Zwei Brüder auf Achse - Wie Bruno und Josef A. Jäger die Transportbranche revolutionierten - Larag AG
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www.dieostschweiz.ch № 02/21 Zwei Brüder auf Achse Wie Bruno und Josef A. Jäger die Transportbranche revolutionierten EUR 12.– CHF 12.– Ausserdem: Warum sich der Freisinn neu erfinden muss. Was Clown-Theater mit politischer Arbeit zu tun hat. Von der Entstigmatisierung der Psychiatrie. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Fürstentum. Und: Ab sofort in jeder Ausgabe: Umfassender Business-Teil mit Sonderthema.
28 /29 Josef A. Jäger: «Wir haben bei allen wichtigen Entscheidungen einen kritischen Gesprächs- partner auf Augenhöhe.» den Kopf geschüttelt» Die Ostschweiz 2/2021
BUSINESS Der eine ist eher der Techniker, der andere eher können. Aber Josef ist das grössere Organisa tionstalent, was beim Aufbau der Camion Trans- der Organisator. Beide haben sie in der Nutz- port AG sicherlich enorm hilfreich gewesen ist. fahrzeug- und Transportbranche erfolgreich Josef Jäger: Und Bruno ist eher der Techni- ein Unternehmen aufgebaut. Dabei haben Bruno ker. Und die Larag mit all ihren Spezialitäten und Josef Jäger nicht alles nach Lehrbuch braucht einen solchen an der Spitze. Die Struk- tur hat sich bewährt. umgesetzt. Vielleicht gerade deshalb haben die beiden Brüder ihr jeweiliges Segment als Und liess zwei Erfolgsgeschichten entstehen. Vorreiter geprägt. Im Gespräch erläutern die Gab es rückblickend aber dennoch Entwicklun- gen oder heisse Phasen, die Ihnen schlaflose Unternehmer aus Wil, wo unter dem Stichwort Nächte bereitet haben? Ökologie falsche Wege eingeschlagen Josef Jäger: Auf meiner Seite gab es die- werden und weshalb man aktuell vor einem se 1996, als wir die Möglichkeit ergriffen, zu- sehr entscheidenden Punkt steht. sammen mit zwei Konkurrenten, nämlich den Transportfirmen Planzer und Galliker, die Cargo Interview: Marcel Baumgartner, Bilder: Bodo Rüedi Domizil AG der SBB zu übernehmen. Das ge- samte Bahnstückgutsystem war im Grundsatz ein hochdefizitärer Laden. Die Übernahme barg wohl grosse Chancen, aber ebenso grosse Bruno und Josef Jäger, die Nutzfahrzeug- Risiken, weshalb einige in der Transportbran- und Transportbranche prägt ihr Leben. War es che nur ungläubig den Kopf geschüttelt haben, schon in Ihren Jugendjahren das dominierende dass wir so etwas überhaupt in Betracht ziehen. Thema am Familientisch? Wurde ihr jeweiliger Einstieg ins Unternehmen quasi schon früh Sie taten es – und griffen zu. Weshalb? vorgespurt? Josef Jäger: Mich überzeugte schon damals Josef Jäger: Schon in der Schulzeit, insbe- der Ansatz vom kombinierten Schienen- und sondere natürlich während der Ferien, ver- Strassensystem mit dem ökologischen Ansatz. brachte ich unzählige Stunden in der Werkstatt. Ich sah hierin eine grosse Entwicklungsmöglich- Es war also schon sehr früh der Fall, dass ich im keit für die Zukunft. Natürlich, das System war Arbeitsoverall und mit schmutzigem marode, aber auch aus einem maroden System, Gesicht unterwegs war. So lernte ich das im Grundsatz gut ist, kann man etwas ma- «Aufgrund der Dimen- die Arbeit und das Umfeld des Vaters chen. Aber es war ein heikler Punkt. Aufgrund sionen hätte im Falle schon in jungen Jahren kennen, spür- der Dimensionen hätte im Falle eines Misser- eines Misserfolgs die te, wie es im Betrieb abläuft. Auch das folgs die gesamte Firmengruppe in den Abgrund gesamte Firmengruppe Auto- und Lastwagenfahren lernten gerissen werden können. in den Abgrund gerissen wir auf dem abgesperrten Firmenare- al mit einem alten Saurer-Fahrzeug. Gab es bei der Larag ähnliche Phasen? werden können.» Insofern war es für mich bereits sehr Bruno Jäger: Nicht in diesen Dimensionen. früh klar, dass ich da «mitmachen» Es waren eher mehrere kleine Meilensteine, die möchte. Entsprechend war auch der Entschluss, zur Entwicklung beigetragen haben. Etwa die eine Lehre als Lastwagenmechaniker zu absol- Expansion nach St.Gallen oder die Erweiterung vieren, ein logischer. in der Westschweiz im Jahr 2010. Gerade die- Bruno Jäger: Bei mir war es ähnlich, nur ent- ser Ausbau war ein ziemlicher Brocken, aber schied ich mich für eine Ausbildung zum Poly- strategisch das einzig Richtige. Bei den immer mechaniker. schlechter werdenden Margen braucht es ein- fach ein gewisses Volumen, damit man einen Ein entscheidendes Jahr war 1991, als die optimalen Service bieten kann. beiden Firmen, die Sie heute führen, durch ein Management-buy-out in den Besitz der Familie Ist es gerade bei solchen Entscheidungen Jäger kamen. Mit diesem Schritt wurde Ihnen enorm hilfreich, wenn man den Entschluss beiden Führungsverantwortung übertragen. quasi noch familienintern spiegeln kann? War die Aufteilung», so wie sie heute ist, Josef Jäger: Ich würde sogar sagen, dass dies von Anfang an klar? ein Teil unseres Erfolgsrezeptes ist. Wir haben Bruno Jäger: Zu Beginn war die Aufteilung bei allen wichtigen Entscheidungen einen kriti- noch eine andere. Aber im Laufe der Zeit hat sich schen Gesprächspartner auf Augenhöhe. Eine die heutige Struktur ergeben, obwohl man das Zweitmeinung von jemandem zu erhalten, der Ganze aufgrund unserer ursprünglichen Ausbil- das Risiko mitträgt und auch die wunden Punkte dung auch vollkommen anders hätte definieren anspricht, ist enorm wichtig. Die Ostschweiz 2/2021
30 /31 Bruno Jäger: Bereiche anzustossen hat Tradition bei uns. Entsprechende Entwicklungen, bei denen wir Vorrei- ter waren, gehen bis in die 1970er-Jah- re zurück. Die Larag rüstete den ers- ten Lastwagen mit einem Turbolader aus – ein Erfolgsmodell. Dann kam der erste Vierachser, heute Standard. Auch waren wir eines der ersten Un- ternehmen, das Elektrofahrzeuge pro- duziert hat. Damit waren wir allerdings rund 30 Jahre zu früh… Es ist unser Ansatz, liegt in unserer DNA, Bruno Jäger. solche Innovationen anzustossen. An Neuentwicklungen fehlt es aktuell nicht. Bruno Jäger: Und trotzdem hat jeder von Die Mobilität der Zukunft wird anders aussehen. uns seinen eigenen Bereich und dort im opera- Nur, wie wird sie aussehen? tiven Teil genug zu tun. Da funken wir uns nicht Bruno Jäger: Wir stehen am Anfang vor der hinein. Aber jeder von uns hat einen Sparring grössten technologischen Veränderung im Mo- partner, was Gold wert ist. bilitätsbereich. Deshalb stehen wir wohl auch Josef Jäger: Das bedingt natürlich, dass man vor den grössten Herausforderun- miteinander auskommt, was ja nicht überall ge- gen, was unser Unternehmen betrifft. «Wir stehen am Anfang geben ist, wo Familienmitglieder zusammen- Aufgrund dieser Veränderungen wird vor der grössten techno- arbeiten. Die Struktur mit den beiden vom Vo- sich unsere Branche komplett neu lumen her etwa gleich grossen Firmenblöcken ausrichten müssen, was alles andere logischen Veränderung bietet natürlich auch darüber hinaus noch viele als einfach ist. Über 95 Prozent sämt- im Mobilitätsbereich.» weitere Vorteile. Im Markt sind wir vollkommen licher Antriebe funktionieren heute unabhängig voneinander. Die Kombination aus noch auf die konventionelle Art und Weise. Aber «Technik und Entwicklung» auf der einen Sei- die Zukunft liegt bei neuen Technologien. Wir te und dem «Nutzer» auf der anderen Seite be- müssen jetzt die Weichen richtig stellen. fruchtet sich natürlich gegenseitig. Und in welche Richtung? Elektrische Antriebe? Inwiefern kann ein Unternehmen mit Ihrer Wasserstoff? Grössenordnung auch den Markt oder einzelne Josef Jäger: Was man aktuell mit Sicherheit Entwicklungen beeinflussen? sagen kann, ist, dass es noch lange Zeit verschie- Josef Jäger: Die Camion Transport AG ver- dene Antriebsarten geben wird. Wir werden auch stand sich immer als gewisser Branchenvorrei- noch lange mit den bekannten Verbrennungs ter in bestimmten Bereichen. Wir waren bei- motoren unterwegs sein, wobei auch diese noch- spielsweise eines der ersten Unternehmen, mals einen kräftigen Entwicklungsschritt erleben das konsequent auch auf die ökologischen As- werden. Der gesamte Hype, den die Elektroan- pekte im Transport Wert gelegt hat. Ich gehöre triebe ausgelöst haben, wird nochmals relativiert ja nicht den Grünen an, das ist bekannt. Aber werden. Wenn man hierbei die graue Energie Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit waren mit einrechnet, entstehen noch ein paar grösse- uns schon immer wichtig und – sofern vernünf- re Fragezeichen. Die entsprechende Stromver- tig und machbar – entsprechende Umsetzungen sorgung ist alles andere als einfach. Ein Beispiel: sind voranzutreiben. Wenn wir an unserem Standort in Schwarzen- bach 30 Elektrolastwagen ans Netz hängen Zum Beispiel? würden, würde es in der Region Wil dunkel wer- Josef Jäger: Unter anderem sicherlich das den. Wir haben schlicht und einfach nicht die In- bereits erwähnte kombinierte Schienen- und frastruktur für die notwendige Stromversorgung. Strassen-System, um das uns heute viele benei- Da genügen auch ein paar Solarzellen auf dem den. Darüber hinaus waren wir bei den Ersten, Dach nicht. Mit denen kann man vielleicht gera- die Mitarbeitende in ökologischer Fahrweise ge- de e inmal den Stapler speisen… schult und Fahrsicherheitstrainings angeboten Bruno Jäger: Das Ganze ist viel komplexer, haben. Ebenso haben wir Modelle für berufliche als viele wahrhaben wollen. Und es wird von Quereinsteiger kreiert, die inzwischen auch in- zwei Aspekten beeinflusst, die mitunter alles an- nerhalb der gesamten Branche zur Anwendung dere als deckungsgleich sind. Der eine Aspekt kommen. ist die Umsetzung. Was ist technisch möglich Die Ostschweiz 2/2021
BUSINESS und hat ökologisch Sinn? Der andere As- pekt ist der politische. Die Politik gibt gewisse Ziele vor, auf die wir uns ein- richten müssen – selbst wenn man sie für falsch hält. Sich einfach die grüne Weste überzuziehen und sich keine Ge- danken über den gesamten Kreislauf zu machen, ist nicht wirklich nachhaltig. Es braucht bei allen Alternativen, welche alle ebenfalls Ressourcen benötigen, eine Gesamtbetrachtung bis hin zum Recycling- prozess. Josef Jäger: Unser Angebot, den Transport Josef Jäger. der letzten Meile mit fossilfreien Fahrzeugen zu bewerkstelligen, wurde bejubelt. Das freut uns natürlich. Aber auch hier muss man einwerfen, Bei Bewerbungsgesprächen sage ich jeweils dass viele der transportierten Waren aus Län- scherzhaft, dass es schwierig für das Gegenüber dern wie China kommen – via Schiff und Flug- wird, wenn ihr oder ihm meine Visage nicht zeug zu uns verfrachtet. Das wird passt. Denn er oder sie wird Kontakt zu mir «Sich einfach die grüne gerne ausgeblendet. Man freut haben. Wir verstecken uns nicht hinter kompli- sich über das gute Gefühl, das zierten Hierarchiegebilden oder einem anony- Weste überzuziehen und sich einstellt, wenn das Paket mit men Verwaltungsrat. sich keine Gedanken dem Elektrofahrzeug vor die eige- Josef Jäger: Wir haben hier keine komplizier- über den gesamten Kreis- ne Haustüre geliefert wird. ten Strukturen gemäss HSG-Lehrbuch. Da pas- lauf zu machen, ist nicht Auch die Vorgabe aus Bern, sen wir nicht rein. Und gerade in der schwierigen die uns zwingt, aufgrund der so- Covid-Zeit ist es noch wichtiger geworden, am wirklich nachhaltig.» genannten LSVA-Abklassierung Puls der Mitarbeitenden zu sein. Entsprechend zehnjährige Fahrzeuge zu erset- verbringen wir aktuell sehr viel Zeit in den ein- zen oder die ein modernes Fahrzeug der Euro- zelnen Betrieben. Den persönlichen Austausch, Kategorie 5 ab nächstem Sommer in die gleiche der sonst an Weihnachtsessen oder Infoanlässen Reihe stellt wie einen Oldtimer, ist komplett un- möglich ist, können wir so teilweise kompensie- sinnig. Denn, was passiert mit diesen LKW? Sie ren. Uns ist wichtig, dass man mit uns über Sor- landen beispielsweise in Rumänien und kom- gen und Nöte sprechen kann. Dabei habe ich men dort zum Einsatz. Aber die Schweiz ist da- immer wieder gemerkt, dass bei vielen die Angst durch etwas «sauberer» – zumindest auf dem vor einer Covid-Erkrankung viel kleiner ist, Papier. als die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust. Das bekommt man nicht mit, wenn man sich damit Sie sind jetzt 56- respektive 60-jährig. begnügt, Weisungen und Informationen aus der Steht die Nachfolgeplanung schon im Raum? «Zentrale» zu versenden. Bruno Jäger: Ja. Einerseits möchten wir die Firma im Familienbesitz behalten und anderer- seits, wenn immer möglich, auch unter direkter Camion Transport und Larag Führungsbeteiligung der nächsten Generation. Der 2010 verstorbene Josef Jäger sen. hat sowohl In beiden Firmengruppen sind bereits mehre- die Entwicklung der Larag AG als auch der re Junge aus der dritten Generation dabei, die Camion Transport AG geprägt. Die Wurzeln der in den Betrieben arbeiten und Verantwortung Camion Transport AG gehen bis ins Jahr 1925 zurück. übernehmen. Wir haben uns des Themas schon Jäger war in den 50er-Jahren bei der damals unter vor ein paar Jahren angenommen und die ent- dem Namen Lagerhaus AG Wil bekannten Firma als sprechenden Prozesse definiert und eingeleitet. Mechaniker tätig. Aus diesem Unternehmen heraus wurde in einer separaten Abteilung die Lastwagen- Welcher Aspekt ist Ihnen persönlich bei Reparatur AG (später Larag AG) – mit Jäger als der einstigen Übergabe sehr wichtig? Geschäftsleiter. In den 1960er-Jahren übernahm er Josef Jäger: Ein Punkt, der schon unserem dann auch die Geschäftsführung der Lagerhaus AG Wil. Durch ein Management-buy-out kamen die Vater enorm wichtig war: der Kontakt zu den beiden Firmen 1991 in den Besitz der Familie Jäger Mitarbeitenden und die entsprechende Wert- und wurden schliesslich 2003 unter dem Dach der schätzung ihrer Arbeit. Sie machen den ent- Jäger Holding AG vereint. Heute werden sie von scheidenden Unterschied aus. Bruno Jäger (*1964) und Josef A. Jäger (*1960) Bruno Jäger: Wir sind ein inhabergeführtes geführt. Die Larag AG beschäftigt rund 650 Mit- Familienunternehmen. Das sagt schon vieles. arbeitende, die Camion Transport AG rund 1400. Die Ostschweiz 2/2021
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