Kulturelle Diversität und Chancengleichheit in der Bundesverwaltung - Ergebnisse der ersten gemeinsamen Beschäftigtenbefragung der Behörden und ...

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Kulturelle Diversität und Chancengleichheit in der Bundesverwaltung - Ergebnisse der ersten gemeinsamen Beschäftigtenbefragung der Behörden und ...
Kulturelle Diversität und
Chancengleichheit in der
Bundesverwaltung
Ergebnisse der ersten gemeinsamen
Beschäftigtenbefragung der Behörden
und Einrichtungen im öffentlichen Dienst
des Bundes

                                           Diversität
                                           & Chancen
Kulturelle Diversität und Chancengleichheit in der Bundesverwaltung - Ergebnisse der ersten gemeinsamen Beschäftigtenbefragung der Behörden und ...
Kulturelle Diversität und
Chancengleichheit in der
Bundesverwaltung
Ergebnisse der ersten gemeinsamen
Beschäftigtenbefragung der Behörden
und Einrichtungen im öffentlichen Dienst
des Bundes

                                           Diversität
                                           & Chancen
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
                                                                                                                                                                                                                 Div
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Inhalt
Vorworte ......................................................................................... 5     Literatur ........................................................................................ 50

1 	Die Bundesverwaltung als Arbeitgeber in einer                                                       Abkürzungsverzeichnis ......................................................... 54
    kulturell diversen Gesellschaft........................................10
                                                                                                         Impressum ................................................................................... 57
2 	Der Diversität und Chancengleichheit
    Survey..........................................................................................15

3	Repräsentation kultureller Diversität in
   der Bundes­verwaltung ...................................................... 20

4 Chancengleichheit in der Bundesverwaltung ........ 25

5 	Diskriminierungserfahrungen in der
    Bundesverwaltung .............................................................. 30

6 	Diversitätsmanagement in der
    Bundesverwaltung .............................................................. 34

7	Potenziale kultureller Diversität für die
   öffentliche Verwaltung ...................................................... 39

8 	Handlungsfelder zur För­­derung der inter­-
     kultu­rellen Öffnung der Bundesverwaltung........... 44
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
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Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,

                              heute leben 83 Millionen Men-        Mein besonderer Dank gilt allen teilnehmenden Behörden. Die
                              schen in Deutschland, davon          breite Beteiligung steht für die gemeinsame und große Initia-
                              21,2 Millionen mit familiärer        tive der Bundesverwaltung für mehr Diversität und Chancen-
                              Einwanderungsgeschichte.             gleichheit. Ja, wir wollen, dass sich die Vielfalt unserer Gesell-
                              Diese Vielfalt und das Zusam-        schaft auch in den Büros und auf den Fluren unserer Behörden
                              menarbeiten von Menschen             widerspiegelt!
                              mit verschiedenen Talenten,
                              Kompetenzen und Erfahrungen          Die Ergebnisse bestärken diejenigen, die im öffentlichen Dienst
                              haben uns zu einem starken,          bereits aktiv Vielfalt fördern, und sie ermuntern alle, die ent-
                              wohlhabenden Land in der Mitte       scheidenden Schritte dafür zu gehen. Interkulturelle Kompe-
                              Europas gemacht. Diesen Wert         tenzen, das Erfahrungswissen der kulturell unterschiedlich
der Vielfalt erkennen immer mehr gesellschaftliche Bereiche,       geprägten Angestellten und Beamtinnen und Beamten und
wirtschaftliche Branchen und auch die Behörden von Bund,           Mehrsprachigkeit sind ein Gewinn für den öffentlichen Dienst
Ländern und Kommunen. Sie wollen Vielfalt fördern und set-         und das Verwaltungshandeln.
zen auf interkulturelle Öffnung. Das ist der richtige Weg – auch
für die Bundesverwaltung. Auch dort sollen alle Menschen ihre      Allerdings ist Vielfalt im öffentlichen Dienst noch längst keine
Fähigkeiten voll und ganz einbringen können.                       Selbstverständlichkeit. Das zeigt die Beschäftigtenbefragung
                                                                   mit dem Diversitätsindex. Damit liegen uns erstmals fundierte
Wie das gelingen kann? Dafür haben wir – das Bundesinstitut        und belastbare Daten zum Anteil der Beschäftigten mit Migra-
für Bevölkerungsforschung und die Beauftragte der Bundes-          tionshintergrund in der gesamten Bundesverwaltung vor. Der
regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration – die         Handlungsbedarf für eine angemessene Repräsentanz ist groß
zentrale Beschäftigtenbefragung für die Bundesverwaltung ge-       und wir müssen sicherstellen, dass alle die gleichen Chancen
startet, den Diversität und Chancengleichheit Survey. Er zeigt,    haben; unabhängig von der sozialen oder geografischen Her-
welche Handlungsfelder und konkreten Maßnahmen für mehr            kunft der Eltern, unabhängig davon, ob die Bewerberin Sandra
Vielfalt sorgen und an welchen Stellen Nachholbedarf besteht.      Bauer oder Meryem Öztürk heißt.

                                                                                                                                      5
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

Mit der vorliegenden Datenbasis sehen wir genauer als jemals      bearbeiten gilt, und die Chancen, die damit für den öffent­
zuvor, an welchen Stellen in der Bundesverwaltung auch mit        lichen Dienst verbunden sind!
personalpolitischen Maßnahmen angesetzt werden muss.
Unser Ziel ist es, einen positiven Umgang mit Vielfalt nachhal-   Berlin, November 2020
tig in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu verankern.
Deshalb arbeiten wir beim Nationalen Aktionsplan Integra-
tion der Bundesregierung an einer Diversitätsstrategie für die
Bundesverwaltung, ein Baustein dafür ist der Diversität und
Chancengleichheit Survey.
                                                                  Annette Widmann-Mauz
Die nachfolgenden Befunde und Empfehlungen geben Auf-             Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin
schluss über den Stand der interkulturellen Öffnung der           Beauftragte der Bundesregierung für Migration,
Bundesverwaltung, die konkreten Handlungsfelder, die es zu        Flüchtlinge und Integration

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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
                                                                                                                                   Div
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Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,

                              die Bundesverwaltung und         Antworten auf diese Fragen hatten wir bislang nicht. Ich
                              ihre Einrichtungen stehen als    freue mich daher sehr, dass wir dies jetzt mit der ersten ge-
                              Arbeitgeber vor vielfältigen     meinsamen Beschäftigtenbefragung der Bundesverwaltung
                              Herausforderungen. Auch für      ändern konnten. Mit über 47.000 Interviews aus 55 teil-
                              Ministerien, Gerichte und die    nehmenden Behörden liegen erstmals repräsentative Daten
                              über 100 Bundesbehörden gilt:    zur Diversität der Beschäftigten der unmittelbaren Bundes-
                              Ein modernes Personalmanage-     verwaltung (ohne Bundeswehr) vor. Wir wissen jetzt, wie
                              ment ist von herausragender      Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen subjektiv einschätzen
                              Bedeutung, um sich wandeln-      und wie sie ihre Organisationskultur wahrnehmen. Dies ist
                              de Aufgaben bewältigen zu        für die künftige Personal- und Organisationsentwicklung
                              können. Neben vielem anderen,    der Behörden eine wertvolle Orientierungshilfe und bietet
etwa den rasch alternden Belegschaften, gilt es, auf die zu-   zudem eine wichtige Wissensgrundlage für verlässliche
nehmende kulturelle Vielfalt der Gesellschaft angemessen       Politikberatung und für weitere Forschung zum Thema.
zu reagieren. Auch und gerade als Arbeitgeber müssen sich
öffentliche Einrichtungen stärker mit dem Thema kulturelle     In vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und
Diversität auseinandersetzen.                                  der OECD sind zentrale Beschäftigtenbefragungen im
                                                               öffent­lichen Dienst schon länger ein wichtiger Bestand­-
Seit 2012 ist die interkulturelle Öffnung des öffentlichen     teil des Personalmanagements. Erstmals liegen nun auch
Dienstes des Bundes ein wichtiges Ziel des Nationalen          für Deutschland international vergleichbare Daten vor.
Aktionsplans Integration: Doch spiegelt sich die kulturelle    Der Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019)
Vielfalt der Bevölkerung in Deutschland in der öffentlichen    erbringt viele neue und bedeutsame Erkenntnisse: Mit dem
Verwaltung wider? Haben Beschäftigte mit und ohne Migra-       Diversitäts­klima­index steht nun ein Instrument zur Ver-
tionshintergrund gleiche berufliche Chancen? Sind Beschäf-     fügung, das anzeigt, wie Beschäftigte der öffentlichen Ver-
tigte mit Migrationshintergrund häufiger Diskriminierungen     waltung in Deutschland das Diversitätsmanagement ihrer
am Arbeitsplatz ausgesetzt?                                    Organisation beurteilen. Das Instrument bietet großes

                                                                                                                               7
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

    Potenzial bei künftigen Untersuchungen, etwa um Fort-          Ich wünsche Ihnen eine anregende und aufschlussreiche Lektüre.
    oder Rückschritte im Diversitätsmanagement zu dokumen-
    tieren.                                                        Wiesbaden, November 2020

    Informieren Sie sich in dieser Broschüre über die ersten Be-
    funde der Beschäftigtenbefragung und lesen Sie, welche sechs
    Handlungsfelder die interkulturelle Öffnung der Bundesver-     Prof. Dr. Norbert F. Schneider
    waltung fördern können.                                        Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung

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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

                                                                   Während der Anteil von Menschen aus Einwandererfamilien
                                                                   an der Gesamtbevölkerung in Deutschland im vergangenen
                                                                   Jahrzehnt deutlich zugenommen hat, hat sich der Anteil von
                                                                   Beschäftigten mit Migrationshintergrund im öffentlichen
                                                                   Dienst langsamer entwickelt (vgl. Abb. 1).
 1 Die Bundesverwaltung
   als Arbeitgeber in einer                                        Abb. 1: Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund
                                                                   (im engeren Sinn) an der Bevölkerung in Deutschland ins-
   kulturell diversen Gesell-                                      gesamt sowie im öffentlichen Dienst, 2005–2018

   schaft
                                                                           in Prozent

 Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der
                                                                     25                                                                 24,1
 weltweit wichtigsten Einwanderungsländer entwickelt. Seit           20       17,6
 Beginn der 1990er-Jahre sind 31,4 Millionen Menschen nach
 Deutschland zugezogen. Pro Jahr sind im Durchschnitt über           15
                                                                                                                                        11,9
 300.000 Menschen mehr nach Deutschland zu- als fortgezogen.
 Insgesamt lebten im Jahr 2019 rund 21,2 Millionen Menschen in       10       8,9
 Deutschland, die entweder selbst oder deren Eltern ursprünglich       5
 aus einem anderen Land stammen. Kulturelle Vielfalt prägt
 mehr denn je die deutsche Gesellschaft.                               0
                                                                            2005        2007        2009           2011   2013   2015    2017

 Öffentliche Organisationen spiegeln die steigende kulturelle                Bevölkerung insgesamt         Öffentlicher Dienst
 Diversität bisher nur in geringem Maße wider. Das gilt für das
                                                                   Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus.
 Bildungs- und Wissenschaftssystem, in dem regelmäßig die
 geringe Anzahl von Erzieherinnen und Erziehern sowie (Hoch-
 schul-)Lehrerinnen und (Hochschul-)Lehrern mit Migrations-        Integration durch Teilhabe an den
 hintergrund kritisch angemerkt wird. Es gilt aber auch für den    Organisationen einer Gesellschaft
 Medien- und Kultursektor, welcher trotz seiner vielfältigen
 internationalen Bezüge noch nicht die kulturelle Vielfalt der     Die öffentliche Verwaltung stellt unzweifelhaft eine der zen­
 Gesellschaft bei seinen Beschäftigten, aber auch bei seinem Pu-   tralen Organisationen einer modernen demokratischen Ge-
 blikum abbildet. Gleiches gilt für die politischen Parteien und   sellschaft dar. Sie ist mit 4,8 Millionen Beschäftigten nicht nur
 Interessenverbände sowie die Organisationen der öffentlichen      einer der größten Arbeitgeber in Deutschland, sondern auch
 Sicherheit und der öffentlichen Verwaltung.                       maßgeblich für Gestaltung von Politik und vor allem ihrer Um-
                                                                   setzung. Sie ist in die Vorbereitung politischer Entscheidungen

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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
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                                                                                                                                           & Ch
und der Gesetzgebung genauso eingebunden wie in den Voll-             Warum ist die interkulturelle Öffnung der
zug und die Kontrolle rechtlicher Vorschriften. Sie erbringt öf-      Verwaltung wichtig?
fentliche Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Dies
gilt insbesondere für die Bundesverwaltung, die zwar zahlenmä-        Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung ist aus drei Grün-
ßig nur einen kleineren Teil der öffentlichen Verwaltung darstellt,   den von hoher Bedeutung:
aber für die Handlungsfähigkeit des Gesamtstaates sorgt.
                                                                      1. Legitimationsfunktion: In einem demokratischen Gemein-
Teilhabe an der Gesellschaft verläuft somit nicht unwesentlich           wesen kommt der Repräsentation aller Bevölkerungsgrup-
darüber, inwieweit alle Bevölkerungsgruppen auch an der öf-              pen in der öffentlichen Verwaltung eine hohe symbolische
fentlichen Verwaltung und ihren Entscheidungen partizipieren             Bedeutung zu. Die angemessene Repräsentation stärkt die
können. Nicht nur als Adressaten von Verwaltungshandeln und              Identifikation der gesamten Bevölkerung mit ihrem Staat
staatlichen Leistungen, sondern auch unmittelbar als Beschäf-            und damit die Akzeptanz des Verwaltungshandelns. Zudem
tigte der öffentlichen Verwaltung.                                       signalisiert sie Zugehörigkeit und Chancengleichheit für alle
                                                                         Bevölkerungsgruppen. Demgegenüber könnte die Unterreprä-
Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung – als bewusste Ein-           sentation bestimmter Bevölkerungsgruppen auf Ausschlüsse
beziehung der Menschen aus Einwandererfamilien als Beschäf-              und Ungleichheiten schließen lassen. Neben den Verfahren
tigte des Staates – hat sich seit mindestens drei Jahrzehnten            sind auch die Ergebnisse des Behördenhandelns wesentlich
zu einem wichtigen Aspekt der Integrationspolitik entwickelt.            für die Legitimität des Staates. Die Ergebnisse werden gemäß
Ursprünglich galt dies insbesondere für die Kommunen. Im                 dem demokratietheoretischen Konzept der „repräsentativen
Rahmen des Nationalen Aktionsplans Integration im Jahr 2012              Bürokratie“ (Bishu und Kennedy 2020) gerade dann besser,
hat sich die Bundesregierung auf die „Erhöhung des Anteils               wenn alle Bevölkerungsgruppen angemessen in der Verwal-
der Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst“ als               tung repräsentiert sind und sie damit befähigen, im Interesse
strategisches Ziel verständigt (Bundesregierung 2011, S. 14).            aller zu handeln. Das widerspricht allerdings etablierten ver-
Interkulturelle Öffnung ist somit Bestandteil einer Diversi-             waltungswissenschaftlichen Traditionen in Deutschland. Eine
tätspolitik, welche die Chancengerechtigkeit für alle Bevölke-           Diversitätspolitik, die eine angemessene Repräsentation der
rungsgruppen auch durch die gleiche Teilhabe von Menschen                Bevölkerung mit Migrationshintergrund anstrebt, hat somit
mit Migrationshintergrund in allen Hierarchieebenen und                  eine wichtige Legitimationsfunktion.
Bereichen der öffentlichen Verwaltung anstrebt.
                                                                      2. Vorbildfunktion: Die öffentliche Verwaltung hat eine
                                                                          wichtige Vorbildfunktion bei der Integration aller Bevölke-
                                                                          rungsgruppen. Hier kann der Staat als Arbeitgeber mit einem
                                                                          guten Beispiel für die Arbeitsmarktintegration von Einwan-
                                                                          derinnen und Einwanderern sowie ihrer Nachkommen vor-
                                                                          angehen. Die öffentliche Verwaltung stellt an sich selbst den
                                                                          Anspruch, dass der Zugang zu öffentlichen Tätigkeiten und

                                                                                                                                      11
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

     Ämtern ausschließlich nach Eignung, Befähigung und fach-          Wenig Wissen über die interkulturelle Öffnung der
     licher Leistung zu erfolgen hat. Öffentliche Verwaltungen         Verwaltung in Deutschland
     wirken einerseits an der Entwicklung der programmatischen
     und rechtlichen Vorgaben zur Beschäftigung von Personen            as die Verwaltung beschäftigt, hat auch in der Wissenschaft
                                                                       W
     mit Migrationshintergrund mit. Andererseits sind sie als          zu einer interdisziplinären und dynamischen Debatte geführt.
     Arbeitgeber selbst an diese Zielsetzungen und Vorgaben            Mindestens zwei internationale Forschungsperspektiven lassen
     gebunden und müssen diese umsetzen. Aus diesen Gründen            sich unterscheiden, die sich mit der steigenden kulturellen
     stehen öffentliche Verwaltungen unter besonderer gesell-          Diversität des Personals von Organisationen und deren aktiven
     schaftlicher Beobachtung, ob sie den formulierten Vorgaben        Umgang mit der Vielfalt ihrer Beschäftigten im Diversitätsma-
     auch bei sich selbst zur Geltung verhelfen.                       nagement auseinandersetzen:

 3. Funktionale Notwendigkeit: Die sich ständig wandelnden            1. Es gibt eine Vielzahl von Studien, die sich mit der Repräsen-
     Anforderungen an die öffentliche Verwaltung machen die                tation von Einwanderinnen und Einwanderern sowie ihrer
     interkulturelle Öffnung auch zu einer funktionalen Notwen-            Nachkommen in den öffentlichen Verwaltungen auseinan-
     digkeit. Die effektive und adäquate Erfüllung der Aufgaben der        dersetzen. Im Mittelpunkt dieser Studien stehen die sozialen
     öffentlichen Verwaltung ist in einem Einwanderungsland mit            Ungleichheiten zwischen verschiedenen Bevölkerungs-
     einer kulturell zunehmend diversen Gesellschaft nicht ohne            gruppen beim Zugang zur öffentlichen Verwaltung sowie zur
     die nötigen interkulturellen Kenntnisse und Kompetenzen               Durchlässigkeit dieser Organisationen für die beruflichen
     möglich. Auch kann die nötige Lernfähigkeit der Verwaltung            Karrieren ihrer Beschäftigten.
     gegenüber einer diversen Bevölkerung nur erhalten bleiben,
     wenn alle Bevölkerungsgruppen angemessen beschäftigt              2. Eine weitere Gruppe von Studien setzt sich mit den Auswir-
     werden. Funktionale Notwendigkeiten entstehen auch auf-              kungen der kulturellen Diversität des Personals auf die öf-
     grund des Ruhestandseintritts der Babyboomer-Generation.             fentlichen Verwaltungen auseinander. In dieser Perspektive
     In den kommenden Jahren wird knapp die Hälfte der heutigen           geht es darum, die Konsequenzen einer diversen Belegschaft
     Beamtenschaft sowie der in der Bundesverwaltung beschäftig-          auf das Wohlbefinden der Beschäftigten und damit auch auf
     ten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Ruhestand              die Leistungsfähigkeit der Organisationen zu untersuchen.
     eintreten. Vor diesem Hintergrund hat eine intensive Ausei­
     nandersetzung darüber begonnen, wie die öffentliche Ver-          In Deutschland hat sich eine vergleichbare wissenschaftliche
     waltung – auch in Konkurrenz zur Privatwirtschaft – zukünftig     Debatte nur ansatzweise entwickelt. Insbesondere empirische
     eine ausreichende Zahl von qualifizierten Bewerberinnen und       Studien zur kulturellen Diversität in der öffentlichen Verwaltung
     Bewerbern gewinnen kann. Damit der öffentliche Dienst wei-        und ihren Auswirkungen sind nach wie vor selten (vgl. Bühr-
     terhin ein „attraktiver und moderner Arbeitgeber“ (BMI 2015)      mann und Schönwälder 2017, S. 1637). Die vorliegenden Studien
     ist, bedarf es daher einer Diversitätspolitik, welche neben der   zu Beschäftigten aus Einwandererfamilien konzentrieren sich
     Gleichstellung der Geschlechter und der Potenziale des Alterns    meist auf spezifische Teilbereiche wie die Polizei, die Bundes-
     auch die interkulturelle Öffnung der Verwaltung fördert.          wehr oder einzelne ausgewählte Behörden und gehen kaum

12
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
                                                                                                                                        Div
                                                                                                                                        & Ch
über ausschnitthafte Betrachtungen hinaus. Untersuchungen        ner Personalpolitik, daher sollte mit dem Diversität und Chan-
zu den Konsequenzen einer diversen Belegschaft für Organisa-     cengleichheit Survey (DuCS 2019) gleichzeitig die Machbarkeit
tionen wurden in Deutschland bereits öfter durchgeführt. Die     für die Bundesverwaltung in Deutschland geprüft werden.
vorliegenden Studien konzentrieren sich jedoch meist auf die
Privatwirtschaft und auf die Diversitätsmerkmale Geschlecht      Im Einzelnen standen folgende Fragen im Mittelpunkt der Be-
oder Alter. Der wissenschaftliche Kenntnisstand zu den Konse-    schäftigtenbefragung:
quenzen der kulturellen Diversität in der öffentlichen Verwal-
tung ist hingegen noch weniger entwickelt.                       1. Spiegelt sich die kulturelle Vielfalt der Bevölkerung in
                                                                     Deutschland in der öffentlichen Verwaltung wider? In wel-
Der Diversität und Chancengleichheit Survey 2019                     chem Umfang ist die Bevölkerung mit Migrationshintergrund
                                                                     in der Bundesverwaltung repräsentiert?
Um dem Ziel näherzukommen, die gesellschaftliche Vielfalt
auch in der Bundesverwaltung abzubilden, sind verlässliche,      2. Welche Unterschiede bestehen zwischen Beschäftigten mit
repräsentative Daten zur kulturellen Diversität der Bundesver­       und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer Erwerbs-
waltung unverzichtbar. Daher haben die Beauftragte der               situation und ihrer beruflichen Chancen in der Bundes-
Bundes­regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration          verwaltung? Sind Beschäftigte aus Einwandererfamilien in
und das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung eine gemein-        besonderem Maße von Diskriminierung in der öffentlichen
same Beschäftigtenbefragung in den Behörden und Einrichtun-          Verwaltung betroffen?
gen der Bundesverwaltung initiiert. Sie ist ein Kernvorhaben
des Themenforums „Interkulturelle Öffnung der Verwaltung“        3. Wie beurteilen die Beschäftigten in den Behörden und
des Nationalen Aktionsplans Integration der Bundesregierung.         Einrichtungen der Bundesverwaltung den Umgang ihres
Die Befragung wurde im Jahr 2019 durchgeführt und schafft            Arbeitgebers mit der kulturellen Vielfalt in der Belegschaft?
erstmals eine belastbare Datengrundlage zur Untersuchung der         Wie bewerten die Beschäftigten bestehende Maßnahmen des
kulturellen Diversität in der Bundesverwaltung in Deutschland.       Diversitätsmanagements?

Der Nationale Aktionsplan Integration versteht interkulturelle   4. Welche Herausforderungen und Potenziale bestehen für die
Öffnung sowohl als „Personal- als auch als Organisationsent-         Behörden und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung
wicklungsprozess“ (Bundesregierung 2011). Darauf aufbauend           durch die zunehmende kulturelle Diversität ihrer Mitarbeite-
war es das Ziel der Beschäftigtenbefragung, Informationen über       rinnen und Mitarbeiter?
die konkrete Situation in der Bundesverwaltung in Deutschland
zu generieren. Die neue Datengrundlage soll es ermöglichen,      Die vorliegende Veröffentlichung präsentiert eine Zusammenfas-
bestehende wissenschaftliche Erkenntnisse aus anderen Ländern    sung von ersten Befunden des Diversität und Chancengleichheit
auf die Bundesverwaltung in Deutschland zu übertragen bzw.       Surveys (DuCS 2019). Weitergehende Analysen und Erkenntnisse
für diese zu überprüfen. Eine regelmäßige und gemeinsame Be-     werden im Rahmen vertiefender wissenschaftlicher Publikationen in
schäftigtenbefragung ist zudem ein wichtiges Element moder-      den kommenden Monaten veröffentlicht (vgl. u. a. Ette et al. 2021a).

                                                                                                                                   13
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
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                                                                                                                                       & Ch
                                                                Erste gemeinsame Beschäftigtenbefragung in den
                                                                Behörden und Einrichtungen der Bundesverwaltung

                                                                In vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der
                                                                OECD sind regelmäßige zentrale Beschäftigtenbefragungen
2 Der Diversität und                                           im öffentlichen Dienst ein wichtiger Teil des Personalmanage-
                                                                ments. Die Ergebnisse liefern detaillierte Informationen über
  Chancengleichheit Survey                                      ihre Beschäftigten und die Situation in den verschiedenen
                                                                Organisationen und Behörden der öffentlichen Verwaltung
Die öffentliche Verwaltung in Deutschland befindet sich in      (vgl. OECD 2017). Prominentes Beispiel ist der „Federal Emp-
kontinuierlichen Veränderungsprozessen. Neben der zuneh-        loyee Viewpoint Survey“, welcher seit dem Jahr 2000 – mittler-
menden Digitalisierung und Europäisierung wird auch der         weile jährlich – unter allen Beschäftigten der Bundesverwal-
demografische und soziale Wandel weitreichende Anpassungs-      tung in den Vereinigten Staaten durchgeführt wird (Fernandez
prozesse der öffentlichen Arbeitgeber erfordern. Zur Gestal-    et al. 2015). Ähnliche Beispiele liegen aus Australien, Kanada,
tung dieser Veränderungsprozesse sind Informationen zum         Großbritannien, Irland oder der Schweiz vor. Im Gegensatz
Personal der öffentlichen Verwaltung von zentraler Bedeutung.   dazu erfolgen Befragungen der Beschäftigten in der Bun-
Die einschlägigen Informationen beschränken sich jedoch auf     desverwaltung in Deutschland meist in Verantwortung der
wenige sozio-demografische Angaben sowie Merkmale der           einzelnen Behörde und ohne Veröffentlichung der Ergeb-
Erwerbssituation (vgl. Destatis 2019). Diese sind nur einge-    nisse außerhalb des Kreises der eigenen Beschäftigten. Für die
schränkt für die Organisationsentwicklung nutzbar. Weitere      Beschäftigten der Bundesverwaltung liegen somit keinerlei
Merkmale, die zur Untersuchung der individuellen und organi-    vergleichbare Daten vor, welche ihre subjektiven Einschät-
satorischen Konsequenzen einer kulturell vielfältigen Beleg-    zungen zu den Arbeitsbedingungen sowie der Wahrnehmung
schaft von Relevanz wären, wie beispielsweise Angaben zum       der Organisationskultur umfassen. Vor diesem Hintergrund
Migrationshintergrund, sind in der Statistik nicht enthalten.   war es das Ziel des Diversität und Chancengleichheit Surveys
Für eine mitarbeiterorientierte Personalentwicklung und die     (DuCS 2019), erstmals umfassende Informationen über die
Gestaltung einer partizipativen Führung in der öffentlichen     kulturelle Diversität in der Bundesverwaltung in Deutschland
Verwaltung liegen zudem keine zwischen den Einrichtungen        zu erfassen.
und Behörden vergleichbaren Daten zu den Arbeitsbedingungen
der Beschäftigten und deren subjektiven Einschätzungen vor.

                                                                                                                                  15
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

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     „Diversität und Chancengleichheit Survey                         Bundesverwaltung
     (DuCS 2019)“ auf einen Blick
                                                                      Innerhalb des gesamten öffentlichen Dienstes in Deutschland
     ❱ Erste Beschäftigtenbefragung der Bundesverwaltung in
                                                                      mit seinen 4,8 Millionen Beschäftigten stellt die Bundesver-
       Deutschland                                                    waltung nur einen kleinen Teil dar. Aufgrund ihrer zentralen
     ❱ 55 teilnehmende Behörden, in denen 76 Prozent aller Be­
                                                                      Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des
       schäftigten der unmittelbaren Bundesverwaltung tätig sind      Gesamtstaats ist die Bundesverwaltung jedoch von zentraler
                                                                      Bedeutung für ein funktionierendes Gemeinwesen. Die Grund-
     ❱ Über 47.000 realisierte Interviews (Ausschöpfungs­quote:     gesamtheit der Befragung stellen die 231.000 Beschäftigten der
       43,0 Prozent)                                                  unmittelbaren Bundesverwaltung (ohne Bundeswehr) dar. Sie
                                                                      arbeiten in den obersten Bundesbehörden (z. B. Bundesminis-
     ❱ Erstmals repräsentative Daten zur Diversität der Beschäf-
                                                                      terien), in den nachgeordneten Behörden (z. B. Bundespolizei)
       tigten der unmittelbaren Bundesverwaltung
                                                                      sowie den Bundesgerichten (z. B. Bundesverfassungsgericht).
     ❱ Online-Erhebung im Zeitraum von Mai bis November 2019          Auch die Deutsche Bundesbank ist trotz ihrer Unabhängig-
                                                                      keit Teil der Bundesverwaltung. Der Bund ist somit zwar ein
     ❱ Gemeinsame Veröffentlichung der Ergebnisse für die ge-        einheitlicher Arbeitgeber, welcher auf weitgehend identischen
       samte Bundesverwaltung                                         personalpolitischen Grundlagen agiert. Allerdings sind die Ein-
                                                                      richtungen und Behörden der Bundesverwaltung auch äußerst
     ❱ Erstellung individueller Tabellenbände mit behördenspezifi-
                                                                      heterogen in Bezug auf die Größe der einzelnen Behörden
       schen Ergebnissen für die teilnehmenden Einrichtungen
                                                                      sowie die Personalstrukturen und Tätigkeitsfelder (vgl. Abb. 2).

16
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
                                                                                                                                                                                           Div
                                                                                                                                                                                           & Ch
Abb. 2: Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung nach Anzahl der Beschäftigten am 30.06.2018

                                                                           Einrichtungen in öffentl.-rechtl. Rechtsform      WSV

                                                                           AA                               BBk                          BAMF

                              BPol                                                      BT             ITZBund         DPMA        BMVg        StBA

                                                                                                   UBA         BStU         BAM       BMI         BMVI
                                                                                        DWD
                                                                           BKA                              JKI        BRH     BMAS      RKI      BMBF
                                                                                                   BMFSFJ

                                                                                        PTB                 LBA       Thünen BMEL BMZ       FBA     BSH
                                                                                                   THW
                                                                                                            BfArM FLI
                                                                                        BZSt
                                                                                                   BMU
                                                                                                            BfJ       BSI
                                                                           BVA
                                                                                        BMF
                                                                                                   EBA
                                                                                                            KBA       PEI

                              Zoll                                         BNetzA       BMWi       BBR      BAFA      BAG

Quelle: Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts 2019.
Anmerkung: Blau markierte Behörden und Einrichtungen haben sich am Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019) beteiligt, grau markierte Behörden haben nicht teilgenommen.
Behörden mit einer geringeren Anzahl von Beschäftigten wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht namentlich markiert.

                                                                                                                                                                                      17
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

 Für die Durchführung des Diversität und Chancengleichheit          duellem Passwort möglich. Der Online-Fragebogen wurde
 Surveys (DuCS 2019) wurde ein zweistufiges Stichprobenverfah-      in Zusammenarbeit mit dem Informationstechnikzentrum
 ren gewählt. In einem ersten Schritt wurden für die Stichprobe     Bund (ITZBund) auf Grundlage bestehender Hardware- und
 Behörden gezogen. In einem zweiten Schritt wurden bei Be-          Softwarelösungen der Bundesverwaltung umgesetzt, wodurch
 hörden mit einer größeren Zahl von Beschäftigten einzelne Be-      hohe datenschutzrechtliche Standards gewährleistet waren.
 schäftigte nach einem Zufallsprinzip ausgewählt. Bezogen auf die
 101 Behörden des Bundeshaushaltsplans kon­nten für diese erste     In Anlehnung an das Vorgehen in anderen Staaten mit regel-
 gemeinsame Beschäftigtenbefragung 55 Behörden ausgewählt           mäßigen zentralen Beschäftigtenbefragungen im öffentlichen
 werden, in denen 76,3 Prozent aller Beschäftigten der unmittel-    Dienst konzentriert sich die vorliegende Veröffentlichung auf
 baren Bundesverwaltung tätig sind. Insgesamt konnte eine auch      die Darstellung von Ergebnissen für die gesamte Bundesver-
 im internationalen Vergleich gute Ausschöpfungsrate von 43,0       waltung. Für alle teilnehmenden Behörden wurden zusätzlich
 Prozent erzielt werden (vgl. Lee et al. 2011).                     individuelle Tabellenbände mit behördenspezifischen Ergeb-
                                                                    nissen erstellt (vgl. Ette et al. 2020).
 Mit über 47.000 Interviews liegen mit dieser Befragung erstmals
 belastbare und repräsentative Daten zur Diversität der Beschäf-
 tigten in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland vor. Diese
 äußerst detaillierte Datengrundlage ist weitgehend repräsentativ
 für die 231.000 Beschäftigten (vgl. Ette et al. 2021b).

 Für die Durchführung dieser speziellen Beschäftigtenbefra-
 gung zur kulturellen Diversität und Chancengleichheit wurde
 auf bewährte Fragekataloge bestehender sozialwissenschaft­
 licher Befragungen zurückgegriffen. Dazu zählt der Mikrozen-
 sus als amtliche Haushaltsbefragung, das Sozio-oekonomische
 Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
 (vgl. Goebel et al. 2019), das Linked Personnel Panel (LPP) des
 Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (vgl. Ruf et al.
 2020) sowie die Copsoq-Befragungen (vgl. Burr et al. 2019).

 Die Befragung wurde online zwischen Mai und November
 2019 in den Behörden und Einrichtungen durchgeführt.
 Zur Gewährleistung einer hohen Datenqualität wurden die
 Beschäftigten mit personalisierten Anschreiben und Er-
 innerungsschreiben an die dienstliche E-Mail-Adresse zur
 Teilnahme eingeladen. Eine Teilnahme war nur mit indivi-

18
19
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

                                                                      Kulturelle Vielfalt wird in Deutschland bisher über
                                                                      den Migrationshintergrund erfasst
                                                                      Im öffentlichen und politischen Diskurs der vergangenen zwei
                                                                      Jahrzehnte hat sich in Deutschland das Konzept des Migra-
 3 Repräsentation kultureller                                        tionshintergrunds entwickelt. In der offiziellen Statistik wurde
                                                                      noch bis vor 15 Jahren ausschließlich zwischen deutschen und
   Diversität in der Bundes­                                          ausländischen Staatsangehörigen unterschieden. Gegenüber
                                                                      dem damals geläufigen Ausländerbegriff hat das Konzept des
   verwaltung                                                         Migrationshintergrunds den Vorteil, dass sich Einwanderer
                                                                      und ihre Nachkommen – häufig als erste bzw. zweite Gene-
                                                                      ration von Migrantinnen und Migranten bezeichnet – in der
 Zur Beantwortung der Frage nach der Repräsentation kul-
                                                                      Statistik unabhängig von der Staatsangehörigkeit und mögli-
 tureller Diversität in der öffentlichen Verwaltung braucht es
                                                                      cherweise zwischenzeitlich erfolgten Einbürgerungen erken-
 Informationen über die Zusammensetzung der Beschäftigten
                                                                      nen lassen.
 in der Verwaltung selbst. Diese Informationen können dann
 mit der kulturellen Diversität der Bevölkerung im erwerbs-
 fähigen Alter oder mit der Struktur der in der Privatwirtschaft
                                                                       Definition Migrationshintergrund
 beschäftigten Personen verglichen werden. Denn nur so ist
 eine Einordnung möglich, inwiefern bestimmte Bevölkerungs-
 gruppen unter- oder überrepräsentiert sind. Für die kulturelle        „Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie
 Diversität in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland ist          selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsan-
 entscheidend, ob eine beschäftigte Person aus einer Einwande-         gehörigkeit nicht durch Geburt besitzt“ (Destatis 2018).
 rerfamilie stammt.
                                                                       Der Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019)
     Was bedeutet Diversität?                                          setzt diese Definition des Statistischen Bundesamtes um,
                                                                       so­dass eine weitestgehende Vergleichbarkeit mit den Daten
     Mit dem Begriff der Diversität lässt sich ganz allgemein die      des Mikrozensus gewährleistet ist.
     Zusammensetzung einer Organisation entlang verschiede-
     ner demografischer oder kultureller Merkmale beschreiben          Der Migrationshintergrund lässt sich differenziert nach
     (vgl. DiTomaso et al. 2007, S. 474). Dazu zählt beispielsweise    Migrantengeneration (eigene Migrationserfahrung bzw.
     der Anteil von Frauen in einer Organisation oder die Alters-      Migrationserfahrung der Eltern), Staatsangehörigkeit und
     struktur ihrer Beschäftigten.                                     Geburtsregion analysieren.

20
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
                                                                                                                                        Div
                                                                                                                                        & Ch
Ungeachtet dieser Vorteile kam das Konzept des Migrations-        Konzepts genutzt werden – insbesondere die Untersuchung
hintergrunds in den vergangenen Jahren zunehmend in die           von Teilhabechancen entlang der Generationenfolge, entlang
Kritik (vgl. Ahyoud et al. 2018; El-Mafaalani 2017). Kritisiert   der Staatsbürgerschaft und entlang der eigenen Herkunftsre-
wird erstens, dass das Konzept auf einer Fremdzuschreibung        gion bzw. derjenigen der Eltern.
beruht, welche auf Grundlage mehrerer zum Teil vergleichs-
weise komplexer Fragen in Umfragen erfasst und abgeleitet         Bevölkerung mit Migrationshintergrund in der
wird und mit dem heute eine ähnliche Stigmatisierung in der       Bundesverwaltung unterrepräsentiert
Gesellschaft verbunden wird wie früher mit dem Begriff des
Ausländers. Zweitens homogenisiert das Konzept eine an-           Den Umfang, zu dem die Bevölkerung mit Migrationshinter-
sonsten äußerst heterogene Bevölkerungsgruppe. Ungleiche          grund in der Bundesverwaltung repräsentiert ist, bildet der
Teilhabechancen und Diskriminierung verlaufen aber nicht          Diversitätsindex ab. Er stellt den Anteil der Beschäftigten mit
notwendigerweise zwischen der Bevölkerung ohne Migra-             Migrationshintergrund an der Gesamtbeschäftigung in der Bun-
tionshintergrund und der Bevölkerung mit Migrationshinter-        desverwaltung als Prozentwert dar. Insgesamt haben 12,0 Pro-
grund, sondern viel eher zwischen spezifischen geografischen      zent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundesverwal-
Herkunftsgruppen, dem Aussehen, der ethnischen Zugehörig-         tung einen Migrationshintergrund. Der Vergleichswert für die
keit oder sprachlichen Kompetenzen und zwar möglicherweise        Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter beträgt für das Jahr 2018
unabhängig von einer eigenen Migrationserfahrung bzw. der         nach Angaben des Mikrozensus 27,1 Prozent. Dies umfasst aber
Migrationserfahrung der Eltern. Aus diesem Grund wird in vie-     auch Nichterwerbspersonen und erwerbslose Personen. Unter-
len Einwanderungsländern – neben Geburtsland und Staatsan-        suchungen zur Repräsentation vergleichen die öffentliche Ver-
gehörigkeit – eine Frage nach der ethnischen Herkunft in Form     waltung zur besseren Einordnung daher meist mit der Struktur
einer Selbstidentifikation gestellt (vgl. Simon et al. 2015).     der in der Privatwirtschaft beschäftigten Personen. Dort liegt der
                                                                  Vergleichswert bei 26,2 Prozent, womit die Bevölkerung mit Mig-
Trotz dieser berechtigten Kritikpunkte wird für die Untersu-      rationshintergrund in der Bundesverwaltung unterrepräsentiert
chung der Repräsentation kultureller Diversität in der öffent-    ist und die kulturelle Vielfalt der Bevölkerung in Deutschland
lichen Verwaltung im Folgenden dennoch auf das Konzept des        nur bedingt widergespiegelt wird (vgl. Abb. 3).
Migrationshintergrunds zurückgegriffen. Zum einen existieren
für die Untersuchung der Repräsentation kultureller Diversität    Zwischen den Behörden und Einrichtungen der Bundesver-
in Deutschland noch keine alternativen etablierten wissen-        waltung bestehen deutliche Unterschiede beim Diversitätsin-
schaftlichen Konzepte, welche auch vergleichbare Daten zur        dex. Die Behörde mit dem niedrigsten Anteil von Beschäftigten
Situation außerhalb der öffentlichen Verwaltung und in der        mit Migrationshintergrund weist einen Wert von 4,0 Prozent
Bevölkerung im Allgemeinen bereitstellen. Zum anderen bietet      auf. Die Behörde mit dem höchsten Anteil hat 24,5 Prozent
das Konzept des Migrationshintergrunds – trotz dieser Ein-        Beschäftigte mit Migrationshintergrund. Somit sind in keiner
schränkungen – eine gute Grundlage, die aus der Migrations-       Behörde der Bundesverwaltung die Beschäftigten mit Migra-
geschichte in Deutschland resultierende kulturelle Diversität     tionshintergrund entsprechend ihrem Anteil in der Privatwirt-
abzubilden. Dies gilt umso mehr, wenn die Potenziale des          schaft repräsentiert.

                                                                                                                                   21
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

 Abb. 3: Diversitätsindex in der Bundesverwaltung im                                               Migrationshintergrund aufweisen. Von dieser Beschäftigten-
 Vergleich zur Bevölkerung sowie zur Privatwirtschaft                                              gruppe in der Bundesverwaltung haben 35,7 Prozent eine eigene
                                                                                                   Migrationserfahrung und zählen somit zur ersten Generation von
                                                                                                   Migrantinnen und Migranten. 64,3 Prozent verfügen über keine
          in Prozent
     30                                                                                            eigene Migrationserfahrung, womit Personen der zweiten Gene-
                                                                                                   ration beschrieben werden. Ein Vergleich mit der Privatwirtschaft
     25                                                                                            zeigt dort ein umgekehrtes Verhältnis: 76,3 Prozent weisen eine
                                                                                                   eigene Migrationserfahrung auf und 23,7 Prozent gehören zur
     20                                                                                            zweiten Migrantengeneration. Dass die Bevölkerung mit Migra-
                                                                                                   tionshintergrund in der Bundesverwaltung unterrepräsentiert ist,
     15                                                                                            lässt sich so­mit insbesondere auf die geringe Teilhabe der ersten
                25,5                27,1                  26,2
                                                                                                   Migrantengeneration zurückführen. Die zweite Migrantengene-
     10                                                                                            ration ist hingegen weitgehend proportional zu ihrem Anteil in
                                                                                12,0               der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sowie in der Privatwirt-
      5
                                                                                                   schaft beschäftigt. Die eigene Sozialisation und (Aus-)Bildung in
                                                                                                   Deutschland scheint eine wichtige Voraussetzung für den Zugang
     0
            Bevölkerung       Bevölkerung im        Privatwirtschaft          Bundes-              zur Bundesverwaltung zu sein.
              gesamt          erwerbsfähigen                                 verwaltung
                                   Alter
                                                                                                   Neben der Sozialisation in Deutschland ist auch die deutsche
                                                                                                   Staatsangehörigkeit von besonderer Bedeutung für den Zugang
 Quelle: Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019); Mikrozensus 2018.
 Anmerkung: Alle Analysen auf Grundlage des DuCS 2019 in dieser Veröffentlichung basieren          zur Bundesverwaltung. Obwohl die deutsche Staatsangehörig-
 auf einer faktischen Stichprobe der Beschäftigten. Ergebnisse auf Grundlage einer Stich­probe     keit für Angestellte in der öffentlichen Verwaltung kein Zu-
 stimmen selten exakt mit den realen Werten in der Grundgesamtheit überein. Vielmehr liegen
 sie mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit innerhalb eines bestimmten Bereichs – dem Kon-        gangskriterium darstellt und das Beamtenverhältnis zumindest
 fidenzintervall. Der für die Bundesverwaltung insgesamt ermittelte Anteil der Beschäftigten mit
 Migrationshintergrund beträgt 12,0 %. Das 95 %-Konfidenzintervall hat die Untergrenze 11,8 %
                                                                                                   Staatsangehörigen auch anderer EU-Mitgliedstaaten (EU-Bürge-
 und die Obergrenze 12,1 %.                                                                        rinnen und EU-Bürger) oder von Island, Liechtenstein, Norwe-
                                                                                                   gen (EWR-Bürgerinnen und EWR-Bürger) oder der Schweiz
 Migrationserfahrung relevant für Beschäftigung in                                                 offensteht (und unter bestimmten Voraussetzungen auch Dritt-
 der Bundesverwaltung                                                                              staatsangehörigen), haben nur 8,8 Prozent aller Beschäftigten
                                                                                                   mit Migrationshintergrund eine ausländische Staatsangehörig-
 Die Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Bundes­                                        keit. Davon weisen wiederum mehr als zwei Drittel die Staatsan-
 verwaltung unterscheiden sich von der Bevölkerung mit Migra­                                      gehörigkeit eines Mitgliedstaats der EU auf. In der Bevölkerung
 tionshintergrund im erwerbsfähigen Alter sowie von den in der                                     im erwerbsfähigen Alter sowie in der Privatwirtschaft liegt der
 Privatwirtschaft beschäftigten Personen mit Migrationshinter-                                     Anteil von Ausländerinnen und Ausländern deutlich höher. Die
 grund. Die Befragung zeigt, dass von den 159.000 Beschäftigten                                    Ergebnisse des Mikrozensus zeigen, dass in der Privatwirtschaft
 der teilnehmenden Behörden insgesamt 19.000 Personen einen                                        52,5 Prozent nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

22
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
                                                                                                                                       Div
                                                                                                                                       & Ch
Auch hinsichtlich der Herkunftsregionen sind die in der Bun-       in Deutschland führt bisher nicht dazu, dass die Bevölkerung
desverwaltung Beschäftigten mit Migrationshintergrund nur          mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung stärker
bedingt repräsentativ für die in der Privatwirtschaft tätigen      repräsentiert ist.
Personen aus Einwandererfamilien. Konkret sind 52,6 Prozent
der Beschäftigten der Bundesverwaltung bzw. deren Eltern in        Für nur langsame Veränderungen sorgen auch bestehende
einem Mitgliedstaat der EU geboren. In der Privatwirtschaft        Muster der Personalgewinnung. Untersuchungen der Ver-
liegt hingegen der Anteil von Beschäftigten, die selbst oder       änderungen in der Personalgewinnung benötigen zukünftig
deren Eltern in einem Drittstaat geboren sind, bei 58,4 Prozent.   ebenfalls Daten zur zeitlichen Entwicklung der Repräsentation
                                                                   kultureller Diversität in der Bundesverwaltung. Doch auch hier
Bestehende Muster in der Personalgewinnung der                     ermöglichen die Daten des Diversität und Chancengleich­heit
Behörden stehen der stärkeren Repräsentation                       Surveys (DuCS 2019) durch den Vergleich von Beschäftigten
kultureller Diversität noch entgegen                               mit längerer Zugehörigkeit zu einer Behörde mit denjenigen
                                                                   Beschäftigten mit kürzerer Zugehörigkeit einen ersten Ein-
Die Unterrepräsentation der Bevölkerung mit Migrations-            druck zu Veränderungen in der Personalgewinnung. Danach
hintergrund hat sich sowohl in der öffentlichen Verwaltung         sind die Unterschiede hinsichtlich des Diversitätsindex zwi-
im Allgemeinen als auch in der Bundesverwaltung im Spe-            schen den Behörden nur zu einem Teil auf unterschiedliche
ziellen in den vergangenen Jahren kaum geändert. Abgesehen         Beschäftigtenstrukturen der Behörden (z. B. unterschiedlich
von ersten Erhebungen zum Anteil der Beschäftigten in der          hoher Anteil von Beamtinnen und Beamten) zurückzuführen.
Bundesverwaltung in den Jahren 2014 bis 2017 (vgl. Ette et al.     Vielmehr sind die Unterschiede historisch gewachsen: Die
2016) liegen bisher keine Daten zur zeitlichen Entwicklung der     Behörden, in denen ein überdurchschnittlicher Anteil von
Repräsentation kultureller Diversität in der Bundesverwal-         Beschäftigten mit Migrationshintergrund mit längerer Zuge-
tung vor. Informationen zur Repräsentation in verschiedenen        hörigkeit zur Behörde tätig ist, haben auch in den vergangenen
Geburtskohorten – wie sie durch den Diversität und Chancen-        Jahren überdurchschnittlich viele Personen mit Migrations-
gleichheit Surveys (DuCS 2019) für die Bundesverwaltung            hintergrund neu eingestellt.
sowie über den Mikrozensus auch für die Privatwirtschaft
vorliegen – bieten erste Einblicke in frühere Prozesse der Per-
sonalgewinnung. Danach liegt der Anteil von Beschäftigten mit
Migrationshintergrund bei den unter 30-Jährigen Beschäftig-
ten mit 17,9 Prozent bzw. 16,2 Prozent bei den 30- bis 39-Jäh-
rigen Beschäftigten deutlich über den durchschnittlichen
12,0 Prozent. Gleichzeitig liegt aber der Anteil der Beschäf-
tigten mit Migrationshintergrund in der Privatwirtschaft in
den genannten Altersgruppen mit 30,3 Prozent bei den unter
30-jährigen und 32,3 Prozent bei den 30- bis 39-jährigen deut-
lich höher. Die steigende kulturelle Vielfalt der Bevölkerung

                                                                                                                                  23
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

24
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
                                                                                                                                       Div
                                                                                                                                       & Ch
                                                                Beschäftigte mit Migrationshintergrund seltener in
                                                                höheren Laufbahngruppen tätig

                                                                Die Zugehörigkeit zu einer der vier Laufbahnen in der öf-
                                                                fentlichen Verwaltung stellt einen Indikator des beruflichen
4 Chancengleichheit in der                                     Status dar. In der Bundesverwaltung sind Beschäftigte mit
                                                                Migrationshintergrund im einfachen (17,6 Prozent), mittleren
  Bundesverwaltung                                              (12,7 Prozent) und höheren Dienst (13,3 Prozent) überreprä-
                                                                sentiert, im Vergleich zu ihrem Anteil von 12,0 Prozent in der
Für die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen an der öffentli-     Bundesverwaltung insgesamt. Umgekehrt sind Beschäftigte
chen Verwaltung sind zwei Dinge wichtig: Erstens, dass sie      mit Migrationshintergrund im gehobenen Dienst mit 10,5 Pro-
entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtzahl der Personen        zent unterrepräsentiert (vgl. Abb. 4).
im erwerbsfähigen Alter oder der Personen in der Privatwirt-
schaft in Deutschland repräsentiert sind. Zweitens, dass alle   Die Beschäftigten mit Migrationshintergrund sind im Ver-
Bevölkerungsgruppen auch gleiche Chancen für die berufliche     gleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen ohne Migrations-
Entwicklung in der öffentlichen Verwaltung haben.               hintergrund durchschnittlich deutlich jünger. Kontrolliert man
                                                                die unterschiedliche demografische Struktur beider Beschäf-
Für den deutschen Arbeitsmarkt im Allgemeinen ist bekannt,      tigtengruppen mittels vertiefender statistischer Verfahren
dass Migrantinnen und Migranten und ihre Nachkommen             (Regressionsanalysen), zeigt sich, dass Beschäftigte mit Migra-
schlechtere berufliche Chancen haben als die Bevölkerung        tionshintergrund sowohl im gehobenen als auch im höheren
ohne Migrationshintergrund (vgl. Kalter und Granato 2018).      Dienst signifikant seltener tätig sind (vgl. Tab. 1).
Diese Ungleichheiten betreffen beispielsweise den beruflichen
Status, die Verwertbarkeit von Bildungs- und Ausbildungsab-
schlüssen oder die Arbeitsplatzsicherheit.                       Regressionsanalysen

In Deutschland liegen bislang nur unzureichende Erkenntnisse     Ein Großteil der berichteten Ergebnisse auf Grundlage des
über solche Ungleichheiten zwischen Beschäftigten mit und        Diversität und Chancengleichheit Surveys (DuCS 2019)
ohne Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung        beruht auf dem statistischen Verfahren der Regressionsana-
vor. Die Daten des Diversität und Chancengleichheit Surveys      lyse. Dieses Verfahren testet, inwieweit ein Zusammenhang
(DuCS 2019) liefern erstmals belastbare Ergebnisse zur Chan-     zwischen einer Zielvariablen (z. B. Laufbahngruppe) und
cengleichheit von Beschäftigten in der Bundesverwaltung, die     ein oder mehreren Einflussfaktoren (z. B. Alter, Geschlecht)
entweder selbst oder deren Eltern nach Deutschland einge-        besteht. Da die zu erklärenden Sachverhalte – wie fast alle
wandert sind. Die Befunde zeigen, dass die für den deutschen     sozialwissenschaftlichen Phänomene – nicht ausschließ-
Arbeitsmarkt im Allgemeinen bekannten Befunde sich auch          lich auf einer Ursache beruhen, werden mehrere Einfluss-
für die Bundesverwaltung bestätigen.                             faktoren sowie der jeweilige behördliche Beschäftigungs-

                                                                                                                                  25
KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG

                                                                  Abb. 4: Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund
     kontext berücksichtigt. Dies ermöglicht Aussagen genau zu    in der Bundesverwaltung nach Laufbahngruppe
     den Unterschieden zwischen Beschäftigten mit und ohne
     Migrationshintergrund, während weitere Einflussfaktoren
                                                                          in Prozent
     kontrolliert werden. Nicht zwangsläufig müssen kausale Zu-      20
     sammenhänge zwischen der Zielvariablen und den Einfluss-
     faktoren bestehen. Auch wechselseitige Beeinflussung bzw.       16
     ein umgekehrter Zusammenhang können vorliegen.
                                                                     12

 Diese vertiefenden Analysen zeigen zudem, dass insbesondere                    17,6
 Beschäftigte ohne eigene Migrationserfahrung – die zweite            8
 Migrantengeneration – seltener in höheren Laufbahngruppen                                          12,7                               13,3
 tätig sind. Hingegen besteht bei Beschäftigten mit eigener                                                             10,5
                                                                      4
 Migrationserfahrung ohne deutsche Staatsangehörigkeit kein
 signifikanter Unterschied hinsichtlich deren Laufbahnzuge-           0
 hörigkeit im Vergleich zu Kolleginnen und Kollegen ohne                      Einfacher           Mittlerer          Gehobener        Höherer
                                                                               Dienst              Dienst              Dienst          Dienst
 Migrationshintergrund. Im vergangenen Jahrzehnt haben ein-
                                                                                       Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund
 zelne Behörden und Einrichtungen vermehrt damit begonnen,                             in der Bundesverwaltung insgesamt
 Personen mit eigener Migrationserfahrung und ohne deutsche
 Staatsangehörigkeit insbesondere für den gehobenen und           Quelle: Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019).

 höheren Dienst einzustellen. Die absoluten Zahlen von
 Beschäftigten der ersten Migrantengeneration sind in der
 Bundesverwaltung aber nach wie vor vergleichsweise gering.       Beschäftigte mit Migrationshintergrund häufiger
                                                                  überqualifiziert und befristet tätig

                                                                  Die Verwertbarkeit von Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen
                                                                  ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Chancengleichheit. Wenn
                                                                  der Ausbildungs- oder Studienabschluss von Beschäftigten das
                                                                  Anforderungsniveau der Tätigkeit und damit ihre Laufbahn
                                                                  übersteigt, spricht man von Überqualifikation. Auch wenn
                                                                  Überqualifikationen von den Beschäftigten freiwillig in Kauf
                                                                  genommen oder sich auch unfreiwillig ergeben können, wir-
                                                                  ken sie sich in jedem Fall nachteilig auf Gehalt und die weitere
                                                                  berufliche Karriere aus.

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KULTURELLE DIVERSITÄT UND CHANCENGLEICHHEIT IN DER BUNDESVERWALTUNG
                                                                                                                                                  Div
                                                                                                                                                  & Ch
In der Bundesverwaltung sind mit 18,2 Prozent Beschäftigte mit                Beschäftigte mit Migrationshintergrund haben
Migrationshintergrund in Relation zu ihrem Gesamtanteil an                    schlechtere Karrierechancen
allen Beschäftigten überdurchschnittlich häufig überqualifiziert
tätig (vgl. Abb. 5). Angesichts des hohen Anteils von Akademike-              Nachteile bestehen für Beschäftigte mit Migrationshinter-
rinnen und Akademikern (30,8 Prozent) unter den Beschäftigten                 grund nicht nur bei der beruflichen Platzierung zu Einstel-
mit Migrationshintergrund weist der Befund darauf hin, dass die               lungsbeginn, sondern auch im Verlauf der weiteren Erwerbs-
in der Bundesverwaltung vorhandenen Potenziale noch nicht                     tätigkeit in der Bundesverwaltung. Demnach kann – gemessen
vollständig genutzt werden. Davon betroffen sind insbesondere                 am Gesamtanteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund
Personen der ersten Generation. Ein Grund könnte u. a. die für                in der Bundesverwaltung von 12,0 Prozent – eine unterdurch-
bestimmte Tätigkeiten erforderlichen spezifischen Ausbildungs-                schnittliche Repräsentation dieser Gruppe bei Verbeamtun-
wege in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland sein.                      gen (10,1 Prozent), Beförderungen (9,6 Prozent) und bei der
                                                                              Besetzung von Führungspositionen (10,0 Prozent) festgestellt
Beschäftigte mit Migrationshintergrund sind zudem weit häufiger               werden (vgl. Abb. 5).
in befristeten und somit in unsichereren Beschäftigungsverhältnis-
sen tätig. Sie machen 19,6 Prozent des befristet beschäftigten Perso-         Vertiefende statistische Analysen zeigen, dass Beschäftigte mit
nals aus, aber nur 12,0 Prozent des Gesamtpersonals (vgl. Abb. 5).            Migrationshintergrund unabhängig von Migrantengeneration
                                                                              und Staatsangehörigkeit schlechtere Chancen beim Zugang
Abb. 5: Beschäftigungssituation des Personals mit Migra-                      zum Beamtenstatus haben. Die bestehenden Ungleichheiten
tionshintergrund in der Bundesverwaltung                                      bei Beförderungen sind in der Bundesverwaltung auf Beschäf-
                                                                              tigte der zweiten Migrantengeneration zurückzuführen. Mit
                    in Prozent                                                Blick auf das Ausüben einer Führungsposition bestehen hinge-
                                                                              gen keine signifikanten Unterschiede zwischen Beschäftigten
 überqualifiziert
                                                   18,2                       mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Beschäftigten ohne
    beschäftigt
                                                                              Migrationshintergrund. Allerdings haben speziell Beschäftigte
        befristet                                                             der ersten Migrantengeneration schlechtere Chancen, in einer
      beschäftigt
                                                   19,6
                                                                              Führungsposition zu sein, als Beschäftigte ohne Migrations-
                                                                              hintergrund (vgl. Tab. 1).
     verbeamtet                      10,1

           wurde
        befördert                    9,6

    in Führungs-
         position                    10,0
      beschäftigt
                    0            4             8               12   16   20

                    Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund
                    in der Bundesverwaltung insgesamt

Quelle: Diversität und Chancengleichheit Survey (DuCS 2019).
                                                                                                                                             27
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