LA DANZA MORTALE Begleitmaterial zum Live-Stream von "La Strada" am 16. Januar 2021

 
WEITER LESEN
LA DANZA MORTALE Begleitmaterial zum Live-Stream von "La Strada" am 16. Januar 2021
LA
    DANZA
   MORTALE
Begleitmaterial zum Live-Stream von
            »La Strada«
        am 16. Januar 2021
LA DANZA MORTALE Begleitmaterial zum Live-Stream von "La Strada" am 16. Januar 2021
INHALT
Die Besetzung										2

Die Handlung										3

The Plot											3

Choreograph Marco Goecke im Gespräch: »Zwischen den Schritten«		             4

»Wie ein Bildhauer meißelt Goecke seine Gestalten in die Tiefen des Raums«
			Über uns geschrieben						6
LA DANZA MORTALE Begleitmaterial zum Live-Stream von "La Strada" am 16. Januar 2021
»La Strada«
   Live aus dem Staatstheater am Gärtnerplatz

                                           Ballett

                                      von Marco Goecke
                      Nach dem gleichnamigen Film von Federico Fellini
                          Buch von Federico Fellini und Tullio Pinelli
                                     Musik von Nino Rota

       Reduzierte Orchesterfassung für das Staatstheater am Gärtnerplatz von Ben Phelps
                   (mit freundlicher Genehmigung von Casa Ricordi, Mailand)

                                        Uraufführung
                     am 2. September 1966 im Teatro alla Scala, Mailand

                                Choreografische Uraufführung
                                      am 12. Juli 2018

		Musikalische Leitung              		Michael Brandstätter
		Choreografie             			Marco Goecke
           Bühne und Kostüme 			                     Michaela Springer
		Licht            				Udo Haberland
		Dramaturgie 				Daniel C. Schindler

           Mit Jana Baldovino, Janne Boere, Clara Cafiero, David Cahier, Sara DeGreef,
           Douglas Evangelista, Alexander Hille, Marta Jaén, Pier-Loup Lacour, Mikayla
           Lambert, Amelie Lambrichts, Serena Landriel, Rodrigo Moral, Hikaru Osakabe,
           Roberta Pisu, Alexander Quetell, Ariane Roustan, Luca Seixas, David Valencia,
           Lieke Vanbiervliet

                                                                                           2
DIE HANDLUNG
Gelsomina, ein feinfühliges Mädchen, verlässt ihren armseligen Heimatort an der Küste und beginnt mit dem
grobschlächtigen Artisten Zampanò, der sie von ihrer Mutter »abgekauft« hat, ein Leben auf der Straße. Zam-
panò dressiert Gelsomina wie einen Hund, damit sie ihm bei seinen Auftritten assistieren kann, behandelt sie
auch sonst wie eine Sklavin und vergnügt sich lieber mit Huren, anstatt seiner Wegbegleiterin Zärtlichkeiten zu
bekunden. Ein Zirkus mit seinen Menschen lässt in der jungen Frau ein Gefühl von Heimat entstehen. Vor
allem die Begegnung mit dem Seiltänzer Matto, der sie als Mensch behandelt und von dem sie auf Anhieb
verzaubert ist, lässt Gelsomina mit einem Mal aufleben. Aber der vorwitzig provozierende Seiltänzer und der
jähzornige Zampanò geraten schließlich aneinander, und es kommt zu einer körperlichen Auseinandersetzung.
Zampanò muss den Zirkus verlassen, und er und Gelsomina sind wieder auf der Straße. Der Zufall lässt sie
nach einiger Zeit erneut auf Matto treffen. Hilflos muss Gelsomina mit ansehen, wie Zampanò den Seiltänzer
in seiner blinden Wut erschlägt. Daraufhin verfällt Gelsomina in eine tiefe innere Isolation. Zampanò weiß nicht
mehr, was er mit ihr anfangen soll, und lässt sie irgendwo an der Straße zurück. Erst Jahre später erfährt er
durch Zufall, dass Gelsomina als unbekannte Heimatlose gestorben ist. Nun wird sich auch Zampanò seiner
eigenen Einsamkeit bewusst.

                                             THE PLOT
Gelsomina, a somewhat sensitive girl, leaves her poverty-stricken hometown on the coast and starts a life on
the road with coarse Zampanò who has “bought” her from her mother. Zampanò trains Gelsomina like a dog so
that she can assist him in his performances but otherwise treats her like a slave and carries on with prostitutes
instead of showing any tenderness to his companion. A circus with the people in it provides a sense of home
for the young woman. Especially meeting the tightrope walker Matto, who treats her like a human being and
with whom she is enchanted from the very beginning, helps Gelsomina to cheer up immediately. But the fresh
and provocative tightrope walker and the violent-tempered Zampanò ultimately get involved with each other and
they come to blows. Zampanò has to leave the circus and he and Gelsomina are once again on the road. After
awhile, they meet up with Matto by chance. Gelsomina helplessly looks on as Zampanò beats the tightrope
walker to death in blind rage. After that, Gelsomina lapses into a profound inner isolation. Zampanò no longer
knows what to do with her and abandons her somewhere on the road. Only years later does he by chance learn
that Gelsomina died as an unknown homeless person. With that, Zampanò also becomes aware of his own
loneliness.

                                                                                                                    3
»Zwischen den Schritten«
                          Choreograf Marco Goecke im Gespräch

Thomas Koebner bezeichnete »La Strada« einmal als ein Drama zweier Stummer, deren Gefühle
durch die Musik verdolmetscht würden. Welche Rolle kommt der Sprache in deiner Choreografie
zu?

Klar ist natürlich, dass ein Tanzabend seine originäre Energie zunächst einmal aus der körperlichen Darbietung
der beteiligten Tänzerinnen und Tänzer bezieht. Dennoch lasse ich diese in meinen choreografischen Arbeiten
gerne auch zu Wort kommen, weil nicht immer alles allein durch Gesten ausgedrückt werden kann. Mal sind
dies nur einzelne Wortfetzen, die ein Gefühl oder eine gewisse Stimmung vermitteln, ein andermal sind dies
ganze Sätze, in denen eine zentrale Botschaft zum Ausdruck kommt.

Federico Fellini äußerte einmal, dass »La Strada« in seinen Augen die ideale Vorlage für ein Opern-
libretto sei. Nun dient Nino Rotas Musik dir als Vorlage für ein Handlungsballett. Demnach scheint
der Stoff also geradezu nach einer Bearbeitung für die Bühne zu verlangen …?

Absolut. Und dabei ist der Stoff im Grunde nicht einmal besonders komplex: Die Handlung des Films ist eigent-
lich recht geradlinig aufgebaut und auch die Figuren sind eher eindimensional gestrickt. Die eigentliche Kom-
plexität entsteht vielleicht erst aus dem Verhältnis der Figuren zueinander. Für mich liegt die tiefere Bedeutung
eines solchen Tanzabends allerdings eher zwischen den Schritten verborgen – in dem, was wir nicht ohne
weiteres in Worte, Musik oder eine einfache Bewegung übersetzen können, in einem Gefühl, dass – wie wir es
wohl alle aus unserem persönlichen Alltag kennen – wir etwas im Leben verloren oder eine Chance verpasst
haben könnten. Solche Gefühle sind natürlich nicht nach Belieben (re-)produzierbar, machen für mich aber die
eigentliche Faszination des Theaters aus.

                                                                                                                    4
Wie eng hast du dich bei der Kreation deines Balletts an der filmischen Vorlage orientiert? Oder
anders herum gefragt: Wie frei musstest, konntest, durftest du dabei sein?

Fellinis Film war natürlich die Vorlage und wir erzählen im Grunde auch eine identische Geschichte. Die be-
sondere Herausforderung war es, die Story des Films in den Live-Charakter des Theaters zu übersetzen. Alle
wichtigen Bilder des Films sind zwar weiterhin vorhanden, jedoch haben ich und mein Team natürlich auch
versucht, unseren eigenen Blick mit einzubringen und etwas Neues zu kreieren. Bei meinen abstrakten Stücken
ist diese Erfahrung natürlich eine ganz andere, da ich darin frei erzählen kann, was immer ich möchte. Bei »La
Strada« musste ich mich in diesem Punkt manchmal bremsen.

Wir wissen, dass Rota seine Filmmusik zumeist zu den bereits existierenden Filmbildern Fellinis
»nachkomponiert« hat. Bei deiner Arbeit war dieser Prozess nun genau umgekehrt, indem du deine
Choreografie auf die bereits existierende Musik Rotas anpassen musstest. Welchen Anteil hat Ro-
tas Musik bei diesem Prozess auf deine künstlerische Arbeit ausgeübt?

Zunächst einmal bin ich sehr glücklich darüber, dass eine qualitativ derart hochwertige Musik überhaupt vor-
handen ist. Aber natürlich gibt es in dieser Stellen, mit denen ich als Choreograf sehr einverstanden bin, und
solche, die mich weniger direkt ansprechen. In jedem Fall ist es aber so, dass ich bei meiner Arbeit mit der Par-
titur Rotas ständig in einem Dialog mit jemandem stehe, der nicht da ist. Generell choreografiere ich in meinen
Arbeiten niemals eins zu eins auf die Musik. Manchmal folge ich der vom Komponisten intendierten Wirkung
der Musik, ein anderes Mal gehe ich bewusst dagegen, etwa um einen ganz bestimmten Effekt zu erzeugen.
Beides – sowohl der Tanz als auch die Musik – besitzt für mich stets seinen eigenen Stellenwert.

                                                                Die Fragen stellte Dramaturg Daniel C. Schindler.

                                                                                                                    5
»Wie ein Bildhauer meißelt Goecke seine
          Gestalten in die Tiefen des Raums«
     Auswahl aus den Kritiken über die choreografische Uraufführung des Balletts
                         »La Strada« am Gärtnerplatztheater

Vesna Mlakar
»Abendzeitung«, 14. Juli 2018

»Als gebürtiger Wuppertaler ist der Choreograf stark vom Tanztheater Pina Bauschs geprägt. Doch selten tritt
dieser Einfluss so zu Tage, wie bei dieser Uraufführung für das Staatstheater am Gärtnerplatz. Grund dafür mag
der unverwechselbare Klang der Musik von Nino Rota sein, mit dem das Orchester unter Michael Brandstätter
für eine starke Atmosphäre sorgt.«

Katrin Stegmeier
»Bayerische Staatszeitung«, 20. Juli 2018

»Goecke schafft rein aus der Bewegung heraus ein Drama, das die Innenspannung der beiden so gut wie
sprachlosen Protagonisten fiebrig nach außen entlässt. […] Mit Goeckes ›Lied von der Straße‹ hat sich das
Gärtnerplatz-Tanzensemble ein Juwel ins Repertoire geholt.«

Peter Jungblut
»BR-Klassik«, 13. Juli 2018

»›La Strada‹, ein schwermütig-düsteres Schwarz-Weiß-Melodram über die Unfähigkeit der Männer zu lieben.
Als Zampanò am Ende schluchzend am Strand unterm Sternenhimmel steht und nicht mal mehr mit den Huren
klar kommt, da ist es zu spät – für ihn, und auch für die Liebe. Nino Rotas kraftvolle, expressionistische Musik
im Hollywood-Sound der fünfziger Jahre ist bei Dirigent Michael Brandstätter gut aufgehoben, so glutheiß, wie
sie auflodert – in der Oper wäre das allemal viel zu viel, zu laut, zu schwülstig – im Tanz setzt sie Zuschauer-
seelen in Brand. Die stärkste Seite an diesem umjubelten Abend: Marco Goecke schert sich erfreulich wenig um
Rhythmus und Takt der Musik, zählt nicht die Noten, sondern macht sich völlig frei von Nino Rotas Vorgaben.«

Malve Gradinger
»Münchner Merkur«, 14. Juli 2018

»Einhellig euphorischer Jubel für Marco Goeckes choreografische Fassung von Federico Fellinis filmischem
Meisterwerk ›La Strada‹ (1954). […] Goecke übersetzt, deutet, veranschaulicht, dramatisiert, was innen im
Menschen vorgeht mit einer fantastischen komplex-gestischen Sprache. […] Den Neorealismus dieser von
Fellini und Tullio Pinelli aus harter Nachkriegszeit erdachten Geschichte zu beschwören, hätte das Stück museal
gemacht. Aber was hier zum Ausdruck kommt, absichtsvoll oder nicht, ist die Nervosität unserer Zeit, die
ständige online-Existenz, die Informationsüberflutung, das tägliche Unter-Strom-Stehen. Und dieses hier nun
optisch abgebildete Gegenwartsgefühl fordert den Betrachter, überfordert ihn auch zum Teil. Sehen sollte man
›La Strada‹ auf jeden Fall.«

                                                                                                                   6
Eva-Elisabeth Fischer
»Süddeutsche Zeitung«, 18. Juli 2018

»Die Musik ist temperamentvoller, manchmal auch ironischer Kommentar zum Bühnengeschehen, denn Musik
bloß zu vertanzen liegt Marco Goecke fern. Vielmehr legt er noch eine weitere Klangschicht darüber: die
Schreie, die unartikulierten Lautmalereien der Tänzerinnen und Tänzer, Klangpartitur derer, die unfähig sind
auszudrücken, was sie bewegt. […] Goecke schafft eine zeitgemäße Form des Handlungsballetts. Indem er die
Geschichte einer verpassten Liebe abstrakt verfremdet, sogar bis zur Groteske wendet, aber ganz ohne Zirkus-
folklore und Milieu-Tristesse, gelingt ihm ein großer Wurf. Der Tanz ist dabei nicht Diener der Handlung, er ist
die Handlung. Er erzählt von den Menschen und schafft Erkenntnis über die Konsequenzen ihres Handelns.«

Beate Kayser
»Tageszeitung«, 14. Juli 2018

»Goecke war klug genug, den Film nicht wiederholen zu wollen. Aber die Essenz – die Ausgesetztheit der Figu-
ren, die Härte der Lebenssituationen und nicht zuletzt den Humor, die setzt er in den Körpern seiner Tänzer um.
Eine Arbeit von Goecke ist beim ersten Blick zu erkennen. Sein Stil: blitzschnelle, exakte, oft eckige Bewegun-
gen, vor allem der Arme, der Hände, als müsse er sich eines erwarteten Angriffs erwehren. Das ist in diesem
Landstreicherleben auf der Straße auch nötig. Insofern passt der Stoff wieder genau in unsere Zeit.«

Kim Fischer
»kulturinmuenchen.de«, 14. Juli 2018

»Egal, ob man ein Fan von Ballett ist oder nicht – es ist immer wieder beeindruckend, was für körperliche
Höchstleistungen die Tänzer erbringen. Bei so viel Körperspannung und eleganter Perfektion fliegen bei den Pi-
rouetten nicht selten die Schweißperlen herum. Bei dieser Choreografische Uraufführung war das nicht anders.
Mit enorme Energie und Grazie führen die Darsteller begleitet von gefühlvoller Musik durch das 1,5-stündige
Stück. Wer unglaublich begabte Tänzer und mitreißende Musik erleben möchte, muss sich ›La Strada‹ an-
sehen!«

                                                                                                                   7
Sie können auch lesen