggebend?

                     Mobilisierung und Commitment sicherstellen                                                                                          60 %

            Organisation und Prozesse erfassen und designen                                                                     42 %

             Situationen und Umfeld analysieren und verstehen                                                               39 %

                                                      Führung fördern                                                 35 %

       Konflikte und Widerstände reduzieren oder vermeiden                                                26 %

                                 Erfolge identifizieren und verankern                              21 %

                                 Ausrichtung und Alignment forcieren                            20 %

           Strukturen und Monitoring entwickeln und aufbauen                                17 %

                                               Kultur weiterentwickeln                     16 %

                                        Qualifizierung und Entwicklung                    15 %
                                    zielgruppenorientiert durchführen

Abbildung 2:    Erfolgsfaktoren bei Change Management-Projekten
                                                                              im Mittelpunkt. Die zentrale Wertschöpfungskette in
2.2 Wertschöpfung in Fachverlagen                                             Fachverlagen unterscheidet sich prinzipiell nicht von
                                                                              der anderer Medienunternehmen. Sie reicht von der
Fachverlage stehen vor der Herausforderung, ihren                             Erstellung der Inhalte bis zu deren Vermarktung. Im
Kunden alle Mediengattungen und alle Inhaltetypen zu                          Fokus steht dabei immer das Management von In­
bieten.3 Das Management dieses mehrmedialen und                               halten. Fachverlage organisieren sich entlang dieser
mehrkanaligen Publikationsszenarios ist so komplex,                           Wertschöpfungskette (siehe Abbildung 3).4

Produktkonzeption:
                                 Content-        Aufbereitung &      Distribution         Vermarktung                Media-               Abrechnung:
   Kunde, Markt,
                                  Erstellung     Konfektionierung   und Publishing         der Medien               Vermarktung           Erlöse, Honorare
    Wettbewerb

Abbildung 3:    Standardmodell einer Wertschöpfungs­kette in Verlagen

2 Cap Gemini (2008), Seite 43.                                                4 Die Ausführungen in diesem Kapitel basieren auf Hagenhoff (2009), S. 12 - 23.

3 Steinröder / Pitz (2009).

                   Change Management in Fachverlagen                                                                                                           6
Die optimale Unterstützung von Wertschöpfungsket­                               ponenten:
ten und den darauf basierenden Geschäftsprozessen                                 Das Editorial System unterstützt die Erstellung
ist die Kernaufgabe von Redaktionssystemen.                                          und Bearbeitung von Inhalten jedweder Art.
                                                                                   Das Content Repository organisiert die zentra­
2.3 Einführung von Redaktionssystemen                                                le Speicherung der erstellten Inhalte. Hierbei sind
                                                                                     vier Aspekte besonders zu beachten: die Tren­
2.3.1 Redaktionssysteme als Grundlage für                                            nung von Inhalt und Form, die Abbildung von Mi­
modernes Content Management                                                          kro- und Makrostrukturen (z.B. Artikel und Zeit­
Redaktionssysteme sind Softwareanwendungen, die                                      schrift), die Abbildung dynamischer Medientypen
die Erstellung von Verlagsmedien unterstützen. Ur­                                   (Audio und ­Video) sowie der gleichzeitige Zugriff
sprünglich wurden Redaktionssysteme für die Erstel­                                  verschiedener Benutzer auf den Inhalt (Workflow-
lung von Printprodukten, vor allem von Zeitungen und                                 Unterstützung).
Zeitschriften, eingesetzt. Inzwischen haben viele die­                              Das Publishing System sorgt für die Medienaus­
ser Systeme ihren Funktionsumfang erweitert und                                      gabe und ist die Softwarekomponente, die vom
werden zum Management von Inhalten jeder Art und                                     Zielmedium am stärksten abhängig ist.
für die Produktion in allen Medienformaten (print, off­
line, online, mobil) verwendet. Redaktionssysteme                               Auf dem Markt gibt es eine Reihe von Redaktions­
wandeln sich so zu allgemeinen Content Management-                              systemen mit sehr unterschiedlichen Ansätzen. Aller­
Systemen (CMS), die die gesamte Wertschöpfungs­                                 dings stellt sich der Markt als sehr intransparent dar.
kette in Fachverlagen abbilden (siehe Abbildung 4).5                            Seine Größe kann weder in Umsatz noch in Anzahl der

                                                                  Teamunterstützung

                                                                 Planung und Kontrolle

                               Erzeugung/        Zusammen­
         Recherche                                                 Gestaltung           Prüfung         Freigabe      Archivierung
                                 Pflege            stellung

                                      Bereitstellung der technischen Infrastruktur und technische Serviceleistungen

Abbildung 4:   Redaktioneller Workflow in Verlagen

Betriebswirtschaftlich betrachtet kann Content Mana­                            Systemanbieter präzise benannt werden. Das liegt
ge­ment als eine Spezialisierung des Konzepts Mana­                             u.a. darin begründet, dass die Abgrenzung des be­
gement aufgefasst werden, das dispositive und ope­                              trachteten Produkts Redaktionssystem zu verwand­
rative Aufgaben unterscheidet. Die dispositiven Auf­                            ten Systemen wie dem (Web-)Content Management-
gaben umfassen Planung, ­Kontrolle und Be­reitstellung                          System, dem technischen Dokumentations­system,
von Inhalten, die operativen Auf­gaben bestehen aus                             dem Assett Management-System oder auch dem
deren Recherche, Er­zeugung, Beschaffung, Zusam­                                Dokumentenmanagement-System nur schwer mög­
menstellung, Gestaltung, ­Prüfung und Freigabe. Bei­                            lich ist.
de Aufgaben­bereiche werden in Medien­unternehmen
in erster Linie von Content Managern, Erzeugern (z.B.                           Die am Markt angebotenen Lösungen lassen sich gut
Redakteur), Gestaltern (z.B. Layouter), Producern                               mit Hilfe des von Joachim Rawolle entwickelten mor­
(z.B. Chef vom Dienst) und Administratoren wahrge­                              phologischen Kastens systematisieren. Dieser um­
nommen.                                                                         fasst drei Merkmale, die bei der Softwareauswahl von
                                                                                Bedeutung sind: die Anzahl der unterstützten Medien,
Um die genannten Anforderungen erfüllen zu können,                              der funktionale Schwerpunkt und die Flexibilität (siehe
verfügen Redaktionssysteme über drei zentrale Kom­                              Abbildung 5).6
5 In Anlehnung an Rawolle (2002), S. 24.                                        6 Rawolle 2002, S.53.

                  Change Management in Fachverlagen                                                                                   7
Merkmal                                                                                    Ausprägungen

 Anzahl der Zielmedien                                          medienabhängig                                            medienneutral

 Funktionaler Schwerpunkt                       verwaltungsorientiert                     publishing-orientiert              funktional vollständig

 Flexibilität                                               Out of the Box-Systeme                                   Entwicklungswerkzeug

Abbildung 5:    Systematisierungsrahmen für Redaktionssysteme

An der Anzahl der Zielmedien lässt sich unterschei­                        Deshalb sollten Verlage heute ihre Inhalte digital und,
den, ob die Daten nur für definierte Zielmedien oder                       wo möglich, auch als strukturierte Daten verwalten
medien­neutral auch für jene Medien vorgehalten wer­                       und ihr Content Management durch geeignete Soft­
den können, die bei der Planung noch nicht berück­                         waresysteme unterstützen.
sichtigt wurden. Der funktionale Schwerpunkt zeigt
an, ob der Systemfokus auf redaktionellen Aufgaben                         Durch den Einsatz eines Redaktionssystems lassen
wie dem Planen, Erzeugen, Pflegen und Prüfen liegt                         sich vier Haupteffekte erreichen:
(verwaltungsorientiertes System) oder auf Funktiona­
litäten für das Ausliefern von Seiten sowie Persona­                             A
                                                                                  utomatisierung von operativen und organi-
lisierungfunktionen (publishing-orientiertes System).                            satorischen Tätigkeiten: Sie ermöglicht eine Ef­
Systeme, die verwaltungsorientiert und publishing-                               fizienzsteigerung der Arbeitsabläufe und eine Stei­
orientiert arbeiten, werden als funktional vollstän­                             gerung der Qualität der Ergebnisse.
dig bezeichnet. Beim Kriterium Flexibilität wird zwi­                            Integration aller Tätigkeiten des Produktions-
schen „Out of the Box“-Systemen und Entwicklungs­                                 prozesses: Sie vermeidet Format- und Medien­
werkzeugen differenziert. Während „Out of the Box“-                               brüche an Schnittstellen verschiedener Software­
­Systeme sich nur sehr eingeschränkt an die Anfor­                                systeme.
 derungen des Anwenderunternehmens anpassen las­                                 F
                                                                                  lexibilität: Sämtliche Inhalte können mehrmedial
 sen, ­können Entwicklungsumgebungen spezialisierte                              und schnell publiziert werden.
 Produkte und Prozesse unterstützen. Bestandteile                                W
                                                                                  iederverwendung: Inhalte und Layout können
 solcher CMS-Entwicklungswerkzeuge sind beispiels­                               wiederholt eingesetzt werden.7
 weise Editoren, Skriptsprachen und Laufzeitumge­
 bungen.                                                                   Intern müssen dafür die Abläufe neu organisiert,
                                                                           ­Aufgabenfelder der am Prozess Beteiligten verän­
2.3.2 Herausforderungen und Anforderungen                                   dert und neue Möglichkeiten für Verlagsprodukte und
Mit dem Wandel von Fachverlagen zu integrierten                             ­Services entwickelt werden. Davon sind in Fachver­
Medienunternehmen, die ihren Kunden Inhalte auf                              lagen nahezu alle Abteilungen betroffen, wie Tabelle 1
allen Wegen, in allen Medienformaten und auf allen                           zeigt – entsprechend wichtig für den Erfolg der Neu­
Medienkanälen anbieten, ist eine Vielzahl von Anfor­                         strukturierung ist die Einbeziehung der betroffenen
derungen verbunden – vor allem in Bezug auf das                              Mitarbeiter: 8
Management von Inhalten. Zu nennen sind hier ins­
besondere die Konsistenz der Daten über mehrere
Medien hinweg sowie das Einhalten eines Corporate
Designs. Ohne den Einsatz eines Redaktionssystems
sind die Arbeiten in einem modernen Medienunterneh­
men heute kaum noch oder nur auf sehr ineffiziente
Art zu leisten.

                                                                           7 Karla (2006), S. 97 f.

                                                                           8 Heinold, Spiller (2007), S. 34-39 und 109.

                  Change Management in Fachverlagen                                                                                                  8
Abteilung / Bereich            Mögliche Veränderungen
 Redaktion / Lektorat               eue Arbeitsabläufe
                                   N
                                    eue IT-Werkzeuge (z.B. Texteditoren, Workflow-Tools, Asset-Datenbanken)
                                   N
                                    erkürzte Publikationszeiten
                                   V
                                    ontentstrukturierung und Textaufbereitung (Tagging, Metadaten)
                                   C
                                    ehrmediales Publizieren
                                   M
                                    eue Produktformen (z.B. Datenbanken, iPad-Apps)
                                   N
                                    undennutzen statt Produktdenken
                                   K
                                    inbettung in einen dynamischen und integrierten Prozess
                                   E
 Herstellung / Grafik               ontent Management als Kernaufgabe
                                   C
                                    anagement von Produkttypen statt Arbeit am Einzelprodukt
                                   M
                                    entrale Datenablage
                                   Z
                                    roduktübergreifendes Content Management
                                   P
                                    rbeit mit Musterlayout und Stylesheets
                                   A
                                    rozesssteuerung: Vom produkt- zum prozessorientierten Arbeiten
                                   P
                                    tandardisierung und Automatisierung
                                   S
                                    achsende Bedeutung von Team- und Projektmanagement
                                   W
 IT                                 ystemintegration
                                   S
                                    chnittstellen-Management
                                   S
                                    ontent Management
                                   C
 Werbung                            utzung aller Medienkanäle für Werbemaßnahmen
                                   N
                                    roduktion von Werbemitteln über das Redaktionssystem (Veränderungsprojekt
                                   P
                                   vergleichbar mit dem der Redaktion)
                                   Integration in den verlagsweiten Content Management-Prozess
 Vertrieb                           utzung aller Medienkanäle für den Vertrieb
                                   N
                                    ertrieb neuer Produkte
                                   V
 Anzeigen                          Integration in die IT-gesteuerten Planungs- und Abrechnungsprozesse
                                    eue Produkte und Services für Kunden (z.B. Anzeigenerstellung per Internet, Web-to-Print)
                                   N
 Controlling                        eue Controlling-Konzepte für neue Produktionsweisen und Produkte
                                   N
 Geschäftsleitung                   eue Produkte und Geschäftsmodelle
                                   N
                                    anagement eines dynamischen und lernenden Unternehmens
                                   M
                                    anagement von Change-Prozessen
                                   M
                                    udgetierung von langfristig orientierten Investitionen z.B. in Contentaufbereitung oder
                                   B
                                   Software
 Personalabteilung                  eränderung bestehender und Definition neuer Stellenprofile (z.B. Content Manager)
                                   V
                                    ewinnung neuer Mitarbeiter mit anderen Qualifikationen (z.B. Online Redakteur)
                                   G
                                    urch permanente Veränderungen wachsende Anforderungen an Personalentwicklung und
                                   D
                                   Weiterbildung
 Dienstleister                     Integration in den Content Management-Prozess des Verlages
                                    eränderung des Aufgabenbereiches (z.B. Verarbeitung von strukturierten Daten)
                                   V
                                    chaffung von Schnittstellen
                                   S
                                    ompetenz für neue Software-Tools
                                   K

Tabelle 1:   Auswirkungen auf einzelne Verlagsbereiche

                 Change Management in Fachverlagen                                                                              9
2.4 Change Management
                                                                                                                          Veränderungs-
                                                                                       Auslöser           Status quo                       Veränderung         Wirkungen
                                                                                                                             prozess
2.4.1 Veränderung als Prozess
Veränderungen finden in Fachverlagen täglich statt;
einige sind von so grundlegender Art, dass von einem                                 Abbildung 6:    Ablauf eines Veränderungsprozesses
Veränderungsprozess gesprochen werden kann. Die­
ser Veränderungsprozess kann grundsätzlich unter­                                    Auslöser eines solchen Prozesses können externe
schiedliche Ausprägungen haben, je nach Grad der                                     und interne Faktoren sein. Hierzu zählen marktbe-
Intensität und der Planbarkeit. Beim Intensitätsgrad                                 zogene Auslöser wie Veränderungen der Kunden­
wird zwischen einem graduellen und einem fundamen­                                   bedürfnisse oder der Konkurrenz, technologische
talen Wandel unterschieden.9                                                         Auslöser wie die Entwicklung mobiler Endgeräte
                                                                                     oder die Anforderungen an eine flexible Content-Infra­
Beim graduellen Wandel ist der Veränderungspro­                                      struktur sowie verlagsinterne Auslöser wie ein Füh­
zess überschaubar und hat kaum strategische Be­                                      rungswechsel, Mitarbeiterinitiativen oder die Neuaus­
deutung, weil grundlegende Unternehmensstrukturen                                    richtung des Verlags (siehe Abbildung 7).11
nicht modifiziert werden müssen. Die Anpassungs­
maßnahmen beschränken sich auf Teilbereiche. Kom­
plexität und Intensität der Veränderung sind gering.                                   Externe Auslöser                   Marktbezogener Auslöser
                                                                                                                      Konkurrenz, neue Anbieter, Substitute,
Beim fundamentalen Wandel werden Grundstruk­                                                                                  Lieferanten, Kunden
turen verändert, mit tiefgreifenden Auswirkungen auf
verschiedenen Ebenen (wie z.B. Aufbau- und Ablauf­                                                                        Technologische Entwicklungen
                                                                                                                           Technologische Auslöser
organisation). Die zweite Unterscheidung betrifft den                                                                Anforderungen an ein Redaktionssystem
                                                                                       Interne Auslöser
Grad der Planung.10 Geplante Veränderungen wer­
den absichtlich initiiert und entsprechend der Zielvor­                                                                    Verlagsinterne Auslöser
stellungen gesteuert. Sie haben in der Regel einen di­                                                              Führungswechsel, Mitarbeiterengagement,
                                                                                                                                Neuakquisition
rekten Bezug zu den Unternehmenszielen und damit
auch einen höheren Beeinflussungsgrad als evolutio­
näre Veränderungen. Der evolutionäre Wandel ist                                               Unterschiedliche Kategorien für Auslöser
                                                                                     Abbildung 7:
zumeist nicht direkt steuerbar.                                                      von Veränderungsprozessen

Die Einführung eines Redaktionssystems stellt immer                                  2.4.2 Wirkungsebenen von Veränderungen
eine fundamentale Veränderung dar, die mehr oder                                     Veränderungen bei der Einführung eines Redaktions­
weniger geplant durchgeführt wird. Der Weg zur die­                                  systems haben Auswirkungen auf vier Ebenen: in der
ser Veränderung kann als ein Prozess beschrieben                                     Aufbauorganisation, der Ablauforganisation, im Be­
werden, der Dynamik auslöst und Handlungsbedarf                                      reich Unternehmenskultur und im Bereich Technolo­
erfordert. Jeder Veränderungsprozess besteht aus                                     gie (siehe Abbildung 8). Im Folgenden werden die Ebe­
drei Phasen (siehe Abbildung 6):                                                     nen detailliert vorgestellt.

1.      m Anfang steht eine Handlung, die die Verände­
       A
       rung auslöst.
2.      arauf folgt eine Veränderungsaktivität, die einen
       D
       Prozess anstößt.
3.      m Ende steht das Ergebnis.
       A

9 S
   teinle et al. (2008), S. 15; Vahs/Leiser (2003), S. 2, Cummings/Worley (2001),   11 Porter (1998), S. 4ff; Baumöl (2005), S. 24ff.
  S. 498; Seidenschwarz (2003), S. 19.

10 Steinle et al. (2008), S. 17f.

                    Change Management in Fachverlagen                                                                                                            10
von abhängig, inwieweit sich die Gestaltungsrichtli­
                                                            nien aus den Eigenschaften der Inhalte ableiten las­
                                                            sen. Manuelle Eingriffe in die Gestaltung der Inhalte
                                                            können daher nach wie vor notwendig sein.

                                                            Durch die Systemeinführung ist drittens die Unter-
                                                            nehmenskultur eines Fachverlages betroffen, also
                                                            die soziale Funktionsweise des Verlags, die vor allem
                                                            die Zusammenarbeit der Angestellten betrifft. Hier
                                                            sollten die Verantwortlichen insbesondere folgende
                                                            Faktoren im Blick behalten:

         Wirkungsebenen bei der Einführung eines
Abbildung 8:
                                                            1.    rweiterte Aufgabenfelder entstehen, etwa durch
                                                                 E
Redaktionssystems12
                                                                 die Arbeit mit Stylesheets in der Herstellung.
                                                            2.    ie Spezialisierung der Mitarbeiter nimmt zu,
                                                                 D
Bei der Aufbauorganisation wirken sich Verände­                  wenn die Automatisierung voranschreitet und Mit­
rungen durch Redaktionssysteme auf die Bereiche                  arbeiter sich auf ihre Kernaufgaben konzentrie­
horizontale Koordination, vertikale Kontrolle, Struktur,         ren können.
Kernkompetenzen und Produktpalette aus.                     3.    ommunikationsbeziehungen verändern sich zum
                                                                 K
                                                                 Beispiel durch Benachrichtigungs- und Aufgaben­
     ie horizontale Koordination umfasst Auswir­
    D                                                            verwaltungsfunktionen.
    kungen des Systems auf die Art und Weise der Zu­        4.    ie Organisationskultur, also Grundannahmen,
                                                                 D
    sammenarbeit zwischen einzelnen Abteilungen und              Werteinstellungen sowie Verhaltensregeln, kön­
    funktionsübergreifenden Teams.                               nen sich wandeln, zum Beispiel durch das Teilen
    Die vertikale Kontrolle beschreibt die Machtstruk­          von Informationen, die vorher nur an einer Stelle
     tur in Fachverlagen. Hier sind Veränderungen der            verfügbar waren.
     hierarchischen Kontrolle von Aufgaben und Pro­         5.    oziale Konflikte können auftreten, wenn ur­
                                                                 S
     zessen relevant, die durch das Redaktionssystem             sprüngliche Aufgabenbereiche verändert oder
     hervorgerufen werden.                                       Kompetenzen beschnitten werden.
     Die Kernkompetenzen eines Fachverlags können          6.    ie (Un-)Zufriedenheit der Nutzer verändert sich
                                                                 D
      sich durch die Aufspaltung von Wertschöpfungs­             mit den neuen Abläufen und der Bedienerfreund­
      ketten verändern. So können mithilfe des Redak­            lichkeit des Systems.
      tionssystems Fremdinhalte einfacher eingebunden       7.    as Gefühl des Sicherheitsverlusts kann ein­
                                                                 D
      und das eigene Leistungsspektrum erweitert wer­            treten, wenn gewohnte Arbeitsweisen wegfallen
      den.                                                       und Mitarbeiter gefordert sind, neue Verhaltens­
      Eine Erweiterung der Produktpalette erscheint ins­        weisen und Fähigkeiten zu erlernen.
       besondere durch Mehrfachnutzung (für verschie­       8.    iderstände bei einzelnen Personen oder inner­
                                                                 W
       dene Produkte) oder Mehrfachverwertung (für ver­          halb einer Gruppe können auftreten, sowohl in ak­
       schiene Distributionskanäle) von Inhalten möglich.        tiver Form (Widerstand, Beschwerden) als auch in
                                                                 passiver (innerer Rückzug) .
Auswirkungen auf die Ablauforganisation zeigen              9.    ngste, darunter Existenzängste, soziale Ängste
                                                                 Ä
sich vor allem in zwei Bereichen. Verbesserungen der             und Leistungsängste, sind ebenfalls häufig Fol­
Effizienz resultieren aus verkürzten Durchlaufzeiten,            gen von Veränderungen.
einer verbesserten Prozess- oder Produktqualität
und möglichen Kostenreduktionen. Neue Prozesse              Auf der vierten Ebene, der Ebene der ­Technologie,
werden durch neue Funktionalitäten des Systems be­          betreffen Veränderungen zum einen die zentrale
dingt. Ob und wie durch neue Prozesse ein höherer           ­Datenhaltung (Integration und Strukturierung der
Automatisierungsgrad erreicht werden kann, ist da­           ­Daten aus Informationsquellen wie Datenbanken und
12 In Anlehnung an Stolzenberg/Heberle (2009), S. 2.          Hostsystemen) und zum anderen die Schnittstellen

                   Change Management in Fachverlagen                                                           11
des Systems. Denn das Redaktionssystem muss so­                 Ordnung) und fundamentale Veränderungen (Wan­
wohl in die verlagseigene IT-Landschaft integriert wer­         del zweiter Ordnung) gegenüber. Daneben gibt
den wie auch selbst externe Systeme von Dienstlei­              der Charakter des Wandels Auskunft darüber, ob
stern oder Contentkunden einbinden können.                      der CM-Pozess eher integrativ/konzeptorientiert
                                                                (ganzheitliche Lösungen) oder pragmatisch/fo­
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die                kussiert (spezifische Lösungen) angelegt ist. Und
Einführung eines Redaktionssystems zahlreiche Aus­              schließlich beinhaltet er die Gestaltungsgröße
wirkungen auf einen Fachverlag hat – und zwar so­               des Wandels. Diese legt fest, ob die Veränderung
wohl beabsichtigte wie die Effizienzsteigerung oder             bei weichen Faktoren (Menschen) oder bei harten
die Mehr­fachverwertung von Inhalten als auch unbe­             Faktoren (Bedingungen wie Strukturen, Prozesse
absichtigte wie Widerstände oder sogar Existenzäng­             und Technologien) ansetzt.
ste von Mitarbeitern. Die vier beschriebenen Ebenen        2.    ie Planung und Steuerung des Wandels be­
                                                                D
beeinflussen sich dabei so stark, dass es nicht rat­            trachtet die Flexibilität des Wandels. Hierbei ist
sam scheint, sie isoliert zu betrachten oder sogar              zwischen einer rollenden Planung, die sich an
teilweise auszublenden.                                         groben Meilensteinen orientiert, und einer linear­
                                                                sequentiellen Planung, bei der die Planungs­
2.4.3 Change Management als Methode                             schritte strikt vorgegeben und abzuarbeiten sind,
Wer einen Change Management-Prozess initiieren                  zu unterscheiden. Ebenso ist die Zielsetzung des
will, sollte nicht nur wissen, wie Veränderungen wir­           Wandels relevant, wobei der Veränderungspro­
ken können. Er muss auch wissen, wie er sie steu­               zess auf ein breit angelegtes oder auf ein spe­
ern kann. Denn Change Management bezeichnet im                  zifisches Ziel hin ausgerichtet sein kann. Weiter
Wesentlichen die „zielgerichtete Identifikation, Gestal­        wird die Geschwindigkeit, mit der die Verände­
tung, Steuerung und Entwicklung von Wandlungsvor­               rung vollzogen wird, berücksichtigt. So können
haben unterschiedlichen Inhalts“ und umfasst dabei              für die einzelnen Projektschritte eher kurze oder
alle geplanten, gesteuerten und kontrollierten Verän­           lange Zeiträume vorgesehen sein. Abschließend
derungen in den Strukturen, Prozessen und – sofern              stellt sich die Frage, ob das Vorgehen auf eine
dies möglich ist – Kulturen von Unternehmen.13 In Wei­          langfristige, kontinuierliche Weiterentwicklung
terentwicklung der klassischen Organisationslehre,              der Veränderung abzielt, die über das Projekt
die Veränderung als Planungsaufgabe sieht, betont               hin­ausgeht, oder ob die Veränderungsaktivitäten
das CM-Konzept zudem, dass jeder Wandel in Unter­               nur einmalig durchgeführt werden.
nehmen wesentlich von den Menschen abhängt, die            3.    ie Dimension Beratungsverständnis untersucht,
                                                                D
diese Strukturen tragen und neu eingeführte Techno­             ob und inwiefern externe und/oder interne Bera­
logien akzeptieren müssen.                                      ter einbezogen werden und ob die Berater die Or­
                                                                ganisation bei der konkreten Abwicklung der Ver­
2.4.4 Grundlegende Ansätze                                      änderungsprozesse (Prozessberatung) oder bei
Beim CM wird häufig eine vereinfachte Unterschei­               inhaltlichen Fragen (Fachberatung) unterstützen.
dung in weiche „Bottom-up“- und harte „Top-down“-               Ferner wird analysiert, ob die Entscheidungsver­
Ansätze vorgenommen, wobei Bottom-up-Strategien                 antwortung bei den Beratern oder dem Fachver­
langfristig und partizipativ, Top-down-Strategien hin­          lag liegt. Schließlich betrachtet die Dimension
gegen kurzfristig und autoritär ausgelegt sind. Für             den Standardisierungsgrad der Vorgehensmetho­
die Analyse von CM-Prozessen in Fachverlagen wird               de. Hier kann zwischen einem angepassten Vor­
jedoch ein differenzierterer Ansatz benötigt. Als hilf­         gehen, bei welchem die Methoden für die aktuelle
reich erweist sich hier das Konzept von Inversini, der          Projektsituation konzipiert werden, und einem
CM-Projekte anhand von vier Faktoren analysiert:14              standardisierten Vorgehen, bei dem die Metho­
     er Charakter des Wandels beschreibt die Ra­
 1. D                                                           den nach einem festgelegten Ablauf erfolgen, dif­
    dikalität des Veränderungsprozesses. Hier ste­              ferenziert werden.
    hen sich graduelle Veränderungen (Wandel erster        4.    ie vierte Dimension beschreibt den Partizipati-
                                                                D
13 Steinle et al. (2008), S. 9, Thom (1995), S. 870.            onsgrad. Ein partizipatives Vorgehen setzt den
14 Inversini (2005), S. 37.                                     Einbezug der Organisationsmitglieder in den

                   Change Management in Fachverlagen                                                           12
Veränderungsprozess voraus. Bei einem macht­                    nisation, Umwelt und Zeit als Teile eines Ganzen be­
     orientierten Vorgehen hingegen wird der Verän­                  trachtet (siehe Tabelle 2). Die beiden Kernziele der
     derungsprozess von Entscheidungsträgern ge­                     OE liegen in der Verbesserung der betrieblichen Lei­
     leitet und kontrolliert. Darüber hinaus betrachtet              stungsfähigkeit (Effektivität) und in der Verbesserung
     die Dimension die Diagnose und Analyse der Ist-                 der Arbeitsqualität (Humanität).
     Situation. Diese kann entweder durch die Organi­
     sations­mitglieder selbst oder durch Außenste­                  Der stark partizipatorische Ansatz der OE hat sich
     hende wie Berater, Kunden oder Lieferanten                      zwar in vielen CM-Projekten bewährt, doch hat die­
     durch­geführt werden.                                           se Methode auch ihre Grenzen: Problematisch ist
                                                                     vor allem die vorausgesetzte Vereinbarkeit der In­
Anhand dieser vier Kriterien sollen im Folgenden die                 teressen von Unternehmen und Mitarbeitern. Diese
drei wichtigsten Change Management-Ansätze be­                       muss bei der Einführung eines Redaktionssystems
schrieben werden.                                                    nicht immer gegeben sein, etwa wenn Kompetenz­
                                                                     bereiche beschnitten werden oder Arbeitsplätze gar
Die Organisationsentwicklung (OE) ist eine CM-                       wegfallen. Ein weiteres Problem ist die geringe oder
Methode, die menschliche und soziale Aspekte bei                     gar fehlende zentrale Prozesssteuerung, sie kann zu
anstehenden Veränderungen in den Mittelpunkt stellt.                 einem unkoordinierten Vorgehen führen. Zudem kann
Voraussetzung für ein erfolgreiches CM ist demnach                   der Change Agent durch seine ausschließlich mode­
die Bereitschaft zur Veränderung bei jedem einzelnen                 rierende Rolle zu einer Beibehaltung des Status quo
Verlagsmitarbeiter. Diese soll durch die größtmög­                   beitragen und so den Wandel verhindern. Und schließ­
liche, aktive Einbeziehung der Betroffenen in den Ver­               lich kann OE als Wandlungsprozess mit festgelegtem
änderungsprozess erreicht werden. OE nimmt eine                      Ende zu wenig dynamisch sein – in Zeiten perma­
ganzheitliche Sichtweise ein, die Individuum, Orga­                  nenten Wandels wird kein einmaliger Change benö­

 Kriterium                      Beschreibung
 Charakter des Wandels              raduelle, stufenweise Optimierung des Bestehenden, die i.d.R. auf die gesamte
                                   G
                                   Organisation ausgerichtet ist.
                                   F okus auf Wirkungsebene der Kultur einer Organisation
                                    ragmatische und thematisch klar fokussierte Ausrichtung mit spezifischen Lösungen für
                                   P
                                   das jeweilige Problem bzw. die jeweilige Organisation
                                    M-Ansatz für graduelle Veränderungen (Wandel erster Ordnung)
                                   C
 Planung und Steuerung              inbeziehung aller betroffenen Organisationsmitglieder
                                   E
                                    ollende, zyklische Planung unter ständiger Einbeziehung der Mitarbeiter
                                   R
                                    teuerung von Reflexions- und Lernprozessen der Betroffenen als zentraler Erfolgsfaktor
                                   S
                                    her weiche Ziele auf organisatorischer und individueller Ebene, keine konkreten Vorgaben
                                   E
                                   in Form von Indikatoren oder Kennzahlen
                                    nsatz bei Kultur einer Organisation und somit bei Einstellungen und Verhaltensweisen der
                                   A
                                   Mitarbeiter erfordert eine langfristige, kontinuierliche Entwicklung des Wandels, die über
                                   das Projekt hinausgeht
 Beratungsverständnis               insatz externer Berater als Change Agenten mit spezieller psychologischer Ausbildung
                                   E
                                    eratung als Prozessbegleitung und Moderation von Entscheidungen ohne fachlichen Input
                                   B
                                   Im Fokus der Beratung steht die Art und Weise, wie die gestreckten Ziele erreicht werden
                                   können.
 Partizipationsgrad                 oher Partizipationsgrad durch aktive Einbeziehung der Beteiligten in allen Phasen des
                                   H
                                   Veränderungsprozesses
                                    ewusste Motivation der Mitglieder
                                   B

Tabelle 2:   Eigenschaften der Organisationsentwicklung

                 Change Management in Fachverlagen                                                                             13
tigt, sondern eine „lernende Organisation“.                             Auch wenn die Einführung eines Redaktionssystems
                                                                        starke Veränderungen mit sich bringt, dürfte BPR in
 Das Business Process Reengineering (BPR) zielt                         Reinkultur von kaum einem Fachverlag jemals ange­
 darauf ab, bestehende Geschäftsprozesse radikal                        wendet worden sein – aus guten Gründen: Denn BPR
 neu zu entwerfen und zu gestalten.15 Übergeordnetes                    ist zwar ein Management-Ansatz, aber es existieren
 Ziel des Konzepts ist die nachhaltige Verbesserung                     keine allgemeinen Konzepte oder Richtlinien, sodass
 der Unternehmensleistung und der Wirtschaftlichkeit                    in der Praxis immer auch andere Methoden wie der
 eines Unternehmens.16 Typische Auslöser des BPR                        OE-Ansatz eingesetzt werden. Problematisch ist zu­
sind neue Kundenbedürfnisse, ein intensiverer oder                      dem, dass der Ansatz nur den Inhalt eines Verände­
neuer Wettbewerb sowie der permanente Wandel                            rungsprojekts in den Vordergrund stellt, Fachverlage
der Fachverlagsumwelt. BPR lässt sich anhand von                        brauchen jedoch auch konkrete Methoden für den
vier zentralen Merkmalen beschreiben: Kundenfokus,                      Prozess. Ein weiteres Defizit ist die Verengung des
­radikale Neugestaltung, Informationstechnologie als                    Fokus auf die Effizienzsteigerung, bei Fachverlagen
 Enabler sowie die prozessorientierte Sichtweise. In                    geht es vielmehr um eine Erweiterung der Publikati­
 allen Bereichen geht es dabei um eine radikale Verän­                  onsmöglichkeiten und die Teilnahme an neuen Märk­
 derung, die sich an Vorgaben der Verlagsführung ori­                   ten. Auch die geringe Einbeziehung der Betroffenen
 entiert (siehe Tabelle 3).                                             kann zu großen Problemen führen und sogar die Ziel­
                                                                        erreichung be- oder verhindern. Und schließlich zei­
                                                                        gen Untersuchungen: Kaum ein Unternehmen konnte
                                                                        den angestrebten radikalen Wandel durchsetzen, in
                                                                        der Praxis waren immer Kompromisse notwendig.17

 Kriterium                        Beschreibung
 Charakter des Wandels                adikale Neugestaltung als zentrales Merkmal
                                     R
                                      bwendung von bestehenden Prozessen und den ihnen zugrunde liegenden Strukturen mit
                                     A
                                     dem Ziel, Kosten, Qualität und Service zu verbessern
                                     F okus auf harte Faktoren: Prozesse werden neu gestaltet und bilden die Grundlage für
                                     Veränderungen der Unternehmensstruktur
                                      orizontale Strukturierung der Organisation funktionsübergreifend nach Prozessen
                                     H
                                      insatz moderner Informationstechnologien
                                     E
                                      iel ist ganzheitliche Lösung mit Paradigmenwechsel (statt punktueller Verbesserungen)
                                     Z
 Planung und Steuerung                etaillierte Prozessplanung
                                     D
                                      lare Projektsteuerung im Sinne der Zielsetzungen
                                     K
                                     Installation von Gremien und Verantwortlichen wie Leader (Gesamtverantwortlicher),
                                     Reengineering Team, Lenkungsausschuss und „Prozess Owner“ (für die jeweiligen
                                     Einzelprozesse)
                                      her kürzere Projektverläufe
                                     E
 Beratungsverständnis                 xterne Berater sind kein Standard
                                     E
                                     F achliche Beratung wichtiger als Prozessbegleitung
 Partizipationsgrad                   ielerreichung wichtiger als partizipativer Prozess
                                     Z
                                      ktive Rolle der Führungskräfte
                                     A
                                      berzeugung (und nicht Beteiligung) als zentrales CM-Instrument
                                     Ü

Tabelle 3:   Eigenschaften des Business Process Reengineering

15 Davenport (1993).                                                    17 Koch/Hess (2003), S. 49ff.

16 Daniel (2008), S. 46.

                   Change Management in Fachverlagen                                                                          14
Als Mittelweg zwischen den beiden beschriebenen An­                     TM ist in jeder Beziehung eine auf die Gegebenheiten
sätzen wurde das Transformationsmanagement                              eines Unternehmens gerichtete Methodik, die einen
(TM) entwickelt – als ein „Gestaltungsparadigma,                        Mittelweg zwischen radikalem Wandel „von oben“ und
welches sowohl der Eigenlogik der Organisation wie                      graduellen Veränderungen „von unten“ sucht (siehe
auch der externen Logik von Beratenden und Füh­                         Tabelle 4). Ein TM-Prozess durchläuft dabei sieben
rungskräften Raum lässt“.18 Das TM wird zwei we­                        Phasen: Transformationsbedarf benennen, Transfor­
sentlichen Anforderungen gerecht. Zum einen nimmt                       mationsziele festlegen, Commitment zu den Inhalten
es an, dass Fachverlage sich auf ein Nebeneinander                      der Transformation herstellen, Prozess-Design fest­
und Hintereinander von kontinuierlichen Anpassungen                     halten, Transformation konzipieren und realisieren,
und radikalen Veränderungen einstellen müssen. Zum                      Transformationskonzept implementieren und Trans­
anderen erkennt es, dass beim Veränderungsmanage­                       formation auswerten.20
ment in der Praxis eine Mischung aus klaren Zielvor­
gaben und Mitarbeiterpartizipation am ehesten zum
Erfolg führt. Auf diese Weise vereint das TM die we­
sentlichen Vorteile und Ziele der OE und des BPR. Es
werden weiche und harte Faktoren berücksichtigt.19

 Kriterium                        Beschreibung
 Charakter des Wandels                owohl für tiefgreifende als auch für graduelle Veränderungen geeignet
                                     S
                                      ittelweg zwischen OE und BPR
                                     M
                                      leichzeitige Orientierung an Zielvorgaben und Einbeziehung von Beteiligten
                                     G
                                      ompetenzen, Aufgaben und Abläufe stehen im Mittelpunkt
                                     K
 Planung und Steuerung                usgangspunkt ist die Bereitschaft zur Veränderung
                                     A
                                      chnelle Veränderungsumsetzung ohne Zulassung von prinzipiellen Einwänden
                                     S
                                     F eedback der Betroffenen als Justierungsinstrument
                                      ollende Planung mit klar definierten Prozessphasen und jeweils angepassten Zielvorgaben
                                     R
                                      ialogorientierte Kommunikation
                                     D
 Beratungsverständnis                 er Blick von außen ist ausdrücklich erwünscht
                                     D
                                      ilfe zur Selbsthilfe sowohl fachlich als auch in der Prozessbegleitung
                                     H
                                      ntscheidungsverantwortung bleibt beim Verlag, zunehmende Unabhängigkeit von Beratern
                                     E
                                     wird angestrebt
                                      rojektbegleitung auf Basis standardisierter Verfahren, die jedoch immer wieder angepasst
                                     P
                                     werden
 Partizipationsgrad                  F ührungskräfte und interne Berater sind Hauptakteure der Transformation
                                      ie Betroffenen werden vor allem in der Kreativ- und Konzeptphase einbezogen, weniger in
                                     D
                                     der Umsetzung
                                      ransparente Kommunikation in allen Projektphasen
                                     T

Tabelle 4:   Eigenschaften des Transformationsmanagements

18 Inversini (2005), S. 55.                                             20 Janes et al. (2001), S. 16.

19 Bahner/Stroh (2004), S. 180.

                   Change Management in Fachverlagen                                                                             15
Die drei beschriebenen Ansätze unterscheiden sich
in mehrfacher Hinsicht, wie Tabelle 5 zusammenfas­                                                      OE                      BPR                      TM
send darstellt.

                                                                                              gering

                                                                                                                       gering

                                                                                                                                                gering
                                                                                                       mittel

                                                                                                                                mittel

                                                                                                                                                         mittel
                                                                                                                hoch

                                                                                                                                         hoch

                                                                                                                                                                  hoch
                        Radikalität der Veränderung           graduelle Anpassung                                 x       x                                 x
                                                              fundamentaler Wandel               x                                         x                x
Charakter des
  Wandels

                        Konzeption der Veränderung            pragmatisch-fokussiert                              x                x                        x
                                                              integrativ-konzeptuell                      x                        x                               x
                        Gestaltungsgrößen des Wandels         Humanzentrierung                                    x       x                                 x
                                                              Bedingungsorientierung                      x                                x                x
                        Flexibilität der Planung              rollende Planung                                    x       x                                 x
Planung und Steuerung

                                                              linear-sequentielle Planung        x                                         x                x
                        Art der Zielsetzungen                 Zieloffenheit                                       x       x                                 x
     des Wandels

                                                              Zielfokussierung                   x                                         x                x
                        Tempo des Wandels                     gemäßigte Beschleunigung                            x       x                                 x
                                                              starke Beschleunigung              x                                         x                x
                        Anlage des Wandels über die Zeit langfristig-kontinuierlich                               x       x                                 x
                                                              einmalig-temporär                  x                                         x                x
                        Gegenstand der Beratung               Prozessberatung                                     x       x                                 x
Beratungsverständnis

                                                              Fachberatung                       x                                         x                x
                        Verortung der                         betriebliche                                        x                x                               x
                        Entscheidungsverantwortung            Entscheidungsverantwortung
                                                              beraterische                       x                                 x               x
                                                              Entscheidungsverantwortung
                        Anpassungsgrad der                    angepasst                                           x       x                                 x
                        Vorgehensweise                        standardisiert                     x                                         x                x
                        Partizipationsgrad                    partizipativ                                        x       x                                 x
Betroffener
 Einbezug

                                                              machtorientiert                    x                                         x                x
                        Art der Analyse und Diagnose          Selbstbeurteilung                                   x       x                                 x
                                                              Fremdbeurteilung                   x                                         x                x

Tabelle 5:              Change Management-Ansätze im Vergleich
                                                                                   änderung aufzeigt, kann Unsicherheiten reduzieren
                                                                                   und Orientierung geben. Die Einführung eines Redakti­
2.4.5 Erfolgfaktoren und Instrumente beim                                          onssystems sollte immer im Zusammenhang mit den
Change Management                                                                  grundlegenden unternehmerischen Zielsetzungen ste­
In einem erfolgreichen Change Management-Prozess                                   hen. Im Rahmen der Visionsfestlegung kommt der Un­
kommen verschiedene Erfolgsfaktoren zum Tragen.                                    ternehmensführung die Aufgabe zu, den Wandel aktiv
Diese Erfolgsfaktoren sind gleichzeitig Instrumente,                               voranzutreiben, Mitarbeiter zu motivieren und Wider­
die für die Zielerreichung angewendet werden kön­                                  stände zu überwinden. Häufig wird diese Aufgabe von
nen. Aus der Fülle von Faktoren lassen sich für die                                einer Person übernommen, die Initiator des Wandels
Einführung von Redaktionssystemen elf besonders                                    ist und die Vision verkörpert.
relevante hervorheben, die im Folgenden näher be­
schrieben werden.                                                                  Commitment: Im Zusammenhang mit Change Ma­
                                                                                   nagement-Prozessen wird unter Commitment die frei­
Vision: Ein eindeutiges und verständliches Bild der                                willige Selbstverpflichtung verstanden, sich mit dem
Zukunft, das Klarheit schafft und die Richtung der Ver­                            Veränderungsprozess zu identifizieren und sich ak­

                             Change Management in Fachverlagen                                                                                                          16
tiv für das Vorantreiben des Wandels einzusetzen.         zogen werden, um Gefühle der Ausgeschlossenheit
Dieses Gefühl der Selbstverpflichtung kann auf Seiten     zu vermeiden. Gut ist deshalb, wenn den Betroffenen
der Mitarbeiter allerdings erst durch entsprechende       ein persönlicher Ansprechpartner, etwa der direkte
Maßnahmen wie etwa wie Befragungen, Workshops             Vorgesetzte, zur Verfügung steht und die Sorgen und
oder Blogs sowie Belohnungen geschaffen werden.           Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter an die hö­
Ganz gleich, ob der Change Management-Prozess             heren Hierarchieebenen weiterleitet. Um Widerstän­
als Bottom-up- oder Top-down-Ansatz umgesetzt wird        den keinen Raum zu geben, ist eine frühe Planung
– das Commitment der Mitarbeiter und der Führungs­        der Partizipation notwendig. Die wichtigsten Partizi­
ebene ist immer ein zentraler Erfolgsfaktor.              pationsinstrumente sind Befragungen, Projektteams,
                                                          Workshops, Sitzungen und Besprechungen sowie par­
Kommunikation: Sie ist ein wesentlicher Bestandteil       tizipative Medien wie Blogs oder Wikis.
der Führungsaufgabe und steuert die Wahrnehmung
der am Veränderungsprozess Beteiligten. Kommuni­          Qualifikation: Die Einführung eines Redaktions­
kation muss ein steter Begleiter aller Projektphasen      systems bedingt neue Aufgabenbereiche für die Mit­
des Veränderungsprozesses sein und immer wieder           arbeiter – Qualifikation ist deshalb ein zentraler Er­
den Kontakt zwischen den Initiatoren und den Betrof­      folgsfaktor. Qualifizierungsmaßnahmen können die
fenen herstellen. Das gilt vor allem für die Einführung   Vermittlung von Fachwissen, den Erwerb von Fähig­
von Redaktionssystemen, sie muss von einem Kom­           keiten und Fertigkeiten sowie den Erwerb von Soft
munikationskonzept begleitet werden, das sämtliche        Skills zum Ziel haben. Bei der Arbeit mit einem Re­
sinnvollen Instrumente umfasst – von der persön­          daktionssystem spielen die beiden ersten Faktoren
lichen Kommunikation bis hin zur digitalen Ansprache      zwar eine herausragende Rolle, jedoch kann auch der
in Wikis oder Blogs.                                      dritte Faktor wichtig werden, wenn es um die Bildung
Kommunikation stellt Transparenz her, gleichzeitig er­    neuer Teams geht. Die konkreten Maßnahmen der
möglicht sie aber auch den Dialog der Beteiligten un­     Mitarbeiterqualifikation lassen sich auf oberster Ebe­
tereinander. Wichtig ist die Einbeziehung aller Betrof­   ne nach dem Ort der Durchführung in „On the Job“
fenen in das Kommunikationskonzept, nicht nur einer       (am Arbeitsplatz) und „Off the Job“ (an einem ande­
kleinen Expertengruppe. So wird der Change-Prozess        ren Ort als dem Arbeitsplatz) einteilen. Entscheidend
transparent, die handelnden Personen glaubwürdig          für den Erfolg der Qualifizierungsmaßnahmen ist eine
und vertrauenswürdig.21 Grundsätzlich sollte ein Kom­     systematische Erhebung des Qualifikationsbedarfs.
munikationskonzept beantworten, wer an wen kom­           Diese sollte stets gemeinsam mit den Betroffenen
muniziert, welche Personen / Abteilungen wie inte­        erfolgen.
griert werden sollen und in welchem Rhythmus und
mit welchen Mitteln Kommunikation stattfinden soll.       Umgang mit Widerständen: Zwar zielen die Instru­
                                                          mente Qualifikation, Partizipation und Kommunikation
Partizipation: Erfolgreiche Change Management-            bereits darauf ab, Widerständen präventiv entgegen­
Projekte basieren immer auf der Beteiligung der Be­       zuwirken, doch wird dies nicht in jedem Fall gelingen.
troffenen. Grund dafür ist, dass der Einbezug der Be­     Daher ist es entscheidend, die Symptome von Wi­
teiligten eine erhöhte Motivation, eine Verringerung      derständen, wie etwa Angriffs- oder Fluchtverhalten,
von Widerständen, die Herstellung einer gleichen          frühzeitig zu erkennen und deren Ursachen zu analy­
Wissensbasis sowie die Nutzung von dezentralem            sieren, um entsprechende Maßnahmen ergreifenden
Wissen ermöglicht. Diese Erfolgsbeiträge können           zu können.22 Die Ursachen von Widerständen können
allerdings nur erreicht werden, wenn der Einbezug         in unzureichender Information, fehlenden Fertigkeiten
ernsthaft und nachhaltig erfolgt. So sollte die Aus­      für den Umgang mit neuen Herausforderungen, man­
gestaltung des Veränderungsprozesses für alle Be­         gelnder Veränderungsbereitschaft oder der Annah­
teiligten transparent sein und die Partizipation nicht    me liegen, dass eine Veränderung von Kollegen und
nur punktuell, sondern dauerhaft, über den gesamten       Vorgesetzten nicht gewünscht ist. Gegenmaßnahmen
Prozess hinweg, erfolgen. Zudem sollten möglichst         sind etwa die Intensivierung von Qualifikation, Partizi­
alle Betroffenen in den Veränderungsprozess einbe­        pation und Kommunikation. Daneben können persön­
21 Stolzenberg/Heberle (2009), S. 62.                     22 Frey et al. (2008).

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