Lateinamerika in der Corona-Pandemie: COVID-19 und die Folgen

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Hartmut Sangmeister

    Lateinamerika in der Corona-Pandemie:
    COVID-19 und die Folgen

Lateinamerika gehört zu den Weltregionen, die von der Corona-Krise besonders hart betroffen sind. In allen
Ländern der Region versuchten die Regierungen, mit begrenzten finanzpolitischen Ressourcen die wirtschaft-
lichen Auswirkungen der Krise abzufedern. Dennoch leidet Lateinamerika unter der schwersten Wirtschafts-
krise seit Jahrzehnten. Am härtesten betroffen von der Corona-Krise sind die armen Bevölkerungsgruppen
Lateinamerikas. Projektionen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die über das Jahr 2021 hinausreichen,
lassen sich derzeit seriös nicht aufstellen; denn wie schnell Lateinamerikas Volkswirtschaften der Aufstieg
aus der Talsohle gelingen kann, hängt von vielen Faktoren ab. Lateinamerika steht vor einer politisch, gesell-
schaftlich und wirtschaftlich unsicheren Zukunft.

Schlagwörter:
Arbeitsmarkt - Armut - Corona-Krise - Globalisierte Wertschöpfungsketten - Lateinamerika - Letalitätsrate - Pande-
mie - SARS-CoV-2-Virus - soziale Unruhen - Staatsverschuldun
Lateinamerika in der Corona-Pandemie:
 COVID-19 und die Folgen

    || Hartmut Sangmeister

     Lateinamerika gehört zu den Weltregio-       darauf vorbereitet klassifiziert sind, auf den
nen, die von der Corona-Krise besonders hart      Ausbruch einer Epidemie schnell zu reagie-
betroffen sind. Im Laufe des Jahres 2020 ist      ren und Inzidenzahlen nach internationalen
die Region zu einem Epizentrum der Pandemie       Standards zu melden.2 Bis Mitte Dezember
geworden. Nachdem dort im Frühjahr 2020           2020 starben in Lateinamerika fast 500.000
erstmals Infektionen mit dem SARS-CoV-2-          Erkrankte an oder mit dem Coronavirus, die
Virus auftraten, wurden bis Mitte Dezember        meisten davon in Brasilien und Mexiko (Ta-
2020 mehr als 14 Mio. Ansteckungen regis-         belle 1). Allerdings ist auch bei der Zahl der
triert, und fast 500.000 Menschen starben an      Todesfälle von hohen Dunkelziffern auszuge-
oder mit dem schweren akuten Atemnotsyn-          hen, die von Land zu Land je nach Qualität
drom SARS (Tabelle 1). Allein in Brasilien        der Gesundheitssysteme sehr unterschiedlich
wurden fast 7 Mio. Infektionsfälle bestätigt,     sein können. So erscheint beispielsweise die
und damit bei 3,3 Prozent der Bevölkerung.        für Venezuela gemeldete Zahl von 960 ver-
Das größte Land Lateinamerikas registrierte       storbenen Erkrankten bei fast 110.000 re-
weltweit die dritthöchsten SARS-CoV-2-            gistrierten Corona-Infektionsfällen wenig
Fallzahlen, nach den USA und Indien. Auch         plausibel. Denn die für Venezuela registrier-
Argentinien, Kolumbien, Mexiko und Peru           ten Zahlen würden eine Letalitätsrate über
meldeten jeweils mehr als 1 Mio. Infektio-        den gesamten Erfassungszeitraum von nur
nen.1 Nicht nur in diesen Ländern waren die       0,9 bedeuten, d.h. ein extrem niedriges Ver-
Gesundheitssysteme in Folge der rasanten          hältnis der Zahl der an oder mit dem Corona-
Ausbreitung des Coronavirus überlastet; auch      virus Verstorbenen zu der Gesamtzahl der
in anderen Ländern wie Bolivien, Honduras         Infizierten; in den anderen lateinamerikani-
oder Nicaragua waren die Infektionsfälle so       schen Ländern lagen die Letalitätsraten deut-
hoch, dass die Gesundheitssysteme zu kolla-       lich höher, zwischen 1,3 (Costa Rica) und 9,1
bieren drohten. Die tatsächliche Zahl der Infi-   (Mexiko).3 Tendenziell besteht ein Zusam-
zierten liegt in vielen lateinamerikanischen      menhang zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen
Ländern vermutlich deutlich über den amtlich      der Bevölkerung eines Landes und der dorti-
bestätigten Fällen. Von hohen Dunkelziffern       gen SARS-Letalitätsrate: Je höher das Pro-
bei der Registrierung von COVID-19 Infektio-      Kopf-Einkommen, umso niedriger die Letali-
nen ist insbesondere in Ländern wie Bolivien,     tätsrate, da bei einem höheren Einkommens-
Belize, Guatemala, Honduras oder Paraguay         niveau in der Regel das Gesundheitssystem
auszugehen, deren Gesundheitssysteme in           des Landes besser in der Lage ist, Erkrankte
dem Global Health Securitiy Index als schlecht    zu versorgen.

                             ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT       3
HARTMUT SANGMEISTER

 Tabelle 1: Registrierte SARS-CoV-2-Infektionsfälle und registrierte Todesfälle an und mit
 dem Coronavirus (Stand: 15.12.2020)

                                Registrierte                  Registrierte Todes-
  Land                                                                            Letalitätsrate (Prozent)
                                Infektionen                   fälle
  Argentinien                   1.503.222                     41.041              2,7
  Belize                        9.377                         197                  2,1
  Bolivien                      147.345                       9.024                6,1
  Brasilien                     6.927.145                     181.835              2,6
  Chile                         575.329                       15.949               2,8
  Costa Rica                    153.169                       1.936                1,3
  Dominikanische                155.184                       2.364                1,5
  Republik
  Ecuador                       202.180                       13.875               6,9
  El Salvador                   42.132                        1.212                2,9
  Guatemala                     130.082                       4.476                3,4
  Guyana                        5.943                         156                  2,6
  Honduras                      114.642                       2.989                2,6
  Kolumbien                     1.434.516                     39.195               2,7
  Kuba                          9.492                         137                  1,4
  Mexiko                        1.255.974                     114.298              9,1
  Nicaragua                     5.887                         162                  2,8
  Panama                        194.619                       3.382                1,7
  Paraguay                      94.223                        1.971                2,1
  Peru                          986.130                       36.754               3,7
  Surinam                       5.359                         117                  2,2
  Uruguay                       10.029                        95                   1,8
  Venezuela                     108.125                       960                  0,9
  Summe                         14.070.104                    472.125              -

Quelle: Johns Hopkins University, Coronavirus Resource Center (2020).
URL https://coronavirus.jhu.edu/map.html [15.12.2020]

  32   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
LATEINAMERIKA IN DER CORONA-PANDEMIE: COVID-19 UND DIE FOLGEN

          Abbildung 1: Bruttonationaleinkommen (BNE) pro-Kopf 2019 und SARS-Letalitätsraten 2020 in lateinamerika-
          nischen Staaten

        10,0

                 9,0                                         Mexiko
                 8,0

                 7,0
                                     Bolivien     Ecuador
Letalitätsrate

                 6,0

                 5,0

                 4,0                        Guatemala Peru
                         Nicaragua                                       Argentinien         Chile
                 3,0                        Paraguay Kolumbien
                                  El Salvador                                                         Uruguay
                 2,0                                  Guyana Brasilien
                         Honduras                                           Costa Rica
                                  Belize       Surinam
                                                       Dom. Republik                         Panama
                 1,0

                 0,0
             0        2.000     4.000      6.000      8.000   10.000     12.000   14.000    16.000        18.000
       Quelle: Tabelle 1 und World Bank (2020): World Development Indicators
                                                   BNE pro Kopf (US$)
       URL https://databank.worldbank.org/source/world-development-indicators [16.12.2020].
   Quelle: Tabelle 1 und World Bank (2020): World Development Indicators.
   URL https://databank.worldbank.org/source/world-development-indicators [16.12.2020].

                  Wie Abbildung 1 erkennen lässt, haben Länder              maßnahmen die Ausbreitung der Infektion
                  wie Uruguay, Panama und Costa Rica mit ei-                einzudämmen. So wurde beispielsweise in
                  nem im intraregionalen Vergleich höheren                  Costa Rica nur zehn Tage nach dem ersten
                  Pro-Kopf- Einkommen auch niedrigere Letali-               Auftreten des SARS-CoV-2-Virus am 6. März
                  tätsraten. Jedoch gibt es von dem tendenziel-             2020 der nationale Notstand ausgerufen; Chi-
                  len Zusammenhang zwischen Einkommensni-                   le schloss ab dem 18. März 2020 seine Luft-,
                  veau und Letalitätsrate auch deutliche Abwei-             See- und Landgrenzen für die Einreise von
                  chungen. Die markanteste Abweichung stellte               Ausländern, und verfügte für alle Einreisenden
                  Mexiko dar; hier war die SARS-Letalitätsrate              eine 14-tägige häusliche Isolierung; nachdem
                  9,1 deutlich höher als in anderen lateinameri-            am 3. März 2020 in Argentinien der erste Ver-
                  kanischen Ländern mit vergleichbarem Pro-                 dacht auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-
                  Kopf-Einkommen, wie Argentinien und Brasili-              Virus aufgetaucht war, wurde am 20. März
                  en. Auch in Bolivien und Ecuador entsprachen              2020 eine landesweite Ausgangssperre ver-
                  die Letalitätsraten nicht denjenigen anderer              fügt. Da die dramatischen Herausforderungen
                  Länder Lateinamerikas mit einem vergleichbar              der Corona-Pandemie in anderen Teilen der
                  niedrigen Einkommensniveau. Umgekehrt                     Welt bereits erkennbar geworden waren, rea-
                  überstieg in Chile, mit einem relativ höheren             gierten die politischen Entscheidungsträger in
                  Einkommensniveau, die Letalitätsrate den                  fast allen lateinamerikanischen Ländern mit
                  Wert anderer Länder der vergleichbaren Ein-               erprobten Maßnahmen wie Geschäftsschlie-
                  kommensgruppe.                                            ßungen, Ausgangsbeschränkungen und lan-
                                                                            desweiten Reiseverboten.
                  Unterschiedliche Reaktionen auf die Heraus-
                  forderungen der Corona-Pandemie4                              Die ökonomischen Auswirkungen dieser
                                                                            Corona-bedingten Restriktionen wurden un-
                       In vielen Ländern Lateinamerikas handel-             mittelbar spürbar, und sie verschärften die
                  ten die staatlichen Institutionen nach den                gesamtwirtschaftliche Krisenstimmung, die in
                  ersten gemeldeten Infektionsfällen relativ                weiten Teilen Lateinamerikas schon vor dem
                  schnell, um mit der Anordnung von Zwangs-                 Ausbruch der Corona-Pandemie bestanden

                                                  ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT             33
HARTMUT SANGMEISTER

hatte. Bereits in den Jahren zuvor war die ge-      dämmung des Infektionsgeschehens nur zöger-
samtwirtschaftliche Dynamik in der Region           lich oder zu spät angeordnet und zu früh wie-
nur sehr verhalten. Nach der globalen Finanz-       der aufgehoben, um negative Auswirkungen
und Wirtschaftskrise von 2008/09 war die            auf Produktion, Konsum und Außenhandel zu
durchschnittliche jährliche Wachstumsrate           begrenzen. Zudem wurde die Corona-Krise von
des regionalen Bruttoinlandsprodukts (BIP)          einigen führenden Politikern zu populistischer
auf 0,2 Prozent gesunken – der niedrigste           Agitation genutzt, indem sie die Existenz oder
Wert seit den 1950er Jahren.5 Zudem wurde           die Gefährlichkeit des COVID-19-Virus öffent-
2019 in mehreren lateinamerikanischen Län-          lich verharmlosten. Zu den prominentesten
dern die wirtschaftliche Entwicklung durch          Corona-Leugnern gehörten Staatspräsidenten
anhaltende soziale Unruhen und Proteste be-         wie Jair Bolsonaro in Brasilien, Andrés Manuel
einträchtigt, in denen sich die politische Un-      López Obrador in Mexiko und José Daniel Or-
zufriedenheit großer Bevölkerungsgruppen            tega in Nicaragua. López Obrador und Bolsona-
mit der politischen Führung manifestierte.6 In      ro schoben die Verantwortung für Maßnahmen
Bolivien erzwang der Protest von Zehntausen-        zur Eindämmung des Infektionsgeschehens auf
den gegen Unregelmäßigkeiten bei den Präsi-         die Gouverneure der Bundesstaaten, beschul-
dentschaftswahlen den Rücktritt von Evo Mora-       digten diese dann aber zu harter Einschrän-
les; in Chile weiteten sich Proteste von Studie-    kungen des öffentlichen Lebens; mit ihrer ver-
renden gegen höhere Preise für U-Bahn-Tickets       antwortungslosen Politik, die der von Donald
in monatelange Massendemonstrationen gegen          Trump in den USA ähnelte, lösten beide
soziale Ungleichheit aus; in Ecuador lähmten        Staatspräsidenten in ihren Ländern eine Welle
Demonstrationen indigener Gruppen und ein           vermeidbarer Todesfälle aus.9
Generalstreik das öffentliche Leben; in Peru             Seit dem 4. Quartal 2020 überrollt die
sorgte die Parlamentsauflösung durch Präsi-         zweite Infektionswelle Lateinamerika, mit täg-
dent Martín Vizcarra für Ausschreitungen; in        lich steigenden Infektionszahlen. Die World
Nicaragua kam es zu gewalttätigen Auseinan-         Health Organization (WHO) meldete allein am
dersetzungen zwischen der Regierung und ei-         19.12.2020 für Brasilien 69.826 neue bestätig-
ner breiten Koalition aus Zivilgesellschaft, Kir-   te Fälle, für Kolumbien 12.196 und für Mexiko
che und Privatwirtschaft; in Venezuela verlie-      11.799.10 Dennoch füllten sich im Sommer auf
ßen, nach monatelangen Demonstrationen ge-          der südlichen Halbkugel wie immer die Strände
gen Präsident Maduro inmitten eines wirt-           von Rio de Janeiro, in den Shoppingzentren in
schaftlichen Zusammenbruchs, fast 5 Mio.            São Paulo drängten sich die Menschenmassen,
Menschen ihr Land.7 In vielen Ländern der Re-       in den Bars und Restaurants am Lago Sul von
gion setzte sich 2020 die Welle sozialer Unru-      Brasília herrschte bis weit in die Nacht ausge-
hen und politischer Demonstrationen fort, ver-      lassene Stimmung. Für die WHO ist diese Situa-
stärkt noch durch teilweise gewalttätige Pro-       tion beunruhigend. Denn in vielen Ländern
teste gegen Maßnahmen der Regierungen zur           Lateinamerikas wird ein erneuter Lockdown
Eindämmung der Corona-Krise.                        wegen dessen wirtschaftlicher Konsequenzen
      Zu den negativen binnenwirtschaftlichen       abgelehnt, und sie sind auf Massenimpfungen
Auswirkungen der Anti-Corona-Maßnahmen              mit den jetzt in Aussicht stehenden Corona-
kam die Einschränkung außenwirtschaftlicher         Vakzinen schlecht vorbereitet. Zudem geraten
Geschäftsbeziehungen. Die Nachfrage nach            mögliche Impfstrategien und die Entscheidung
Produkten aus Lateinamerika seitens wichtiger       für einen der verfügbaren Impfstoffe in den
Außenhandelspartner, wie China, die USA und         Fokus politischer Auseinandersetzungen, zu-
die Europäische Union, ging erheblich zurück,       mal auch nicht alle Vakzine zum Einsatz bei
da deren Wirtschaften ebenfalls unter der Pan-      tropischen Temperaturen geeignet sind.11
demie litten. Die aggregierten Exporte Latein-      Zumindest Brasilien verfügt über eine leis-
amerikas sanken 2020 gegenüber dem Vorjahr          tungsfähige Infrastruktur für Massenimmuni-
um 13 Prozent.8 In dieser schwierigen Situati-      sierungen sowie über Produktionskapazitäten
on wurden umfassende Lockdowns zur Ein-             zur Herstellung von Impfstoffen.

34   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
LATEINAMERIKA IN DER CORONA-PANDEMIE: COVID-19 UND DIE FOLGEN

Tabelle 2: Finanzpolitische Instrumente zur Eindämmung der Corona-Krise

  Land                  Transfer‐           Kürzung/             Kürzung/           Kreditlinien         Lohnersatz‐
                        zahlungen an        Stundung             Stundung           für Unter‐           zahlungen
                        Private Haus‐       Lohnsteuer           anderer            nehmen
                        halte               und Sozialver‐       Steuern
                                            sicherungs‐
                                            beiträge
  Argentinien                   √                  √                                        √                    √
  Belize                                            √                                       √                    √
  Bolivien                      √                                       √                   √
  Brasilien                     √                   √                   √                   √                    √
  Chile                         √                   √                   √                                        √
  Costa Rica                    √                                       √
  Dominikanische                √                                       √                   √                    √
  Republik
  Ecuador                       √                   √                   √
  El Salvador                   √                                       √
  Guatemala                     √                   √                   √                   √
  Honduras                      √                                       √
  Kolumbien                     √                                       √
  Mexiko                                                                √
  Panama                        √                                       √
  Paraguay                      √                                       √                   √
  Peru                          √                                       √                   √
  Uruguay                       √                   √                   √                   √                    √
  Venezuela                     √
Quelle: Inter-American Development Bank (2020): Policies to Fight the Pandemic. Latin American and Caribbean Macroeconomic Re-
port 2020. Washington DC, S. 46.

      Begrenzte staatliche Ressourcen des Krisen-                stützt, wie beispielsweise in Brasilien, wo
      managements                                                etwa 30 Mio. Haushalte ab April 2020 Corona-
                                                                 Hilfen von monatlich 600 Reais (ca. 90 Euro)
           In allen Ländern der Region setzten die               erhielten.13   Steuerkürzungen      oder    -
      Regierungen finanzpolitische Instrumente ein,              stundungen kamen Unternehmen und privaten
      um die wirtschaftlichen Auswirkungen der                   Haushalten zugute, und Unternehmen sowie
      Krise abzufedern (Tabelle 2); im regionalen                privaten Haushalten wurde ein temporärer
      Durchschnitt machten diese fiskalischen Un-                Aufschub von Schuldendienstleistungen er-
      terstützungen 8 Prozent des Bruttoinlands-                 möglicht. In mehreren Ländern wurden staat-
      produkts (BIP) aus.12 Private Haushalte wur-               licherseits auch Kompensationen für krisen-
      den mit staatlichen Transferzahlungen unter-               bedingte Lohnausfälle geleistet, die aber Er-

                                        ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT                     35
HARTMUT SANGMEISTER

werbstätige in den großen informellen (und       bot die World Bank für konkrete Projekte an,
teilweise illegalen) Arbeitsmarktsektoren        beispielsweise 35 Mio. US-Dollar zur Unter-
kaum erreichten. Während in Chile und Peru       stützung des Gesundheitssystems in Argenti-
nach Jahren stabilitätsorientierter Haushalts-   nien oder 20 Mio. US-Dollar für Hospitalaus-
politik zu Beginn der Krise noch erheblicher     rüstungen in El Salvador.18 Diese Kredite kön-
fiskalischer Spielraum bestand, waren die        nen in der aktuellen Krise helfen, finanzielle
Ressourcen für das finanzpolitische Krisen-      Engpässe zu überwinden, aber sie belasten
management in vielen anderen Ländern der         die Schuldendienstfähigkeit der kommenden
Region angesichts der angespannten Lage          Jahre, die in mehreren Ländern bereits jetzt
ihrer öffentlichen Haushalte begrenzt.14         Grenzen erreicht hat. Von der Pan American
Staatsanleihen zur Ausweitung ihrer Hand-        Health Organization (PAHO) wurde der spen-
lungsspielräume auf den internationalen Fi-      denfinanzierte COVID-19-Response Fund auf-
nanzmärkten zu emittieren gelingt den meis-      gelegt, um dabei zu helfen, Leben in den Län-
ten lateinamerikanischen Staaten nur mit ho-     dern Lateinamerikas zu retten.
hen Risikozuschlägen (spreads)15 – oder
überhaupt nicht. Argentinien und Ecuador         Düstere wirtschaftliche Perspektiven
konnten bereits 2020 ihre Auslandsschulden
nicht mehr bedienen, erreichten aber mit den          Die COVID-19-Pandemie hat in Latein-
Gläubigern vorläufige Umschuldungsabkom-         amerika die schwerste Wirtschaftskrise seit
men. Auch andere Staaten mit hoher externer      Jahrzehnten ausgelöst. Projektionen der wei-
Staatsverschuldung, wie Brasilien, Costa Rica,   teren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in
El Salvador und Uruguay, werden ihren Zah-       Lateinamerika sind derzeit nur mit hoher Un-
lungsverpflichtungen gegenüber ausländi-         sicherheit möglich; denn die regionale Wirt-
schen Gläubigern nur mit erheblichen fiskali-    schaftsleistung wird vom zeitlichen Ablauf
schen Anstrengungen nachkommen können.16         und Ausmaß der Corona-Infektion vor Ort
Mehr Spielraum bestand für den Einsatz ex-       ebenso beeinflusst, wie von der Entwicklung
pansiver geldpolitischer Instrumente zur Li-     der globalen Konjunktur. Nach Schätzungen
quiditätsversorgung der Wirtschaft, insbeson-    des IMF und der Comisión Económica para
dere der kleinen und mittleren Unternehmen,      América Latina y el Caribe (CEPAL) ist für
da die Inflationsraten – außer in Argentinien    2020 ein Rückgang der gesamtwirtschaftli-
und Venezuela – auf relativ niedrigem Niveau     chen Wertschöpfung in Lateinamerika histori-
verharrten. In fast allen Ländern der Region     schen Ausmaßes zu erwarten. Allerdings trifft
senkten die nationalen Zentralbanken die         der wirtschaftliche Abschwung nicht alle
Leitzinsen; in mehreren Ländern intervenier-     Volkswirtschaften der Region in gleicher Här-
ten sie an den Devisenbörsen zur Stützung des    te, und die Wirtschaftszweige sind unter-
Wechselkurses der eigenen Währungen, und         schiedlich schwer betroffen.19 Dementspre-
reduzierten die Mindestreserveanforderun-        chend ergibt sich für die ökonomischen Folgen
gen, um die Liquiditätsausstattung der Ban-      der Corona-Pandemie in Lateinamerika ein
ken zu verbessern.17                             heterogenes Bild (Tabelle 3). Der stärkste
                                                 Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Wert-
     Externe finanzielle Unterstützung bei der   schöpfung wird 2020 für die Volkswirtschaf-
Krisenbewältigung erhielten lateinamerikani-     ten Südamerikas erwartet, die hauptsächlich
sche Staaten durch umfangreiche Kreditange-      als Rohstoffproduzenten und -exporteure in
bote des International Monetary Fund (IMF),      die internationale Arbeitsteilung eingebunden
der Inter-American Development Bank (IDB)        sind. Anhaltend niedrige Weltmarktpreise für
und der World Bank. Der IMF stellte Not-         Rohöl und andere Rohstoffe sowie sinkende
standskredite von bis zu 5 Mrd. US-Dollar für    Nachfrage infolge von weltweiten Produkti-
lateinamerikanische Staaten bereit sowie fle-    onseinschränkungen belasten die Außenhan-
xible Kreditlinien für Chile, Kolumbien und      delsbilanzen dieser Länder. Wenn in Brasilien,
Peru. Kredite in Höhe von ca. 4 Mrd. US-Dollar   der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas,

36   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
LATEINAMERIKA IN DER CORONA-PANDEMIE: COVID-19 UND DIE FOLGEN

 das BIP 2020 um 5 bis 6 Prozent sinkt, dann                   und humanitären Krise leiden und Millionen
 hat das auf Grund der damit einhergehenden                    emigrierten. Die einzige positive Ausnahme in
 Angebots- und Nachfrageschocks auch Aus-                      dem rezessionsgeplagten Lateinamerika stellt
 wirkungen in den Nachbarländern und in an-                    Guyana dar, für das 2020 ein Wachstum des
 deren Regionen der Welt. Dasselbe gilt für                    BIP von 30 Prozent erwartet wird; Ursache des
 Mexiko, der zweitgrößten lateinamerikanischen                 Booms sind die vor der Atlantikküste 2015
 Volkswirtschaft, wo die Wirtschaftsleistung                   entdeckten riesigen Ölvorkommen, die von
 2020 den Projektionen zufolge um 9 Prozent                    dem US-amerikanischen ExxonMobil-Konzern
 einbricht.                                                    und der China National Offshore Oil Corpora-
     Mit Abstand am stärksten ist der Wirt-                    tion (CNOOC) ausgebeutet werden. Für das
 schaftseinbruch in Venezuela, wo die Men-                     übrige Lateinamerika sind von dem Wirt-
 schen ohnehin seit Jahren unter der politischen               schaftsboom in dem kleinen englischsprachi-
Tabelle 3: Projektionen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2020 und 2021
Wachstumsrate des realen BIP zu Marktpreisen gegenüber dem Vorjahr (in Prozent)
 Land                                     Projektion 2020                           Projektion 2021
                                   IMF                 CEPAL                IMF                  CEPAL
                                 10/2020              12/2020             10/2020               12/2020

 Argentinien                      -11,8                 -10,5                4,9                      4,9
 Belize                           -16,0                 -15,5                8,0                      7,5
 Bolivien                          -7,9                 -8,0                 5,6                      5,1
 Brasilien                         -5,8                 -5,3                 2,8                      3,2
 Chile                             -6,0                 -6,0                 4,5                      5,0
 Costa Rica                        -5,5                 -4,8                 2,3                      3,0
 Dominik. Republik                 -6,0                 -5,5                 4,0                      5,0
 Ecuador                          -11,0                 -9,0                 4,8                      1,0
 El Salvador                       -9,0                 -8,6                 4,0                      3,5
 Guatemala                         -2,0                 -2,5                 4,0                      3,5
 Guyana                            26,2                 30,9                 8,1                      8,1
 Honduras                          -6,6                 -8,0                 4,9                      4,5
 Kolumbien                         -8,2                 -7,0                 4,0                      5,0
 Kuba                              n.v.                 -8,5                 n.v.                     3,0
 Mexiko                            -9,0                 -9,0                 3,5                      3,8
 Nicaragua                         -5,5                 -4,0                 -0,5                     1,3
 Panama                            -9,0                 -11,0                4,0                      5,5
 Paraguay                          -4,0                 -1,6                 5,5                      3,5
 Peru                             -13,9                 -12,9                7,3                      9,0
 Surinam                          -13,1                 -10,1                1,5                      2,0
 Uruguay                           -4,5                 -4,5                 4,3                      4,0
 Venezuela                        -25,0                 -30,0               -10,0                  -7,0
n.v. Nicht verfügbar.
Quelle: CEPAL (2020): Balance Preliminar de las Economías de América Latina y el Caribe 2020, Santiago, S. 115 und
S.117; IMF (2020): Regional Economic Outlook Western Hemisphere. Pandemic Persistence Clouds the Recovery,
Washington DC, S. 31.

                                   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT                    37
HARTMUT SANGMEISTER

gen Staat kaum positive Impulse zu erwar-         im 1. Quartal 2024 und in Mexiko frühestens
ten.20                                            im 2. Quartal 2025.26 Die wirtschaftlichen,
     Auf dem Arbeitsmarkt hinterlässt die         sozialen und politischen Folgen der Krise
Corona-Krise in Lateinamerika deutlich stärke-    werden in Lateinamerika noch längerfristig zu
re Spuren als die Finanz- und Wirtschaftskrise    spüren sein.
von 2008/09. Bereits vor der Corona-Krise
hatte die langanhalte Stagnation der latein-      Die wirtschaftliche Erholung hängt von vielen
amerikanischen Volkswirtschaften tiefgreifen-     Faktoren ab
de Transformationen der Beschäftigtenstruk-
tur in Gang gesetzt.21 Nach dem Ausbruch der           Wann und wie schnell Lateinamerikas
Gesundheitskrise verloren im 1. Halbjahr 2020     Volkswirtschaften der Aufstieg aus der Talsoh-
etwa 34 Mio. Menschen in neun lateinamerika-      le gelingen kann, hängt zunächst von der Ein-
nischen Ländern, für die Daten verfügbar wa-      dämmung der COVID-19-Infektionen ab und
ren, ihre Arbeit.22 In besonderem Maße von        der Verfügbarkeit von Impfstoff und Thera-
dem Verlust des Arbeitsplatzes waren Nicht-       piemedikamenten. In dem weltweiten Nach-
und Geringqualifizierte betroffen, für die home   fragewettbewerb um die noch zu entwickeln-
office nicht möglich war. Schätzungen der         den Vakzinen drohen die ärmeren Länder La-
CEPAL vom Juli 2020 sahen einen Anstieg der       teinamerikas abgehängt zu werden. Mitent-
Erwerbslosenzahl auf ca. 38 Mio., fast 12 Mio.    scheidend für die wirtschaftliche Erholung in
mehr als in 2019.23 Dabei ist zu berücksichti-    Lateinamerika ist aber auch, wie sich das
gen, dass die Arbeitsmarkt-Indikatoren der        weltwirtschaftliche Umfeld entwickeln wird;
lateinamerikanischen Länder die weitverbreite-    insbesondere für die exportorientierten Un-
ten informellen Beschäftigungsverhältnisse        ternehmen in Südamerika ist eine Erholung
nicht oder nur unzureichend erfassen.24           der Weltmarktpreise für Rohstoffe von ent-
                                                  scheidender Bedeutung. In Folge des Ein-
     Projektionen der gesamtwirtschaftlichen      bruchs der wirtschaftlichen Aktivitäten rund
Entwicklung, die über das Jahr 2021 hinaus-       um den Globus wird der internationale Handel
reichen, lassen sich derzeit seriös nicht auf-    2020 gegenüber dem Vorjahr schätzungswei-
stellen, da die Dynamik der erhofften wirt-       se um 10 Prozent gesunken sein.27 Nationalis-
schaftlichen Erholung in Lateinamerika von        tische Abschottungstendenzen in den USA und
dem weiteren regionalen Pandemie-Verlauf          in anderen Teilen der Welt drohen den globa-
abhängt sowie von der Entwicklung der In-         len Güterhandel weiter zu dämpfen. Vor allem
dustriekonjunktur in weltwirtschaftlichen         in Volkswirtschaften Asiens, von denen in
Schwergewichten wie USA, EU und China. Mit        zurückliegenden Dekaden wichtige Wachs-
dieser Einschränkung sind auch die Projektio-     tumsimpulse ausgingen, wurden – schon vor
nen in Tabelle 2 für die wirtschaftliche Ent-     der Corona-Krise – deutliche Anzeichen stär-
wicklung in Lateinamerika 2021 zu lesen. Von      ker nach innen gerichteter Strategien erkenn-
dem sehr niedrigen Krisenniveau 2020 ausge-       bar. In China will Präsident Xi Jinping mit dem
hend, lassen die Projektionen von IMF und         neuen Kurs der „Zwei Kreisläufe“ die wirt-
CEPAL für die meisten lateinamerikanischen        schaftliche Autarkie des Landes stärken; Pre-
Länder 2021 verhaltenen Optimismus erken-         mierminister Modi beschwört in Indien Ghan-
nen. In den Projektionen des IMF werden für       dis Modell der Self reliance; in Indonesien
die Region Lateinamerika Zuwachsraten des         legt Prӓsident Joko Widodo den Fokus auf eine
BIP von 3,6 Prozent, erwartet, die aber bei       Strategie der Importsubstitution.
weitem nicht ausreichen, um den krisenbe-              Solche De-Globalisierungstendenzen blei-
dingten Einbruch der Wirtschaftsleistung wie-     ben nicht ohne Auswirkungen auf Handel und
der auszugleichen.25 Das Vor-Krisenniveau der     Investitionen mit und in Lateinamerika. Ande-
Wirtschaftsleistung kann beispielsweise in        rerseits können sich Post-Corona-Chancen für
Brasilien voraussichtlich erst im 2. Quartal      Lateinamerika ergeben, wenn Unternehmen
2023 wieder erreicht werden, in Argentinien       nach der pandemiebedingten Unterbrechung

38   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
LATEINAMERIKA IN DER CORONA-PANDEMIE: COVID-19 UND DIE FOLGEN

globalisierter Wertschöpfungsketten ihre Zu-      die defizitäre (Transport-)Infrastruktur und
lieferstrukturen neu ordnen und diversifizie-     mangelnde Qualität auf allen Ebenen der Bil-
ren. Gegenüber Konkurrenten in Asien haben        dungssysteme. Als weitere Negativfaktoren in
lateinamerikanische Anbieter den geografi-        der Zusammenarbeit mit Unternehmen in La-
schen Vorteil, näher an wichtigen Märkten in      teinamerika gelten für internationale Ge-
den USA, in Kanada und in Europa zu liegen.       schäftspartner Gewalt, endemische Korrupti-
Andererseits haben die lateinamerikanischen       on, mangelnde Rechtssicherheit und die Ver-
Pazifik-Anrainer-Staaten es nicht verstanden,     bindungen staatlicher Institutionen zu Grup-
sich der Regional Comprehensive Economic          pierungen der organisierten Kriminalität.
Partnership (RCEP) anzuschließen, dem im
November 2020 unterzeichneten Freihandels-             Der Aufgabe, die internationale Wettbe-
abkommen von 15 Staaten im Asien-Pazifik-         werbsfähigkeit zu verbessern, stellt sich Wirt-
Raum, darunter China und Japan. Zusätzliche       schaft, Staat und Gesellschaft in Lateinameri-
Vermarktungschancen böten sich den vier           ka gleichermaßen. Die Reformagenda ist weit-
südamerikanischen Mitgliedstaaten des Mer-        reichend und anspruchsvoll, denn sie umfasst
cado Común del Sur (MERCOSUR) nach Ab-            so unterschiedliche Aufgaben wie die Bewäl-
schluss des Handelsabkommens mit der EU.28        tigung der digitalen Transformation, die Mo-
Von der weltweiten Neustrukturierung der          dernisierung der Bildungssysteme, den nach-
Lieferketten nach dem disruptiven Corona-         haltigen Schutz des Naturkapitals und die
Schock werden vermutlich nur einige Länder        Anpassung an den Klimawandel; ganz oben
in Lateinamerika profitieren können. Dazu         auf der Reformagenda steht aber als zentrale
gehört Mexiko wegen dessen Nähe zu dem US-        gesellschaftliche Herausforderung die Aufga-
Markt, zu dem durch das United States-            be, Wirtschaftswachstum mit dem Abbau sozi-
Mexiko-Canada Agreement (USMCA) ohnehin           aler Ungleichheit zu verbinden.
ein bevorzugter Zugang besteht. Aber auch
                                                  Den höchsten Preis der Krise zahlt die arme
Costa Rica, Chile und Kolumbien gelten als
                                                  Bevölkerung
aussichtsreiche Kandidaten im Wettbewerb
mit Asien bei der Reorganisation von Liefer-           Am schwersten betroffen von der Corona-
ketten.29 Zudem könnten zentralamerikanische      Krise waren die armen Bevölkerungsgruppen
Staaten in speziellen Segmenten des Welt-         Lateinamerikas. Nach Schätzungen der CEPAL
marktes Vorteile bei der Neuordnung der Lie-      steigt 2020 die Zahl der Armen in 18 Ländern
ferverflechtungen wahrnehmen, beispielswei-       Lateinamerikas insgesamt um fast 28 Mio. auf
se als Lieferanten industrieller Vorprodukte      215 Mio., von denen 83,4 Mio., fast 40 Pro-
für die Automobilindustrie in Mexiko, oder als    zent, als extrem arm gelten; dies bedeutet
Anbieter digitalisierter Geschäftsprozesse, die   einen Anstieg der Armutsquote, des Anteils
internationale Unternehmen im Rahmen des          der Personen unterhalb der Armutsgrenze, auf
Business Process Outsourcing (BPO) ausla-         fast 35 Prozent, gegenüber 30 Prozent im
gern.30 Entscheidend für einen Wiederauf-         Vorjahr, sowie eine Erhöhung des Anteils der
schwung lateinamerikanischer Volkswirtschaf-      in extremer Armut lebenden Menschen auf
ten und deren Positionierung in der Weltwirt-     rund 14 Prozent, nach 11 Prozent in 2019.32
schaft dürfte mittel- bis längerfristig die Ver   Armut wird krisenbedingt überall in Latein-
besserung der internationalen Wettbewerbs-        amerika zunehmen, extreme Armut prozentual
fähigkeit sein. In dem Ranking der internatio-    am stärksten in Mexiko, Nicaragua und Ecua-
nalen Wettbewerbsfähigkeit nehmen die la-         dor (Tabelle 4). Im Juni 2020 warnte die Food
teinamerikanischen Volkswirtschaften mehr-        and Agriculture Organization (FAO) der Ver-
heitlich nur mittlere und hintere Plätze ein.31   einten Nationen vor der Gefahr, dass die
Als komparative Nachteile im internationalen      Corona-Krise bei steigenden Nahrungsmittel-
Wettbewerb erweisen sich für Unternehmen          preisen für immer mehr Menschen Ernäh-
in Lateinamerika bislang die vergleichsweise      rungsunsicherheit bedeutet, nachdem in den
höheren Lohnkosten, Überbürokratisierung,         Jahren 2016-2018 bereits 54 Mio. Menschen

                             ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT         39
HARTMUT SANGMEISTER

   in Lateinamerika unter Hunger gelitten hat-                 überweisungen von Migranten und im Ausland
   ten.33                                                      lebenden Gastarbeitern an ihre Angehörigen
                                                               im lateinamerikanischen Herkunftsland sind,
          Ein Großteil der in Armut lebenden Be-               entgegen den Befürchtungen, nicht gesun-
    völkerung ist darauf angewiesen, Einkommen                 ken.35
    durch informelle Erwerbstätigkeit in kleinen                     Arme Familien sind auch von Schul-
    und mittleren Unternehmen zu erzielen, in                  schließungen in der Corona-Krise besonders
    denen ihnen arbeitsrechtliche Schutzbestim-                betroffen, da ihnen alternative Betreuungsan-
    mungen nur selten zugutekommen und sie                     gebote für die Kinder nicht zur Verfügung ste-
    vergleichsweise schlecht bezahlt werden. O-                hen, und den Kindern zur Teilnahme an dem
    der sie versuchen, ihre Grundbedürfnisse als               distance schooling die technischen Geräte
    Gelegenheitsarbeiter, ambulante Straßen-                   fehlen. In den beengten Wohnverhältnissen
    händler, oder als Hilfskräfte in privaten Haus-            der Armen ist auch das social distancing kaum
    halten ohne soziale Absicherung zu decken.                 möglich, so dass sich hier die Krankheitsfälle
    Sie können es sich nicht leisten, zu Hause zu              häufen. Die unbezahlte häusliche Versorgung
    bleiben, auch wenn Corona-bedingt ein Lock-                der Kranken lastet zumeist auf den Frauen, für
    down angeordnet ist. Staatliche Transferzah-               die Erwerbstätigkeit dann nicht mehr möglich
    lungen erreichten Menschen in den armen                    ist.
    Bevölkerungsgruppen häufig nicht, wenn die-                      Wie unter einem Vergrößerungsglas hat
    se beispielsweise keinen registrierten Wohn-               die Corona-Krise in vielen Staaten Lateiname-
    sitz hatten, oder sie bürokratische Hürden bei             rikas gravierende Governance-Defizite und die
    der Beantragung von Unterstützungszahlun-                  dringende Notwendigkeit umfassender Refor-
    gen nicht überwinden konnten.34 Die für viele              men deutlicher erkennbar werden lassen. Al-
    arme Haushalte überlebenswichtigen Rück-                   lerdings ist die Dringlichkeit zum Abbau von
Tabelle 4: Armutsquoten in Lateinamerika, 2019 und 2020 (in % der Gesamtbevölkerung)
                                                                                            Governance-
                                                                                            Defiziten innerhalb
                                                                    Projektion 2020         Lateinamerikas
                                   2019a                                                    unterschiedlich
                                                                (Mittleres Szenarium)
    Land                                                                                    ausgeprägt, wie der
                               Extreme                         Extreme
                                                 Armut                           Armut      Governance   -Index
                                Armut                           Armut
    Argentinienb                  3,8        26,7                 5,5         33,6          der Bertelsmann-
    Bolivien                     14,3        32,3           16,0              34,4          Stiftung erkennen
    Brasilien                     5,4        19,4           7,4               24,3          lässt; in dem Ran-
    Chile                         1,4        9,8            2,3               12,7          king 2020 nehmen
    Costa Rica                    4,0        16,0           4,9               18,4          Chile, Uruguay und
    Dominik. Republik             4,5        20,3           4,9               21,1          Costa Rica inner-
    Ecuador                       7,6        25,7           10,7              30,8          halb Lateinameri-
    El Salvador                   7,4        33,7           9,0               36,4          kas die Spitzen-
    Guatemala                    10,8        48,6           21,4              50,5          plätze ein, und sie
    Honduras                     18,7        54,8           19,8              57,1          erweisen sich auch
    Kolumbien                    10,3        29,0           12,0              31,5          im internationalen
    Mexiko                       11,1        41,9           15,9              47,8
                                                                                            Vergleich gut auf-
    Nicaragua                    18,0        47,1           21,3              51,6
                                                                                            gestellt; Honduras,
    Panama                        6,2        14,2           6,6               14,9
                                                                                            Kuba und Guatema-
    Paraguay                      6,2        19,4           6,5               20,3
                                                                                            la sind hingegen
    Peru                          7,3        16,5           4,8               19,1
    Uruguay                       0,1          2,9          0,3               4,8           die am schlechtes-
                                                                                            ten       platzierten
  a Vorläufige Schätzung; b Nur urbane Zentren.                                             Länder der Regi-
  Quelle: CEPAL (2020): The Social Challenge in Times of COVID-19. Special Report COVID 19,
  Nr. 3, Santiago, S. 2.
                                                                                            on.36      Schlechte
                                                                                            Regierungsführung

   40   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
LATEINAMERIKA IN DER CORONA-PANDEMIE: COVID-19 UND DIE FOLGEN

unterminiert die gesellschaftliche Kohäsion       schaft in die etablierte Politik zerrüttet, wie
und schwächt die für politische Stabilität        die sozialen Unruhen in vielen Ländern ge-
wichtige politische Mitte weiter; zudem ge-       zeigt haben. Der öffentliche Druck auf eine
fährden Governance-Defizite in einem födera-      politische Neuordnung und die Verständigung
len Staatsaufbau – wie in Argentinien, Brasili-   auf ein anderes Entwicklungs- und Wirt-
en, Mexiko und Venezuela – die Zusammenar-        schaftsmodell steigt. Lateinamerika steht vor
beit zwischen den Gebietskörperschaften, die      einer politisch und wirtschaftlich unsicheren
nicht nur in der Corona-Krise für Akzeptanz       Zukunft. Umso dringlicher stellt sich allen
und Effizienz staatlicher Interventionen          gesellschaftlichen Akteuren spätestens nach
(mit-)entscheidend ist.                           der Corona-Krise die Aufgabe, die Wirtschafts-
                                                  und Sozialordnung neu zu gestalten, und sich
     Bislang ist in Lateinamerika die Mobili-     für eine bessere Zukunft mit sozialem Aus-
sierung des vorhandenen Potenzials wirt-          gleich und nachhaltiger Entwicklung zu enga-
schaftlicher und sozialer Entwicklung nicht       gieren.
gelungen. Die Erfahrungen anderer Länder
deuten darauf hin, dass sich dieses Potenzial
unter demokratischen Vorzeichen und einer         || Hartmut Sangmeister
dem sozialen Ausgleich verpflichteten Markt-
wirtschaft am ehesten entfalten kann. Nur mit     Prof. Dr. Hartmut Sangmeister ist emeritierter
einer solchen Neuorientierung ließe sich die      Hochschullehrer für Entwicklungsökonomik am
tiefe Spaltung überwinden, durch die große        Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaf-
Gesellschaftsgruppen von der Teilhabe an den      ten der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
enormen Möglichkeiten Lateinamerikas aus-
geschlossen bleiben. Dies erfordert auch, so-
zialpolitische Entscheidungen nicht länger
den Rent-Seeking-Netzwerken zu überlassen,
die in der politischen Klasse Lateinamerikas      ANMERKUNGEN
traditionell fest verwurzelt sind.37 Umso
dringlicher ist eine Neuausrichtung im Hin-       1   Die absoluten Fallzahlen sind nur eingeschränkt ver-
blick auf den längerfristigen Trend einer             gleichbar, da in den Ländern in unterschiedlichem Aus-
                                                      maß auf Infektionen getestet wird.
strukturell bedingt schwächer wachsenden          2   The Economist Intelligence Unit (2019): Global Health
Weltwirtschaft, der auch die gesamtwirt-              Security Index. Building Collective Action and Accounta-
                                                      bility. London
schaftliche Dynamik in Lateinamerika mitbe-       3   Auch im weltweiten Durchschnitt lag die SARS-
stimmen wird. Schon vor der Corona-Krise hat          Letalitätsrate Mitte Dezember 2020 mit 2,22 deutlich
sich der Auf- und Ausbau globalisierter Wert-         über dem sich für Venezuela ergebenden Wert von 0,9;
                                                      URL https://de.statista.com/statistik/daten/studie/11037
schöpfungsketten verlangsamt, mit der Folge           85/umfrage/mortalitaetsrate-des-coronavirus-nach-laen
gesamtwirtschaftlicher Wachstumseinbußen              dern/ [18.12.2020].
in allen an dem internationalen Handel betei-     4   Einen guten Überblick über die Reaktionen auf die Her-
                                                      ausforderungen der Corona-Pandemie in zehn lateiname-
ligten Volkswirtschaften; hinzu kommen um-            rikanischen Ländern bietet Stark, Esther J. [Hrsg.] (2020):
welt- und technologiebedingte Veränderungen           ¿Quo vadis América Latina? Pronósticos políticos y socio-
                                                      económicosen tiempos de Covid-19, Bogotá.
des Rohstoffverbrauchs und der Konsummus-         5   CEPAL [ [Comisión Económica para América Latina y el
ter sowie des Spar- und Investitionsverhal-           Caribe] (2020): Measuring the Impact of COVID-19 with a
tens, die tendenziell wachstumsdämpfend               View to Reactivation. COVID-19 Special Report No. 2.
                                                      Santiago, S. 1.
wirken.                                           6   World Bank (2020): The Economy in the Time of Covid-19.
                                                      Semiannual Report of the Latin America and Caribbean
     Für die Gesellschaften Lateinamerikas            Region. Washington DC, S. 12.
bedeutet anhaltend nachlassendes Wirt-            7   Bereits bis Ende 2019 hatten 4,5 Mio. Menschen Venezue-
                                                      la verlassen, von denen ca. 1,8 Mio. nach Kolumbien
schaftswachstum, dass die gesellschaftlichen          flüchteten; United Nations High Commissioner for Refu-
Verteilungskämpfe noch härter werden, aber            gees (2020): Global Trends. Forced Displacement 2019.
                                                      Genève, S. 9ff. Im Unterschied zu vielen anderen latein-
die politischen Gestaltungsspielräume klei-           amerikanischen Staaten verzichtet Venezuela auf eine Po-
ner. Ohnehin ist das Vertrauen der Zivilgesell-

                             ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT                        41
HARTMUT SANGMEISTER

     litik zum Schutz seiner im Ausland lebenden Bürgerinnen          teil von 0,09 Prozent; World Bank (2020): World Develo-
     und Bürger und bot auch den in der Corona-Krise Rück-            pment Indicators. URL https://databank.worldbank.
     kehrwilligen keine Hilfen an; Pedroza, Luicy/Palop-              org/source/world-development-indicators [20.12.2020].
     García, Pau (2020): How Latin American States Protect       21   Vgl. Beylis, Guillermo et al. (2020): Going Viral: COVID-
     Their Emigrants in Times of COVID-19. GIGA Focus Latin           19 and the Accelerated Transformation of Jobs in Latin
     America, 6., S. 7.                                               America and the Caribbean, World Bank Latin American
8    CEPAL (2020): Balance Preliminar de las Economías de             and Caribbean Studies, Washington DC.
     América Latina y el Caribe 2020. Santiago, S. 48.           22   Die neun Länder Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica,
9    Enriquez, Diana/ Rojas Cabal, Sebastián/ Centeno, Miguel         Kolumbien, Mexiko, Peru, Paraguay und Uruguay
     A. (2000): Latin America’s COVID-19 Nightmare.                   repräsentieren ca. 80 Prozent der Erwerbstätigkeit in
     Lessons From the World’s Hardest-Hit Region, in: Foreign         Lateinamerika; vgl. International Labour Organization
     Affairs, September 1. URL https://www.foreignaffairs.            (2020): Technical Note on Labour Overview in Times of
     com/articles/americas/2020-09-01/latin-americas-covid-           COVID-19. Impact on the Labour Market and Income in
     19-nightmare [20.12.2020].                                       Latin America and the Caribbean, 2. Auflage. Lima, S. 2.
10   World Health Organization (2020): Countries. URL            23   CEPAL (2020): Measuring the Impact of COVID-19 with a
     https://www.who.int/countries/#B [19.12.2020].                   View to Reactivation. COVID-19 Special Report No. 2.
11   In Brasilien will der Bundesstaat São Paulo den chinesi-         Santiago de Chile, S.15.
     schen Impfstoff Coronavac in Lizenz selbst herstellen,      24   Die Zahl der informell Erwerbstätigen lässt sich nicht
     während in dem Bundesstaat Paraná der russische Impf-            genau beziffern; Schätzungen, wonach beispielsweise in
     stoff Sputnik V im zweiten Halbjahr 2021 aus eigener Li-         Brasilien ca. 50 Prozent der Erwerbstätigen informellen
     zenzproduktion verfügbar sein soll; die Zentralregierung         Beschäftigungen nachgehen und dabei ca. 30 bis 50 Pro-
     hat sich für den Impfstoff von AstraZeneca entschieden,          zent des Bruttonationaleinkommens erwirtschaften, kön-
     dessen Zulassung sich aber erheblich verzögert.                  nen allenfalls einen ungefähren Hinweis darauf geben, um
12   IMF [International Monetary Fund] (2020): Regional               welche Größenordnungen es sich handelt; vgl. Sangmeis-
     Economic Outlook Western Hemisphere. October 2020.               ter, Hartmut (2011): Wirtschaft und Weltmarktintegrati-
     Pandemic Persistence Clouds the Recovery. Washington             on. Zurück zu altem Glanz?, in: Lateinamerika verstehen
     DC, S. 8.                                                        lernen, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bil-
13   Im Hinblick auf das steigende Haushaltsdefizit wurden            dung, Bonn, S. 69-94. Informelle Beschäftigungsverhält-
     die Zahlungen auf Drängen von Wirtschaftsminister Paulo          nisse finden sich vor allem - aber nicht nur – in den
     Guedes im Laufe des Jahres auf 300 Reais pro Monat ge-           microempresas, die weder als Unternehmen registriert,
     kürzt und liefen zum Ende des Jahres 2020 aus.                   noch bei den Finanzämtern oder den Sozialversicherun-
14   In Brasilien stieg die Verschuldung der Zentralregierung         gen gemeldet sind, wie beispielsweise mehr als 80 Pro-
     um 20,2 Prozentpunkte, von 75,8 Prozent des BIP Ende             zent der Kleinstunternehmen in Bolivien; vgl. Sangmeis-
     2019, auf 96 Prozent ein Jahr später; in Kolumbien erhöh-        ter, Hartmut (2019): Unternehmen: Microempresas, Py-
     te sich die Staatsverschuldung innerhalb eines Jahres von        MES und Multilatinas, in: Lateinamerika. Handbuch für
     knapp 50 Prozent des BIP Ende 2019 auf 65,6 Prozent;             Wissenschaft und Studium, hrsg. von Günther Maihold,
     CEPAL (2020): Balance Preliminar de las Economías de             Hartmut Sangmeister und Nikolaus Werz, Baden-Baden, S.
     América Latina y el Caribe 2020, Santiago, S. 100.               454-465.
15   Der spread steigt, sobald eine Ratingagentur die Boni-      25   IMF (2020): Regional Economic Outlook Western Hemi-
     tätsnote senkt; so setzten beispielsweise Mitte Dezember         sphere. October 2020. Pandemic Persistence Clouds the
     2020 die Ratingagenturen Moody’s die Bonitätsnote für            Recovery. Washington DC, S. 31.
     Kolumbien auf „negativ“ und Fitch für Peru. Zur Ent-             The Economist Intelligence Unit (2020): EIU Global Out-
     wicklung des Spread während der Corona-Krise vgl.                look: Who’s at Risk for Sovereign Defaults? London, S. 1.
     CEPAL (2020): Balance Preliminar de las Economías de        27   IMF (2020): World Economic Outlook, October 2020. A
     América Latina y el Caribe 2020, Santiago, S. 54.                Long and Difficult Ascent, Washington DC, S. 16.
16   The Economist Intelligence Unit (2020): EIU Global          28   Sangmeister, Hartmut (2020): Zwischen Zustimmung und
     Outlook: Who’s at Risk for Sovereign Defaults? London.           Ablehnung: Das Handelsabkommen EU-Mercosur. Eine
17   Inter-American Development Bank (2020): Policies to              Zwischenbilanz, in: Ibero-Analysen, 31.
     Fight the Pandemic. 2020 Latin American and Caribbean       29   The Economist Intelligence Unit (2020): Will Latin Ameri-
     Macroeconomic Report. Washington DC, S. 18. Anders als           ca take Advantage of Supply Chain Shifts? London, S. 5
     in der Europäischen Union und in den USA ist den meis-      30   So haben sich beispielsweise in Guatemala leistungsfähi-
     ten lateinamerikanischen Zentralbanken der Ankauf von             ge BPO-Call Center etabliert, die für internationale Un-
     Anleihen des Staates und von Unternehmen gesetzlich un-           ternehmen tätig sind; auch Unternehmen in Kolumbien
     tersagt, um eine unkontrollierte Geldschöpfung zu unter-          waren erfolgreich bei der Vermarktung von Offshore-
     binden.                                                           Services für multinationale Konzerne wie die Citigroup,
18   World Bank (2020): World Bank’s Response to Covid-19              Hewlett Packard oder Siemens.
     (Coronavirus) In Latin America & Caribbean, April 2,        31   World Economic Forum (2019): The Global Competitive-
     2020. URL https://www.worldbank.org/en/news/factsh               ness Report 2019. Geneva. Lediglich Chile wurde 2019 im
     eet/2020/04/02/world-bank-response-to-covid-19-                  oberen Drittel der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
     coronavirus-latin-america-and-caribbean [19.12.2020].            platziert, Bolivien und die meisten zentralamerikanischen
19   Der stärkste wirtschaftliche Einbruch wurde im latein-           Staaten hingegen im untersten Drittel; Venezuela landete
     amerikanischen Durchschnitt bei der Verarbeitenden In-           auf Rang 133.
     dustrie, der Bauwirtschaft, im Tourismus sowie bei Han-     32   CEPAL (2020): Measuring the Impact of COVID-19 with a
     del und Transport registriert; CEPAL (2020): Balance Pre-        View to Reactivation. COVID-19 Special Report No. 2.
     liminar de las Economías de América Latina y el Caribe           Santiago, S. 17.
     2020, Santiago, S. 64.                                      33   ECLAC [Economic Commission for Latin America and the
20   Guyana hatte 2019 an der aggregierten Wertschöpfung              Caribbean]/ FAO (2020): Preventing the COVID-19 crisis
     des lateinamerikanischen Wirtschaftsraums nur einen An-          from becoming a food crisis. Urgent measures against

42   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
LATEINAMERIKA IN DER CORONA-PANDEMIE: COVID-19 UND DIE FOLGEN

     hunger in Latin America and the Caribbean. COVID-19
     Report ECLAC-FAO, Santiago.
34   In Argentinien, Bolivien, Brasilien, Costa Rica, Peru und
     Uruguay konnten sich arme Haushalte von informell Be-
     schäftigten und deren Familien, die zuvor noch keine
     staatlichen Unterstützungen erhalten hatten, für neue
     eingerichtete Transferprogramme selbst bewerben; Blo-
     field, Merike/ Hoffmann, Bert (2020): Social Policy
     Responses to the COVID-19 Crisis and the Road Ahead,
     GIGA Focus Latin America, , S. 3.
35   IMF (2020): Regional Economic Outlook Western Hemi-
     sphere. October 2020. Pandemic Persistence Clouds the
     Recovery. Washington DC, S. 3.
36   Bertelsmann Transformation Index 2020: Governance.
     URL      https://bti-project.org/de/index/governance.html
     [21.12.2020].
37   Sangmeister,      Hartmut      (2019):    Hispanoamerika.
     Wirtschaft, Politik, Geschichte, Baden-Baden, S. 148;
     siehe auch Bonvecchi, Alejandro/ Scartascini, Carlos
     (2020): Who Decides Social Policy? Social Networks and
     the Political Economy of Social Policy in Latin America
     and the Caribbean, Washington DC.

                                      ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT   43
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