LEBENSRAUM HOCHSTAMM-OBSTGÄRTEN - AKTIONSPLAN
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AKTIONSPLAN LEBENSRAUM HOCHSTAMM-OBSTGÄRTEN IM REGIONALEN NATURPARK SCHAFFHAUSEN Bernhard Egli Stephan Trösch
2 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Impressum Herausgeber Regionaler Naturpark Schaffhausen Wilchingen TEIL 1 Fördermassnahmen für Hochstammobstgärten und Obstsortenvielfalt Autor Dr. Bernhard Egli Projektleiter Natur & Landschaft Regionaler Naturpark Schaffhausen bernhard.egli@naturpark-schaffhausen.ch www.naturpark-schaffhausen.ch TEIL 2 Fördermassnahmen für Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz Autor Stephan Trösch Feldornithologe und Fotograf stephantroesch-fotografie@bluewin.ch www.stephantroesch-fotografie.ch | www.shorebirder.ch Lektorat Brigitte Girsberger Layout und Design Stephan Trösch Foto Titelseite und Seite 5 Stephan Trösch Fotos Seite 7 Ilmarin Pesenti Fotos Seite 31 Ingrid Fürderer (Wendehals, Wiedehopf) Marcel Ruppen (Gartenrotschwanz) Stephan Trösch (Steinkauz) Copyright 2019 Regionaler Naturpark Schaffhausen Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 3 Inhaltsverzeichnis Teil 1 - Fördermassnahmen für Hochstamm- 5 obstgärten und Obstsortenvielfalt Teil 2 - Fördermassnahmen für Gartenrot- 27 schwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz Literatur- und Quellenverzeichnis 60 Anhang 62 Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 5 TEIL 1 Fördermassnahmen für Hochstamm- Obstgärten und Obstsortenvielfalt Bernhard Egli Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 7 Inhaltsverzeichnis Einleitung 8 Lebensraum Obstgarten 8 Aktivitäten des Vereins Obstgarten-Aktion 8 Schaffhausen Vernetzungsprojekte im Kanton Schaffhausen 10 Interreg-Projekt 2009-2012 12 Regionaler Naturpark Schaffhausen 14 Projekt Ökologische Infrastruktur der Region 16 Schaffhausen 2016-2017 Aktionsplan Lebensraum Obstgarten (& Vögel 23 der Hochstamm-Obstgärten) Regionaler Naturpark Schaffhausen
8 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Aktionsplan Lebensraum Obstgärten Einleitung Lebensraum Obstgarten Im Jahre 1987 startete der Schweizer Vogelschutz-Birdlife (SVS) eine Kampagne «Lebensraum Obstgärten». Da wurde erstmals pu- blik und bewusst, dass Hochstamm-Obstgärten einen wertvollen Lebensraum für seltene Obstgarten-Vogelarten darstellen. Obst- gärten prägen die Landschaft, sehr bedeutend um die Dörfer und Gehöfte. Zudem bieten sie ein vielfältiges Angebot an Früchten, Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen/Pflaumen, Quitten und Nüs- sen. Hochstamm-Obstgärten haben ab etwa 1950 um über 60% stark abgenommen. Grosse Bautätigkeit um die Dörfer herum, die Umstellung auf produktivere Niederstammanlagen wie auch Über- alterung der Bestände und die Umstellung des Konsumverhaltens waren die Gründe. Im Kanton Schaffhausen schrumpfte die Zahl der Hochstämmer von 242‘299 im Jahr 1886 auf 193‘341 im 1929 und auf 56‘094 im Jahr 1981, was ein Rückgang um 77% ergibt. Aktivitäten des Vereins Obstgarten-Aktion Schaffhausen Animiert durch die Kampagne «Lebensraum Obstgärten» des SVS wurde 1987 in Schaffhau-sen die Arbeitsgruppe «Obstgarten-Ak- tion Schaffhausen» (OGA) gebildet, später als Verein konstituiert. In Zusammenarbeit mit dem Präsidenten Karl Stoll vom 1985 ge- gründeten Verein fructus zur Erhaltung alter Obstsorten, wurden in der Region Schaffhausen erste Ausstellungen und Pflanzungen von kleinen Obstsortengärten Ende der 1980er Jahre durchge- führt. Seit 1996 wird jedes Jahr zusammen mit der Stadt Schaff- hausen und dem Kanton Schaffhausen verbilligte Hochstamm- Obstbäume an Landwirte und weitere Interessierte abgegeben. Seit 2014 beteiligt sich auch der Regionale Naturpark Schaffhau- sen. Von 1996 bis 2016 wurden über 4700 Hochstämme abgege- ben, verbunden mit Sortenberatung an Obstsorten-Ausstellungen. Aus den jährlichen Daten des kantonalen Landwirtschaftsamtes (Zahlen und Fakten zur Schaffhauser Landwirtschaft, Ausgabe 2017) ergibt sich, dass der langjährige Trend des massiven Rück- gangs an Hochstamm-Obstbäumen aufgefangen werden konnte. Bei den Hochstamm-Obstbäumen BFF-Q1 ergab sich von 2003 bis 2016 noch ein Rückgang um 9%, bei dem früheren massiven Rück- Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 9 gang an Hochstamm-Obstbäumen also etwas aufgefangen wer- den konnte. Die Anzahl Hochstamm-Obstbäume BFF-Q2 konnte im Zeitraum von 2008 bis 2016 von 886 auf 12688 Stück gesteigert werden, was einer Zunahme von 1432% entspricht. Dies zeigt, dass die Förderprogramme des Bundes zusammen mit dem Engage- ment vor Ort und den Umsetzungen der örtlichen Vernetzungs- projekte zum Tragen kommen. Die alle vier Jahre erarbeitete Ökobilanz der Stadt Schaffhausen zeigt auch die langfristige Entwicklung der Obstgartenfläche und der Anzahl Hochstamm-Obstbäumen auf dem Stadtgebiet. 2018 konnte nach bisher laufendem Rückgang erstmals eine Zunahme Hochstamm-Obstbäume festgestellt werden. Insbesondere konn- ten mit den Baumpflanzaktionen sehr viele der seltenen Schaff- hauser Lokalsorten abgegeben werden (siehe Tab. 1). Insgesamt wurden zwischen 1996 und 2016 1161 Hochstammobstbäume der Schaffhauser Lokalsorten gepflanzt. Abb. 1. Anzahl gepflanzter Hochstammobstbäume unter Leitung des Vereins Obstgarten-Aktion Schaffhausen (4729 Stück von 1996 – 2016); (Abb. 14 im Bericht Ö-Infra). Regionaler Naturpark Schaffhausen
10 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Vernetzungsprojekte im Kanton Schaffhausen Seit rund 20 Jahren läuft das Programm «Vernetzungsprojekte» des BLW, mit Biodiversitätsförderflächen, welche spezifisch für ausgewählte Zielarten gepflegt werden. Das erste Vernetzungs- projekt im Kanton Schaffhausen startete im Jahr 2003 im Gebiet Eschheimertal-Griesbach der Stadt Schaffhausen und Beringen. Seit 2016 ist das ganze Kantonsgebiet mit 17 Vernetzungsprojek- ten abgedeckt (siehe Abb. 2). Zahlreiche dieser Vernetzungspro- jekte sind stark auf die Förderung der Hochstamm-Obstgärten und ihrer typischen Vogelarten ausgerichtet. Insbesondere in den Pro- jekten Thayngen-Unterer Reiat, Siblingen, Beggingen, Oberhallau, Hallau-Wilchingerberg-Trasadingen, Reiat, Gächlingen und Berin- gen-Löhningen-Neuhausen gelten Gartenrotschwanz und Wen- dehals als Zielarten z.T. auch noch der Wiedehopf. Abb. 2. 17 Vernetzungsprojekte laufen im Kanton Schaffhausen Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 11 Die Vernetzungsprojekte, in denen rund 20% der landwirtschaft- lichen Nutzfläche wertvolle Biodiversitätsförderflächen und Auf- wertungsflächen für die Zielarten darstellen, sind die idealen Ins- trumente, um Artförderprogramme in der Landwirtschaft umsetzen zu können. Eine zentrale Aufgabe dieses Aktionspla- nes ist es, eine optimale Zusammenarbeit mit den Trägerschaften der Vernetzungsprojekte mit Obstgarten-Vogelarten als Zielar- ten zu entwickeln sowie auch die biologischen Grundlagen zu- handen dieser Vernetzungsprojekte zu liefern. Als Beispiel dient Abb. 3 zum Vernetzungsprojekt Thayngen-Unterer Reiat. Abb. 3. Detailkarte Hochstammobstgärten im Vernetzungsprojekt Thayngen-Unterer Reiat 2016-2021 (Abb. 24 des Projektberichts «Ö-In- fra»). Das Beispiel aus dem Vernetzungsprojekt Thayngen-Unterer Reiat zeigt die hohe Dichte an BFF-Flächen, insbesondere der Hoch- stamm-Obstgärten. Legt man einen 100m-Puffer um alle BFF-Elemente (ohne Obstgärten) ergeben sich nur noch wenige Stellen, welche nicht verbunden sind und wo in der laufenden Vernetzungsphase weitere Ökoelemente zu schaffen sind. Regionaler Naturpark Schaffhausen
12 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Interreg-Projekt «Obstgarten- Vogelarten» 2009-2012 In einem Interreg-Projekt „Obstgarten-Vogelarten“ von 2009 – 2012 in der Region Hegau – Kanton Schaffhausen – Jestetten-Klett- gau bis Waldshut wurden neben der Förderung von Obstgärten speziell die Obstgarten-Zielarten Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz gefördert (siehe Projektbericht 2012). Das Projekt wurde geleitet von den BUND Waldshut-Tiengen und Kreisverband Konstanz und dem Verein Obstgarten-Aktion Schaff- hausen. Im Rahmen des Projekts wurden 13 Hochstamm-Obstgär- ten aufgewertet, über 2100 Hochstämme und 200 Wildsträucher gepflanzt, über 500 Nistkästen für Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz aufgehängt und zwei ökologische Ver- netzungsprojekte in Zusammenarbeit mit Landwirten initiiert. An Öffentlichkeitsarbeit wurden zwei Obstbaumlehrpfade erstellt und ein Sortengarten errichtet, zahlreiche Obstsorten-Ausstellungen durchgeführt, 18 Obstbaumschnittkurse mit rund 150 Teilnehmen- den organisiert, ein Dutzend Schulklassen zum Thema Streuobst- wiesen geführt, 56 Exkursionen mit rund 400 Teilnehmenden durchgeführt. Nachdem der Wiedehopf seit 1987 nicht mehr in der Region Schaffhausen gebrütet hatte, konnte die Naturschutzorga- nisation „Wangental Natur pur“ im Jahr 2011 eine erste erfolgrei- che Brut bei Osterfingen vermelden. Seither können jährlich Brut- erfolge oder zumindest Einzelvorkommen in der Region beobachtet werden. Abb. 4. Grenzüberschreitendes Interreg-Projekt „Obstgartenvogelarten“ 2009-2012; Vorranggebiete mit Teilprojekten: rot Schaffhausen/ Zürich/Thurgau 11 Gebiete/Projekte, grün Hegau DE 11 Gebiete/Projekte, orange Klettgau-Schwarzwald DE 7 Gebiete/Projekte. Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 13 Abb. 5. Begehung der Ortsgruppe im Streuobstgebiet bei Büsslingen im Hegau. - Foto: B. Egli Abb. 6. Vogelexkursion im Streuobstgebiet Hegau bei Steisslingen. - Foto: B. Egli Regionaler Naturpark Schaffhausen
14 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Regionaler Naturpark Schaffhausen Die Natur-Projekte des Naturparks Schaffhausen richten sich nach den Ansprüchen von rund 100 Zielarten. Im Bereich «Obstgarten- förderung» sind dies: Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz, dazu die Fledermausart Graues Langohr sowie die Zielartengruppe «lokale Obstsorten». Während der Errichtungs- phase von 2014-2015 wurden 20 Hochstammobstgärten u.a. mit speziellen Nistkästen/Niströhren der Obstgarten-Vogelarten auf- gewertet (siehe türkisgrüne Punkte in Abb. 9). Die Zielartengruppe «lokale Obstsorten» wird weiterhin mit der Beratung interessierter Kreise an Obstsorten-Ausstellungen und der Abgabe von verbilligten Hochstamm-Obstbäumen weiter ge- fördert. Von 2016-17 führte der Naturpark zusammen mit dem Kanton Schaffhausen das Projekt Ökologische Infrastruktur durch, wo auch der Lebensraum Obstgarten untersucht wurde. Abb. 7. Hochstamm-Obstgarten im Reiat Schaffhausen. - Foto S. Trösch Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 15 Schaffhauser Sorten Anzahl Schaffhauser Sorten Anzahl Äckerli, Typ Reiat 80 Lohnemer Ömli 7 Altenburger 25 Löhninger Mehlbirne 28 Äugschtler Typ Reiat 38 Löhninger Rosen 97 Begginger Glocken 55 Matthias Claudius 32 Beringer Kirsche 9 Metzgerapfel 9 Bölleöpfel 49 Petersapfel (Diessenhofer) 38 Brachet 8 Rädler 6 Brühlmanns Butterbirne 25 Rafzer Weissapfel 18 Findling von Sigmaringen 6 Rosenstreifling 32 Gailinger Rosen 30 Sämling Siblingen 2 Glockenbirne 16 Schmelzling 35 Guntalinger 12 Schnejhäldeler (Rüdlinger Weissapfel) 9 Hallauer Maien 55 Schöne von Bibern 4 Hallauer Ömli 67 Siblinger Fraurotacher 92 Hallauer Dornbirne 16 Speierling 18 Hasenbirne 13 Steinmüribirne 16 Jestetterli 25 Striitapfel 3 Julibirne 1 Wutach Reinette 3 Kirchhöfler Typ Reiat 30 Weisser Konstanzer 1 Klettgauer Dornbirne 33 Ziparte gelb, Typ Schaffhausen-Hemmental 50 Klingöhrli 10 Chrieche blau, Typ Schaffhausen-Reiat 28 Lederapfel süss (Akzession) 1 Zwiebelbirne 15 Tab. 1. Gepflanzte Hochstammobstbäume, aufgeschlüsselt nach Schaffhauser Sorten (Tab. 2 aus dem Bericht Ökologische Infrastruktur der Region Schaffhausen 2016-2017). Regionaler Naturpark Schaffhausen
16 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Projekt «Ökologische Infrastruktur 2016-2017 in der Region Schaffhausen» Einleitung Mit dem Pilotprojekt zur Förderung der ökologischen Infrastruktur konnten wichtige Datengrundlagen für die Region Schaffhausen erstmals flächendeckend, digital und georeferenziert erfasst und kombiniert dargestellt werden. Die Verwendung dieser Grundla- gen für die Auswertungen und die Massnahmenplanung stellt ein sehr wichtiger Mehrwert für die Arbeiten an der ökologischen Inf- rastruktur dar. Dank des vom BAFU grosszügig unterstützten Pilot- projekts konnten Entscheidungsgrundlagen geschaffen werden, die für die Weiterarbeit im Naturpark und allgemein für die Natur- werte im Kanton Schaffhausen essentiell sind. Gemäss Arbeitsliste «Prioritäre Lebensräume» (BAFU Frühling 2017) gehört auch der «Hochstammobstgarten» zu den prioritären Lebensräumen der Schweiz mit nationaler Priorität 2 und als stark gefährdet eingestuft. Abb. 8. Auszug aus dem Projekt Ökologische Infra- struktur 2016-2017 in der Region Schaffhausen, «Be- schreibung der 58 Ziellebensräume Schaffhausen». Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 17 Abb. 9. Lebensraum Obstgärten, Soll-Plan (Abb. 28 des Projektberichts Ökologische Infrastruktur 2016-2017 in der Region Schaffhausen). Regionaler Naturpark Schaffhausen
18 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Lebensraum Obstgärten mit 6 Zielarten Graues Langohr, Der Lebensraum Obstgärten ist im Biotopverbundperimeter wie im Gartenrotschwanz, Wendehals, ganzen Kanton Schaffhausen noch recht ausgeprägt. Dank dem Wiedehopf, Steinkauz, nunmehr 30-jährigen Engagement des Vereins Obstgarten-Aktion lokale Obstsorten Schaffhausen, zahlreicher Ortsgruppen auf deutscher Seite und nicht zuletzt dank dem grenzüberschreitenden Interregprojekt „Förderung seltener Obstgarten-Vogelarten“ sind zahlreiche Obst- gärten in Pflege genommen sowie unzählige neue Obstbäume ge- pflanzt worden. Im Kanton Schaffhausen sind zudem im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft zwei Obstsortengärten mit rund 600 Sorten gepflanzt worden, die seit 2003 fachgerecht un- terhalten werden. 2011 konnte zudem nach über 20 Jahren wieder eine erfolgreiche Wiedehopfbrut in der Region verzeichnet wer- den. Lebensraumvernetzung Nr. 1 & 6 (Pfeil-Nrn. auf der Karte Abb. 9): Die Vernetzung zwischen Jestetten, Lottstetten und Rüdlingen- Buchberg ist seit 2014 durch ein Obstgarten-Förderprojekt des Na- turparks als Nachfolgeprojekt des Interreg-Projekts Obstgarten- vögel 2009-2012 gewährleistet. Lebensraumvernetzung Nr. 2 & 7: Die Vernetzung zwischen Trasa- dingen und Erzingen/Griessen ist gewährleistet durch das Inter- reg-Projekt und kann mit diesem Biotopverbundprojekt verstärkt werden. Obstgarten-Förderprojekt des Auf Schaffhauser Seite läuft seit 2014 ein Vernetzungsprojekt Hal- Naturparks seit 2014 lau-Wilchingerberg-Trasadingen. Lebensraumvernetzung Nr. 15: Vernetzung zwischen den Gemein- den Jestetten/Lottstetten-Dettighofen und Klettgau mit einer langfristigen Pflegekonzeption der überalterten Streuobstbestän- de. Obwohl die Hochstamm-Obstgärten ein dichtes Netz der Durch- grünung in weiten Teilen des Kantons Schaffhausen aufweisen und der massive Rückgang an Hochstämmern der vergangenen Jahr- zehnte gestoppt werden konnte, befinden sich zahlreiche Obstgär- ten in ungepflegtem Zustand und sind überaltert. Die ausgewähl- ten fünf Obstgarten-Zielarten Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf, Steinkauz und Braunes Langohr sind sehr selten, teil- weise vor rund 20-30 Jahren ausgestorben. Die wenigen Vorkom- men sind isoliert, die Populationen noch instabil. Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 19 Rüdlingen – Lottstetten / Jestetten - Neuhausen und Trasadin- 1/2 gen – Erzingen / Griessen o.k., die Zusammenarbeit mit Ortsgruppen in Jestetten/Lottstet- ten sowie Klettgau/Griessen läuft intensiv im Rahmen der Natur- park-Aktivitäten und des Projekts Biotopverbund. Bargen – Wiechs - Altdorf Die Zusammenarbeit mit BUND- und NABU-Ortsgruppen sowie 3/4 der Gemeinden im Hegau während dem Interreg-Projekt Obst- gartenvögel 2009-2012 ist seit Projektende eingestellt. Buchthalen – Büsingen – Dörflingen – Ramsen 5 o.k.; Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit läuft zwischen Schaffhausen-Büsingen und Dörflingen über das Vernetzungs- projekt Schaffhausen-Ost; mit Gailingen läuft eine Zusammenar- beit des Vereins „Obstgarten-Aktion Schaffhausen“ mit dem Gai- linger „Arbeitskreis Streuobst“. Rüdlingen – Jestetten – Wangental – Osterfingen 6 o.k.; Die Vernetzung zwischen Buchberg-Rüdlingen und Lottstet- ten/Jestetten ist gewährleistet durch ein Obstgarten-Förderpro- jekt des Naturparks seit 2014 als Nachfolgeprojekt des Inter- reg-Projekts Obstgartenvögel 2009-2012. Eine Verbindung zwischen Osterfingen und Jestetten mittels Hochstammobstgärten existiert nicht, trotzdem sind nach der ers- ten Wiedehopfbrut Exemplare in Jestetten aufgetaucht. Trasadingen – Erzingen – Griessen 7 o.k.; Die Vernetzung zwischen Trasadingen und Erzingen/Griessen ist gewährleistet durch ein Obstgarten-Förderprojekt des Natur- parks seit 2014 als Nachfolgeprojekt des Interreg-Projekts Obst- gartenvögel 2009-2012. Reben Südhänge Randen – Klettgau bis Schaffhausen 8 o.k.; Die Vernetzung zwischen Hallau/Oberhallau über Gächlin- gen-Siblingen-Löhningen-Beringen ist gewährleistet durch ein Obstgarten-Förderprojekt des Naturparks seit 2014 als Nachfol- geprojekt des Interreg-Projekts Obstgartenvögel 2009-2012. Oberhallau – Babental – Schleitheim – Beggingen 9 Zielarten kommen in Gächlingen, Schleitheim und Beggingen nicht vor, mit Ausnahme eines Auftretens des Wiedehopfs in den Reben am Müliweg bei Schleitheim. Die Gründe sind unklar. Regionaler Naturpark Schaffhausen
20 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 10 Randen – Beggingen, Bargen – Merishausen Eine Zielartenverbindung zwischen der Merishauser Randenhoch- fläche und Beggingen mit Gartenrotschwänzen ist durch breite Waldgürtel unterbrochen. Zwischen Merishausen und Bargen funktioniert die Verbindung über einzelne kleine Obstgärten. 11 Hofen – Büsslingen und Bibern – Thayngen o.k.; Die Vernetzung zwischen Hofen – Büsslingen und Bibern – Thayngen ist gewährleistet durch ein Obstgarten-Förderprojekt des Naturparks seit 2014 als Nachfolgeprojekt des Interreg-Pro- jekts Obstgartenvögel 2009-2012. Die Zielarten-Ausbreitung von Büsslingen nach Hofen ist leider noch nicht erfolgt. 12 Buchthalen – Büsingen – Dörflingen – Ramsen Die Vernetzung zwischen Buchthalen und Büsingen bis Dörflingen läuft über das Vernetzungsprojekt Schaffhausen-Ost. Die Verbin- dung weiter über Gailingen in die Ramser Ebene ist noch unterbro- chen. Es fehlen im oberen Kantonsteil Zielarten-Fundmeldungen Ramsen – Rielasingen 13 Eine Zielarten-Ausbreitung von Rielasingen und Singen nach Ram- sen ist leider noch nicht erfolgt. Stein am Rhein – Oehningen 14 Eine Zielarten-Ausbreitung von Oehningen nach Stein am Rhein ist leider noch nicht erfolgt. Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 21 Handlungsbedarf Lebensraum Obstgärten Der Zustand der Hochstamm-Obstgärten muss folgendermassen verbessert werden: ■ Organisation einer periodischen Pflege wertvoller, verwahrlos- ter Obstgärten ■ Verjüngung des Baumbestands wertvoller Obstgärten ■ Aufwertung der Strukturen der Obstgärten mit der Schaffung von Kleinstrukturen ■ Förderung der Obstgarten-Zielarten durch Bereitstellung art- spezifischer Nistkästen und deren Betreuung Grenzüberschreitende Lebensraumvernetzung Zur Vernetzung der Obstgärten zur grenzüberschreitenden Le- bensraumvernetzung sind Kontakte mit Partnern zu knüpfen und Kooperationen zu organisieren. Oberhallau – Babental – Schleitheim – Beggingen Aufwertung der bestehenden Obstgärten mit artspezifischen Nist- kästen und Schaffung von Kleinstrukturen, allenfalls Förderung von extensiven Weideflächen. Randen – Beggingen Aufwertung der bestehenden Obstgärten mit artspezifischen Nist- kästen und Schaffung von Kleinstrukturen und die Förderung von extensiven Weideflächen wird durch das Vernetzungsprojekt Beg- gingen umgesetzt. Buchthalen und Büsingen bis Dörflingen und über Gailingen nach Ramsen Über das Vernetzungsprojekt Schaffhausen-Ost soll die Verbindung zwischen Buchthalen und Büsingen bis Dörflingen umgesetzt wer- den. Um eine Lebensraumverbindung von Dörflingen über Gailingen in die Ramser Ebene soll durch den Aufbau einer Kooperation mit Gailinger Stellen aufgebaut werden. Zielarten-Ausbreitung von Rielasingen und Singen nach Ramsen sowie von Oehningen nach Stein am Rhein Im Rahmen des Vernetzungsprojektes Stein soll mit der Schaffung und Aufwertung von Obstgärten die Verbindung zu den deutschen Nachbargemeindegebieten Rielasingen und Oehningen geschaf- fen werden. Regionaler Naturpark Schaffhausen
22 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Definition von Massnahmen zum Lebensraum Obstgärten im Naturparkperimeter ■ Aktionsplan Lebensraum Obstgarten (integriert die schweizeri- schen Aktionspläne für Wiedehopf und Steinkauz, ergänzt durch Gartenrotschwanz und Wendehals). ■ Beratung in Obstsorten und Abgabe von Hochstamm-Obstbäu- men. ■ Artspezifische Nistkästen für Wiedehopf, Gartenrotschwanz und Wendehals sowie Niströhren für Steinkauz. ■ Entwicklung einer grenzüberschreitenden Lebensraumvernet- zung; es sind Kontakte mit Partnern zu knüpfen resp. eine Ko- operation aufzubauen. Eine Kooperation kann auf den ehema- ligen Projektpartnern des Interreg-Projektes 2009-2012 angestrebt werden; mit Umsetzung ab 2020. Abb. 10. Blick vom Kanton Schaffhausen über die Grenze hinaus in den Hegau als Zeichen einer grenzüberschreitenden Lebensraumver- netzung. - Foto S. Trösch Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 23 Aktionsplan Lebensraum Obstgarten (& Vögel der Hochstamm-Obstgärten Einleitung Mit dem Projekt «Ökologische Infrastruktur in der Region Schaff- hausen 2016-2017» wurden für den Lebensraum Obstgarten fol- gendes ausgearbeitet (siehe Kap. 2): ► Kurzbeschrieb des national prioritären «Lebensraum Hoch- stamm-Obstgärten, Streuobstwiesen (Nr. 8.1.4 nach Systematik des BAFU)» ► Defizitanalyse mit Detailangaben zur grenzüberschreitenden Lebensraumvernetzung und zur Artvernetzung ► Handlungsbedarf zum Lebensraum Obstgärten ► Konzeptioneller Soll-Plan ► Definition von Massnahmen zum Lebensraum Obstgärten im Naturparkperimeter Der Aktionsplan, Teil 2 «Vögel der Hochstamm-Obstgärten im Re- gionalen Naturpark Schaffhausen» untersucht die Situation und den Handlungsbedarf für die vier typischen Obstgarten-Vogelar- ten Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz. Die Erkenntnisse fliessen in den Aktionsplan Lebensraum Obstgarten ein. Auf diesen Unterlagen baut die Festlegung von Zielen und Umset- zungsmassnahmen für den Aktionsplan Lebensraum Obstgarten auf. Zu den 100 Zielarten, welche der Naturpark im Rahmen des Pro- jekts «Ökologische Infrastruktur 2016-2017» ausgewählt hat, ge- hört auch das als «Dorf-Fledermaus» bezeichnete Graue Langohr (Plecotus austriacus), welches schweizweit als vom Aussterben be- droht eingestuft ist und oft im Bereich von Hochstamm-Obstgär- ten jagt. Im Rahmen eines Fledermausprojekts im Regionalen Na- turpark Schaffhausen (Bioforum 2014) konnten mehrere Male mittels Bat-Scannern das Graue Langohr festgestellt werden. Da vom Kanton Schaffhausen für 2019 ein Förderprojekt zu Grauem und Braunem Langohr in Auftrag gegeben worden ist, wird in die- sem Aktionsplan keine Aussagen zum Grauen Langohr gemacht. Nach Abschluss des kantonalen Projektes könnten allenfalls Er- gänzungen an diesem Aktionsplan Lebensraum Obstgarten vor- genommen werden. Im Anhang werden Daten zum Grauen Lang- ohr abgebildet. Regionaler Naturpark Schaffhausen
24 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Ziele Ziele, abgeleitet von menschlichen Ansprüchen, zu erreichen in zehn Jahren: ■ Um die Dörfer konnten die Hochstamm-Obstgärten weitge- hend erhalten und verjüngt werden. ■ Der Bevölkerung ist die Obstsortenvielfalt bekannt, alte robuste und lokale Obstsorten können als Bäume und als Obst bezogen werden. Ziele, abgeleitet von den Ansprüchen der Zielarten, zu erreichen in zehn Jahren: ■ Etablierung von tragfähigen und expandierenden Brutpopula- tionen beim Wendehals und Gartenrotschwanz. ■ 2-5 Brutpaare bei Wiedehopf mit günstiger Prognose ■ 1 Brutnachweis beim Steinkauz Erhaltungs- und ■ An jährlich 1-3 Obstsorten-Ausstellungen wird der Bevölkerung Förderungsmassnahmen die Obstsortenvielfalt nähergebracht und das Verständnis für den Lebensraum Obstgarten vermittelt. ■ Mit der jährlichen Abgabe verbilligter Hochstamm-Obstbäume wird die Verjüngung bestehender, überalterter Hoch- stamm-Obstgärten gefördert. Die lokalen Obstsorten werden gemäss Tabelle 1 werden dabei bevorzugt abgegeben. ■ Eine grenzüberschreitende Lebensraumvernetzung wird aufge- baut durch Kontakte mit Partnern die Umsetzung gemeinsa- mer Förderprojekte. Dazu kann auf die ehemaligen Projekt- partner des Interreg-Projektes 2009-2012 zurückgegriffen werden. Innerhalb des Naturparks wird die grenzüberschrei- tende Kooperation durch den Naturpark angeleitet, ausserhalb des Naturparks durch den Verein Obstgarten-Aktion Schaff- hausen; mit Umsetzung ab 2020. ■ Massnahmen zugunsten der vier Vogelarten: Mit Lebensraumaufwertungen im Bereich der Hoch- stamm-Obstgärten und seiner Übergangshabitate ins Kultur- land und Siedlungsgebiet die Voraussetzungen für die Bildung von stabilen Brutpopulationen schaffen. ■ Von diesen Aufwertungsmassnahmen profitieren zahlreiche andere Vogelarten. ■ Sensibilisierung der Menschen über das Zusammenspiel von Lebensraumaufwertungen (am Beispiel der Hochstamm-Obst- gärten) und Verbesserung der menschlichen Lebensgrundlage. Erfolgskontrolle Mit der vom Naturpark durchgeführten Wirkungsanalyse werden die Umsetzung des Aktionsplans und dessen Erfolg periodisch und mit Abschluss 2027 überprüft. Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 25 Abb. 11. Gute Voraussetzungen zum Erhalt von bestehenden Hochstamm-Obstgärten in und um Dörfer sind vielerorts, wie hier in Hallau gegeben. - Foto S. Trösch Abb. 12. Der Wendehals ist eine Vogelart, die im Regionalen Naturpark Schaffhausen wie auch im übrigen Kantonsgebiet gut Chancen hat, dank Aufwertungsmassnahmen eine stabile Population zu bilden. - Foto: I. Fürderer Regionaler Naturpark Schaffhausen
26 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 27 TEIL 2 Fördermassnahmen für Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz Stephan Trösch Regionaler Naturpark Schaffhausen
28 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 29 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 31 Einleitung 32 Die Zielarten 33 Gartenrotschwanz 34 Wendehals 40 Wiedehopf 44 Steinkauz 50 Potenzialbeurteilung 56 Ziele / Umsetzung 57 Strategie und Planung | Erfolgskontrollen 59 Literatur- und Quellverzeichnis 60 Anhang 62 Artbeschreibungen 63 Lebensraum Obstgarten SOLL 72 Prioritäre Gebiete für die Zielarten 73 Obstgärten (Bilder) 75 Regionaler Naturpark Schaffhausen
30 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Abb. 13. Halboffene Landschaft an der Peripherie zu den Rebbergen bei Hallau. In diesem Lebensraum kommen mehrere seltene und ge- fährdete Vogelarten wie Gartenrotschwanz, Wendehals und Heidelerche vor. - Foto S. Trösch, Hallau, 21.04.2018. Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 31 Zusammenfassung Im Kanton Schaffhausen werden seit mehr als 30 Jahren von ver- schiedenen Akteuren die Lebensräume von Fauna und Flora auf- gewertet, verbessert oder neu geschaffen. Nicht zuletzt dank sol- cher Massnahmen enthält die Avifauna des Kantons Schaffhausens eine beachtliche Anzahl Vogelarten, die in weiten Teilen der Schweiz nur noch selten, lückenhaft oder in geringer Dichte vor- kommen, wie z. B. der Wendehals, die Heidelerche, die Feldlerche und die Grauammer. Für die Sicherstellung der Lebensräume die- ser und einiger anderer Arten trägt der Kanton Schaffhausen eine grosse Verantwortung. Dieser Aktionsplan berücksichtigt vier Vogelarten, die weitgehend den Hochstammobstgarten als gemeinsamen Lebensraum nut- zen und Zielarten für Vernetzungsprojekte mit Ökoflächen in der Landwirtschaft im Kanton Schaffhausen sind. Sie zählen zu den be- drohten bzw. gefährdeten Vögeln im Kanton Schaffhausen: Gar- tenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz. Alle vier Arten haben in den letzten Jahrzehnten unter massiven Lebensraumverlusten und Entzug von Nahrungsgrundlagen gelit- ten. Neben den individuellen Gefährdungen zeigt der Aktionsplan artbezogene Massnahmen zur Verbesserung der Lebensräume auf, mit dem Ziel, die vier Vogelarten langfristig anzusiedeln und zu erhalten. Die wichtigsten Fördermassnahmen beziehen sich auf den Erhalt bestehender, Erweiterung oder Schaffung neuer Hochstammobst- gärten und ihrer Vernetzung mit bestehenden (Klein-)Strukturen. Parallel mit der Lebensraumverbesserung muss eine nachhaltige Bereitstellung von nährstoffarmen und insektenreichen Wiesen zur Erleichterung des Beutefangs erfolgen, als weitere Vorausset- zung für eine erfolgreiche Umsetzung des Aktionsplans. Das Projekt ist ambitioniert und langfristig angelegt. Dank bereits bestehender nationaler Förderprojekte kann auf Ressourcen und Erfahrungen zurückgegriffen werden. Die Einbindung möglichst vieler Akteure hilft das Projekt breit abzustützen. Im Anhang finden sich Beschreibungen der vier Vogelarten, zwei Karten des Obstgarten-IST/SOLL-Zustandes sowie Obstgartenfo- tos als Referenz für Lebensräume. Regionaler Naturpark Schaffhausen
32 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Einleitung Der Kanton Schaffhausen erhielt seit 1990er Jahren mit dem Wie- deransiedlungsprojekt des Rebhuhns vor allem in Ornithologen- kreisen zunehmend Aufmerksamkeit. Grossflächige ökologische Aufwertungsmassnahmen im Klettgau führten gleichzeitig zum Aufschwung von Kulturlandvögeln wie Feldlerche, Schwarzkehl- chen, Dorngrasmücke, Neuntöter und Goldammer. Besonders zu erwähnen ist dabei auch die Grauammer, die hier seit Jahrzehnten bis 2017 ein stabiles Vorkommen hatte, neben zwei bis drei ande- ren Standorten in der Westschweiz. Einen weiteren Höhepunkt er- lebte der Kanton Schaffhausen mit der spektakulären Brut einer Wiesenweihe im Jahr 2007; erstmals wieder seit 25 Jahren in der Schweiz. Diesem Ereignis folgten 2011 und 2012 nach 24 Jahren wieder Bruten des Wiedehopf und 2014 gelang nach fast 20 Jahren wieder ein Brutzeitnachweis der sehr seltenen Heidelerche in den Rebbergen bei Oberhallau. Diese Art kann sich zudem seit Jahren dank Fördermassnahmen auf den Randenhochflächen mit einer kleinen, stabilen Population halten. Neben diesen Arten trägt der Kanton Schaffhausen z. B. auch für eine weiterhin bestehende Population der Schafstelze in der Regi- on Ramsen Verantwortung, ferner für den national sich ausbrei- tenden Mittelspecht und in neuerer Zeit auch für den Wendehals. Mit rund 11 Revieren hat sich diese Art in den Hallauer Rebbergen etabliert und hier einen der wenigen nationalen «Hotspots» ge- bildet. Der Regionale Naturpark Schaffhausen möchte im Gesamt- konzept eines «Aktionsplans Lebensraum Obstgarten» speziell den Steinkauz und Wiedehopf wieder ansiedeln sowie das beste- hende fragile Brutvorkommen des Wendehalses und des Garten- rotschwanzes nachhaltig sichern und erweitern. Er setzt damit ein Zeichen für ein ambitioniertes Projekt zu Gunsten von schweizweit bedrohten und gefährdeten Vogelarten. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Vor- habens sind günstig. Dank den in den letzten Jahrzehnten von ver- schiedenen Akteuren für einen qualitativ hochwertigen «Lebens- raum Schaffhausen» geleistete Arbeit, kann hier mit dem vorliegenden Aktionsplan praktisch nahtlos angeknüpft werden. Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 33 Die Zielarten Der Aktionsplan orientiert sich an der Liste der «Zielarten des Na- turparks Schaffhausen, Wirkungsanalyse 2018-2027» vom 25.10.2018 und behandelt die Vogelarten des Lebensraums «Obst- gärten». Es sind dies Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz. Alle vier Arten stehen in der Schweiz in den letzten rund 70 Jahren als Referenz eines grossflächigen Lebensraumverlusts durch Zer- siedelung, Intensivierung der Landwirtschaft, ferner auch des Ent- zugs von Nahrungsgrundlagen, insbesondere von Insekten infolge des Pestizideinsatzes. Die Erfahrungen zeigen, dass mit breit angelegten und geeigneten Fördermassnahmen Erfolge in der Sicherstellung und Erweiterung eines bestehenden Brutvorkommens oder eine Wiederansiedlung von ehemaligen Brutvögeln erreicht werden können. Vorausset- zung dazu ist eine gemeinsame, zielgerichtete Mitwirkung aller zur Verfügung stehenden Mittel und Akteure. Zudem müssen die um- zusetzenden Massnahmen langfristig ausgelegt sein um einen nachhaltigen Erfolg erzielen zu können. Von den vier Zielarten zählen der Gartenrotschwanz und der Wen- dehals aktuell zu den im Naturpark Schaffhausen brütenden Vo- gelarten, während der Wiedehopf letztmals 2012 zur Brut schritt und der Steinkauz 1977. Bei allen vier Vogelarten besteht Bedarf für nachhaltig greifende Fördermassnahmen. Mit dem Umsetzen des Aktionsplans für die vier Zielarten werden gleichzeitig auch andere Vogelarten gefördert, die im Lebensraum «Hochstamm-Obstgarten» vorkommen: z. B. Grünspecht, Bunt- specht, Kleinspecht, Trauerschnäpper, Blaumeise, Kohlmeise, Gar- tenbaumläufer, Star, Feldsperling, Buchfink. Grünfink und Kern- beisser. Regionaler Naturpark Schaffhausen
34 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Foto M. Ruppen Gartenrotschwanz Phoenicurus phoenicurus Status, Verbreitung und Bestand Schweiz Die Art kommt in der ganzen Schweiz vor, mit einem Bestand 2013- 2016 von 12’000 – 18’000 Paaren, oft aber nur in geringer Dichte. Der Gartenrotschwanz gilt in der Schweiz als «potenziell gefähr- det». Der Schwerpunkt seiner Verbreitung mit einer in den letzten 20 Jahren gewachsenen Dichte liegt in den grossen Tallagen des Wallis, im Tessin, im Misox GR und Bergell GR sowie in der Region Basel. Im östlichen Mitteland ist für die Art in den letzten 20 Jahren hingegen ein weiterer Rückgang von –2 Revieren/km² zu verzeich- nen. So betrugen die Verluste z.B. im Kanton Zürich von 1988 bis 2008 85% und im Bodenseegebiet von 1980 bis 2010 rund 90% (Knaus et al. 2018). Der seit Mitte der 1950er Jahre schweizweit rückläufige Trend des Brutbestands sieht seine Gründe in den sich damals schon verschlechternden Lebensbedingungen in den Brut- gebieten. Dafür verantwortlich wird u.a. das Verschwinden von Hochstamm-Obstgärten, das verdichtete Bauen und der Insekti- zideinsatz gemacht (Knaus et al. 2011). Kanton Schaffhausen Der Gartenrotschwanz ist im Kanton Schaffhausen als seltener und und Regionaler Naturpark gefährdeter Brutvogel einzustufen. Es ist davon auszugehen, dass diese Art schon zu früherer Zeit nur lückenhaft im Kanton verbrei- tet war, am ehesten noch in den Siedlungsräumen. Grossflächige alte Obstbaumgärten, die mit ihren natürlichen Höhlen zum be- vorzugten Lebensraum der Art zählen, schienen schon damals wie heute das Landschaftsbild im Kanton nicht besonders geprägt zu haben. Die effektive Verbreitung der Art im ganzen Kantonsgebiet ist nur lückenhaft bekannt und basiert auf lokalen Erhebungen. Nabulon et al. (2003) erwähnt den Gartenrotschwanz im Kanton Schaffhausen als «regelmässigen Brutvogel» mit einem Bestand von 11-50 Revieren. Dabei wird festgehalten, dass die Art ein Cha- raktervogel der Hochstamm-Obstgärten ist und in den letzten Jahrzehnten im Bestand stark abgenommen hat. Es wird darauf verwiesen, dass der Gartenrotschwanz auch im Siedlungsraum vorkommt. So wurden 1997 in der Stadt Schaffhausen 18 Reviere nachgewiesen, mit einer Bevorzugung von Quartieren mit lockerer Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 35 Bauweise und altem Baumbestand (z.B. Emmersberg). Im Rahmen einer grossflächigen Kartierung des ganzen Rebbauperimeters zwischen Oberhallau und Trasadingen in den Jahren 2017 und 2018 durch die Schweizerische Vogelwarte Sempach wurde der Gartenrotschanz an drei Stellen nachgewiesen. Die Reviere befan- den sich in zwei Fällen in Kleinstrukturen mit Hochstammobstbäu- men und in einem Fall an der Peripherie dieses Habitattypus. Weitere Brutzeit-Nachweise (Quelle: ornitho.ch): 2018 Randengebiet, Merishausen. 2017 Neunkirch (Widen, Hemmental, (Grundbuck), Merishausen (Randenhorn und Soo), Schaffhausen (Kraftwerk, Niklausen, Gruben und Emmersberg). Lebensraum und Gefährdung Der Gartenrotschwanz ist als Höhlenbrüter auf strukturreiche, Lebensraumcharakter grossflächige Hochstamm-Obstgärten mit lückiger Bodenvege- tation angewiesen, auf gestaffelte Mahd und das Vorhandensein von Sitzwarten. Blumenwiesen unmittelbar im Bereich der Obst- gärten spielen für die Nahrungsbeschaffung von Insekten eine zentrale Rolle. Mit einem aktuell laufenden Projekt der Schweizerischen Erfahrungen aus einem Projekt Vogelwarte Sempach im Grenzgebiet des Oberthurgaus zum im Grenzbereich Kanton Thurgau/St. Gallen Kanton St. Gallen, wird in Zusammenarbeit mit 15 betroffenen Landwirten und des Kantons Thurgau versucht, in einem Teil des ehemaligen Verbreitungsgebiets «Mostindien» den Garten rotschwanz zu fördern: Dazu gehört das Schaffen von mehr Strukturen gemäss «Biodiversitätsförderung Qualitätsstufe II von Hochstamm-Feldobstbäumen», von Sitzwarten in weniger strukturierten Lebensräumen und von offenen Bodenstellen sowie die gestaffelte, streifenförmige Mahd des Unterbodens der Hochstammbäume, um den Jagderfolg des Garten rotschwanzes zu erhöhen. Die Insektenvielfalt soll mit der Einsaat von Blumenwiesen in unmittelbarer Nähe der Hochstammzone gefördert werden. Weiter werden in den Hochstamm-Obstgärten gezielt sogenannte Biotopbäume erhalten, wie die hier noch gelegentlich anzutreffenden sehr hohen Birnbäume, welche bis zu 250 Jahre alt sind. Auch die Erhöhung des Nistplatzangebots ist ein wichtiges Thema: Eine Schulklasse in Muolen hat im April 2017 60 eigens für den Gartenrotschwanz konzipierte Nistkästen Regionaler Naturpark Schaffhausen
36 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Abb. 14. Brutgebiet des Gartenrotschwanz in der Nähe des Schiessstands Hallau im Frühling 2018. Der von dem Brutpaar angenommene künstliche Nistkasten (siehe Abb. 15) befand sich beim roten Gebäude in Bildmitte und damit auch im Gelände des Hallauer OpenAir-Kon- zerts vom Mai. Die Brut wurde während oder nach dem Anlass leider aufgegeben. Ernstgenommene Fördermassnahmen müssten in einem ähnlichen Fall zu Gunsten der Art eingreifen. - Foto S. Trösch, Hallau, 21.04.2018. gezimmert. Diese Kästen werden von anderen höhlenbrütenden Kleinvögeln gemieden. Dadurch erhöht sich für den spät aus dem Winterquartier zurückkehrenden Gartenrotschwanz das Nistplatzangebot. Schon letztes Jahr hat er vier dieser Kästen besiedelt (Quelle: Avinews April 2018, Schweizerische Vogelwarte Sempach, S. 6-7). Gartenrotschwanz-»Hotspot» In der ehemaligen Waldbrandfläche bei Leuk VS (Brand von 2003) Leuk VS wurden 2013-2016 auf 3,1 km² 97 (!) Reviere des Gartenrotschwanz nachgewiesen. Dieses Beispiel unterstreicht das Bestandspotenzial dieser Art (Knaus et al. 2018). Gefährdung Zu den Hauptursachen des seit Mitte des letzten Jahrhunderts er- folgten Bestandseinbruchs zählen das massive Verschwinden von Hochstammstreuobstgärten, die Überdüngung der verbleibenden Obstgärten, die Zersiedelung mit der Überbauung von verbleiben- den Obstgärten, der intensive Pestizideinsatz (H. Schmid et al. 2001) und in neuerer Zeit auch das zunehmende Fehlen/Ver- schwinden von Kleinstrukturen, z. B. Schrebergärten. Ferner trägt auch die «moderne» Gartenarchitektur, mit dem Verwandeln von Grünflächen in Beton- und Steinwüsten nicht dazu bei, neue Le- bensräume für viele Vogelarten zu schaffen. Mindestens seit Ende der 1960er Jahre spielen auch verschlechterte Bedingungen im Hauptüberwinterungsgebiet des Gartenrotschwanz in der Sahel- zone eine Rolle für seinen Rückgang im mittel- und nordeuropäi- schen Brutgebiet (H. Schmid et al. 2001). Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 37 Abb. 15. Dieses Bild zeigt den von einem Gartenrotschwanz-Brutpaar angenommenen Nistkasten beim Schiessstand Hallau und das Männ- chen auf der nahen Birke. Die frisch geschnittene Fettwiese in der Nähe diente als Jagdrevier und wurde am 01./02.06.2018 als Gelände des OpenAirs Hallau genutzt. - Foto S. Trösch, Hallau, 18.05.2018. Artspezifische Fördermassnahmen ■ Erhalt bestehender Hochstamm-Obstgärten in Zusammenarbeit mit Landwirten und örtlichen Kommunen. ■ Schaffen von neuen Hochstammobstgärten (Streuobstanlagen) und Erweiterung bestehender Hochstammobstanlagen. ■ Grossflächiges Anbringen von speziellen Nistkästen für den Gartenrotschwanz (Details in Avinews April 2018. Schweizeri- sche Vogelwarte Sempach. S. 6-7). ■ Die Übergangsbereiche zwischen Siedlungsraum und Kultur- Lebensraum «Übergang Siedlungsgebiet land als ökologisch wertvolle Lebensräume müssen erhalten zum Kulturland» sichern bleiben. Insbesondere soll das Versiegeln von Böden (Strassen und Wege) vermieden werden. ■ Die Insektenvielfalt soll mit der Einsaat von Blumenwiesen un- mittelbar neben den Obstgärten gefördert werden. ■ Obstgartenschutz: Erhöhung der Baumzahl und entsprechend der Hochstammfläche, Stehenlassen alter Bäume (auch Totholz), v.a. Nuss- und Birnbäume. ■ Schutz der verbleibenden Obstgärten vor Rodung. Regionaler Naturpark Schaffhausen
38 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten ■ Förderung der extensiven Unternutzung. ■ Förderung lückiger Vegetation durch Auffräsen oder durch An- legen von Ruderalflächen mit Wandkies. ■ Erhöhung der Dichte geeigneter Nistkästen bei Mangel an Na- turhöhlen, z.B. in Randzonen von Siedlungsgebieten im Über- gang zum Kulturland oder Rebgebiet. Kleinstrukturen und Schrebergärten ■ Förderungsmassnahmen in Gärten, Freizeitgärten und öffentli- mit Potenzial chen Grünflächen (extensive Wiesen, Förderung alter Bäume usw.). Geeignet für den Gartenrotschwanz sind auch bestehen- de Schrebergärten, die eine vielfältige Kleinstruktur aufweisen, mit eingestreuten Obstbäumen, einheimischen Pflanzen und vermindertem Einsatz von Dünger. ■ Evaluation alternativer Landschaftsstrukturen als Ersatz für ver- schwindende Obstgärten. Bekannte Artenförderungsmassnahmen ■ Die Förderung von Hochstammobstgärten mit pestizidfreier national und international oder mindestens pestizidarmer Bewirtschaftung und extensiven Wiesen oder Weiden im Unternutzen schafft vor allem dann günstige Bedingungen, wenn innerhalb des Obstgartens oder in unmittelbarer Nähe lückige Vegetation, Asthaufen, Steinhaufen, Holzbeigen, Gärten, Reben und andere Kleinstrukturen vorhan- den sind. Lückige Vegetation kann durch Anlage von Ruderal- flächen mit Oberbodenabtrag und Kieseinlage oder durch Auf- fräsen des Oberbodens geschaffen werden. ■ In Nachbarschaft bestehender Vorkommen können sehr lichte, nicht verbuschende Waldränder mit grasartiger Vegetation be- siedelt werden. In Absprache mit Experten sind entsprechende Massnahmen an geeigneten Standorten sinnvoll. Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 39 Das auf Seite 9 bereits erwähnte Projekt der Schweizerischen Vo- Erkenntnisse aus dem aktuellen Projekt der gelwarte Sempach zur Förderung des Gartenrotschwanzes im Schweizerischen Vogelwarte Sempach zur Grenzgebiet des Oberthurgaus und des Kantons St. Gallen brachte Förderung des Gartenrotschwanz wichtige Erkenntnisse (Quelle: Avinews April 2018, Schweizerische Vogelwarte Sempach), u.a.: Die Anzahl alter Bäume und die bejagbare Fläche sind entschei- dend für die Besiedlungsschancen des Gartenrotschwanz. Ausschlaggebend für die Besiedelung von 50 % der Probeflächen (während Jahren zuvor nicht besiedelten Flächen) waren: ► .Flächen mit mehr als 60 Altbäumen pro Hektar ► .Flächen mit einem für die Insektenjagd geeigneten Anteil von 77 % Abb. 16. Hochstamm-Obstgarten zwischen Engwilen TG und Märstetten TG am 23.04.2014. Gemäss einem aktuellen Projekt der Schweize- rischen Vogelwarte im Grenzgebiet Oberthurgau/Kanton St. Gallen sind neben speziellen Nistkästen für den Gartenrotschwanz eine Dichte von 60 Hochstamm-Altbäumen pro Hektar sowie ein Flächenanteil von 77 % für die Insektenjagd erfolgversprechende Faktoren für eine erfolgreiche Wiederbesiedelung des Gartenrotschwanzes. - Foto S. Trösch. Regionaler Naturpark Schaffhausen
40 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Foto I. Fürderer Wendehals Jynx torquilla Status, Verbreitung und Bestand Schweiz Der Wendehals ist ein in der ganzen Schweiz verbreiteter Brutvo- gel mit geringer Dichte. Bis mindestens 2002 zeigte sich landesweit ein starker Rückgang der Brutverbreitung und erst seit 2010 ist ten- denziell wieder eine Zunahme erkennbar. Der Wendehals gilt in der Schweiz als «potenziell gefährdet». Sein Bestand liegt 2013- 2016 bei 1000–2500 Brutpaaren. Zu den Verbreitungsschwerpunk- ten mit den grössten Dichtevorkommen zählen neben den grossen Alpentälern und dem westlichen Genferseebecken auch die Schaff- hauser Rebbaugebiete (Knaus et al. 2011). Kanton Schaffhausen und Über das Vorkommen und die Verbreitung dieser Art ist wenig be- Regionaler Naturpark kannt. Nabulon et al. (2003) beschreiben ihn als regelmässigen Brutvogel mit einem als «stark gefährdeten» Status und einer Be- standsgrösse von 1-10 Revieren. Dies basiert auf den in den letzten 5 Jahren (1998-2003) nachgewiesenen «einzelnen Bruten» in den Gemeinden Hallau, Rüdlingen und Thayngen. Es wird erwähnt, dass der Bestand in den letzten 20 Jahren (Stand 2003) stark zu- rückgegangen sei. Doch da auch damals und in früherer Zeit kaum systematische Erhebungen für diese Art vorlagen, ist diese Be- standsbeurteilung mit etwas Zurückhaltung aufzunehmen. Gemäss den Einträgen aus Zufallsbeobachtungen in ornitho.ch für den Kanton Schaffhausen liegen jeweils für den Zeitraum von Mit- te April bis Ende Juni folgende Nachweise singender Vögel vor, wobei es sich auch (v.a. April/Mai) um rastende Durchzügler han- deln könnte: 2007 Hallau (Berghof) 2008 Schaffhausen (Gruben) und Hemmental (Geren) 2008 Osterfingen, Schleitheim und Hallau (Schellenweg) 2010 Altdorf, Ramsen und Löhningen 2011 Hemmental und Schaffhausen (Emmersberg) 2012 Hallau (Rebgebiet), Hofen/Bibern, Osterfingen und Meris- hausen Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten 41 Eine Brutvogelrevierkartierung der Schweizerischen Vogelwarte Sempach auf der ganzen Rebfläche zwischen Oberhallau und Tra- sadingen ergab für 2017 und 2018 je 11 Reviere. Darüber hinaus gab es für die beiden Jahre (jeweils April/Mai) Zufallsbeobachtun- gen in Schaffhausen-Buchthalen und im Munotquartier (2017) so- wie in Merishausen und Schleitheim (2018) (Quelle: ornitho.ch). Lebensraum und Gefährdung Der Lebensraum des Wendehalses steht in Korrelation mit dem Lebensraumcharakter Vorhandensein von Ameisen als seiner Hauptnahrung und einem grossen Höhlenangebot. Zudem sollten neben diesen beiden Be- dingungen auch die Nahrung selbst gut erreichbar sein. Das sind z.B. Strukturen mit 30 – 70% offenem Boden mit lückiger und kur- zer Vegetation, wie eine Studie der Schweizerischen Vogelwarte Sempach und der Universität Bern im Wallis ergeben hat (Schuck et al. 2017). Demgegenüber stehen die Fettwiesen, wo die Amei- sendichte gering ist. In einer Untersuchung in Deutschland wurden von 27 untersuchten Lebensraumtypen auf zwei- bis dreischürigen Fettwiesen lediglich 0,1 Ameisennester pro 100 m2 gefunden. Im Vergleich dazu auf Kalkmagerrasen durchschnittlich 169,8 und auf Randsäumen von Strassen durchschnittlich 94 Nester pro 100m2. Der Wendehals benötigt eine vielfältige Kulturlandschaft, mit Ex- tensivwiesen, Obstgärten mit Hochstammbäumen und lückiger Vegetation, Totholz, Einzelbüsche, Hecken, alte Quartiere in Sied- lungen mit wenig Erneuerungs- und Versiegelungsdruck sowie reich strukturierte Rebberge. Von diesem Habitattypus hat der Kanton Schaffhausen ein grosses Potenzial für eine nachhaltige Artenförderung, nicht nur für den Wendehals. Die Hauptgefährdung geht von der intensiven landwirtschaftli- Gefährdung chen Nutzung aus. Durch die Reduktion der Feldobstbaumbestän- de verlieren Wendehälse natürliche Nistplätze in halboffenen Ge- bieten und durch die intensive Nutzung des Grünlandes vermindert sich die Verfügbarkeit der Ameisen. Bauer et al. (1985) betrachtet den Verlust und Rückgang der Ameisen infolge Überdüngung und Ausräumung der Landschaft als den Hauptgrund des mitteleuro- päischen Rückgangs. Als bedeutende Faktoren werden der Verlust von Randstrukturen und Pufferzonen, von Trockenrasen und Bra- chen, zu häufige Wiesenmahd (Sukzession) und Grünlandumbruch, Pestizideinsatz (v.a. im Obstbau) sowie intensivere Nutzung der Streuobstwiesen (z.B. Freizeitzwecke als Rasen) genannt. Regionaler Naturpark Schaffhausen
42 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten Artspezifische Fördermassnahmen ■ Sicherung des bestehenden Wendehals-Hotspots in den Reb- bergen Oberhallau-Hallau-Trasadingen als Grundpfeiler einer weiterführenden Vernetzungsarbeit. ■ Schaffen von zusätzlichen künstlichen Nisthilfen im bestehen- den Hotspotperimeter und neuen Gebieten, welche dem prio- ritären Lebensraumtypus entsprechen (übrige Rebberge im Kanton Schaffhausen und andere strukturreiche und ökologisch wertvolle Übergänge zwischen Siedlung und Kulturland, z.B. in Schaffhausen-Buchthalen). ► Von Massnahmen zu Gunsten des Wendehalses profitieren auch andere Zielarten des Aktionsplans wie Gartenrot- schwanz und Wiedehopf. ■ Förderung von Hochstammobstgärten mit optimal genutzten Wiesen und Weiden in der Unterkultur. ■ Evaluation der aktuellen Eignung ehemals besiedelter Stand- orte. ■ Evaluation alternativer Landschaftsstrukturen als Ersatz für ver- schwindende Hochstammobstgärten. ■ Förderung von Wiesenameisen (siehe Gefährdung). ■ Förderung von lückiger Vegetation im Grünland. ■ Förderung von Kleinstrukturen, Büschen und Einzelbäumen in Rebbergen. Regionaler Naturpark Schaffhausen
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