Kulturelle Diversität und Chancengleichheit in der Bundesverwaltung - Ergebnisse der ersten gemeinsamen Beschäftigtenbefragung der Behörden und ...
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Kulturelle Diversität und Chancengleichheit in der Bundesverwaltung Ergebnisse der ersten gemeinsamen Beschäftigtenbefragung der Behörden und Einrichtungen im öffentlichen Dienst des Bundes Diversität & Chancen
Kulturelle Diversität und Chancengleichheit in der Bundesverwaltung Ergebnisse der ersten gemeinsamen Beschäftigtenbefragung der Behörden und Einrichtungen im öffentlichen Dienst des Bundes Diversität & Chancen
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch Inhalt Vorworte ......................................................................................... 5 Literatur ........................................................................................ 50 1 Die Bundesverwaltung als Arbeitgeber in einer Abkürzungsverzeichnis ......................................................... 54 kulturell diversen Gesellschaft........................................10 Impressum ................................................................................... 57 2 Der Diversität und Chancengleichheit Survey..........................................................................................15 3 Repräsentation kultureller Diversität in der Bundesverwaltung ...................................................... 20 4 Chancengleichheit in der Bundesverwaltung ........ 25 5 Diskriminierungserfahrungen in der Bundesverwaltung .............................................................. 30 6 Diversitätsmanagement in der Bundesverwaltung .............................................................. 34 7 Potenziale kultureller Diversität für die öffentliche Verwaltung ...................................................... 39 8 Handlungsfelder zur Förderung der inter- kulturellen Öffnung der Bundesverwaltung........... 44
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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, heute leben 83 Millionen Men- Mein besonderer Dank gilt allen teilnehmenden Behörden. Die schen in Deutschland, davon breite Beteiligung steht für die gemeinsame und große Initia- 21,2 Millionen mit familiärer tive der Bundesverwaltung für mehr Diversität und Chancen- Einwanderungsgeschichte. gleichheit. Ja, wir wollen, dass sich die Vielfalt unserer Gesell- Diese Vielfalt und das Zusam- schaft auch in den Büros und auf den Fluren unserer Behörden menarbeiten von Menschen widerspiegelt! mit verschiedenen Talenten, Kompetenzen und Erfahrungen Die Ergebnisse bestärken diejenigen, die im öffentlichen Dienst haben uns zu einem starken, bereits aktiv Vielfalt fördern, und sie ermuntern alle, die ent- wohlhabenden Land in der Mitte scheidenden Schritte dafür zu gehen. Interkulturelle Kompe- Europas gemacht. Diesen Wert tenzen, das Erfahrungswissen der kulturell unterschiedlich der Vielfalt erkennen immer mehr gesellschaftliche Bereiche, geprägten Angestellten und Beamtinnen und Beamten und wirtschaftliche Branchen und auch die Behörden von Bund, Mehrsprachigkeit sind ein Gewinn für den öffentlichen Dienst Ländern und Kommunen. Sie wollen Vielfalt fördern und set- und das Verwaltungshandeln. zen auf interkulturelle Öffnung. Das ist der richtige Weg – auch für die Bundesverwaltung. Auch dort sollen alle Menschen ihre Allerdings ist Vielfalt im öffentlichen Dienst noch längst keine Fähigkeiten voll und ganz einbringen können. Selbstverständlichkeit. Das zeigt die Beschäftigtenbefragung mit dem Diversitätsindex. Damit liegen uns erstmals fundierte Wie das gelingen kann? Dafür haben wir – das Bundesinstitut und belastbare Daten zum Anteil der Beschäftigten mit Migra- für Bevölkerungsforschung und die Beauftragte der Bundes- tionshintergrund in der gesamten Bundesverwaltung vor. Der regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration – die Handlungsbedarf für eine angemessene Repräsentanz ist groß zentrale Beschäftigtenbefragung für die Bundesverwaltung ge- und wir müssen sicherstellen, dass alle die gleichen Chancen startet, den Diversität und Chancengleichheit Survey. Er zeigt, haben; unabhängig von der sozialen oder geografischen Her- welche Handlungsfelder und konkreten Maßnahmen für mehr kunft der Eltern, unabhängig davon, ob die Bewerberin Sandra Vielfalt sorgen und an welchen Stellen Nachholbedarf besteht. Bauer oder Meryem Öztürk heißt. 5
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Mit der vorliegenden Datenbasis sehen wir genauer als jemals bearbeiten gilt, und die Chancen, die damit für den öffent zuvor, an welchen Stellen in der Bundesverwaltung auch mit lichen Dienst verbunden sind! personalpolitischen Maßnahmen angesetzt werden muss. Unser Ziel ist es, einen positiven Umgang mit Vielfalt nachhal- Berlin, November 2020 tig in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu verankern. Deshalb arbeiten wir beim Nationalen Aktionsplan Integra- tion der Bundesregierung an einer Diversitätsstrategie für die Bundesverwaltung, ein Baustein dafür ist der Diversität und Chancengleichheit Survey. Annette Widmann-Mauz Die nachfolgenden Befunde und Empfehlungen geben Auf- Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin schluss über den Stand der interkulturellen Öffnung der Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Bundesverwaltung, die konkreten Handlungsfelder, die es zu Flüchtlinge und Integration 6
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, die Bundesverwaltung und Antworten auf diese Fragen hatten wir bislang nicht. Ich ihre Einrichtungen stehen als freue mich daher sehr, dass wir dies jetzt mit der ersten ge- Arbeitgeber vor vielfältigen meinsamen Beschäftigtenbefragung der Bundesverwaltung Herausforderungen. Auch für ändern konnten. Mit über 47.000 Interviews aus 55 teil- Ministerien, Gerichte und die nehmenden Behörden liegen erstmals repräsentative Daten über 100 Bundesbehörden gilt: zur Diversität der Beschäftigten der unmittelbaren Bundes- Ein modernes Personalmanage- verwaltung (ohne Bundeswehr) vor. Wir wissen jetzt, wie ment ist von herausragender Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen subjektiv einschätzen Bedeutung, um sich wandeln- und wie sie ihre Organisationskultur wahrnehmen. Dies ist de Aufgaben bewältigen zu für die künftige Personal- und Organisationsentwicklung können. Neben vielem anderen, der Behörden eine wertvolle Orientierungshilfe und bietet etwa den rasch alternden Belegschaften, gilt es, auf die zu- zudem eine wichtige Wissensgrundlage für verlässliche nehmende kulturelle Vielfalt der Gesellschaft angemessen Politikberatung und für weitere Forschung zum Thema. zu reagieren. Auch und gerade als Arbeitgeber müssen sich öffentliche Einrichtungen stärker mit dem Thema kulturelle In vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Diversität auseinandersetzen. der OECD sind zentrale Beschäftigtenbefragungen im öffentlichen Dienst schon länger ein wichtiger Bestand- Seit 2012 ist die interkulturelle Öffnung des öffentlichen teil des Personalmanagements. Erstmals liegen nun auch Dienstes des Bundes ein wichtiges Ziel des Nationalen für Deutschland international vergleichbare Daten vor. Aktionsplans Integration: Doch spiegelt sich die kulturelle Der Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019) Vielfalt der Bevölkerung in Deutschland in der öffentlichen erbringt viele neue und bedeutsame Erkenntnisse: Mit dem Verwaltung wider? Haben Beschäftigte mit und ohne Migra- Diversitätsklimaindex steht nun ein Instrument zur Ver- tionshintergrund gleiche berufliche Chancen? Sind Beschäf- fügung, das anzeigt, wie Beschäftigte der öffentlichen Ver- tigte mit Migrationshintergrund häufiger Diskriminierungen waltung in Deutschland das Diversitätsmanagement ihrer am Arbeitsplatz ausgesetzt? Organisation beurteilen. Das Instrument bietet großes 7
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Potenzial bei künftigen Untersuchungen, etwa um Fort- Ich wünsche Ihnen eine anregende und aufschlussreiche Lektüre. oder Rückschritte im Diversitätsmanagement zu dokumen- tieren. Wiesbaden, November 2020 Informieren Sie sich in dieser Broschüre über die ersten Be- funde der Beschäftigtenbefragung und lesen Sie, welche sechs Handlungsfelder die interkulturelle Öffnung der Bundesver- Prof. Dr. Norbert F. Schneider waltung fördern können. Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung 8
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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Während der Anteil von Menschen aus Einwandererfamilien an der Gesamtbevölkerung in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt deutlich zugenommen hat, hat sich der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst langsamer entwickelt (vgl. Abb. 1). 1 Die Bundesverwaltung als Arbeitgeber in einer Abb. 1: Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund (im engeren Sinn) an der Bevölkerung in Deutschland ins- kulturell diversen Gesell- gesamt sowie im öffentlichen Dienst, 2005–2018 schaft in Prozent Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der 25 24,1 weltweit wichtigsten Einwanderungsländer entwickelt. Seit 20 17,6 Beginn der 1990er-Jahre sind 31,4 Millionen Menschen nach Deutschland zugezogen. Pro Jahr sind im Durchschnitt über 15 11,9 300.000 Menschen mehr nach Deutschland zu- als fortgezogen. Insgesamt lebten im Jahr 2019 rund 21,2 Millionen Menschen in 10 8,9 Deutschland, die entweder selbst oder deren Eltern ursprünglich 5 aus einem anderen Land stammen. Kulturelle Vielfalt prägt mehr denn je die deutsche Gesellschaft. 0 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 Öffentliche Organisationen spiegeln die steigende kulturelle Bevölkerung insgesamt Öffentlicher Dienst Diversität bisher nur in geringem Maße wider. Das gilt für das Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus. Bildungs- und Wissenschaftssystem, in dem regelmäßig die geringe Anzahl von Erzieherinnen und Erziehern sowie (Hoch- schul-)Lehrerinnen und (Hochschul-)Lehrern mit Migrations- Integration durch Teilhabe an den hintergrund kritisch angemerkt wird. Es gilt aber auch für den Organisationen einer Gesellschaft Medien- und Kultursektor, welcher trotz seiner vielfältigen internationalen Bezüge noch nicht die kulturelle Vielfalt der Die öffentliche Verwaltung stellt unzweifelhaft eine der zen Gesellschaft bei seinen Beschäftigten, aber auch bei seinem Pu- tralen Organisationen einer modernen demokratischen Ge- blikum abbildet. Gleiches gilt für die politischen Parteien und sellschaft dar. Sie ist mit 4,8 Millionen Beschäftigten nicht nur Interessenverbände sowie die Organisationen der öffentlichen einer der größten Arbeitgeber in Deutschland, sondern auch Sicherheit und der öffentlichen Verwaltung. maßgeblich für Gestaltung von Politik und vor allem ihrer Um- setzung. Sie ist in die Vorbereitung politischer Entscheidungen 10
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch und der Gesetzgebung genauso eingebunden wie in den Voll- Warum ist die interkulturelle Öffnung der zug und die Kontrolle rechtlicher Vorschriften. Sie erbringt öf- Verwaltung wichtig? fentliche Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Dies gilt insbesondere für die Bundesverwaltung, die zwar zahlenmä- Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung ist aus drei Grün- ßig nur einen kleineren Teil der öffentlichen Verwaltung darstellt, den von hoher Bedeutung: aber für die Handlungsfähigkeit des Gesamtstaates sorgt. 1. Legitimationsfunktion: In einem demokratischen Gemein- Teilhabe an der Gesellschaft verläuft somit nicht unwesentlich wesen kommt der Repräsentation aller Bevölkerungsgrup- darüber, inwieweit alle Bevölkerungsgruppen auch an der öf- pen in der öffentlichen Verwaltung eine hohe symbolische fentlichen Verwaltung und ihren Entscheidungen partizipieren Bedeutung zu. Die angemessene Repräsentation stärkt die können. Nicht nur als Adressaten von Verwaltungshandeln und Identifikation der gesamten Bevölkerung mit ihrem Staat staatlichen Leistungen, sondern auch unmittelbar als Beschäf- und damit die Akzeptanz des Verwaltungshandelns. Zudem tigte der öffentlichen Verwaltung. signalisiert sie Zugehörigkeit und Chancengleichheit für alle Bevölkerungsgruppen. Demgegenüber könnte die Unterreprä- Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung – als bewusste Ein- sentation bestimmter Bevölkerungsgruppen auf Ausschlüsse beziehung der Menschen aus Einwandererfamilien als Beschäf- und Ungleichheiten schließen lassen. Neben den Verfahren tigte des Staates – hat sich seit mindestens drei Jahrzehnten sind auch die Ergebnisse des Behördenhandelns wesentlich zu einem wichtigen Aspekt der Integrationspolitik entwickelt. für die Legitimität des Staates. Die Ergebnisse werden gemäß Ursprünglich galt dies insbesondere für die Kommunen. Im dem demokratietheoretischen Konzept der „repräsentativen Rahmen des Nationalen Aktionsplans Integration im Jahr 2012 Bürokratie“ (Bishu und Kennedy 2020) gerade dann besser, hat sich die Bundesregierung auf die „Erhöhung des Anteils wenn alle Bevölkerungsgruppen angemessen in der Verwal- der Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst“ als tung repräsentiert sind und sie damit befähigen, im Interesse strategisches Ziel verständigt (Bundesregierung 2011, S. 14). aller zu handeln. Das widerspricht allerdings etablierten ver- Interkulturelle Öffnung ist somit Bestandteil einer Diversi- waltungswissenschaftlichen Traditionen in Deutschland. Eine tätspolitik, welche die Chancengerechtigkeit für alle Bevölke- Diversitätspolitik, die eine angemessene Repräsentation der rungsgruppen auch durch die gleiche Teilhabe von Menschen Bevölkerung mit Migrationshintergrund anstrebt, hat somit mit Migrationshintergrund in allen Hierarchieebenen und eine wichtige Legitimationsfunktion. Bereichen der öffentlichen Verwaltung anstrebt. 2. Vorbildfunktion: Die öffentliche Verwaltung hat eine wichtige Vorbildfunktion bei der Integration aller Bevölke- rungsgruppen. Hier kann der Staat als Arbeitgeber mit einem guten Beispiel für die Arbeitsmarktintegration von Einwan- derinnen und Einwanderern sowie ihrer Nachkommen vor- angehen. Die öffentliche Verwaltung stellt an sich selbst den Anspruch, dass der Zugang zu öffentlichen Tätigkeiten und 11
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Ämtern ausschließlich nach Eignung, Befähigung und fach- Wenig Wissen über die interkulturelle Öffnung der licher Leistung zu erfolgen hat. Öffentliche Verwaltungen Verwaltung in Deutschland wirken einerseits an der Entwicklung der programmatischen und rechtlichen Vorgaben zur Beschäftigung von Personen as die Verwaltung beschäftigt, hat auch in der Wissenschaft W mit Migrationshintergrund mit. Andererseits sind sie als zu einer interdisziplinären und dynamischen Debatte geführt. Arbeitgeber selbst an diese Zielsetzungen und Vorgaben Mindestens zwei internationale Forschungsperspektiven lassen gebunden und müssen diese umsetzen. Aus diesen Gründen sich unterscheiden, die sich mit der steigenden kulturellen stehen öffentliche Verwaltungen unter besonderer gesell- Diversität des Personals von Organisationen und deren aktiven schaftlicher Beobachtung, ob sie den formulierten Vorgaben Umgang mit der Vielfalt ihrer Beschäftigten im Diversitätsma- auch bei sich selbst zur Geltung verhelfen. nagement auseinandersetzen: 3. Funktionale Notwendigkeit: Die sich ständig wandelnden 1. Es gibt eine Vielzahl von Studien, die sich mit der Repräsen- Anforderungen an die öffentliche Verwaltung machen die tation von Einwanderinnen und Einwanderern sowie ihrer interkulturelle Öffnung auch zu einer funktionalen Notwen- Nachkommen in den öffentlichen Verwaltungen auseinan- digkeit. Die effektive und adäquate Erfüllung der Aufgaben der dersetzen. Im Mittelpunkt dieser Studien stehen die sozialen öffentlichen Verwaltung ist in einem Einwanderungsland mit Ungleichheiten zwischen verschiedenen Bevölkerungs- einer kulturell zunehmend diversen Gesellschaft nicht ohne gruppen beim Zugang zur öffentlichen Verwaltung sowie zur die nötigen interkulturellen Kenntnisse und Kompetenzen Durchlässigkeit dieser Organisationen für die beruflichen möglich. Auch kann die nötige Lernfähigkeit der Verwaltung Karrieren ihrer Beschäftigten. gegenüber einer diversen Bevölkerung nur erhalten bleiben, wenn alle Bevölkerungsgruppen angemessen beschäftigt 2. Eine weitere Gruppe von Studien setzt sich mit den Auswir- werden. Funktionale Notwendigkeiten entstehen auch auf- kungen der kulturellen Diversität des Personals auf die öf- grund des Ruhestandseintritts der Babyboomer-Generation. fentlichen Verwaltungen auseinander. In dieser Perspektive In den kommenden Jahren wird knapp die Hälfte der heutigen geht es darum, die Konsequenzen einer diversen Belegschaft Beamtenschaft sowie der in der Bundesverwaltung beschäftig- auf das Wohlbefinden der Beschäftigten und damit auch auf ten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Ruhestand die Leistungsfähigkeit der Organisationen zu untersuchen. eintreten. Vor diesem Hintergrund hat eine intensive Ausei nandersetzung darüber begonnen, wie die öffentliche Ver- In Deutschland hat sich eine vergleichbare wissenschaftliche waltung – auch in Konkurrenz zur Privatwirtschaft – zukünftig Debatte nur ansatzweise entwickelt. Insbesondere empirische eine ausreichende Zahl von qualifizierten Bewerberinnen und Studien zur kulturellen Diversität in der öffentlichen Verwaltung Bewerbern gewinnen kann. Damit der öffentliche Dienst wei- und ihren Auswirkungen sind nach wie vor selten (vgl. Bühr- terhin ein „attraktiver und moderner Arbeitgeber“ (BMI 2015) mann und Schönwälder 2017, S. 1637). Die vorliegenden Studien ist, bedarf es daher einer Diversitätspolitik, welche neben der zu Beschäftigten aus Einwandererfamilien konzentrieren sich Gleichstellung der Geschlechter und der Potenziale des Alterns meist auf spezifische Teilbereiche wie die Polizei, die Bundes- auch die interkulturelle Öffnung der Verwaltung fördert. wehr oder einzelne ausgewählte Behörden und gehen kaum 12
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch über ausschnitthafte Betrachtungen hinaus. Untersuchungen ner Personalpolitik, daher sollte mit dem Diversität und Chan- zu den Konsequenzen einer diversen Belegschaft für Organisa- cengleichheit Survey (DuCS 2019) gleichzeitig die Machbarkeit tionen wurden in Deutschland bereits öfter durchgeführt. Die für die Bundesverwaltung in Deutschland geprüft werden. vorliegenden Studien konzentrieren sich jedoch meist auf die Privatwirtschaft und auf die Diversitätsmerkmale Geschlecht Im Einzelnen standen folgende Fragen im Mittelpunkt der Be- oder Alter. Der wissenschaftliche Kenntnisstand zu den Konse- schäftigtenbefragung: quenzen der kulturellen Diversität in der öffentlichen Verwal- tung ist hingegen noch weniger entwickelt. 1. Spiegelt sich die kulturelle Vielfalt der Bevölkerung in Deutschland in der öffentlichen Verwaltung wider? In wel- Der Diversität und Chancengleichheit Survey 2019 chem Umfang ist die Bevölkerung mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung repräsentiert? Um dem Ziel näherzukommen, die gesellschaftliche Vielfalt auch in der Bundesverwaltung abzubilden, sind verlässliche, 2. Welche Unterschiede bestehen zwischen Beschäftigten mit repräsentative Daten zur kulturellen Diversität der Bundesver und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer Erwerbs- waltung unverzichtbar. Daher haben die Beauftragte der situation und ihrer beruflichen Chancen in der Bundes- Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration verwaltung? Sind Beschäftigte aus Einwandererfamilien in und das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung eine gemein- besonderem Maße von Diskriminierung in der öffentlichen same Beschäftigtenbefragung in den Behörden und Einrichtun- Verwaltung betroffen? gen der Bundesverwaltung initiiert. Sie ist ein Kernvorhaben des Themenforums „Interkulturelle Öffnung der Verwaltung“ 3. Wie beurteilen die Beschäftigten in den Behörden und des Nationalen Aktionsplans Integration der Bundesregierung. Einrichtungen der Bundesverwaltung den Umgang ihres Die Befragung wurde im Jahr 2019 durchgeführt und schafft Arbeitgebers mit der kulturellen Vielfalt in der Belegschaft? erstmals eine belastbare Datengrundlage zur Untersuchung der Wie bewerten die Beschäftigten bestehende Maßnahmen des kulturellen Diversität in der Bundesverwaltung in Deutschland. Diversitätsmanagements? Der Nationale Aktionsplan Integration versteht interkulturelle 4. Welche Herausforderungen und Potenziale bestehen für die Öffnung sowohl als „Personal- als auch als Organisationsent- Behörden und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung wicklungsprozess“ (Bundesregierung 2011). Darauf aufbauend durch die zunehmende kulturelle Diversität ihrer Mitarbeite- war es das Ziel der Beschäftigtenbefragung, Informationen über rinnen und Mitarbeiter? die konkrete Situation in der Bundesverwaltung in Deutschland zu generieren. Die neue Datengrundlage soll es ermöglichen, Die vorliegende Veröffentlichung präsentiert eine Zusammenfas- bestehende wissenschaftliche Erkenntnisse aus anderen Ländern sung von ersten Befunden des Diversität und Chancengleichheit auf die Bundesverwaltung in Deutschland zu übertragen bzw. Surveys (DuCS 2019). Weitergehende Analysen und Erkenntnisse für diese zu überprüfen. Eine regelmäßige und gemeinsame Be- werden im Rahmen vertiefender wissenschaftlicher Publikationen in schäftigtenbefragung ist zudem ein wichtiges Element moder- den kommenden Monaten veröffentlicht (vgl. u. a. Ette et al. 2021a). 13
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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch Erste gemeinsame Beschäftigtenbefragung in den Behörden und Einrichtungen der Bundesverwaltung In vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der OECD sind regelmäßige zentrale Beschäftigtenbefragungen 2 Der Diversität und im öffentlichen Dienst ein wichtiger Teil des Personalmanage- ments. Die Ergebnisse liefern detaillierte Informationen über Chancengleichheit Survey ihre Beschäftigten und die Situation in den verschiedenen Organisationen und Behörden der öffentlichen Verwaltung Die öffentliche Verwaltung in Deutschland befindet sich in (vgl. OECD 2017). Prominentes Beispiel ist der „Federal Emp- kontinuierlichen Veränderungsprozessen. Neben der zuneh- loyee Viewpoint Survey“, welcher seit dem Jahr 2000 – mittler- menden Digitalisierung und Europäisierung wird auch der weile jährlich – unter allen Beschäftigten der Bundesverwal- demografische und soziale Wandel weitreichende Anpassungs- tung in den Vereinigten Staaten durchgeführt wird (Fernandez prozesse der öffentlichen Arbeitgeber erfordern. Zur Gestal- et al. 2015). Ähnliche Beispiele liegen aus Australien, Kanada, tung dieser Veränderungsprozesse sind Informationen zum Großbritannien, Irland oder der Schweiz vor. Im Gegensatz Personal der öffentlichen Verwaltung von zentraler Bedeutung. dazu erfolgen Befragungen der Beschäftigten in der Bun- Die einschlägigen Informationen beschränken sich jedoch auf desverwaltung in Deutschland meist in Verantwortung der wenige sozio-demografische Angaben sowie Merkmale der einzelnen Behörde und ohne Veröffentlichung der Ergeb- Erwerbssituation (vgl. Destatis 2019). Diese sind nur einge- nisse außerhalb des Kreises der eigenen Beschäftigten. Für die schränkt für die Organisationsentwicklung nutzbar. Weitere Beschäftigten der Bundesverwaltung liegen somit keinerlei Merkmale, die zur Untersuchung der individuellen und organi- vergleichbare Daten vor, welche ihre subjektiven Einschät- satorischen Konsequenzen einer kulturell vielfältigen Beleg- zungen zu den Arbeitsbedingungen sowie der Wahrnehmung schaft von Relevanz wären, wie beispielsweise Angaben zum der Organisationskultur umfassen. Vor diesem Hintergrund Migrationshintergrund, sind in der Statistik nicht enthalten. war es das Ziel des Diversität und Chancengleichheit Surveys Für eine mitarbeiterorientierte Personalentwicklung und die (DuCS 2019), erstmals umfassende Informationen über die Gestaltung einer partizipativen Führung in der öffentlichen kulturelle Diversität in der Bundesverwaltung in Deutschland Verwaltung liegen zudem keine zwischen den Einrichtungen zu erfassen. und Behörden vergleichbaren Daten zu den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und deren subjektiven Einschätzungen vor. 15
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Repräsentative Daten für die unmittelbare „Diversität und Chancengleichheit Survey Bundesverwaltung (DuCS 2019)“ auf einen Blick Innerhalb des gesamten öffentlichen Dienstes in Deutschland ❱ Erste Beschäftigtenbefragung der Bundesverwaltung in mit seinen 4,8 Millionen Beschäftigten stellt die Bundesver- Deutschland waltung nur einen kleinen Teil dar. Aufgrund ihrer zentralen ❱ 55 teilnehmende Behörden, in denen 76 Prozent aller Be Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des schäftigten der unmittelbaren Bundesverwaltung tätig sind Gesamtstaats ist die Bundesverwaltung jedoch von zentraler Bedeutung für ein funktionierendes Gemeinwesen. Die Grund- ❱ Über 47.000 realisierte Interviews (Ausschöpfungsquote: gesamtheit der Befragung stellen die 231.000 Beschäftigten der 43,0 Prozent) unmittelbaren Bundesverwaltung (ohne Bundeswehr) dar. Sie arbeiten in den obersten Bundesbehörden (z. B. Bundesminis- ❱ Erstmals repräsentative Daten zur Diversität der Beschäf- terien), in den nachgeordneten Behörden (z. B. Bundespolizei) tigten der unmittelbaren Bundesverwaltung sowie den Bundesgerichten (z. B. Bundesverfassungsgericht). ❱ Online-Erhebung im Zeitraum von Mai bis November 2019 Auch die Deutsche Bundesbank ist trotz ihrer Unabhängig- keit Teil der Bundesverwaltung. Der Bund ist somit zwar ein ❱ Gemeinsame Veröffentlichung der Ergebnisse für die ge- einheitlicher Arbeitgeber, welcher auf weitgehend identischen samte Bundesverwaltung personalpolitischen Grundlagen agiert. Allerdings sind die Ein- richtungen und Behörden der Bundesverwaltung auch äußerst ❱ Erstellung individueller Tabellenbände mit behördenspezifi- heterogen in Bezug auf die Größe der einzelnen Behörden schen Ergebnissen für die teilnehmenden Einrichtungen sowie die Personalstrukturen und Tätigkeitsfelder (vgl. Abb. 2). 16
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch Abb. 2: Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung nach Anzahl der Beschäftigten am 30.06.2018 Einrichtungen in öffentl.-rechtl. Rechtsform WSV AA BBk BAMF BPol BT ITZBund DPMA BMVg StBA UBA BStU BAM BMI BMVI DWD BKA JKI BRH BMAS RKI BMBF BMFSFJ PTB LBA Thünen BMEL BMZ FBA BSH THW BfArM FLI BZSt BMU BfJ BSI BVA BMF EBA KBA PEI Zoll BNetzA BMWi BBR BAFA BAG Quelle: Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts 2019. Anmerkung: Blau markierte Behörden und Einrichtungen haben sich am Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019) beteiligt, grau markierte Behörden haben nicht teilgenommen. Behörden mit einer geringeren Anzahl von Beschäftigten wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht namentlich markiert. 17
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Für die Durchführung des Diversität und Chancengleichheit duellem Passwort möglich. Der Online-Fragebogen wurde Surveys (DuCS 2019) wurde ein zweistufiges Stichprobenverfah- in Zusammenarbeit mit dem Informationstechnikzentrum ren gewählt. In einem ersten Schritt wurden für die Stichprobe Bund (ITZBund) auf Grundlage bestehender Hardware- und Behörden gezogen. In einem zweiten Schritt wurden bei Be- Softwarelösungen der Bundesverwaltung umgesetzt, wodurch hörden mit einer größeren Zahl von Beschäftigten einzelne Be- hohe datenschutzrechtliche Standards gewährleistet waren. schäftigte nach einem Zufallsprinzip ausgewählt. Bezogen auf die 101 Behörden des Bundeshaushaltsplans konnten für diese erste In Anlehnung an das Vorgehen in anderen Staaten mit regel- gemeinsame Beschäftigtenbefragung 55 Behörden ausgewählt mäßigen zentralen Beschäftigtenbefragungen im öffentlichen werden, in denen 76,3 Prozent aller Beschäftigten der unmittel- Dienst konzentriert sich die vorliegende Veröffentlichung auf baren Bundesverwaltung tätig sind. Insgesamt konnte eine auch die Darstellung von Ergebnissen für die gesamte Bundesver- im internationalen Vergleich gute Ausschöpfungsrate von 43,0 waltung. Für alle teilnehmenden Behörden wurden zusätzlich Prozent erzielt werden (vgl. Lee et al. 2011). individuelle Tabellenbände mit behördenspezifischen Ergeb- nissen erstellt (vgl. Ette et al. 2020). Mit über 47.000 Interviews liegen mit dieser Befragung erstmals belastbare und repräsentative Daten zur Diversität der Beschäf- tigten in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland vor. Diese äußerst detaillierte Datengrundlage ist weitgehend repräsentativ für die 231.000 Beschäftigten (vgl. Ette et al. 2021b). Für die Durchführung dieser speziellen Beschäftigtenbefra- gung zur kulturellen Diversität und Chancengleichheit wurde auf bewährte Fragekataloge bestehender sozialwissenschaft licher Befragungen zurückgegriffen. Dazu zählt der Mikrozen- sus als amtliche Haushaltsbefragung, das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (vgl. Goebel et al. 2019), das Linked Personnel Panel (LPP) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (vgl. Ruf et al. 2020) sowie die Copsoq-Befragungen (vgl. Burr et al. 2019). Die Befragung wurde online zwischen Mai und November 2019 in den Behörden und Einrichtungen durchgeführt. Zur Gewährleistung einer hohen Datenqualität wurden die Beschäftigten mit personalisierten Anschreiben und Er- innerungsschreiben an die dienstliche E-Mail-Adresse zur Teilnahme eingeladen. Eine Teilnahme war nur mit indivi- 18
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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Kulturelle Vielfalt wird in Deutschland bisher über den Migrationshintergrund erfasst Im öffentlichen und politischen Diskurs der vergangenen zwei Jahrzehnte hat sich in Deutschland das Konzept des Migra- 3 Repräsentation kultureller tionshintergrunds entwickelt. In der offiziellen Statistik wurde noch bis vor 15 Jahren ausschließlich zwischen deutschen und Diversität in der Bundes ausländischen Staatsangehörigen unterschieden. Gegenüber dem damals geläufigen Ausländerbegriff hat das Konzept des verwaltung Migrationshintergrunds den Vorteil, dass sich Einwanderer und ihre Nachkommen – häufig als erste bzw. zweite Gene- ration von Migrantinnen und Migranten bezeichnet – in der Zur Beantwortung der Frage nach der Repräsentation kul- Statistik unabhängig von der Staatsangehörigkeit und mögli- tureller Diversität in der öffentlichen Verwaltung braucht es cherweise zwischenzeitlich erfolgten Einbürgerungen erken- Informationen über die Zusammensetzung der Beschäftigten nen lassen. in der Verwaltung selbst. Diese Informationen können dann mit der kulturellen Diversität der Bevölkerung im erwerbs- fähigen Alter oder mit der Struktur der in der Privatwirtschaft Definition Migrationshintergrund beschäftigten Personen verglichen werden. Denn nur so ist eine Einordnung möglich, inwiefern bestimmte Bevölkerungs- gruppen unter- oder überrepräsentiert sind. Für die kulturelle „Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie Diversität in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland ist selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsan- entscheidend, ob eine beschäftigte Person aus einer Einwande- gehörigkeit nicht durch Geburt besitzt“ (Destatis 2018). rerfamilie stammt. Der Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019) Was bedeutet Diversität? setzt diese Definition des Statistischen Bundesamtes um, sodass eine weitestgehende Vergleichbarkeit mit den Daten Mit dem Begriff der Diversität lässt sich ganz allgemein die des Mikrozensus gewährleistet ist. Zusammensetzung einer Organisation entlang verschiede- ner demografischer oder kultureller Merkmale beschreiben Der Migrationshintergrund lässt sich differenziert nach (vgl. DiTomaso et al. 2007, S. 474). Dazu zählt beispielsweise Migrantengeneration (eigene Migrationserfahrung bzw. der Anteil von Frauen in einer Organisation oder die Alters- Migrationserfahrung der Eltern), Staatsangehörigkeit und struktur ihrer Beschäftigten. Geburtsregion analysieren. 20
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch Ungeachtet dieser Vorteile kam das Konzept des Migrations- Konzepts genutzt werden – insbesondere die Untersuchung hintergrunds in den vergangenen Jahren zunehmend in die von Teilhabechancen entlang der Generationenfolge, entlang Kritik (vgl. Ahyoud et al. 2018; El-Mafaalani 2017). Kritisiert der Staatsbürgerschaft und entlang der eigenen Herkunftsre- wird erstens, dass das Konzept auf einer Fremdzuschreibung gion bzw. derjenigen der Eltern. beruht, welche auf Grundlage mehrerer zum Teil vergleichs- weise komplexer Fragen in Umfragen erfasst und abgeleitet Bevölkerung mit Migrationshintergrund in der wird und mit dem heute eine ähnliche Stigmatisierung in der Bundesverwaltung unterrepräsentiert Gesellschaft verbunden wird wie früher mit dem Begriff des Ausländers. Zweitens homogenisiert das Konzept eine an- Den Umfang, zu dem die Bevölkerung mit Migrationshinter- sonsten äußerst heterogene Bevölkerungsgruppe. Ungleiche grund in der Bundesverwaltung repräsentiert ist, bildet der Teilhabechancen und Diskriminierung verlaufen aber nicht Diversitätsindex ab. Er stellt den Anteil der Beschäftigten mit notwendigerweise zwischen der Bevölkerung ohne Migra- Migrationshintergrund an der Gesamtbeschäftigung in der Bun- tionshintergrund und der Bevölkerung mit Migrationshinter- desverwaltung als Prozentwert dar. Insgesamt haben 12,0 Pro- grund, sondern viel eher zwischen spezifischen geografischen zent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundesverwal- Herkunftsgruppen, dem Aussehen, der ethnischen Zugehörig- tung einen Migrationshintergrund. Der Vergleichswert für die keit oder sprachlichen Kompetenzen und zwar möglicherweise Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter beträgt für das Jahr 2018 unabhängig von einer eigenen Migrationserfahrung bzw. der nach Angaben des Mikrozensus 27,1 Prozent. Dies umfasst aber Migrationserfahrung der Eltern. Aus diesem Grund wird in vie- auch Nichterwerbspersonen und erwerbslose Personen. Unter- len Einwanderungsländern – neben Geburtsland und Staatsan- suchungen zur Repräsentation vergleichen die öffentliche Ver- gehörigkeit – eine Frage nach der ethnischen Herkunft in Form waltung zur besseren Einordnung daher meist mit der Struktur einer Selbstidentifikation gestellt (vgl. Simon et al. 2015). der in der Privatwirtschaft beschäftigten Personen. Dort liegt der Vergleichswert bei 26,2 Prozent, womit die Bevölkerung mit Mig- Trotz dieser berechtigten Kritikpunkte wird für die Untersu- rationshintergrund in der Bundesverwaltung unterrepräsentiert chung der Repräsentation kultureller Diversität in der öffent- ist und die kulturelle Vielfalt der Bevölkerung in Deutschland lichen Verwaltung im Folgenden dennoch auf das Konzept des nur bedingt widergespiegelt wird (vgl. Abb. 3). Migrationshintergrunds zurückgegriffen. Zum einen existieren für die Untersuchung der Repräsentation kultureller Diversität Zwischen den Behörden und Einrichtungen der Bundesver- in Deutschland noch keine alternativen etablierten wissen- waltung bestehen deutliche Unterschiede beim Diversitätsin- schaftlichen Konzepte, welche auch vergleichbare Daten zur dex. Die Behörde mit dem niedrigsten Anteil von Beschäftigten Situation außerhalb der öffentlichen Verwaltung und in der mit Migrationshintergrund weist einen Wert von 4,0 Prozent Bevölkerung im Allgemeinen bereitstellen. Zum anderen bietet auf. Die Behörde mit dem höchsten Anteil hat 24,5 Prozent das Konzept des Migrationshintergrunds – trotz dieser Ein- Beschäftigte mit Migrationshintergrund. Somit sind in keiner schränkungen – eine gute Grundlage, die aus der Migrations- Behörde der Bundesverwaltung die Beschäftigten mit Migra- geschichte in Deutschland resultierende kulturelle Diversität tionshintergrund entsprechend ihrem Anteil in der Privatwirt- abzubilden. Dies gilt umso mehr, wenn die Potenziale des schaft repräsentiert. 21
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Abb. 3: Diversitätsindex in der Bundesverwaltung im Migrationshintergrund aufweisen. Von dieser Beschäftigten- Vergleich zur Bevölkerung sowie zur Privatwirtschaft gruppe in der Bundesverwaltung haben 35,7 Prozent eine eigene Migrationserfahrung und zählen somit zur ersten Generation von Migrantinnen und Migranten. 64,3 Prozent verfügen über keine in Prozent 30 eigene Migrationserfahrung, womit Personen der zweiten Gene- ration beschrieben werden. Ein Vergleich mit der Privatwirtschaft 25 zeigt dort ein umgekehrtes Verhältnis: 76,3 Prozent weisen eine eigene Migrationserfahrung auf und 23,7 Prozent gehören zur 20 zweiten Migrantengeneration. Dass die Bevölkerung mit Migra- tionshintergrund in der Bundesverwaltung unterrepräsentiert ist, 15 lässt sich somit insbesondere auf die geringe Teilhabe der ersten 25,5 27,1 26,2 Migrantengeneration zurückführen. Die zweite Migrantengene- 10 ration ist hingegen weitgehend proportional zu ihrem Anteil in 12,0 der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sowie in der Privatwirt- 5 schaft beschäftigt. Die eigene Sozialisation und (Aus-)Bildung in Deutschland scheint eine wichtige Voraussetzung für den Zugang 0 Bevölkerung Bevölkerung im Privatwirtschaft Bundes- zur Bundesverwaltung zu sein. gesamt erwerbsfähigen verwaltung Alter Neben der Sozialisation in Deutschland ist auch die deutsche Staatsangehörigkeit von besonderer Bedeutung für den Zugang Quelle: Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019); Mikrozensus 2018. Anmerkung: Alle Analysen auf Grundlage des DuCS 2019 in dieser Veröffentlichung basieren zur Bundesverwaltung. Obwohl die deutsche Staatsangehörig- auf einer faktischen Stichprobe der Beschäftigten. Ergebnisse auf Grundlage einer Stichprobe keit für Angestellte in der öffentlichen Verwaltung kein Zu- stimmen selten exakt mit den realen Werten in der Grundgesamtheit überein. Vielmehr liegen sie mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit innerhalb eines bestimmten Bereichs – dem Kon- gangskriterium darstellt und das Beamtenverhältnis zumindest fidenzintervall. Der für die Bundesverwaltung insgesamt ermittelte Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund beträgt 12,0 %. Das 95 %-Konfidenzintervall hat die Untergrenze 11,8 % Staatsangehörigen auch anderer EU-Mitgliedstaaten (EU-Bürge- und die Obergrenze 12,1 %. rinnen und EU-Bürger) oder von Island, Liechtenstein, Norwe- gen (EWR-Bürgerinnen und EWR-Bürger) oder der Schweiz Migrationserfahrung relevant für Beschäftigung in offensteht (und unter bestimmten Voraussetzungen auch Dritt- der Bundesverwaltung staatsangehörigen), haben nur 8,8 Prozent aller Beschäftigten mit Migrationshintergrund eine ausländische Staatsangehörig- Die Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Bundes keit. Davon weisen wiederum mehr als zwei Drittel die Staatsan- verwaltung unterscheiden sich von der Bevölkerung mit Migra gehörigkeit eines Mitgliedstaats der EU auf. In der Bevölkerung tionshintergrund im erwerbsfähigen Alter sowie von den in der im erwerbsfähigen Alter sowie in der Privatwirtschaft liegt der Privatwirtschaft beschäftigten Personen mit Migrationshinter- Anteil von Ausländerinnen und Ausländern deutlich höher. Die grund. Die Befragung zeigt, dass von den 159.000 Beschäftigten Ergebnisse des Mikrozensus zeigen, dass in der Privatwirtschaft der teilnehmenden Behörden insgesamt 19.000 Personen einen 52,5 Prozent nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. 22
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch Auch hinsichtlich der Herkunftsregionen sind die in der Bun- in Deutschland führt bisher nicht dazu, dass die Bevölkerung desverwaltung Beschäftigten mit Migrationshintergrund nur mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung stärker bedingt repräsentativ für die in der Privatwirtschaft tätigen repräsentiert ist. Personen aus Einwandererfamilien. Konkret sind 52,6 Prozent der Beschäftigten der Bundesverwaltung bzw. deren Eltern in Für nur langsame Veränderungen sorgen auch bestehende einem Mitgliedstaat der EU geboren. In der Privatwirtschaft Muster der Personalgewinnung. Untersuchungen der Ver- liegt hingegen der Anteil von Beschäftigten, die selbst oder änderungen in der Personalgewinnung benötigen zukünftig deren Eltern in einem Drittstaat geboren sind, bei 58,4 Prozent. ebenfalls Daten zur zeitlichen Entwicklung der Repräsentation kultureller Diversität in der Bundesverwaltung. Doch auch hier Bestehende Muster in der Personalgewinnung der ermöglichen die Daten des Diversität und Chancengleichheit Behörden stehen der stärkeren Repräsentation Surveys (DuCS 2019) durch den Vergleich von Beschäftigten kultureller Diversität noch entgegen mit längerer Zugehörigkeit zu einer Behörde mit denjenigen Beschäftigten mit kürzerer Zugehörigkeit einen ersten Ein- Die Unterrepräsentation der Bevölkerung mit Migrations- druck zu Veränderungen in der Personalgewinnung. Danach hintergrund hat sich sowohl in der öffentlichen Verwaltung sind die Unterschiede hinsichtlich des Diversitätsindex zwi- im Allgemeinen als auch in der Bundesverwaltung im Spe- schen den Behörden nur zu einem Teil auf unterschiedliche ziellen in den vergangenen Jahren kaum geändert. Abgesehen Beschäftigtenstrukturen der Behörden (z. B. unterschiedlich von ersten Erhebungen zum Anteil der Beschäftigten in der hoher Anteil von Beamtinnen und Beamten) zurückzuführen. Bundesverwaltung in den Jahren 2014 bis 2017 (vgl. Ette et al. Vielmehr sind die Unterschiede historisch gewachsen: Die 2016) liegen bisher keine Daten zur zeitlichen Entwicklung der Behörden, in denen ein überdurchschnittlicher Anteil von Repräsentation kultureller Diversität in der Bundesverwal- Beschäftigten mit Migrationshintergrund mit längerer Zuge- tung vor. Informationen zur Repräsentation in verschiedenen hörigkeit zur Behörde tätig ist, haben auch in den vergangenen Geburtskohorten – wie sie durch den Diversität und Chancen- Jahren überdurchschnittlich viele Personen mit Migrations- gleichheit Surveys (DuCS 2019) für die Bundesverwaltung hintergrund neu eingestellt. sowie über den Mikrozensus auch für die Privatwirtschaft vorliegen – bieten erste Einblicke in frühere Prozesse der Per- sonalgewinnung. Danach liegt der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund bei den unter 30-Jährigen Beschäftig- ten mit 17,9 Prozent bzw. 16,2 Prozent bei den 30- bis 39-Jäh- rigen Beschäftigten deutlich über den durchschnittlichen 12,0 Prozent. Gleichzeitig liegt aber der Anteil der Beschäf- tigten mit Migrationshintergrund in der Privatwirtschaft in den genannten Altersgruppen mit 30,3 Prozent bei den unter 30-jährigen und 32,3 Prozent bei den 30- bis 39-jährigen deut- lich höher. Die steigende kulturelle Vielfalt der Bevölkerung 23
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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch Beschäftigte mit Migrationshintergrund seltener in höheren Laufbahngruppen tätig Die Zugehörigkeit zu einer der vier Laufbahnen in der öf- fentlichen Verwaltung stellt einen Indikator des beruflichen 4 Chancengleichheit in der Status dar. In der Bundesverwaltung sind Beschäftigte mit Migrationshintergrund im einfachen (17,6 Prozent), mittleren Bundesverwaltung (12,7 Prozent) und höheren Dienst (13,3 Prozent) überreprä- sentiert, im Vergleich zu ihrem Anteil von 12,0 Prozent in der Für die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen an der öffentli- Bundesverwaltung insgesamt. Umgekehrt sind Beschäftigte chen Verwaltung sind zwei Dinge wichtig: Erstens, dass sie mit Migrationshintergrund im gehobenen Dienst mit 10,5 Pro- entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtzahl der Personen zent unterrepräsentiert (vgl. Abb. 4). im erwerbsfähigen Alter oder der Personen in der Privatwirt- schaft in Deutschland repräsentiert sind. Zweitens, dass alle Die Beschäftigten mit Migrationshintergrund sind im Ver- Bevölkerungsgruppen auch gleiche Chancen für die berufliche gleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen ohne Migrations- Entwicklung in der öffentlichen Verwaltung haben. hintergrund durchschnittlich deutlich jünger. Kontrolliert man die unterschiedliche demografische Struktur beider Beschäf- Für den deutschen Arbeitsmarkt im Allgemeinen ist bekannt, tigtengruppen mittels vertiefender statistischer Verfahren dass Migrantinnen und Migranten und ihre Nachkommen (Regressionsanalysen), zeigt sich, dass Beschäftigte mit Migra- schlechtere berufliche Chancen haben als die Bevölkerung tionshintergrund sowohl im gehobenen als auch im höheren ohne Migrationshintergrund (vgl. Kalter und Granato 2018). Dienst signifikant seltener tätig sind (vgl. Tab. 1). Diese Ungleichheiten betreffen beispielsweise den beruflichen Status, die Verwertbarkeit von Bildungs- und Ausbildungsab- schlüssen oder die Arbeitsplatzsicherheit. Regressionsanalysen In Deutschland liegen bislang nur unzureichende Erkenntnisse Ein Großteil der berichteten Ergebnisse auf Grundlage des über solche Ungleichheiten zwischen Beschäftigten mit und Diversität und Chancengleichheit Surveys (DuCS 2019) ohne Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung beruht auf dem statistischen Verfahren der Regressionsana- vor. Die Daten des Diversität und Chancengleichheit Surveys lyse. Dieses Verfahren testet, inwieweit ein Zusammenhang (DuCS 2019) liefern erstmals belastbare Ergebnisse zur Chan- zwischen einer Zielvariablen (z. B. Laufbahngruppe) und cengleichheit von Beschäftigten in der Bundesverwaltung, die ein oder mehreren Einflussfaktoren (z. B. Alter, Geschlecht) entweder selbst oder deren Eltern nach Deutschland einge- besteht. Da die zu erklärenden Sachverhalte – wie fast alle wandert sind. Die Befunde zeigen, dass die für den deutschen sozialwissenschaftlichen Phänomene – nicht ausschließ- Arbeitsmarkt im Allgemeinen bekannten Befunde sich auch lich auf einer Ursache beruhen, werden mehrere Einfluss- für die Bundesverwaltung bestätigen. faktoren sowie der jeweilige behördliche Beschäftigungs- 25
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Abb. 4: Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund kontext berücksichtigt. Dies ermöglicht Aussagen genau zu in der Bundesverwaltung nach Laufbahngruppe den Unterschieden zwischen Beschäftigten mit und ohne Migrationshintergrund, während weitere Einflussfaktoren in Prozent kontrolliert werden. Nicht zwangsläufig müssen kausale Zu- 20 sammenhänge zwischen der Zielvariablen und den Einfluss- faktoren bestehen. Auch wechselseitige Beeinflussung bzw. 16 ein umgekehrter Zusammenhang können vorliegen. 12 Diese vertiefenden Analysen zeigen zudem, dass insbesondere 17,6 Beschäftigte ohne eigene Migrationserfahrung – die zweite 8 Migrantengeneration – seltener in höheren Laufbahngruppen 12,7 13,3 tätig sind. Hingegen besteht bei Beschäftigten mit eigener 10,5 4 Migrationserfahrung ohne deutsche Staatsangehörigkeit kein signifikanter Unterschied hinsichtlich deren Laufbahnzuge- 0 hörigkeit im Vergleich zu Kolleginnen und Kollegen ohne Einfacher Mittlerer Gehobener Höherer Dienst Dienst Dienst Dienst Migrationshintergrund. Im vergangenen Jahrzehnt haben ein- Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund zelne Behörden und Einrichtungen vermehrt damit begonnen, in der Bundesverwaltung insgesamt Personen mit eigener Migrationserfahrung und ohne deutsche Staatsangehörigkeit insbesondere für den gehobenen und Quelle: Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019). höheren Dienst einzustellen. Die absoluten Zahlen von Beschäftigten der ersten Migrantengeneration sind in der Bundesverwaltung aber nach wie vor vergleichsweise gering. Beschäftigte mit Migrationshintergrund häufiger überqualifiziert und befristet tätig Die Verwertbarkeit von Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Chancengleichheit. Wenn der Ausbildungs- oder Studienabschluss von Beschäftigten das Anforderungsniveau der Tätigkeit und damit ihre Laufbahn übersteigt, spricht man von Überqualifikation. Auch wenn Überqualifikationen von den Beschäftigten freiwillig in Kauf genommen oder sich auch unfreiwillig ergeben können, wir- ken sie sich in jedem Fall nachteilig auf Gehalt und die weitere berufliche Karriere aus. 26
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG Div & Ch In der Bundesverwaltung sind mit 18,2 Prozent Beschäftigte mit Beschäftigte mit Migrationshintergrund haben Migrationshintergrund in Relation zu ihrem Gesamtanteil an schlechtere Karrierechancen allen Beschäftigten überdurchschnittlich häufig überqualifiziert tätig (vgl. Abb. 5). Angesichts des hohen Anteils von Akademike- Nachteile bestehen für Beschäftigte mit Migrationshinter- rinnen und Akademikern (30,8 Prozent) unter den Beschäftigten grund nicht nur bei der beruflichen Platzierung zu Einstel- mit Migrationshintergrund weist der Befund darauf hin, dass die lungsbeginn, sondern auch im Verlauf der weiteren Erwerbs- in der Bundesverwaltung vorhandenen Potenziale noch nicht tätigkeit in der Bundesverwaltung. Demnach kann – gemessen vollständig genutzt werden. Davon betroffen sind insbesondere am Gesamtanteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund Personen der ersten Generation. Ein Grund könnte u. a. die für in der Bundesverwaltung von 12,0 Prozent – eine unterdurch- bestimmte Tätigkeiten erforderlichen spezifischen Ausbildungs- schnittliche Repräsentation dieser Gruppe bei Verbeamtun- wege in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland sein. gen (10,1 Prozent), Beförderungen (9,6 Prozent) und bei der Besetzung von Führungspositionen (10,0 Prozent) festgestellt Beschäftigte mit Migrationshintergrund sind zudem weit häufiger werden (vgl. Abb. 5). in befristeten und somit in unsichereren Beschäftigungsverhältnis- sen tätig. Sie machen 19,6 Prozent des befristet beschäftigten Perso- Vertiefende statistische Analysen zeigen, dass Beschäftigte mit nals aus, aber nur 12,0 Prozent des Gesamtpersonals (vgl. Abb. 5). Migrationshintergrund unabhängig von Migrantengeneration und Staatsangehörigkeit schlechtere Chancen beim Zugang Abb. 5: Beschäftigungssituation des Personals mit Migra- zum Beamtenstatus haben. Die bestehenden Ungleichheiten tionshintergrund in der Bundesverwaltung bei Beförderungen sind in der Bundesverwaltung auf Beschäf- tigte der zweiten Migrantengeneration zurückzuführen. Mit in Prozent Blick auf das Ausüben einer Führungsposition bestehen hinge- gen keine signifikanten Unterschiede zwischen Beschäftigten überqualifiziert 18,2 mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Beschäftigten ohne beschäftigt Migrationshintergrund. Allerdings haben speziell Beschäftigte befristet der ersten Migrantengeneration schlechtere Chancen, in einer beschäftigt 19,6 Führungsposition zu sein, als Beschäftigte ohne Migrations- hintergrund (vgl. Tab. 1). verbeamtet 10,1 wurde befördert 9,6 in Führungs- position 10,0 beschäftigt 0 4 8 12 16 20 Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung insgesamt Quelle: Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019). 27
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