(lovestory) SUPERMAN Numero 23 Prod.
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(lovestory) SUPERMAN Numero 23 Prod. Zum zwölften Mal pilgerten auch im Oktober 2005 wieder Schauspielgruppen aus ganz Europa nach Potsdam, um beim UNIDRAM-Festival einen Teil ihres Repertoires zum Besten zu geben. Nachdem die italienische Inszenierung Donne in Tempo di Guerra (nach Die Troerinnen von Euripides) das Eröffnungsstück des diesjährigen Theaterfestivals darstellte und eher mahnende Anti-Kriegst-Intentionen enthielt, lud das Schweizer Ensemble Numero 23 Prod. unter der Leitung des Italieners Massimo Furlan zu einem sehr humoristisch heiteren Bildtheater ein. In (lovestory) SUPERMAN werden Videoanimationen, musikalische, performative und theatralische Elemente so eingesetzt und miteinander verknüpft, dass der Rezipient für fünfundsiebzig Minuten die Realität verlässt und in einen Kosmos der Imagination und Fiktion eintaucht, wo er von comichaft anmutenden Bildern und komisch-grotesken Ereignissen unterhalten wird. Auf ironische Weise werden hier vermeintliche Supermänner zu Antihelden und das Imponiergehabe einer immer-jung-bleiben-wollenden Generation wird auf die Schippe genommen und belächelt. Superman trifft Superweib Gespannt starrt das Publikum auf die dunkle Bühne, ohne zu wissen, was es erwartet. Schließlich wird von einem Donner begleitet eine blonde Frau im weißen Feenkostüm beleuchtet, die zwischen ihren beiden Gehilfinnen schwebend ein Weltkugel in ihren Händen hält. Der Rest der Bühne bleibt schwarz und so beginnt der Rezipient, sich auf eine intergalaktische Weltallkulisse einzustellen, die fernab von jeglicher profaner Realität liegt. Die völlig in weiß gekleidete Blondine und ihre beiden brünetten Gehilfinnen in nixenähnlichen Gewändern vermitteln ein aktualisiertes Bild einer begehrten Adligen, die stets von ihren Zofen umsorgt und bedient wird, was schon oft in Dramen der Klassik ein beliebtes Motiv war, erinnert man sich dazu beispielsweise an die schöne Lady
Milford aus Schillers Kabale und Liebe. Während die beiden Zofen nun strickend im Dunkel sitzen, haben sechs Supermänner in zu großen blauen Liebestöter-Overalls mit roten Umhängen eine Panne mit ihrem tollen schwarzen Combi, mit dem sie sich sicherlich Erfolg bei den Frauen versprochen hatten. Nun qualmt der Motor und die Angeber-Rundfahrt muss wohl verschoben werden. Nach und nach verlassen die cool-sein- wollenden aber lächerlich aussehenden Möchtegern-Helden die Bühne. Bis auf einen, der lässig an das Auto gelehnt ein Sandwich isst und plötzlich die schöne Blondine erblickt, die mit der Erdkugel in den Händen in der Mitte der Bühne auftaucht. Beide starren sich lange an und bereits jetzt wird dem Zuschauer bewusst, was da vor sich geht. Der Antiheld in Strumpfhosen verliebt sich in die kosmische Schönheit und man kann sich vorstellen, dass die Werbung um diese weder einfach, noch elegant sein wird und der Spaß ist vorprogrammiert. Das Desaster beginnt direkt, als der Superman, immernoch lasziv an das Auto gelehnt, sich der Schönen gerne nähern will, was jedoch durch seinen Umhang, der in der Autotür eingeklemmt ist, verhindert wird. Die hübsche Blondine will ihn befreien und öffnet die Tür doch der Enthusiasmus, den das Testosteron dem Jüngling in die Adern getrieben haben muss, treibt ihn nicht zu seinem Objekt der Begierde, sondern in großen Stolperschritten von der Bühne, womit er sich seine erste Chance bei der Fee vermasselt. Der Konflikt ist gesetzt und wie die Supermänner nun versuchen werden, die schöne Blonde zu erobern, wird eine Aneinanderreihung von Missgeschicken und Peinlichkeiten, mit der sich der Zuschauer trotz der Verfremdung in der Darstellung sicherlich das ein oder andere Mal identifizieren kann. Und die sollen die Welt retten? Das nächste Bild erinnert an eine Mischung aus biblischer Schaffensgeschichte alias Adam und Eva, Frankensteins Erfindung eines neuen Menschen und The Rocky Horror Picture Show. Die sechs Supermänner präsentieren sich im
Standbild mit verschränkten Armen in einer Reihe, während ein Filmdialog eingespielt wird, in welchem der Schöpfer dieser neuen Spezies seine neuste Erfindung zu beschreiben scheint. Er wird anders, schnell, unverwundbar, isoliert, allein (...) Er schickt seinen Sprössling und dessen Klone in die weite Welt und erteilt ihm die Aufgabe, das Leben der Menschen zu verändern. Das Licht geht aus und einer der Supermänner wird wieder sichtbar. Er steht steif mit ausgebreiteten Armen und auf jeder Hand steht ein kleiner Mann und für einen Moment Glaubt der Zuschauer an Zauberei. Die kosmische Atmosphäre des Stückes wird nun noch authentischer. Man begreift, dass diese neue Spezies tatsächlich etwas Sonderbares und Neues ist und man versucht herauszufinden, wie die Umsetzung dieser optischen Täuschung möglich ist. Im folgenden Bild sind wieder die drei weiblichen Figuren präsent, die auf einem roten Polster sitzen und der Zuschauer beobachtet sie dabei, wie die beiden Zofen ihrer Herrin Schlittschuhe anziehen. Diese Szene stellt auch den Anfang des superman'schen Handelns und dessen Werbung um die Schöne dar, als alle sechs in einer Reihe ins Bild marschiert kommen und sich mit den Armen in die Hüften gestützt vor ihrem Objekt der Begierde drapieren. Wieder bleibt das Bild für einige Sekunden stehen, bis die Männer sich plötzlich gegenseitig an den Umhängen halten und sich zu einer Polonäse formieren, in der sie zu heiterer Musik über die Bühne tanzen. Die Polonäse endet in einem Ringelreihen und löst sich auf, als alle Männer mit ausgebreiteten Armen wie Flugzeuge durch den Raum laufen. Abschluss dieses sehr infantilen Tanzes bildet eine Pyramide, mit der sich die Kinder im Manne Eindruck bei den drei Frauen zu verschaffen hoffen, welche jedoch völlig unbeeindruckt bleiben und diese ganze Choreografie wohl alles andere als aufreizent und anziehend, viel mehr aber lächerlich und kindisch finden. Nachdem die Jungs reflektieren, dass sie mit dieser Tanzeinlage nichts erreichen konnten,
versuchen sie es als Rockstars und formieren sich mit Gitarren und Schlagzeug zu einer Band, mit der sie einen qualitativ nicht zu verachtenden Rock-Song zum Besten geben, was der Blondine aber leider auch nicht zuzusagen scheint. Sie verlässt mit ihren Gehilfinnen die Bühne und die Band spielt einfach weiter. Nach Ende des Liedes wird das Equipment nach und nach abgebaut und dem Drummer, der einfach nicht aufhören will, zu spielen, wird das Schlagzeug im wahrsten Sinne des Wortes unter den Händen weggetragen. Die musikalische Leistung der sonst so untalentiert wirkenden Antihelden wird vom Publikum mit tobendem Applaus belohnt. Nichts als heiße Luft Was nun folgt, könnte man schon beinahe als romantischen Kitsch deklarieren, wäre da nicht die Gewissheit darüber, dass der Regisseur Massimo Furlan und seine Gruppe Numero 23 Prod. in dieser Inszenierung mehr mit Ironie als mit Ernsthaftigkeit spielen und damit die heutige Generation karikieren. Währen der schwarzlockige Superheld mit einer Rose in der Hand im Vordergrund steht und womöglich auf seine Verabredung wartet, schleicht sich von hinten die schöne Blonde auf Schlittschuhen an und man hat nun auch das Gefühl, dass sie doch große Sympathien für den Macho hegt. Nicht zuletzt wird das dadurch annehmbar, dass eine eingespielte Frauenstimme, begleitet von sanften Harfenklängen, ein Liebesgeständnis formuliert. Weißt du, wie du mich verwandelt hast? Die feenartige Frau spricht dabei nicht selbst und deswegen weiß der Zuschauer in dem Moment nicht genau, ob sie diese romantischen Worte nur denkt oder ob das Einspielen der Stimme nur eine moderne und abstrakte Alternative zum wirklichen Sprechen im Theater darstellt. Erstere Variante scheint dabei noch am schlüssigsten, wenn man die Reaktion des Antihelden zu Rate zieht. Während die Schöne also von der Aura dieser sanften Klänge und zarten Worte umsponnen ist und der Zuschauer hofft, gleich Zeuge eines filmreifen Kusses zu werden, bleibt diese romantische Atmosphäre vom Superman gänzlich
unbemerkt. Er glaubt sich allein und rechnet nicht damit, dass er gleich wieder die Situation vermiesen wird. Denn alles, was er außer rumzustehen und zu warten noch tut, ist laut zu furzen, was die Fee dazu bringt, die Bühne zu verlassen und ein Happy End bleibt vorerst wieder im Verborgenen. Durch Aus- und-wieder-Einschalten des Lichtes wird ein neues Bild eingeleitet, in welchem alle sechs Supermänner im Kreis stehend die schöne Blonde umrahmen. Diese wird von den Jungs aus ihrem wallenden Gewand geschält, welches nun als riesige Leinwand fungiert. Bisher waren die Jungs in rot-blau nur Akteure, doch jetzt agieren die Originale als Zuschauer, die sich selbst in Form von verkleinerten videoanimierten Männlein, die auf der Leinwand sichtbar werden, beobachten. Das Publikum und auch die Original-Supermänner werden nun Zeugen eines verblüffend echt wirkenden Lichspieles, das zeigt, wie die intergalaktischen Antihelden kreuz und quer über die Leinwand fliegen. Dabei bleibt natürlich die ein oder andere Panne nicht aus und es gibt wieder reichlich zu staunen und zu schmunzeln. Eine Art Einschub kündigt den Inhalt des nächsten Bildes an. Dabei werden die beiden brünetten Zofen sichtbar, wie sie ein Buch lesen und es plötzlich zuschlagen. Mit diesem Schlag erlischt das Licht und die Musik verstummt. Im entferntesten Sinne ist diese kurze Szene mit einem Chor zu vergleichen, der im aristotelischen und besonders im antiken Drama oftmals eine Vorankündigung der folgenden Handlung preisgibt und das Publikum auf den Handlungsverlauf vorbereitet. In diesem Falle kann man das Buch als Symbol für die Bildergeschichte deuten, die hier gezeigt wird und das Zuschlagen des Buches deutet auf ein Ende hin, das womöglich kein glückliches sein wird. Nach einer Dunkelphase wird plötzlich ein dicker Mann im gelben Superman-Dress sichtbar, welcher sich weder bewegt, noch Laute von sich gibt. Es werden nun Standbilder aneinandergereiht, die jeweils durch Dunkelphasen voneinander getrennt werden, keinerlei Geräusche hervorbringen, ohne jegliche Bewegung sind, sondern nur durch Körperhaltungen der Figuren und Kompositionen ihrer selbst Aussagen treffen. Diese Abfolge von Bildern erinnert stark an einen Comic und wird vom Zuschauer wieder für in diesem Rahmen und Zeitraum nahezu unmöglich realisierbar gehalten und er glaubt wieder kurz an Zauberei. In diesem Comic wird erzählt, wie der dicke gelbe Fiesling nach und nach alle sechs Möchtegern- Superhelden zu Boden kämpft und ihnen einfach
körperlich überlegen ist. Im Anschluss an dieses Comic-Szenario folgt nun eine etwas mehr bewegte Szene, in der erneut das schwer zu vereinende Liebespaar agiert. Die blonde Fee hängt wie eine Marionette an Seilen von der Decke herab und will zu ihrem Liebsten. Von einer Liebesballade begleitet breitet auch er seine Arme nach ihr aus und will sie befreien. Doch sie wird scheinbar von einer fremden Macht nach oben von ihm weggezogen und schwebt ins Unsichtbare. Sie ist für ihn unerreichbar und der Verliebte lässt traurig den Kopf hängen. Nun schließt sich wieder ein Comicbild an. Der Superman liegt reglos am Boden und neben ihm stehen die beiden Zofen. In einem weiteren Bild sitzt der gelbe Bösewicht auf der am Boden liegenden Blondine und der Zuschauer beginnt nun zu überlegen, in wie weit der böse Gelbe am Scheitern der Liebesgeschichte beteiligt ist und ob die beiden Brünetten noch eine weitere Rolle spielen, als nur die Zofen der Blondine. Kurz vor Ende beweisen die Akteure noch einmal ihr musikalisches Talent. Während die beiden Zofen tröstend um den Superman stehen, bauen dessen Klone im Hintergrund einen Hocker, ein Mikrofon und ein Klavier auf. Begleitet von letzterem singt ein auf dem Hocker sitzender Schmuse- Macho ein italienisches Liebeslied, was vielleicht das Ende der eigentlichen lovestory formuliert aber sicherlich für den Großteil des Publikums unverständlich bleibt. Im allerletzten Bild des Stückes stehen die sechs Halbscharken in halber Größe auf der Bühne und präsentieren sich ein letztes Mal in ihren zu großen Anzügen. Die beiden Brünetten kommen auf sie zu und berühren nach und nach jeden der verkleinerten Männer mit ihren Zauberstäben. Daraufhin beginnen die Kleinen, sich blitzschnell um die eigene Achse zu drehen und ihr Kostüm zu wechseln. Aus den unattraktiven Antihelden in schlabberigen Overalls werden zunächst Kerle in Unterhosen und letztendlich Machos in bunten Hawaii-Outfits, die stark an Urlaub erinnern. Nachdem alle Antihelden in mehr oder weniger profane Beachboys verwandelt sind, gehen Licht und Musik aus und der Zuschauer rätselt wieder, wie diese Magie möglich war. Die Antwort darauf folgt, wenn das Licht ein letztes Mal angeht und die Pappständer sichtbar werden, die auf den Positionen der eben beobachteten Supermänner stehen und die Lichtprojektion ermöglichten. Zögernd und verwirrt akzeptiert das Publikum nach und nach, dass das wohl das Ende ist und spendet aufgrund dieser Verwirrung leider nur dürftigen Applaus, obwohl die Gruppe eher schallendes Geklatsche und Gepfeife verdient hätte.
(lovestory)SUPERMAN innovative Konvention vs. Postdramatik Mit dem sehr innovativen und modernen Stück (lovestory)SUPERMAN liefert Massimo Furlan mit Numero 23 prod. ein Paradebeispiel postdramatischen Theaters, das dennoch unkonventionell auf dramatische Traditionen zurückgreift, wenn man beispielsweise die beiden Brünetten tatsächlich als Zofen mit chorähnlicher Funktion interpretiert und den Dramenverlauf an sich analysiert. Dabei findet man Anhaltspunkte, die mit dem klassischen Dramenverlauf nach Aristoteles übereinstimmen. Die Exposition bilden hierbei die ersten beiden Bilder, in denen alle Figuren vorgestellt werden. Es folgt das erregende Moment, wenn dem Zuschauer klar wird, dass sich der tollpatschige Superman in die graziöse Blondine verliebt und der Handlungsaufbau erfolgt durch die zahlreichen Versuche von Seiten der Männer, die Gunst der schönen Fee zu erlangen. Den Höhepunkt erreicht das Drama, als sich Superman und seine Angebetete gegenüberstehen und das Happy End nicht mehr all zu fern zu liegen scheint. Die Handling fällt jedoch ab indem der gelbe Bösewicht einen Superman nach dem Anderen ausschaltet und die Chance auf ein glückliches Ende immer geringer wird. Das retardierende Moment ist in der Szene zu erkennen, in der die Fee und der Superman die Arme nacheinander ausstrecken und sich beinahe doch noch binden können. Doch die Katastrophe folgt schon bald, als der Held regungslos am Boden liegt und der gelbe Fiesling auch noch die Fee vernichtet hat, wodurch die glückliche Liebe verhindert und die Handlung an sich beendet wird. Obwohl dieser klassische Handlungsablauf erkennbar wird, verwendet Massimo Furlan in der Dramaturgie auch sehr innovative und postdramatisch anmutende Elemente. Ein sehr prägnantes Merkmal in der heutigen Theaterlandschaft ist, dass Handlungsinhalte oftmals nicht mehr klar und deutlich ausgesprochen und -gespielt, sondern häufig nur noch angedeutet oder stark abstrahiert dargestellt werden. In dem hier beschriebenem Stück äußert sich das beispielsweise dadurch, dass die heutige Generation von intergalaktischen Antihelden in Strumpfhosen dargestellt wird. Auch die Art und Weise, wie der Regisseur den Handlungsverlauf drastellt und zum Teil auch nur andeutet, gleicht dem postdramatischen Prinzip. Beispielsweise wird durch den bildtheatralischen Charakter, der besonders gegen Ende des Stückes mit dem Auftreten des gelben Bösewichtes immer prägnanter wird, die Handlung oftmals nicht voll ausgespielt, sondern durch fehlende Bewegung und die Aneinanderreihung von Standbildern nur angedeutet. Dies hat den Effekt, dass der Rezipient nachdenken und interpretieren muss, wenn er einen schlüssigen Handlungsverlauf erkennen will. Während des gesamten Stückes stellt sich der Zuschauer Fragen wie: Wieso wird eine Person von sechs verschiedenen Darstellern und Figuren gespielt?
Welche genaue Rolle spielen die Brünetten? Wieso verliebt sich die blonde Fee plötzlich doch in den Helden in Strumpfhosen? Wieso muss diese Liebe scheitern? In welcher Beziehung stehen die blonde Fee und der Bösewicht? Wieso will der Bösewicht die Supermänner vernichten? Wie genau lässt sich das Ende deuten? Ein weiterer Aspekt, der diesen Effekt hervorruft, ist das nahezu gänzliche Fehlen der Sprache. Währen im klassischen Theater das Medium Sprache am stärksten zur Vermittlung von Handlung und Inhalt dient, wird im postdramaitschen Theater und auch in der uns vorliegenden Inszenierung jegliche Hierarchie von Sprache, Bewegung und Bildern missachtet, wodurch dieses Stück auch einen sehr collageartigen Charakter annimmt. Im Mittelpunkt steht hier die visuelle Dramaturgie und die Situation an sich, die fast ausschließlich durch Körperlichkeit erzeugt wird. Stimmen und Texte werden nur in Form von Tonbändern eingespielt und vorwiegend auch nur an solchen Stellen, wo sie kaum nötig sind, weil man die Aussage der Bilder in dem Moment als deutlich genug empfindet, wie es beispielsweise bei der Liebeserklärung der Fee an den Superman durch eine Tonbandstimme der Fall ist. Obwohl jedes dramaturgische Mittel als gleichgewichtig zu sehen ist und die semantischen Gehalte nicht aus dem Stück wegzudenken sind, lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der performative Charakter des Stückes eindeutig überwiegt. Die Geschichte wird hier vorwiegend durch aussagekräftige Standbilder, stumme und bewegte Bilder und auch durch musikalische und tänzerische Performances erzählt, die aufgrund ihrer straken Aussagefähigkeit auch kaum der Semantik bedürfen. Was die bloße Performance in (lovestory)SUPERMAN jedoch sehr unterstreicht und für die Inszenierung unabdingbar ist, sind die akustischen Mittel, die nahezu das komplette Stück untermalen und in jeder Situation eine angemessene Atmosphäre erzeugen. So ist beispielsweise das kosmische Klirren zu Beginn des Stückes nicht wegzudenken, weil dieses stark dazu beiträgt, dass sich das Publikum auf diese galaktische Kulisse, die übrigens relativ minimalistisch ausgestattet ist, einlässt. Desweiteren nimmt die Musik in Form von Songs die Rolle von Dialogen ein, auf die in der Inszenierung verzichtet wird. Oft werden Lieder in die sonst stummen Szenen eingespielt, die das aussagen, was normalerweise durch gesprochene Worte ausgedrückt werden würde. Erinnern wir uns dabei an den Rocksong der Superman-Band, die ein Liebesgeständnis darstellt, an das Liebeslied, als sich die Fee an ihren Helden heranschleicht oder an den italienischen Chanson am Ende des Stückes. Stark verbunden werden die akkustischen Elemente auch mit dem Lichtspiel. Jedes einzelne Bild
wird durch völlige Dunkelheit vom nächsten abgetrennt, wodurch der montageartige Charakter der Inszenierung entsteht. Durch die Tatsache, dass nahezu alle dieser Dunkelphasen durch verschiedene Arten von Geräuschen (Grollen, Donner, Klirren, Knattern,...) überbrückt werden, trägt dazu bei, dass eine Einheit der einzelnen Bilder entsteht und die Atmosphäre über die visuellen Brüche hinweg bestehen bleibt. Diese galaktische und weltfremde Atmosphäre kommt auch nicht zuletzt durch das fantastische Spiel mit Videoanimationen zustande, wodurch der Zuschauer selbst magisch verzaubert wird. Diese technische Illusionierung, die die gerade noch lebensgroßen Figuren plötzlich als fliegende Miniaturen sichtbar macht, verleiht dem Schauspiel noch stärker ein surreales Flair und der Rezipient verliert sich in Utopien, Fiktionen und Kindheitsträumen und vergisst für eine Weile die Realität. Auch das Gefühl für Zeit wird beim Rezipienten während dieser Inszenierung durch das Spiel mit der Dichte der Zeichen leicht beeinträchtigt. Der Zuschauer beobachtet einen ständigen Wechsel zwischen überladenen Sequenzen, in denen gleichzeitig Bewegung, Musik und eine verhältnismäßig große Ansammlung von Requisiten und Personen enthalten sind und ruhigeren Bildern, die teilweise völlig frei von all dem ist, wie es beispielsweise in der Bildabfolge mit dem gelben Bösewicht der Fall ist. Oftmals betrachtet der Zuschauer sekundenlang ein Bild, das sich nicht verändert und wird allmählich ungeduldig, während er im nächsten Moment von Reizen nur so überhäuft wird und befürchtet, nicht alles wahrnehmen zu können, was im postdramatischen Zeitalter häufig so gehandhabt wird. Durch all diese mehr oder weniger neuartigen Stilmittel und das Ausschalten sämtlicher traditioneller Gesetzmäßigkeiten wird der Denkprozess des Zuschauers auch in diesem sonst so banal wirkenden und komischen Schauspiel eingebunden und die Bühne ist keineswegs nur als Schaukasten zu verstehen. Der Regisseur hat in dieser Inszenierung durch sein Spiel mit der Zeichendichte, der starken Abstrahierung mancher Situationen und nicht zuletzt durch die rätselhaften Lichtanimationen Verwirrung beim Rezipienten ausgelöst und den surrealen Flair der Kulisse noch verstärkt. Vor allem durch genau diese kosmische und unwirkliche, rätselhafte Atmosphäre fiel es einem Großteil des Publikums schwer, das plötzliche Ende, das durch die Aufklärung des Animationsrätsels dargestellt wurde, als solches zu akzeptieren. Genau diese profane Erklärung für das Rätsel und nicht ein klares Ende der Geschichte war es, was den Zuschauer ruckartig in die Wirklichkeit zurück gerissen hat, ohne Klarheit darüber zu haben, ob das Stück auch wirklich zu Ende ist.
Mit Bildern, die an Kindheitsträume erinnern, belächelt Massimo Furlan eine Generation des Größenwahnsinns, des Imponiergehabes und des Glaubens daran, die Welt verbessern zu können. Superman und seine Klone sind die Männer der Neuzeit, die versuchen zu zeigen, was sie gern wären aber letztendlich nur das zeigen können, was sie sind. Das Kind im Manne, jemand, der an zu großen Aufgaben scheitert. Und jemand, der auch nichts anderes können muss, als das, was er kann, um das Herz einer Frau zu gewinnen. Und wahrscheinlich sind genau die menschlichen Eigenschaften, die hier karikiert werden, auch die, die einen liebenswürdigen Menschen ausmachen, ohne dass er ein Superman sein muss. Kathleen Schumann
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