Künftiges Flaggschiff für High Performance Computing - Forschungsprojekt zum Bau eines europäischen Quantencomputers gestartet
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Forschung Forschungsprojekt zum Bau eines europäischen Quantencomputers gestartet Künftiges Flaggschiff für High Performance Computing von Hartmut Rehmsen
Nach dem Abschied von Moore‘s Law werden neue Wege zur Steigerung der Computer-Performance gesucht. Einen Weg könnten Quantencomputer ebnen. Europa will auf jeden Fall vorne dabei sein – und startet ein milliardenschweres Forschungsprojekt. Das vor dem Hintergrund, dass Forscher zunehmend Anwendungsfelder finden und sich auch ein praktikabler Einsatz abzeichnet. Das Quantum Flagship ist am 29. Oktober als eine der größten und ambitioniertesten Forschungsinitiativen der Europäischen Union gestartet. Mit einem Budget von einer Milliarde Euro und einer Laufzeit von zehn Jahren vereint es Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Unternehmen und politische Akteure in einer bis dato noch nie dagewesenen Größenordnung. Hauptziel des Flaggschiffs ist es, die Vorreiterrolle und Exzellenz der europäischen Forschung in diesem Gebiet zu stärken und auszubauen. Zudem soll die Initiative dazu führen, Quantentechnologien vom Forschungslabor in Alltagstechnik zu übersetzen. Mit über 5.000 beteiligten Forschern aus Wissenschaft und Industrie zielt das Flaggschiff darauf ab, die nächste Generation disruptiver Technologien zu erschaffen, die Europa weltweit als wissensbasierten Industriestandort und Technologieführer positionieren.
Aufzeichnung der Kick-off-Veranstaltung des EU-Projektes „Quantum Flagship“ am 29. Oktober in der Wiener Hofburg. Das Event beginnt erst nach gut 18 Minuten der Aufzeichnung. Forschungsprojekt Quantera am Start Bundesforschungsministerin Anja Karliczek macht 650 Mio. Euro für Quantencomputer locker. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission und Fördergebern aus 25 anderen, überwiegend europäischen Ländern treibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gezielt Forschungsprojekte im Bereich der Quantentechnologien voran. Die transnationale ERA-NET-Maßnahme Quantera setzt auf internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit, um Kompetenzen, Potenziale und Ressourcen der beteiligten Länder möglichst effizient zu nutzen. Denn bevor quantenmechanische Effekte in die Anwendung gebracht werden können, gilt es noch, umfangreiche Forschungsarbeit zu leisten. Nach den ersten, 2013 gestarteten Flaggschiff-Projekten, die sich der Modellierung des Gehirns („Human Brain Project“) und dem neuartigen Material Graphen („Graphene“) widmen, bildet das „Quantum Flagship“ nun die dritte große EU-Forschungsinitiative. Damit will Europa seine wissenschaftliche Führung in diesem Bereich ausbauen und eine wettbewerbsfähige Industrie für Quantentechnologien aufbauen, so die Initiatoren, die Ende Oktober in der Wiener Hofburg und an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tagten. In den kommenden zehn Jahren wollen sie insgesamt 1 Mrd. Euro in das Vorhaben investieren. Eine Hälfte soll die EU investieren, die andere die Mitgliedsstaaten bzw. die Industrie.
Quantentechnologien gelten als Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Deshalb hat die Bundesregierung unter der Federführung des BMBF eine Strategie entwickelt, um den Transfer von der Grundlagenforschung in die industrielle Anwendung voranzutreiben. Entwicklung der Quantentechnologien Einer der ersten Quantencomputer – von Microsoft Die Entwicklung der Quantentechnologien hat demnach für Deutschland höchste forschungs-, wirtschafts- und sicherheitspolitische Bedeutung. Aus diesem Grund wird die Bundesregierung den Übergang von einer weitgehend wissenschaftlich getriebenen Erforschung der Quantenphysik hin zu Anwendungen der Quantentechnologien politisch begleiten und gestalten. Mit dem heute vom Kabinett beschlossenen Rahmenprogramm „Quantentechnologien – von den Grundlagen zum Markt“ definiert sie Ausgangslage, Ziele und Maßnahmen bis 2022. Insgesamt will die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode rund 650 Mio. Euro für die Erforschung und Entwicklung der Quantentechnologien bereitstellen. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung gab es einen umfangreichen Agendaprozess mit Wissenschaft und Wirtschaft: Gemeinsam haben maßgebliche Akteure den Forschungsstand dokumentiert, Aufgaben in Forschung und Entwicklung identifiziert und mögliche Entwicklungen abgeschätzt. Zusammenarbeit von Forschung und Wirtschaft gefragt „Die deutsche Forschungs- und Technologieinfrastruktur und deren enge Vernetzung mit der deutschen mittelständischen Wirtschaft ist für uns ein zentraler Wettbewerbsvorteil – und das soll so bleiben“, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. „Deshalb wollen wir Institute und Unternehmen zusammenbringen, wir wollen attraktive Standorte für die Forschung aufbauen. Und wir wollen die Bürgerinnen und Bürger über dieses Thema informieren.“ Sechs übergeordnete Ziele hat die Bundesregierung gemeinsam mit den Fachleuten aus Wissenschaft und Wirtschaft entwickelt: 1. Die Forschungslandschaft der Quantentechnologien ausbauen 2. Forschungsnetzwerke für neue Anwendungen schaffen 3. Leuchtturmprojekte für industrielle Wettbewerbsfähigkeit etablieren 4. Sicherheit und technologische Souveränität gewährleisten 5. Die internationale Zusammenarbeit gestalten 6. Die Menschen in unserem Land mitnehmen Breit aufgestellte Forschung in Deutschland
Bereits heute verfügt Deutschland über eine große Expertise in der Quantenphysik. Aktuell konzentriert sich die Forschung auf vier Felder: 1. Quantencomputer und -simulation 2. Quantenkommunikation 3. Quantenbasierte Messtechnik 4. Basistechnologien für Quantensysteme Dank der exzellenten Forschung sieht Karliczek Deutschland in einer guten Ausgangsposition, um Quantentechnologien in Anwendungen nutzbar zu machen und ihre Entwicklung international mitzugestalten. Das neue Rahmenprogramm unterstütze Wissenschaft und Wirtschaft dabei, sich enger zu vernetzen und den Transfer von der Forschung in die industrielle Anwendung zu beschleunigen. Grafische Darstellung eines Atoms Von der abhörsicheren Verschlüsselung bis zur Medizintechnik, Quantentechnologien bringen viele Chancen für neue Anwendungen in Industrie und Gesellschaft mit sich. Das BMBF unterstützt die Forschung in diesem Bereich – zwölf internationale Projekte mit deutscher Beteiligung haben bereits die Arbeit aufgenommen. Quantentechnologien in die Anwendung bringen Das Potenzial der Quantentechnologien ist enorm, ob in der Informationsübertragung und -verarbeitung, für höchstpräzise Mess- und Abbildungsverfahren oder für die Simulation komplexer Systeme. Wissenschaftler sprechen davon, Magnetfelder des Gehirns zu vermessen und Alzheimer oder Parkinson besser zu verstehen, den Verkehrsfluss zu optimieren und Staus zu vermeiden oder neue Werkstoffe und Katalysatoren allein auf der Grundlage von Simulationen zu entwickeln.
Quantentechnologien schaffen dafür die Basis und werden die technischen Lösungen von heute, etwa in der Sensorik oder beim Computing, deutlich übertreffen. Zurzeit steht das Feld allerdings noch am Anfang der Technologieentwicklung. Transnationale Kooperation In QuantERA bündeln deshalb Fördergeber aus 26 Ländern ihre Ressourcen, um gemeinsam die wissenschaftlich-technologische Entwicklung und die Position Europas in diesem wichtigen Zukunftsfeld zu stärken. Die Koordination der Zusammenarbeit übernimmt dabei das National Science Centre (NCN) in Krakau. Die beteiligten Länder und die Europäische Kommission, welche die Initiative finanziell unterstützt, stellen zusammen insgesamt über 34 Mio. Euro Fördermittel für Forschungsprojekte zur Verfügung. Für die deutschen Partner in den ausgewählten Projekten sind 6,5 Mio. Euro vorgesehen. Zwölf der insgesamt 18 Projekte mit deutscher Beteiligung sind bereits gestartet: Cebbec (Controling EPR and Bell correlations in Bose-Einstein condensates): Ultrakalte Atome, die nah an den absoluten Nullpunkt gekühlt werden, können für extrem genaue Messungen eingesetzt werden, unter anderem zur Messung von Beschleunigung und Rotation. Indem die Atome miteinander „verschränkt“ werden, kann eine hohe Präzision erreicht werden. Im Rahmen von Cebbec entwickeln europäische Arbeitsgruppen zusammen theoretische und experimentelle Methoden, um ultrakalte atomare Ensembles besser zu kontrollieren und für Präzisionsmessungen nutzbar zu machen. Interpol (Polariton lattices: a solid-state platform for quantum simulations of correlated and topological states): Bei Quantensimulationen werden Probleme gelöst, indem sie auf ein entsprechendes Quantensystem abgebildet werden. Die Vorgänge im analogen Quantensystem werden im Simulator verfolgt und anschließend auf die Lösung des ursprünglichen Problems zurückgeführt. Dadurch können spezifische Probleme effizient gelöst werden, die selbst mit leistungsfähigen Supercomputern nicht gelöst werden können. Das Ziel des Verbundvorhabens Interpol ist die Entwicklung einer skalierbaren (Skalierbarkeit = Fähigkeit zur Größenveränderung eines Systems) festkörperbasierten und kompakten Plattform für die Quantensimulation. Solche On-Chip-Plattformen gibt es zurzeit noch nicht. Nanospin (Spin-based nanolytics – Turning today’s quantum technology research frontier into tomorrow’s diagnostic devices): Um die Empfindlichkeit der Kernspinresonanz(NMR-)Spektroskopie zu erhöhen, ist es erforderlich, die Polarisation, d. h. die Ausrichtung der Kernspins entlang eines extern angelegten Magnetfeldes, zu verbessern. Konventionell erreicht man dies durch eine immer weitere Verstärkung des externen Magnetfeldes, wofür tonnenschwere Magnete benötigt werden, die ganze Räume füllen. Das Verbundprojekt Nanospin entwickelt für die sogenannte Hyperpolarisation der Kernspins einen vollkommen neuen Zugang über die Nutzung der quantenmechanischen Kopplung der Elektronenspins. Zusätzlich soll eine Mikrointegration der notwendigen Lasertechnik und Elektronik mit dem Ziel erfolgen, ein tragbares Spektrometer für Gewebe- und Zellkulturen zur Verfügung zu stellen. Naquas (Non-equilibrium dynamics in Atomic systems for Qantum Simulation): Das Ziel des Projekts Naquas ist die systematische Charakterisierung der Nicht-Gleichgewichts-Dynamik von Quantensystemen ultrakalter Atome in der Nähe kritischer Punkte. Denn das systematische Verständnis dieser Nicht-Gleichgewichts-Dynamik ist eine offene Herausforderung, die die Entwicklung adäquater physikalischer Werkzeuge erfordert. Dazu werden innovative theoretische Ideen der Physik kondensierter Materie, der Quantenoptik, der statistischen Physik und der Quanteninformation mit fortgeschrittenen Experimenten mit ultrakalten atomaren Quantengasen kombiniert. Die Ergebnisse des Projekts können einen Grundstein für die Entwicklung der nächsten Generation von Quantengeräten bilden.
So sehen sie aus: vier Qubits von IBM QCDA (Quantum Code Design and Architecture): Das Forschungsvorhaben QCDA hat das Ziel, alternative Ansätze für die Architektur von Quantencomputern zu finden, die sowohl praktisch sind, als auch mit weniger Ressourcen auskommen. Deshalb strebt das Projekt das Design einer neuen Generation von logischen Quantenbits (kurz Qubits, Gegenstück zu den elektronischen Bits in der Datenverarbeitung) und Quantencodes an. Durch die Entwicklung neuer Architekturen sollen Hardware-Anforderungen markant reduziert werden. Dies wird den Übergang des Quantencomputings von einem akademischen Forschungsumfeld in die Industrie und Gesellschaft erleichtern. Q-Magine (Scalable Electrically Read Diamond Spin Qubit Technology for Single Molecule Quantum Imagers): Das Q-Magine- Projekt verfolgt eine wesentliche Präzisionssteigerung durch Verwendung eines neuen Detektionsverfahrens für Magnetresonanzsignale. Anstelle der bisher überwiegend genutzten optischen Detektion soll ein photoelektrisches Verfahren zur Anwendung kommen, das eine um den Faktor 1.000 höhere Detektionsrate bietet. So können auch Signale gemessen werden, die bislang viel zu schwach für einen Nachweis waren. Durch die enorme Verbesserung lassen sich für diese Art von Sensoren ganz neue Anwendungsbereiche erschließen. Das Ziel des Konsortiums ist es insbesondere, für das neue Gebiet der Proteomforschung (Proteom = Gesamtheit der Proteine eines Lebewesens) eine innovative, kosteneffiziente Analysemethode zu entwickeln und damit die bisherigen, sehr teuren Verfahren, wie etwa die Massenspektroskopie, zu ergänzen oder sogar zu ersetzen. Orquid (Organic Quantum Integrated Devices): Im Orquid-Projekt sollen einzelne organische Moleküle als Schnittstelle zwischen drei Arten von Quanten – Photonen, Elektronen und Phononen – verwendet werden. Denn um Quantentechnologien erfolgreich einsetzen zu können, ist es notwendig, einzelne Quantensysteme miteinander zu verbinden, und zwar auf skalierbare und effiziente Art und Weise. Ein hybrider Integrationsansatz erlaubt es, individuelle Komponenten separat zu optimieren und zu fertigen. Damit können unterschiedliche Materialien besser aneinander angepasst werden, z. B. organische Materialien und supraleitende Schichten. Das überwindet eine große Herausforderung der integrierten Quantenoptik. QTFLAG (Quantum Technologies For LAttice Gauge theories): Der Fokus des Projekts QTFLAG liegt im Bereich der Quantensimulation. Dazu werden verschiedene Ansätze erforscht. Diese theoretischen Methoden haben aber allerdings nur einen praktischen Nutzen, wenn sie sich in einem Experiment umsetzen lassen. Deshalb arbeiten Theoretiker eng mit Experimentatoren zusammen. So werden die theoretischen Methoden spezifisch angepasst und letztlich in unterschiedlichen Hardware-Plattformen – basierend auf kalten Atomen, gefangenen Ionen sowie supraleitenden Schaltkreisen – implementiert. Das Ziel ist ein effizienterer theoretischer Rahmen, um Quantensimulationen in einer der Hardware-Plattformen durchzuführen. Dies kann als wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem skalierbaren Quantencomputer gewertet werden. Quasert (Optomechanische Quantensensoren bei Raumtemperatur – Teilvorhaben: Nanomechanische Plattform für kohärente Messprotokolle, Nanokom): Optomechanische Bauteile sind aufgrund ihrer hohen Empfindlichkeit gegenüber wechselnden Einflüssen aus der Umgebung hervorragend für Anwendungen in der Sensorik geeignet. Sogenannte quantenlimitierte Sensoren versprechen eine gewaltige Steigerung der Sensitivität, allerdings sind heutige quanten-optomechanische Bauteile auf den Betrieb nahe des absoluten Nullpunkts angewiesen – und somit nur eingeschränkt für sensorische Anwendungen nutzbar. Das Projekt Quasert arbeitet an der Entwicklung optomechanischer Quantensensoren, die bei Raumtemperatur funktionieren. Ziel des Teilvorhabens Nanokom ist es, mithilfe eines rein klassisch funktionierenden physikalischen Systems gewisse Messprotokolle der zu entwickelnden Quantensensoren zu untersuchen.
Route (Towards Room Temperature Quantum Technologies): Das Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, das Fundament für eine raumtemperaturbasierte und damit weitaus anwendungsnähere Quantentechnologie zu legen. Um die notwendigen Quanteneigenschaften bei Raumtemperatur zu erhalten, nutzt Route nanophotonische Strukturen. Mit diesen kann Licht mit organischen Molekülen auf engstem Raum zusammengebracht werden, wodurch eine kohärente Wechselwirkung zwischen Feld und Materie ermöglicht wird. Hierdurch können neue „Materialien“ entstehen, die ein Hybrid aus Licht und Materie sind. Die Projektergebnisse könnten die Grundlagen für Messinstrumente, Quanteninformationsspeicher, Quantensimulatoren oder spezifische neue Materialien bilden. Sie könnten auch für neuartige chemische Verfahren eingesetzt werden und um Reaktionsraten genau zu berechnen. Siqubus (Quantenbus mit großer Reichweite für Elektronenspins in Silizium): Quantencomputer haben potenziell immense Vorteile gegenüber einer konventionellen Rechnerarchitektur: Sie könnten in Zukunft bei Aufgaben wie Mustererkennung oder Maschinellem Lernen mehrere Größenordnungen schneller sein als ihre klassischen Pendants. Ein fehlender Baustein für eine skalierbare Quantencomputerarchitektur ist die kohärente Übertragung von Quanteninformation auf einer Distanz von ca. 10 Mikrometern. Ein sogenannter Quantenbus (Qubus) schafft Raum für elektrische Zuleitungen und gegebenenfalls klassische Kontrollelektronik auf einem Computer-Chip. Im QuBus wird die Quanteninformation übertragen, indem ein Elektron, in dessen Spin die Qubit-Information kodiert ist, kontrolliert über eine solche Distanz transportiert wird. Dieses komplexe Bauteil wird im Siqubus-Projekt untersucht, um letztlich ein QuBit zu transportieren, ohne dessen Quanteneigenschaften zu zerstören. Topoquant (2D hybrid materials as a platform for topological quantum computing): Quantencomputer können gewisse Probleme sehr viel effizienter lösen als herkömmliche Computer. Hierzu nutzen sie aus, dass Systeme in der Quantenmechanik auch in mehreren Zuständen gleichzeitig vorliegen können. So kann ein sogenanntes Qubit nicht nur die Zustände 0 oder 1 annehmen, sondern auch beliebige Kombinationen der beiden. Dies kann Algorithmen insofern beschleunigen, da viele Konfigurationen parallel zur gleichen Zeit anstatt sequenziell abgearbeitet werden können. Solche Überlagerungszustände von 0 und 1 sind jedoch hochgradig instabil, was ihre Anwendung in Quantencomputern sehr erschwert. Üblicherweise wird versucht, Qubits möglichst weitgehend gegen äußere Störungen abzuschirmen. Im Projekt Topoquant wird ein alternativer Zugang verfolgt, bei dem die Zustände, wie man sagt, topologisch geschützt sind und daher nicht auf äußere Einflüsse, wie lokale elektrische oder magnetische Felder, reagieren. Koordinatoren aus dem Saarland Prof. Frank Wilhelm-Mauch koordiniert das Projekt Open SuperQ Im Zentrum aller Initiativen steht aber ein Projekt: Zehn Partner aus Wissenschaft und Industrie werden in den kommenden drei Jahren den eingangs erwähnten europäischen Quantencomputer entwickeln und bauen. Der Computer soll vor allem die Simulation von Abläufen in Chemie und Materialwissenschaft sowie das Maschinelle Lernen beschleunigen. Er wird europaweit der erste Quantencomputer auf diesem Level sein und unter vergleichbaren Systemen weltweit führend sein. Auch das Projekt „Open SuperQ“ (An Open Superconducting Quantum Computer) ist Teil des eine Milliarde Euro schweren Flagship-Programms der EU- Kommission; es wird mit rund 10 Mio. Euro gefördert. Das Ziel: Bis Ende 2021 soll am Forschungszentrum Jülich ein 100-Qubit- Computer gebaut werden. Koordiniert wird das Projekt von Frank Wilhelm-Mauch, Professor für Quanten- und Festkörpertheorie an der Universität des
Saarlandes. Weitere Partner des Konsortiums sind unter anderem das Forschungszentrum Jülich und die ETH Zürich. Die Laufzeit von „Open SuperQ“ beträgt drei Jahre; das Innovations- und Projektmanagement liegt bei der ebenfalls in Saarbrücken ansässigen Eurice GmbH. Erforschung von Quantentechnologien Im Sommer vorgestellt: Quantenprozessor von D-Wave Systems mit 2.048 Qubits Die Erforschung von Quantentechnologien hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. War sie vor einem Jahrzehnt noch vor allem Spielwiese theoretischer Überlegungen, steht sie heute an der Schwelle zum Durchbruch im technologischen Alltag. Mit Quantencomputern könnten zum Beispiel Probleme, die heutige, herkömmliche Supercomputer an die Grenzen der Leistungsfähigkeit bringen, deutlich schneller und effizienter gelöst werden. Das liegt an der Art und Weise, wie Quantencomputer Rechenoperationen ausführen: Statt die Rechenschritte nacheinander abzuarbeiten, wie ein normaler Computer dies tun muss, können Quantencomputer Rechenoperationen parallel verarbeiten, also ungleich schneller als bisher. Wenn klassische Computer Daten parallel verarbeiten sollen, brauchen sie sehr viele parallele Rechenkerne oder GPUs – ein Quantencomputer erledigt das mit einem einzigen Prozessor. Das führt dazu, dass große Konzerne wie Google, IBM, Intel oder Microsoft, aber auch innovative Start-ups wie D-Wave, massiv in die Entwicklung solcher Systeme investieren. Und Industriekonzerne wie VW, aber auch Handelsorganisationen oder Finanzdienstleister, investieren hier bereits in den Aufbau von Know-how. Von der Theorie zur Praxis Das Ziel des Konsortiums ist es, am Ende des Förderzeitraumes einen funktionsfähigen Quantencomputer mit 100 Quanten- oder Qubits zu haben, der hardwareseitig auf supraleitenden Schaltkreisen basiert und dessen Betriebssystem eine Open-Source- Software sein soll, die also jedem zur Bearbeitung offensteht. „Das ist eines der hervorstechendsten Merkmale von ‚Open SuperQ‘. Wir glauben, dass dieser Ansatz vielen Nutzern von Quantentechnologie weltweit nutzen wird“, sagt Prof. Wilhelm-Mauch. Zudem wird am Forschungszentrum Jülich ein dauerhaftes Forschungslabor etabliert, an dem letzten Endes der Quantencomputer stehen wird, zu dem dann ein offener Zugang über die Cloud zur Verfügung gestellt wird. „Dieser Standort wird sicherlich befeuern, dass Ideen aus der Wissenschaft rasch in Anwendungen umgesetzt werden“, meint Wilhelm-Mauch, Physiker mit dem Schwerpunkt auf Quanten- und Festkörpertheorie, und ist sich dessen sicher. Der Computer, der vor allem die Simulation von Abläufen in Chemie und Materialwissenschaft sowie das Maschinelle Lernen beschleunigen soll, werde europaweit der erste Quantencomputer auf diesem Level sein und unter vergleichbaren Systemen weltweit führend sein. Weitere Partner an dem Projekt sind die Universidad del País Vasco (Spanien), Chalmers Tekniska Högskola AB und Low Noise Factory AB (Schweden), die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich und die Zurich Instruments AG sowie aus Finnland Teknologian Tutkimuskeskus VTT Oy und Bluefors Cryogenics Oy.
Hintergrund Quantentechnologie Das zugrundeliegende Prinzip der Quantentechnologie ist, dass ein Teilchen (zum Beispiel ein Atom, Elektron, Lichtteilchen) zwei Zustände gleichzeitig einnehmen kann. Diese Zustände nennt man auch Überlagerungszustände. Auf die Computertechnologie übertragen, bedeutet das, dass die Bits, aus denen eine Information auf einem normalen Computer besteht, die Zustände 1 oder 0 haben können, auf einem Quantencomputer hingegen die Zustände 1 und 0 gleichzeitig, in jeder beliebigen Kombination. Solche Quantenbits oder Qubits sind die Grundlage eines Quantencomputers. Rechnen kann man beispielsweise mithilfe von Atomen als Speichereinheit, indem man sie mit Laserlicht anregt und ihren Quantenzustand gezielt manipuliert. Eine Rechenoperation kann nun auf beiden Anteilen des Überlagerungszustandes (1 und 0) gleichzeitig oder parallel stattfinden. Ein Quantencomputer kann in derselben Zeit, in der ein herkömmlicher 32-Bit-Rechner einen seiner 232 möglichen Zustände verarbeitet, parallel alle diese Zustände verarbeiten. Der Quantencomputer rechnet also um ein Vielfaches schneller als ein normaler Computer. Diese hohe Rechenleistung lässt sich allerdings nur für spezielle Probleme ausnutzen, für die Rechenvorschriften (Algorithmen) entwickelt wurden. Hartmut Rehmsen hat sich als Fachjournalist auf den IT-Einsatz in Unternehmen spezialisiert. Bildnachweise: Rybindmitriy/Fotolia, Brandnew Entertainment GmbH, Universität des Saarlandes AI Trendletter Impressum | Kontakt & Anfrage
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