Leben im Dorfzentrum Alterswohnungen "Rosengärtli" Amden - Entstehungsgeschichte und erstes Betriebsjahr 2007 bis 2017 - Age-Stiftung

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Leben im Dorfzentrum Alterswohnungen "Rosengärtli" Amden - Entstehungsgeschichte und erstes Betriebsjahr 2007 bis 2017 - Age-Stiftung
Leben im
Dorfzentrum
Alterswohnungen «Rosengärtli» Amden

Entstehungsgeschichte und erstes Betriebsjahr 2007 bis 2017
Leben im Dorfzentrum Alterswohnungen "Rosengärtli" Amden - Entstehungsgeschichte und erstes Betriebsjahr 2007 bis 2017 - Age-Stiftung
Impressum

Trägerschaft
Genossenschaft Alterswohnungen Linth, GAW

Fotografien
Alice Angehrn, Seite 5
Thomas Angehrn, Seiten 12, 18 (2)
Friedrich Böhringer, Wikipedia, Seite 6
Hannes Bühler, Seiten 32, 33
Carole Fleischmann, Seite 17
GAW, Seite 22
Simon Rakeseder, Seiten 1, 8, 10, 13, 14,
18 (1), 20, 23 – 30, 45
Marianne Strickler, Seiten 39, 44
Bruno Wild, Seiten 35, 36, 38, 40

Pläne und Modelle
Simon Rakeseder, ABG Rakeseder GmbH

Autorin
Gerlind Martin

Gestaltung
René Imhof, Joel Kaiser

Dieser Bericht dokumentiert ein Förderprojekt
der Age-Stiftung – weitere Informationen dazu
unter www.age-stiftung.ch. Der Bericht ist in-
tegraler Bestandteil der Förderung und wurde
durch die Age-Stiftung in Auftrag gegeben.

Kontakt
Genossenschaft Alterswohnungen Linth, GAW
Bachdörfli 2, 8752 Näfels
www.gaw-linth.ch
Präsident Franz Landolt, Tel. 079 500 80 37

Januar 2018
Leben im Dorfzentrum Alterswohnungen "Rosengärtli" Amden - Entstehungsgeschichte und erstes Betriebsjahr 2007 bis 2017 - Age-Stiftung
Inhalt

4    Vorwort

5    Amden: Wachsende Gemeinde

7    «Rosengärtli»-Geschichte in sieben Kapiteln

8    Vom Erbe zur Albert Böni-Opawsky-Stiftung

16   «Etwas Zukunftsgerichtetes tun»

19   GAW: Erfahren und erfolgreich

21   Meilensteine der GAW-Geschichte

22   Bauen im steilen Amden

24   «Flachste Rampe» in Amden

25   Markant geplant, kooperativ gebaut

31   «Ein Cafe ist immer gut»

33   Mit allen Duzis – und doch nicht zu nah

34   «Jäten? Dafür brauchen wir ewig!»

36   Glücklich über kleinen Garten – hoffen auf mehr Kontakt

37   Zuständig für alle Anliegen

39   Vielleicht mehr Miteinander im zweiten Jahr

40   Mieterinnen-, Mieter-, Wohnungs­spiegel

42   Projektfinanzierung

43   Erfahrungen und Empfehlungen

45   Neue Wohnangebote: Zentral privat – mit Seesicht im Heim

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Leben im Dorfzentrum Alterswohnungen "Rosengärtli" Amden - Entstehungsgeschichte und erstes Betriebsjahr 2007 bis 2017 - Age-Stiftung
Vorwort

Insbesondere drei Protagonisten kommen               Dass aus der Vision Alterswohnungen im Dorf-
im folgenden Bericht ausführlich zu Wort. Sie        zentrum ein Lebensraum geworden ist, dafür
haben spezifische Verdienste an der Verwirkli-       sorgen die Mieterinnen und Mieter der 26
chung des Projekts Alterswohnungen «Rosen-           genossenschaftlichen «Rosengärtli»-Wohnun-
gärtli» in Amden:                                    gen. Im November 2017 sind das 22 Frauen
Thomas Angehrn als Initiant                          und 18 Männer, insgesamt 40 Personen.
Simon Rakeseder als Architekt                        Unter ihnen Ida und Hans Spörri-Gmür, Haus-
Franz Landolt als Bauherrenvertreter                 wartleute und erste Ansprechstation der
                                                     Mieterinnen und Mieter für alle Anliegen und
Das Projekt Alterswohnungen hängt eng zu-            viele Wünsche.
sammen mit dem bereits vorher neu gebauten
Dorfzentrum mit dem Cafe Löwen. Von den              Die Autorin dankt allen Gesprächspartnerinnen
ersten Ideen, über Planung und Bau bis zum           und -partnern herzlich: Sie haben mit ihren In-
Bezug der letzten Wohnung haben natürlich            formationen und Erzählungen, mit Unterlagen
unzählige Personen mitgewirkt und mitgear-           und Fotografien diesen Bericht ermöglicht.
beitet – in allen Phasen, auf vielen Ebenen.

Insbesondere sind dies:                               «Wir spürten die Verpflichtung,
 der Gemeinderat und die Behörden von
                                                       etwas Zukunfts­gerichtetes
   Amden
 der Stiftungsrat der Albert Böni-                              zu tun.»
   Opawsky-Stiftung                                                Thomas Angehrn
 das Architekturbüro ABG Rakeseder GmbH
 Ammlerinnen und Ammler                              «Ihre zentrale Lage in Amden ist
 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
                                                       das Herzstück und matchent-
   «Ammler Zitig»
 die Bauarbeiter und Handwerker vieler               scheidend für den Erfolg dieser
   Betriebe aus Amden und Umgebung                           Alterswohnungen.»
 die Wirtin und das Team des Cafe Löwen                             Franz Landolt
 der Verwaltungsrat der Genossenschaft
   Alterswohnungen Linth, GAW
 die Genossenschafterinnen und Genossen-
   schafter der GAW
 die Age-Stiftung Schweiz

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Amden: Wachsende Gemeinde

Tourismus, Landwirtschaft, Gewerbe und bis            Seit 2004 wächst die Zahl der Einwohnerin-
zu 800 Einwohnerinnen und Einwohner, die              nen und Einwohner jährlich um eineinhalb
auswärts arbeiten: Dies sind gemäss Gemein-           Prozent. Gemäss Vogt ziehen vor allem junge
depräsident Markus Vogt die vier wichtigen            Familien und Leute über 50 nach Amden,
ökonomischen Pfeiler der St. Galler Gemein-           sie sind «sportlich, mittelständisch, naturver-
de Amden. Arbeitsplätze gibt es in Amden in           bunden».
der Landwirtschaft, in Tourismus, Gast- und
Baugewerbe, im Dienstleistungssektor. Die
                                                      Ein Drittel der Bevölkerung ist 60+
meisten landwirtschaftlichen Haupterwerbs-
betriebe stocken ihr Einkommen durch einen            Aktuell leben rund 1800 Personen in der
Nebenerwerb auf, etwa im Wintertourismus              Gemeinde, knapp 180 haben einen ausländi-
(Sportbahnen, Skischule, Gastgewerbe).                schen Pass. Zirka 330 Personen sind 20-jäh-
Als charakteristisch für Amden nennt Ge-              rig und jünger. 598 Einwohnerinnen und Ein-
meindepräsident Vogt: hohe Lebensqualität,            wohner sind 60-jährig und älter: 308 Frauen,
gute Infrastruktur und intakte Dorfstruktur (33       290 Männer. Zirka 90 Personen leben in
lebendige Vereine), tiefe Steuern und ver-            einem Single-Haushalt; im Alters- und Pflege-
nünftige Baupreise. Amden sei nebelfrei und           heim Aeschen wohnen 22 Personen, die meis-
zentrumsnah.                                          ten sind einheimisch (vgl. Seite 45). In Amden

Blick auf Amden, das Bergdorf hoch über dem Walensee.

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Dorf leben knapp 1400 Personen, etwa 338              Sportplatz und Badeanlage mit Volleyballfeld.
in Fli-Amden am Walensee sowie 38 im Weiler           Das Dorf Amden ist eine Streusiedlung am
Betlis. In der Gemeinde gibt es hauptsäch-            Südhang, es gibt kaum Wege ohne Steigung/
lich Einfamilienhäuser, einen kleinen Anteil an       Gefälle, dafür weite Wege ins Zentrum mit
Mietwohnungen; in einzelnen Gebieten wird             Läden, Dienstleistungen, Schulen. Paare und
nun verdichtet gebaut.                                Familien sind meist auf mehrere Autos ange-
                                                      wiesen.
                                                      Der Bus zum Schnellzugbahnhof Ziegelbrücke
Streusiedlung am Südhang
                                                      fährt im ½-Stunden-Takt; die Autobahn ist in
Die Gemeindefläche beträgt knapp 43 km2               sieben Minuten erreichbar. Grob gesagt fahren
und erstreckt sich vom Walensee (419                  die Leute fürs Einkaufen nach Näfels, Sargans
M. ü. M.) bis zum Leistkamm (2101 M. ü. M.);          oder Rapperswil, zur Ausbildung nach Näfels
das Dorf liegt auf 900 Metern. Amden preist           oder Niederurnen, zur Arbeit nach Zürich, ins
sich an als «Sonnenterrasse» mit grossflä-            Glarnerland und Linthgebiet.
chigen Landschaftsschutz- und Naturschutz-
gebieten, mit zwei Moorlandschaften. Die
Gemeinde verfügt über Sporteinrichtungen
wie Hallenbad, Sportbahnen, Schützenhaus,

Amden von Süden, von den Glarner Alpen her gesehen.

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«Rosengärtli»-Geschichte
in sieben Kapiteln

Die meisten Mieterinnen und Mieter ziehen im Herbst 2016 in die 26 «Rosengärtli»-Wohnungen
im Zentrum von Amden ein. Für dieses Projekt haben die Albert Böni-Opawsky-Stiftung aus
Amden und die Genossenschaft Alterswohnungen Linth in Näfels zusammengespannt, zwei
Organisationen dies- und jenseits der Linth. Rückblick auf eine, auch in manch anderer Hinsicht
überraschende Geschichte.

Der wirkliche Beginn dieser gut 10-jährigen             Der Wunsch nach einem attraktiveren Dorf-
Geschichte liegt im Verborgenen: Denn nie-              kern leuchtet unmittelbar ein, ist doch das
mand weiss, weshalb der in Amden heimatbe-              einstmals prägende Hotel Löwen seit Jahren
rechtigte Albert Böni-Opawsky die Gemeinde              geschlossen. Eine «Hotel-Brache und keine Vi-
als Alleinerbin seines Vermögens einsetzte              sitenkarte für das Dorf», wie Thomas Angehrn
und wünschte, sie möge damit eine Stiftung              sagt. Doch warum Alterswohnungen im Zent-
gründen (vgl. Seite 8). Zwar haben seine Vor-           rum? Im Gespräch erinnert er sich an eine öf-
fahren in Amden gelebt, nie aber Albert Böni            fentliche Veranstaltung zu Altersfragen einige
selbst; er wohnte während der letzten 34 Jah-           Jahre zuvor, da sei über die in Amden fehlen-
re seines Lebens in Weinfelden, bis zu ihrem            den Alterswohnungen diskutiert worden. Nun,
Tod zusammen mit seiner Frau, der Opernsän-             im Jahr 2007, erkennen Thomas Angehrn und
gerin Margit Opawsky.                                   der Stiftungsrat eine Aufgabe. «Wir spürten
                                                        die Verpflichtung, etwas Zukunftsgerichtetes
                                                        zu tun.» (Vgl. Seite 16)
Kapitel 1: Stiftungsrat ergreift Initiative
                                                        Alterswohnungen versteht das Gremium dem-
2006 stirbt Albert Böni – und die Gemeinde              nach als eine Investition in die Zukunft – und
Amden erfährt, dass er sie zur Alleinerbin be-          macht sich daran, dafür das nötige Land zu
stimmt hat. Sie kann mit 3,2 Millionen Fran-            kaufen.
ken rechnen. Ein Jahr nach der Testaments-
eröffnung beginnt diese Geschichte richtig:
                                                        Kapitel 2: Verhandlungen
Jetzt tritt die Gemeinde Amden das Erbe von
                                                        und Landkäufe
Albert Böni-Opawksy an. Der Gemeinderat
beschliesst im Sinne des Erblassers, mit dem            Im Dezember 2009 (vgl. Zeitstrahl ab Seite 9) kön-
Geld eine von der Gemeinde unabhängige                  nen gemäss Angehrn «lange und schwierige»
Stiftung zur Förderung der Gemeinde Amden               Verhandlungen abgeschlossen werden: Die
zu errichten.                                           Böni-Opawsky-Stiftung kauft die «Löwen»-Lie-
Der erste Präsident der Albert Böni-Opaw-               genschaft (399 m2) und räumt der Verkäuferin
sky-Stiftung ist der vormalige Gemeindeprä-             ein Nutzungsrecht bis im März 2011 ein. «Um
sident Thomas Angehrn. Weil kaum Gesuche                wirklich langfristig eine gefreute Sache im
eingehen, wird der fünfköpfige Stiftungsrat             Dorfkern» zu realisieren, will der Stiftungsrat
selber aktiv: Er initiiert die heutige Überbauung       zusätzlich die hinter dem «Löwen» liegende
des Dorfkerns mit Geschäftshaus, Cafe Löwen,            «Rosengärtli»-Parzelle in seine Planung ein-
Bäckerei, Laden und 26 Alterswohnungen.                 beziehen. Erfolgreich verhandelt er mit den

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Vom Erbe zur Albert Böni-Opawsky-Stiftung

  In Amden war sein Urgrossvater zur Welt gekom-            werden». Deshalb werde eine Stiftung errichtet
  men, hier hatten seine Grosseltern gelebt. Albert         «mit dem Zweck, die Entwicklung der Gemeinde
  Böni aber, 1921 in Oberwangen geboren, wohnte             Amden zu fördern», insbesondere «die Lebens-
  selber nie im Bergdorf hoch über dem Walensee             qualität, die wirtschaftliche und gesellschaftliche
  – wann er letztmals in Amden weilte, ist nicht be-        Entwicklung, die Kunst und die Architektur».
  kannt.
  Er hatte Kontakt mit Amden, seit die Gemeinde
  1991 ihre Bürgerinnen und Bürger zum «Begeg-
  nungstag am Heimatort» eingeladen hatte. Als
  Amden später eine Aktion für die Sportbahnen
  lancierte, zeichnete er «grosszügig» Aktien; für
  die Generalversammlungen allerdings liess er sich
  regelmässig entschuldigen, wie Thomas Angehrn
  erzählt. Angehrn war damals Gemeindepräsident
  und schickte dem Aktionär nach jeder GV den Be-
  richt der «Ammler-Zitig», verbunden mit «Grüssen
  und guten Wünschen». Einmal besuchten er und              Albert und Margit Böni-Opawsky.
  seine Frau Albert Böni in Weinfelden, luden ihn zum
  Essen ein. «Wir trafen einen gesprächigen Mann,           Thomas Angehrn war der erste Stiftungsratsprä-
  der seit dem Tod seiner Frau, der Wiener Opern-           sident. Ende Juni 2007 nach 27 Jahren als Ge-
  sängerin Margit Opawsky, merkbar einsam war.»             meindepräsident zurückgetreten, war er frei für
                                                            das neue Amt. Nach dem Verkauf des Hauses von
  «Lebensqualität fördern»                                  Albert Böni in Weinfelden betrug das Stiftungsver-
  Was Albert Böni-Opawsky für Amden tat, über-              mögen 3,2 Mio Franken. Laut Thomas Angehrn
  raschte alle: Er vermachte der Gemeinde sein Ver-         gingen bei der Albert Böni-Opawsky-Stiftung
  mögen. 2007, als ein Jahr nach seinem Tod alle            kaum Gesuche ein. «Wir wollten nicht nur Geld ver-
  rechtlichen Fragen geklärt waren, trat Amden das          walten», deshalb wurde der Stiftungsrat selber ak-
  Erbe an. Der Gemeinderat liess die Bevölkerung            tiv: Die Stiftung kaufte die «Hotelbrache ‹Löwen›»
  wissen: Albert Böni habe testamentarisch ge-              und ein weiteres altes Haus im Dorf­zentrum. «Wir
  wünscht, sein «Nachlass möge im Rahmen einer              hatten die Idee einer Gesamtüberbauung mit Ge-
  Stiftung für gemeinnützige Zwecke verwendet               schäftshaus, Café und Alterswohnungen.»

Das alte Hotel Löwen im Dorfzentrum von Amden mit Vorplatz und Pavillon der Gemeinde.

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Besitzern und kann den Kauf des 2337 m2                 Gewünscht wird eine «Projekt- und Konzept-
umfassenden Grundstücks im August 2010                  skizze» für die Überbauung mit einem Mehr-
besiegeln. Der Bewohnerin des Hauses wird               familienhaus, nutzbar als «Alterszentrum
ein lebenslängliches Nutzungsrecht garantiert.          mit Synergien Café/Restaurant-Neubau»,
Dem Stiftungsrat liegt an einer «möglichst              zum Beispiel mit Alterswohnungen, Gemein-
guten Gesamtüberbauung für beide Grundstü-              schaftsräumen, Spitexstützpunkt, Tiefgarage.
cke». Deshalb entscheidet er sich für einen Ar-         Das Vorhaben erfolge «in engem Kontakt und
chitekturwettbewerb. Er arbeitet Vorstellungen          Absprache mit dem Gemeinderat», heisst es
zum Raumprogramm sowie die Rahmenbedin-                 in der Einladung an die Architekturbüros. Dies
gungen für den Projekt- und Ideenwettbewerb             nicht zuletzt deshalb, weil das südlich an die
aus. Für den entsprechenden Situationsplan              «Löwen»-Parzelle angrenzende Grundstück
(mit u.a. Wettbewerbsumgrenzung, Nutzungs-              der politischen Gemeinde zum Teil in die Pla-
zonen, privatrechtlichem Bauverbot, Bachsoh-            nung einbezogen werden könnte.
le und -verlauf) zieht er das örtliche Ingenieur-       Der Stiftungsrat, der Gemeinderat und die bei-
büro bei sowie ein Architekturbüro, das nicht           den Ratsschreiber bilden das «Preisgericht»
am Wettbewerb teilnimmt.                                für die in der Folge eingereichten sieben Pro-
                                                        jekte. Es wählt im Februar 2011 einstimmig
                                                        das Projekt des ortsansässigen Architekten
Kapitel 3: Wettbewerb, Sieger und …
                                                        Simon Rakeseder aus. Dessen Planung habe
Im Oktober 2010 ist es so weit: Es werden               als einzige die hinter dem «Löwen» liegenden
acht Architekturbüros aus der Region für den            Parzellen nicht entwertet, erinnert sich Tho-
Projektwettbewerb «Überbauung/Gestaltung                mas Angehrn. Das heisst: Der Architekt plante
Dorfkern Amden» eingeladen: Gemäss den                  einen vierstöckigen Haupt- mit einem zwei-
Unterlagen geht’s dabei um einen «Neubau                stöckigen Nebenbau und garantierte so, dass
Geschäftshaus mit Wohnungen, eventuell                  die dannzumaligen Mieterinnen und Mieter
Garni-Zimmer (Ersatzbau Hotel Löwen) mit                der Alterswohnungen freie Sicht auf die Glar-
Dorfplatzgestaltung» sowie um ein Cafe/Res-             ner Alpen haben. Und auch das sagt Thomas
taurant, eventuell mit Wintergarten auf dem             Angehrn: «Ja, klar, das war ein moderner Bau,
Vorplatz.                                               für den wir uns entschieden haben.» Das Dorf
Ausgeschrieben wird gleichzeitig ein Ideen­­            habe sich bereits davor verändert: eher unty-
wettbewerb für das hinter der «Löwen»-                  pische Mehrfamilienhäuser seien gebaut und
Parzelle liegende Gebiet «Rosengärtli»:                 im Dorfkern seien Gebäude «mit modernem

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Das neue Geschäftshaus mit Cafe Löwen, Bäckerei, Terrasse, 2-stöckigem Anbau und Gemeinde-Pavillon.

Touch, zeitgemässer Architektur» entstanden.           Für den 4. Juli lädt der Stiftungsrat die Be-
Es ist Anfang März, als der Stiftungsrat alle          völkerung zu einer Informationsveranstaltung
Wettbewerbs-Projekte öffentlich ausstellt und          ein und verspricht in der Einladung, «die An-
den Interessierten ein erstes Mal Red’ und             regungen der Unterschriftensammlung» zu
Antwort steht.                                         prüfen und das Projekt weiter zu entwickeln.
                                                       An der Veranstaltung präsentiert Architekt
                                                       Simon Rakeseder sein Projekt. Thomas An-
… ein Zwischenhalt:
                                                       gehrn zeichnet die bisherige Geschichte nach,
Kritik und Mitsprache
                                                       verweist auf die regelmässigen Informatio-
Im April erscheint unter dem Titel «Gestal-            nen des Stiftungsrats und betont, die Detail-
tung Dorfkern» ein kritischer Leserbrief in der        planung von Fassaden- und Dachgestaltung
«Ammler Zitig»: Die Einsenderin freut sich             sowie die Wahl der Materialien seien noch
zwar, dass endlich etwas getan werde und               nicht abgeschlossen. Das Projekt werde von
wieder Leben auf dem Dorfplatz einkehren               Stiftungsrat und Architekt weiter bearbeitet.
solle. An zwei Dingen aber stört sie sich: an          Gleichzeitig betont er: «Die Verantwortung
der Architektur des Siegerprojekts und daran,          und Entscheidung liegt allein beim Stiftungs-
dass der Stiftungsrat ohne Einbezug der Be-            rat.»
völkerung entscheide. Sie fordert eine Über-           «Wogen um Löwen-Überbauung Amden glät-
arbeitung des Projekts. An einer Unterschrif-          ten sich – vorerst», titelt die «Südostschweiz»
tensammlung zuhanden von Stiftungs- und                am 6. Juli: Etwa hundert Ammlerinnen und
Gemeinderat nehmen in diesen Wochen 336                Ammler hätten an der Aussprache teilgenom-
Personen teil: Sie opponieren damit gegen die-         men. Diese habe «die Gemüter offenbar etwas
se «moderne Architektur», fordern eine Über­           abgekühlt, aber nicht ganz besänftigt». Einen
arbeitung des Projekts und dass «die Interes-          Mit-Initianten der Unterschriftensammlung
sen der Bürger ernst» genommen werden.                 zitiert die Online-Ausgabe mit den Worten:

                                                  10
«Zufrieden bin ich nicht, aber ich werde jetzt          ostschweiz» unter dem Titel «Lob für über-
erst einmal die Baueingabe abwarten.»                   arbeitetes Projekt»: «Der Widerstand gegen
Im Rückblick sagt Thomas Angehrn: «Oppo-                die geplante ‹Löwen›-Überbauung in Amden
sition und Kritik kann man nie von vorneher-            hat sich aufgelöst. Vom überarbeiteten Projekt
ein ausschliessen», dazu hätten die Leute ja            sind auch die einstigen Kritiker begeistert.»
auch das Recht. Transparente Information sei            Und den Mitinitianten der Unterschriften-
wichtig. Das hätten er und seine damaligen              sammlung zitiert sie gar mit den Worten: «Es
Stiftungsratskolleginnen und -kollegen seiner           ist ein super Projekt.» Jetzt seien mit der ge-
Einschätzung nach richtig gemacht. Wichtig              planten «Löwen»-Überbauung «alle zufrieden».
sei aber auch, sich der Kritik zu stellen: «Wenn        Gemäss Auskunft von Thomas Angehrn gibt
man von Projekt und Vorgehen überzeugt ist,             es nach der Baueingabe keine Einsprachen
muss man hin stehen, standfest bleiben, argu-           gegen das Projekt Dorfzentrum. Es kann also
mentieren und kleine Kompromisse machen.»               gebaut werden. Bereits nach einem knappen
Sagt Thomas Angehrn, langjähriger, erfahrener           Jahr, im Dezember 2014, öffnet das Cafe
Gemeindepolitiker.                                      Löwen mit Restaurant, Bäckerei, Laden und
                                                        einer grossen Terrasse im Erdgeschoss des
                                                        neuen Geschäftshauses. Die Albert Böni-
Kapitel 4: Weiterarbeit, Lob und Bau
                                                        Opawsky-Stiftung verkauft die drei oberen
Im Dezember dann erfahren die Ammlerinnen               Geschosse und das Geschoss im Anbau an
und Ammler, wie Architekt und Stiftungsrat              mehrere Firmen, bleibt aber Besitzerin des
das Vorhaben überarbeitet, wie sie die Forde-           Cafe Löwen.
rungen der Opposition aufgenommen haben.                Und bereits hat der Stiftungsrat das nächste
Architekt Simon Rakeseder erklärt unter                 Kapitel in Angriff genommen: die Realisierung
anderem den Bezug des von ihm geplanten                 eines Alterszentrums, von Alterswohnungen.
Geschäftshauses zur traditionellen Bauwei-
se, er erläutert die historische Entwicklung
                                                        Kapitel 5: Stiftung findet Partnerin
des Vordachs in Amden. Sein Bau nehme
mit einem Vordach von wenigen Zentimetern               Von aussen gesehen, macht es den Ein-
diese Ursprünge wieder auf. Die Anwesenden              druck, bei diesem zweiten grossen Projekt
erfahren, dass das Hauptgebäude gemauert                der Stiftung sei manches einfacher. Das mag
und das zweigeschossige Nebengebäude mit                stimmen; viel Arbeit für den Stiftungsrat
einer traditionellen Lärchenschalung versehen           bringt nach Aussagen des Präsidenten aber
werden. Am 4. Dezember schreibt die «Süd-               auch dieses Vorhaben. So hat der Stiftungs-

                                                   11
rat bereits im Jahr 2013 die Frage eingehend           GAW mit 24 Alterswohnungen und eigenem
diskutiert, wer dereinst das Alterszentrum, die        Café. «Der Stiftungsrat ist beeindruckt von der
geplanten Alterswohnungen im Dorfzentrum               engagierten Tätigkeit dieser Genossenschaft
bauen und betreiben sollte. Eine Aktiengesell-         als soziale Institution, von den attraktiven
schaft? Eine Genossenschaft?                           Wohnungen und den verhältnismässig güns-
Mitglieder des Stiftungsrats mit geschäft-             tigen Mietzinsen», schreibt Thomas Angehrn
lichen Beziehungen zur Genossenschaft                  in der «Ammler Zitig» vom Januar 2014. «Der
Alterswohnungen Linth, GAW, bringen die                Stiftungsrat hat sich deshalb entschieden, das
Glarner ins Spiel. «Die Chemie zwischen dem            grosse Know-how der GAW Linth zu nutzen
Stiftungsrat und den GAW-Verantwortlichen              und mit dieser Genossenschaft zusammen zu
stimmte vom ersten Moment an», erinnert                arbeiten.»
sich Thomas Angehrn. «Die langjährigen                 Die Böni-Opawsky-Stiftung räumt der GAW
Vorstandsmitglieder sind unkompliziert und             ein Baurecht auf 100 Jahre für den Bau und
handeln nach dem Motto ‹Was man sagt, das              Betrieb von Alterswohnungen ein. Und sie de-
gilt›.» (Vgl. Seite 19)                                poniert ihr Interesse an zusätzlichen Räumen
Der Stiftungsrat verhandelt und besichtigt             in der Überbauung, zum Beispiel für eine Arzt-
zum Beispiel die «Zigerribi 2 und 4» in Ober-          praxis oder für die Spitex.
urnen, dort steht das neuste Wohnhaus der              Die GAW sei interessiert daran, im Dorfkern

Die Bauprofile markieren die Dimension der beiden genossenschaftlichen «Rosengärtli»-Häuser.

                                                  12
Modellaufnahme der markanten Häuser mit 26 Alterswohnungen im Dorfzentrum von Amden.

von Amden Alterswohnungen zu bauen, er-               eigenen und erfahrenen Hausarchitekten
gänzt GAW-Präsident Franz Landolt den Zei-            zusammen, erklärt Franz Landolt später im
tungsbericht. Er schreibt: «Unsere Erfahrung          Gespräch.
zeigt, dass Alterswohnungen mitten ins Zent-          Gemäss Thomas Angehrn hatte der einheimi-
rum gehören, damit Seniorinnen und Senioren           sche Architekt bereits beim Ideenwettbewerb
möglichst lange am täglichen Geschehen teil-          überzeugt: Als einziger entwarf er zwei Gebäu-
haben können.» Zu diesem Zeitpunkt hat die            de, gestaffelt angeordnet – beide mit Panora-
GAW bereits zwei Architekturbüros mit einem           masicht auf die Glarner Alpen und zum Teil mit
Studienauftrag betraut, die der GAW im Febru-         Sicht auf einen Zipfel des Walensees.
ar 2014 «die nötigen Entscheidungsgrundla-            «Simon Rakeseder hat den Wettbewerb über-
gen» für ihr Engagement liefern sollen.               legen gewonnen», erinnert sich Franz Landolt.
                                                      Es sei ein «sehr guter Entscheid» gewesen,
                                                      bei diesem Projekt den Architekten vor Ort
Kapitel 6: Schlag auf Schlag
                                                      beizuziehen. Im weiteren Verlauf des Projekts
Mit dieser Einladung an zwei Architektur­             bleibt sich die GAW dann aber treu: Simon
büros – der Verwaltungsrat lädt auch Architekt        Rakeseder ist bis zur Baubewilligung für das
Simon Rakeseder zum Projektwettbewerb ein             Projekt verantwortlich – die Ausführungspla-
– weicht die GAW von ihrem üblichen Vorge-            nung übernimmt danach die GAW mit ihren
hen ab. Normalerweise arbeite sie mit ihrem           eigenen Fachleuten (vgl. Seite 22). Doch soweit

                                                 13
Dorfkern Amden im Frühling 2016: Im Bau das Haus West (mit Baureklame), bereits fertig das Haus Ost
(rechts).

ist es noch nicht. Vorerst genehmigt die Ge-           ein Bauverbot, das sie aufheben möchte. Er-
nossenschaftsversammlung im März 2014 die              neut eine Aufgabe für Vertreter des Stiftungs-
Anträge ihres Verwaltungsrats: So ist sie damit        rats, erneut ist faires Verhandeln mit Privat-
einverstanden, dass die GAW in Amden und               personen gefragt – und offensichtlich sind sie
damit erstmals ausserhalb des Kantons Glarus           erfolgreich: Die Stiftung kann das bestehende
baut und weiter wächst; sie genehmigt das              Ferienhaus mit 400 m2 Umschwung kaufen
Projekt Rakeseder und den Projektierungskre-           und in der Folge das damit zusammenhän-
dit von 95 000 Franken.                                gende Bauverbot ablösen.
Im April 2014 dann können die Ammlerinnen              Für die geplante Überbauung ist zudem wich-
und Ammler in ihrer Zeitung lesen: Die Stif-           tig, dass das ganze, nunmehr 2743 m2 grosse
tung Albert Böni-Opawsky, Amden, und die               Areal in der gleichen Bauzone liegt. Dafür ist
Genossenschaft Alterswohnungen, GAW, Linth             eine Zonenplanänderung nötig. Der Stiftungs-
«haben sich entschieden, im Dorfzentrum von            rat lädt die Bevölkerung im Mai erneut zu
Amden 26 Wohnungen für Betagte und Be-                 einer Informationsveranstaltung ein, will seine
hinderte zu bauen und zu vermieten». Zur auf           «Gründe und die Auswirkungen für diese
den 28. April im «Rössli» angesetzten Orientie-        Zonenplanänderung offen legen».
rungsversammlung laden sie die Bevölkerung             Gegen die vom Gemeinderat befürwortete
gemeinsam ein – laut «Südostschweiz» neh-              Umzonung des Gebiets in die Kernzone 3
men rund 120 Leute teil. Franz Landolt erin-           gehen zwei Einsprachen ein. Gemäss Gemein-
nert sich an einen «Run auf die Vorreservation         deratsmitteilung können diese im Lauf des
der Wohnungen», gegen 40 Personen hätten               Sommers «gütlich erledigt» werden.
sich grundsätzlich interessiert.                       Im August wird, wieder im «Rössli», das Bau-
Dieweil bemüht sich die Stiftung, ihren Land-          eingabeprojekt von Simon Rakeseder öffent-
besitz im Dorfkern für die Alterswohnungen zu          lich vorgestellt. Ferner wird über das weitere
arrondieren: Im Bereich «Rosengärtli» besteht          Vorgehen und das Bauprogramm informiert

                                                  14
sowie über das Vermietungsprozedere, das               vier 4½-Zimmer-Wohnungen, ein Gästezim-
GAW-Präsident Franz Landolt organisiert.               mer, 17 Parkplätze in der Tiefgarage, zwölf
Diesmal sind etwa 100 Personen anwesend.               gedeckte und drei offene Parkplätze.
«Zwei Drittel der 26 ‹Rosengärtli›-Wohnungen           Mit dem Spatenstich am 17. März 2015
waren im Nu reserviert», erinnert sich Franz           beginnt die Realisierung des Bauprojekts,
Landolt. Für diesen Erfolg sei «die zentrale           knapp eineinhalb Jahre später, Mitte August
Lage das Herzstück und matchentscheidend»:             2016, zieht im Haus Ost das erste Ehepaar
kurze Wege zu Läden und Dienstleistungen,              ein. Mitte September gibt’s im «Rosengärtli»
das Cafe Löwen mit Bäckerei und eigenem                einen Tag der offenen Türe, der grosse Beach-
Laden, der unterirdische Verbindungsgang               tung findet. Der Grossteil der Mieterinnen und
von den beiden «Rosengärtli»Häusern direkt             Mieter zieht im Oktober ein. Unter ihnen sind
ins Restaurant (vgl. Seite 24).                        Thomas und Alice Angehrn. Heute, nach über
                                                       einem Jahr als Mieter und Mieterin, sind beide
                                                       des Lobes voll für die GAW. «Die machen das
Kapitel 7: Baubewilligung
                                                       schampar gut», sagt Angehrn. 2015 ist er als
und Spatenstich
                                                       Präsident der Albert Böni-Opawsky-Stiftung
Am 26. November 2014 informiert Franz                  zurückgetreten (vgl. Seite 16). Und noch heute
Landolt die ausserordentliche Generalver-              wundert und freut er sich über die gute Zu-
sammlung in Näfels über den Stand des                  sammenarbeit mit den Glarnern, da «die Linth
Projekts: «Die nötigen Voraussetzungen sind            ja eigentlich der Jordan ist».
sichergestellt!» Dazu gehören unter anderem:           Am 20. April 2017 genehmigt die GV der
die im November erteilte Baubewilligung der            GAW in Näfels die Bauabrechnung, die den
Gemeinde Amden, die gesicherte Finanzierung            Kredit um 58 000 Franken unterschreitet. Im
(vgl. Seite 42) und 32 provisorische Anmeldun-         Mai sind 25 der 26 Wohnungen bezogen. Im
gen. Gleichzeitig weist er darauf hin, bauen im        September zieht der bisher letzte Mieter im
Bergdorf Amden werde um etwa 10 Prozent                «Rosengärtli» ein. «Zur Zeit sind alle Woh-
teurer als im Unterland.                               nungen vermietet», heisst es seitdem auf der
Die GV folgt den Anträgen des Verwaltungs-             Homepage der GAW.
rats und genehmigt den Baukredit von 8,4
Millionen Franken für 26 Alterswohnungen im
Dorfkern von Amden: Das Projekt beinhaltet
zu diesem Zeitpunkt neun 2½-, dreizehn 3½-,

                                                  15
«Etwas Zukunftsgerichtetes tun»

Die Albert Böni-Opawsky-Stiftung mit ihrem Präsidenten Thomas Angehrn kaufte im Dezember
2009 das geschlossene Hotel Löwen. Damit initiierte sie die heutige Überbauung im Dorfzentrum
Amden mit Geschäftshaus, Restaurant und 26 Alterswohnungen im «Rosengärtli». Ein Rückblick
mit Alt-Gemeindepräsident und Alt-Stiftungsratspräsident Thomas Angehrn.

Wie war und wie ist heute die Beziehung               wohnungen Linth keine 4-Zimmer-Wohnungen
zwischen der Böni-Opawsky-Stiftung und der            erstellt, wären wir nicht umgezogen. Wir muss-
Gemeinde Amden?                                       ten vieles entsorgen, es war viel Arbeit – und
Thomas Angehrn: Die Stiftung ist von der Ge-          es war schön, das selber tun zu können. Wir
meinde unabhängig. Zwei Gemeinderäte sind             bereuen den Schritt nicht, wir sind jetzt sehr
Mitglieder des fünfköpfigen Stiftungsrats. Die        glücklich.
Stiftung publiziert ihre Rechnung und den
Tätigkeitsbericht jährlich in der Amtsrechnung        Fühlen Sie sich im «Rosengärtli» als Teil einer
der politischen Gemeinde.                             Hausgemeinschaft?
                                                      Wenn man einander begegnet, redet man zu-
Welches waren Ihre Aufgaben und Rollen?               sammen, auch ausserhalb von Amden. Nähe
1970 bin ich nach Amden gezogen. Bis 1980             und Distanz funktionieren, wir haben im Haus
war ich Gemeinderatsschreiber, danach 27              Kontakt, das kannten wir vorher nicht. Zurzeit
Jahre lang Gemeindepräsident. Nach meinem             wohnen hier wenige hochaltrige Personen –
Rücktritt im Juni 2007 habe ich das Präsidium         Gemeinschaft wird vielleicht mit den Jahren
des Rats der Albert Böni-Opawsky-Stiftung             wichtig. Und wenn etwas ist, sind Ida und
übernommen. Das bedeutete viel Arbeit und             Hans Spörri, unser Hauswartehepaar, besorgt.
viel Freude. 2015 bin ich zurückgetreten. Vor         Es ist ihnen ein Anliegen, dass es allen wohl
einem Jahr sind meine Frau und ich nach 40            ist, dass es den Leuten hier gefällt.
Jahren aus unserem Haus mit dem grossen,
schönen Garten aus- und in eine «Rosengärt-           Warum wollte die Böni-Opawsky-Stiftung im
li»-Wohnung eingezogen. Das Haus haben wir            Dorfzentrum Alterswohnungen bauen?
an Jüngere vermietet.                                 Seit einer gut besuchten Informationsveran-
                                                      staltung der Gemeinde zu Altersfragen Anfang
Waren Sie seit Beginn des Projekts daran              der 2000er-Jahre war das Bedürfnis nach
interessiert, dereinst in eine der Alterswoh-         Alterswohnungen bekannt. Private nahmen
nungen zu ziehen?                                     das Thema allerdings nicht auf. Im Stiftungs-
Nein. Doch dann haben wir gesehen, welch              rat arbeiteten innovative Leute mit, und wir
schöne Wohnungen hier entstehen, und haben            spürten die Verpflichtung, etwas Zukunftsge-
uns für diesen Schritt entschieden – aber             richtetes zu tun: Gut drei Millionen waren eine
nicht aus Begeisterung. Doch vernunftmäs-             feudale Ausgangslage.
sig war uns klar: Diese Gelegenheit müssen
wir packen, im Alter brauchen wir weniger             Was plante und baute die Stiftung?
Wohnraum. Hätte die Genossenschaft Alters-            Wir konnten im Dezember 2009 nach langen

                                                 16
Thomas Anghern, erster Präsident der Albert Böni-Opawsky-Stiftung.

und schwierigen Verhandlungen im Dorf-                 wichtig. Bereits beim Bau des Geschäftshau-
zentrum die Hotelbrache «Löwen», später                ses war der unterirdische rollstuhlgängige
ein weiteres Haus kaufen mit dem Ziel, eine            Durchgang vom Cafe Löwen zu den Woh-
Gesamtüberbauung zu realisieren, zuerst ein            nungen vorgesehen – die Stiftung hat ihn mit
Geschäftshaus mit Cafe, danach ein Alters-             250 000 Franken finanziert (vgl. Seite 24). Jetzt
zentrum und Alterswohnungen. Der Dorfkern              geht’s praktisch allen «Rosengärtli»-Mietern
Amdens sollte wieder lebendiger, freundlicher          und -Mieterinnen gesundheitlich gut, aber bei
und für alle attraktiver werden. Der Standort          Einschränkungen ist dieser geschützte Zu-
für Alterswohnungen mitten im Dorf ist ideal:          gang zum Cafe mit Bäckerei und Laden ideal.
Läden, Gemeindehaus, Busstation in der                 Das Cafe kann für die Mieterinnen und Mieter
Nähe – und im Winter wird hier der Schnee              ein Treffpunkt werden.
am ehesten geräumt. In einem ersten Schritt
baute die Stiftung das Geschäftshaus mit dem           Hat die Pächterin des Restaurants Auflagen
Cafe Löwen. Alle Stockwerkeinheiten hat sie            gegenüber den Mieterinnen und Mietern im
verkauft, das Cafe Löwen mit Bäckerei und              «Rosengärtli» zu erfüllen?
Verkaufsladen gehört ihr.                              Nein, sie hat keine sozialen Auflagen. Es ist
                                                       schwierig, einen solchen Betrieb zu führen,
Warum bleibt die Stiftung Besitzerin                   und es war nicht einfach, jemanden zu finden.
des Cafe Löwen?
Das Restaurant mit Terrasse ist strategisch            Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Ge-
wichtig fürs Dorf und eine gute Visitenkarte.          nossenschaft Alterswohnungen Linth, GAW,
Die Stiftung will hier weiterhin mitentschei-          in Näfels?
den können. In Amden sind alle Bäckereien              Dem Stiftungsrat war es wichtig, dass die Al-
und mehrere Restaurants eingegangen. Die               terswohnungen langfristig bestehen und nicht
Versorgung der Bevölkerung ist der Stiftung            zum Beispiel durch Erben verkauft werden

                                                  17
können. Mit der GAW fand er eine erfahrene
Trägerin, die bereit war, die Alterswohnungen,
basierend auf dem Siegerprojekt von Architekt
Simon Rakeseder, zu bauen – und auch zu be-
treiben. Die Chemie zwischen dem Stiftungs-
rat und den GAW-Verantwortlichen stimmte
vom ersten Moment an: Die langjährigen
GAW-Vorstandsmitglieder sind unkompliziert
und handeln nach dem Motto «Was man sagt,
das gilt» (vgl. Seite 19). Wir hätten wohl nicht den
Mut gehabt, so gross zu bauen wie die GAW.
Ich persönlich glaubte nicht, dass es Bedarf
für 26 Alterswohnungen gibt. Mit der GAW hat
die Böni-Opawsky-Stiftung einen Baurechts-
vertrag über 100 Jahre abgeschlossen.
Die Stiftung hat für 250 000 Franken Genos-
senschaftsanteile gezeichnet, die verzinst
werden.

Das Cafe Löwen im Dorfzentrum von Amden, mit Bäckerei und Laden, ist täglich geöffnet.

                                                       18
GAW: Erfahren und erfolgreich

Die Genossenschaft Alterswohnungen Linth in Näfels ist die grösste Baugenossenschaft im Kan-
ton Glarus. Mit dem Bau der 26 «Rosengärtli»-Alterswohnungen im St. Gallischen Bergdorf Am-
den engagiert sie sich im 22. Jahr ihrer Geschichte erstmals ausserkantonal und auf 900 Meter
über Meer. Viel «Fronarbeit» und wenige Reglemente sind charakteristisch für die Arbeitsweise
der GAW-Verantwortlichen.

Die Genossenschaft Alterswohnungen Linth,              in die Darlehenskasse der GAW ein – als Rück-
GAW, im glarnerischen Näfels zählt per 30.             lage für allfällige Schäden oder für Räumun-
Juni 2017 gemäss eigenen Angaben 581 Ge-               gen bei Auszug oder Todesfall.
nossenschafterinnen und Genossenschafter
und verfügt über ein Kapital von rund 12,333
                                                       «Mitten ins Zentrum»
Mio Franken. Die Genossenschaftsanteile von
5000 Franken werden laut Präsident Franz               «Unsere Erfahrung zeigt, dass Alterswoh-
Landolt «attraktiv verzinst», 2016 mit 1,5 Pro-        nungen mitten ins Zentrum, ins Leben ge-
zent. Die GAW ist vom Kanton Glarus steuer-            hören, damit diese älteren Menschen nicht
befreit mit der Auflage, dass Personen, die            ausgegrenzt werden und das Tägliche selber
nicht GAW-Mitglieder sind, gleichberechtigt            erledigen können», schreibt die Genossen-
Wohnungen mieten können. Laut Vermie-                  schaft. Während der Bewegungsradius kleiner
tungsreglement werden Wohnungen «in der                werde, bleibe der Wunsch nach einem schö-
Regel an über 60-jährige Personen vermietet».          nen, bequemen Zuhause gross. Die GAW baue
Sie müssen ihren Haushalt selbstständig, «al-          deshalb langlebige, moderne und helle Woh-
lenfalls unter Mithilfe» führen können.                nungen zu fairen Preisen. Gemäss Präsident
                                                       Landolt hält sie zehn Prozent ihrer Wohnungen
                                                       frei für Leute mit bescheidenem Einkommen.
220 Personen, 176 Wohnungen
«Die GAW-Linth investiert in Erneuerung und
                                                       Ziele und Visionen
in neuen Wohnraum, um die Genossenschaft
langfristig zu sichern und den heutigen Be-            Was sie erreichen will, beschreibt die GAW so:
dürfnissen an Wohnraum und Wohnformen                   «Wir bieten behinderten, gesunden und
gerecht zu werden», heisst es in ihrem Porträt.          betagten Menschen alters- und invaliden-
Heute leben 220 Personen in 176 alters- und              gerechten Wohnraum an, damit diese mög-
behindertengerechten 2½- bis 4½-Zimmer-                  lichst lange selbständig bleiben können.
Wohnungen in zehn Liegenschaften. Diese                 Wir fördern damit gleichzeitig, dass Häuser
stehen in Näfels, Oberurnen, Niederurnen                 und grosse Wohnungen für Familien frei
(Gemeinde Glarus-Nord), Netstal (Gemeinde                werden.
Glarus) und in Amden (Kanton St. Gallen). Die           Wir setzen auf Nachhaltigkeit, indem wir
GAW ist nach eigenen Angaben die grösste                 langlebige Baumaterialien im Aussen- und
Baugenossenschaft im Kanton Glarus. Pro                  Innenbereich einsetzen und energiebe-
Zimmer zahlen die Mietenden 1000 Franken                 wusst bauen.

                                                  19
 Wir vergeben die Aufträge an Unternehmen            mieten.» Ebenfalls kein Hindernis sei leichter
  der Region, die wir kennen und von denen            Pflegebedarf. Die Wohnungen seien behin-
  wir wissen, dass diese gute Arbeit liefern,         dertengerecht und zum Beispiel für Personen
  Leute gut beschäftigen wie auch in der              mit einer MS-Erkrankung geeignet, ebenfalls
  Region Verantwortung tragen.»                       für jüngere Personen mit einer Behinderung.
                                                      Schwieriger, so Landolt, werde es bei allein-
                                                      stehenden, an einer Demenz in einem fortge-
Wohnungsmix ist Chefsache
                                                      schrittenen Stadium erkrankten Personen. Für
Präsident Franz Landolt führt mit allen Perso-        ihre Pflege müssten Verwandte und Fachkräf-
nen, die sich für eine Wohnung interessieren,         te wie die Spitex besorgt sein.
Gespräche. Er ist für den Mix besorgt und
entscheidet über die Vergabe der Wohnungen.
                                                      Schlüsselrolle für Ansprechpersonen
«Es gibt keine Altersguillotine. Auch Leute
im Alter zwischen 85 und 90 Jahren können             In ihren Siedlungen will die GAW «klare Ak-
                                                      zente für genossenschaftliche Wohnqualität»
                                                      setzen. Wichtig sind ihr «Mitsprache, Mitver-
                                                      antwortung, gegenseitige Hilfe zur Selbsthilfe
                                                      wie auch Solidarität» unter der Mieterschaft.
                                                      In ihrem Konzept spielen Hauswartinnen
                                                      und Hauswarte eine «Schlüsselrolle» (vgl. Seite
                                                      37). Sie sind erste Ansprechpersonen sowie
                                                      wichtige Dienstleistende «zum Nutzen» der
                                                      Bewohnerinnen und Bewohner. Voll- oder Teil-
                                                      zeit angestellt, sollen sie eine gute Verbindung
                                                      zwischen Mieterschaft und Verwaltung garan-
                                                      tieren.

                                                      Verwaltungsrat mit «Fronarbeit»
                                                      Der 8-köpfige Verwaltungsrat samt Präsi-
                                                      dent erledige seine Aufgaben mehrheitlich
                                                      «in Fronarbeit», hält Landolt fest. Er ist seit
                                                      1996 Mitglied des Verwaltungsrats, seit 2002
                                                      Präsident. Der Ingenieur und Betriebsleiter ist
                                                      beruflich und politisch gut vernetzt: Unter an-
                                                      derem war er in der Gründungszeit der Genos-
                                                      senschaft Gemeinderat und Baupräsident in
                                                      Näfels; er war Parteipräsident und Gemeinde-
Baureklame am Haus West.                              parlamentarier; seit 1986 ist er Glarner Land-

                                                 20
rat (Kantonsparlament), bis 2013 für die CSP,
seitdem für die neu gegründete Grünliberale            Meilensteine
Partei. Im Verwaltungsrat der GAW arbeiten             der GAW-Geschichte
Fachleute verschiedener Branchen mit.
                                                       1992 wird die Genossenschaft Alterswohnun-
                                                       gen Näfels gegründet mit dem Ziel, in Näfels
Wenig reglementiert
                                                       20 Wohnungen zu bauen. Treibende Kräfte
Mieterinnen und Projektpartnern fallen die             sind die «Grauen Panther» und die Christlich
unkomplizierte Arbeitsweise des Verwaltungs-           Soziale Partei (CSP).
                                                       Die Idee, günstige Wohnungen für ältere Per-
rats und die gute Zugänglichkeit der verant-
                                                       sonen zu bauen, ist bereits in mehreren Grup-
wortlichen Personen auf. «Es funktioniert mit          pen diskutiert worden; an einer Besprechung
offensichtlich wenigen Regelungen gut», sagt           1991 nahm auch Gemeinderat und Baupräsi-
Markus Vogt, Gemeindepräsident von Amden.              dent Franz Landolt teil.
Das gefällt auch dem Architekten Simon Rake-           Die Genossenschaft will die Selbstständigkeit
seder: «Gibt es Reglemente, so fällt raus, wer         älterer Personen fördern und preisgünstige
                                                       Wohnungen anbieten. Sie rechnet damit, dass
nicht in die Norm passt. In der GAW wird vieles
                                                       so Häuser und grosse Wohnungen für Familien
individuell besprochen und entschieden.»               frei werden.

                                                        1995 lädt die Genossenschaft zum Tag der
Erstmals ausserkantonal aktiv
                                                         offenen Tür im Letz 17 in Näfels ein, ins ers-
Mit ihrem Engagement in Amden baute die                  te von ihr erstellte Haus mit 21 Woh­nungen.
                                                        2001 wird die Genossenschaft als soziale
GAW erstmals ausserhalb des Kantons Glarus.
                                                         Institution von Bundes- und Kantons­steuern
Diesem Schritt stimmte die Genossenschafts-
                                                         befreit. Die Liegenschaft Letz 19 wird bezo-
versammlung im März 2014 zu. Franz Landolt               gen.
führte für diese geografische Ausweitung                2007 Bezug des 3. Blocks, Letz 18, in Nä-
unter anderem folgende Gründe ins Feld: Am-              fels.
den ist eine attraktive Gemeinde, der Standort          2008 Eröffnung der Liegenschaft Zigerribi 2
ist zentral, die Kontakte zwischen der Albert            mit eigenem Kaffee in Oberurnen.
                                                        2009 Neue Statuten und neuer Name: Ge-
Böni-Opawsky-Stiftung und der GAW sind sehr
                                                         nossenschaft Alterswohnungen (GAW) Linth.
gut, und «Amden liegt extrem nahe beim Kan-             2010 Bezug der Liegenschaft am Denk­
ton Glarus, am gleichen See».                            malweg in Näfels.
                                                        2013 ist die Liegenschaft Zigerribi 4 in Ober­­
                                                         urnen fertig.
                                                        2014 Eröffnung der Geschäftsstelle.
                                                        2016 Fusion mit GAW Niederurnen.
                                                        2016 Im Herbst ziehen die ersten Mieterin-
                                                         nen und Mieter in die «Rosengärtli»-Häuser
                                                         in Amden, Kanton St. Gallen, ein.
                                                        2017 Fusion mit GAW Netstal.

                                                  21
Bauen im steilen Amden

Franz Landolt hat es an der ausserordentlichen Versammlung der Genossenschaft Alterswoh-
nungen Linth, GAW, im November 2014 in Näfels vorausgesagt: Bauen in Amden wird bis zu zehn
Prozent teurer als im Flachland, denn es muss in den Hang hinein gebaut werden. Und: «Aushub-
arbeiten im steilen Gelände dauern ewig.»

Am 17. März 2015 beginnen die Bauarbeiten               Spritzbeton und 1500 Meter Anker. Die Tief-
für die beiden «Rosengärtli»-Häuser mit dem             bauarbeiten sind komplizierter, teurer – und
Spatenstich. Nun ist, wie immer bei ihren Pro-          sie dauern drei Monate länger als vorgesehen.
jekten, die GAW mit ihrem Bauleiter Fritz Lan­          Erst im August beginnen deshalb die Bau-
dolt verantwortlich. 3000 m3 Fels und Stein             meisterarbeiten fürs östlich gelegene Haus.
müssen herausgebrochen und abtransportiert              Doch vor Wintereinbruch erhält das Haus Ost
werden. Aufgrund von Erfahrungen und von                sein Dach. Dank des schneearmen Winters
Resultaten eines Sondierschlitzes rechnen die           mit insgesamt «nur» etwa eineinhalb Metern
Verantwortlichen mit felsigem Baugrund. Ein             Schnee wird praktisch ohne Baustopp durch-
Irrtum. Die 14 Meter hohe Aushubböschung                gehend gearbeitet. Viel Regen und nochmals
muss aufwändig gesichert, stärker als geplant           einige Verzögerungen bringt der Frühling
abgestützt werden, zum Beispiel mit 800 m3              2016.

Spatenstich mit Stiftungs- und GAW-Verantwortlichen, Franz Landolt (2. v. l.), Thomas Angehrn, Simon Rake-
seder (2. und 3. vorn).

                                                   22
Am Grund der 14 Meter tiefen Baugrube liegt der Verbindungsgang, darüber die Tiefgarage.

Im Rückblick ist GAW-Präsident Franz Landolt            der Verspätung im Baufahrplan erwarten sie
zufrieden. Grosses Lob zollt er dem erfah-              den Umzug in einer Ferienwohnung.
renen GAW-Bauleiter Fritz Landolt und dem
«tollen Bauunternehmen, das mit guter Arbeit
                                                        Wohnen neben Baustelle
dazu beigetragen hat, Kosten zu senken».
Praktisch vom Bürotisch aus kann Architekt              Für die «Ammler Zitig» hält Hannes Bühler
Simon Rakeseder den Fortgang der Arbeiten               erste Eindrücke fest: «Mitte August bezogen
verfolgen: «Die Arbeiter haben permanent                wir unsere 4½-Zimmer-Wohnung im 2. Stock;
sechs Tage pro Woche gearbeitet, der                    alles funktionierte bestens. Der untere Block
Polier war super, und der Bauleiter war                 war aber noch eine grosse Baustelle mit ent-
immer da.»                                              sprechend viel Lärm und Staub. Dies galt auch
Im April ist der unter der Tiefgarage gebaute           für den Vorplatz zu unserer Wohnung an der
30 Meter lange Verbindungsgang zwischen                 Hänslistrasse. Vom Zügelwagen bis zur Haus-
dem Cafe Löwen und den beiden «Rosen­                   türe verlegte ich viel Plastik und Karton, um
gärtli»-Häusern fertig. Im Mai wird die Aufrich-        den Dreck in unserer Wohnung tief zu halten.»
tung des Attikageschosses im Haus West ge-              Und: «Das Rosengärtli hat sich seit unserem
feiert. Im Juli ist der Innenausbau im Haus Ost         Einzug gewaltig verändert. Die Gestaltung der
beendet – Mitte September werden der Bau-               Umgebung ist nahezu fertig.» Sein Fazit: «Wir
abschluss gefeiert und die Häuser mit einem             bereuen gar nichts. Simon Rakeseder hat sehr
Tag der offenen Türe eingeweiht. Im Oktober             schöne und qualitativ hochstehende Mehr­
beginnt der offizielle Bezug der Häuser. Einige         familienhäuser entworfen.» («Ammler Zitig»,
Mieterinnen und Mieter sind allerdings bereits          Mai 2017).
da. Zum Beispiel Ruth und Hannes Bühler: Sie
haben ihr Haus in Amden verkauft und sind
schon früh im Sommer ausgezogen – wegen

                                                   23
«Flachste Rampe»
in Amden

Den unterirdischen Verbindungsgang zwi-
schen dem Cafe Löwen und den Alterswoh-
nungen im «Rosengärtli» hat die Albert Bö-
ni-Opawsky-Stiftung bereits früh vorgesehen.
Bei jedem Wetter und bei eingeschränkter
Mobilität sollen die Bewohnerinnen und Be-
wohner ins Cafe Löwen gelangen, in der
Bäckerei und im Laden einkaufen können
(Planskizze und Bild des Rohbaus rechts).
Die Stiftung hat den gut 30 Meter langen, roll-
stuhlgängigen Verbindungsgang mit 250 000
Franken finanziert. Gemäss Architekt Simon
Rakeseder ist dies mit einer Steigung/Nei-
gung von sechs Prozent die wohl «flachste
Rampe» in Amden.
Der schmucklose Gang führt vom Cafe Löwen
unter der Tiefgarage hindurch ins 3. Unter-
geschoss des Hauses West. Doch unterwegs
kommt man ins Staunen: Auf zehn Metern hat
Simon Rakeseder in einem eindrucksvollen,
farbigen Wandbild festgehalten, was hinter
dieser Wand zu sehen wäre: die Glarner Alpen
(Bild unten).

                                                  24
Markant geplant, kooperativ gebaut

Die Alterswohnungen im «Rosengärtli» sind der zweite Teil der Zentrumsüberbauung in Amden.
Geplant hat diese Häuser der Architekt Simon Rakeseder, gebaut hat sie die Genossenschaft
Alterswohnungen Linth. In diesem Projekt arbeiten Fachleute zusammen, die sich bisher nicht
kennen. Ein Beispiel dafür, wie zwei unterschiedliche Philosophien zu einem geglückten Bauwerk
führen.

Vor fünfzehn Jahren ist Simon Rakeseder                 Zwei Philosophien
nach Amden gezogen. Hier plant und baut er
                                                        Simon Rakeseder ist für das «Rosengärtli»-
unter anderem Einfamilienhäuser – vor einigen
                                                        Projekt bis zum Zeitpunkt der Baubewilli-
Jahren auch das eigene Haus, in dem er mit
                                                        gung verantwortlich. Gemäss ihrem Leitsatz,
seiner Familie lebt. Mit dem Auftrag Überbau-
                                                        als Bauherrschaft den Lead zu haben, über-
ung Dorfkern Amden macht sich der Architekt
                                                                                 nimmt die GAW die
FH und diplomierte
                                                                                 Verantwortung für die
Berufsfachschullehrer
                                                                                 Ausführungsphase
2011 selbstständig.
                                                                                 (vgl. Seite 22). Rakese-
Als «Auftakt zu einem
                                                                                 der erhält das Recht,
neuen Dorfzentrum»
                                                                                 in den Sitzungen des
versteht Rakeseder
                                                                                 Bauausschusses dabei
das von ihm konzi-
                                                                                 sein und als gestalteri-
pierte Geschäftshaus
                                                                                 scher Leiter weiterhin
mit dem Cafe Löwen
                                                                                 Einfluss nehmen zu
(vgl. Seite 7). In dessen
                                                                                 können. In dieser Zu-
Dachgeschoss richtet
                                                                                 sammenarbeit «muss-
er 2013 seine ABG Ra-
                                                                                 ten zwei Philosophien
keseder GmbH ein; hier
                                                                                 zusammenfinden», er-
arbeitet er zusammen mit einer Zeichnerin
                                                        zählt er. Beispielsweise plante er Holzhäuser,
EFZ, bildet auch Nachwuchs aus. Der grosszü-
                                                        eine geringere Ausnutzung des Dachgeschos-
gige Raum mit einem Zwischenboden im Ost-
                                                        ses und mehr Zeit für Details und Finish. «Zu-
teil ist sparsam möbliert, hat Fenster nach drei
                                                        erst musste ich Federn lassen, dann konnte
Seiten und bietet gegen Süden eine faszinie-
                                                        ich für meine Überzeugungen argumentieren
rende Aussicht auf Firzstock, Mürtschenstock,
                                                        und dafür einstehen.»
Fronalpstock, Glärnisch und Wiggis. Die Berg-
                                                        Die GAW-Verantwortlichen seien erfolgreich,
kette hat Simon Rakeseder, der offensichtlich
                                                        weil sie eine klare Linie hätten und gleichzeitig
nicht nur für seine Pläne zeichnet und malt,
                                                        bereit seien, auf Neues einzugehen. «Er hatte
im Verbindungsgang zwischen dem Cafe
                                                        keine Erfahrung in der Zusammenarbeit mit
Löwen und den «Rosengärtli»-Wohnungen auf
                                                        uns, also haben wir jede einzelne Wohnung
ein zehn Meter langes Wandbild gebannt
                                                        aufgrund seiner Projektgrundlage zusammen
(vgl. Seite 24).
                                                        diskutiert», sagt GAW-Präsident Franz Landolt.

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Und Simon Rakeseder erläutert: «Bei Mei-               Übermass, das geniessen die Bewohnerin-
nungsverschiedenheiten wollte niemand et-              nen und Bewohner der meisten Häuser und
was durchdrücken, wir haben zusammen die               Wohnungen im Bergdorf. Wer Ammlerinnen
beste Lösung gesucht. So funktioniert gute,            und Ammler mit neuen Wohnungen zum
kooperative Zusammenarbeit im Gegensatz zu             Umzug aus einem Haus mit viel Sonne, einer
Konfrontation.»                                        Wohnung mit grossartiger Aussicht bewegen
                                                       will, der muss also genau dies bieten: Sonne
                                                       und Aussicht. Gerade bezogen auf Alterswoh-
Sonne und Aussicht
                                                       nungen, betonen Fachleute diesen Aspekt:
Auf diese Art wird es offensichtlich möglich,          Personen, die vieles aufgeben – Eigenheim,
dass Rakeseders «hoher Funktionalismus»,               vertraute Wohnung, viel Platz, Unabhängig-
seine zeitgemässe Architektur, die Zick-               keit, Umschwung, Gewohntes, tiefen Zins –,
Zack-Fassade sowie die Überzeugung,                    möchten vieles dafür erhalten. Zum Beispiel
zwei Arten Sonnenlicht in Loggen und Woh-              tolle, praktische, pflegeleichte Wohnung, Lift,
nungen zu bringen, weitgehend zum Zuge                 Läden, Dienstleistungen, Treffpunkte und ÖV
kommen.                                                in der Nähe, anregendes Wohnumfeld, gute
Sonne und Aussicht: Das bietet Amden im                Nachbarschaft. Und in Amden mit jeder Ga-

Der offene Küchen-, Ess- und Wohnbereich im Haus West mit geschützter Loggia und Ausblick auf den Mürt-
schenstock.

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Direktes Sonnenlicht in der Loggia, je nach Jahreszeit unterschiedlich tiefe Sonneneinstrahlung im Wohn-
bereich.

rantie: Sonne und Aussicht.                            Helligkeit und Aussicht. Gleichzeitig strahlt die
Das weiss Simon Rakeseder als Einwohner                Sonne indirekt – je nach Tages- und Jahreszeit
von Amden; und er weiss es, weil er sich im            – unterschiedlich weit in die Wohnung hinein,
Vorfeld seiner Projekteingaben mit Alterswoh-          «und man fühlt sich drinnen, als wäre man
nungen, mit hindernisfreiem Bauen intensiv             draussen».
beschäftigt hat. «Sonne und Aussicht», so lau-
tet seine Maxime bei der Planung der «Rosen-
                                                       Einfache, markante Form
gärtli»-Häuser. Für jede Wohnung berechnet
er die Sonneneinstrahlung im Tages- und                Die Baustruktur beschreibt ihr Architekt als
Jahreszeitenverlauf. Seine Ziele sind, direktes        «repetitiv, Gleiches wiederholt sich»: Je Haus
Sonnenlicht und passive Sonnenenergie zu               gibt es fünf sichtbare Wohngeschosse, darun-
nutzen, grosse Helligkeit und viel Aussicht zu         ter die Einstellhalle und den rollstuhlgängigen
erreichen.                                             Durchgang ins Cafe Löwen. Die Häuser sind
Das gelingt, indem er statt durchgehender              nach Süden ausgerichtet und gestaffelt ange-
Balkone eine mit beweglichen Glasscheiben              ordnet. Das führt dazu, dass alle Wohnungen
windgeschützte Loggia neben den grossfens-             Aussicht nach zwei Seiten haben. Jeweils der
trigen Ess-Wohnraum stellt. Die Loggia ist             Mittelteil der Eternit-Fassaden ist grau-weiss
so gross, dass vier Personen gemütlich drin            gehalten, die Seitenflügel in einem tiefen Rot.
essen können. «Wegen der Temperaturen auf              Im Mittelteil des Hauses Ost zieht sich einer
dieser Höhe kann man auch bei Sonnenschein             Schlange gleich ein weisses Band, ausgehend
nicht lange auf einem normalen Balkon sein»,           oben rechts vom Dach, jedem Geschoss ent-
sagt der Architekt. Die windgeschützte Log-            lang bis zuunterst. Ästhetische Details sind
gia nun bietet bei offenen Scheiben direktes           Simon Rakeseder, bei aller Funktionalität, ein
Sonnenlicht, bei geschlossenen Scheiben                Anliegen.

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