Kulturhaus Häselburg in Gera - Burkhard Schlothauer

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Burkhard Schlothauer

                                      Kulturhaus Häselburg in Gera
                                                                            Ein Ort der Freiheit

»Ich denke, dass es Orte der Freiheit geben           erbracht. Mit dem Ausbau der Florian-Geyer-            BURKHARD
muss, um in einem zutiefst menschlichen Sinne         Str. 15, des letzten Bauabschnitts, sollen weitere     ­S CHLOTHAUER
kreativ sein zu können und um den Austausch           Gästezimmer, WG-Wohnungen und ein Café                  ist Musiker, Musikwissenschaftler
zwischen Menschen zu ermöglichen, die hier leben      mit Vereinsräumen bis 2022 den soziokulturellen         und Unternehmer. Er ist Kompo-
und arbeiten. Genau das versuchen wir in der          Komplex erweitern. Musikstudio, Übungsräume             nist und Interpret zeitgenössischer,
Häselburg und dafür wollen wir die baulichen          und Ateliers sowie eine verbesserte Erschließung des    experimenteller Musik und Mit-
Gegebenheiten schaffen.« (Burkhard Schlothauer        Gesamtprojekts werden im letzten Bauabschnitt           gründer des Musikverlags »edition
im IBA-Magazin 6/2020, S. 40)                         durch Erweiterung des Sockelgeschosses und einiger      wandelweiser«. Mit dem Ensemble
   In der Geraer Innenstadt wird seit 2017 eine       skulpturaler Aufbauten bis 2023 hinzukommen.            Zeitkratzer spielte er 20 Jahre lang
ehemalige Mädchenschule aus dem 19. Jahrhun-             Im Folgenden wird über Zielstellungen,               auf vielen Festivals für Avant-
dert schrittweise und behutsam zu einem neuen         Probleme und Lösungen, aber auch über die               garde-Musik und reiste durch die
Zentrum für Kunst und Kultur umgebaut. Viele          Geschichte des Ortes und städtebauliche Über-           halbe Welt. Seine eigene Musik ist
Jahre stand das 3.000 m² große Gebäudeensemble        legungen berichtet.                                     auf mehr als zehn CDs zu hören,
in zentraler Lage leer, bis die Kulturschaffenden                                                             als Interpret hat er an mehr als
Dr. Claudia Tittel und Burkhard Schlothauer es        Nutzungskonzept                                         50 Produktionen mitgewirkt. Seit
in einem Ausschreibungsverfahren im Frühjahr          Der erste grundlegende Schritt, um die Inbe-            2011 lebt er in Gera und engagiert
2016 von der Stadt erwarben. Sie haben direkt         triebnahme der Häselburg anzugehen, war die             sich – gemeinsam mit seiner Frau
nach dem Kauf begonnen, ihre Idee eines freien        Erarbeitung eines praktikablen und wirtschaftlich       Dr. Claudia Tittel, die inzwischen
Kunsthauses mit kultureller Bildungsstätte zu         tragfähigen Nutzungskonzepts. Denn zum Zeit-            die Leitung des Kulturamtes der
planen und in die Tat umzusetzen.                     punkt des Ankaufs waren bis auf die geplanten           Stadt Gera übernommen hat –
   Inzwischen sind zwei von drei Gebäuden des         eigenen Nutzungen noch keine weiteren Nutzer            für die Häselburg. Seit 2015 ist er
Komplexes Florian-Geyer-Str. 17, 15 und Burgstr. 12   gefunden; die Nachfrage nach kulturell nutzbaren        Geschäftsführer der KIM Kultur
in Nutzung gebracht: eine Galerie, Räume für          Flächen war schwer abzuschätzen. Insofern wäre          in Mitteldeutschland gGmbH.
kulturelle und Medien-Bildung, multifunktionale       das Projekt ein Vorratsbau gewesen. Die Initia-         www.kompositionskunst.de
Veranstaltungsräume, ein Club, eine Druckwerk-        toren entschieden sich deshalb, das Gebäude in
statt und eine Gästewohnung wurden in Betrieb         verschiedene überschaubare Nutzungsbereiche Grafische Darstellung des
genommen. Etwa eine Million Euro wurde bereits        aufzuteilen und die für eine Nutzung notwendigen Nutzungskonzeptes
investiert und zahllose Stunden Eigenleistungen       Baumaßnahmen sukzessive und abschnittsweise 

                                                                                                             Heimat THÜRINGEN 3-4 / 2020       31
durchzuführen. Die enge Verbindung von Wohnen,         Die anderen Bereiche, wie die Neue Galerie für
                                       Bildung und Kunst im differenzierten Nutzerport-       Zeitgenössische Kunst, die Seminarräume und
                                       folio der Häselburg erweitert und profiliert das       die Gästewohnung, wurden für von der KIM –
                                       kulturelle Angebot in Gera und Ostthüringen.           Kultur in Mitteldeutschland – gGmbH selbst
                                           Um der Bevölkerung in Gera und in der Region       organisierte Nutzungen sehr sparsam renoviert.
                                       die Häselburg näherzubringen und um zukünftige         Inzwischen sind die Seminar- und Werkstatträume
                                       Nutzer zu gewinnen, wurden umfangreiche                dauerhaft an die Kunstschule Gera e.V. – Freie
                                       temporäre Nutzungen – Ausstellungen und                Akademie vermietet. Das Alte Wannenbad im
                                       Sommerakademien – organisiert und einige               Souterrain konnte mit Unterstützung der Thüringer
                                       Bereiche so früh wie baurechtlich möglich in           Staatskanzlei zum multifunktionalen Veranstal-
                                       ihrem Rohzustand Kulturschaffenden überlassen.         tungs- und Probenraum umgebaut werden. Leider
                                           Grundsätzlich spricht gegen die Gleichzeitigkeit   reichte das Fördergeld bisher noch nicht für die
                                       von Bau und Nutzung, dass die Nutzer der               Instandsetzung der Toiletten.
                                       Häselburg mit den Auswirkungen des Bauge-                 Die Häselburg demonstriert die Potenziale von
                                       schehens leben und gewisse Beeinträchtigungen          bürgerlicher Eigeninitiative, Partizipation und
                                       wie Baugeräusche und Baustaub ertragen müssen.         Weltoffenheit in einer Stadt, die viele auf den ersten
                                       Andererseits kann bei vorgezogener Nutzung             Blick nicht sogleich mit diesen Eigenschaften
                                       während der gesamten Entstehungs- und Ent-             in Verbindung bringen. Kulturelle Synergien
                                       wicklungszeit das Gebäude erfahren werden und          werden geschaffen und so gehen von diesem einst
                                       sich seinen Platz im öffentlichen Bewusstsein          verwaisten Ort bereits jetzt vielfältige Impulse
                                       erarbeiten. Im Fall der Häselburg ist dieses Konzept   für gesellschaftliche Diskurse aus.
                                       aufgegangen: Das Medienbildungszentrum der
                                       TLM, der frühere Offene Kanal Gera, meldete in         Grundbuchliche Teilung
                                       der frühen Nutzungsphase sein Mietinteresse an         Um trotz der begrenzten Finanzkraft der Initiatoren
                                       und schloss nach ausführlichen Verhandlungen           finanzierungswillige Banken zu finden, war es sehr
                                       und Planungen einen langfristigen Mietvertrag          hilfreich, grundbuchliches Teileigentum zu bilden
                                       über drei Etagen in der Florian-Geyer-Str.             und das Grundstück real zu teilen. So können jetzt
                                       17. Dadurch konnte ein Teil des Baus an den            nach Erstellung der Teileigentumsgrundbücher
                                       konkreten Bedürfnissen der künftigen Nutzer            die verschiedenen Bereiche und Bauabschnitte
                                       ausgerichtet werden. Da aber auch die mit              des Hauses von verschiedenen Geldgebern finan-
                                       der TLM vereinbarte Miete nicht sehr hoch              ziert werden. Die ertragsarmen und öffentlich
                                       ist, musste der Ausstattungsstandard – wie in          bezuschussten Bereiche wie die Galerie oder der
                                       den anderen Teilen der Häselburg – auch hier           Veranstaltungsraum bleiben lastenfrei und die
                                       schlicht gehalten werden. In Abstimmung mit            kulturelle Nutzung ist dadurch langfristig nicht
                                       dem Denkmalschutz wurde denkmalgerecht                 mit Finanzierungskosten belastet. Der Mietvertrag
                                       saniert und die Forderungen von Brandschutz            mit der TLM war als Kredit­sicherheit für den
                                       und Statik erfüllt.                                    Ausbau der Florian-Geyer-Str. 17 geeignet.

                                
           Neu gestrichene Fassade
                        Burgstr. 12
     (Foto: Burkhard Schlothauer)

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Zur Baugeschichte                                       Die Lage – Tor in die Stadt                           
Die beiden Backsteingebäude wurden 1900 von der         Die Häselburg markiert den südlichen Eingang          Neubau Rutheneum mit
Stadt Gera mit Unterstützung von privaten bürger-       zur historischen Altstadt und liegt nur wenige        ­Häselburg, Stand Mai 2020.
schaftlichen Stiftungen als Mädchenwohnheim/­           Schritte vom Kornmarkt und vom historischen            Die Straße zwischen der
-­schule­erbaut und stehen als Einzeldenkmal in         Marktplatz entfernt. Unmittelbarer Nachbar ist         ­Häselburg und dem Schulneubau
der Denkmalliste. Das Haus Florian-Geyer-Str. 15        der im Bau befindliche neue Campus Rutheneum/           wird zur Fußgängerzone und
wurde im Jahr 1896 vom Geraer Architekten Fritz         Goethe-Gymnasium. Als weiterer Entwicklungs-            zum Platz.
Köberlein für einen Bäckermeister als gründerzeit-      schwerpunkt schließt sich Geras Neue Mitte              (Foto: Thomas Müller)
liches Stuckgebäude gebaut. Das Gebäude ist im          nördlich an. Damit werden eine Abrundung
Rahmen des Ensembleschutzes denkmalgeschützt.           und Stärkung des Stadtzentrums, die Schaffung
    Die Gebäude Florian-Geyer-Str. 17 und Burgstr. 12   einer grünen Parkachse und eine Aufwertung des
wurden vor dem Zweiten Weltkrieg und danach als         gesamten öffentlichen Raums auf dieser Seite der
Berufsschule genutzt; im EG zur Burgstraße hin          Altstadt möglich.
befand sich eine Großküche und im Souterrain der           Alle Besucher, die das Rathaus mit dem PKW
Florian-Geyer-Str. 17 befand sich bis in die 1970er     aufsuchen, müssen am Kulturhaus Häselburg
Jahre ein Wannenbad, in dem die Bevölkerung             vorbei. Die Gebäude sind von der Reichstraße und
sich gegen ein geringes Eintrittsgeld zum Duschen       vom Stadtgraben aus gut sichtbar – sie liegen zudem
und Baden einfinden konnte. Von dieser Nutzung          direkt gegenüber dem Schulcampus Rutheneum,
zeugen bis heute die gefliesten Wände und die in        der das lange leerstehende barocke Reußische
die Wände eingelassenen Seifenschalen.                  Verwaltungsgebäude einbezieht. Zwischen der
    Im Zweiten Weltkrieg erlitt das heutige Gebäude     neuen Turnhalle des Gymnasiums und dem
Burgstr. 12 einen Bombentreffer, der mehr als 20        Erweiterungsbau der Häselburg wird der südliche
Schülerinnen tötete, die sich im Keller des Gebäudes    Fußgängereingang zum Altstadtbereich neu gefasst.
aus Schutzgründen aufhielten. Erst etliche Jahre        Im Zuge der Entwicklung des Campus‘ wird die
nach dem Krieg konnte das Gebäude wiederher-            Florian-Geyer-Straße vor der Häselburg im Moment
gestellt werden. Gauben und die Klinkerfassade          zur Fußgängerzone mit einer kleinen terrassierten
waren straßenseitig verloren und die Fassade wurde      Piazza umgestaltet, auf der sich die Schüler, die
in einem modernen schlichten Stil als vertikal          Gäste des Cafés und des Kulturzentrums aufhalten
strukturierte Putzfassade neugestaltet. In den          können. Die Straße mit Parkplätzen verschwindet
1980er Jahren wurde der gesamte Hauskomplex zum         vollständig zugunsten des Fußgängerverkehrs und
Bürogebäude der Stadtverwaltung umstrukturiert.         der Aufenthaltsfunktion. Das Kulturzentrum
Im Wannenbad wurde die Tiefgarage der Behör-            Häselburg selbst wird in Zukunft vom Stadtgraben
denleitung mit Werkstatt und Aufenthaltsräumen          her erschlossen.
für die Fahrer untergebracht. 2006 zogen die               Wichtige kulturelle Einrichtungen wie z. B.
letzten Abteilungen der Stadtverwaltung aus dem         das Kultur- und Kongresszentrum, das Museum
Gebäude aus – seitdem stand es leer.                    für angewandte Kunst, das Stadtmuseum, aber

                                                                                                              Heimat THÜRINGEN 3-4 / 2020   33
auch andere wichtige Gebäude der Stadt wie das      durch den Architekten Thomas Laubert und die
                                      Zabel-Gymnasium, das Theater Altenburg-Gera,        Brandschutzgutachterin Christel Mayer (Tec-
                                      der Hauptbahnhof, der Markt, die Stadtbibliothek,   tum) konnten vorgezogene Teilnutzungen des
                                      die beiden Geraer Kinos UCI und Metropol –          Gebäudes erreicht werden. Es wurden gemeinsam
                                      alles befindet sich in fußläufiger Entfernung.      Zwischennutzungskonzepte erarbeitet und baulich
                                                                                          umgesetzt, die eine Duldung der vorgezogenen
                                   Wieso der Name Häselburg?                              Nutzung mit Beschränkungen möglich machten.
                                   Nach dem Erwerb 2016 wurde in einem längeren              Durch die beabsichtigte Nutzung der Häsel-
                                   kreativen Namensfindungsprozess, an dem die            burg für die Öffentlichkeit, z. B. eines Teils der
                                   Initiatoren und ortsansässige Künstler beteiligt       Räume für kulturelle Bildung, werden besondere
                                   waren, der Name Kulturhaus Häselburg festgelegt.       Anforderungen an den baulichen Brandschutz und
                                   Häselburg ist ein Gebiet direkt oberhalb des heu-      die Beschaffenheit der Fluchtwege gestellt. Alle
                                   tigen Kulturzentrums, in dem sich der Legende          Einheiten mussten mit Brandschutzklasse F90
                                   nach eine frühere slawische Befestigungsanlage         voneinander getrennt und die Rohrdurchfüh-
                                   befand. Da ein Teil des Gebäudekomplexes auf           rungen geschottet werden. Obwohl das Gebäude
                                   dem Gelände der Mitte des 19. Jahrhunderts             bis in die frühen 2000er Jahre als Bürogebäude
                                   abgerissenen mittelalterlichen Stadtburg steht,        der Stadt genutzt worden war, war es notwendig,
                                   die Bestandteil der Stadtbefestigung war, sollte       eine völlig neue Treppenanlage als baulichen
                                   durch den Namen auch der Bezug zu diesem               Rettungsweg zwischen den Gebäuden Burgstr. 12
                                   historischen Ensemble hergestellt werden.              und Florian-Geyer-Str. 17 einzubauen. Dazu
                                       Auf der östlichen Seite an der Burgstraße          kamen die neuen baurechtlichen Forderungen
                                   befand sich das Klotztor, das ebenfalls Mitte des      in Hinsicht Barrierefreiheit: Behindertengerechte
                                   19. Jahrhunderts rückgebaut wurde. Mit dem             WC-Anlagen und ein Aufzug mussten zusätzlich
                                   Namen Häselburg wird also nicht nur auf die            in den Altbestand eingearbeitet werden.
                                   Geschichte Geras aufmerksam gemacht, sondern              Um dieses Treppenhaus einzubringen, wurde
                                   das Kulturhaus Häselburg selbst steht auf einem        der Verbindungsteil der Gebäude komplett entkernt
                                   historisch bedeutenden Ort, der früh besiedelt         und das Dach geöffnet. Nachdem die Auflager
                                   war und direkt an der Süd-West-Ecke der mittel-        vorbereitet waren, wurden Beton-Fertigteile mit
                                   alterlichen Geraer Altstadt liegt. Die Häselburg       einem Kran hineingehoben und abgelegt. Auch
     Ansicht Florian-Geyer-Str. 17 ist nicht nur ein zentraler Ort der Vergangenheit,     der Aufzugschacht aus gefalteten Stahlteilen wurde
              und Burgstr. 12 vom sondern von ihr sollen neue Ideen ausgehen und          in der Werkstatt vorgefertigt und in vier Teilen
                  Stadtgraben her. die kreative Praxis in die Stadt ausstrahlen.          von oben in das Haus gehoben. Danach wurde
            (Foto: Thomas Müller)      In Kooperation mit dem Bauamt der Stadt            das für die Überfahrt angehobene Dach wieder
                                Gera und mit der tatkräftigen Unterstützung              geschlossen und der Aufzug montiert.

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edle Materialien sind fast immer teurer als             
                                                      etablierte Standardlösungen aus dem Baumarkt.           Blick in das neue ­
                                                      Höhere Baukosten bedingen aber einen höheren            Erschließungs- und Flucht­
                                                      Kapitaldienst, ein höherer Kapitaldienst eine           treppenhaus mit ­Fahrstuhl
                                                      höhere Miete – soweit die Miete kostendeckend           zwischen F ­ lorian-Geyer-Str. 17
                                                      sein muss. Kulturtreibende können im Regelfall,         und Burgstr. 12.
                                                      soweit sie nicht institutionell gefördert werden, nur   Entwurf: Architekt Thomas
                                                      sehr geringe Mieten zahlen. Soll eine kulturelle        ­Laubert, Realisierung: Stahl­
                                                      Nutzung durch die freie Kulturszene langfristig          bildner Jesko Bosse.
                                                      stattfinden können, müssen die Sanierungskosten          (Foto: Burkhard Schlothauer)
                                                      so gering wie möglich gehalten werden.
                                                         Für nachhaltige kulturelle Nutzungen, die im
                                                      Notfall auch bei geringer Förderung durch die
                                                      öffentliche Hand tragfähig bleiben sollen, ist eine
                                                      kostendeckende Miete nicht realisierbar.
                                                      Deshalb ging es an vielen Stellen darum, wie
                                                      man eine möglichst preiswerte und effektive
                                                      Lösung umsetzen konnte, die aber zusätzlich
                                                      auch gestalterisch interessant sein sollte.
                                                         Es wird in der Häselburg nur so viel investiert
                                                      und es wird in so einfachem Standard gebaut,
                                                      dass ein kostendeckender Betrieb zu niedrigsten
                                                      »Kultur-Mietpreisen« möglich bleibt. Die Ini-
                                                      tiatoren arbeiten zum Teil mit festangestellten
                                                      Handwerkern und kaufen das Baumaterial selbst
Die Treppe wechselt zwischen dem 1. und 2. OG         ein. Dabei steht die unmittelbare Wirtschaft-
die Richtung – dadurch kann das Licht vom             lichkeit und die Frage der IBA Thüringen »Wie
Dach tiefer in den Treppenraum hineinfallen,          wenig ist genug« im Vordergrund.
und es entsteht durch die Richtungsänderung              Das Gebäude war innen abgenutzt und im
ein spannendes räumliches Erlebnis.                   ästhetischen Zustand der 1980er, aber substanziell
   Einige Wände und Bereiche werden inklusive         in einem sehr ordentlichen Zustand; das Dach
der Abrissspuren belassen und kontrastieren die       war weitgehend dicht und es gab nur sehr
neu eingebauten Teile, beispielsweise die perfekte    geringe Schäden an statisch wichtigen Teilen. Die
Glätte von Trockenbauwänden oder die industrielle     Heizungsverrohrung konnte, soweit es möglich
Oberfläche der Stahlteile. Alte Wandflächen mit       war, belassen werden – ergänzt durch drei neue
den alten Farben und abgestemmte Ziegelwände          Gasbrennwertthermen kann inzwischen der
im EG, reiner ungestrichener Kalkputz und             ganze Komplex beheizt werden. In der Burgstr.
weiße Trockenbauflächen im 1. OG treffen auf          12 wurden die alten Sanitäranlagen wieder in
Stahl und Beton der neuen Bauteile. Ab dem            Betrieb genommen. Hier gibt es einige Räume,
Eingang im EG wird auf dem Weg nach oben              die beinahe so wie sie vorgefunden wurden für
die Baugeschichte ablesbar und transparent und        eine äußerst geringe Miete von Kulturschaffenden
die Unerbittlichkeit der baulichen Eingriffe bleibt   genutzt werden.
bis zum 1. OG sichtbar.                                  Im Bereich der Flächen für die Thüringer
                                                      Landesmedienanstalt wurde eine deutlich umfas-
Wie wenig ist genug – Kandidat der IBA                sendere Sanierung durchgeführt. Es wurden neue
Thüringen                                             Sanitärbereiche eingebaut, die Elektrik vollständig
Das Kulturhaus Häselburg ist seit 2017 Kandidat       erneuert und dicke Stränge mit Datenkabeln
der IBA Thüringen (Internationale Bauausstel-         durch das Haus gezogen. Die Fenster wurden
lung) 2023 und wird wohl noch im laufenden            denkmalgerecht aus Holz erneuert und die
Jahr 2020 den Projektstatus erhalten. Die ver-        alten Türen aufgearbeitet und neu gestrichen,
schiedenen kulturellen Aktivitäten werden von         Sie wurden mit Hilfe von Leisten und Gummi­
der Thüringer Staatskanzlei, der Thüringer            dichtungen rauchsicher ertüchtigt. Terrazzoböden
Kulturstiftung, dem Fonds Soziokultur, dem            wurden freigelegt und geölt.
Musikfonds, der Stadt Gera, von ArtRegio, der
Sparkassenversicherung, der Sparkasse Gera-Greiz      Der Erweiterungsbau
und der Sparkassenkulturstiftung sowie von der        In Abstimmung mit dem Architekturbüro Men-
Robert-Bosch-Stiftung unterstützt.                    trup, der IBA, der Stadt Gera und den Initiatoren
   Baukultur und die architektonisch interessante     wird im Moment an der Vorplanung für den
und geschmackvolle Umsetzung ist für ein Haus,        Erweiterungsbau gearbeitet. Der historische
in dem sich ein hohes kulturelles Niveau etablieren   Bau auf der Freifläche zum Stadtgraben soll
soll, eine wichtige Voraussetzung. Kultur bewohnt     in seinem Sockelgeschoss behutsam erweitert
Baukultur. Andererseits kostet gute Architektur       werden, so dass durch den Abfall des Geländes
meist auch mehr Geld: Neuartige Details und           die in den 1980ern verschwundene Stadtkante

                                                                                                              Heimat THÜRINGEN 3-4 / 2020         35
wieder deutlich sichtbar wird – sie wächst aus
                                                                                         der Erde bis zu einer Höhe von ca. 1,8 m heraus.
                                                                                         Das Dach dieses flachen Baukörpers soll begehbar
                                                                                         und begrünt werden und dem Aufenthalt und der
                                                                                         Erschließung dienen. Auf dieser Fläche könnte
                                                                                         ein experimenteller Kulturgarten entstehen, ein
                                                                                         Platz für skulpturale temporäre und veränderliche
                                                                                         Bauten, für kulturelle Botschaften und Inhalte. Die
                                                                                         Kreativität des Inneren soll nach außen projiziert
                                                                                         werden, dem alten Festen etwas Neues und Fluides
                                                                                         entgegengesetzt werden. Die Entwicklung der
                                                                                         Häselburg Gera bleibt auf jeden Fall weiterhin
                                                                                         spannend. 

                                                                                            Die KIM – Kultur in Mitteldeutschland
                                                                                            gemeinnützige GmbH wurde im Juni
                                                                                            2015 von der Thüringer Kunsthistorikerin
                                                                                            Dr. Claudia Tittel und dem Musiker
                Neuer Sanitärraum                                                          und Unternehmer Burkhard Schlot-
     im Dachgeschoss der Burgstr. 12,                                      Flur in der      hauer gegründet. Ihre Ziele sind die
             (Foto: Thomas Müller)                        Florian-Geyer-Str. 17, TLM        Durchführung qualitativ hochwertiger
                                                               (Foto: Thomas Müller)       Bildungs- und Ausstellungsprojekte sowie
                                                                                            die Förderung von Kunst und Kultur,
                                                                                            von Wissenschaft und Forschung, von
                                                                                            Weltoffenheit und Toleranz.
                                                                                                Neben regelmäßigen Veranstaltungen
                                                                                            in der Häselburg realisiert die KIM
                                                                                            Ausstellungs- und Kulturprojekte in
                                                                                            Mitteldeutschland – bisher unter anderem
                                                                                            im Schloss Belvedere Weimar, im Museum
                                                                                            für Angewandte Kunst Gera und in der
                                                                                            Kunstsammlung Gera.
                                                                                                Ein großes Anliegen der KIM gGmbH
                                                                                            ist die Vernetzung der Kulturszene Geras
                                                                                            mit wichtigen Akteuren der Kultur in
                                                                                            Thüringen, Mitteldeutschland und dem
                                                                                            internationalen Ausland. Dafür stellt
                                                                                            die KIM gGmbH ihr Netzwerk, Geld
                                                                                            und Knowhow, aber auch Räume zur
                                                                                            Verfügung.

                        Neues Videostudio des Medienbildungszentrums der TLM in der
                                           Florian-Geyer-Str. 17 (Foto: Thomas Müller)
                                                                                   

                                                                                         Kontakt |
                                                                                         Kunstschule-Gera e.V.
                                                                                         Burgstr.12
                                                                                         07545 Gera
                                                                                          KIM@haeselburg.org
                                                                                         : www.haeselburg.org

36   Heimat THÜRINGEN 3-4 / 2020
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