Lipidstoffwechsel und Arteriosklerose (Seminar) - Prof. Dr. med. Jerzy-Roch Nofer Zentrale Einrichtung UKM Labor
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Lipidstoffwechsel und Arteriosklerose (Seminar) Prof. Dr. med. Jerzy-Roch Nofer Zentrale Einrichtung UKM Labor Universitätsklinikum Münster Sommersemester 2021
Fallbeispiel 1 Ein 37-jähriger Patient stellte sich in ihrer Praxis zu einer Kontrolluntersuchung vor. Er befindet sich in einem guten Allgemeinzustand und berichtet über keine Beschwerden. Er raucht nicht, treibt regelmäßig Sport aus, achtet auf gesunde Diät. Sein Blutdruck ist normal. Er erwähnt allerdings, dass sowohl sein Großvater als auch sein Onkel einen Herzinfarkt erlitten haben. Seine Basislaborwerte sind wie folgt: Glukose 95 mg/dL (70 – 100) HbA1c 5,1% (3.4 – 6.3) Harnsäure 5,1 mg/dL (2 – 7) CK 123 U/L (< 170) GOT 23 U/L (< 50) GPT 21 U/L (< 50) Gesamtcholesterin 310 mg/dL (< 200) Triglyzeride 128 mg/dL (< 150) Wie bewerten Sie den gesundheitlichen Zustand des Patientes insbesondere im Hinblick auf das koronare Risiko? Welche weiterführende Laboruntersuchungen würden Sie anfordern?
Fallbeispiel 1 - Fortsetzung Die bei dem Patient durchgeführten Laboranalysen ergaben folgende Ergebnisse: LDL-Cholesterin 240 mg/dL (risikoabhängig) HDL-Cholesterin 45 mg/dL (< 40 mg/dL) Lp(a) 14 mg/dL (< 30 mg/dL) Homocystein 6.9 µmol/L (< 12.0) Wie bewerten Sie diese Befundkonstellation? Welche pathophysiologische Bedeutung hat die Erhöhung der Konzentration vom LDL-Cholesterin? Wie ist die pathophysiologische Grundlage?
Distribution Zusammen- Molekulare von setzung (%) Masse (Da) Apoproteinen Dichte (g/L) Klassifikation von Lipoproteinen
Familiäre Hypercholsterinämie Familiäre Hypercholesterinämie • Gesamt Cholesterin 700 – 1200 mg/dL • erhöhtes LDL-Cholesterin • Hautxanthome • Sehnenxanthome • Arcus lipoides • Premature Arteriosklerose: Angina pectoris im frühen Kindesalter, Aortenstenose Mike S. Brown Joe L. Goldstein
Struktur des LDL-Rezeptors DOMÄNE Ligandenbindung EGF-Homologie O-gykosylierte Transmembran (292 Aminosäure) (400 Aminosäure) (58 Aminosäure) (22 Aminosäure) Zytoplasmatisch (50 Aminosäure) LDL LDL Triglyzeride LDL LDL LDL
Funktion des LDL-Rezeptors Coated pit LDL-Rezeptor LDL Golgi E-plasmatisches Reticulum Endosom Cholesterin ApoB Synthese Cholesterin Ester Cholesterin ↓↓↓ Lysosom LDL-Rez ↓↓↓
Metabolismus des LDL-Cholesterins Normal Familiäre Hypercholesterinämie Aufnahme Aufnahme Aufnahme Aufnahme durch Leber (80%) außer Leber (20%) durch Leber (20%) außer Leber (80%) LDL-R-abhängig LDL-R-unabhängig LDL-R-abhängig LDL-R-unabhängig LDL-R-abhängig LDL-R-unabhängig LDL-R-abhängig LDL-R-unabhängig (80%) (20%) (66%) (34%) (0%) (100%) (0%) (100%)
Cholesterinaufnahme in Makrophagen Rolle von Scavenger-Receptoren Klasse A I II Cholesterinester III MARCO Freies Klasse B Cholesterin SR-BI/II CD36 LDL modifiziertes CD68 (Makrosialin) LDL Schaumzelle SR-CI LOX -I Kollagen-ähnlich Muzin-ähnlich Cystein-reich C-terminal Immunogen Fettsäure-azyliert Lektin
Modifikation von LDL + + + Modifikation von LDL + Natives LDL + • Oxidation + + + + • Glykosylierung + + • Phospholipase A2 Modifikation - • Sphingomyelinase + • Homocystein + - Modifiziertes + - - LDL + - - -
LDL-Cholesterin und KHK-Risiko Koronare Herzkrankheit Ischämische Schlaganfall 3 - nicht adjustiert 3 - nicht adjustiert - adjustiert - adjustiert Relatives Risiko Relatives Risiko 2 2 1 1 110 150 190 230 110 150 190 230 LDL-Spiegel im Plasma (mg/dL) Metaanalyse : 68 Studien bei 302.430 Probanden; Danesh et al., JAMA 2009;302:1993
Oxidiertes LDL und KHK-Risiko Herzinfarkt Schlaganfall Oxidiertes LDL Oxidiertes LDL Terzil Terzil Kumulatives Risiko Kumulatives Risiko Beobachtungszeit Beobachtungszeit (Monate) (Monate)
LDL-Cholesterin: „The Lower the Better“ 30 Placebo Statin 4S Herzinfarkte (%) 25 4S 20 LIPID 15 LIPID CARE CARE 10 HPS HPS TNT (10 mg of atorvastatin) 5 TNT (80 mg of atorvastatin) 0 70 90 110 130 150 170 190 210 LDL Cholesterin (mg/dl)
Meta-Analyse: 14 Statin-Studien bei 90.056 Personen Die Absenkung des LDL-C mit Statinen um 1 mmol/l (39mg/dl) führt zu einer Reduktion • der Gesamtmortalität um 12%, • der koronaren Mortalität um 19%, • Koronarer Ereignisse (nicht tödlicher Herzinfarkt oder Koronartod) um 23%, • der Inzidenzrate des Schlaganfalls um 17%. Baigent C, Keech A, Kearney PM, et al., Lancet 2005; 366:1267-1278
LDL-Zielwerte zur Prävention der Koronaren Herzkrankheit Niedriges Risiko: LDL-Cholesterin < 115 mg/dL Mässig erhöhtes Risiko: LDL-Cholesterin < 100 mg/dL Hohes Risiko: LDL-Cholesterin < 70 mg/dL oder eine Reduktion um 50% von der Basislinie Sehr hohes Risiko: LDL-Cholesterin < 70 mg/dL oder eine Reduktion um 50% von der Basislinie 2019 Richtlinien der Europäische Kardiologischen Gesellschaft und der Europäischen Gesellschaft für Arterioskleroseforschung
Fallbeispiel 1 - Fortsetzung Welche Therapie würden Sie in Anbetracht des stark erhöhten LDL- Cholesterins bei dem Patient einsetzen? Welchen Zielwert für das LDL- Cholesterin würden Sie befürworten? Welche weiterführende Laboruntersuchungen sind bei dem Patient durchzuführen?
Familiäre Hypercholsterinämie (FH) Diagnose LDL-Cholesterin > 190 mg/dl (4,9 mmol/l) Kinder unter 16 Jahren: LDL-Cholesterin > 155 mg/dl (4,0 mmol/l) + Positive Familienanamnese Beim Index-Patienten Familienangehörige ersten Grades mit LDL-C > 190 Nachweis von tendinösen Xanthomen mg/dl (4,9 mmol/l) oder vorzeitiger KHK (Frauen < 60 oder oder Arcus corneae < 45 Jahre Jahre, Männer < 55 Jahre) oder mit Xanthomen Klinische Diagnose: familiäre Hypercholesterinämie Genetische Diagnostik Sequenzierung LDL-R, Apo-B Polymorphismus 3500 G. Klose et al., Deutsches Ärzteblatt 111, 523 (2014).
Koronares Risiko bei familiärer Hypercholsterinämie (FH) FH Patienten erleiden früher und häufiger kardiovaskuläre Erkrankungen. 1,0 Überleben ohne Herz-Kreislauferkrankung Differenz zu nicht-betroffenen Verwandten 0,8 LDL-Cholesterol (mg/dL) Nicht-betroffene Verwandte 0,6 (n=1087) 0,4 Patienten mit heterozygoter FH (n=484) 0,2 0 0 20 40 60 80 Alter (Jahre)
Familiäre Hypercholsterinämie (FH) Geschätzte Diagnoseraten in verschiedenen Länder Deutschland – ca. 5 %
Fallbeispiel 1 - Fortsetzung Die Sequenzierung des LDL-Rezeptorgens sowie die Untersuchung des ApoB-Polymorphismus 3500 führten zu keinem positiven Befund. Wie würden Sie das interpretieren?
Proprotein convertase subtilisin/kexin Typ 9 (PCSK9) Bedeutung für LDL-Metabolismus PCSK9 „gain-of-function“ Mutations • Gesamt-Cholesterin > 500 mg/dL • Triglyzeride < 200 mg/dL • Anwesenheit von Xanthomas • Erhöhtes Koronares Risiko • Familiäre Hyper- cholesterinämie
PCSK9-Inhibitoren für die Behandlung von Hypercholesterinämie: FOURIER Trial Standardtherapie Standardtherapie Kumulative Inzidenz (%) Standardtherapie LDL (mg/dL) Evolucumab Evolucumab Evolucumab Wochen Monate nach Randomisierung 26.564 Patienten randomisiert 2:1 zu Standardtherapie (Statine oder Statine + Ezetimib) oder Evolucumab (humanisiertes Antikörper gegen PCSK9) und beobachtet über 36 Monate Sabatine et al. N Engl J Med 2017;376:1713
Fallbeispiel 2 In Ihre internistische Praxis wird ein 47-jähriger Patient überwiesen, bei dem durch den Hausarzt erhöhte Lipidwerte festgestellt wurden. Seit etwa 15 Jahren besteht eine arterielle Hypertonie. Wegen eines vor einem Jahr festgestellten Vorhofflimmerns wird der Patient antikoaguliert. Der Vater des Patienten erlitt mit 45 Jahren den ersten Herzinfarkt und verstarb mit 55 Jahren am dritten Myokardinfarkt. Der Patient ist im guten AZ, aber mit 122 kg bei 1.79 m Körpergröße deutlich adipös. Der Blutdruck beträgt unter antihypertensiver Medikation 140/80 mm Hg. Der Patient hat nie geraucht. Seine Basislaborwerte sind wie folgt: Glukose 97 mg/dL (70 – 100) HbA1c 5,6% (3.4 – 6.3) Harnsäure 6,2 mg/dL (2 – 7) CK 163 U/L (< 170) GOT 66 U/L (< 50) GPT 71 U/L (< 50) Gesamtcholesterin 188 mg/dL (< 200) Triglyzeride 250 mg/dL (< 150) HDL-Cholesterin 32 mg/dL (> 40) LDL-Cholesterin 104 mg/dL (risikoabhängig) Wie bewerten Sie diese Befundkonstellation? Welche pathophysiologische Bedeutung hat die Erhöhung der Konzentration von Triglyzeriden? Wie ist die pathophysiologische Grundlage?
Transport von Lipiden im Blut Diät-Lipide C Cholesterin (C) C Triglyzeride (TG) LDL VLDL C HDL C C C VLDL C Chylo- Remnant C mikronen Remnants Fettgewebe TG Chylo- TG Makrophagen FFS mikronen Periphere Gewebe Muskel
Lipolyse von triglyzeridreichen Lipoproteinen Endothel Aufnahme von Rem- nants in der Leber Oberfläche-Remnants (HDL-Vorstufen) CM LDLR VLDL TG TG TG CM-R VLDL-R GPI- LpL LpL Proteo- HBP glykane ApoE-Rezeptore Endothel (LRP1, VLDL-R) Fettsäure Myozyten Adipo- CM-R – Chylomikronen-Remnants zyten VLDL-R – VLDL-Remnants LpL – Lipoproteinlipase
Proatherogene Wirkung von Triglyzeriden Rolle von Lipoprotein-Remnants Remnanthypothese Lipoprotein-Remnantpartikel ApoE- -Rezeptor Endothel Schaum- Zelle CE – Cholesterinester, LpL - Lipoproteinlipase
VLDL-Remnants sind proatherogen Tag 0 Aufnahme von VLDL- Nicht-nüchternes Remnants in Makrophagen Lipidprofil Kontrollzellen µg esterified cholesterol/mg cell protein VLDL Remnants Tag 2 LDL Tag 5
Women‘s Health Study Kardiovaskuläres Risiko und Triglyzeride Nüchtern Nicht-Nüchtern HDL-C ≥1.3 mmol/L Triglyzeride
Distribution von Apo- und Lipoproteinen Größe (g/mL) Chylo- VLDL mikronen IDL Dichte (g/mL) Chylomikron- LDL Remnante HDL Lp(a) Gesamt-C HDL-C LDL-C Remnant-C Nicht-HDL-C ApoA-I ApoB
Assoziation zwischen Nicht-Nüchtern-Triglyzeriden und Remnant-Cholesterin Lipoprotein-Cholesterin (mmol/l) Triglyzeride (mmol/l) Zahl (n) Varbo A et al. J Am Coll Cardiol. 2013;61:427
Copenhagen Heart Study und Copenhagen General Population Study Koronare und Gesamtmortalität in Abhängigkeit von Remnant-Cholesterin und LDL-Cholesterin Koronare Sterblichkeit Relatives Risiko Relatives Risiko Remnant-Cholesterin (mmol/l) LDL-Cholesterin (mmol/l) Gesamtsterblichkeit Relatives Risiko Relatives Risiko Remnant-Cholesterin (mmol/l) LDL-Cholesterin (mmol/l) Varbo A et al. Clin Chem. 2015;61:533–543
Fallbeispiel 2 - Fortsetzung Wie schätzen Sie das Remnant-Cholesterin bei dem Patient? Welche prognostische und therapeutische Konsequenzen ergeben sich daraus? Wie soll das Blut für die Untersuchung der Lipidwerte abgenommen werden? Nicht-HDL-Cholesterin = Gesamtcholesterin – HDL-Cholesterin 188 mg/dL – 32 mg/dL = 156 mg/dL Remnant-Cholesterin = Nicht-HDL-Cholesterin - LDL-Cholesterin 156 mg/dL – 104 mg/dL = 52 mg/dL Sehr hoch (>10) Hoch (>5) Moderat (1 - 5)
European Atherosclerosis Society European Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine Empfehlungen zur Laboruntersuchung des Lipidprofils Die Untersuchung im Nicht-Nüchternzustand wird empfohlen: • bei allen Patienten zur initialen Bestimmung des Lipidprofils • zur Einschätzung des kardiovaskulären Risikos • bei Patienten mit akuten kardiovaskulären Ereignissen • bei Folgeuntersuchungen während der Therapie mit Cholesterinsenkern • bei Kindern • bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 • bei Patienten im fortgeschrittenen Alter Die Untersuchung im Nüchternzustand wird empfohlen: • wenn Triglyzeride im Nicht-Nüchternzustand über 400 mg/dL liegen • bei Patienten mit bekannten (angeborenen) Hypertriglyzeridämien • bei Durchführung von sonstigen Tests, bei denen Nüchternzustand erforderlich ist • bei Initiierung einer Therapie, die zur Hypertriglyzeridämie führt • bei Patienten nach akuter Pankreatitis Nordestgaard et al. Clin Chem. 2016;62:930 und Eur Heart J. 2016;37:1944
Änderung der Plasmalipide nach einer gewöhnlichen Mahlzeit Triglyzeride Gesamtcholesterin LDL-Cholesterin Remnant-Cholesterin Nicht-HDL-Cholesterin Lipoprotein (a) Keine Änderung Apolipoprotein B Keine Änderung HDL-Cholesterin Keine Änderung Apolipoprotein A-I Keine Änderung Abfall Anstieg Nordestgaard et al. Clin Chem. 2016;62:930 und Eur Heart J. 2016;37:1944
Fallbeispiel 2 - Fortsetzung Lassen sich die erhöhten Triglyzeridwerte therapieren? • Sport und Diät t • Fischöl • Fibrate
Effekt von Supplementation mit Omega-3-ungesätiggten Fettsäuren auf Plasmalipide und koronares Risko Herztodt Fischöl Olivenöl Relative Änderung (%) Myokardinfarkt Vasc Health Risk Manag. 2016 Dec 12;12:481-490 Benes et al, Vasc Health Risk Manag 2016;12;481-490
Hoche Triglyzeride Fibrate bei Patienten mit Z=4.04; P
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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