Prognosen und Szenarien zur globalen Energieversorgung - ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2021

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Prognosen und Szenarien zur globalen Energieversorgung - ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2021
Prognosen und Szenarien zur
globalen Energieversorgung

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2021
Sonderveröffentlichung
Prognosen und Szenarien zur globalen Energieversorgung - ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2021


Impressum
Prognosen und Szenarien zur globalen Energieversorgung
Redaktionsschluss: Mai 2021

Herausgeber:
Weltenergierat – Deutschland e.V.
Gertraudenstraße 20 | 10178 Berlin
Deutschland
T (+49) 30 2061 6750
F (+49) 30 2028 2462
E info@weltenergierat.de
www.weltenergierat.de
    WEC_Deutschland

Redaktion:
Nicole Kaim-Albers, Maira Kusch

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.): Dr. Carsten Rolle

Autoren:
Dr. Hans-Wilhelm Schiffer (Mitglied im Studies Committee des WEC | Lehrbeauftragter an der RWTH Aachen)
Burkhard von Kienitz (Mitglied im Studies Committee des WEC | Lehrbeauftragter an der TU München | E.ON SE)

Druck:
DCM Druck Center Meckenheim GmbH
www.druckcenter.de

Titelbild:
© vchalup – stock.adobe.com

Autoren:

                      Dr. Hans-Wilhelm Schiffer                                       Burkhard von Kienitz
                      (Mitglied im Studies Committee                                  (Mitglied im Studies Committee
                      des WEC | Lehrbeauftragter an der                               des WEC | Lehrbeauftragter an der
                      RWTH Aachen)                                                    TU München | E.ON SE)

Dr. Hans-Wilhelm Schiffer ist verheiratet und hat zwei           Burkhard von Kienitz ist verheiratet und hat drei Kinder.
Kinder. Er ist als Berater zu Themen der nationalen und          Seit über 25 Jahren hat er unterschiedliche Aufgaben in
internationalen Energiepolitik tätig sowie Autor des Bu-         Vertrieb und Netz im E.ON Konzern im In- und Ausland
ches Energiemarkt Deutschland. Etappen seines Werde-             verantwortet. Derzeit arbeitet er in der Konzernzentrale.
gangs: Wiss. Assistent am EWI, Köln, Referent in der             Neben einigen internationalen Mandaten engagiert er
Abteilung Energiepolitik des Bundesministeriums für              sich dafür, dass die Energieversorgung auch außerhalb
Wirtschaft einschließlich einer sechsmonatigen Stage im          des Konzerns nachhaltiger wird. Dafür unterstützt er im
britischen Department of Energy, Referatsleiter Produkt-         ­World Energy Council vor allem die Entwicklung globaler
bezogener Umweltschutz im Bundesumweltministerium,                Studien und hält Vorlesungen am Center for Energy
Leiter Energiewirtschaft/Wissenschaft im RWE-Konzern.             ­Management der TU München.

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Prognosen und Szenarien zur globalen Energieversorgung - ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2021


Prognosen und Szenarien zur globalen Energieversorgung

Es gibt viele Studien und Veröffentlichungen über künftige Entwicklungen der Energiemärkte. Da die meisten Leser
schnell den Überblick verlieren können, möchte diese Synopse eine Hilfestellung geben und unterschiedliche Studien
einordnen, sie vergleichen und einen wahrscheinlichen Korridor künftiger Entwicklungen aufzeigen.

Wenn man diesen Korridor daran spiegelt, was für die Einhaltung der Pariser Klimaziele notwendig wäre, erkennt man die
Lücke von Anspruch und Wirklichkeit. Dies kann in Diskussionen und im politischen Entscheidungsprozess hilfreich sein.

Verschiedene Institutionen veröffentlichen regelmäßig             DNV, BloombergNEF und McKinsey & Company sowie
Studien zu den Perspektiven der weltweiten Energiever-            Energiekonzerne, wie BP und Equinor. Um diese mitei­
sorgung. Dazu gehören internationale Organisationen,              nander vergleichen zu können und Gemeinsamkeiten
wie die Internationale Energieagentur (IEA), die Interna­         und Unterschiede herauszustellen, sind die jeweils zu-
tional Renewable Energy Agency (IRENA) und der World              grunde gelegten methodischen Ansätze und die vorgege-
Energy Council (WEC), Beratungsunternehmen, wie                   benen Annahmen von besonderer Relevanz.

 Abbildung 1: Szenarien und Projektionen verschiedener Institutionen zur Entwicklung der globalen
 ­Energieversorgung

           Organisation/Studie                      Exploratorische            Projektionen         Normative Szenarien
                                                 (Plausible) Szenarien

           WEC (2019) World Energy               • Modern Jazz (MJ)
           Scenarios 2019 (to 2060)              • Unfinished
                                                   Symphony (US)
                                                 • Hard Rock (HR)

           Equinor (2020) Energy Perspectives    • Reform (Rf)                                     • Rebalance (Rb)
           2020                                  • Rivalry (Rv)

           IEA (2020) World Energy Outlook                                • Stated policies        • Sustainable
           2020 bzw.                                                        Scenario (STEPS)         Development
           IEA (2021) Net Zero by 2050                                    • Delayed Recovery         Scenario (SDS)
                                                                            Scenario (DRS)         • Net Zero by 2050
                                                                                                     (NZE)

           BP (2020) Energy Outlook 2020                                  • Business-as-usual      • Rapid
           edition                                                                                 • Net Zero

           Bloomberg NEF (2020)                                           • The Economic           • NEO Climate
           New Energy Outlook 2020                                          Transition Scenario      Scenario (NCS)
                                                                            (ETS)

           DNV GL (2020) Energy                                           • A single forecast of
           Transition Outlook to 2050                                       the energy future

           McKinsey (2021) Global                • Delayed Transition     • Reference Case 2021 • 1.5 °C Pathway
           Energy Perspective 2021               • Accelerated
                                                   Transition

           IRENA 2021 World Energy                                        • Planned Energy         • 1.5 °C Scenario
           Transitions Outlook                                              Scenario (PES)           (1.5-S)

                                                                                                                          3
Prognosen und Szenarien zur globalen Energieversorgung - ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2021


Grundsätzlich kann zwischen exploratorischen Szenari-
en, Projektionen und normativen Szenarien unterschie-
den werden:

• In exploratorischen Szenarien wird aufgezeigt, wohin
  unterstellte Entwicklungen, unter Berücksichtigung
  der gesetzten Grundannahmen, führen würden. Es
  handelt sich nicht um Vorhersagen. Eintrittswahr-
  scheinlichkeiten sind exploratorischen Szenarien
  nicht zugeordnet. Im Vordergrund steht ein Narrativ,
  das modellgestützt quantitativ unterlegt ist.

• Bei Projektionen gibt es unterschiedliche Ausprägun-
  gen. So wird in Prognosen versucht, die künftige Ent-
  wicklung auf Basis von als wahrscheinlich angenom-
  menen Parametern, u. a. zur Entwicklung der Demo-
  grafie, der Wirtschaftsleistung, zu technologischen In-
  novationen, zu Weltmarktpreisen für Energie und er-
  warteter politischer Rahmensetzung, darzulegen.
  Prognosen zielen also darauf ab, die für wahrschein-
  lich gehaltene Entwicklung abzubilden. Davon zu un-
  terscheiden sind Projektionen, die aufzeigen, was vo­
  raussichtlich passiert, wenn bspw. die bestehenden
  gesetzlichen Grundlagen künftig unverändert bleiben
  oder wenn – alternativ zu diesem Ansatz – auch sämt-
  liche Maßnahmen umgesetzt werden, die von den
  Regierungen angekündigt sind, ohne, dass sie bereits
  in Kraft gesetzt wurden.

• Einen ganz anderen Charakter haben normative Sze-
  narien. Sie geben Ziele vor und zeigen auf, was pas-
  sieren müsste, damit die für einen künftigen Zeitpunkt
  definierten Vorgaben erreicht werden.

Die vorliegende Synopse konzentriert sich auf Studien zu
den Perspektiven der Energieversorgung, die sowohl
konventionelle als auch erneuerbare Energien (EE) ein-
beziehen und – mit Ausnahme der vom WEC im Septem-
ber 2019 publizierten Szenarien – nach Beginn der
­COVID-19-Pandemie erstellt wurden.

Die an dieser Stelle berücksichtigten Szenarien und Pro-
jektionen fügen sich unterschiedlich in die skizzierten
Kategorien ein.

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Prognosen und Szenarien zur globalen Energieversorgung - ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2021


1. Exploratorische Szenarien

Dem Cluster exploratorische Szenarien können die drei                   • Unfinished Symphony folgt einem durch Regierungen
Szenarien vom WEC sowie zwei der drei von Equinor und                     getriebenen Ansatz, gekennzeichnet durch umfassen-
zwei der vier von McKinsey vorgelegten Szenarien zuge-                    de politische Steuerung zur Umgestaltung der Ener-
ordnet werden.                                                            gieversorgung. Weitere Kennzeichen sind eine ausge-
                                                                          prägte globale Kooperation, vor allem beim Schutz des
Der WEC hatte zum World Energy Congress im Septem-                        Klimas. Auch aufgrund der angesetzten höchsten Be-
ber 2019 in Abu Dhabi die Ergebnisse von drei plausib-                    preisung von CO2 kommt es im Vergleich der Szenari-
len alternativen Pfaden für eine Transformation der welt-                 en zu dem günstigsten Verlauf der Treibhausgasemis-
weiten Energieversorgung bis 2060 vorgelegt. Bei der                      sionen.
Benennung der berücksichtigten Szenarien hat man sich
zur Veranschaulichung mit Modern Jazz, Unfinished                       • Hard Rock ist durch ein Patchwork aus Markt und
Symphony und Hard Rock verschiedener Musik-Rich-                          Staat sowie durch eine fragmentierte Welt mit geringer
tungen bedient. Diese drei Szenarien können wie folgt                     internationaler Kooperation gekennzeichnet. Die Ver-
charakterisiert werden.                                                   folgung nationaler Interessen steht im Vordergrund.
                                                                          Dem Gesichtspunkt der Sicherheit der Versorgung un-
• Modern Jazz ist als marktgetriebener Ansatz zu verste-                  ter möglichst weitgehender Nutzung heimischer Ener-
  hen, gekennzeichnet durch eine starke Umsetzung                         giequellen wird der größte Stellenwert beigemessen.
  technologischer Innovationen. Unternehmen bestim-                       Den Nachhaltigkeitszielen wird dieses Szenario am
  men mittels individuell getroffener Entscheidungen                      wenigsten gerecht. Nachdem dieses Szenario ur-
  die Dynamik. Das Szenario führt infolge der Realisie-                   sprünglich als etwas theoretischer worst case gedacht
  rung der wirtschaftlichsten Lösungen zu dem höchs-                      war, gab es in den letzten Jahren viele Signale, die
  ten Wirtschaftswachstum und der stärksten Verbesse-                     dies genauso wahrscheinlich wie die anderen erschei-
  rung des Zugangs aller Menschen zu bezahlbarer                          nen lässt.
  Energie.

 Abbildung 2: Primärenergieverbrauch weltweit – Synopse der exploratorischen Szenarien von Equinor und
 WEC bis 2050 in Mtoe

20.000
                                                 17.215                                                 17.880
                                                                    16.297
                              15.603                                                 15.116
              14.406                              21 %                                                   19 %
15.000
                                                                     24 %
               14 %            27 %                 5%                                                     7%
                                                                                       30 %
                5%                                                     7%
                                 7%               23 %                                                   25 %
10.000         23 %                                                                    12 %
                               25 %                                  34 %                                                    Erneuerbare

                                                  30 %                                                                       Kernenergie
               32 %                                                                    32 %              30 %
  5.000                                                                                                                      Gas
                               25 %
                                                                     24 %
                                                                                       19 %                                  Öl
               26 %            16 %               21 %                                                   18 %
                                                                     11 %                7%                                  Kohle
       0
                IEA            Reform             Rivalry          Modern          Unfinished            Hard
                                                                    Jazz           Symphony              Rock
                                       Equinor                                World Energy Council
               2019                                                 2040

                 Quellen: IEA, World Energy Outlook 2020; Equinor, Energy Perspectives 2020; World Energy Council, World Energy Scenarios 2019

                                                                                                                                            5
Prognosen und Szenarien zur globalen Energieversorgung - ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2021


Im Vordergrund dieser exploratorischen Szenarien ste-
hen qualitative Storylines, die plausible alternative Zu-
kunftspfade beschreiben und mittels einer durch das
                                                                Welche Auswirkungen die
                                                                 COVID-19-Pandemie hat,
Paul Scherrer Institute (PSI) vorgenommenen Modellie-         untersucht vor allem der WEC.
rung quantitativ unterstützt sind.                            Interessante Aussagen finden
Während der COVID-19-Pandemie hat der WEC mehr-
                                                              sich aber auch z. B. bei DNV oder
fach in allen Regionen der Welt mögliche Auswirkungen         McKinsey.
der Pandemie auf Investitionen, Geschäftsmodelle und
das operative Geschäft untersucht. Aus den Ergebnissen        Nach der Erstellung der vier Post-COVID-Szenarien, hat
wurden vier eigene Richtungen erarbeitet, die unter-          der WEC ein Radarsystem entwickelt. Dieser Transition
schiedliche Wege aus der Krise beschreiben. Erneut wur-       Radar soll dabei unterstützen, aktuelle Tendenzen in
den diese mit Begriffen aus der Musik beschrieben: Pau-       Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zu identifizieren und
se, Rewind, Fast-Forward und Re-Record. 1.) Pause:            kontinuierlich entsprechende Signale wahrnehmen und
Beschreibt die Rückkehr zur Normalität, mit dem Fokus         verarbeiten.
auf internationale Zusammenarbeit; 2.) Rewind: Erwartet
die Rückkehr zur Normalität, mit dem Fokus auf den            Equinor hat drei Zukunftspfade untersucht, wovon zwei
Nationalstaat; 3.) Fast-forward: Stellt einen transformato-   der Kategorie exploratorische Szenarien zuzuordnen
rischen Pfad dar, mit dem Fokus auf internationaler Zu-       sind.
sammenarbeit; 4.) Re-record: Beschreibt einen transfor-
matorischer Pfad, mit dem Fokus auf Mensch und                • Reform setzt auf den Trends auf, die gegenwärtig bei
Nachhaltigkeit.                                                 Marktverhältnissen, Technologien und Politik zu er-
                                                                kennen sind. Es zeichnet sich nur eine begrenzte
                                                                Durchdringung mit Dekarbonisierungstechnologien
                                                                und sauberen Energien, wie die Abscheidung und
                                                                Nutzung bzw. Speicherung von CO2 (Carbon Capture
                                                                and Storage, CCUS) und Wasserstoff, ab. Die ange-
                                                                nommenen CO2-Preise reichen nicht aus, diese und

    Abbildung 3: Vier Post-COVID-Szenarien des World Energy Council

                               Verschiedene bottom-up                  Zusammenarbeit schafft
                                 Experimente, mit dem                  Möglichkeiten zur
                                Ziel, die Energiewende                 Transformation
                                  auf den Menschen zu
                                             zentrieren
                                                                                FAST-
                                 RE-RECORD                                   FORWARD

                                   REWIND                                   PAUSE
                                   eine Abkehr von der                 Zusammenarbeit mit dem
                                 Globalisierung, um die                Ziel, zur Normalität
                                    lokale Wirtschaft zu               zurückzukehren
                                              reparieren

                                                                                                Quelle: World Energy Council

6


  Abbildung 4: Treibstoffmix in Pkw* global – Drei Szenarien von Equinor in Mtoe
                                                      1.384
  1.400                                                                                       1.348

                   1.214    1.236                                                                           Elektrizität
  1.200                                  1.123                                                              Bio-Treibstoffe
                                                                                                            Gas
  1.000
                                                                  880
     800

     600
                                                                                451                         Öl
     400

     200

         0
                             Ref         Reb           Riv        Ref          Reb             Riv

                     2018                 2030                                 2050

* light duty vehicles                                                       Quelle: Equinor Energy Perspectives 2020, Workbook

    vergleichbare andere neue Technologien zur Marktrei-      McKinsey hat mit den Szenarien Delayed Transition und
    fe zu führen. Die Globalisierung setzt sich nach Über-    Accelerated Transition alternative Pfade zu seinem Refe-
    windung der COVID-19-Pandemie fort und die Volks-         rence Case 2021 aufgezeigt, mit denen die Spannweite
    wirtschaften vernetzen sich zunehmend. Dieses Sze-        der absehbar möglichen Entwicklung reflektiert wird. Die
    nario führt im Vergleich der drei untersuchten Zu-        Verfasser sind der Ansicht, dass die Rückkehr zum Vor-
    kunftspfade zu dem stärksten Wirtschaftswachstum          COVID-Niveau ein bis vier Jahre dauern wird. So spürbar
    bis 2050.                                                 die Auswirkungen der Pandemie aber auch sind, die da-
                                                              mit verbundenen Verhaltensänderungen (mehr Homeof-
• In Rivalry wird dem globalen Klimaschutz keine Priori-      fice, weniger Flugreisen) werden als eher kurzfristig an-
  tät eingeräumt. Die Transformation der Energieversor-       gesehen. Langfristige Trends, wie Elektrifizierung,
  gung wird ausgebremst. Handelskriege prägen das             Kostendegression und wachsende Bedeutung regenera-
  wirtschaftliche Umfeld. Soziale und politische Unru-        tiver Energien, wirken sich viel stärker aus.
  hen sowie regionale Konflikte haben das Potenzial,
  weiter zu eskalieren. Protektionismus, geringe globale      Den Investmentmix im Energiesektor sieht McKinsey
  Kooperation und verhaltene technologische Entwick-          trotz des rapiden Ausbaus erneuerbarer und des gleich-
  lungen bewirken ein schwaches Wirtschaftswachs-             zeitigen Rückgangs fossiler Energien als stabil voraus.
  tum. Dieses Equinor-Szenario ist das am wenigsten           Die Veränderungen bei den Mengen werden durch weite-
  nachhaltige.                                                re Kostendegressionen bei Wind, Solar und Batterien und
                                                              zunehmend teurere Exploration bei Öl und Gas ausgegli-
Die unterschiedlichen Annahmen in den beiden Szenari-         chen. Dabei werden bis 2030 neue Erneuerbare, wie
en wirken sich entsprechend differenziert auf die lang-       Wind und Solar, in den meisten Märkten (wie auch in
fristige Perspektive im Treibstoffmix in Pkw bis 2050 aus:    Deutschland) wettbewerbsfähig gegenüber der beste-
In dem weniger von Klimaschutz, Kooperation und Inno-         henden fossilen Erzeugung.
vation geprägten Rivalry-Szenario bleibt der Ölverbrauch
in Pkw weltweit auf nahezu heutigem Stand.

                                                                                                                              7


    Abbildung 5: Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die weltweite Nachfrage nach Strom, Öl, Erdgas
    und Kohle

                   Strom und Gas erholen sich schneller als die Ölnachfrage; Kohle erholt sich nicht

     Stromverbrauch, Tausend Terawattstunden (TWh)                                 Ölbedarf, Millionen Terajoule (TJ)

        30                                                                  200

        15                                                                  120
         2010              ‘21 ‘23           2030                             2010                       ‘22 ‘24           2030

     Nachfrage nach Erdgas, Millionen Terajoule (TJ)                                  Kohlenachfrage, Millionen TJ

       150                                                                  170

                                                                                    Kohle hat ihren
                                                                                    Höhepunkt bereits
                                                                                    2014
       110                                                                  130
         2010              ‘21 ‘23           2030                             2010                                         2030

     2019 Niveau          Rückkehr zu Vor-COVID-19 Niveau                   Virus eingedämmt               verhaltener Aufschwung

                                     Quelle: McKinsey Energy Insights Global Energy Perspective 2021, December 2020, Übersetzung v. Kienitz

8


2. Projektionen

Der Kategorie Projektionen sind die Studie von DNV, das                    tiert. Das verwendete Marktmodell erstreckt sich auf
zentrale Szenario von McKinsey (Reference Case 2021),                      die gesamte Energie-Wertschöpfungskette, umfasst
jeweils ein Szenario von BP und BloombergNEF sowie                         30 Sektoren, 55 Energiearten und bezieht 146 Staaten
zwei Szenarien der IEA zuzuordnen.                                         in die Analyse ein. Die Erneuerbaren bestreiten bereits
                                                                           2035 die Hälfte der globalen Stromerzeugung. 2050
• Das Economic Transition Scenario von BloombergNEF                        wird sechsmal so viel EE-Strom – die Wasserkraft ein-
  ist das zentrale, ökonomisch getriebene Szenario die-                    geschlossen – erzeugt wie heute. Bis zur Mitte des
  ses Beratungsunternehmens. Es ist als Kombination                        Jahrhunderts nimmt der Anteil der Erneuerbaren an
  aus kurzfristiger Marktanalyse und einer auf die kos-                    der weltweiten Stromerzeugung damit auf 76 % zu.
  tengünstigste Konfiguration des Energiesystems ge-
  stützte Modellierung zu verstehen – und dies unter                   • Business-as-usual (BAU), eines der drei BP-Szenari-
  Berücksichtigung der bestehenden Verbraucherpräfe-                     en, geht – ebenso wie der Reference Case der U.S.
  renzen und der kommerziell verfügbaren Technologi-                     Energy Information Administration (EIA) – davon aus,
  en. In den 2030er Jahren beschleunigt sich die Ent-                    dass sich die Trends der Vergangenheit fortsetzen und
  wicklung zu elektrisch angetriebenen Fahrzeugen.                       die gegenwärtig bestehenden politischen Rahmenbe-
  2050 werden 73 % aller Neuzulassungen Elektro-Pkw                      dingungen unverändert bleiben. Im Business-as-usu-
  sein. Sie machen dann 54 % der globalen Flotte von                     al-Szenario erreichen die globalen energiebedingten
  insgesamt 1,5 Mrd. Pkw aus. In Europa, den USA und                     CO2-Emissionen Mitte der 2020er Jahre den höchsten
  China erreichen Elektrofahrzeuge 2050 sogar Anteile                    Stand und vermindern sich in der Folge bis 2050 auf
  zwischen 56 und 80 %.                                                  ein Niveau, das weniger als 10 % unter dem Level des
                                                                         Jahres 2018 liegt. Mit einem solchen Entwicklungs-
• Mit dem Reference Case 2021, dem zentralen Szena-                      pfad würden die ambitionierten Ziele des Pariser Kli-
  rio von McKinsey, hat das Beratungsunternehmen sei-                    maabkommens deutlich verfehlt.
  ne Sicht auf die Entwicklung der globalen Energiever-
  sorgung in den kommenden drei Jahrzehnten präsen-

 Abbildung 6: Primärenergieverbrauch weltweit – Synopse der Projektionen von DNV, BloombergNEF, BP,
 IEA und McKinsey in Mtoe

20.000

                         17.085                          17.400          16.296
                                         14.400                                                         15.430
            14.406
15.000                    22 %                            24 %         > 26 %            13.680
             14 %                                                                                        31 %
                           5%            29 %
              5%                                           4%


    Abbildung 7: Primärenergieverbrauch fossile Energien im Reference Case 2021 von McKinsey

    Millionen TJ

    600

                                                                        2027 Fossil-                   Reference
                                                                        fuel peak                      Case 2020
    500
                                                                        l

                                                                                               2037
                                                                                               Gas peak
    400
                                                                            2029
                                                                            Oil peak
                                                                            l
    300                                                                                                                    Gas

    200
                                               l
                                                2014
                                                Coal peak                                                                  Öl
    100

                                                                                                                           Kohle
       0
       1990        2000           2010           2020             2030              2040             2050

                                                      Quelle: McKinsey Energy Insights Global Energy Perspective 2021, December 2020

• DNV hat eine einzige Prognose, den Energy Transition         • Das Stated Policy Scenario (STEPS) der IEA geht von
  Outlook, erstellt. Von Varianten und Alternativen sieht        der Annahme aus, dass COVID-19 im Jahr 2021 weit-
  man hier ab, damit Vergleiche zwischen Sektoren und            gehend unter Kontrolle gebracht wird und die globalen
  Energieformen leichter möglich sind. DNV weist in              Volkswirtschaften auf das Vorkrisenniveau zurückfin-
  seiner Veröffentlichung auf eine wichtige Erkenntnis           den. Dieses Szenario reflektiert alle aktuell angekün-
  hin: Die dramatischen Auswirkungen der COVID-                  digten politischen Regelwerke und Ziele, soweit sie
  19-Pandemie auf Menschen, Weltwirtschaft und                   durch konkrete Maßnahmen unterlegt sind. Das De-
  Energiemärkte haben ungefähr den Rückgang an                   layed Recovery Scenario (DRS) der IEA ist auf diesel-
  Emissionen zur Folge gehabt, der für die kommenden             ben Politik-Annahmen wie das STEPS ausgerichtet,
  20 Jahre jährlich als Rückgang realisiert werden               unterstellt aber eine länger andauernde Pandemie mit
  müsste, um die Klimaziele zu erreichen. Dies zeigt ih-         fortwährenden Beeinträchtigungen der ökonomischen
  rer Ansicht nach nicht die Machbarkeit, sondern die            Perspektiven. Die Weltwirtschaft findet im DRS erst
  gewaltigen Anstrengungen und enormen sozialen Fol-             2023 auf das Vorkrisenniveau zurück. Die Pandemie
  gen, die der Kampf gegen den Klimawandel bedeutet              leitet eine Dekade mit der niedrigsten Rate des globa-
  und die mitbedacht werden müssen.                              len Wachstums im Energieverbrauch seit den 1930er
                                                                 Jahren ein.

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3. Normative Szenarien

Normative Szenarien, auch Zielszenarien genannt, sind                         dingten CO2-Emissionen bis 2050 um 70 % gegen-
2020 von der IEA sowie von BP, Equinor und Bloomberg­                         über dem heutigen Niveau zurückgehen. Damit würde
NEF veröffentlicht worden. Außerdem hat die IRENA im                          der weltweite Temperaturanstieg bis 2100 unter 2 °C
März 2021 einen 1.5 °C Pathway für den Zeitraum bis                           gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt blei-
2050 vorgelegt.                                                               ben. Das Net Zero Scenario (Net Zero) geht von zu-
                                                                              sätzlichen politischen Maßnahmen, einem signifikan-
• Im Sustainable Development Scenario (SDS) der IEA                           ten Wandel im Verhalten der Gesellschaft und von
  wird eine Welle von energiepolitischen Maßnahmen                            deren Präferenzen sowie von im Vergleich zu Rapid
  und Investitionen ausgelöst, mit denen die Nachhal-                         höheren CO2-Preisen aus. Die globalen energiebe-
  tigkeitsziele erreicht werden. Dies schließt die Einhal-                    dingten CO2-Emissionen sinken in diesem Szenario
  tung des Pariser Klimaabkommens, den Zugang aller                           bis 2050 um 95 %. Dies stünde in Einklang mit dem
  Menschen zu kommerzieller Energie sowie auch alle                           Ziel einer Begrenzung des Temperaturanstiegs auf
  anderen Umwelt- und Qualitätsziele ein, die dem                             1,5 °C.
  Nachhaltigkeitsanspruch gerecht werden. Mit Net Ze-
  ro Emissions by 2050 (NZE2050-Pfad) wird die SDS-                        • Das Rebalance Scenario von Equinor unterstellt die
  Analyse erweitert. Eine steigende Zahl von Ländern                         Einhaltung der Pariser Klimavorgaben und der ande-
  und Unternehmen zielt auf Netto-Null-Treibhausgas-                         ren Nachhaltigkeitsziele – und dies ohne signifikante
  emissionen ab – und dies bis Mitte dieses Jahrhun-                         Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum und die
  derts. Die IEA hat in diesem Szenario modelliert, was                      globale Einkommensverteilung. Es wird ein Rückgang
  in den nächsten zehn Jahren geschehen müsste, um                           der CO2-Emissionen um jährlich 4 % als notwendige
  die globalen CO2-Emissionen bis 2050 auf Net Zero zu                       Voraussetzung in Ansatz gebracht, um den Anstieg
  bringen.                                                                   der globalen Temperatur unter 2 °C zu halten. Die
                                                                             Nutzung fossiler Energien wird zu weiten Teilen been-
• Das Rapid Transition Scenario (Rapid) von BP unter-                        det. Das Szenario setzt auf grünes Wachstum in allen
  stellt einen signifikanten Anstieg der CO2-Preise und                      Weltregionen.
  die Implementierung zielgerichteter sektorspezifischer
  Maßnahmen, die dazu führen, dass die energiebe-

 Abbildung 8: Primärenergieverbrauch weltweit – Synopse der Zielszenarien von IEA, BP, Equinor
 und BloombergNEF in Mtoe

                                                                                                 15.000        15.000
15.000       14.018                                                                13.776
                           13.020         12.776       12.967
              16 %                                                   12.032
                5%
                            35 %                                                                  54 %
10.000                                                                              53 %                        69 %
              23 %                         55 %                       42 %
                                                        67 %
                              9%                                                                                                Erneuerbare
                                                                      10 %            5%            7%                          Kernenergie
              30 %          23 %
  5.000                                    10 %
                                                                      22 %          20 %          21 %                          Gas
                                           14 %        11 %                                                       9%
                            23 %                       11 %                                                     13 %            Öl
              26 %                         15 %                18 %     20 %                      14 %
                            10 %                       8%                                                      7%
        0                                   6%            3%    8%       2%                        4%              2%           Kohle
                IEA           SDS           NZE         NZE  Rebalance   NCS                      Rapid        Net Zero
                              IEA           IEA         IEA   Equinor Bloomberg                    BP            BP

               2020                 2040                                       2050

 Quellen: IEA, World Energy Outlook 2020 und Net Zero by 2050 (2021); BP, Energy Outlook 2020; Equinor, Energy Perspectives 2020; Bloomberg NEF,
                                                                                                                         New Energy Outlook 2020

                                                                                                                                            11


    Abbildung 9: Globale Stromerzeugung 2020 bis 2050 in TWh

                                                   Ergebnisse ausgewählter Zielszenarien
                                                                                                              78.698
                                                                     71.164
                                                                                                65.532
                                                                                   60.565                      32 %           Sonne
                             56.553                                   35 %
                                                                                                  32 %
                                          48.446        48.609                      32 %
                               32 %
                38.774                     30 %          25 %                                                                 Wind
                                                                                                               34 %
                                                                                                                              Biomasse*
                25 %                                                  35 %
                                                                                    32 %          43 %                        Wasserkraft
    26.778 3%                  33 %
           6% 22 %                         30 %          38 %
    >16 % 3%                                                                         6%
                                                                                                               11 %           Kernenergie
              8%               9%           7%                         8%
     10 %
              17 %                                14 %                              13 %                                      Gas
     23 %                      13 %         14 %           12 %                                  13 %          13 %
          3% 11 %                                  9%                                                                         Öl
     35 %                      9%         11 %    7%


4. Zentrale und gemeinsame Botschaften der analysierten Studien

Trotz aller Unterschiede zwischen den betrachteten Stu-     Wandel im Energiemix
dien lassen sich Gemeinsamkeiten in den zentralen Aus-
sagen erkennen. Abweichungen in Bezug auf konkrete          Die vergangenen Jahrzehnte waren durch eine Domi-
quantitativ unterlegte Ergebnisse erklären sich vielfach    nanz der fossilen Energieträger gekennzeichnet. 80 %
durch Unterschiede im Charakter der dargelegten Zu-         des weltweiten Zuwachses im Primärenergieverbrauch
kunftspfade sowie durch die getroffenen Grundannah-         zwischen 1990 und 2019 sind durch fossile Energieträ-
men.                                                        ger gedeckt worden. Alle fossilen Energieträger haben in
                                                            absoluten Größen steigende Beiträge zur Deckung des
                                                            Bedarfs geleistet. Der prozentuale Anteil von Kohle am
Zur Entwicklung des gesamten                                Primärenergieverbrauch blieb weitgehend stabil. Damit
Primärenergieverbrauchs                                     blieb Kohle zweitwichtigster Energieträger hinter Öl und
                                                            vor Erdgas bis 2019. Der Rückgang im Anteil von Öl wur-
In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich der welt-      de durch das überproportional starke Wachstum von Erd-
weite Primärenergieverbrauch um fast zwei Drittel er-       gas kompensiert. Damit war der Anteil der fossilen Ener-
höht. Entscheidende Treiber waren der Anstieg der Welt-     gien am weltweiten Primärenergieverbrauch mit 81 % im
bevölkerung von 5,3 Mrd. im Jahr 1990 um 45 % auf           Jahr 2019 genauso hoch wie 1990.
7,7 Mrd. im Jahr 2019 sowie die in diesem Zeitraum
mehr als verdoppelte globale Wirtschaftsleistung – ge-      Die Bedeutung der Kernenergie hatte sich bis 1999 kon-
messen in konstanten USD, also inflationsbereinigten        tinuierlich erhöht. Seitdem ist der Primärenergiever-
Größen.                                                     brauch an Kernenergie – abgesehen von kleineren jährli-
                                                            chen Schwankungen – weitgehend stabil. 2019 und
Für die unmittelbar bevorstehenden Jahrzehnte ist zwar      2020 betrug der Anteil der Kernenergie am globalen Pri-
gemäß den exploratorischen Szenarien und den meisten        märenergieverbrauch 5 % – im Vergleich zu 6 % im Jahr
in die Analyse einbezogenen Projektionen noch eine          1990.
Fortsetzung des Wachstums des Primärenergiever-
brauchs zu erwarten, allerdings mit einer deutlich gerin-   Die regenerativen Energien haben, vor allem seit 2000,
geren Intensität. So errechnen sich für den Zeitraum        am stärksten zugelegt: 2019 war ihr Verbrauch fast dop-
2019 bis 2050 Steigerungsraten zwischen 5 und 25 %,         pelt so hoch wie 1990. Ihr Anteil an der Deckung des
die deutlich hinter dem Zuwachs der vergangenen 30          gesamten Primärenergieverbrauchs war 2019 aber trotz-
Jahre zurückbleiben. DNV erwartet den Peak Demand im        dem noch begrenzt – 14 % gegenüber 13 % 1990.
Jahr 2032 und prognostiziert für 2050 sogar einen um
5 % niedrigeren globalen Primärenergieverbrauch als         Die Zukunft wird deutlich anders eingeschätzt. Wichtigs-
2019.                                                       te Merkmale sind: Soweit noch ein Zuwachs im Primär-
                                                            energieverbrauch zu erwarten ist, wird dieser überwie-
                                                            gend durch steigende EE-Beiträge gedeckt. Der Anteil

   Nach einer Erhöhung des welt­
   weiten Primärenergieverbrauchs
                                                            fossiler Energien vermindert sich deutlich, gemäß DNV
                                                            von 81 % in 2019 auf 65 % im Jahr 2040 und 53 % in
                                                            2050. Die gleiche Tendenz zeigen die Szenarien und
in den letzten drei Jahrzehnten                             Prognosen der anderen Institutionen auf, auch wenn in
um fast zwei Drittel, flacht sich die                       den exploratorischen Szenarien und in den anderen Pro-
Nachfragekurve künftig deutlich ab                          jektionen noch höhere Anteilswerte für die fossilen Ener-
                                                            gieträger ausgewiesen werden als bei DNV.
bzw. wird sogar rückläufig.
                                                            Innerhalb der Gruppe der fossilen Energien geht die Ent-
In den Zielszenarien der IEA sowie von Equinor und          wicklung am stärksten zulasten der Kohle, während Erd-
Bloomberg ist für 2040/2050 durchgängig ein niedrigerer     gas sich in den bevorstehenden Jahrzehnten noch weit-
globaler Primärenergieverbrauch in Ansatz gebracht, als     gehend behaupten kann. Es ist davon auszugehen, dass
2019 realisiert wurde. Nur bei BP wird in den zwei nor-     die Verbrauchskurve bei Kohle den Höhepunkt bereits
mativen Szenarien für 2050 noch ein etwas höherer Pri-      überschritten hat und sich die seit 2013/2014 abzeich-
märenergieverbrauch ausgewiesen.                            nende Abschwächung des globalen Kohleverbrauchs ab
                                                            2020 verschärft fortsetzen wird. Der Peak Demand für Öl
                                                            könnte auch bereits erreicht worden sein – und zwar im
                                                            Jahr 2019. Dies weist zumindest die Prognose von DNV

                                                                                                                  13


aus. Die exploratorischen Szenarien und die anderen                 Pathway der IRENA verringert sich der globale Primär-
Projektionen sehen dies noch nicht. Allerdings wird auch            energieverbrauch an Fossilen bis 2050 um 77 % im
darin damit gerechnet, dass der Höhepunkt der Ölnach-               Vergleich zum Stand des Jahres 2019. In dem Szenario
frage innerhalb des in dieser Synopse betrachteten Zeit-            Net Zero by 2050, das die IEA im Mai 2021 veröffentlicht
horizonts absehbar ist. So wird bspw. in den Szenarien              hat, verringert sich der Anteil fossiler Energien am Pri-
Unfinished Symphony und Modern Jazz des WEC der                     märenergieverbrauch bis 2050 auf 22 %.
Peak Demand für Öl zwischen 2025 und 2030 ausgewie-
sen. McKinsey rechnet im Reference Case 2021 für das                Die sinkenden Beiträge fossiler Energien werden durch
Jahr 2029 mit dem Peak Oil Demand. Anders im Szena-                 wachsende Anteile regenerativer Energien kompensiert.
rio Hard Rock des WEC – darin wird noch bis 2040 ein                Dies zeigen praktisch alle Projektionen und exploratori-
Anstieg des Ölverbrauchs gesehen, der danach in eine                schen Szenarien. Die IEA kommt im Stated Policy Scena-
Plateauphase übergeht. Bei Erdgas wird von einem län-               rio zu dem Ergebnis, dass sich der Primärenergiever-
geren Ansteigen der Verbrauchskurve ausgegangen als                 brauch der Erneuerbaren bis 2040 im Vergleich zum
für Öl. McKinsey erwartet im Reference Case 2021 den                Stand von 2019 um 83 % erhöht, während der Ver-
Peak Gas Demand für das Jahr 2037. In den exploratori-              brauch an Kohle im gleichen Zeitraum um 12 % zurück-
schen Szenarien des WEC setzt sich der steigende Ver-               geht und die zusätzliche Nachfrage nach Öl nur noch
brauchstrend für Erdgas noch bis 2050 fort.                         halb so hoch ausfallen wird wie im Zeitraum 2000 bis
                                                                    2019. Für Erdgas wird für 2019 bis 2040 von der IEA ein
In den Zielszenarien wird der künftige Anteil fossiler              Verbrauchszuwachs in gleicher absoluter Größenord-
Energieträger allerdings deutlich geringer eingeschätzt             nung wie im Zeitraum 2000 bis 2019 ausgewiesen.
als in den Projektionen und den exploratorischen Szena-             McKinsey erwartet im Reference Case 2021 folgende
rien. So kommen Equinor (Rebalance) und die IEA (Sus-               Reduktionen im Verbrauch fossiler Energien bis 2050 im
tainable Development) bereits für 2040 nur noch auf                 Vergleich zu 2019: –6 % für Öl, –7 % für Erdgas und
Anteile für die fossilen Energien zwischen 56 und 60 %.             –39 % für Kohle.
Der Anteil der Kernenergie am Primärenergieverbrauch
erhöht sich allerdings in diesen Szenarien von 5 % im
Jahr 2019 auf 9 % im Jahr 2040. Gemäß dem 1.5 °C

    Abbildung 10: Wie schreitet die Innovation voran in Modern Jazz?
                                                                                                                    Brennstoffzellen-
Innovation Landscape                                                                                                antriebe zu gleichen
                            Digitalisierung eröffnet                 Batteriepreise fallen                          Kosten wie
                            neue Wachstumsmöglichkeiten              auf 95 USD/kWh (2016)                          Verbrennungsmotor

                          KI getriebene                                     Neue soziale Normen –                   Basis Energie-
Fin-Tech Innovationen          Energie-                                     wiederverwenden, recycling,                 versorgung
          ermöglichen     anwendungen                                       teilen                                 fortgeschritten,
       Wachstum von                                                                                                           gute
         Clean Energy                       Batterieantriebe                                                            Versorgung
                          Blockchain
            Start-Ups                           zu gleichen                         Wachsender globaler              nur vereinzelt
                              und
                                                 Kosten wie                         Power-to-X Markt
                          peer-to-peer
                                             Verbrennungs-
                         Anwendungen
                                                      motor
                           gewinnen
                          an Dynamik

                                 CO2-Emissionen                           Ölnachfrage       Stromanteil erreicht
                                     Höhepunkt                            Höhepunkt       28 % an der gesamten
                                                                                               Energienachfrage

                                                                                                      Auf dem Pfad zu
                         Kohlenachfrage
                                                                                                      2.5 Grad Celsius
                         Höhepunkt
                                                                                                    Temperaturanstieg
                                     Erneuerbare (Wind und Solar)                                   Erdgasnachfrage steigt
                            erreichen 14 % Anteile im Stromsektor                                 kontinuierlich nach 2040
Energy Implications
                                                                                                            Quelle: World Energy Council

14


 Abbildung 11: Weltweites Wachstum des Primärenergieverbrauchs nach Energieträgern
 (im Stated Policies Scenario)

         Kohle (Mtce)                  Öl (mb/d)                    Gas (bcm)                  Erneuerbare (Mtoe)

2.100                                                       2.000                         2.000
                              20

                              15                            1.500                         1.500
1.400
                              10                            1.000                         1.000
  700
                                5                             50                            500

     0                          0                              0                               0

 –700
          2000–      2019–           2000–      2019–                2000–      2019–                 2000–        2019–
          2019        40             2019        40                  2019        40                   2019          40

                                                                                        Quelle: IEA, World Energy Outlook 2020

  Wir befinden uns am Wendepunkt
   vom fossilen Energiezeitalter zu
                                                              Erdöl und Erdgas und vor allem die Kohle weit hinter sich.
                                                              Der Kernenergie wird zwar in den normativen Szenarien
                                                              eine wachsende Bedeutung eingeräumt. Als Game Chan-
einer durch erneuerbare Energien                              ger wird diese CO2-arme Energiequelle jedoch nicht gese-
geprägten Welt.                                               hen.

In den normativen Szenarien – welche feststellen, was zur     Entwicklung des globalen Stromverbrauchs und
Erreichung von Zielen erforderlich wäre, wird den Erneu-      Erzeugungsmixes
erbaren eine noch wichtigere Rolle zugeschrieben. Sie
werden bereits in den 2030er Jahren zur mengenmäßig           Strom gilt in allen Veröffentlichungen als Schlüsselenergie
wichtigsten Energiequelle und erreichen 2040 Anteilswer-      zur Dekarbonisierung der globalen Energieversorgung.
te am globalen Primärenergieverbrauch von bspw. 35 %          Dies wird mit der Erwartung verknüpft, dass der Stromver-
laut dem Sustainable Development Scenario der IEA. Ge-        brauch immer stärker in anderen Sektoren zur Anwen-
mäß dem IEA-Szenario Net Zero by 2050 sind es sogar           dung kommt und innerhalb des Energiemixes fossile
55 %. In den 2040er Jahren setzt sich diese Entwicklung       Energien verdrängt. So wird bspw. im Stated Policy Scena-
fort und mündet 2050 in Anteilswerten für die erneuerba-      rio der IEA bis 2040 mit einer Erhöhung des globalen
ren Energien zwischen 42 % (Rebalance von Equinor),           Stromverbrauchs um 49 % gegenüber 2019 gerechnet.
53 % (NCS von BloombergNEF) bzw. 54 % (Rapid von
BP). In den Net Zero-Szenarien der IEA sowie von BP wird      McKinsey weist im Reference Case 2021 eine Verdoppe-
für die erneuerbaren Energien sogar ein Beitrag von mehr      lung des globalen Stromverbrauchs bis 2050 gegenüber
als zwei Drittel ausgewiesen. Zum Erreichen des McKin-        dem Stand von 2019 aus.
sey 1.5 °C Pathway ist ein – im Vergleich zum Reference
Case 2021 – deutlich verstärkter Wandel nötig, verbunden      Der erwartete Stromverbrauchszuwachs wird ganz über-
mit Rückgängen im Verbrauch fossiler Energien um 77 %         wiegend durch den Ausbau von Anlagen auf EE-Basis
bei Öl, 73 % bei Erdgas und 93 % bei Kohle – jeweils bis      gedeckt. Laut dem Stated Policy Scenario der IEA werden
2050 im Vergleich zu 2019, und dies bei gleichzeitig wei-     88 % der bis 2040 erwarteten Zunahme der Stromerzeu-
ter verstärktem EE-Ausbau. Strom müsste dazu eine noch        gung durch vermehrte Nutzung von Wind, Sonne, Was-
deutlich größere Rolle spielen als in den anderen drei        serkraft und Biomasse abgedeckt. Erneuerbare wären
Szenarien von McKinsey. Die Erneuerbaren lassen damit         dann mit einem Anteil von 47 % fast zur Hälfte an der

                                                                                                                          15


    Abbildung 12: Entwicklung des weltweiten                  kraft auch künftig zu den Großen Drei unter den Erneuer-
    ­Stromverbrauchs im Reference Case 2021 von               baren zur Stromversorgung.
     McKinsey nach Sektoren

   TWh
45.000
                Gebäude
                Industrie
                                           49.100
                                                                Der sich abzeichnende
                                                                 Paradigmenwechsel
                Transport
                                            19,9
                                                              katapultiert die erneuerbaren
40.000
                            32.500
                                                              Energien auf Rang 1 der
35.000
                                                              Stromerzeugungstechnologien.
30.000

25.000        23.400         15,5                             In den normativen Szenarien decken die regenerativen
                                                              Energien bereits bis 2040 nicht nur den erwarteten
20.000                                      19,8              Stromverbrauchszuwachs ab; vielmehr erfolgt zusätzlich
               11,0
                                                              eine signifikante Substitution von fossilen durch erneuer-
15.000
                                                              bare Energien – vor allem zulasten der Kohle. So halten
10.000                       14,9                             bspw. im Sustainable Development Scenario der IEA die
               11,9                                           fossilen Energien im Jahr 2040 nur noch einen Anteil von
    5.000                                     9,5             zusammen 17 % an der globalen Stromerzeugung. Für
               0,5            2,2                             Kernenergie kommen die Modellrechnungen in diesem
        0
              2019           2035           2050              Zielszenario für 2040 auf einen Anteil von 11 % und für
                                           Quelle: McKinsey   die Erneuerbaren von 72 %. Bis 2050 steigt der EE-Anteil
                                                              an der Deckung des bis dahin weltweit verdreifachten
                                                              Stromverbrauchs gemäß dem Net Zero-Szenario der IEA
gesamten weltweiten Stromerzeugung beteiligt. McKin-          und dem 1.5 °C Pathway der IRENA sogar auf einen
sey erwartet dies sogar bereits für 2035 und rechnet für      Anteil von 90 %. Die verbleibenden 10 % würden auf
2050 mit einem Beitrag der Erneuerbaren zur globalen          Kernenergie, Kohle und Erdgas basieren.
Stromerzeugung von 76 %. Sechsmal so viel Strom wie
heute wird dann gemäß dem Reference Case 2021 auf             Die Verbrauchsschwerpunkte verlagern sich: Künftige
EE-Basis – Wasserkraft eingerechnet – produziert.             Zuwächse im Verbrauch werden insbesondere in den
                                                              asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländern, im
Besonders deutlich wird der Paradigmenwechsel anhand          Mittleren Osten, in Afrika und auch in Südamerika erwar-
der Ergebnisse der exploratorischen Szenarien des WEC für     tet. Dagegen ist für Nordamerika, für Europa und für Ja-
den Zeitraum 2015 bis 2060 im Vergleich zu den dieser         pan mit einer nachgebenden Nachfrage nach Energie
Zeitspanne vorangehenden 45 Jahren. So war der Anteil         und einer weniger stark steigenden Stromnachfrage als
regenerativer Energien an der globalen Stromerzeugung         in den genannten Nicht-OECD-Staaten zu rechnen.
2015 mit 23 % exakt genauso hoch wie im Jahr 1970. Im
Unterschied dazu wird bis 2060 vom WEC ein Anstieg des
EE-Anteils an der globalen Stromerzeugung – je nach Sze-
nario – auf Werte zwischen 41 und 60 % geschätzt.             ­VKünftig findet eine starke
                                                                  erlagerung des Energie­
Unter den Erneuerbaren erfolgt der stärkste Ausbau bei
                                                              verbrauchs in Richtung Asien statt.
Solar- und Windanlagen. Diese Tendenz zeigen alle Ana-
lysen. Bis 2060 wird sich gemäß der Studie des WEC die        Besonders drastische Verbrauchseinbußen zeigen sich
Stromerzeugung auf Basis von Solarenergie im Szenario         für Kohle. Dies gilt für Nordamerika, Europa und Japan.
Hard Rock verfünfzehnfachen, in Modern Jazz mehr als          Demgegenüber wird ein Wachstum im Kohleverbrauch
verdreißigfachen und in Unfinished Symphony sogar             im Wesentlichen auf Staaten Südostasiens, vor allem In-
mehr als verfünfzigfachen – jeweils im Vergleich zum          dien, begrenzt bleiben. In China ist nach einer seit 2000
Stand des Jahres 2015. Je nach Szenario, lösen Sonne          verzeichneten massiven Erhöhung des Kohleverbrauchs
bzw. Wind in den nächsten Jahrzehnten die Wasserkraft         künftig mit einem Rückgang zu rechnen. Trotzdem bleibt
als global bisher wichtigste erneuerbare Energiequelle        die Kohle in China – insbesondere in der Stromerzeu-
zur Stromerzeugung ab. Gleichwohl gehört die Wasser-          gung – auch in den bevorstehenden Jahrzehnten noch

16


 Abbildung 13: Verschiebung der Verbrauchsschwerpunkte nach Weltregionen
        Zuwachs im Primärenergieverbrauch nach Weltregionen 2019 bis 2040 (im Stated Policy Scenario der IEA)
        in Mtoe

                                                                         96 Eurasien
                                                 Europa
             Nordamerika                          –265
                –133                                                               China           Japan
                                                                                    584             –62
                                              Mittlerer    369
                                               Osten
                                                                          Indien
                                                                           644
                                                          423
                                                                                             778
                Mittel- und      245
                Südamerika                       Afrika
                                                                                            Andere asiatische
                                                                                            Staaten und
                                                                                            Australien/Neuseeland

                                                                                           Quelle: IEA, World Energy Outlook 2020

eine tragende Säule der Energieversorgung. China und             wird nicht nur wegen der Erweiterungsinvestitionen zur
Indien werden wegen starken Kohleanteils oder dessen             Integration regenerativer Energien und wegen der stei-
Ausbau immer zentraler für die globalen CO2-Emissio-             genden Stromnachfrage erheblich größer sondern, getra-
nen.                                                             gen von künstlicher Intelligenz und Datenplattformen,
                                                                 auch effizienter.

Veränderung im Energieverbrauch nach
Sektoren sowie Rolle der Digitalisierung

Die Versorgungsstrukturen in den verschiedenen volks-
                                                                 und
                                                                  Digitalisierung, Dezentralisierung
                                                                      Dekarbonisierung durch
wirtschaftlichen Sektoren, wie Industrie, Gebäude und
                                                                 Elektrifizierung kennzeichnen die
Verkehr, werden sich künftig stärker ändern als in der           neue Energiewelt.
Vergangenheit. Es steht eine digitale Transformation des
Energiesystems mit immer mehr Akteuren bevor. Aggre-             Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien
gatoren und Prosumer gewinnen an Bedeutung. Es ver-              werden die Vernetzung zwischen den Wertschöpfungs-
ändern sich Geschäfts- und Wertschöpfungsmodelle. In-            stufen in horizontaler (Sektorenkopplung) und in vertika-
telligente Technologien verändern nicht nur die Art und          ler Richtung verstärken. Durch die Erweiterung digitaler
Weise der Stromproduktion, sondern beeinflussen auch             Plattformen wird die Transparenz der Märkte für alle Be-
Abrechnungsprozesse, vor allem aber Stromübertragung             teiligten verbessert:
und Verteilung sowie die Integration von Strom aus Anla-
gen der Verbraucher.                                             • In der industriellen Produktion begünstigt die fortge-
                                                                   setzte Automatisierung effizientere Prozesse und ver-
Die Stromnetze werden massiv verstärkt und erweitert,              mindert Energieverbrauch und Abfall.
um den künftigen Anforderungen gerecht zu werden.
DNV beziffert die weltweiten Stromnetzausgaben im Jahr           • Im Gebäudebereich führen Steuerungstechnologien
2050 auf über 900 Mrd. USD. Das ist mehr als das Dop-              zur Effizienzverbesserung. Mittels zusätzlicher Spei-
pelte gegenüber den vergleichbaren Ausgaben im Jahr                chermöglichkeiten in Gebäuden sind auch Rückfüh-
2019, die 400 Mrd. USD betrugen. Das künftige Netz                 rungen von Energie in die Netze möglich.

                                                                                                                             17


• Im Individualverkehr spielen Veränderungen der An-           derer Weise in normativen Szenarien. So steigt die weltwei-
  triebsart und neue Mobilitätskonzepte eine wachsen-          te Erzeugung von Wasserstoff im NEO Climate Scenario
  de Rolle. Neue Geschäftsmodelle bieten den Fahr-             (NCS) von BloombergNEF bis 2050 auf rund 800 Mio. t.
  zeugbesitzern Anreize, die Batterien ihrer Elektrofahr-      an. Um grünen Wasserstoff in dieser Menge produzieren
  zeuge als temporäre Komponenten für Flexibilität zur         zu können, sind mehr als 36.000 TWh zusätzliche Strom-
  Verfügung zu stellen.                                        erzeugung nötig – das sind 38 % mehr Strom als heute
                                                               weltweit jährlich erzeugt wird. Das würde, infolge einer Er-
In allen drei Sektoren wird die Digitalisierung zu einer       gänzung der Elektrifizierung, laut NCS zu einer auf rund
verbesserten Koordination zwischen Komponenten füh-            100.000 TWh vergrößerten Stromerzeugung im Jahr 2050
ren und damit das Gesamtsystem optimieren. Dies führt          führen – viermal so viel wie 2019 weltweit produziert wurde.
zu einem deutlichen Anstieg des Strombedarfs. Mit dem
zunehmenden EE-Anteil ist damit eine erhebliche Dekar-
bonisierung verbunden. Eine verstärkte Nutzung von             Einhaltung der Klimaziele
Strom in allen Sektoren wird entsprechend als Schlüssel-
element für die Dekarbonisierung gesehen.                      In allen einbezogenen exploratorischen Szenarien und
                                                               Projektionen wird das ambitionierte Ziel des Pariser
                                                               Übereinkommens verfehlt. Dies gilt selbst für das Unfini-
Rolle von Wasserstoff und synthetischen                        shed Symphony Scenario des WEC – trotz der in diesem
Brennstoffen                                                   Szenario unterstellten hohen internationalen Kooperati-
                                                               on, verbunden mit der Annahme, dass sich weltweit ein
Wasserstoff wird künftig eine zentrale Rolle bei der Trans-    einheitlicher CO2-Preis von mehr als 100 USD bis zum
formation der Energieversorgung eingeräumt. In den Be-         Jahr 2060 (ausgedrückt in 2010 USD) einstellt.
reichen, in denen erneuerbarer Strom nicht direkt einge-
setzt werden kann, eröffnen Wasserstoff und seine
Folgeprodukte (Power-to-X), die auf EE-Basis mittels
Elektrolyse hergestellt werden, zusätzliche Dekarbonisie-
rungspfade. Heute fossil erzeugter Wasserstoff, der in
                                                               Initiativen
                                                                Verstärkte politische
                                                                            zur CO -Vermeidung, 2

chemischen und industriellen Prozessen, etwa zur Her-
                                                               internationale Kooperation sowie
stellung von Ammoniak, genutzt wird, kann durch erneu-         CO2-Bepreisung sind zur Erreichung
erbar erzeugten Wasserstoff ersetzt werden. Für die treib-     der Klimaziele notwendig.
hausgasneutrale Erzeugung von Primärstahl ist der
Einsatz von Wasserstoff als Ersatz für Steinkohlenkoks
etwa technologisch vielversprechend.                           In keinem der untersuchten Szenarien wird das Ziel des
                                                               Pariser Klimaabkommens, den Anstieg der Temperatur
Im Verkehrssektor kann Wasserstoff in Brennstoffzellen         auf 2 °C, möglichst sogar auf 1,5 °C, zu begrenzen, er-
die CO2-freie Mobilität befördern oder als Basis für synthe-   reicht – mit Ausnahme der normativen; dort aber per
tische Kraftstoffe dienen. Im Luft- und Seeverkehr sind für    Definition. Die Realisierung des 1.5 °C Pathway von
die Dekarbonisierung klimaneutrale synthetische Brenn-         McKinsey und der IRENA erfordert nach deren Modell-
stoffe erforderlich. Außerdem kann durch die Einführung        rechnungen u. a. eine Verdreifachung des weltweiten
von Brennstoffzellenfahrzeugen, u. a. im öffentlichen Per-     Stromverbrauchs bis 2050 im Vergleich zum Stand von
sonennahverkehr (Busse, Züge), in Teilen des Straßen-          2019. Das Gleiche gilt für das Szenario Net Zero der IEA.
schwerlastverkehrs oder in der Logistik, die batterieelekt-    Erneuerbare wären noch stärker auszubauen. Weiterhin
rische Mobilität ergänzt werden. Auch im Gebäudesektor         müssten die Potenziale von Wasserstoff genutzt und die
sind synthetische Brennstoffe einsetzbar. Die vorhandene       Energieeffizienz massiv gesteigert werden. Ferner ist
Gasinfrastruktur kann hierfür effizient genutzt werden.        auch eine breite Umsetzung der Abscheidung und Nut-
                                                               zung bzw. Speicherung von CO2 unverzichtbar. Ergän-
Erneuerbar erzeugter Strom kann angebotsorientiert und         zend dazu werden auch Strategien zur Erzeugung nega-
flexibel in Wasserstoff umgewandelt werden; die damit          tiver Emissionen als erforderlich angesehen. Zu den
verbundene auch langfristige Speichermöglichkeit bietet        negativen Emissionstechnologien gehören u. a. die Auf-
sich für Strom bisher nicht.                                   forstung, Biomasse-Verstromung mit CCS, Direct Air CCS
                                                               sowie die Förderung von Kohlenstoffbindung im Boden
Die globale Produktion von Wasserstoff spielt in allen Sze-    durch Biomassewachstum.
narien und Projektionen eine wachsende Rolle – in beson-

18


 Abbildung 14: Globale CO2-Emissionen gemäß den Szenarien des World Energy Council in Mrd. t
        40
                                                Paris pledges
        35                                                                                                             Hard Rock
        30

        25
                                                                                                                       Modern Jazz
        20

        15        Erwarteter Temperaturanstieg*
                                                                                                                       Unfinished
        10        Modern Jazz:                                   etwa 2,5 °C                                           Symphony
                  Unfinished Symphony:                              2–2,3 °C
         5        Hard Rock:                                          > 3 °C

         0                                                                                                          1,5 °C Pfad
         1990             2000     2010          2020            2030           2040            2050            2060
             *bis
             * bis2100
                   2100                   Quelle: World Energy Council/Paul Scherrer Institute/Accenture Strategy, World Energy Scenarios 2019

Fazit                                                                 für die Industrie und den Transportsektor. Trotzdem wer-
                                                                      den auch künftig weltweit Öl sowie Erdgas und Kohle
Der weltweite Primärenergieverbrauch steigt auch künftig              noch in erheblichem Umfang genutzt werden. Deswegen
an – getrieben durch die erwartete weitere Bevölkerungs-              ist eine breite Umsetzung der Technologie der Abschei-
zunahme und den wachsenden Wohlstand der Schwel-                      dung und Nutzung bzw. Speicherung von CO2 unver-
lenländer. Allerdings unterscheidet sich die für die Zu-              zichtbar. Eine fortgesetzte Verbesserung der Energieeffi-
kunft sich abzeichnende Entwicklung deutlich von den                  zienz bleibt in allen Verbrauchssektoren ein wirkungsvoller
Trends der Vergangenheit sowie auch von Einschätzun-                  Hebel zur Senkung der Treibhausgasemissionen.
gen, die in früheren Jahren gemacht wurden.
                                                                      Die Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1.5–2 °C stellt
In allen Szenarien zeichnet sich eine Transformation vom              die größte Herausforderung in naher Zukunft dar: Eine
fossilen Zeitalter in künftig von erneuerbaren Energien               aktuelle Untersuchung der IEA zeigt, dass der Rückgang
geprägte Versorgungsstrukturen ab. Das Tempo des                      der Treibhausgasemissionen durch den dramatischen
Übergangs unterscheidet sich dabei in Abhängigkeit von                Einbruch der Weltwirtschaft aufgrund der COVID-
dem jeweiligen Szenario-Ansatz und den zugrunde ge-                   19-Pandemie ununterbrochen bis 2050 anhalten müss-
legten Annahmen. Für Öl und Erdgas wird der Höhe-                     te, um die Ziele des Pariser Abkommens noch zu errei-
punkt der weltweiten Nachfrage innerhalb der nächsten                 chen. Ob durch die Pandemie der Höhepunkt des
Jahrzehnte erreicht werden. Bei Kohle könnte der Peak                 Wachstums für fossile Energieträger und Treibhausgas-
Demand bereits 2013/2014 eingetreten sein. Der Beitrag                emissionen erreicht oder zumindest zeitlich vorgezogen
der Kernenergie dürfte in etwa auf dem gegenwärtigen                  wurde, bleibt noch unklar. Perspektivisch wird entschei-
Niveau stabil bleiben – ebenfalls mit unterschiedlichen               dend sein, wie sich große Treibhausgasemittenten klima-
Ausprägungen bei den verschiedenen Szenarien. Erneu-                  politisch aufstellen. Besondere Aufmerksamkeit verdient
erbare legen in einem zuvor nie dagewesenen Tempo zu.                 die Frage, ob bzw. wann die vor COVID-19 erwartete
Das gilt insbesondere für die normativen Szenarien, die               Entwicklung in Bezug auf fossile Energien und Treibh-
auf eine Einhaltung des Ziels gerichtet sind, den globalen            ausgasemissionen wieder erreicht wird oder ob als Folge
Temperaturanstieg unter 2 °C zu begrenzen.                            der Pandemie bereits weitere Peaks erreicht wurden,
                                                                      wie dies für die Kohle ohnehin bereits der Fall ist. Jüngs-
Eine gesteigerte Elektrifizierung in praktisch allen Ver-             te Zahlen legen den Schluss nahe, dass die globalen
brauchssektoren ist von essenzieller Bedeutung für die                Treibhausgasemissionen bis Mitte der 2020er Jahre zu-
angestrebte Dekarbonisierung der Energieversorgung. Öl                nächst in etwa wieder auf das Niveau des Jahres 2019
kann langfristig zu Teilen durch Wasserstoff und syntheti-            ansteigen und erst danach mit einer echten Wende ge-
sche Brennstoffe ersetzt werden. Dies gilt insbesondere               rechnet werden kann.

                                                                                                                                          19
WORLD ENERGY COUNCIL
Algeria                              Hong Kong, China      Nigeria
Argentina                            Hungary               Norway
Armenia                              Iceland               Pakistan
Austria                              India                 Panama
Bahrain                              Indonesia             Paraguay
Belgium                              Iran (Islamic Rep.)   Poland
Bolivia                              Ireland               Portugal
Bosnia and Herzegovina               Israel                Romania
Botswana                             Italy                 Russian Federation
Bulgaria                             Japan                 Saudi Arabia
Cameroon                             Jordan                Senegal
Chad                                 Kazakhstan            Serbia
Chile                                Kenya                 Singapore
China                                Korea (Rep.)          Slovakia
Colombia                             Kuweit                Slovenia
Congo (Dem. Rep.)                    Latvia                South Africa
Côte d’Ivoire                        Lebanon               Spain
Croatia                              Libya                 Sri Lanka
Cyprus                               Lithuania             Sweden
Dominican Republic                   Malta                 Switzerland
Ecuador                              Mexico                Tanzania
Egypt (Arab Rep.)                    Monaco                Thailand
Estonia                              Mongolia              Trinidad and Tobago
Eswatini (Kingdom of)                Morocco               Tunisia
Ethiopia                             Namibia               Turkey
Finland                              Nepal                 Ukraine
France                               Netherlands           United Arab Emirates
Germany                              New Zealand           United States of America
Greece                               Niger                 Uruguay

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