LICHTPUNKT. Hospizarbeit gestalten - Corona 2020 - Bonn Lighthouse
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Bonn Lighthouse, Verein für Hospizarbeit e.V. setzt sich als Teil der Hospizbewe- gung für die Belange chronisch kranker, sterbender Menschen ein, mit der be- sonderen Berücksichtigung der speziellen Lebenssituation von Menschen, die mit HIV infiziert und an AIDS erkrankt sind. Außerdem engagiert sich der Verein seit 2007 für Menschen mit geistiger Behinderung und begleitet verstärkt in Einrich- tungen der Eingliederungshilfe. Bei der Lebens- und Sterbebegleitung stehen die betroffenen Menschen im Mittel- punkt – mit all ihren körperlichen, seelischen, spirituellen und sozialen Bedürfnis- sen und unter Achtung ihres individuellen Lebensstils. Durch die Unterstützung von externen Kooperationspartnern wird im Betreuten Wohnen auch die medizi- nische und pflegerische Betreuung gewährleistet. JA. ZUM LEBEN. UNSER ANGEBOT Betreutes Wohnen Ihre Ansprechpartnerin In unserem ambulanten Wohnprojekt sind bis zu 16 schwerstkranke oft jünge- und Ihr Ansprechpartner: re Menschen in eigenen Appartements untergebracht. Ihnen bieten wir Lebens- Dr. Christiane Ohl und Sterbegleitung durch sozialpädagogische und psychosoziale Fachkräfte Jürgen Goldmann sowie geschulte ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ambulanter Hospizdienst Tel: 0228–631304 Wir begleiten schwerstkranke und sterbende Menschen im eigenen Zuhause sowie in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Wir entlasten und begleiten Angehörige und Freunde. Information Wir informieren Sie zu Pflegemöglichkeiten, zur Patientenverfügung und Wir freuen uns Vorsorgevollmacht sowie zu weiteren Themen, die in Zusammenhang mit über Ihre Spende: Sterben und Tod stehen. Trauerbegleitung Bonn Lighthouse e.V. Im Trauerfall bieten wir Ihnen und Ihrer Familie Begleitung und Gespräche. (Sparkasse KölnBonn) IBAN: DE57 3705 0198 000 Besuchsdienst auf der Palliativstation Saunders Wir besuchen und unterstützen Patientinnen, Patienten und Angehörige auf der 4352555 Palliativstation und bieten Gespräche, Zeit und Biografiearbeit an. BIC: COLSDE33XXX Alle diese Angebote sind kostenfrei! Infos unter: www.bonn-lighthouse.de
Liebe Freundinnen und Freunde von Bonn Lighthouse, heute Morgen wieder ein Türchen im Kalender – nur Wie leben wir in dem Bewusstsein, dass unser Leben noch wenige Tage bis zum Weihnachtsfest. Jeder Tag bis endlich ist, nicht nur durch Corona. Wie leben wir mit dahin vergeht einem Kind zu langsam. Warten ist quä- dem Bewusstsein, dass unsere Arbeit bei Bonn Light- lend? Oder, nein. Warten ist ein angenehmes Kribbeln. house Begleitung bis zuletzt ist, ein Ja zum Leben fordert Dazwischen bewegen sich die Adventsgefühle. und zugleich mit dem Nein rechnet, jeden Tag? In diesem Jahr beschäftigen uns die Fragen der Advents- Was ist mit unseren Wünschen für diese Zeit? Eigentlich zeit ganz anders: keine Einladungen, keine Besuche, kei- ist alles gesagt im Interview mit Christof: „Einmal das ne Besorgungen, keine Feiern … Ganz anders die Hektik Meer sehen…“ Dann bleiben keine Wünsche mehr, oder der Adventszeit … vielleicht doch noch ein Spiel des FC im Stadion. Ganz anders auch das Warten. Nein, es scheint keine Lassen Sie uns überlegen, was wir uns wünschen und Zeit zu geben, um zu warten! Ungeduld macht sich breit, wie wir es wünschen, jeden Tag, das ganze Leben, bis Unzufriedenheit, Unmut. Wie sagte Armin Laschet vor zuletzt und nicht nur an einigen Wochen seltsam unbedacht: Es würde das här- Weihnachten. teste Weihnachten werden, das die Nachkriegsgeneratio- nen je erlebt haben … Ein steiler Satz. Ich wünsche Ihnen eine ge- füllte Zeit, dichte Augenbli- Wie erleben wir in unserem Haus Weihnachten und den cke und mittendrin gute Er- Advent? Immer im Bewusstsein, der mit uns lebenden innerungen … Gefahr – und damit ist nicht Corona gemeint. Ihre Ulrike Veermann Inhalt Corona 2020 – Hospizarbeit gestalten Gesellschaftspolitik Mit Tatkraft, Kreativität und Zuversicht Gesellschaftliche Debatte über Sterbewunsch Bonn Lighthouse im Corona-Jahr 2020 Hintergründe zu § 217 StGB Beitrag von Dorit Harms ................................................................... Seite 4 Beitrag von Christiane Ohl...................................................................Seite 13 Einmal das Meer sehn ... Ein besonderer Lichtpunkt im Corona-Jahr: Lighthouse sagt Danke! Christofs Reise nach Norderney Beitrag von Jürgen Goldmann ........................................................... Seite 6 Helft den Helfenden! Kultur tut gut Beethoven im Wohnprojekt Beitrag von Jutta Frings.........................................................................Seite 15 Kulturszene im Lighthouse-Garten Beitrag von Sabine Schulze...................................................................Seite 10 25 Jahre Lighthouse Wohnprojekt 2020 – da war doch noch was ... berdachung vor der Bewohnerküche Ü Beitrag von Dorit Harms.......................................................................Seite 16 Gartenprojekt Beitrag von Dorit Harms.......................................................................Seite 10 Wer, wie, was? • Impressum ...............................................................................................Seite 16 Ein Hochbeet entsteht Beitrag von Manni und Ebi...................................................................Seite 11 Kreative Kontaktpflege Kreativ-Café im Angela-Fey-Haus der Lebenshilfe Bonn Beitrag von Friederike Schleinitz.........................................................Seite 12
Corona 2020 – Hospizarbeit gestalten Hospizarbeit in Zeiten von Corona – das war der Titel des Magazins vom Mai diesen Jahres. Es war zu erwar- ten, dass uns die Pandemie noch viele weitere Monate in Bann hält und dass durch noch striktere Corona-Einschränkungen die Herausforderungen gerade auch für unseren Verein wachsen. Bonn Lighthouse im Corona-Jahr 2020 Mit Tatkraft, Kreativität und Zuversicht n Seit neun Monaten bestimmen die folgen, ist selbstverständlich. Höhen und Tiefen der Corona-Pan- Doch Hospizarbeit auf Ab- demie den Alltag bei Bonn Light- stand – das scheint auf den ers- house. Neben der Herausforderung, ten Blick unvereinbar. Aber der Foto: viarami - Pixabay.com; Grafik: Alexandra Koch - Pixabay.com stets die aktuellen politischen Ver- Verein und seine Kooperations- alle anderen Einsatz- ordnungen umzusetzen, geht es vor partner versuchen alles, um dies bereiche: das Kreativ-Café allem auch darum, mit den zuneh- möglich zu machen. So sind wir eini- im Angela-Fey-Haus der menden Unsicherheiten umzuge- germaßen gut durch die letzten Mo- Lebenshilfe Bonn, die Einzelbeglei- hen. Die Sorge, dass im unmittel- nate gekommen und konnten trotz tungen im Heilpädagogischen Heim baren Umfeld von Bonn Lighthouse allem den Menschen, die wir betreu- in Vilich, die Besuchsdienste auf der Corona-Erkrankungen auftreten, en und begleiten, zur Seite stehen. Palliativstation Saunders der Unikli- ist groß. Es gab bereits Corona- nik Bonn, unseren Ambulanten Hos- Verdachtsfälle bei einem Bewohner Die folgende kurze Zusammenfas- pizdienst und die Trauerbegleitung. und bei Mitarbeiter*innen, von de- sung soll Ihnen einen Einblick ge- nen sich jedoch zum Glück keiner ben, wie die Coronapandemie das „Gelockerte” Sommerzeit bestätigt hat. Leben und die Arbeit bei Bonn Lighthouse bestimmt hat. Das be- Nach den ersten strikten Kontaktein- Dass wir alle die AHA-Regel – Ab- trifft sowohl unser Wohnprojekt, in schränkungen im Frühjahr, waren stand halten, Hygienemaßnahmen dem derzeit 14 Bewohnerinnen und zunächst wieder Einzelbegleitungen befolgen, Alltagsmaske tragen – be- Bewohner betreut werden, als auch unter bestimmten Voraussetzungen 4 Bonn Lighthouse 2/2020
möglich. In den Sommermonaten Terrasse dürfen sich im- konnte unser Team auch wieder re- mer nur maximal zwei gelmäßig die Station Saunders besu- Personen aufhalten. chen und in den Einrichtungen der Unter der neuen Über- Behindertenhilfe tätig sein. dachung ist mittlerweile eine Beleuchtung installiert In unserem Wohnprojekt durf- worden. Damit man es dort auch bei ten Ehrenamtliche des Kochteams winterlichen Temperaturen aushal- standfinden, ist es wieder regelmäßig vor Ort für die ten kann, gibt es neben dem Wind- möglich, den not- Bewohner*innen kochen und ein ge- schutz, Heizstrahler an der Decke, wendigen räumli- meinsames Mittagessen anbieten. zwei rotierende aufstellbare Heizer chen Abstand ein- Gegessen wurde auf der Terrasse, die sowie „individuelle“ Wolldecken zuhalten. – dank einer großzügigen Spende – für unsere Bewohner*innen. eine Überdachung erhalten hatte. So Mit Zuversicht wurde in den Sommermonaten der Die Einsätze in der Behinder- in die Zukunft Garten mehr und mehr zum Treff- tenhilfe sind ebenfalls stark punkt. Dort wurde für die Bewohne- eingeschränkt. Sterbebeglei- rinnen und Bewohner musiziert und tungen durch Bonn Light- Soweit zum aktuellen in einer gemeinsamen Aktion ent- house sind nach wie vor in Stand im Dezember. Wir alle stand ein Hochbeet mit Blumen und allen Häusern der Eingliede- wissen nicht, was in den kom- Kräutern. rungshilfe möglich. Doch im No- menden Wochen und Monaten vember ruhen die Einzelbegleitungen noch auf uns zukommen wird. Der Ende der Sommerpause von unserer Seite im Heilpädagogi- Verein und seine Kooperationspart- schen Heim. Und natürlich darf auch ner sind in den letzten Monaten noch Dass im Herbst stärkere Einschrän- nicht bei Kaffee und Kuchen gemein- enger zusammengewachsen, und wir kungen auf uns zukommen würden, sam gebastelt und gemalt werden, so erleben viel Solidarität. Dadurch und damit hatte jeder gerechnet. Für Bonn dass das Kreativ-Café im Angela-Fey Dank des großen Engagements unse- Lighthouse bedeuten die beschlosse- Haus der Lebenshilfe geschlossen rer haupt- und ehrenamtlichen Mit- nen strikten Maßnahmen, dass den ist. Doch das Kreativ-Café-Team hat arbeiterinnen und Mitarbeiter ist es ehrenamtlichen wie hauptamtlichen eine Möglichkeit gefunden, mit der überhaupt nur möglich, dass Light- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Gruppe in Kontakt zu bleiben. Mehr house die Krise bislang einigerma- noch mehr Engagement, Nervenstär- dazu auf Seite 12.. ßen meistern kann. Dafür sind wir ke und Organisationstalent abver- sehr dankbar. Alle, die uns kennen, langt wird. Die regelmäßigen Besuchsdienste kennen auch unseren Leitspruch. Er auf der Palliativstation Saunders der lautet: JA zum Leben! In diesem Sin- Im Wohnprojekt sind Einzelbeglei- Uniklinik Bonn wurden bereits im ne versuchen wir mutig in die Zu- tungen unter den bekannten Hygi- Oktober eingestellt. Bei Patient*innen kunft zu blicken n ene-Voraussetzungen immer noch mit einen schwachen sozialen Netz Dorit Harms möglich. Das gemeinsame Mittages- können Lighthouse-Ehrenamtliche sen der Bewohner*innen des Wohn- jedoch für eine Begleitung angefragt projekts kann hingegen seit Anfang werden. November nicht mehr stattfinden. Dank des engagierten ehrenamtli- Das Angebot der Trauerbeglei- chen Kochteams wird an einigen Ta- tung können wir nach wie gen dennoch eine warme Mahlzeit vor aufrechterhalten. Bei für unsere Bewohner*innen angebo- den Trauergesprächen, ten. Allerdings wird das Essen einzeln die im Besprechungs- an der Haustür übergeben. Auf der raum der Geschäftsstelle Bonn Lighthouse 2/2020 5
Corona 2020 – Hospizarbeit gestalten Ein besonderer Lichtpunkt im Corona-Jahr: Christofs Reise nach Norderney Einmal das Meer sehen ... Viele Urlaubsreisen mussten in diesem Jahr verschoben oder ganz abgesagt werden. Das trifft Menschen, die nicht mehr so viel Zeit für große Zukunftspläne haben, ganz besonders hart. Auch die Reise ans Meer, zu der Christof Seyfarth, ein Bewohner unseres Wohnprojekts, eingeladen worden war, stand auf der Kippe. Was für ein Glück, dass kurz nach den ersten Corona-Lockerungen Ende Mai Tourismus wie- der möglich war und er zusammen mit Heidi, einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin, aufbrechen konnte. Eine wundervolle Sache, die ohne ehrenamtliches Engagement und eine Spenderin, die die Reise finan- ziert hat, nie möglich gewesen wäre. n Das Meer sehen, Seeluft rie- Einschränkungen durch Corona. In Herr Seyfarth, Sie waren mit der chen, die Weite spüren. Für Christof Begleitung von Heidi, einer ehren- ehrenamtlichen Mitarbeiterin Hei- Seyfarth ist ein Kindheitswunsch in amtlichen Mitarbeiterin bei Bonn di Zimmermann Ende Mai für eine Erfüllung gegangen. Seit Mai 2017 Lighthouse, war er eine Woche an der Woche auf Norderney. Solch ein Rei- lebt Christof im Wohnprojekt bei Nordsee auf Norderney. seprojekt gab es bislang bei Light- Bonn Lighthouse. Sein Gesundheits- house noch nicht. Wie ist diese Idee zustand hat sich in letzter Zeit deut- Jürgen Goldmann hat mit Christof entstanden? lich verschlechtert, dreimal in der über diese Reise gesprochen. Das Woche muss er zur Dialyse. Einmal heißt, vielmehr hat er zugehört und Tja, wie ist diese Idee geboren wor- das Meer sehen –das klingt so ein- Christof über seine Eindrücke er- den? Mein Wunsch, mal ans Meer zu fach und war angesichts der Situation zählen lassen. fahren, bestand eigentlich schon seit doch extrem schwierig. Aber es hat über 20 Jahren. Ich habe es irgend- geklappt. Ende Mai wurde Christofs „Ich weiß gar nicht, wie wie nie geschafft. Ich habe es nie ge- Wunsch tatsächlich erfüllt – trotz man dafür danken kann. schafft, Urlaub zu machen. Jetzt ist schwerster Krankheit und trotz der Das war wirklich groß.” es so gekommen, dass ich durch die 6 Bonn Lighthouse 2/2020
Krankheit hier bei Lighthouse ge- dann zwar nur eine Stunde, aber Ach, das ist spannend. Warum landet bin. Und auch hier war im- überhaupt… Und auch Ebbe und nicht? Zu ruhig? mer noch mein Wunsch, dass ich Flut, das mal live sehen. Ich konn- einmal ans Meer komme, bevor mir te mir das nie vorstellen, wenn man Ja, das wäre mir zu ruhig. Die Leute was anderes passiert. Ich hatte schon da so sitzt, und auf einmal kommt auf Zeit, nee. Urlaub zu haben – ja. viel darüber gehört. Auch, dass man das Wasser. Auch ein paar Wochen mehr, super! zumindest einmal im Leben dahin Aber, irgendwann würde es mich da sollte und das Meer sehen. Entsprach die Realität Ihren Vorstel- wegziehen. Ich habe mal auf dem lungen und Ihren Erwartungen? Land gelebt, da war es auch irgend- Dann bin ich an die Dialyse gekom- wann so. men und der Herr, der mit mir auf Ja! Ja, allein der Duft. Andere ha- dem Zimmer war, der erzählte, dass ben mir gesagt, dass es woanders, Würden Sie also sagen, dass die Stadt er seit 25 Jahren nach Norderney z. B. in Holland nicht so stark ist, eher ihr Lebensmittelpunkt ist? fährt. Und er hat mir auch erzählt, auch mit dem Wind. Ja, alles, was dass es dort mit Feriendialyse sehr ich mir so gedacht habe, ist einge- Ja. Aber ich könnte es mir auch schon gut funktioniert. Das ist mir dann treten. Die ganze Ruhe. Überhaupt, allein aufgrund meiner Krankheit nicht mehr aus dem Kopf gegangen. was das Meer und die Umgebung so nicht mehr vorstellen, auf so einer Ich habe das Thema hier mal an- ausstrahlen. Das war alles ganz neu. abgeschotteten Insel zu leben. Die gesprochen. Günter (Anm.: ein eh- Versorgung und so sind dort ja nicht renamtlicher Mitarbeiter bei Bonn Das klingt fast so, als hätte es ihre so gut. Lighthouse) hat darauf gesagt: Ich Erwartung fast noch übertroffen. kann mal mit dir für ein Wochen- Aber Sie sagten, dass mit der Dialyse ende ans Meer fahren. So kam die Ja. Aber am Anfang, am ersten hat funktioniert? Sie mussten, glaube Idee ins Rollen. Aber ein Wochen- Tag, war ich sehr gestresst; von der ich, dreimal pro Woche dorthin? ende wäre zu stressig geworden. Fahrt, den Eindrücken, der Frage, So meinte Heidi irgendwann, sie was jetzt alles auf mich zukommt; Ja. Und das war reibungslos – wie könnte mich begleiten. Sie könnte auch die Aufregung vor der neu- hier. Taxi holt einen und fährt einen sich Urlaub nehmen – falls das von en Dialyse. All das ging mir noch dorthin. Lighthouse her mit der Begleitung ständig durch den Kopf. Aber der auch über mehrere Tage in Ord- nächste Abend, als wir runter ge- Wie war denn so Ihr Tagesablauf auf nung ginge. Sie würde sich dafür gangen sind ans Meer, da kam dann Norderney? Haben Sie in den Tag die Zeit nehmen. Dann habe ich mit diese Ruhe. Das war einfach nur hineingelebt? Was haben Sie so ge- meiner Betreuerin hier, der Elke, angenehm. macht, außer aufs Meer geschaut? gesprochen und sie hat das alles mit Wegen Corona konnten Sie wahr- Lighthouse geklärt. Aber am zweiten Tag konnten Sie scheinlich keine Touren machen? abschalten und sich einfinden? Das klingt gut. Jetzt muss ich aber Wir haben viel erzählt, Musik ge- doch noch mal nachfragen. Sie wa- Ja, und dann kam es auch immer hört, viele Gespräche geführt und ren auch in der Kindheit nie am mehr, die Ruhe vor allen Dingen. schön auf der Terrasse lange und Meer? Und was hat Sie die ganzen Ich war einfach da – auch irgend- ausgiebig gefrühstückt. Und dann Jahre gerade ans Meer gezogen? Wa- wie gelassener. Hier ist alles sehr viel rum nicht in die Berge, in die Wüste? mehr mit Stress verbunden. Allein die Fahrt zur Dialyse. Aber dort war Tja, warum? Die Weite, der unend- alles so entspannt. Auch die Leute, liche Blick. Ich wollte das Riesige die man getroffen hat, waren alle ir- mal sehen, nicht direkt wieder Land gendwie entspannter. Nicht so ge- sehen. Wollte auch mit dem Schiff stresst wie hier überall in der Stadt. über das Meer fahren. Das war – Aber leben könnte ich da nicht. Bonn Lighthouse 2/2020 7
Corona 2020 – Hospizarbeit gestalten Wind, die Vögel, die Möwen – die kannte ich ja so auch noch nicht – das Wasser, die Geräuschkulisse! Ja, das war schon eindrucksvoll. Die Fahrt mit der Fähre natürlich auch. Das war aufregend. Da war mir auch ein bisschen mulmig, als auf der Rück- fahrt so ein starker Seegang war. Mit der Fähre war aber unsere einzige Bootsfahrt. Die Tour zu den Robben durften wir ja leider nicht machen, das ging ja alles wegen Corona nicht, auch die Kutschfahrt nicht. Aber es war auch so sehr schön. In der Ferienwohnung haben Sie sich selber versorgt, oder waren Sie auch mal essen? sind wir raus, entweder ans Meer res, ob ich mich hier mal mit der Wir haben uns selber versorgt. Wir oder in die Stadt. Da sind wir ein Heidi auf einen Kaffee treffe, oder haben uns, glaube ich, einmal Fisch- bisschen bummeln gegangen, haben man macht das da. Es war schon ein brötchen gekauft. Einmal hat Heidi uns Geschäfte angeguckt, mal einen ganz anderes Miteinander, ein an- frische Krabben auf dem Markt ge- Kaffee getrunken oder eine Klei- deres Umfeld – allein die Kulisse… kauft, und dann haben wir Krabben nigkeit gegessen. Also, die Zeit ging Man weiß, man ist im Urlaub. mit Rührei gemacht. einfach rum. Es war nicht so, dass wir uns gelangweilt hätten. Eher im … und nicht im Lighthouse-Trott! Mit welchem Gefühl haben Sie Nor- Gegenteil. Wir sind gelaufen, nach derney verlassen? Hause gekommen, haben was geges- Genau. Es war alles so neu, so be- sen und schon waren drei vier Stun- eindruckend. Echt schön. Ich kann Ja, was heißt „traurig“!? Ich hätte den um. es jedem nur empfehlen, der noch schon gerne eine Woche oder zwei nicht da war, mal ans Meer zu fah- drangehangen. Man hatte sich gera- Auf Norderney darf kein Auto fah- ren. Ich bin sehr froh, dass ich das de an das Klima gewöhnt, ist so ein ren. Das heißt, Sie mussten tatsäch- erleben konnte und durfte. bisschen in diesen Alltag dort rein- lich alles zu Fuß machen. Das war in gekommen, und dann geht man … Ordnung trotz Ihrer Gehbeschwer- Ich würde gerne die Sache mit den Aber man weiß ja auch: Das Leben den? Eindrücken noch etwas vertiefen. spielt hier. Das hat man ja auch im Wenn Sie noch einmal die Reise Revue Kopf. Das geht ja nicht weg, nur weil Ja. Ich bin gemütlich gegangen. Ein- passieren lassen – ein, zwei Erlebnis- man irgendwo in Urlaub ist. Leider mal hatte ich Probleme in der Stadt. se oder Momente, die besonders schön kann man das nicht so ganz abstel- Da ging es mir richtig schlecht. Aber für Sie waren – können Sie die benen- len. Und dann ist die schöne Zeit, ansonsten sind wir immer mit gro- nen? Momente, die heute noch nach- die ruhige, auch wieder vorbei. ßen Pausen gelaufen, haben uns im- wirken. mer wieder hingesetzt. Vom Wetter Ich bin auf jeden Fall entspannter her war es auch ok. Bis auf die letzten Ja, das Kompakte war schon ein Er- wiedergekommen. Ich will nicht sa- beiden Tage, da hat es viel geregnet. lebnis. Ganz besonders war, wo wir gen, dass ich jetzt schon wieder total Aber raus sind wir eigentlich jeden am Meer gesessen haben. Abends, angespannt bin. Aber hier passiert Tag. Es war auch etwas ganz ande- der Sonnenuntergang, der Duft, der doch mehr. Ich habe wieder jede 8 Bonn Lighthouse 2/2020
Habe ich jetzt noch einen neuen Wenn Sie ein Fazit ziehen: War diese Traum? Ich glaube nicht. Reise eine gelungene Aktion? Sicher? Ja sicher! Ja, ich bin dafür auch sehr dankbar, wirklich aus dem Herzen Ich weiß, dass das alles nicht ein- heraus! Ich weiß gar nicht, wie man treffen wird, was ich vielleicht so dafür danken kann. Das war wirk- als nächsten Wunschtraum habe. lich groß. Ich kann jetzt zufrieden in Ich weiß, dass jetzt alles, was noch den Himmel gehen. Ja – das, was ich an Träumen kommen würde, nicht immer wollte, das wurde mir jetzt in Erfüllung gehen wird. Deshalb erfüllt. Man hat jetzt noch so kleine brauche ich auch gar nicht daran Lichtpunkte – denk' ich hat jeder – festzuhalten oder dafür zu kämpfen. aber so ein wirklich großes Ziel habe Das Meer zu sehen, war ein Ziel, das ich jetzt nicht mehr. möglich war zu erreichen. Und es war für mich ein Kindheitswunsch. Können Sie die Lichtpunkte benen- Ich war nie weit gekommen. Bis zur nen? Sieg oder zum See vielleicht, um dort ins Wasser zu springen. Ich habe Ja, dass ich noch ein paar Jahre lebe. Menge Arzttermine. Das holt einen nicht mal Geld fürs Freibad gehabt. Dass ich nicht schmerzvoll hier leiden schnell wieder ein, das ist schade. Deswegen war es für mich schon ein muss. Das ist noch ein Wunsch. Wie Die ersten zwei Wochen nach dem großer Wunsch. lange ich das alles noch mitmachen Urlaub habe ich ständig davon er- möchte, weiß ich nicht. Im Moment zählt, auch bei meinen Jungs in der Was für Ziele haben Sie jetzt? – ja. Aber es wird halt immer weni- Stadt. Die haben mich ja auch ge- ger mit der Lebensmotivation. Mein fragt. Ja die haben schon alle ge- Keine. Im Moment habe ich keine Augenlicht verlässt mich. Das macht merkt, dass ich anders drauf war. Ziele. Nicht wirklich. mir sehr viel Angst, das frustet mich Lockerer und so. Ich sah gesünder sehr. Man kann nichts mehr alleine aus, haben die gesagt, von der Haut- Sie leben von Tag zu Tag, um ihn zu machen. Man fühlt sich so unsicher. farbe her. füllen? Die Motorik ist halt auch nicht so gut, und dann tritt man womöglich ins Wenn ich das richtig verstanden Ja. Der Tag wird aber auch durch Leere, wenn man keinen Bürgersteig habe – ich will das jetzt nicht drama- meine Krankheit gefüllt. Ich brau- sieht. Das ist noch ein Wunsch: dass tisieren, aber passt es zu sagen, dass che nicht viel zu tun. Die Termi- mein Augenlicht noch so lange bleibt, mit der Reise ans Meer, das Meer mal ne werden durch die Krankheit be- wie ich lebe. Ich möchte nicht blind zu sehen und zu spüren, ein kleiner stimmt. Ziele, nee, habe ich nicht. sein und noch leben. Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist? Oder geht das zu weit? Tja, was sind Träume!? Nach dem Gespräch, als das Mikro Was sind Träume für Sie? schon ausgeschaltet war, ist Christof doch noch ein kleines Lebensziel Tja, man sagt das Wort so schnell: eingefallen. Er würde gerne noch zu Ich habe noch einen Wunsch- einem Fußballspiel des FC Köln ins traum. Ja, es war für mich schon ein Stadion. Wenn Corona es möglich Wunschtraum, einmal ans Meer zu macht, sollte dieser Wunsch wohl kommen. Der Traum ist jetzt weg. erfüllt werden können. Bonn Lighthouse 2/2020 9
Corona 2020 – Hospizarbeit gestalten Kulturszene im Lighthouse-Garten Beethoven im Wohnprojekt In diesem Jahr wurde der 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens gefeiert. Zu Ehren des berühmten Bon- ner Bürgers, dessen Geburt am 17. Dezember 1770 ins Bonner Taufregister eingetragen wurde, sollten zahlreiche Veranstaltungen und Feierlichkeiten stattfinden. Ein Großteil der Live-Konzerte musste Coro- na bedingt ausfallen. Bei Bonn Lighthouse wurde dem Künstler auf ganz besondere Weise gedacht. n Mit viel Engangement, Kreativität und Musikbegeiste- rung hat unsere ehrenamtliche Mitarbeiterin Zeynep ein Beethoven Special im Garten des Wohnprojekts auf die Beine gestellt. Gemeinsam mit ihrer Familie trug sie am 22. Juni Musikalisches und Witziges rund um das The- ma „Beethoven“ vor. Das unterhaltsame Programm, ihre kraftvolle Stimme und die schwungvolle musikalische Untermalung lockten neben den Bewohner*innen und Lighthaus-Mitarbeiter*innen auch einige Nachbarn an. Vielen Dank an Zeynep, die mit ihrem Einsatz all ihren Gästen eine unbeschwerte Stunde bescherte. Gleichzeitig bot sich an diesem Nachmittag die Gelegenheit, das neue Vordach vor der Bewohnerküche bei Kaffee und Kuchen einzuweihen. n Sabine Schulze Gartenprojekt Überdachung vor der Bewohnerküche Der Lighthouse-Garten wurde im Corona-Sommer zum beliebten Aufenthaltsort – dank des neuen Vor- daches sogar bei Regen. n Schon lange war geplant, den Garten umzugestalten, damit er von unseren Bewohnern*innen besser genutzt werden kann. Die großzügige Spende einer langjährigen Unterstützerin des Vereins hat es möglich gemacht, ein größeres Bauprojekt anzugehen. Im Juli wurde die Über- dachung der Terrasse und der Sichtschutz vor der Bewoh- nerküche fertiggestellt. Damit war es unter anderm mög- lich, dass wir unseren Bewohner*innen unter Einhaltung der Corona-Beschränkungen ein gemeinsames Mittages- sen im Freien anbieten konnten. Und ganz sicher werden wir dort auch noch das ein oder andere Fest feiern! Ein Das Vordach hält auch bei Starkregen dicht, wie der Vor- ganz herzliches Dankeschön an die Spenderin. n stand von Lighthouse im Selbsttest überprüft hat. Dorit Harms 10 Bonn Lighthouse 2/2020
Ein Hochbeet entsteht sche Kiste“ angemalt – der Manni hatte da ein paar gute Ideen. Natursteinmauer – haben wir in Schwarz-Rhein- Wer, wie, was? dorf an der Doppelkirche studiert. Der Ebi soll die Fugen ausmalen. Dann gab es ein paar Tage Arbeitspause. Es fehlten die Farben und vor allem die Ideen, WIE die Kiste Das I-Tüpfelchen für die Neugestaltung des Gar- bepflanzt werden soll. Wir haben ja schon mal nach dem tens: Das bemalte und bepflanzte Hochbeet, das schönen Oleander von Jörg geschielt; da waren wir an der falschen Adresse. – Unterdessen geht die „künstlerische“ im Sommer in einer gemeinsamen Aktion gebaut Bemalung dem Ende entgegen. wurde. n WER hat die komische Kiste in den Hof von Light- house gestellt? WIE soll sie nun behandelt werden? WAS kann da rein? Oder auch nicht? Viele Fragen und wenige Antworten: Hochbeet, Kompostkiste, Abfallkiste? Aber WER soll’s einrichten? WER soll sich kümmern? Im Mai fiel die Entscheidung, und das Hochbeet auf dem Lighthouse-Gelände nahm langsam Formen an. Manni und Ebi haben Erde reingefüllt sowie das Holz abgeschliffen. Wie es weiter voranging, beschreibt der Es sind auch schon ein paar Pflanzen eingesetzt worden. folgende Bericht In einer Ecke stehen Gewürze, die sich infolge der Pflege von Jörg und Frank sehr gut entwickelt haben – ein be- Um ein Hochbeet herzu- sonderer Wunsch von Hermann. Die übrige Gestaltung richten, braucht man zum haben der Manni und Ebi vorgenommen. Wir sind ge- Beispiel sehr viel Erde. spannt, wie sich „die Kiste“ weiterentwickelt. Und damit die Erde am Kistenboden nicht ver- Anfang August war die Bepflanzung beendet. „Sieht gut gammelt, wenn z. B. das aus“, sagen die Haupt- und Ehrenamtler*innen und auch Wasser durchsickert, ha- die Bewohner*innen von Lighthouse. Und das wird auch ben der Manni und ich im eine Weile so bleiben, solange Frank und Jörg sich um die Wald Kleinholz gesam- Pflege kümmern. Wenn die ersten Pflanzen im Herbst melt und wie eine Drai- verblüht sind, dann müssen wir uns etwas Neues einfallen nage in der Kiste verteilt. lassen, um die Kiste, das Hochbeet, anders zu gestalten. n Erde drüber und noch mehr Kleinholz eingearbeitet. Text und Fotos von Manni und Ebi Zur Belüftung muss das ausreichen. Dann haben wir am Rhein dicke Steine gesammelt und in der Kiste verteilt. Nach dem ersten Regen ist die Erde doch erheblich einge- sackt. Da muss noch mehr Erde drauf – und Kaffeesatz als Dünger. Dann haben wir eine Schleifmaschine ausgelie- hen und Manni hat die Kiste abgeschliffen, anschließend wurde das Holz grundiert. WAS da hineingepflanzt werden soll, wissen wir noch im- mer nicht. Da müssen die Bewohner*innen wohl erst eine Kommission gründen … Zu guter Letzt wurde die „komi- Bonn Lighthouse 2/2020 11
Corona 2020 – Hospizarbeit gestalten Kreativ-Café im Angela-Fey-Haus der Lebenshilfe Bonn Kreative Kontaktpflege Was versteht man unter einem Kreativ-Café? Eigentlich ist das ganz einfach! Wenn einige Bewohner und Bewohnerinnen des Angela-Fey-Hauses (AFH) der Lebenshilfe Bonn und Ehrenamtler*innen von Bonn Lighthouse an einem Nachmittag im Monat zusammenkommen und sich nicht nur gemeinsam mit leckerem Kuchen und süßen Stücken verwöhnen, sondern auch basteln und vielfältige Gestaltungs- ideen umsetzen, dann ist das unser Kreativ-Café. n Das Konzept des Kreativ-Cafés hat Aber genau diese Nähe ist aktuell pe des AFHs regelmäßig kleine Päck- sich sehr bewährt, denn wir lernen nicht möglich – aufgrund der Maß- chen. Mal sind es mehr Naschereien, uns gegenseitig behutsam und den- nahmen, die im Zuge der Covid- mal werden wir sie mit Bastelideen noch in Aktion kennen – jede und je- 19-Pandemie getroffen werden, ist und Bildern ‚füttern‘, und mal nutzen der mag mal mehr oder weniger aktiv der Besuch von Bonn Lighthouse im wir weitere Medien, um bei allen im mitwirken und nicht selten schauen AFH seit dem 19. Oktober nicht mehr Gedächtnis zu bleiben. wir uns gegenseitig auch einfach nur möglich und somit lässt sich das Kre- mal beim Basteln über die Schulter. ativ-Café nicht wie sonst durchfüh- Seit dem ersten Treffen dieser Art am Dabei ist Zeit, Raum und Gelegenheit ren. Im Frühjahr waren wir in der 23. September 2019 haben sich bereits für wachsende Nähe und das vertrau- gleichen Situation und mussten von so viele schöne Begegnungen ereig- te Miteinander, das Wichtigste für heute auf morgen umdenken. net, weshalb wir wissen, dass dieses die Bewohnerinnen und Bewohner Engagement ein wichtiger Beitrag und auch für uns Ehrenamtler*nnen. Das hat schon einmal funkti- der Begleitung im AFH ist, welcher oniert – wir wollen optimis- unbedingt – ob fernmündlich oder tisch sein, dass es uns dieses irgendwann wieder live und in Farbe Mal erneut gelingt. Wie ma- – aufrecht zuhalten gilt. n chen wir das? Kreativ bleibt kreativ. Und so schicken wir Friederike Schleinitz unserer Kreativ-Café-Grup- (für das Team „Kreativ-Café“) Brief und Carepaket für die Kreativ-Café-Gruppe. 12 Bonn Lighthouse 2/2020
Gesellschaftspolitik Foto: Brigitte Berninger - Pixabay.com Das Bundesverfassungsgericht hat Ende Februar 2020 den § 217 StGB für nichtig erklärt und damit die Debatte über die Suizidbeihilfe neu entfacht. Der folgende Artikel gibt einen Überblick darüber, was es mit § 217 auf sich hat und wie die aktuelle Rechtslage nun ist. Hintergründe zu § 217 StGB Gesellschaftliche Debatte über Sterbewunsch n Am 26. Februar 2020 erklär- (einschließlich der „Tötung auf Ver- schäftsmäßige Unterstützung bei der te das Bundesverfassungsgericht langen“; §216 StGB) ist in jeder Form Selbsttötung anboten (*2). (BVerfG) den § 217 StGB, durch den verboten. die „geschäftsmäßige Förderung der Besonders die Kirchen, aber auch an- Selbsttötung“ verboten war, für ver- Beihilfe ist nur dann strafbar, wenn dere gesellschaftliche Gruppierungen fassungswidrig und stellte damit die sie zu einer rechtswidrigen Tat geleis- befürchteten dadurch einen zuneh- bis 2015 geltende Rechtslage wieder tet wird – damit ist die Beihilfe zum menden Druck auf kranke und pfle- her. Um zu verstehen, was das be- Suizid nicht strafbar. Der Suizidant gebedürftige Menschen. Der ehema- deutet, sollte man Folgendes wissen: muss dabei aber die Tat selbständig lige Bundespräsident Johannes Rau ausführen und zu jedem Zeitpunkt drückte es im Mai 2001 so aus: „Wo Laut unserer Verfassung hat jede die sogenannte „Tatherrschaft“ be- das Weiterleben nur eine von zwei le- Bürgerin und jeder Bürger das Recht halten. Eine erlaubte klassische „Bei- galen Optionen ist, wird jeder rechen- auf körperliche Unversehrtheit, aber hilfe” ist das Besorgen geeigneter schaftspflichtig, der anderen die Last auch das Recht, das eigene Leben „Tatwerkzeuge“ (z. B. Medikamente). seines Weiterlebens aufbürdet.” Aus jederzeit zu beenden (*1). Der frei- Auf dieser Rechtsgrundlage entstan- dieser Sorge heraus verabschiedete verantwortete Suizid war und ist le- den auch in Deutschland eine ganze der Deutsche Bundestag 2015 das Ge- gal. Wohlgemerkt der Suizid, also Reihe sogenannter Sterbehilfe-Ver- setz zum Verbot der „geschäftsmäßi- die Selbsttötung. Eine Fremdtötung eine und Organisationen, die eine ge- gen Förderung der Selbsttötung”. Der Bonn Lighthouse 2/2020 13
Gesellschaftspolitik Begriff „geschäftsmäßig” meint hier- differenzierter. Für manche gläubige bei nicht „gewinnorientiert”, sondern Christen ist der kirchliche Beistand Leitsätze zur Urteilsbegrün- ist im Sinne von „wiederholt“ zu ver- Suizidwilliger grundsätzlich vor- dung des Bundesverfassungs- stehen. stellbar. Andererseits verspüren nun gerichts vom 26.02.20: viele Angehörige und nahestehen- Mit der Verabschiedung dieses Ge- de Personen eines Suizidanten eine *1: „Das Recht auf selbstbe- setzes war den Sterbehilfe-Verei- gewisse Erwartungshaltung, der sie stimmtes Sterben schließt die nen die Rechtsgrundlage entzogen nicht nachkommen können oder Freiheit ein, sich das Leben zu worden. Aber nun gerieten auch wollen (*4). nehmen. Die Entscheidung des Ärzt*innen, die Sterbewillige weiter- Einzelnen, seinem Leben ent- hin beistanden und sie unterstützten, Der Spagat zwischen dem fragilen sprechend seinem Verständnis in Gefahr, sich strafbar zu machen. Rechtsgut „Leben“ und dem verfas- von Lebensqualität und Sinn- An- und Zugehörige eines Sterbewil- sungsrechtlich geschützten Rechts- haftigkeit der eigenen Existenz ligen, die meist aus persönlichen Mo- gut „Autonomie“ muss immer wie- ein Ende zu setzen, ist im Aus- tiven (einmalig) Beihilfe leisten, wa- der den sich ändernden geltenden gangspunkt als Akt autonomer ren von diesem Verbot allerdings zu Gesellschaftsnormen angepasst wer- Selbstbestimmung von Staat keinem Zeitpunkt betroffen. den. Wünschenswert wäre eine offe- und Gesellschaft zu respektie- ne, vorurteilsfreie, breite Auseinan- ren.“ Das Bundesverfassungsgericht sieht dersetzung mit dem Thema, bei der nun das Verbot in der bisherigen bestenfalls nicht Meinungen gegen- *2 „Die Freiheit, sich das Le- Fassung als verfassungswidrig an, einander, sondern unterschiedliche ben zu nehmen, umfasst auch bestätigt aber, dass der Gesetzgeber Haltungen respektvoll nebeneinan- die Freiheit, hierfür bei Drit- Formen der Suizidhilfe unter Strafe der bestehen könnten. ten Hilfe zu suchen und Hilfe, stellen kann (*3). Laut Ankündigun- soweit sie angeboten wird, in gen aus dem Gesundheitsministeri- Wichtig: Das Nichtergreifen, Redu- Anspruch zu nehmen.“ um wird dies derzeit dort geprüft. zieren oder Beenden lebenserhalten- der Maßnahmen (passive Sterbehilfe) *3 „Der hohe Rang, den die Mit dem Urteil des Bundesverfas- spielt bei der Diskussion über Beihilfe Verfassung der Autonomie und sungsgerichts ist die Diskussion über zum Suizid keine Rolle. Jede medizi- dem Leben beimisst, ist grund- die Beihilfe zum Suizid wieder neu nische Maßnahme muss dem erklär- sätzlich geeignet, deren effek- entbrannt. Spätestens mit Corona ten oder mutmaßlichen Willen des tiven präventiven Schutz auch sind die Themen „Sterben und Auto- Betroffenen entsprechen, ansonsten mit Mitteln des Strafrechts nomie“ in allen Gesellschaftsschich- stellen sie den Tatbestand der Kör- zu rechtfertigen. Wenn die ten angekommen. Anders als 2015 perverletzung dar und sind somit Rechtsordnung bestimmte, für ist inzwischen auch bei Vertretern strafbar. n die Autonomie gefährliche For- der Kirchen die Haltung zum Suizid Christiane Ohl men der Suizidhilfe unter Stra- fe stellt, muss sie sicherstellen, dass trotz des Verbots im Ein- Ihre Meinung ist gefragt zelfall ein Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem das Verbot der geschäfts- mäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) für verfassungswidrig er- eröffnet bleibt.“ klärt wurde, sorgt in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit für Debatten. Ne- ben der verfassungsrechtlichen Perspektive gibt es moralische, ethische und *4 „Niemand kann verpflichtet theologische Sichtweisen und natürlich spielen auch ganz persönliche Erfah- werden, Suizidhilfe zu leisten.“ rungen mit hinein. Auch bei Lighthouse wird es dazu keine einheitliche Mei- nung geben. Uns interessiert Ihre Haltung. Schreiben Sie uns eine Mail oder einen Brief. 14 Bonn Lighthouse 2/2020
Bonn Lighthouse sagt Danke Kultur tut gut Helft den Helfenden! Seit November wird den freien Kulturbetrieben endlich finanziell unter die Arme gegriffen. Aber die Situation ist und bleibt für sie alle schwierig, und so manches Theater, Kino, Atelier, mancher Ver- anstaltungsort ist von der Insolvenz bedroht. n Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum dem Verein Bonn Light- house die Situation der kleinen Bonner Kulturbetriebe so nahe geht und wir an dieser Stel- le unsere Solidarität zum Aus- druck bringen. Bonn Lighthouse e. V. wird seit vielen Jahren von Künstler*innen, aber auch von Bonner Kulturkneipen, von der Fabrik 45, von der Wache – um Bonner Künstlerinnen und Künstler treten anlässlich unseres 25-jährigen Jubilä- nur einige zu nennen – und ins- ums im Pantheon auf, Sept. 2017 besondere vom Pantheon in Beu- el und seiner tollen Truppe um Martina Steimer und Rai- furchtbar, wenn es all diese kleinen und großen Kultur- ner Pause auf großzügige Weise unterstützt. institutionen nicht mehr gäbe! Sie haben unsere Veranstaltungen kostenfrei ausgerich- Wir brauchen sie in Bonn, und sie gehören zu unser al- tet, sich um alles gekümmert und, als sei das selbstver- ler Leben dazu. Deshalb: Helft der freien Kulturszene, ständlich, nichts dafür verlangt. Als kleiner Verein ha- sie brauchen jetzt euch! Kauft Tickets. Werdet Mitglied ben wir keine finanziellen Möglichkeiten, anderen zu in den Fördervereinen, kauft Geschenkgutscheine oder helfen – auch unsere Spendeneinnahmen sind in die- verschenkt ein Abo! n sem Jahr um 80 Prozent zurück gegangen – aber es wäre Jutta Frings Jochen Busse liest für uns in der Fabrik 45, Aug. 2018 Alle Jahre wieder – Christmas United in der Lutherkirche Bonn Lighthouse 2/2020 15
Mehr Informationen unter: www.bonn-lighthouse.de Bonn Lighthouse sagt Danke www.facebook.com/BonnLighthouse 2020 – da war doch noch was ... 25 Jahre Lighthouse Wohnprojekt n Eigentlich sollte das Jahr 2020 für Lighthouse ein gro- ßes Fest werden. Es gab ein Jubiläum zu feiern. Im Ap- ril und Juni 1995 bezogen die ersten Bewohner ihre Ap- partements in der Bornheimer Straße. Seitdem leben in der Einrichtung bis zu 16 schwerstkranke Menschen. Ende des Jahres 2020 sind es 14 Bewohner*innen. Der Rückblick auf diese 25 Jahre Wohnprojekt zeigt man- che Höhen und Tiefen, die gemeistert wurden und vie- le sehr besondere Momente mit Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen. Dass dieses Wohnprojekt zu einer Erfolgsgeschichte geworden ist, das wollten wir mit al- len Mitarbeiter*innen, unseren Unterstützer*innen und Helfer*innen feiern und hatten mehrere große wie kleine Veranstaltungen geplant. Aber es kam anders. Das ge- plante Lighthouse-Sommerfest ist den Einschränkungen durch die Coronapandemie zum Opfer gefallen. Und Bonner Generalanzeiger, 1995 Zeit und Muße, um in Erinnerungen zu schwelgen, war auch nicht. Blicken wir also nicht zurück, sondern nach vorn. Wir haben allen Grund zur Zuversicht. Denn ge- Impressum rade in den letzten Monaten haben wir erfahren dürfen, dass Lighthouse sich auf eine starke Gemeinschaft, auf Bonn Lighthouse Verein für Hospizarbeit e. V., Zusammenhalt und Solidarität verlassen kann. Bornheimer Str. 90, 53111 Bonn, Tel.: 0228–631304, Fax: 0228–631395, info@bonn-lighthouse.de, www.bonn-lighthouse.de Die Dankesrede zum 25-Jubiläum ist ausgefallen. Daher Geschäftsführung: Dr. Christiane Ohl an dieser Stelle nun ein herzliches Dankeschön an die vie- Vorstand: Ulrike Veermann, Jutta Frings, Anke Schmidt, len Unterstützerinnen und Unterstützer von Bonn Light- Christine Helbing, Dorit Harms house in den letzten 25 Jahren, und Danke für das große eirat: Konrad Beikircher, Dr. Hans Daniels, B Engagement in der jetzigen Krise! n Prof. Jochen Dieckmann, Bettina Hucko, Prof. Dr. Dieter Ronte Dorit Harms Redaktion: Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit: Christa Birkel, Jutta Frings, Jürgen Goldmann, Dorit Harms, Christiane Ohl (V.i.S.d.P), Friederike Schleinitz, Lena Schnabel, Sabine Schulze Bonner*innen für Bonner*innen © Copyright: 2020 durch Bonn Lighthouse e. V. Nachdrucke und Vervielfältigungen, gleich welcher Art, sind – auch auszugsweise – Wir freuen uns über jede finanzielle Unterstützung. In nur mit schriftlicher Genehmigung gestattet. diesem Jahr konnten viele Veranstaltungen, auf denen Für unverlangt eingesandte Textbeiträge und sonst für Bonn Lighthouse Spendengelder gesammelt wer- Fotos übernimmt Bonn Lighthouse keine Haf- den, nicht stattfinden. Entsprechend leer ist unser Spen- tung. Schutzgebühr: 2,50 Euro dentopf. Helfen Sie mit, ihn zu füllen. Vielen Dank! Interessieren Sie sich für unser Bonn Lighthouse e. V. Magazin Lichtpunkt? IBAN: DE57 3705 0198 0004 3525 55 Weitere Hefte können Sie bei uns an- BIC: COLSDE33XXX fordern. Die PDF-Dateien aller Maga- Oder spenden Sie online via PayPal: zine finden Sie auf unserer Website: bonn-lighthouse.de/spenden/ www.bonn-lighthouse.de service/ 16 Bonn Lighthouse 2/2020
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