Lange Erfolgsgeschichte - Der Zivildienst war 45 Jahre lang im Vollzugsbereich des Innenministeriums. Ende Jänner 2020 wurde die Zuständigkeit für ...
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ZIVILDIENST Zivildiener im Rettungsdienst: Die Attraktivität des Zivildienstes wird laufend weiterentwickelt. Lange Erfolgsgeschichte Der Zivildienst war 45 Jahre lang im Vollzugsbereich des Innenministeriums. Ende Jänner 2020 wurde die Zuständigkeit für den „Wehrersatzdienst“ an das Landwirtschaftsministerium übertragen. eit 1. Jänner 1975 gibt es in vildienst wiederholt reformiert und at- schied sich auch der österreichische S Österreich den Zivildienst. Wehr- pflichtigen männlichen Staatsbür- gern wurde damit zum ersten Mal – traktiver gemacht. Zivildiener gelten als Leistungsträger in der Gesellschaft und für den Sozial- und Gesundheits- Gesetzgeber zu einer Reform: Die Er- läuterungen zur Regierungsvorlage des neuen Zivildienstgesetzes führten 1974 verfassungsrechtlich garantiert – die bereich; das öffentliche Interesse an ih- als Gründe für die Schaffung des Zivil- Möglichkeit eröffnet, sich vom Dienst rem Einsatz ist daher ungebrochen dienstes aus, dass die Gewissensfrei- beim Bundesheer befreien zu lassen groß, wie auch aus dem Regierungs- heit zu respektieren sei, ein internatio- und stattdessen „Wehrersatzdienst“ zu programm 2020–2024 herauszulesen naler Trend zur Einrichtung eines leisten, wenn sie aus Gewissensgrün- ist. Aufgrund der Änderung der Res- Wehrersatzdienstes bestehe und die den Waffengewalt gegen Menschen sortzuständigkeiten mit der Bundesmi- „Waffendienstverweigerer innerhalb ablehnen und daher bei der Leistung nisteriengesetz-Novelle 2020 sind die des Bundesheeres eine Minderheit dar- des Wehrdienstes in Gewissensnot ge- Agenden für den Zivildienst mit 29. stellten, die von der überwiegenden raten würden. Bereits bei seiner Schaf- Jänner 2020 dem Bundesministerium Mehrheit als Außenseiter betrachtet fung bestand allgemeiner Konsens dar- für Landwirtschaft, Regionen und Tou- würden und vom Standpunkt des Bun- über, dass der Zivildienst in seiner Be- rismus übertragen worden. desheeres einen Fremdkörper darstell- deutung für die Republik Österreich, ten“. Das Grundrecht auf Befreiung seiner Dauer sowie der Belastung und Geschichtliche Entwicklung. Mit der von der Wehrpflicht – normiert im Besoldung der Zivildienstpflichtigen Unabhängigkeit Österreichs nach dem Bundes-Verfassungsgesetz und als „dem Wehrdienst so weit wie möglich Staatsvertrag wurde 1955 die allgemei- Verfassungsbestimmung im Zivil- entsprechen“ sollte. Die für die Ge- ne Wehrpflicht als Basis der militäri- dienstgesetz 1974 – trat mit 1. Jänner FOTOS: WIENER ROTES KREUZ/MARKUS HECHENBERGER; ASBÖ/CHRISTOPH LIPINSKY meinschaft erbrachten Leistungen soll- schen Landesverteidigung eingeführt. 1975 in Kraft. Die Vollziehung des ten in gleicher Weise „notwendig und Männliche Staatsbürger, die aus Ge- Gutteils der zivildienstrechtlichen Be- nützlich“ sein – allerdings eben nicht wissensgründen Waffengewalt ablehn- stimmungen wurde dem Innenminister in den Tätigkeitsbereichen des Bundes- ten, mussten dennoch zum Bundesheer zugeordnet. Das BMI übernahm mit heeres, sondern insbesondere im Ret- einrücken. Wurde einem Antrag statt- dem Inkrafttreten des Zivildienstes tungswesen, in der Sozialhilfe, der Be- gegeben, war es zulässig, innerhalb des vom Bundesheer rund 3.000 „unge- hindertenbetreuung, der Altenbetreu- Heeres einen „Dienst ohne Waffe“ zu diente Waffendienstverweigerer“, die ung und im Zivil- und Katastrophen- leisten. Zwischen 1956 und 1974 wur- den Status von „Ex-lege-Zivildienern“ schutz. den 3.266 von 3.277 Anträgen auf erhielten. Dem Bundesministerium für Inneres „Dienst ohne Waffe“ genehmigt; es Jeder männliche österreichische kam ab dem Zeitpunkt einer einge- handelte sich um 0,45 Prozent der Staatsbürger wird in jenem Jahr, in brachten Zivildiensterklärung die Ver- Wehrpflichtigen. Nachdem bereits ver- dem er 18 Jahre alt wird, vom Militär- waltung des Zivildienstes zu. Über die schiedene europäische Staaten das kommando schriftlich zur Stellung auf- Jahrzehnte haben sich Organisation Recht auf „Wehrdienstverweigerung“ gefordert. Bei der Stellungskommissi- und Ablauf des Zivildienstes laufend verankert hatten – so etwa Großbritan- on wird die Tauglichkeit befunden. gewandelt. Als Spiegel der gesell- nien 1916, Schweden 1920, Belgien Wer nicht wehrdienstpflichtig ist, ist schaftlichen Änderungen wurde der Zi- 1964 und Deutschland 1965 – ent- auch nicht zivildienstpflichtig. ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/20 65
ZIVILDIENST Zivildiener in der Verwaltung: Unterstützung für Behörden. Alte Vorschriften und Verordnungen. Zivildienstkommission. Wehrpflich- Einrichtungen Gutachten abgab und für ministrative Klarstellungen und Anpas- tige, die Zivildienst beantragt hatten, den Innenminister in Beschwerdefällen sungen an wehrrechtliche Neuerungen. mussten ab 1975 ihre Gewissensvorbe- Empfehlungen erstellte. 2010 wurde Bis zur Jahrtausendwende waren Zivil- halte einem beim BMI installierten aus dem „Zivildienstrat“ der „Zivil- dienstangelegenheiten im BMI mehre- Gremium, der Zivildienstkommission, dienstbeschwerderat“. Aufgrund der ren Organisationseinheiten übertragen, vortragen. Die Zivildienstkommission Neuordnung der zweistufigen Verwal- die die verschiedenen Verfahrens- arbeitete in regionalen Senaten. Mit der tungsgerichtsbarkeit und des Wegfalls schritte abbildeten: Das betraf die be- Zivildienstgesetz-Novelle 1980 wurde innerbehördlicher Instanzenzüge wurde scheidmäßige Entscheidung über die eine übergeordnete „Zivildienstober- der Zivildienstbeschwerderat mit 1. Zivildienstpflicht ebenso wie die Zu- kommission“ beim BMI eingerichtet. Jänner 2014 in den „Unabhängigen weisung zu einer Trägerorganisation Wurden die vorgebrachten Gewissens- Beirat für Zivildienstbeschwerdeange- oder die Behandlung von Ersuchen um gründe kommissionell anerkannt, durf- legenheiten beim Bundesministerium Aufschub des Zivildienstes. Ende der te der Wehrpflichtige Zivildienst leis- für Inneres“ umgewandelt. Er kann an- 1990er-Jahre bildeten Zivildienstange- ten. Die Zivildienstkommission ver- gerufen werden, wenn bei der vorgela- legenheiten im BMI eine Gruppe stand sich nicht als „Gewissensprü- gerten Schlichtungsstelle beim Landes- (IV/ZD) mit drei Abteilungen. Bei der fungskommission“, wie Dr. Erwin Fa- hauptmann keine Übereinkunft zwi- Einführung 1975 entschieden sich le- seth, damaliger Vorsitzender der Zivil- schen den Konfliktparteien erreicht diglich 344 Personen für den Zivil- dienstoberkommission beim BMI, werden konnte. dienst, zwischen 1980 und 1990 belief 1985 in der „Öffentlichen Sicherheit“ sich die Zahl der anerkannten Zivil- schrieb. Da Gewissensgründe an sich Gruppe Zivildienst. 1985 wurde ein dienstpflichtigen jährlich auf etwa „nicht beweisbar“ seien, habe die Grundlehrgang für Zivildienstleistende 3.000. In den ersten zehn Jahren des Kommission ihre Entscheidung „auf eingeführt, um diesen bei einer Heran- Zivildienstes wurden fast 20.000 Zivil- Grundlage des bisher nach außen in Er- ziehung zum „außerordentlichen Zivil- dienstleistende erfasst. Nach dem Weg- scheinung getretenen Verhaltens des dienst“ (Elementarereignisse, Un- fall der kommissionellen „Gewissens- Antragstellers“ getroffen – es ging also glücksfälle u. a.) die entsprechenden prüfung“ kam es 1992 zu einem um die „Glaubhaftigkeit der Darstel- Kenntnisse zu vermitteln. Die Lehrgän- sprunghaften Anstieg auf 8.200 und lung“. ge sollten von besonders geeigneten 1993 auf 13.900 Zivildienstpflichtige. 1991 wurde die kommissionelle Rechtsträgern, sonst vom BMI veran- In der Folge pendelten sich die Zahl Überprüfung abgeschafft, seither ge- staltet werden. Sie dauerten vier Wo- auf jährlich zwischen 12.000 und nügt eine „formelle Erklärung“, dass – chen der Zivildienstzeit, ab 1988 drei 14.000 ein. Die Wünsche, einer be- außer in Fällen persönlicher Notwehr Wochen. Im Jahr 2000 wurden die stimmten Trägerorganisation zugewie- und Nothilfe – Waffengewalt aus Ge- Grundlehrgänge eingestellt. sen zu werden, konnten immer schwe- FOTOS: GREGOR WENDA, ALFRED LINGLER wissensgründen abgelehnt werde. Statt 1986 wurde das Zivildienstgesetz rer erfüllt werden; die Behandlung von der Zivildienstkommission und der Zi- 1974 als Zivildienstgesetz 1986 (ZDG) „Interventionen“ verschlang zusätzli- vildienstoberkommission wurde beim wieder verlautbart. Die Novellen der che Zeitressourcen. Dazu kamen ein BMI ein Zivildienstrat geschaffen – ei- 1990er-Jahre berücksichtigten unter komplexes Zuweisungssystem, eine in ne „Behörde mit richterlichem Ein- anderem vom Verfassungsgerichtshof die Jahre gekommene Datenverarbei- schlag“, die Bescheide über die Aufhe- entwickelte Grundsätze, brachten Än- tung, immer länger werdende Warte- bung der Zivildienstpflicht erließ, vor derungen beim Auslandsdienst und zeiten für die Trägerorganisationen und der Anerkennung neuer Zivildienst- beim Taggeld sowie legistische und ad- zunehmende Verwaltungskosten. 66 ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/20
10.335 Zivildienstpflichtige im Jahr 2004 steigern und den 2002 übernom- menen „Rucksack“ von rund 15.000 Zuweisungen erfolgreich abbauen. Auch der von den Trägerorganisatio- nen gemeldete Bedarf konnte großteils erfüllt werden. Zivildienstabzeichen in Kartenform. Aufgrund der Prüfung der Be- schwerde eines Zivildieners untersuch- Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. te der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Von den Budgetkürzungen im Jahr die Verfassungskonformität der Zivil- 2000 war auch der Zivildienst betrof- dienstgesetz-Novelle 2001 und widme- fen. Die Zivildienstverwaltung wurde te sich auch der (nur zum Teil erfolg- reformiert, um den Zivildienst syste- ten) Ausgliederung der Zivildienstan- matisch in rechtlicher und organisatori- gelegenheiten. In seiner Entscheidung scher Hinsicht zu durchforsten und vom 15. Oktober 2004 beurteilte der Verwaltungsschritte zu reduzieren. Die Verfassungsgerichtshof diese Ausglie- Zivildienstgesetz-Novelle 2001 bildete derung als verfassungswidrig und setz- die Rechtsgrundlage für die Ausgliede- te eine „Reparaturfrist“ bis 31. Dezem- rung eines Teiles der Zivildienstver- ber 2005. Nach Ansicht des VfGH sei- waltung. Es wurde eine Zivildienstver- en die militärische Landesverteidigung waltungs Ges.m.b.H. geschaffen, die und der Zivildienst eng miteinander im Wesentlichen für die Zuweisung der verknüpft, da es sich in beiden Fällen Zivildienstpflichtigen zu den einzelnen um die Ableistung eines staatlichen Rechtsträgern sowie für Aufschübe Dienstes handle und der Zivildienst als und Befreiungen, Personalmaßnahmen „Wehrersatzdienst“ nur für Wehr- während des Zivildienstes, Verrech- pflichtige gelte. Jegliche Entscheidung nungsangelegenheiten und allgemeine im Rahmen der Zivildienstverwaltung, Informationsarbeit zuständig war. die Grundrechtseingriffe für den Ein- Jene Bereiche, in denen in Grund- zelnen bewirke, dürfe daher nicht an rechtspositionen eingegriffen wurde, eine selbstständige, nicht-staatliche blieben unangetastet, wurden aber auf Einrichtung ausgelagert werden. Nicht Ministerialebene in einer Abteilung für nur der Wehrdienst, sondern auch der Zivildienstangelegenheiten gebündelt. Zivildienst als verpflichtender, staatli- Diese Abteilung (III/7) fungierte auch cher Wehrersatzdienst sei als „ausglie- als Rechtsmittelinstanz, wurde aber derungsfest“ anzusehen. Lediglich bei von der „Kundenarbeit“ befreit. So der Übertragung von Agenden an ein verblieb insbesondere die „Feststel- Unternehmen, die die reine Ausgestal- lung“, in der die Behörde durch Be- tung des Zivildienstes beträfen (wie z. scheid die Zivildienstpflicht festhielt B. Reisekostenersatz oder die Auszah- und ein Waffenverbot aussprach, in der lung von Bezügen) wäre für das Zuständigkeit des BMI – ebenso obla- Höchstgericht eine Ausgliederung gen der Widerruf der Befreiung von grundsätzlich möglich gewesen. Das der Wehrpflicht, die Aufhebung der Zi- VfGH-Erkenntnis bedeutete das Ende vildienstpflicht, die Befreiung von der der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. Verpflichtung zur Leistung des ordent- Im BMI war man aber bestrebt, die lichen Zivildienstes aus öffentlichem Management-Erfahrungen und die Er- Interesse, die Verlängerung der Zivil- rungenschaften der Gesellschaft in eine dienstes bei Verstößen gegen die neue Struktur überzuführen. Dienstpflicht, die Vollziehung für den Auslandsdienst, grundsätzliche Bud- Zivildienstreformkommission. Die getkompetenzen und die Ermächti- Entscheidung des VfGH fiel genau in gung, Verordnungen zu erlassen, wei- die Zeit der Zivildienstreformkommis- terhin dem BMI. sion, die von September 2004 bis Jän- Das Generalsekretariat des Österrei- ner 2005 tagte und deren Geschäftsstel- chischen Roten Kreuzes erhielt in ei- le sich im Innenministerium befand. nem Ausschreibungsverfahren den Zu- Ein 41-köpfiges Gremium aus Vertre- FOTO: GREGOR WENDA schlag, die ausgegliederte Zivildienst- tern der betroffenen Ministerien, der verwaltung zu betreiben. Die Zivil- Parteien, der Länder, Städte und Ge- dienstverwaltungs Ges.m.b.H. konnte meinden, der Zivildienst-Trägerorgani- die Zahl der Zuweisungen von 8.932 sationen und Jugendorganisationen er- Zivildienstpflichtigen im Jahr 2002 auf arbeitete in vier Fachausschüssen ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/20
ZIVILDIENST Weitere Neuerungen. 2008 wurde vom BMI erstmals die Auszeichnung für den „Zivildiener des Jahres“ verge- ben – eine Jury kürt seither jährlich ei- nen Bundes-Preisträger und neun Lan- des-Preisträger für herausragende Leis- tungen während des Zivildienstes. Mit der ZDG-Novelle 2010 wurden etwa die Anerkennung neuer Dienstleis- tungsgebiete (z. B. Kindergärten und Integrationseinrichtungen) und be- scheidmäßige Ausnahmen vom Waf- fenverbot ermöglicht. Zivildienst- pflichtigen war bis dahin ab dem Ein- tritt der Zivildienstpflicht der Erwerb und der Besitz von genehmigungs- pflichtigen Schusswaffen sowie das Führen von Schusswaffen für die Dau- er von 15 Jahren untersagt; mit den Änderungen des Jahres 2010 können Jäger, Sportschützen und Mitglieder Die Dauer des Zivildienstes beträgt neun Monate. von Schützenvereinen Ausnahmen vom Waffenverbot beantragen. Zivil- (Rechtsfragen, Finanzen, Gesellschaft Die Zivildienstserviceagentur (ZISA) dienstpflichtige, die ihren ordentlichen und Arbeitsmarkt sowie internationale mit Sitz in Wien ist das Ergebnis der Zivildienst vollständig geleistet haben, Vergleiche) Teilaspekte zur Zukunft ersten „Wiedereingliederung“ eines können die Zivildiensterklärung nach- des Zivildienstes. Auf Empfehlung der ausgelagerten Bereiches auf Bundes- träglich widerrufen, also bis zum Alter Bundesheerreformkommission war der ebene. Durch gesetzliche, vertragliche von 28 Jahren erklären, dass sie Waf- Wehrdienst 2004 auf sechs Monate und organisatorische Maßnahmen ge- fengewalt nicht mehr aus Gewissens- verkürzt worden, eine der Empfehlun- lang es, die positiven Erfahrungen und gründen ablehnen. Dadurch wurde Zi- gen der Zivildienstreformkommission Neuerungen der privatwirtschaftlich vildienern eine Laufbahn bei der Poli- war nunmehr die Herabsetzung der geführten Zivildienstverwaltungs zei oder Justizwache eröffnet – das war Dauer des Zivildienstes auf neun Mo- Ges.m.b.H. in die Bundesverwaltung ihnen zuvor durch das Waffenverbot nate bzw. des anrechenbaren Auslands- überzuführen. Erstmalig wurde im Be- nicht möglich. dienstes auf zwölf Monate. Nach Ab- reich der Zivildienstverwaltung eine schaffung der „Gewissensprüfung“ war „Agentur“ als erstinstanzliche Behörde Volksbefragung. Am 20. Jänner die Dauer des Zivildienstes mit 1. Juni eingeführt. Bis heute ist die Zivil- 2013 wurden die Stimmberechtigten 1992 auf zehn Monate, 1994 auf elf dienstserviceagentur die zuständige bei der ersten bundesweiten Volksbe- Monate und 1997 auf zwölf Monate Bundesbehörde für den Vollzug des Zi- fragung in Österreich gefragt, ob sie (mit zwei Wochen Urlaubsanspruch) vildienstgesetzes und der dazu ergan- für „die Einführung eines Berufsheeres verlängert worden. Mit der Zivildienst- genen Verordnungen. und eines bezahlten freiwilligen Sozi- gesetz-Novelle 2005 wurde die Dauer Zu den Aufgaben gehören die Fest- aljahres“ oder für „die Beibehaltung auf neun Monate verkürzt. Weitere Än- stellung und das Erlöschen der Zivil- der allgemeinen Wehrpflicht und des derungen betrafen die Rückübertra- dienstpflicht, die Zuweisung zum Zi- Zivildienstes“ seien. Für die Beibehal- gung der zur Ges.m.b.H. ausgelagerten vildienst, der Aufschub des Zivildiens- tung der allgemeinen Wehrpflicht und Agenden in eine dem BMI nachgeord- tes und befristete Befreiung vom Zivil- die gleichzeitige Aufrechterhaltung des nete Zivildienstserviceagentur, die dienst, die Versetzung zu einer anderen Zivildienstes stimmten 59,7 Prozent; Verbesserung von Beschwerdemög- Einrichtung, die Feststellung von nicht 40,3 Prozent sprachen sich für ein Be- lichkeiten durch Schaffung einer in die Zeit des Zivildienstes einzurech- rufsheer und ein bezahltes freiwilliges Schlichtungsstelle in den Ländern samt nenden Tagen, die Unterbrechung des soziales Jahr aus. Laut Meinungsfor- Neugestaltung des Zivildienstbe- Zivildienstes, die Entlassung aus dem schungsinstituten stellte ein maßgebli- schwerderates, die Erhöhung der Pau- Zivildienst, die Verlängerung des Zi- ches Motiv für das Ergebnis der Volks- schalvergütung, die Verpflichtung des vildienstes wegen disziplinärer Verfeh- befragung das Interesse der Österrei- Rechtsträgers zur Ausstellung einer lungen sowie Angelegenheiten des au- cherinnen und Österreicher dar, das FOTO: ELMAR GUBISCH/PICTUREDESK.COM Kompetenzbilanz und eines anerken- ßerordentlichen Zivildienstes. Die System des – verpflichtenden – Zivil- nungsfähigen Praxisnachweises für Zi- Fachaufsicht (anfangs auch noch die dienstes, der als Wehrersatzdienst mit vildienstpflichtige und die Neurege- Zuständigkeit für Bescheidbeschwer- einem Berufsheer weggefallen wäre, lung der Vertrauenspersonenwahl. In den) verblieb – bis zur Bundesministe- beizubehalten. das Bundes-Verfassungsgesetz wurde riengesetz-Novelle 2020 – innerhalb Als Konsequenz der Volksbefra- eine Kompetenzbestimmung betreffend der Sektion III (Recht) des BMI in der gung blieben Wehrpflicht und Zivil- die Angelegenheiten des Zivildienstes Abteilung III/7 (Rechtsangelegenheiten dienstpflicht bestehen und im Herbst integriert. und Datenschutz). 2013 wurde das ZDG novelliert: Ein 68 ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/20
nicht wehrpflichtige Männern können dadurch inzwischen einen Auslands- dienst leisten und sind dabei sozialver- sicherungsrechtlich abgesichert. Novelle 2018. Die bislang letzte No- velle des Zivildienstgesetzes trat im Jahr 2019 in zwei Etappen in Kraft und berücksichtigte unter anderem Empfeh- lungen des Rechnungshofs aus dem Jahr 2017 und Pläne des Regierungs- programms. Vorgesetzten von Zivil- dienstleistenden kommt nun eine Schu- lungsverpflichtung zu; sie müssen ein Alte Zivildienstabzeichen: Heute gibt es E-Learning-Programm durchlaufen. Zi- nur mehr Stoffabzeichen und Karten. vildienstpflichtige müssen während ih- res Dienstes ein Staatsbürgerschafts- wesentliches Ziel war die Schaffung kunde-Ausbildungsmodul via E-Lear- der Möglichkeit des einvernehmlichen ning absolvieren und haben das Recht, Einsatzes von Zivildienstleistenden ge- eine Zertifizierung und die Eintragung mäß ihrer tatsächlichen Qualifikationen in ihre Kompetenzbilanz zu bekom- bei Nachweis einer Berufsberechti- men. Weitere Neuerungen betrafen die gung. Durch die Möglichkeit der An- Anerkennung von Einrichtungen als rechnung einer mindestens zwölfmona- Trägern des Zivildienstes und die er- tigen Tätigkeit nach dem Freiwilligen- leichterte Möglichkeit der vorzeitigen gesetz auf den Zivildienst sollten frei- Entlassung eines Zivildienstleistenden williges Engagement und Zivildienst durch die ZISA (etwa zur Vermeidung noch stärker verzahnt werden. missbräuchlicher Krankenstände). Auslandsdienst. Anfang 2016 wurde Regierungsprogramm. Das Pro- die seit 1992 bestehende Möglichkeit, gramm der Bundesregierung für 2020- einen „Auslandsdienst“ als „Ersatz“ 2024 spricht sich für eine Beibehaltung des Zivildienstes zu absolvieren, neu der derzeitigen Dauer von neun Mona- geordnet. Bis Ende 2015 absolvierten ten für den Zivildienst aus und betont nach den Bestimmungen des ZDG un- das Erfordernis der laufenden Weiter- ter der Koordination des Innenministe- entwicklung der Attraktivität des Zivil- riums mehr als 100 Männer pro Jahr ei- dienstes für Zivildienstleistende und nen „Gedenkdienst“ in Einrichtungen der Sicherstellung der „berechtigten In- zur Erinnerung an die Verbrechen des teressen der Zivildienstorganisatio- nationalsozialistischen Regimes im nen“. Eine Reform der Tauglichkeits- Ausland. Per 1. Jänner 2016 wurden kriterien soll in Zukunft dazu führen, die Strukturen für Auslandsfreiwilli- die Anzahl der „Untauglichen“ wieder gendienste zusammengeführt: Die Re- deutlich zu verringern. „Volltauglich- gelungen über den Einsatz im Rahmen keit“ soll, wie bisher, den grundsätzlich eines Gedenkdienstes im Ausland fin- uneingeschränkten Einsatz beim Bun- den sich seither ebenso im Freiwilli- desheer und beim Zivildienst ermögli- gengesetz wie jene für den Friedens- chen, während „Teiltauglichkeit“ zu- und Sozialdienst im Ausland. mindest eine Verwendung im Büro, in Für die Abwicklung der Auslands- der Küche oder im Rahmen anderer in- dienste ist das Bundesministerium für dividuell passender Tätigkeiten gestat- Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon- ten soll. sumentenschutz verantwortlich. Mit Für die Bescheinigung der Taug- der ZDG-Novelle wurde festgelegt, lichkeit von Zivildienern (auch nach dass Zivildienstpflichtige nach Absol- Abgabe der Zivildiensterklärung) soll vierung eines mindestens zehnmonati- zukünftig nach Schaffung einer ent- gen freiwilligen Sozial- oder Umwelt- sprechenden Rechtsgrundlage die Stel- schutzjahres, Gedenkdienstes, Frie- lungskommission zuständig sein. Bei FOTO: ALFRED LINGLER dens- oder Sozialdienstes, aber auch ei- gleichzeitiger Förderung der Attraktivi- ner zehnmonatigen Teilnahme am eu- tät des Zivildienstes ist im Regierungs- ropäischen Freiwilligendienst „Eras- programm auch eine Aufwertung des mus+“ nicht mehr zum Zivildienst he- Freiwilligen Sozialen Jahres geplant. rangezogen werden. Auch Frauen und Gregor Wenda ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/20
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