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Lifestyle@pro-Klima: CO 2 Lifestyle Klima-optimierte und energieeffiziente Nutzung von IKT @pro-Klima Zielgruppenspezifische Hemmnisse und Motivationsfaktoren für eine klima-optimierte Nutzung von IKT- Geräten Stelzer, F., Teubler, J., Welfens, M. J., Bienge, K., Buchborn, F. Wuppertal, November 2019
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten Dieses Status Quo-Papier ist Teil des Projekts Lifestyle@pro-Klima: Klima-optimierte und ener- gieeffiziente Nutzung von IKT. Weitere Informationen unter: https://www.klimaschutz.de/projekte/lifestylepro-klima Das dieser Veröffentlichung zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeri- ums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit aufgrund eines Beschlusses des Bundes- tages unter den Förderkennzeichen 03KF0091A-B im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitia- tive gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren. Bitte den Bericht folgendermaßen zitieren: Stelzer, F., Teubler, J., Welfens, M. J., Bienge, K., Buchborn, F. (2019): Analysestudie zu Hemmnissen und Motivationsfaktoren einer klima-optimierten Nutzung von IKT-Geräten. Status Quo Papier des Projektes Lifestyle@pro-Klima. Wuppertal Institut: Wuppertal. Projektlaufzeit: März 2019 – Februar 2022 Projektkoordination: Dr. Franziska Stelzer (franziska.stelzer@wupperinst.org, Tel.: +49 202 2492-224 Verbundpartner: Andreas Huber (huber@clubofrome.de) Deutsche Gesellschaft Club of Rome e.V. – Schulnetzwerk (DGCOR) Impressum Herausgeber: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Döppersberg 19 42103 Wuppertal Ansprechpartnerin: Dr. Franziska Stelzer Projektleiterin im Forschungsbereich Innovationslabore Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren Döppersberg 19, 42103 Wuppertal Tel. +49 202 2492-224 franziska.stelzer@wupperinst.org November 2019 2|
Lifestyle@pro-Klima Inhaltsverzeichnis Abstract 4 Abbildungsverzeichnis 5 Tabellenverzeichnis 6 Abkürzungsverzeichnis 7 1 Einführung 8 1.1 Projektvorhaben und –design 8 1.2 Aufbau Status Quo-Papier 8 2 Jugendliche und IKT 9 2.1 IKT-Ausstattung und Nutzung 9 2.2 Präferenzen technischer Geräte zur Internetnutzung 12 2.5 Inhalte der Internetnutzung und wichtigste Apps 14 3 Ansatzpunkte für eine klima-optimierte Nutzung von IKT 15 3.1 IKT im Kontext des Klimawandels 15 3.1.1 THG-Emissionen der Herstellung 16 3.1.2 THG-Emissionen der Nutzung (inkl. Offline-Dienste) 16 3.1.3 THG-Emissionen der Online-Nutzung 17 3.1.4 Zusammenfassung der THG-Potentiale für IKT-Geräte 20 3.2 Einflussfaktoren der Nutzungsgewohnheiten und des Umgangs mit IKT-Geräten 21 3.2.1 Zum Einfluss soziodemografischer Faktoren 21 3.2.2 Zum Einfluss von Wissen, Einstellungen und Praktiken 22 3.2.3 Psychologisches Modell zur Erklärung nachhaltigen Handels 23 3.3 Motivatoren und Hemmnissen aus drei Fallbeispielen 25 3.3.1 Fallbeispiel 1: Rückgabe und Nutzung gebrauchter Handys 25 3.3.2 Fallbeispiel 2: useItSmartly 26 3.3.3 Fallbeispiel 3: Academy of Change 27 4 Schlussbetrachtung 29 Literaturverzeichnis 31 |3
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten Abstract Die dynamische Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) ist mit einem schnell steigenden Energie- und Ressourcenverbrauch und daraus resultierenden THG- Emissionen verbunden. Lifestyle@pro-Klima entwickelt daher nutzerintegrierte Materialien und Instrumente, die Jugendliche und Bildungsakteure bei einer klima-optimierten und energieeffizien- ten Nutzung von IKT unterstützen. Das vorliegende Papier bildet im Rahmen des Arbeitspakets 3 des Projekts eine Analyse der Motivationsfaktoren und Hemmnisse für den nachhaltigen Umgang mit IKT-Geräten ab. Im ersten Schritt wird vor allem die Variable der Generation miteinbezogen und es wird ein gezielter Blick auf die Nutzung und Geräteausstattung der Zielgruppe (12-19 Jähriger) geworfen. Der Kontext des Klimawandels, welcher spezifische Daten und Fakten zu Energieverbauch und THG- Emissionen der IKT-Geräte und den Reduktionsmöglichkeiten bieten soll, gestaltet den zweiten Teil des Arbeitspaketes 3. Im Hinblick auf die weiteren Entwicklungsschritte erfolgt eine Analyse von bekannten Motivationsfaktoren beziehungsweise Hemmnissen, welche ein Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit IKT-Geräten fördern oder hindern kann. 4|
Lifestyle@pro-Klima Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Geräte-Ausstattung im Haushalt 2018 10 Abbildung 2: Gerätebesitz Jugendlicher 2018 11 Abbildung 3: Medienbeschäftigung in der Freizeit 2018 (täglich/mehrmals pro Woche) 12 Abbildung 4: Am häufigsten eingesetztes Gerät zur Internetnutzung 2018 13 Abbildung 5 Die Onlinenutzungsdauer der Befragten (in Stunden pro Tag) aufgeschlüsselt nach dem Alter und Geschlecht (Paus-Hasebrink et al. 2019) 13 Abbildung 6: Inhaltliche Verteilung der Internetnutzung 2008-2018 (in Prozent) 14 Abbildung 7: Wichtigste Apps 2018 (bis zu drei Nennungen) 14 Abbildung 8: Psychologisches Modell zur Erklärung nachhaltigen Handels von Hamann et al. (2016) 24 Abbildung 9: Ansatzpunkte für Motivatoren und Hemmnisse für eine klima-optimierte Nutzung von IKT- Geräten 30 |5
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten Tabellenverzeichnis Tabelle 1: THG-Emissionen der Herstellung für IKT-Geräte (Quelle: Teubler et al. 2018) 16 Tabelle 2: Akkukapazitäten und THG-Emissionen für das Beladen im Vergleich 17 Tabelle 3: Datensammlung zu den THG-Emissionen der Online-Nutzung von IKT-Geräten 17 Tabelle 4: THG-Potentiale für IKT-Geräte 20 Tabelle 4: Übersicht der verwendeten Stichwörter bei der Literaturrecherche 21 Tabelle 6: Hemmnisse und Motivatoren für das Recyclingverhalten – Fallbeispiel „Rückgabe und Nutzung gebrauchter Handys“ 26 Tabelle 7: Hemmnisse und Motivatoren energiesparenden Verhaltens – Fallbeispiel „useItSmartly “ 27 Tabelle 8: Hemmnisse und Motivatoren für Abfallvermeidung und Mülltrennung – Fallbeispiel „Academy of Change“ 28 6|
Lifestyle@pro-Klima Abkürzungsverzeichnis IKT – Informations- und Kommunikationstechnologie App – Applikation PP – Prozentpunkte JIM – Jugend, Information, Medien GB – Gigabite WLAN – Wireless Local Area Network |7
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten 1 Einführung 1.1 Projektvorhaben und –design In dem Projekt „Lifestyle@pro-Klima: Klima-optimierte und energieeffiziente Nutzung von IKT“ geht es um eine optimierte Nutzung von IKT, um Energieeinsparungen und Emissionsminderun- gen zu erzeugen. Zentral ist die nutzerintegrierte Erarbeitung von Materialien und Instrumenten, die zusammen mit Jugendlichen, Lehrkräften und Multiplikatorinnen sowie Multiplikatoren durch innovative Ansätze entwickelt werden. Dazu zählen unter anderem ein IKT-Klimarechner, Akti- onswochen und Wettbewerbe an Schulen sowie Bildungsmaterialien, die einen direkten Bezug zwischen individuellen Lebensstilen und Klimaschutz herstellen. Das Projektdesign lässt sich hierbei in 3 Arbeitsbereiche gliedern: n Analysen und Co-Creation: Auf der Basis einer Status-Quo-Analyse von Bildungsma- terialien und relevanten Hemmnis- und Motivationsfaktoren für eine Nutzungs- und Verhaltensänderung (AP 2 und AP 3) erfolgt die erste konzeptionelle Entwicklung des IKT-Rechners in Co-Creation-Workshops (AP 4). Diese wird dann mit einer Basiser- hebung zur IKT-Ausstattung – die in den teilnehmenden Schulen und Klassen vorge- nommen wird – ergänzt (AP5). n IKT-Klimarechner: Grundlage für die konkrete Erstellung des IKT-Klimarechners wird die Datenbasis (AP 6) sein. Nach der Entwicklung und Programmierung des Rech- ners (APs 7 und 8) erfolgen die Testläufe (AP 9) in den teilnehmenden Schulen. n Umsetzung in Bildungseinrichtungen und Verwertung: Parallel werden strukturierte Aktivitäten in mindestens 30 Schulen (AP 10) durchgeführt, die auf der Erprobung des Rechners und basieren (Workshops, Projekttage, Aktions- und Klassenwettbe- werbe, Preisverleihung u.a.). Die Erprobung ist in zwei aufeinander aufbauende Pha- sen geteilt, um schließlich das so validierte Konzept für die bundesweite Anwendung von Aktionswochen zur klima-optimierten und energieeffizienten IKT Nutzung nutzbar zu machen. Im AP 11 erfolgt die Erarbeitung von Bildungsmaterialien. Sie sollen so- wohl als Ganzes wie auch als einzelne Teile anschlussfähig sein an vielfältige und alltägliche Bildungskontexte. Bei der Abschlusskonferenz (AP 12) werden die Pro- jektergebnisse dem breiten interessierten Publikum dargestellt und in die bildungspo- litische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskussion eingebracht. 1.2 Aufbau Status Quo-Papier Das vorliegende Status Quo-Papier des Arbeitspakets 3 ist eine Analysestudie für die Identifikati- on zentraler Hemmnisse und Motivationsfaktoren, die die Nutzungsgewohnheiten und den Um- gang mit IKT-Geräten beeinflussen bzw. verändern können. Die Inhalte basieren auf einem nati- onal sowie internationalen Desk Research und wurden auf einem halbtägigen Expertenworkshop am Wuppertal Institut diskutiert sowie aufbauend auf dem Erfahrungwissen der ExpertInnen er- weitert. Die Ergebnisse des vorliegenden Papiers bieten einen Bezugsrahmen für Co-Creation- Workshops in AP 4 sowie für die Entwicklung der geplanten Bildungsmaterialien und Maßnah- men in AP 11. Sie werden helfen, passgenauere Aktivitäten in den Schulen zu entwickeln, um gewünschte Verhaltensänderungen zu mehr Klimaschutz zu erreichen. 8|
Lifestyle@pro-Klima 2 Jugendliche und IKT Im Zeitalter der Digitalisierung und Medien stehen bei Forschungen besonders oft Kinder und Jugendliche als die Generation im Mittelpunkt, die seit ihrer frühesten Kindheit mit dem Internet aufwachsen und durch den allgegenwärtigen Umgang mit digitalen Medien geprägt werden. Die Studie des DIVSI (2014) zeigt, dass 98% der Jugendlichen und Erwachsenen sowie bereits 89% der Kinder online sind, womit digitale Medien mittlerweile im Alltag unentbehrlich sind. Seit den 1990er Jahren, die durch große Dynamiken in der technischen Entwicklung geprägt sind (DIVSI 2014), werden Studien zum Thema „Medien und Jugendliche“ durchgeführt, verstärkt jedoch erst in den letzten 10 Jahren (JIM 2018; Paus-Hasebrink et al. 2019; DIVSI 2014). Im Fokus der Be- fragungen liegen die Ausstattung mit technischen Geräten, das Nutzungsverhalten, der Umgang mit dem Internet und die Interessen, oftmals aufgeschlüsselt nach dem Geschlecht und den Al- tersgruppen. Die Informationen dieses Unterkapitels bauen auf der Studie des Medienpädagogischen For- schungsverbundes Süd-West, der sog. JIM-Studie, auf, die seit dem Jahr 1998 jährlich den me- dienbegleiteten Alltag Jugendlicher in Deutschland untersucht. Durch ihre detaillierte statistische Erhebung und die kontinuierliche Arbeit mit Jugendlichen hält sie ein Alleinstellungsmerkmal in diesem Forschungskontext inne. In der aktuellen Studie im Jahr 2018 wurden 1.200 Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren befragt.1 Darüber hinaus wurde die Studie des Leibnitz-Institutes für Medienforschung integriert, bei der Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren zu ihren Online-Erfahrungen befragt wurden (Paus-Hasebrink et al. 2019). 2.1 IKT-Ausstattung und Nutzung Seit Beginn der JIM-Erhebungen in den späten 1990er Jahren hat sich in der medialen Ausstat- tung Jugendlicher viel verändert. Die Welt, in der die Kinder heute aufwachsen, ist geprägt durch einen fundamentalen digitalen Medienwandel (Paus-Hasebrink et al. 2019): So war das häufiges- te Mediengerät im Eigenbesitz damals eine HiFi-Anlage (84%), gefolgt von einem eigenen Fern- seher (60%) und einem eigenen Computer (35%). Nur 9% der Befragten besaßen einen ‚pager‘ und 8% ein eigenes Handy – Geräte, mit denen mobile Kommunikation ermöglicht wurde. Heut- zutage ist ein breites Medienangebot in nahezu allen Haushalten üblich und es lassen sich in fast 100% der befragten Familien Smartphones, Computer bzw. Laptops und Zugang zum Internet finden. Auch Fernsehgeräte sind in gut 95% aller untersuchten Haushalte vorhanden und rund 71% besitzen eine stationäre sowie 53% eine tragbare Spielekonsole. Besonders der Smart-TV (Fernseher mit Internetzugang), welcher bei drei von fünf Familien genutzt wird sowie Streaming- Boxen oder –Sticks, welche in jeder vierten befragten Familie Anwendung finden, zeigen eine verschwimmende Grenze zwischen Bewegtbild-Geräten und Internet-Streaming-Angeboten (s. Abbildung 1). –––– 1 Analysiert wurden die Ergebnisse der Befragung unter den Parametern der Altersgruppe (12-13 Jahre, 14-15 Jahre, 16-17 Jahre, 18-19 Jahre), des biologischen Geschlechtes (Junge, Mädchen) und dem formalen Bildungshintergrundes (Gymnasium, Haupt- Realschule). Weiterführende Informationen zu der Einteilung der Ergebnisse sind zu finden unter: https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2018/Studie/JIM_2018_Gesamt.pdf |9
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten Abbildung 1: Geräte-Ausstattung im Haushalt 2018 Quelle: JIM 2018, Seite 6, Angaben in Prozent, Basis: alle Befragten, n= 1.200 Dabei lässt sich vor allem im Vergleich zum Jahr 2017 ein Anstieg um vier Prozentpunkte in der Ausstattungsrate von Smart TV’s erkennen, welcher durch den Anstieg der Nutzerhaushalte von Videostreaming-Angeboten wie Netflix oder Amazon Prime (2017: 54%, 2018: 77%) begleitet wurde. Im Jahr 2018 wurde innerhalb der JIM-Studie zum ersten Mal nach Musikstreaming- Angeboten wie Spotify gefragt, welche mit 68% Nutzer*innen bei den Befragten eine große Be- deutung einnehmen. In Hinblick auf die Alterstruktur lässt sich zusammenfassen, dass mit stei- gendem Alter der Befragten auch der Zugang zu Video- als auch Musikstreaming-Diensten an- steigt. Im Vergleich dazu abonnieren nur noch rund 38% der Haushalte eine Tageszeitung und in nur jeder dritten teilnehmenden Familie wird Abofernsehen, wie beispielsweise Sky, genutzt. Betrachtet man den Eigenbesitz der befragten Jugendlichen, steht das Smartphone mit 97% an erster Stelle (JIM 2018; Paus-Hasebrink et al. 2019). Dies zeigt, dass mit seltenen Ausnah- men, praktisch alle Jugendlichen eines besitzen und ihnen somit eine multifunktionale Nutzung verschiedener Medientätigkeiten ermöglicht wird. Mit knapp über 70% besitzen etwas weniger Jugendliche einen Computer oder Laptop und etwa die Hälfte besitzt einen eigenen Fernseher, wobei nur jeder Fünfte über einen Smart-TV verfügt. Bei der Besitzrate von Smartphones sowie tragbaren Spielkonsolen, DVD-Player, Tablets und Streaming-Boxen sind Mädchen und Jungen gleichauf. Differenzen zeigen sich jedoch beim Besitz fester Spielkosolen – Mädchen 30%, Jun- gen 61% - und Computer – Mädchen 16%, Jungen 45% (siehe Abbildung 2). 10 |
Lifestyle@pro-Klima Abbildung 2: Gerätebesitz Jugendlicher 2018 Quelle: JIM 2018, Seite 9, Angaben in Prozent, Basis: alle Befragten, n= 1.200 Während Kinder und Jugendliche früher das Internet vorwiegend für das Versenden und Emp- fangen von E-Mails sowie für das Chatten in Foren genutzt haben (DIVSI 2014), gibt es mittler- weile eine Vielzahl von neuen Vernetzungsoptionen, Online-Angeboten und Plattformen (z.B. Twitter, Youtube, Instagram, Facebook, Snapchat etc.). Im Hinblick auf eine regelmäßige Nut- zung (an mehreren Tagen die Woche), werden Internet-, Smartphone und Musiknutzung, gefolgt von der Nutzung von Online-Videos, welche von neun von zehn befragten Jugendlichen regel- mäßig frequentiert werden. Auch Fernsehen (75%) und Radio (70%) werden mehrmals die Wo- che genutzt, gefolgt in der Häufigkeit von Streaming-Diensten (62%) sowie digitalen Spielen (58%). Die Ergebnisse der Studie von Paus-Hasebrink et al. (2019) haben ergeben, dass Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren an einem Werktag durchschnittlich 2,4 Stunden am Wochenende rund 3 Stunden online sind. Allgemein lässt sich im Vergleich zum letzten Jahr, mit einem Anstieg von 24 Prozentpunkten, eine starke Dynamik in der Nutzung von Streamingdiens- ten feststellen (siehe Abbildung 3). | 11
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten Abbildung 3: Medienbeschäftigung in der Freizeit 2018 (täglich/mehrmals pro Woche) Quelle: JIM 2018, Seite 15, Angaben in Prozent, *egal über welchen Verbreitungsweg, Basis: alle Befragten, n=1.200 2.2 Präferenzen technischer Geräte zur Internetnutzung Die Jugendlichen haben bei der Auswahl des Gerätes, welches sie für Online-Dienste nutzen wollen, mittlerweile die Qual der Wahl. Entscheiden können sie sich zwischen dem klassischen Desktopcomputer oder einem Laptop, für ihr Smartphone, ihrem internetfähigen Fernseher oder doch für eines der anderen Wearables wie beispielsweise ihrer Smartwatch. Doch welche dieser zahlreichen Möglichkeiten, sich mit dem Internet zu verbinden, hat im Alltag praktische Rele- vanz? Das Ergebnis scheint eindeutig. Rund 79% der befragten Jugendlichen geben an, für den Zugang in das Internet am häufigsten ihr Smartphone zu verwenden (s. Abbildung 4). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Studie des Hans-Bredow-Instituts, bei denen ebenfalls die meisten Befragten das Smartphone für den Zugang zum Internet nutzen (67%), gefolgt vom Computer/Laptop (16%) und dem Tablet (5%) (Paus-Hasebrink et al. 2019). Abbildung 8 zeigt ergänzend hierzu die Online-Nutzungsdauer in Stunden pro Tag und aufge- schlüsselt nach dem Geschlecht sowie den verschiedenen Altersgruppen. Die Nutzungsdauer steigt konstant über die Altersgruppen um circa eine Stunde pro Altersgruppe. Zudem nutzen die Befragten das Internet an Wochenendtagen länger als an Werktagen. 12 |
Lifestyle@pro-Klima Abbildung 4: Am häufigsten eingesetztes Gerät zur Internetnutzung 2018 Quelle: JIM 2018, Seite 26, Angaben in Prozent, Basis: Befragte, die mind. alle 14 Tage das Internet nutzen, n=1.195 Abbildung 5 Die Onlinenutzungsdauer der Befragten (in Stunden pro Tag) aufgeschlüsselt nach dem Alter und Geschlecht (Paus-Hasebrink et al. 2019) | 13
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten 2.5 Inhalte der Internetnutzung und wichtigste Apps Die Nutzung des Internets erfolgt zwecks Kommunikation (35%), Unterhaltung (31%), Spie- le/Gaming (25%) und Informationssuche (10%) (s. Abb. 6). Betrachtet man die Verteilung der Online-Zeit auf diese verschiedenen Rubriken, lässt sich im Vergleich mit den vergangenen Jah- ren ein kontinuierlicher Rückgang des Kommunikations- sowie Informationsbeschaffungsberei- ches ausmachen, während die Online-Nutzung Jugendlicher eine steigende Tendenz in der Rubrik Unterhaltung und Spiele aufweist. Abbildung 6: Inhaltliche Verteilung der Internetnutzung 2008-2018 (in Prozent) Quelle: JIM 2018, Seite 34, Angaben in Prozent, Basis: Internetnutzer Als wichtigste Apps wurden der Nachrichten-Dienst WhatsApp, darauf folgend Instagram und als dritt-liebstes das Internetangebot YouTube genannt. Als weitere häufig genutzte Apps nen- nen die Jugendlichen Snapchat, Spotify, Facebook, Netflix und Google. Abbildung 7: Wichtigste Apps 2018 (bis zu drei Nennungen) Quelle: JIM 2018, Seite 37, Angaben in Prozent, Nennung ab 3 Prozent (Gesamt), Basis: Befragte, die Apps auf ihrem Gerät haben, n=1.149 14 |
Lifestyle@pro-Klima 3 Ansatzpunkte für eine klima-optimierte Nutzung von IKT Die zentralen Ergebnisse der JIM-Studie zeigen, wie grundlegend der alltägliche Gebrauch von IKT-Geräten, insbesondere von Smartphones, für Jugendliche ist. Sie sind täglich online, kom- munizieren und tauschen sich über Whats-App und weitere Nachrichtenformate aus, nutzen Streaming-Plattformen und -dienste zur Unterhaltung oder greifen auf Online-Gaming-Angebote per Smartphone, Laptop oder Tablet zurück. Die meisten Nutzer*innen sind sich allerdings nicht der Auswirkungen, die ihre Nutzung auf unsere Umwelt haben, bewusst und es mangelt ihnen an Wissen, wie man IKT energiesparend einsetzen kann (Christensen et al. 2014, S. 95). Zudem erschweren die „Unsichtbarkeit“ des Energieverbrauches der scheinbar immateriellen, virtuellen Dienste und die damit verbundenen Folgen für die Umwelt einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Technologien (Berger et al. 2016). Im folgenden Abschnitt soll abgeschätzt werden, wie sich der Besitz und vor allem unterschiedli- che Nutzungsarten von IKT-Geräten bei Jugendlichen auf die verursachten Treibhausgasemissi- onen (THG) bzw. das globale Erwärmungspotential über 100 Jahre auswirkt (GWP 100a nach IPCC AR52). Im Gegensatz zu vielen anderen Konsumbereichen (z.B. Größe und Art der Woh- nung, Wahl des Energieanbieters, Treibstoffverbrauch des PKWs, usw.) sind Jugendliche dabei als selbstständige Konsumenten anzusehen. Vorlieben und soziale Praktiken beeinflussen das Konsumverhalten im Bereich von IKT-Geräten stark und damit letztlich auch das dazugehörige Treibhausgaspotential. 3.1 IKT im Kontext des Klimawandels In diesem Abschnitt werden die unterschiedlichen Nutzungsweisen in Bezug auf das Treibhaus- gaspotential eingeordet. Die Induzierung von Treibhausgasen durch den Verbrauch von Strom, z.B. beim Laden der Geräte ist im gesamten ökologischen Fußabdruck zu vernachlässigen. Onli- ne-Dienste nehmen hingegen zusätzliche strom- und treibhausgasintensive Infrastrukturen in Anspruch (v.a. Server) oder manifestieren sich in zusätzlichen Transport- und Herstellungsauf- wendungen (v.a. Online-Handel). Diese komplexen, oft virtuellen, Vorketten der Online-Nutzung können im Rahmen dieses Arbeitspaketes noch nicht robust quantifiziert werden. Die Einschät- zung ihres Effektes erfolgt daher mithilfe einer einfachen 5-stufigen Skala, wobei jährliche Emis- sionen von über 1 Tonne CO2e (CO2-equivalente) pro Person als „sehr hohe“ THG-Emissionen eingeschätzt werden3. Es werden für die Einschätzung drei Perspektiven bzw. Effekte 0., 1. und 2. Ordnung unterschieden: n 0. Ordnung: THG-Emissionen der Herstellung (inklusive Vorketten) n 1. Ordnung: THG-Emissionen der Offline-Nutzung (Stromverbrauch) n 2. Ordnung: THG-Emissionen der Online-Nutzung (nachgelagerte Systeme) –––– 2 Das sogenannte Global Warming Potential (GWP), angegeben in CO2-equivalenten oder CO2e, ist der am weitesten verbreitete Umweltwirkungsindikator im Kontext des Klimawandels. Die Treibhauswirkung unterschiedlicher Treibhausgase wird dabei als ein Vielfaches von 1 kg CO2 ausgewiesen. Die dafür notwendigen Charakterisierungsfaktoren werden regelmäßig durch die Be- richte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) veröffentlicht. 3 Zum Vergleich: ein typischer 4-Personen Haushalt in Deutschland benötigt zwischen 4.000 (ohne elektrische Warmwasserbereit- stellung) und 5.000 kWh Strom pro Jahr. Dies entspricht Emissionen von etwa 1,9 bis 2,4 Tonnen CO2e, die vor allem über die Strombereitstellung in Kraftwerken verursacht werden. | 15
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten Nicht berücksichtigt werden Transport- und Verpackungsaufwendungen für IKT-Geräte sowie Aufwendungen für die Verwertung der Abfälle. 3.1.1 THG-Emissionen der Herstellung IKT-Geräte sind komplexe Produkte, die in der Regel mit teil- oder voll funktionsfähigen Compu- tern ausgestattet sind. Diese setzen die Herstellung von Computerchips und Platinen mit aktiver Elektronik voraus. Ihr Einfluss auf die THG-Emissionen (oder Carbon Footprint) der Herstellung ist jedoch direkt abhängig von ihrer Größe und Masse, was z. B. zu einem relativ geringen Car- bon Footprint für Smartphones führt. Weitere relevante Komponenten sind Displays (inklusive Monitore), Netzteile, Akkumulatoren und massive Bauteile wie Gehäuse. Die eigentliche Nut- zungsdauer liegt außerdem oft deutlich unter der technischen Lebensdauer der Geräte und trägt somit zu einer Erhöhung der jährlich allokierten THG-Emissionen bei (linearer Zusammenhang). Tabelle 2 zeigt einige ausgewählte Carbon Footprints (CF). Demnach fällt vor allem die Herstel- lung von Desktop-PCs ins Gewicht (Tablets erzielen Emissionsfaktoren, die zwischen dem Smartphone und dem Laptop liegen). Allerdings besitzen viele Konsumenten (Jugendliche darun- ter) mehr als eines dieser Geräte und sind somit für zusätzliche THG-Emissionen verantwortlich, die prinzipiell vermeidbar wären. Tabelle 1: THG-Emissionen der Herstellung für IKT-Geräte (Quelle: Teubler et al. 2018) Typ CF (Herstellung) Smartphone ca. 30 kg/Stk. Laptop ca. 140 kg/Stk. Desktop-PC (inkl. Monitor, Maus und Keyboard) ca. 570 kg/Stk. Fazit: Die Herstellung kleiner elektronischer Geräte geht mit verhältnismäßig geringen THG- Emissionen einher. Im direkten Vergleich ist emissionsseitig nur der Desktop-PC relevant. Aller- dings können insbesondere kurze Nutzungsdauern und der Kauf mehrerer Geräte für diesselben oder ähnliche Zwecke zu hohen jährlichen Emissionen führen. 3.1.2 THG-Emissionen der Nutzung (inkl. Offline-Dienste) Der Stromverbrauch onlinefähiger IKT-Geräte ist vor allem von der Nutzungsart abhängig. So steigt z. B. für ein Smartphone der Marke Samsung S5 die Leistung von ca. 10 mW im Standby- bzw. Flugmodus, auf etwa das Doppelte im normalem Funktbetrieb (15-22 mW) und auf das Vier- fache mit zusätzlich angeschaltetem Wlan-Modul (ca. 40 mW). Die eigentliche Datenübertragung lässt den Stromverbrauch dabei zusätzlich steigen. Emissionsrelevant ist jedoch vor allem die Beladung des Akkus eines IKT-Gerätes. Die folgende Tabelle 2 listet übliche Akkuleistungen auf und vergleicht die tägliche Beladung von 0% auf 100% der Akkuleistung (5V-Netzteil für Smart- phone und Tablet). Demnach fällt keines der tragbaren Geräte mit einem relevanten Stromver- brauch ins Gewicht. Anders verhält es sich bei sogenannten Desktop-Computern. Diese werden, je nach Einsatz, mit Netzteilen von 50 W (herkömmlicher Büro-Computer) bis 500 W (Spielecom- puter oder Computer für spezielle Video/Audio-Anwendungen) ausgestattet. Auch wenn die ma- ximale Leistung selten erreicht wird und der Betrieb im Leerlauf auch bei einem Desktop-PC rela- tiv energieeffizient ist, fallen die daraus resultierenden THG-Emissionen deutlich höher aus als bei Geräten mit Akkumulatoren. 16 |
Lifestyle@pro-Klima Tabelle 2: Akkukapazitäten und THG-Emissionen für das Beladen im Vergleich Typ des Gerätes Akkuleistung Jährlicher Stromverbrauch -- THG Emissionen pro Jahr tägliche Beladung (bei ca. 486 g/kWh) 4 Smartphone 2.000 bis 5.000 mAh 3,65 bis 9,13 kWh/a 1,7 bis 4,4 kg/a Tablet 2.500 bis 9.000 mAh 4,56 bis 16.43 kWh/a 2,2 bis 8.0 kg/a Laptop 30 bis 60Wh 10,95 bis 21,90 kWh/a 5.3 bis 10.6 kg/a Unter der Annahme, dass ein leistungsarmer PC (100 W) mindestens vier Stunden am Tag bei mindestens 50% Auslastung genutzt wird, werden bereits jährliche Treibhausgasemissionen von 35 kg/a erzielt. Unter Einsatz einer Grafikkarte und einer dreistündigen Nutzung für Spiele (An- nahme: ca. 300 W Leistung im Durchschnitt), fallen hingegen bereits 160 kg CO2e pro Jahr an. Fazit: der Stromverbrauch der Offline-Nutzung von IKT-Geräten ist im Jahresverlauf zu vernach- lässigen. Eine Ausnahme hiervon stellen fest installierte Systeme dar. Vor allem Desktop-PCs weisen aufgrund der fehlenden Akkumulatoren häufig hohe Stromverbräuche auf (auch wenn hier durchaus energieeffiziente Varianten existieren). 3.1.3 THG-Emissionen der Online-Nutzung Im Bereich der Online-Nutzung werden THG-Emissionen durch die hierfür notwendigen Infra- strukturen erzeugt. Diese müssen gebaut, ausgetauscht und betrieben werden. Der größte Anteil entfällt dabei nicht nur auf den direkten Stromverbrauch der Geräte, sondern auch auf die elektri- sche Kühlung der Systeme (v.a. Serverparks). Tabelle 3 fasst die Ergebnisse einer ersten Re- cherche zu diesem Thema zusammen. Unabhängig von den umfangfreichen Datenlücken für eine robuste Quantifzierung, spielen für die Messung des eigentlichen Efffektes dabei auch eine Reihe von Annahmen zur Nutzung eine wichtige Rolle. Die Höhe der Emissionen wird im Ver- gleich zu einem Referenzsystem entlang von 5 Stufen dargestellt: sehr gering, gering, moderat, hoch, sehr hoch. Als Referenzsystem wird die Nutzung eines Smartphones für ein 10-minütes Telefonat pro Tag (entspricht ca. 60 Stunden pro Jahr) ausgewählt, weil es n dem ursprünglichen Zweck eines Mobiltelefons mit Beginn der Digitalisierung (Anfang der 2000er Jahre) entspricht, n und der Anteil der Smartphone-Nutzer unter Jugendlichen nahezu 100% erreicht. Tabelle 3: Datensammlung zu den THG-Emissionen der Online-Nutzung von IKT-Geräten Anwendungsfall Gerät Effekt Begründung Telefonieren Smartphone moderat Der direkte Stromverbrauch liegt bei ca. 20 bis (10 Minuten pro 25 mWh pro Stunde (≈ 1 kg CO2e p.a.). Wer- Tag über 1 Jahr) den die indirekten Emissionen berücksichtigt, steigen die Emissionen auf bis zu 200 kg CO2e p.a.. –––– 4 https://www.computerbild.de/artikel/cb-Tests-Handys-mit-langer-Akkulaufzeit-Test-5643959.html | 17
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten E-Mail kein spezifisches Ge- sehr gering Die vergleichsweise geringe Menge an versen- (3 Mails pro Tag) rät angenommen bis gering deten Daten induziert lediglich 4 bis 50 g CO2e (daher keine Herstel- pro Mail. Dies entspricht in etwa 4 bis 50 kg 5 lung) CO2e p.a. Textnachricht Smartphone sehr gering Die deutlich geringe Datenmenge im Vergleich (20 SMS pro Tag) zur Mail und vor allem der Verzicht auf Bild- und Videoformate (Emojis vergrößern die Daten- menge nicht) reduziert die Emissionen auf unter 0,1 g CO2e pro Nachricht. Dies entspricht we- niger als 0,7 kg CO2e p.A. (Selyukh, 2016) Suchanfrage kein spezifisches Ge- sehr gering Pro Google-Anfrage können zwischen 1 und 7 (Google, 3,5 An- rät (daher keine Her- bis gering 10g CO2e bilanziert werden . 1.277 Anfragen 6 fragen pro Tag ) stellung) pro Jahr entsprechen somit etwa ca. 1-13 kg 8 CO2e p.A. Aufruf von Videos kein spezifisches Ge- gering Bei ca. 1 Milliarde Stunden YouTube pro Tag (z.B. Youtube; ca. rät (daher keine Her- und 11,3 Millionen tonnen CO2e pro Jahr, fallen 1h pro Tag) stellung) etwa 31 g/h an. Auf ein Jahr hochgerechnet, entspricht dies etwa 11,3 kg p.a. (Etherington, 2017; Schwab, 2019) Aufruf von Websi- kein spezifisches Ge- gering Es fallen ca. 7g CO2e für das Aufrufen einer 9 tes (ca. 10 Aufru- rät (daher keine Her- Website an (Laden der Website) . Dies ent- fe pro Tag) stellung) spricht etwa 26 kg CO2e pro Jahr. Die verschiedenen Online-Nutzungsformen unterscheiden sich in ihren Auswirkungen: n Die Online-Nutzung für die Suche nach Informationen umfasst die orginären Such-Anfragen (z.B. Google), sowie das Aufrufen der anvisierten Webseiten. Auch die Nutzung von Wikipedia und anderen Informationsplattformen fällt darunter. Ent- scheidend für die verursachten THG-Emissionen ist der Stromverbrauch für die Spei- cherung und den Zugriff auf die gesuchten Informationen. Dieser Aufwand ist ver- nachlässigbar klein für eine einzelne Information auf einer expliziten Webseite (z. B. die Kontaktinformationen eines Einzelhändlers) und schlägt auch mit der vorange- gangenen Suchanfrage (z.B. Google) mit maximal 10 g CO2e zu Buche. Hierbei ist zwar nicht der Bau von Infrastrukturen wie Serverfarmen berücksichtigt, der z. B. mit relevanten Mengen an Edel- und Halbedelmetallen für Platinen, Computerchips und Kabeln einher geht. Insgesamt ist aber nicht davon auszugehen, dass Online- Informationen mit deutlich größeren THG-Emissionen einher gehen, als z.B. Informa- tionen in einem physischen Archiv wie einer Bibliothek. n Die Nutzung sozialer Medien umfasst den Aufruf von Apps, die Kommunikation so- wie das Hochladen oder Aufrufen von Inhalten (Datenübertragung). Wie eingangs festgestellt, ist der Stromverbrauch für die Verwendung der Apps selbst vernachläs- –––– 5 Bei der Berechnung im Rahmen des IKT-Klimarechners wird es für jedes System einen Referenzwert geben, der im Rahmen einer Sensitivitätsabschätzung eine untere und obere Bandbreite hat. Für eine schnelle Abschätzung kann im ersten Schritt der jewei- lige Median genommen werden. 6 https://seybold.de/11-google-fakten-2017/ 7 https://qz.com/1267709/every-google-search-results-in-co2-emissions-this-real-time-dataviz-shows-how-much/ 8 Bei der Berechnung im Rahmen des IKT-Klimarechners wird es für jedes System einen Referenzwert geben, der im Rahmen einer Sensitivitätsabschätzung eine untere und obere Bandbreite hat. Für eine schnelle Abschätzung kann im ersten Schritt der jewei- lige Median genommen werden 9 https://www.websitecarbon.com/ 18 |
Lifestyle@pro-Klima sigbar. Die dahinter liegende Infrastruktur der Anbieter könnte jedoch durchaus rele- vant sein, jedoch liegen hierzu bislang keine Daten vor. Es kann jedoch davon aus- gegangen werden, dass z. B. das Aufrufen und Versenden größerer Datenpakete wie z. B. Videos oder hochauflösender Fotos einen größeren Einfluss auf die resultieren- den THG-Emissionen hat, als das Versenden von Kurznachrichten oder Emoijs. Wie aus Tabelle 3 ersichtlich ist, sind inbesondere Kurznachrichten unter Umständen THG-effizienter als Telefonate. n Die THG-Emissionen des sogegannten Online-Streamings (Musik, Fernsehen und Videos) korrelieren direkt mit der übertragenen Datenmenge. Während für das Ab- spielen eines Musikstücks ca. 3 bis 5 MB Megabyte (MB) veranschlagt werden kann, werden bei Filmen und Serien oft mehrere hundert Megabyte übertragen (je nach Dauer des Films und der Qualität der Übertragung). Es ist anzunehmen, dass vor al- lem mit Ausbau des Breitbandnetzes und der Marktdurchdringung von 4K-Formaten (Videos mit sehr hoher Auflösung) diese Datenmengen in Zukunft weiter steigen werden (Übertragung mehrerer GB für einzelnen Film). Dies möchten wir an einem kurzen Rechenbespiel veranschaulichen: Nach Berechnungen einer aktuellen Studie (Posani et al. 2019) liegt der Stromverbrauch für die Übertragung von Daten bei ca. 24 kJ/GB oder 6,7 Wh pro MB. Für jeweils 100 MB und ei- 10 nem Emissionsfaktor von ca. 500 g CO2e pro kWh , werden demnach 0,33 kg CO2e emit- tiert. Für das Online-Streaming von Musik, können zum Bespiel 10 Lieder pro Tag zu je 3 MB veranschlagt werden. Dies entspräche jährlichen Emissionen von ca. 36 kg CO2e/a. Ein Film pro Tag in normaler Qualität (1 GB) verursacht dann bereits über 1,2 Tonnen CO2e pro Jahr. n Für Online-Spiele gilt derselbe Zusammenhang wie für Videos und Musik. Mit grö- ßeren Datenraten gehen auch höhere Emissionen einher. Hier muss grundsätzlich zwischen den Datenmengen für die Installation und das Update der Spiele (die Men- ge an Daten, die physisch auf dem IKT-Gerät gespeichert werden) und der Übertra- gungsraten während des Spielens unterschieden werden (z. B. in Echtzeit mit mehre- ren Mitspielern). Während im Bereich der meisten Smartphone-Spiele beide Größen verhältnismäßig klein sind, können vor allem bei der Nutzung von Online-Spielen auf dem Laptop oder Desktop-PC relativ große Datenmengen anfallen. Dies soll an ei- nem weiteren Rechenbeispiel veranschaulicht werden: Die Betreiber des Online-Spiels "League of Legends", eines der beliebtesten Spiele im profes- sionellen e-Sport Bereich (ein sogenanntes MOBA mit 10 Spielern in zwei Teams) veröffent- licht folgende Schätzwerte: a) einmalig ca. 100 MB für die Installation, b) 250-500 MB für Upa- tes/Patches etwa alle 2 Wochen und c) 16 MB im Upload und 3 MB im Download für ein durchschnittliches Spiel (ca. 64 kb/s im Upload und 14 kb/s im Download). Somit lässt sich ein jährlicher Datenverbrauch von ca. 22 GB abschätzen (3 Spiele pro Tag bei 300 MB für Up- dates/Patches in jeder zweiten Woche). Umgerechnet in THG-Emissionen werden somit jähr- lich ca. 70 kg CO2e emittiert. n Die Abschätzung der THG-Emissionen des Online-Handels hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Neben der Frage, ob und in welchem Ausmaß die Bequemlichkeit –––– 10 500 g CO2e/kWh entspricht etwa dem Emissionsfaktor für den Strommix in den USA (Zahlen der EPA). Da hier viele der genutzten Serverfarmen stehen, ist dies ein geeigneter Emissionsfaktor für den Stromverbrauch der IKT-Infrastrukturen. | 19
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten des Online-Handels zu zusätzlichen Konsumentscheidungen führt, sind dies: Distanz und Transportmittel für das alternative Referenzsystem (Einzelhandel), Dauer der Suche nach dem geeigneten Produkt im Online-Betrieb, Rate der Rückgaben, Dauer zwischen Bestellung und Versand (Express-Lieferungen sind i.d.R. ineffizienter), An- teil der Abholungen von der nächsten Post-/Paketstation bei Nicht-Lieferung und Wahl des Transportmittels hierfür sowie die zurückgelegten Distanzen, Beladungska- pazitäten und Transportmittel für das Versandunternehmen. Im Idealfall ersetzt ein Produkt im Online-Handel genau ein Produkt, das andererseits mit dem PKW im Ein- zelhandel abgeholt worden wäre. In diesem Fall fallen die THG-Emissionen i.d.R. ge- ringer aus, weil das Versandunternehmen mehrere Pakete in einer Nachbarschaft ausliefert. Dies geht pro Paket mit geringeren THG-Emissionen einher. Umgekehrt führt z. B. die Verknüpfung der Produktabholung mit dem Schulweg rechnerisch zu keinen zusätzlichen Emissionen; zumal dieser Schulweg üblicherweise zu Fuß, per Fahrrad oder im ÖPNV zurückgelegt wird. Andere Faktoren, wie z. B. zusätzliche Verpackungen und Verpackungsgewichte spielen nur eine untergeordnete Rolle. Sie können für eine Betrachtung der Klimaerwärmunspotentials vernachlässigt werden (wenn auch nicht für Fragen der Abfallerzeugung). 3.1.4 Zusammenfassung der THG-Potentiale für IKT-Geräte Die folgende Tabelle 4 fasst die Ergebnisse der Betrachtung der THG-Potentiale für IKT-Geräte zusammen. Das Ausmaß des Klimaerwärmungspotentials wird dabei in 5 Stufen unterschieden: n sehr gering: unter üblichen Bedingungen weniger als 10 kg/a n gering: unter üblichen Bedingungen ca. 10-50 kg/a n moderat: unter üblichen Bedingungen ca. 50-100 kg/a n hoch: unter üblichen Bedingungen ca. 100-500 kg/a n sehr hoch: unter üblichen Bedingungen mehr als 500 kg/a Tabelle 4: THG-Potentiale für IKT-Geräte Bilanzrahmen Typ Klimaerwärmungspotential Herstellung Smartphone sehr gering Laptop/Tablet Gering Desktop-PC Hoch Direkter Stromverbrauch Smartphone sehr gering Laptop/Tablet Gering Desktop-PC Hoch Online-Nutzung Information sehr gering bis gering Soziale Medien sehr gering bis gering Musik-Streaming gering bis moderat Video-Streaming hoch bis sehr hoch Online-Gaming moderat bis hoch Online-Handel k.A. (noch keine ausreichenden Angaben) 20 |
Lifestyle@pro-Klima Gemäß der ersten Einschätzung, die hier vorgenommen wurde, ist im Bereich der Herstellung und direkten Nutzung von IKT-Geräten primär der Desktop-PC relevant. Für die eigentliche Onli- ne-Nutzung schlagen vor allem Dienste mit hohen Übertragungsraten negativ zu Buche (Online- Streaming von Filmen und Online-Spiele). Die Nutzung von Apps, Suchmaschinen und Websei- ten hat hingegen nur einen geringen Einfluß auf das Klimaerwärmungspotential. 3.2 Einflussfaktoren der Nutzungsgewohnheiten und des Umgangs mit IKT- Geräten Zur Erhebung von zentralen Einflussfaktoren (z.B. Motivatoren und Hemmnisse), welche die Nut- zungsgewohnheiten und den Umgang mit IKT-Geräten bedingen, wurde eine umfassende Litera- turrecherche durchgeführt. Zudem konnte auf die Ergebnisse und die Wissensbasis vorausge- gangener Projekte zurückgegriffen werden wie z.B. die Erkenntnisse aus dem vom BMBF geför- derten Forschungs- und Kommunikationsprojekt „Rückgabe und Nutzung gebrauchter Handys“ (2012-2014). Die Literaturrecherche umfasste den Zeitraum Juni - September 2019. Zurückgegrif- fen wurde auf wissenschaftliche Datenbanken wie z.B. Science Direct und gängige Suchmaschi- nenanbieter wie beispielsweise Google Scholar. Es wurden insgesamt 62 wissenschaftliche eng- lisch- und deutschsprachige Publikationen identifiziert und betrachtet. Für die Suche in englischer als auch deutscher Sprache kamen verschiedene Stichwörter zum Einsatz wie Tabelle 4 verdeut- licht: Tabelle 5: Übersicht der verwendeten Stichwörter bei der Literaturrecherche Sprache Stichwörter Deutschsprachig Motivationsfaktoren, Treiber, nachhaltiger Verhaltensweisen, nachhaltiger Umgang, Umweltbewusstein, Umweltverhalten, IKT, Hemmnisse, Barrieren, Handy, Smartphone, Laptop, PC, Smartphone, Mobiltelefon, Tablet, Notebook, Green ICT, nachhaltiger Ge- brauch Englischsprachig motivation factors, drivers, sustainable behaviour, sustainable usage, sustainable use, barriers, ICT, smartphone, desktop computer, smartphone, mobile phone, tablet, note- book, green ICT (GICT) Quelle: Eigene Darstellung 3.2.1 Zum Einfluss soziodemografischer Faktoren Vielfach untersucht in ihrem Einfluss auf Umweltbewusstsein und Umweltverhalten wurden die soziodemografische Faktoren Alter, Geschlecht, Schulbildung, Beruf, Einkommen und die politi- sche Orientierung (Diekmann & Preisendörfer 2001, S. 110; Grunenberg & Kuckartz 2003, S. 54ff.; Preisendörfer 1999, S. 138ff.). Wie im zweiten Kapitel unter anderem vorgestellt wurde, spielen für die im Forschungsvorhaben untersuchte Gruppe von Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren genderspezifi- sche Aspekte nur teilweise eine Rolle. Signifikante Unterschiede ergeben sich beispielsweise im Bereich des Gamings, da digitale Computerspiele insbesondere bei Jungen anteilig höhere Ver- wendung finden als bei Mädchen. Dies bestätigt ebenfalls eine Fokusgruppen basierte Studie von Brito (2012), die allgemein keine Relevanz zwischen der Nutzung von IKT und Geschlecht her- ausstellte, doch insbesondere Gaming-Angebote wesentlich öfters von Jungen als von Mädchen wahrgenommen wurden. Darüber hinaus sinkt die zeitliche Beschäftigung mit Spielen bei höhe- rem Bildungsabschluss, während Informations- und Unterhaltungsdienste dagegen höher ausfal- | 21
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten len. Was den Faktor Alter anbelangt, so konnte im ersten Abschnitt ebenfalls bereits festgestellt werden, dass mit zunehmendem Alter Nachrichtenformate häufiger frequentiert werden, während der Bereich der Comedy bzw. der Bereich der Computerspiele an Bedeutung verlieren. Auch Martinho, Magalhães und Pires (2017) untersuchten das aktuelle Konsum- und Recycling- verhalten der Verbraucher in Bezug auf Smartphones und Tablets und dessen Zusammenhang mit soziodemografischen Faktoren in einer in Portugal durchgeführten explorativen Online- Umfrage. Bei den untersuchten soziodemografischen Variablen (Alter, Bildung, Beschäftigungs- art, Familiengröße, Geschlecht und Beruf) hatte das Geschlecht und die Familiengröße den größ- ten Einfluss auf das Konsumverhalten, während Geschlecht, Familiengröße und Beschäftigungs- art den größten Einfluss auf das Recyclingverhalten hatten. Kuckartz et al. (2007, S.48ff.) treffen im Rahmen ihrer Forschung zu Umweltbewusstsein und Umweltverhalten in den Bereichen Kon- sum, Mobilität und Energie ebenfalls Aussagen zu demographischen Faktoren: Während sich das Alter sehr verschieden auf das Verhalten auswirken kann, ist es beim Faktor Bildung bereits ein- deutiger: Mit steigendem Schulbildungsniveau stellt sich auch ein wachsendes Umweltbewusst- sein ein. Beim Umweltverhalten dagegen konnte zwar das Wissen von Umweltlabeln mit steigen- dem Bildungsniveau nachgewiesen werden, jedoch führte dies nicht automatisch zu einer Kau- fentscheidung. Zudem blieben niedrigschwellige Einsparmaßnahmen hinsichtlich des Energie- verbrauchs im Haushalt unbeeinflusst. Beim Faktor Einkommen konnte ein signifikanter Einfluss für ein klimaverträglicheres Verhalten festgestellt werden, doch schmälern hier vor allem Reboundeffekte das positive Verhalten: Zwar ist der Konsum von monetär besser gestellten Haushalten nachhaltiger, doch wird dies durch einen generell ansteigenden Konsum dieser Gruppe kompensiert. Hinsichtlich des Geschlechts, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Frauen generell ein umweltfreundlicheres Bewusstsein als Männer vertreten. 3.2.2 Zum Einfluss von Wissen, Einstellungen und Praktiken Hines, Hungerford und Tomera fanden bereits 1987 in ihrer Metaanalyse heraus, dass Wissen über Themen und Handlungsstrategien, die interne Kontrollüberzeugung, Einstellungen, persönli- ches Commitment und Verantwortungsbewusstsein einen Zusammenhang mit verantwortungs- vollem Umweltverhalten aufweisen. Salas-Zapata et al. 2018 untersuchten in einem ähnlichen Ansatz, welchen Zusammenhang die Faktoren Wissen, Einstellungen und Praktiken (Bestand- teile des sog. KAP-Modells) mit nachhaltigkeitsbewusstem Verhalten in verschiedenen Kulturen aufweisen. Die Begriffe KAP stehen hierbei für Knowledge (deutsch: Wissen), Attitude (deutsch: Einstellungen) und Practice (deutsch: Praktiken). Es wurden Kommunikationsinterventionen ein- gesetzt, die auf eine Erweiterung der Wissensbasis, einer Einstellungsveränderung und Verände- rung von Praktiken abzielten. Ein zentrales Ergebnis dieser Studie war die nachweisbare Inkon- gruenz zwischen Nachhaltigkeitsorientierungen und reellem Verhalten, d.h. obgleich Wissen vor- handen und umweltbewusste Einstellungen vorlagen, waren die vollzogenen Praktiken nicht nachhaltig ausgerichtet. Dieses Phänomen wird auch als „attitude-behaviour gap“ bezeichnet und durch individuelle, soziale und situative Faktoren beeinflusst (Terlau & Hirsch 2015). D.h. Perso- nen mit einer umweltbewussten Einstellung lassen dieser Einstellung nicht unbedingt Taten fol- gen wie auch Salas-Zapata et al. 2018 herausgefunden haben. Dies zeigt: Umweltverhalten ist ein äußerst vielschichtiges und heterogenes Konstrukt. Genauso wenig wie es das Umweltbewusstsein und Umweltverhalten gibt, gibt es den einen Grund, weshalb Menschen sich nicht umweltgerecht verhalten, sondern es sind eine Vielzahl von 22 |
Lifestyle@pro-Klima Gründen und Motiven, die einen Menschen dazu veranlassen, sich umweltgerecht oder eben auch nicht umweltgerecht zu verhalten. Nach der Übersicht von Langeheine und Lehmann (1986a & 1986c in Schahn 1996, S. 25) spielen die klassischen Persönlichkeitsvariablen wie z.B. Introversion / Extraversion oder emotionale Labilität keine Rolle bei der Vorhersage umwelt- freundlichen Verhaltens. Jedoch haben individuelle und soziale Motivation einen großen Ein- fluss. Beispielsweise hat umweltfreundliches Verhalten dann eine Chance, wenn es keine (gra- vierenden) Zielkonflikte zu anderen Zielen entstehen lässt. Zudem scheint Eigenverantwortlich- keit für die Umwelt ein guter Prädiktor für umweltgerechtes Handeln zu sein als auch hohe inter- nale und externale Verantwortungsattribution und Kontrollüberzeugungen (Neugebauer 2004). Als weitere zentrale Determinanten umweltfreundlichen Verhaltens sind somit Situationsfakto- ren und soziale Faktoren zu nennen. Bezüglich der Situationsfaktoren zeigte sich, dass eine entsprechende Infrastruktur gegeben sein muss (z.B. genügend Recycling-Behälter zur Abgabe gebrauchter Handys), damit die Möglichkeit besteht, umweltfreundlich handeln zu können (Dier- kes & Fietkau 1988, S. 135; Kruse 2002, S. 12; Kruse 1993, S. 235; Preisendörfer 1985, S. 61; Preisendörfer & Franzen 1996, S. 236). Zudem hat der soziale Kontext und die Bezugsgruppe einen großen Einfluss auf das eigene Verhalten (Christensen et al. 2014). So fanden Olli, Grend- stad und Wollebaek (2001) heraus, dass der soziale Kontext eine zentrale Variable ist, die das Umweltverhalten in allen Teildimensionen signifikant verbessert. Auch können Handlungsanreize umweltfreundliches Verhalten fördern, wobei diese monetärer oder nichtmonetärer Art sein können (Neugebauer 2004). Zudem ist „Wohlbefinden“ als Motiv des Umweltverhaltens ein guter Prädiktor für umweltfreundliche Verhaltensweisen. Da beispiels- weise eine Person lieber Fahrrad fährt, wenn sie Spaß an diesem Fortbewegungsmittel hat, als wenn sie es aus Gründen des Umweltschutzes tut bzw. tun muss. Dabei wird zwar deutlich, dass umweltfreundliche Verhaltensweisen nicht per se gemacht werden, weil sie umweltfreundlich sind, sondern weil ein anderes Motiv im Vordergrund steht, wie beispielsweise Spaß, Wohlbefin- den, Schutz der Gesundheit etc. 3.2.3 Psychologisches Modell zur Erklärung nachhaltigen Handels Im Rahmen der Aufbereitung des wissenschaftlichen Forschungsstandes hat sich das umwelt- psychologische Verhaltensmodell von Hamann et al. (2016) als passender Orientierungsrahmen zur Analyse von Motivationsfaktoren und Hemmnissen für eine klima-optimierten Nutzung von IKT herausgestellt. Es berücksichtigt die oben beschriebenen Einflussfaktoren und bietet darauf basierend konkrete Maßnahmen zum Motivationsaufbau und zur Verhaltensänderung. Es ist eine Erweiterung des integrativen Einflussschemas umweltgerechten Alltagshandelns von Ellen Matthies (2005), das zwei in der Psychologie sehr bekannte und viel verwendete Modelle vereint: Die Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen (1991) und das Norm-Aktivations-Modells (Schwartz & Howard 1982). Diese Modelle wurden vielfach erprobt und wissenschaftlich unter- sucht – auch in Bezug auf Umweltschutzverhalten (Hamann et al. 2016) ). Zusätzlich werden Verhaltensgewohnheiten als einflussreicher Faktor für das Umweltverhalten berücksichtigt, deren Auswirkungen bereits in früheren Arbeiten belegt werden konnten (Harms & Truffer 2005; Klöck- ner 2005). Mit der Integration sozialer Normen erweist sich das Handlungsmodell anschlussfähig an die Theories of Practice, die Handlungen und Konsumentscheidungen für das Ergebnis des Zusammenspiels von Infrastrukturen mit kollektiven Konventionen, Traditionen, Leitbildern, Insti- tutionen – Normen – halten (Shove 2006; Warde 2005; Southerton et al. 2004). Sie rekonstruie- | 23
AP 3 Motivatoren und Hemmnisse für klima-optimierte Nutzung von IKT-Geräten ren, wie Konsumstile durch soziokulturelle Institutionen und technische Infrastrukturen gesteuert werden. Der Normbegriff erklärt durch die Praxistheorien eine Erweiterung von der Mikroebene (der antizipierte Erwartungsdruck durch Freundeskreis, Familie, Kollegen) auf die Makroeben der Gesellschaft (der antizipierte Erwartungsdruck der Sozietät). Das psychologische Modell zur Erklärung nachhaltigen Handels hilft, Einflüsse auf das individuel- le Umweltverhalten zu verstehen. Es ist kein Phasen- oder Prozessmodell, welches eine Wir- kungskette beschreibt, sondern ein Modell von sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren, die das nachhaltige Umweltschutzverhalten prägen. Es besteht aus den sieben Komponenten: 1) Persönliche ökologische Norm, 2) Soziale Normen, 3) Verhaltens-) Kosten und Nutzen, 4) Abwä- gungsprozess & Intention, 5) Gewohnheiten, 6) Emotionen und 7) Umweltverhalten & seine Fol- gen (siehe Abbildung 8) . Abbildung 8: Psychologisches Modell zur Erklärung nachhaltigen Handels von Hamann et al. (2016) 1) Die persönliche ökologische Norm beschreibt die „erlebte persönliche Verpflich- tung, sich umweltschonend zu verhalten“ (nach Matthies 2005) und setzt sich zu- sammen aus dem Problembewusstsein, dem Verantwortungsgefühl und der Selbst- wirksamkeit. Das Problembewusstsein ist hierbei die Wahrnehmung, dass unsere na- türliche Umwelt bedroht ist. Verantwortungsgefühl habe ich, wenn mir bewusst ist, dass mein eigenes Verhalten für Umweltschäden und die Lösung von Umweltprob- lemen relevant ist. Selbstwirksamkeit ist die Gewissheit, eine Anforderung mit den ei- genen Fähigkeiten meistern zu können. Im Umweltkontext besteht Selbstwirksamkeit demnach aus Fähigkeiten, sich umweltschützend verhalten zu können, und einer Wahrnehmung der eigenen Kompetenz. Diese drei Bestandteile können gefördert werden und so zu einer Aktivierung und Erweiterung der persönlichen ökologischen Norm führen. 2) Soziale Normen sind Regeln und Standards, die viele Menschen teilen und die so individuelles Verhalten lenken, ohne dafür Gesetze zu benötigen. Sie deuten einer 24 |
Lifestyle@pro-Klima Person an, wie sie sich in einer bestimmten Situation verhalten sollte. Sie sind wichtig für ein umweltrelevantes Verhalten, da nach aktuellem Forschungsstand ihr Einfluss auf unser Verhalten sehr groß sein kann. Zu den sozialen Normen gehört die subjek- tive Norm sowie Soll- und Ist-Normen. 3) (Verhaltens-)Kosten und Nutzen sind monetäre und verhaltensbezogene Vor- und Nachteile eines Verhaltens. Die erwarteten Kosten wollen wir möglichst verringern und den Nutzen erhöhen. Je nach Situation kann das bedeuten, dass wir hedonisti- sche Ziele »mich sofort besser fühlen« oder gewinnorientierte Ziele »meinen eigenen Besitz schützen und vermehren« vorziehen, weil ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis besteht. Andere Motive (z. B. die persönliche ökologische Norm) treten dann in den Hintergrund. 4) Der Abwägungsprozess beschreibt das Aufwiegen der Vor- und Nachteile einer Handlung. Intention ist die Absicht, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten. Beim Abwägungsprozess werden konkret die Kosten und Nutzen einer Handlung ge- geneinander aufgewogen, um letztlich eine Entscheidung treffen zu können, zudem fließen dabei auch die persönliche ökologische Norm und soziale Normen mit ein. 5) Gewohnheiten sind Handlungen, die durch häufige Wiederholung automatisiert wur- den. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie häufig, stabil, automatisch und typi- scherweise bei der Erreichung eines bestimmten Ziels erfolgreich sind. 6) Zudem beeinflussen Emotionen wie Angst, Schuld oder Freude das Umweltverhal- ten. 7) Umweltverhalten ist das Resultat des Zusammenspiels aller Komponenten. Insgesamt wird in dem skizzierten Modell das tatsächliche Umweltverhalten als ein Zusammen- spiel von vielen Faktoren gesehen. Es ist aber zu beachten, dass beispielsweise schon eine star- ke Ausprägung eines Faktors ausreichen könnte, um Umweltschutzverhalten hervorzurufen. Zum Beispiel wenn es im eigenen Freundeskreis wieder Mode wird, sich Second-Hand-Klamotten zu kaufen (soziale Norm), wird eine Person eventuell einfach mitziehen, ohne überhaupt Wissen über schlechte Produktionsbedingungen neuer Kleidung zu haben. Jedoch skizziert das Modell vielfältige Ansatzpunkte (Motivatoren und Hemmnisfaktoren), um verhaltensändernde Effekte zu bewirken. 3.3 Motivatoren und Hemmnissen aus drei Fallbeispielen Im nachfolgenden Abschnitt werden Motivatoren und Hemnissfaktoren anhand von drei Fallbei- spielen, den Projekten „Rückgabe und Nutzung gebrauchter Handys“, „useItSmartly“ und „Academy of Change“, herausgearbeitet. 3.3.1 Fallbeispiel 1: Rückgabe und Nutzung gebrauchter Handys Das Projekt „Rückgabe und Nutzung gebrauchter Handys: Forschungs- und Kommunikationspro- jekt zur Rückgabe und Nutzung gebrauchter Handys als Ausgangspunkt für nachhaltiges Kon- sumentenverhalten“ wurde im Rahmen des BMBF-Wissenschaftsjahres 2012 "Zukunftsprojekt Erde" gefördert und lief von 11/2011 bis 03/2013. Es untersuchte am Beispiel von Mobiltelefonen das Konsumentenverhalten im Kontext der Nachhaltigkeit mit einem Fokus auf das Rückgabe- verhalten der Nutzer. Zudem werden die volkswirtschaftlichen Potenziale ermittelt, die sich aus | 25
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