LEBENSRAUM HOCHSTAMM-OBSTGÄRTEN - AKTIONSPLAN

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LEBENSRAUM HOCHSTAMM-OBSTGÄRTEN - AKTIONSPLAN
AKTIONSPLAN
LEBENSRAUM HOCHSTAMM-OBSTGÄRTEN
       IM REGIONALEN NATURPARK SCHAFFHAUSEN

                                Bernhard Egli
                              Stephan Trösch
LEBENSRAUM HOCHSTAMM-OBSTGÄRTEN - AKTIONSPLAN
2                                                                 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

                        Impressum

                          Herausgeber      Regionaler Naturpark Schaffhausen
                                           Wilchingen

                                  TEIL 1   Fördermassnahmen für Hochstammobstgärten und
                                           Obstsortenvielfalt

                                  Autor    Dr. Bernhard Egli
                                           Projektleiter Natur & Landschaft Regionaler Naturpark
                                           Schaffhausen
                                           bernhard.egli@naturpark-schaffhausen.ch
                                           www.naturpark-schaffhausen.ch

                                 TEIL 2    Fördermassnahmen für Gartenrotschwanz, Wendehals,
                                           Wiedehopf und Steinkauz

                                  Autor    Stephan Trösch
                                           Feldornithologe und Fotograf
                                           stephantroesch-fotografie@bluewin.ch
                                           www.stephantroesch-fotografie.ch | www.shorebirder.ch

                               Lektorat    Brigitte Girsberger

                    Layout und Design      Stephan Trösch

             Foto Titelseite und Seite 5   Stephan Trösch
                           Fotos Seite 7   Ilmarin Pesenti
                          Fotos Seite 31   Ingrid Fürderer (Wendehals, Wiedehopf)
                                           Marcel Ruppen (Gartenrotschwanz)
                                           Stephan Trösch (Steinkauz)

                        Copyright 2019
     Regionaler Naturpark Schaffhausen

                                                                               Regionaler Naturpark Schaffhausen
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Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                  3

                      Inhaltsverzeichnis       Teil 1 - Fördermassnahmen für Hochstamm-       5
                                               obstgärten und Obstsortenvielfalt

                                               Teil 2 - Fördermassnahmen für Gartenrot-      27
                                               schwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz

                                               Literatur- und Quellenverzeichnis             60

                                               Anhang                                        62

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4   Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

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                                                      TEIL 1

                     Fördermassnahmen für Hochstamm-
                       Obstgärten und Obstsortenvielfalt

                                               Bernhard Egli

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                     Inhaltsverzeichnis        Einleitung                                     8
                                               Lebensraum Obstgarten                          8
                                               Aktivitäten des Vereins Obstgarten-Aktion      8
                                               Schaffhausen
                                               Vernetzungsprojekte im Kanton Schaffhausen     10
                                               Interreg-Projekt  2009-2012                    12
                                               Regionaler Naturpark Schaffhausen              14
                                               Projekt Ökologische Infrastruktur der Region   16
                                               Schaffhausen 2016-2017
                                               Aktionsplan Lebensraum Obstgarten (& Vögel     23
                                               der Hochstamm-Obstgärten)

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8                                                        Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

Aktionsplan Lebensraum Obstgärten
Einleitung

      Lebensraum Obstgarten
                                 Im Jahre 1987 startete der Schweizer Vogelschutz-Birdlife (SVS)
                                 eine Kampagne «Lebensraum Obstgärten». Da wurde erstmals pu-
                                 blik und bewusst, dass Hochstamm-Obstgärten einen wertvollen
                                 Lebensraum für seltene Obstgarten-Vogelarten darstellen. Obst-
                                 gärten prägen die Landschaft, sehr bedeutend um die Dörfer und
                                 Gehöfte. Zudem bieten sie ein vielfältiges Angebot an Früchten,
                                 Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen/Pflaumen, Quitten und Nüs-
                                 sen. Hochstamm-Obstgärten haben ab etwa 1950 um über 60%
                                 stark abgenommen. Grosse Bautätigkeit um die Dörfer herum, die
                                 Umstellung auf produktivere Niederstammanlagen wie auch Über-
                                 alterung der Bestände und die Umstellung des Konsumverhaltens
                                 waren die Gründe. Im Kanton Schaffhausen schrumpfte die Zahl
                                 der Hochstämmer von 242‘299 im Jahr 1886 auf 193‘341 im 1929
                                 und auf 56‘094 im Jahr 1981, was ein Rückgang um 77% ergibt.

       Aktivitäten des Vereins
           Obstgarten-Aktion
                 Schaffhausen
                                 Animiert durch die Kampagne «Lebensraum Obstgärten» des SVS
                                 wurde 1987 in Schaffhau-sen die Arbeitsgruppe «Obstgarten-Ak-
                                 tion Schaffhausen» (OGA) gebildet, später als Verein konstituiert.
                                 In Zusammenarbeit mit dem Präsidenten Karl Stoll vom 1985 ge-
                                 gründeten Verein fructus zur Erhaltung alter Obstsorten, wurden
                                 in der Region Schaffhausen erste Ausstellungen und Pflanzungen
                                 von kleinen Obstsortengärten Ende der 1980er Jahre durchge-
                                 führt. Seit 1996 wird jedes Jahr zusammen mit der Stadt Schaff-
                                 hausen und dem Kanton Schaffhausen verbilligte Hochstamm-
                                 Obstbäume an Landwirte und weitere Interessierte abgegeben.
                                 Seit 2014 beteiligt sich auch der Regionale Naturpark Schaffhau-
                                 sen. Von 1996 bis 2016 wurden über 4700 Hochstämme abgege-
                                 ben, verbunden mit Sortenberatung an Obstsorten-Ausstellungen.

                                 Aus den jährlichen Daten des kantonalen Landwirtschaftsamtes
                                 (Zahlen und Fakten zur Schaffhauser Landwirtschaft, Ausgabe
                                 2017) ergibt sich, dass der langjährige Trend des massiven Rück-
                                 gangs an Hochstamm-Obstbäumen aufgefangen werden konnte.
                                 Bei den Hochstamm-Obstbäumen BFF-Q1 ergab sich von 2003 bis
                                 2016 noch ein Rückgang um 9%, bei dem früheren massiven Rück-

                                                                      Regionaler Naturpark Schaffhausen
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Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                                                    9

gang an Hochstamm-Obstbäumen also etwas aufgefangen wer-
den konnte. Die Anzahl Hochstamm-Obstbäume BFF-Q2 konnte
im Zeitraum von 2008 bis 2016 von 886 auf 12688 Stück gesteigert
werden, was einer Zunahme von 1432% entspricht. Dies zeigt, dass
die Förderprogramme des Bundes zusammen mit dem Engage-
ment vor Ort und den Umsetzungen der örtlichen Vernetzungs-
projekte zum Tragen kommen.
Die alle vier Jahre erarbeitete Ökobilanz der Stadt Schaffhausen
zeigt auch die langfristige Entwicklung der Obstgartenfläche und
der Anzahl Hochstamm-Obstbäumen auf dem Stadtgebiet. 2018
konnte nach bisher laufendem Rückgang erstmals eine Zunahme
Hochstamm-Obstbäume festgestellt werden. Insbesondere konn-
ten mit den Baumpflanzaktionen sehr viele der seltenen Schaff-
hauser Lokalsorten abgegeben werden (siehe Tab. 1). Insgesamt
wurden zwischen 1996 und 2016 1161 Hochstammobstbäume der
Schaffhauser Lokalsorten gepflanzt.

Abb. 1. Anzahl gepflanzter Hochstammobstbäume unter Leitung des Vereins Obstgarten-Aktion Schaffhausen (4729 Stück von 1996 –
2016); (Abb. 14 im Bericht Ö-Infra).

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      Vernetzungsprojekte im Kanton
                       Schaffhausen
                                                     Seit rund 20 Jahren läuft das Programm «Vernetzungsprojekte»
                                                     des BLW, mit Biodiversitätsförderflächen, welche spezifisch für
                                                     ausgewählte Zielarten gepflegt werden. Das erste Vernetzungs-
                                                     projekt im Kanton Schaffhausen startete im Jahr 2003 im Gebiet
                                                     Eschheimertal-Griesbach der Stadt Schaffhausen und Beringen.
                                                     Seit 2016 ist das ganze Kantonsgebiet mit 17 Vernetzungsprojek-
                                                     ten abgedeckt (siehe Abb. 2). Zahlreiche dieser Vernetzungspro-
                                                     jekte sind stark auf die Förderung der Hochstamm-Obstgärten und
                                                     ihrer typischen Vogelarten ausgerichtet. Insbesondere in den Pro-
                                                     jekten Thayngen-Unterer Reiat, Siblingen, Beggingen, Oberhallau,
                                                     Hallau-Wilchingerberg-Trasadingen, Reiat, Gächlingen und Berin-
                                                     gen-Löhningen-Neuhausen gelten Gartenrotschwanz und Wen-
                                                     dehals als Zielarten z.T. auch noch der Wiedehopf.

Abb. 2. 17 Vernetzungsprojekte laufen im Kanton Schaffhausen

                                                                                          Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                                                   11

Die Vernetzungsprojekte, in denen rund 20% der landwirtschaft-
lichen Nutzfläche wertvolle Biodiversitätsförderflächen und Auf-
wertungsflächen für die Zielarten darstellen, sind die idealen Ins-
trumente, um Artförderprogramme in der Landwirtschaft
umsetzen zu können. Eine zentrale Aufgabe dieses Aktionspla-
nes ist es, eine optimale Zusammenarbeit mit den Trägerschaften
der Vernetzungsprojekte mit Obstgarten-Vogelarten als Zielar-
ten zu entwickeln sowie auch die biologischen Grundlagen zu-
handen dieser Vernetzungsprojekte zu liefern. Als Beispiel dient
Abb. 3 zum Vernetzungsprojekt Thayngen-Unterer Reiat.

Abb. 3. Detailkarte Hochstammobstgärten im Vernetzungsprojekt Thayngen-Unterer Reiat 2016-2021 (Abb. 24 des Projektberichts «Ö-In-
fra»). Das Beispiel aus dem Vernetzungsprojekt Thayngen-Unterer Reiat zeigt die hohe Dichte an BFF-Flächen, insbesondere der Hoch-
stamm-Obstgärten. Legt man einen 100m-Puffer um alle BFF-Elemente (ohne Obstgärten) ergeben sich nur noch wenige Stellen, welche
nicht verbunden sind und wo in der laufenden Vernetzungsphase weitere Ökoelemente zu schaffen sind.

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       Interreg-Projekt «Obstgarten-
              Vogelarten» 2009-2012
                                                      In einem Interreg-Projekt „Obstgarten-Vogelarten“ von 2009 –
                                                      2012 in der Region Hegau – Kanton Schaffhausen – Jestetten-Klett-
                                                      gau bis Waldshut wurden neben der Förderung von Obstgärten
                                                      speziell die Obstgarten-Zielarten Gartenrotschwanz, Wendehals,
                                                      Wiedehopf und Steinkauz gefördert (siehe Projektbericht 2012).
                                                      Das Projekt wurde geleitet von den BUND Waldshut-Tiengen und
                                                      Kreisverband Konstanz und dem Verein Obstgarten-Aktion Schaff-
                                                      hausen. Im Rahmen des Projekts wurden 13 Hochstamm-Obstgär-
                                                      ten aufgewertet, über 2100 Hochstämme und 200 Wildsträucher
                                                      gepflanzt, über 500 Nistkästen für Gartenrotschwanz, Wendehals,
                                                      Wiedehopf und Steinkauz aufgehängt und zwei ökologische Ver-
                                                      netzungsprojekte in Zusammenarbeit mit Landwirten initiiert. An
                                                      Öffentlichkeitsarbeit wurden zwei Obstbaumlehrpfade erstellt und
                                                      ein Sortengarten errichtet, zahlreiche Obstsorten-Ausstellungen
                                                      durchgeführt, 18 Obstbaumschnittkurse mit rund 150 Teilnehmen-
                                                      den organisiert, ein Dutzend Schulklassen zum Thema Streuobst-
                                                      wiesen geführt, 56 Exkursionen mit rund 400 Teilnehmenden
                                                      durchgeführt. Nachdem der Wiedehopf seit 1987 nicht mehr in der
                                                      Region Schaffhausen gebrütet hatte, konnte die Naturschutzorga-
                                                      nisation „Wangental Natur pur“ im Jahr 2011 eine erste erfolgrei-
                                                      che Brut bei Osterfingen vermelden. Seither können jährlich Brut-
                                                      erfolge oder zumindest Einzelvorkommen in der Region
                                                      beobachtet werden.

Abb. 4. Grenzüberschreitendes Interreg-Projekt „Obstgartenvogelarten“ 2009-2012; Vorranggebiete mit Teilprojekten: rot Schaffhausen/
Zürich/Thurgau 11 Gebiete/Projekte, grün Hegau DE 11 Gebiete/Projekte, orange Klettgau-Schwarzwald DE 7 Gebiete/Projekte.

                                                                                                   Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                  13

Abb. 5. Begehung der Ortsgruppe im Streuobstgebiet bei Büsslingen im Hegau. - Foto: B. Egli

Abb. 6. Vogelexkursion im Streuobstgebiet Hegau bei Steisslingen. - Foto: B. Egli

Regionaler Naturpark Schaffhausen
14                                                                           Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

                   Regionaler Naturpark
                          Schaffhausen
                                                     Die Natur-Projekte des Naturparks Schaffhausen richten sich nach
                                                     den Ansprüchen von rund 100 Zielarten. Im Bereich «Obstgarten-
                                                     förderung» sind dies: Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf
                                                     und Steinkauz, dazu die Fledermausart Graues Langohr sowie die
                                                     Zielartengruppe «lokale Obstsorten». Während der Errichtungs-
                                                     phase von 2014-2015 wurden 20 Hochstammobstgärten u.a. mit
                                                     speziellen Nistkästen/Niströhren der Obstgarten-Vogelarten auf-
                                                     gewertet (siehe türkisgrüne Punkte in Abb. 9).

                                                     Die   Zielartengruppe «lokale Obstsorten» wird weiterhin mit der
                                                     Beratung interessierter Kreise an Obstsorten-Ausstellungen und
                                                     der Abgabe von verbilligten Hochstamm-Obstbäumen weiter ge-
                                                     fördert.
                                                     Von 2016-17 führte der Naturpark zusammen mit dem Kanton
                                                     Schaffhausen das Projekt Ökologische Infrastruktur durch, wo auch
                                                     der Lebensraum Obstgarten untersucht wurde.

Abb. 7. Hochstamm-Obstgarten im Reiat Schaffhausen. - Foto S. Trösch

                                                                                          Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                                                       15

 Schaffhauser Sorten                                   Anzahl       Schaffhauser Sorten                                    Anzahl

 Äckerli, Typ Reiat                                      80         Lohnemer Ömli                                             7

 Altenburger                                             25         Löhninger Mehlbirne                                       28

 Äugschtler Typ Reiat                                    38         Löhninger Rosen                                           97

 Begginger Glocken                                       55         Matthias Claudius                                         32

 Beringer Kirsche                                         9         Metzgerapfel                                              9

 Bölleöpfel                                              49         Petersapfel (Diessenhofer)                                38

 Brachet                                                  8         Rädler                                                    6

 Brühlmanns Butterbirne                                  25         Rafzer Weissapfel                                         18

 Findling von Sigmaringen                                 6         Rosenstreifling                                           32

 Gailinger Rosen                                         30         Sämling Siblingen                                         2

 Glockenbirne                                            16         Schmelzling                                               35

 Guntalinger                                             12         Schnejhäldeler (Rüdlinger Weissapfel)                     9

 Hallauer Maien                                          55         Schöne von Bibern                                         4

 Hallauer Ömli                                           67         Siblinger Fraurotacher                                    92

 Hallauer Dornbirne                                      16         Speierling                                                18

 Hasenbirne                                              13         Steinmüribirne                                            16

 Jestetterli                                             25         Striitapfel                                               3

 Julibirne                                                1         Wutach Reinette                                           3

 Kirchhöfler Typ Reiat                                   30         Weisser Konstanzer                                        1

 Klettgauer Dornbirne                                    33         Ziparte gelb, Typ Schaffhausen-Hemmental                  50

 Klingöhrli                                              10         Chrieche blau, Typ Schaffhausen-Reiat                     28

 Lederapfel süss (Akzession)                              1         Zwiebelbirne                                              15

Tab. 1. Gepflanzte Hochstammobstbäume, aufgeschlüsselt nach Schaffhauser Sorten (Tab. 2 aus dem Bericht Ökologische Infrastruktur der
Region Schaffhausen 2016-2017).

Regionaler Naturpark Schaffhausen
16                                                                             Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

Projekt «Ökologische Infrastruktur 2016-2017 in
der Region Schaffhausen»
Einleitung

                                                       Mit dem Pilotprojekt zur Förderung der ökologischen Infrastruktur
                                                       konnten wichtige Datengrundlagen für die Region Schaffhausen
                                                       erstmals flächendeckend, digital und georeferenziert erfasst und
                                                       kombiniert dargestellt werden. Die Verwendung dieser Grundla-
                                                       gen für die Auswertungen und die Massnahmenplanung stellt ein
                                                       sehr wichtiger Mehrwert für die Arbeiten an der ökologischen Inf-
                                                       rastruktur dar. Dank des vom BAFU grosszügig unterstützten Pilot-
                                                       projekts konnten Entscheidungsgrundlagen geschaffen werden,
                                                       die für die Weiterarbeit im Naturpark und allgemein für die Natur-
                                                       werte im Kanton Schaffhausen essentiell sind.
                                                       Gemäss Arbeitsliste «Prioritäre Lebensräume» (BAFU Frühling
                                                       2017) gehört auch der «Hochstammobstgarten» zu den prioritären
                                                       Lebensräumen der Schweiz mit nationaler Priorität 2 und als stark
                                                       gefährdet eingestuft.

Abb. 8. Auszug aus dem Projekt Ökologische Infra-
struktur 2016-2017 in der Region Schaffhausen,  «Be-
schreibung der 58 Ziellebensräume Schaffhausen».

                                                                                            Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                                                         17

Abb. 9. Lebensraum Obstgärten, Soll-Plan (Abb. 28 des Projektberichts Ökologische Infrastruktur 2016-2017 in der Region Schaffhausen).

Regionaler Naturpark Schaffhausen
18                                                             Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

       Lebensraum Obstgärten
               mit 6 Zielarten
                    Graues Langohr,    Der Lebensraum Obstgärten ist im Biotopverbundperimeter wie im
      Gartenrotschwanz, Wendehals,     ganzen Kanton Schaffhausen noch recht ausgeprägt. Dank dem
              Wiedehopf, Steinkauz,    nunmehr 30-jährigen Engagement des Vereins Obstgarten-Aktion
                  lokale Obstsorten    Schaffhausen, zahlreicher Ortsgruppen auf deutscher Seite und
                                       nicht zuletzt dank dem grenzüberschreitenden Interregprojekt
                                       „Förderung seltener Obstgarten-Vogelarten“ sind zahlreiche Obst-
                                       gärten in Pflege genommen sowie unzählige neue Obstbäume ge-
                                       pflanzt worden. Im Kanton Schaffhausen sind zudem im Auftrag
                                       des Bundesamtes für Landwirtschaft zwei Obstsortengärten mit
                                       rund 600 Sorten gepflanzt worden, die seit 2003 fachgerecht un-
                                       terhalten werden. 2011 konnte zudem nach über 20 Jahren wieder
                                       eine erfolgreiche Wiedehopfbrut in der Region verzeichnet wer-
                                       den.

                                       Lebensraumvernetzung Nr. 1 & 6 (Pfeil-Nrn. auf der Karte Abb. 9):
                                       Die Vernetzung zwischen Jestetten, Lottstetten und Rüdlingen-
                                       Buchberg ist seit 2014 durch ein Obstgarten-Förderprojekt des Na-
                                       turparks als Nachfolgeprojekt des Interreg-Projekts Obstgarten-
                                       vögel 2009-2012 gewährleistet.

                                       Lebensraumvernetzung Nr. 2 & 7: Die Vernetzung zwischen Trasa-
                                       dingen und Erzingen/Griessen ist gewährleistet durch das Inter-
                                       reg-Projekt und kann mit diesem Biotopverbundprojekt verstärkt
                                       werden.

        Obstgarten-Förderprojekt des   Auf Schaffhauser Seite läuft seit 2014 ein Vernetzungsprojekt Hal-
                Naturparks seit 2014   lau-Wilchingerberg-Trasadingen.

                                       Lebensraumvernetzung Nr. 15: Vernetzung zwischen den Gemein-
                                       den Jestetten/Lottstetten-Dettighofen und Klettgau mit einer
                                       langfristigen Pflegekonzeption der überalterten Streuobstbestän-
                                       de.

                                       Obwohl die Hochstamm-Obstgärten ein dichtes Netz der Durch-
                                       grünung in weiten Teilen des Kantons Schaffhausen aufweisen und
                                       der massive Rückgang an Hochstämmern der vergangenen Jahr-
                                       zehnte gestoppt werden konnte, befinden sich zahlreiche Obstgär-
                                       ten in ungepflegtem Zustand und sind überaltert. Die ausgewähl-
                                       ten fünf Obstgarten-Zielarten Gartenrotschwanz, Wendehals,
                                       Wiedehopf, Steinkauz und Braunes Langohr sind sehr selten, teil-
                                       weise vor rund 20-30 Jahren ausgestorben. Die wenigen Vorkom-
                                       men sind isoliert, die Populationen noch instabil.

                                                                            Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                             19

Rüdlingen – Lottstetten / Jestetten - Neuhausen und Trasadin-      1/2
gen – Erzingen / Griessen
o.k., die Zusammenarbeit mit Ortsgruppen in Jestetten/Lottstet-
ten sowie Klettgau/Griessen läuft intensiv im Rahmen der Natur-
park-Aktivitäten und des Projekts Biotopverbund.

Bargen – Wiechs - Altdorf
Die Zusammenarbeit mit BUND- und NABU-Ortsgruppen sowie            3/4
der Gemeinden im Hegau während dem Interreg-Projekt Obst-
gartenvögel 2009-2012 ist seit Projektende eingestellt.

Buchthalen – Büsingen – Dörflingen – Ramsen                        5
o.k.; Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit läuft zwischen
Schaffhausen-Büsingen und Dörflingen über das Vernetzungs-
projekt Schaffhausen-Ost; mit Gailingen läuft eine Zusammenar-
beit des Vereins „Obstgarten-Aktion Schaffhausen“ mit dem Gai-
linger „Arbeitskreis Streuobst“.

Rüdlingen – Jestetten – Wangental – Osterfingen                    6
o.k.; Die Vernetzung zwischen Buchberg-Rüdlingen und Lottstet-
ten/Jestetten ist gewährleistet durch ein Obstgarten-Förderpro-
jekt des Naturparks seit 2014 als Nachfolgeprojekt des Inter-
reg-Projekts Obstgartenvögel 2009-2012.
Eine Verbindung zwischen Osterfingen und Jestetten mittels
Hochstammobstgärten existiert nicht, trotzdem sind nach der ers-
ten Wiedehopfbrut Exemplare in Jestetten aufgetaucht.

Trasadingen – Erzingen – Griessen                                  7
o.k.; Die Vernetzung zwischen Trasadingen und Erzingen/Griessen
ist gewährleistet durch ein Obstgarten-Förderprojekt des Natur-
parks seit 2014 als Nachfolgeprojekt des Interreg-Projekts Obst-
gartenvögel 2009-2012.

Reben Südhänge Randen – Klettgau bis Schaffhausen                  8
o.k.; Die Vernetzung zwischen Hallau/Oberhallau über Gächlin-
gen-Siblingen-Löhningen-Beringen ist gewährleistet durch ein
Obstgarten-Förderprojekt des Naturparks seit 2014 als Nachfol-
geprojekt des Interreg-Projekts Obstgartenvögel 2009-2012.

Oberhallau – Babental – Schleitheim – Beggingen                    9
Zielarten kommen in Gächlingen, Schleitheim und Beggingen
nicht vor, mit Ausnahme eines Auftretens des Wiedehopfs in den
Reben am Müliweg bei Schleitheim. Die Gründe sind unklar.

Regionaler Naturpark Schaffhausen
20                                 Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

      10   Randen – Beggingen, Bargen – Merishausen
           Eine Zielartenverbindung zwischen der Merishauser Randenhoch-
           fläche und Beggingen mit Gartenrotschwänzen ist durch breite
           Waldgürtel unterbrochen. Zwischen Merishausen und Bargen
           funktioniert die Verbindung über einzelne kleine Obstgärten.

      11   Hofen – Büsslingen und Bibern – Thayngen
           o.k.; Die Vernetzung zwischen Hofen – Büsslingen und Bibern –
           Thayngen ist gewährleistet durch ein Obstgarten-Förderprojekt
           des Naturparks seit 2014 als Nachfolgeprojekt des Interreg-Pro-
           jekts Obstgartenvögel 2009-2012. Die Zielarten-Ausbreitung von
           Büsslingen nach Hofen ist leider noch nicht erfolgt.

      12   Buchthalen – Büsingen – Dörflingen – Ramsen
           Die Vernetzung zwischen Buchthalen und Büsingen bis Dörflingen
           läuft über das Vernetzungsprojekt Schaffhausen-Ost. Die Verbin-
           dung weiter über Gailingen in die Ramser Ebene ist noch unterbro-
           chen. Es fehlen im oberen Kantonsteil Zielarten-Fundmeldungen

           Ramsen – Rielasingen
      13   Eine Zielarten-Ausbreitung von Rielasingen und Singen nach Ram-
           sen ist leider noch nicht erfolgt.

           Stein am Rhein – Oehningen
      14   Eine Zielarten-Ausbreitung von Oehningen nach Stein am Rhein ist
           leider noch nicht erfolgt.

                                                Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                      21

                                                                     Handlungsbedarf Lebensraum
                                                                     Obstgärten
Der Zustand der Hochstamm-Obstgärten muss folgendermassen
verbessert werden:
■	Organisation einer periodischen Pflege wertvoller, verwahrlos-
   ter Obstgärten
■ Verjüngung des Baumbestands wertvoller Obstgärten
■	Aufwertung der Strukturen der Obstgärten mit der Schaffung
   von Kleinstrukturen
■	Förderung der Obstgarten-Zielarten durch Bereitstellung art-
   spezifischer Nistkästen und deren Betreuung

Grenzüberschreitende Lebensraumvernetzung
Zur Vernetzung der Obstgärten zur grenzüberschreitenden Le-
bensraumvernetzung sind Kontakte mit Partnern zu knüpfen und
Kooperationen zu organisieren.

Oberhallau – Babental – Schleitheim – Beggingen
Aufwertung der bestehenden Obstgärten mit artspezifischen Nist-
kästen und Schaffung von Kleinstrukturen, allenfalls Förderung von
extensiven Weideflächen.

Randen – Beggingen
Aufwertung der bestehenden Obstgärten mit artspezifischen Nist-
kästen und Schaffung von Kleinstrukturen und die Förderung von
extensiven Weideflächen wird durch das Vernetzungsprojekt Beg-
gingen umgesetzt.

Buchthalen und Büsingen bis Dörflingen und über Gailingen
nach Ramsen
Über das Vernetzungsprojekt Schaffhausen-Ost soll die Verbindung
zwischen Buchthalen und Büsingen bis Dörflingen umgesetzt wer-
den.
Um eine Lebensraumverbindung von Dörflingen über Gailingen in
die Ramser Ebene soll durch den Aufbau einer Kooperation mit
Gailinger Stellen aufgebaut werden.

Zielarten-Ausbreitung von Rielasingen und Singen nach Ramsen
sowie von Oehningen nach Stein am Rhein
Im Rahmen des Vernetzungsprojektes Stein soll mit der Schaffung
und Aufwertung von Obstgärten die Verbindung zu den deutschen
Nachbargemeindegebieten Rielasingen und Oehningen geschaf-
fen werden.

Regionaler Naturpark Schaffhausen
22                                                                               Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

      Definition von Massnahmen zum
           Lebensraum Obstgärten im
                   Naturparkperimeter                ■	Aktionsplan Lebensraum Obstgarten (integriert die schweizeri-
                                                        schen Aktionspläne für Wiedehopf und Steinkauz, ergänzt
                                                        durch Gartenrotschwanz und Wendehals).
                                                     ■	Beratung in Obstsorten und Abgabe von Hochstamm-Obstbäu-
                                                        men.
                                                     ■	Artspezifische Nistkästen für Wiedehopf, Gartenrotschwanz
                                                        und Wendehals sowie Niströhren für Steinkauz.
                                                     ■	Entwicklung einer grenzüberschreitenden Lebensraumvernet-
                                                        zung; es sind Kontakte mit Partnern zu knüpfen resp. eine Ko-
                                                        operation aufzubauen. Eine Kooperation kann auf den ehema-
                                                        ligen Projektpartnern des Interreg-Projektes 2009-2012
                                                        angestrebt werden; mit Umsetzung ab 2020.

Abb. 10. Blick vom Kanton Schaffhausen über die Grenze hinaus in den Hegau als Zeichen einer grenzüberschreitenden Lebensraumver-
netzung. - Foto S. Trösch

                                                                                               Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                        23

Aktionsplan Lebensraum Obstgarten (& Vögel
der Hochstamm-Obstgärten
Einleitung
Mit dem Projekt «Ökologische Infrastruktur in der Region Schaff-
hausen 2016-2017» wurden für den Lebensraum Obstgarten fol-
gendes ausgearbeitet (siehe Kap. 2):
►	Kurzbeschrieb des national prioritären «Lebensraum Hoch-
   stamm-Obstgärten, Streuobstwiesen (Nr. 8.1.4 nach Systematik
   des BAFU)»
►	Defizitanalyse mit Detailangaben zur grenzüberschreitenden
   Lebensraumvernetzung und zur Artvernetzung
► Handlungsbedarf zum Lebensraum Obstgärten
► Konzeptioneller Soll-Plan
►	Definition von Massnahmen zum Lebensraum Obstgärten im
   Naturparkperimeter

Der Aktionsplan, Teil 2 «Vögel der Hochstamm-Obstgärten im Re-
gionalen Naturpark Schaffhausen» untersucht die Situation und
den Handlungsbedarf für die vier typischen Obstgarten-Vogelar-
ten Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz. Die
Erkenntnisse fliessen in den Aktionsplan Lebensraum Obstgarten
ein.
Auf diesen Unterlagen baut die Festlegung von Zielen und Umset-
zungsmassnahmen für den Aktionsplan Lebensraum Obstgarten
auf.
Zu den 100 Zielarten, welche der Naturpark im Rahmen des Pro-
jekts «Ökologische Infrastruktur 2016-2017» ausgewählt hat, ge-
hört auch das als «Dorf-Fledermaus» bezeichnete Graue Langohr
(Plecotus austriacus), welches schweizweit als vom Aussterben be-
droht eingestuft ist und oft im Bereich von Hochstamm-Obstgär-
ten jagt. Im Rahmen eines Fledermausprojekts im Regionalen Na-
turpark Schaffhausen (Bioforum 2014) konnten mehrere Male
mittels Bat-Scannern das Graue Langohr festgestellt werden. Da
vom Kanton Schaffhausen für 2019 ein Förderprojekt zu Grauem
und Braunem Langohr in Auftrag gegeben worden ist, wird in die-
sem Aktionsplan keine Aussagen zum Grauen Langohr gemacht.
Nach Abschluss des kantonalen Projektes könnten allenfalls Er-
gänzungen an diesem Aktionsplan Lebensraum Obstgarten vor-
genommen werden. Im Anhang werden Daten zum Grauen Lang-
ohr abgebildet.

Regionaler Naturpark Schaffhausen
24                                                        Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

                         Ziele   Ziele, abgeleitet von menschlichen Ansprüchen, zu erreichen in
                                 zehn Jahren:
                                 ■	Um die Dörfer konnten die Hochstamm-Obstgärten weitge-
                                    hend erhalten und verjüngt werden.
                                 ■	Der Bevölkerung ist die Obstsortenvielfalt bekannt, alte robuste
                                    und lokale Obstsorten können als Bäume und als Obst bezogen
                                    werden.

                                 Ziele, abgeleitet von den Ansprüchen der Zielarten, zu erreichen in
                                 zehn Jahren:
                                 ■	Etablierung von tragfähigen und expandierenden Brutpopula-
                                    tionen beim Wendehals und Gartenrotschwanz.
                                 ■ 2-5 Brutpaare bei Wiedehopf mit günstiger Prognose
                                 ■ 1 Brutnachweis beim Steinkauz

              Erhaltungs- und    ■	An jährlich 1-3 Obstsorten-Ausstellungen wird der Bevölkerung
      Förderungsmassnahmen           die Obstsortenvielfalt nähergebracht und das Verständnis für
                                     den Lebensraum Obstgarten vermittelt.
                                 ■	Mit der jährlichen Abgabe verbilligter Hochstamm-Obstbäume
                                     wird die Verjüngung bestehender, überalterter Hoch-
                                     stamm-Obstgärten gefördert. Die lokalen Obstsorten werden
                                     gemäss Tabelle 1 werden dabei bevorzugt abgegeben.
                                 ■	Eine grenzüberschreitende Lebensraumvernetzung wird aufge-
                                     baut durch Kontakte mit Partnern die Umsetzung gemeinsa-
                                     mer Förderprojekte. Dazu kann auf die ehemaligen Projekt-
                                     partner des Interreg-Projektes 2009-2012 zurückgegriffen
                                     werden. Innerhalb des Naturparks wird die grenzüberschrei-
                                     tende Kooperation durch den Naturpark angeleitet, ausserhalb
                                     des Naturparks durch den Verein Obstgarten-Aktion Schaff-
                                     hausen; mit Umsetzung ab 2020.
                                 ■	Massnahmen zugunsten der vier Vogelarten:
                                 	Mit Lebensraumaufwertungen im Bereich der Hoch-
                                     stamm-Obstgärten und seiner Übergangshabitate ins Kultur-
                                     land und Siedlungsgebiet die Voraussetzungen für die Bildung
                                     von stabilen Brutpopulationen schaffen.
                                 ■	Von diesen Aufwertungsmassnahmen profitieren zahlreiche
                                     andere Vogelarten.
                                 ■	Sensibilisierung der Menschen über das Zusammenspiel von
                                     Lebensraumaufwertungen (am Beispiel der Hochstamm-Obst-
                                     gärten) und Verbesserung der menschlichen Lebensgrundlage.

              Erfolgskontrolle
                                 Mit der vom Naturpark durchgeführten Wirkungsanalyse werden
                                 die Umsetzung des Aktionsplans und dessen Erfolg periodisch
                                 und mit Abschluss 2027 überprüft.

                                                                       Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                                                      25

Abb. 11. Gute Voraussetzungen zum Erhalt von bestehenden Hochstamm-Obstgärten in und um Dörfer sind vielerorts, wie hier in Hallau
gegeben. - Foto S. Trösch

Abb. 12. Der Wendehals ist eine Vogelart, die im Regionalen Naturpark Schaffhausen wie auch im übrigen Kantonsgebiet gut Chancen hat,
dank Aufwertungsmassnahmen eine stabile Population zu bilden. - Foto: I. Fürderer

Regionaler Naturpark Schaffhausen
26   Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

                  Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten               27

                                                       TEIL 2

    Fördermassnahmen für Gartenrotschwanz,
        Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz

                                               Stephan Trösch

Regionaler Naturpark Schaffhausen
28   Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

                  Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                               29

                     Inhaltsverzeichnis        Zusammenfassung                             31
                                               Einleitung                                  32
                                               Die Zielarten                               33
                                               Gartenrotschwanz                            34
                                               Wendehals                                   40
                                               Wiedehopf                                   44
                                               Steinkauz                                   50
                                               Potenzialbeurteilung                        56
                                               Ziele / Umsetzung                           57
                                               Strategie und Planung | Erfolgskontrollen   59
                                               Literatur- und Quellverzeichnis             60
                                               Anhang                                      62
                                               Artbeschreibungen                           63
                                               Lebensraum Obstgarten SOLL                  72
                                               Prioritäre Gebiete für die Zielarten        73
                                               Obstgärten (Bilder)                         75

Regionaler Naturpark Schaffhausen
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Abb. 13. Halboffene Landschaft an der Peripherie zu den Rebbergen bei Hallau. In diesem Lebensraum kommen mehrere seltene und ge-
fährdete Vogelarten wie Gartenrotschwanz, Wendehals und Heidelerche vor. - Foto S. Trösch, Hallau, 21.04.2018.

                                                                                               Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                            31

                                                                      Zusammenfassung
Im Kanton Schaffhausen werden seit mehr als 30 Jahren von ver-
schiedenen Akteuren die Lebensräume von Fauna und Flora auf-
gewertet, verbessert oder neu geschaffen. Nicht zuletzt dank sol-
cher Massnahmen enthält die Avifauna des Kantons Schaffhausens
eine beachtliche Anzahl Vogelarten, die in weiten Teilen der
Schweiz nur noch selten, lückenhaft oder in geringer Dichte vor-
kommen, wie z. B. der Wendehals, die Heidelerche, die Feldlerche
und die Grauammer. Für die Sicherstellung der Lebensräume die-
ser und einiger anderer Arten trägt der Kanton Schaffhausen eine
grosse Verantwortung.

Dieser Aktionsplan berücksichtigt vier Vogelarten, die weitgehend
den Hochstammobstgarten als gemeinsamen Lebensraum nut-
zen und Zielarten für Vernetzungsprojekte mit Ökoflächen in der
Landwirtschaft im Kanton Schaffhausen sind. Sie zählen zu den be-
drohten bzw. gefährdeten Vögeln im Kanton Schaffhausen: Gar-
tenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf und Steinkauz.

Alle vier Arten haben in den letzten Jahrzehnten unter massiven
Lebensraumverlusten und Entzug von Nahrungsgrundlagen gelit-
ten. Neben den individuellen Gefährdungen zeigt der Aktionsplan
artbezogene Massnahmen zur Verbesserung der Lebensräume
auf, mit dem Ziel, die vier Vogelarten langfristig anzusiedeln und
zu erhalten.

Die wichtigsten Fördermassnahmen beziehen sich auf den Erhalt
bestehender, Erweiterung oder Schaffung neuer Hochstammobst-
gärten und ihrer Vernetzung mit bestehenden (Klein-)Strukturen.
Parallel mit der Lebensraumverbesserung muss eine nachhaltige
Bereitstellung von nährstoffarmen und insektenreichen Wiesen
zur Erleichterung des Beutefangs erfolgen, als weitere Vorausset-
zung für eine erfolgreiche Umsetzung des Aktionsplans.

Das Projekt ist ambitioniert und langfristig angelegt. Dank bereits
bestehender nationaler Förderprojekte kann auf Ressourcen und
Erfahrungen zurückgegriffen werden. Die Einbindung möglichst
vieler Akteure hilft das Projekt breit abzustützen.

Im Anhang finden sich Beschreibungen der vier Vogelarten, zwei
Karten des Obstgarten-IST/SOLL-Zustandes sowie Obstgartenfo-
tos als Referenz für Lebensräume.

Regionaler Naturpark Schaffhausen
32                                          Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

      Einleitung
                   Der Kanton Schaffhausen erhielt seit 1990er Jahren mit dem Wie-
                   deransiedlungsprojekt des Rebhuhns vor allem in Ornithologen-
                   kreisen zunehmend Aufmerksamkeit. Gross­flächige ökologische
                   Aufwertungsmassnahmen im Klettgau führten gleichzeitig zum­­­­­­­­­­
                   Aufsch­wung von Kulturlandvögeln wie Feldlerche, Schwarzkehl-
                   chen, Dorngrasmücke, Neuntöter und Goldammer. Besonders zu
                   erwähnen ist dabei auch die Grauammer, die hier seit Jahrzehnten
                   bis 2017 ein stabiles Vorkommen hatte, neben zwei bis drei ande-
                   ren Standorten in der West­s­chweiz. Einen weiteren Höhepunkt er-
                   lebte der Kanton Schaffhausen mit der spektakulären Brut einer
                   Wiesenweihe im Jahr 2007; erstmals wieder seit 25 Jahren in der
                   Schweiz. Diesem Ereignis folgten 2011 und 2012 nach 24 Jahren
                   wieder Bruten des Wiedehopf und 2014 gelang nach fast 20 Jahren
                   wieder ein Brutzeitnachweis der sehr seltenen Heidelerche in den
                   Rebbergen bei Oberhallau. Diese Art kann sich zudem seit Jahren
                   dank Fördermassnahmen auf den Randenhochflächen mit einer
                   kleinen, stabilen Population halten.

                   Neben diesen Arten trägt der Kanton Schaffhausen z. B. auch für
                   eine weiterhin bestehende Population der Schafstelze in der Regi-
                   on Ramsen Verantwortung, ferner für den national sich ausbrei-
                   tenden Mittelspecht und in neuerer Zeit auch für den Wendehals.
                   Mit rund 11 Revieren hat sich diese Art in den Hallauer Rebbergen
                   etabliert und hier einen der wenigen nationalen «Hotspots» ge-
                   bildet. Der Regionale Naturpark Schaffhausen möchte im Gesamt-
                   konzept eines «Aktionsplans Lebensraum Obstgarten» speziell
                   den Steinkauz und Wiedehopf wieder ansiedeln sowie das beste-
                   hende fragile Brutvorkommen des Wendehalses und des Garten-
                   rotschwanzes nachhaltig sichern und erweitern. Er setzt damit ein
                   Zeichen für ein ambitioniertes Projekt zu Gunsten von schweizweit
                   bedrohten und gefährdeten Vogelarten.

                   Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Vor-
                   habens sind günstig. Dank den in den letzten Jahrzehnten von ver-
                   schiedenen Akteuren für einen qualitativ hochwertigen «Lebens-
                   raum Schaffhausen» geleistete Arbeit, kann hier mit dem
                   vorliegenden Aktionsplan praktisch nahtlos angeknüpft werden.

                                                         Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                          33

                                                                      Die Zielarten
Der Aktionsplan orientiert sich an der Liste der «Zielarten des Na-
turparks Schaffhausen, Wirkungsanalyse 2018-2027» vom
25.10.2018 und behandelt die Vogelarten des Lebensraums «Obst-
gärten». Es sind dies Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf
und Steinkauz.

Alle vier Arten stehen in der Schweiz in den letzten rund 70 Jahren
als Referenz eines grossflächigen Lebensraumverlusts durch Zer-
siedelung, Intensivierung der Landwirtschaft, ferner auch des Ent-
zugs von Nahrungsgrundlagen, insbesondere von Insekten infolge
des Pestizideinsatzes.

Die Erfahrungen zeigen, dass mit breit angelegten und geeigneten
Fördermassnahmen Erfolge in der Sicherstellung und Erweiterung
eines bestehenden Brutvorkommens oder eine Wiederansiedlung
von ehemaligen Brutvögeln erreicht werden können. Vorausset-
zung dazu ist eine gemeinsame, zielgerichtete Mitwirkung aller zur
Verfügung stehenden Mittel und Akteure. Zudem müssen die um-
zusetzenden Massnahmen langfristig ausgelegt sein um einen
nachhaltigen Erfolg erzielen zu können.

Von den vier Zielarten zählen der Gartenrotschwanz und der Wen-
dehals aktuell zu den im Naturpark Schaffhausen brütenden Vo-
gelarten, während der Wiedehopf letztmals 2012 zur Brut schritt
und der Steinkauz 1977. Bei allen vier Vogelarten besteht Bedarf
für nachhaltig greifende Fördermassnahmen.

Mit dem Umsetzen des Aktionsplans für die vier Zielarten werden
gleichzeitig auch andere Vogelarten gefördert, die im Lebensraum
«Hochstamm-Obstgarten» vorkommen: z. B. Grünspecht, Bunt-
specht, Kleinspecht, Trauerschnäpper,  Blaumeise, Kohlmeise, Gar-
tenbaumläufer, Star, Feldsperling, Buchfink. Grünfink und Kern-
beisser.

Regionaler Naturpark Schaffhausen
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Foto M. Ruppen

                                                            Gartenrotschwanz
                                                            Phoenicurus phoenicurus
                       Status, Verbreitung und Bestand

                                                 Schweiz    Die Art kommt in der ganzen Schweiz vor, mit einem Bestand 2013-
                                                            2016 von 12’000 – 18’000 Paaren, oft aber nur in geringer Dichte.
                                                            Der Gartenrotschwanz gilt in der Schweiz als «potenziell gefähr-
                                                            det». Der Schwerpunkt seiner Verbreitung mit einer in den letzten
                                                            20 Jahren gewachsenen Dichte liegt in den grossen Tallagen des
                                                            Wallis, im Tessin, im Misox GR und Bergell GR sowie in der Region
                                                            Basel. Im östlichen Mitteland ist für die Art in den letzten 20 Jahren
                                                            hingegen ein weiterer Rückgang von –2 Revieren/km² zu verzeich-
                                                            nen. So betrugen die Verluste z.B. im Kanton Zürich von 1988 bis
                                                            2008 85% und im Bodenseegebiet von 1980 bis 2010 rund 90%
                                                            (Knaus et al. 2018). Der seit Mitte der 1950er Jahre schweizweit
                                                            rückläufige Trend des Brutbestands sieht seine Gründe in den sich
                                                            damals schon verschlechternden Lebensbedingungen in den Brut-
                                                            gebieten. Dafür verantwortlich wird u.a. das Verschwinden von
                                                            Hochstamm-Obstgärten, das verdichtete Bauen und der Insekti-
                                                            zideinsatz gemacht (Knaus et al. 2011).

                                     Kanton Schaffhausen    Der Gartenrotschwanz ist im Kanton Schaffhausen als seltener und
                                 und Regionaler Naturpark   gefährdeter Brutvogel einzustufen. Es ist davon auszugehen, dass
                                                            diese Art schon zu früherer Zeit nur lückenhaft im Kanton verbrei-
                                                            tet war, am ehesten noch in den Siedlungsräumen. Grossflächige
                                                            alte Obstbaumgärten, die mit ihren natürlichen Höhlen zum be-
                                                            vorzugten Lebensraum der Art zählen, schienen schon damals wie
                                                            heute das Landschaftsbild im Kanton nicht besonders geprägt zu
                                                            haben. Die effektive Verbreitung der Art im ganzen Kantonsgebiet
                                                            ist nur lückenhaft bekannt und basiert auf lokalen Erhebungen.
                                                            Nabulon et al. (2003) erwähnt den Gartenrotschwanz im Kanton
                                                            Schaffhausen als «regelmässigen Brutvogel» mit einem Bestand
                                                            von 11-50 Revieren. Dabei wird festgehalten, dass die Art ein Cha-
                                                            raktervogel der Hochstamm-Obstgärten ist und in den letzten
                                                            Jahrzehnten im Bestand stark abgenommen hat. Es wird darauf
                                                            verwiesen, dass der Gartenrotschwanz auch im Siedlungsraum
                                                            vorkommt. So wurden 1997 in der Stadt Schaffhausen 18 Reviere
                                                            nachgewiesen, mit einer Bevorzugung von Quartieren mit lockerer

                                                                                                   Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                                35

Bauweise und altem Baumbestand (z.B. Emmersberg). Im Rahmen
einer grossflächigen Kartierung des ganzen Rebbauperimeters
zwischen Oberhallau und Trasadingen in den Jahren 2017 und
2018 durch die Schweizerische Vogelwarte Sempach wurde der
Gartenrotschanz an drei Stellen nachgewiesen. Die Reviere befan-
den sich in zwei Fällen in Kleinstrukturen mit Hochstammobstbäu-
men und in einem Fall an der Peripherie dieses Habitattypus.

Weitere Brutzeit-Nachweise (Quelle: ornitho.ch):

2018 	Randengebiet, Merishausen.

2017	Neunkirch (Widen, Hemmental, (Grund­buck), Merishausen
       (Randenhorn und Soo), Schaffhausen (Kraftwerk, Niklausen,
       Gruben und Emmersberg).

                                                                     Lebensraum und Gefährdung

Der Gartenrotschwanz ist als Höhlenbrüter auf strukturreiche,        Lebensraumcharakter
grossflächige Hochstamm-Obstgärten mit lückiger Bodenvege-
tation angewiesen, auf gestaffelte Mahd und das Vorhandensein
von Sitzwarten. Blumenwiesen unmittelbar im Bereich der Obst-
gärten spielen für die Nahrungsbeschaffung von Insekten eine
zentrale Rolle.
Mit einem aktuell laufenden Projekt der Schweizerischen              Erfahrungen aus einem Projekt
Vogelwarte Sempach im Grenzgebiet des Oberthurgaus zum               im Grenzbereich Kanton Thurgau/St. Gallen
Kanton St. Gallen, wird in Zusammenarbeit mit 15 betroffenen
Landwirten und des Kantons Thurgau versucht, in einem Teil des
ehemaligen Verbreitungsgebiets «Mostindien» den Garten­
rotschwanz zu fördern: Dazu gehört das Schaffen von mehr
Strukturen gemäss «Biodiversitätsförderung Qualitätsstufe II
von Hochstamm-Feld­obstbäumen», von Sitzwarten in weniger
strukturierten Lebens­räumen und von offenen Bodenstellen
sowie die gestaffelte, streifenförmige Mahd des Unterbodens
der Hochstammbäume, um den Jagderfolg des Garten­
rotschwanzes zu erhöhen. Die Insektenvielfalt soll mit der Einsaat
von Blumenwiesen in unmittelbarer Nähe der Hochstammzone
gefördert werden. Weiter werden in den Hochstamm-Obstgärten
gezielt sogenannte Biotopbäume erhalten, wie die hier noch
gelegentlich anzu­treffenden sehr hohen Birnbäume, welche bis
zu 250 Jahre alt sind. Auch die Erhöhung des Nistplatzangebots
ist ein wichtiges Thema: Eine Schulklasse in Muolen hat im April
2017 60 eigens für den Gartenrotschwanz konzipierte Nistkästen

Regionaler Naturpark Schaffhausen
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Abb. 14. Brutgebiet des Gartenrotschwanz in der Nähe des Schiessstands Hallau im Frühling 2018. Der von dem Brutpaar angenommene
künstliche Nistkasten (siehe Abb. 15) befand sich beim roten Gebäude in Bildmitte und damit auch im Gelände des Hallauer OpenAir-Kon-
zerts vom Mai. Die Brut wurde während oder nach dem Anlass leider aufgegeben. Ernstgenommene Fördermassnahmen müssten in einem
ähnlichen Fall zu Gunsten der Art eingreifen. - Foto S. Trösch, Hallau, 21.04.2018.

                                                      gezimmert. Diese Kästen werden von anderen höhlenbrütenden
                                                      Kleinvögeln gemieden. Dadurch erhöht sich für den spät aus dem
                                                      Winterquartier     zurückkehrenden      Gartenrotschwanz    das
                                                      Nistplatzangebot. Schon letztes Jahr hat er vier dieser Kästen
                                                      besiedelt (Quelle: Avinews April 2018, Schweizerische Vogelwarte
                                                      Sempach, S. 6-7).

                Gartenrotschwanz-»Hotspot»            In der ehemaligen Waldbrandfläche bei Leuk VS (Brand von 2003)
                                   Leuk VS            wurden 2013-2016 auf 3,1 km² 97 (!) Reviere des Gartenrotschwanz
                                                      nachgewiesen. Dieses Beispiel unterstreicht das Bestandspotenzial
                                                      dieser Art (Knaus et al. 2018).

                                     Gefährdung       Zu den Hauptursachen des seit Mitte des letzten Jahrhunderts er-
                                                      folgten Bestandseinbruchs zählen das massive Verschwinden von
                                                      Hochstammstreuobstgärten, die Überdüngung der verbleibenden
                                                      Obstgärten, die Zersiedelung mit der Überbauung von verbleiben-
                                                      den Obstgärten, der intensive Pestizideinsatz (H. Schmid et al.
                                                      2001) und in neuerer Zeit auch das zunehmende Fehlen/Ver-
                                                      schwinden von Kleinstrukturen, z. B. Schrebergärten. Ferner trägt
                                                      auch die «moderne» Gartenarchitektur, mit dem Verwandeln von
                                                      Grünflächen in Beton- und Steinwüsten nicht dazu bei, neue Le-
                                                      bensräume für viele Vogelarten zu schaffen. Mindestens seit Ende
                                                      der 1960er Jahre spielen auch verschlechterte Bedingungen im
                                                      Hauptüberwinterungsgebiet des Gartenrotschwanz in der Sahel-
                                                      zone eine Rolle für seinen Rückgang im mittel- und nordeuropäi-
                                                      schen Brutgebiet (H. Schmid et al. 2001).

                                                                                                  Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                                                          37

Abb. 15. Dieses Bild zeigt den von einem Gartenrotschwanz-Brutpaar angenommenen Nistkasten beim Schiessstand Hallau und das Männ-
chen auf der nahen Birke. Die frisch geschnittene Fettwiese in der Nähe diente als Jagdrevier und wurde am 01./02.06.2018 als Gelände des
OpenAirs Hallau genutzt. - Foto S. Trösch, Hallau, 18.05.2018.

                                                                                    Artspezifische Fördermassnahmen

■	Erhalt bestehender Hochstamm-Obstgärten in Zusammenarbeit
   mit Landwirten und örtlichen Kommunen.

■	Schaffen von neuen Hochstammobstgärten (Streuobstanlagen)
   und Erweiterung bestehender Hochstammobstanlagen.

■	Grossflächiges Anbringen von speziellen Nistkästen für den
   Gartenrotschwanz (Details in Avinews April 2018. Schweizeri-
   sche Vogelwarte Sempach. S. 6-7).

■	Die Übergangsbereiche zwischen Siedlungsraum und Kultur-                         Lebensraum «Übergang Siedlungsgebiet
   land als ökologisch wertvolle Lebensräume müssen erhalten                        zum Kulturland» sichern
   bleiben. Insbesondere soll das Versiegeln von Böden (Strassen
   und Wege) vermieden werden.

■	Die Insektenvielfalt soll mit der Einsaat von Blumenwiesen un-
   mittelbar neben den Obstgärten gefördert werden.

■ 	Obstgartenschutz: Erhöhung der Baumzahl und entsprechend
   der Hochstammfläche, Stehenlassen alter Bäume (auch Totholz),
   v.a. Nuss- und Birnbäume.

■ 	Schutz der verbleibenden Obstgärten vor Rodung.

Regionaler Naturpark Schaffhausen
38                                                                      Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

                                               ■ 	Förderung der extensiven Unternutzung.

                                               ■ 	Förderung lückiger Vegetation durch Auffräsen oder durch An-
                                                  legen von Ruderalflächen mit Wandkies.

                                               ■	Erhöhung der Dichte geeigneter Nistkästen bei Mangel an Na-
                                                  turhöhlen, z.B. in Randzonen von Siedlungsgebieten im Über-
                                                  gang zum Kulturland oder Rebgebiet.

         Kleinstrukturen und Schrebergärten    ■	Förderungsmassnahmen in Gärten, Freizeitgärten und öffentli-
                               mit Potenzial      chen Grünflächen (extensive Wiesen, Förderung alter Bäume
                                                  usw.). Geeignet für den Gartenrotschwanz sind auch bestehen-
                                                  de Schrebergärten, die eine vielfältige Kleinstruktur aufweisen,
                                                  mit eingestreuten Obstbäumen, einheimischen Pflanzen und
                                                  vermindertem Einsatz von Dünger.

                                               ■ Evaluation alternativer Landschaftsstrukturen als Ersatz für ver-
                                                  schwindende Obstgärten.

      Bekannte Artenförderungsmassnahmen       ■ Die Förderung von Hochstammobstgärten mit pestizidfreier
                  national und international      oder mindestens pestizidarmer Bewirtschaftung und extensiven
                                                  Wiesen oder Weiden im Unternutzen schafft vor allem dann
                                                  günstige Bedingungen, wenn innerhalb des Obstgartens oder in
                                                  unmittelbarer Nähe lückige Vegetation, Asthaufen, Steinhaufen,
                                                  Holzbeigen, Gärten, Reben und andere Kleinstrukturen vorhan-
                                                  den sind. Lückige Vegetation kann durch Anlage von Ruderal-
                                                  flächen mit Oberbodenabtrag und Kieseinlage oder durch Auf-
                                                  fräsen des Oberbodens geschaffen werden.

                                               ■ In Nachbarschaft bestehender Vorkommen können sehr lichte,
                                                  nicht verbuschende Waldränder mit grasartiger Vegetation be-
                                                  siedelt werden. In Absprache mit Experten sind entsprechende
                                                  Massnahmen an geeigneten Standorten sinnvoll.

                                                                                     Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                                                      39

Das auf Seite 9 bereits erwähnte Projekt der Schweizerischen Vo-                 Erkenntnisse aus dem aktuellen Projekt der
gelwarte Sempach zur Förderung des Gartenrotschwanzes im                         Schweizerischen Vogelwarte Sempach zur
Grenzgebiet des Oberthurgaus und des Kantons St. Gallen brachte                  Förderung des Gartenrotschwanz
wichtige Erkenntnisse (Quelle: Avinews April 2018, Schweizerische
Vogelwarte Sempach), u.a.:

Die Anzahl alter Bäume und die bejagbare Fläche sind entschei-
dend für die Besiedlungsschancen des Gartenrotschwanz.

Ausschlaggebend für die Besiedelung von 50 % der Probeflächen
(während Jahren zuvor nicht besiedelten Flächen) waren:

► .Flächen mit mehr als 60 Altbäumen pro Hektar

► .Flächen mit einem für die Insektenjagd geeigneten Anteil von
     77 %

Abb. 16. Hochstamm-Obstgarten zwischen Engwilen TG und Märstetten TG am 23.04.2014. Gemäss einem aktuellen Projekt der Schweize-
rischen Vogelwarte im Grenzgebiet Oberthurgau/Kanton St. Gallen sind neben speziellen Nistkästen für den Gartenrotschwanz eine Dichte
von 60 Hochstamm-Altbäumen pro Hektar sowie ein Flächenanteil von 77 % für die Insektenjagd erfolgversprechende Faktoren für eine
erfolgreiche Wiederbesiedelung des Gartenrotschwanzes. - Foto S. Trösch.

Regionaler Naturpark Schaffhausen
40                                                                  Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten
Foto I. Fürderer

                                                              Wendehals Jynx torquilla
                         Status, Verbreitung und Bestand

                                                   Schweiz    Der Wendehals ist ein in der ganzen Schweiz verbreiteter Brutvo-
                                                              gel mit geringer Dichte. Bis mindestens 2002 zeigte sich landesweit
                                                              ein starker Rückgang der Brutverbreitung und erst seit 2010 ist ten-
                                                              denziell wieder eine Zunahme erkennbar. Der Wendehals gilt in
                                                              der Schweiz als «potenziell gefährdet». Sein Bestand liegt 2013-
                                                              2016 bei 1000–2500 Brutpaaren. Zu den Verbreitungsschwerpunk-
                                                              ten mit den grössten Dichtevorkommen zählen neben den grossen
                                                              Alpentälern und dem westlichen Genferseebecken auch die Schaff-
                                                              hauser Rebbaugebiete (Knaus et al. 2011).

                                    Kanton Schaffhausen und   Über das Vorkommen und die Verbreitung dieser Art ist wenig be-
                                       Regionaler Naturpark   kannt. Nabulon et al. (2003) beschreiben ihn als regelmässigen
                                                              Brutvogel mit einem als «stark gefährdeten» Status und einer Be-
                                                              standsgrösse von 1-10 Revieren. Dies basiert auf den in den letzten
                                                              5 Jahren (1998-2003) nachgewiesenen «einzelnen Bruten» in den
                                                              Gemeinden Hallau, Rüdlingen und Thayngen. Es wird erwähnt,
                                                              dass der Bestand in den letzten 20 Jahren (Stand 2003) stark zu-
                                                              rückgegangen sei. Doch da auch damals und in früherer Zeit kaum
                                                              systematische Erhebungen für diese Art vorlagen, ist diese Be-
                                                              standsbeurteilung mit etwas Zurückhaltung aufzunehmen.
                                                              Gemäss den Einträgen aus Zufallsbeobachtungen in ornitho.ch für
                                                              den Kanton Schaffhausen liegen jeweils für den Zeitraum von Mit-
                                                              te April bis Ende Juni folgende Nachweise singender Vögel vor,
                                                              wobei es sich auch (v.a. April/Mai) um rastende Durchzügler han-
                                                              deln könnte:

                                                              2007 Hallau (Berghof)
                                                              2008 Schaffhausen (Gruben) und Hemmental (Geren)
                                                              2008 	 Osterfingen, Schleitheim und Hallau (Schellenweg)
                                                              2010 Altdorf, Ramsen und Löhningen
                                                              2011 	 Hemmental und Schaffhausen (Emmersberg)
                                                              2012 	Hallau (Rebgebiet), Hofen/Bibern, Osterfingen und Meris-
                                                                     hausen

                                                                                                    Regionaler Naturpark Schaffhausen
Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten                                                     41

Eine Brutvogelrevierkartierung der Schweizerischen Vogelwarte
Sempach auf der ganzen Rebfläche zwischen Oberhallau und Tra-
sadingen ergab für 2017 und 2018 je 11 Reviere. Darüber hinaus
gab es für die beiden Jahre (jeweils April/Mai) Zufallsbeobachtun-
gen in Schaffhausen-Buchthalen und im Munotquartier (2017) so-
wie in Merishausen und Schleitheim (2018) (Quelle: ornitho.ch).

                                                                     Lebensraum und Gefährdung

Der Lebensraum des Wendehalses steht in Korrelation mit dem          Lebensraumcharakter
Vorhandensein von Ameisen als seiner Hauptnahrung und einem
grossen Höhlenangebot. Zudem sollten neben diesen beiden Be-
dingungen auch die Nahrung selbst gut erreichbar sein. Das sind
z.B. Strukturen mit 30 – 70% offenem Boden mit lückiger und kur-
zer Vegetation, wie eine Studie der Schweizerischen Vogelwarte
Sempach und der Universität Bern im Wallis ergeben hat (Schuck
et al. 2017). Demgegenüber stehen die Fettwiesen, wo die Amei-
sendichte gering ist. In einer Untersuchung in Deutschland wurden
von 27 untersuchten Lebensraumtypen auf zwei- bis dreischürigen
Fettwiesen lediglich 0,1 Ameisennester pro 100 m2 gefunden. Im
Vergleich dazu auf Kalkmagerrasen durchschnittlich 169,8 und auf
Randsäumen von Strassen durchschnittlich 94 Nester pro 100m2.
Der Wendehals benötigt eine vielfältige Kulturlandschaft, mit Ex-
tensivwiesen, Obstgärten mit Hochstammbäumen und lückiger
Vegetation, Totholz, Einzelbüsche, Hecken, alte Quartiere in Sied-
lungen mit wenig Erneuerungs- und Versiegelungsdruck sowie
reich strukturierte Rebberge. Von diesem Habitattypus hat der
Kanton Schaffhausen ein grosses Potenzial für eine nachhaltige
Artenförderung, nicht nur für den Wendehals.

Die Hauptgefährdung geht von der intensiven landwirtschaftli-        Gefährdung
chen Nutzung aus. Durch die Reduktion der Feldobstbaumbestän-
de verlieren Wendehälse natürliche Nistplätze in halboffenen Ge-
bieten und durch die intensive Nutzung des Grünlandes vermindert
sich die Verfügbarkeit der Ameisen. Bauer et al. (1985) betrachtet
den Verlust und Rückgang der Ameisen infolge Überdüngung und
Ausräumung der Landschaft als den Hauptgrund des mitteleuro-
päischen Rückgangs. Als bedeutende Faktoren werden der Verlust
von Randstrukturen und Pufferzonen, von Trockenrasen und Bra-
chen, zu häufige Wiesenmahd (Sukzession) und Grünlandumbruch,
Pestizideinsatz (v.a. im Obstbau) sowie intensivere Nutzung der
Streuobstwiesen (z.B. Freizeitzwecke als Rasen) genannt.

Regionaler Naturpark Schaffhausen
42                                                         Aktionsplan Lebensraum Hochstamm-Obstgärten

Artspezifische Fördermassnahmen

                                  ■	Sicherung des bestehenden Wendehals-Hotspots in den Reb-
                                     bergen Oberhallau-Hallau-Trasadingen als Grundpfeiler einer
                                     weiterführenden Vernetzungsarbeit.

                                  ■	Schaffen von zusätzlichen künstlichen Nisthilfen im bestehen-
                                     den Hotspotperimeter und neuen Gebieten, welche dem prio-
                                     ritären Lebensraumtypus entsprechen (übrige Rebberge im
                                     Kanton Schaffhausen und andere strukturreiche und ökologisch
                                     wertvolle Übergänge zwischen Siedlung und Kulturland, z.B. in
                                     Schaffhausen-Buchthalen).

                                     ►  Von Massnahmen zu Gunsten des Wendehalses profitieren
                                         auch andere Zielarten des Aktionsplans wie Gartenrot-
                                         schwanz und Wiedehopf.

                                  ■	Förderung von Hochstammobstgärten mit optimal genutzten
                                     Wiesen und Weiden in der Unterkultur.

                                  ■	Evaluation der aktuellen Eignung ehemals besiedelter Stand-
                                     orte.

                                  ■	Evaluation alternativer Landschaftsstrukturen als Ersatz für ver-
                                     schwindende Hochstammobstgärten.

                                  ■	Förderung von Wiesenameisen (siehe Gefährdung).

                                  ■ Förderung von lückiger Vegetation im Grünland.

                                  ■	Förderung von Kleinstrukturen, Büschen und Einzelbäumen in
                                     Rebbergen.

                                                                        Regionaler Naturpark Schaffhausen
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