Hochschule Berlin alice22/2011 - ASH Berlin
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magazin der Alice Salomon Hochschule Berlin alice 22/2011 Schwerpunktthema: Innovation im Bereich Soziales, Gesundheit, Erziehung Forschung: Der Mensch Professionalisierung von Kita- Fachkräften auf Bachelor-Niveau im Mittelpunkt und Praxistransfer Forschung an der ASH Berlin Internationale alice: ASH Berlin meets New York City
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Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Alice Salomon Hochschule versteht biger Gesellschaft, die Verbesserung der Auch international ist viel geschehen: sich als forschungsaktive Hochschule Schlafqualität von Heimbewohnerinnen Student Filip Lühr berichtet von seinem und hat sich in den letzten Jahren in der und -bewohnern oder naturwissenschaft- Praxissemester in der Türkei und Profes- anwendungsorientierten Forschung zur liches Lernen im Kontext von Lernwerk- sorin Bettina Völter gibt eine Zwischene- Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit, stattarbeit, Analysen Grenzen über- valuation des Projekts „Luz que Anda“ der Qualitätsentwicklung in Einrichtun- schreitender Jugendkulturen sowie die in Sierra Negra, Brasilien. Die Projekt- gen der frühkindlichen Erziehung und Entwicklung, Durchführung und Evalua- gruppe „Care und Casemanagement“ der Gesundheitsversorgung deutlich tion eines Schreibcoachingprogramms. der ASH besuchte im Sommer 2011 New profiliert. Dies zeichnet sich nicht nur York City – Professorin Ingrid Kollak in- durch eine sichtbare Steigerung der ein- Die ehemalige Rektorin der ASH Berlin formiert über die besuchten Einrichtun- geworbenen Drittmittel für Forschung Christine Labonté-Roset widmet sich in gen vor Ort. ab, sondern auch durch die enge Koope- ihrem Artikel der grundlegenden Frage: ration mit Partnern aus der Praxis und „Was bedeutet Innovation im Bereich So- Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen die Verknüpfung von Forschung und Leh- ziales, Gesundheit und Erziehung?“ Der und ein gesundes und erfolgreiches neu- re. Forschung an der ASH Berlin heißt: Kuratoriumsvorsitzende des Instituts für es Jahr! im Dialog mit der Praxis zu forschen, angewandte Forschung (IFAF) Werner Ge- gesellschaftliche und institutionelle He- genbauer gibt in einem Interview Einbli- rausforderungen aufzugreifen, transdis- cke in die Arbeitsweise des Instituts, an ziplinäre Ansätze zu verfolgen und den dem zahlreiche ASH-Forschungsprojekte direkten Transfer von Forschungsfragen zurzeit angegliedert sind. und -ergebnissen zwischen Hochschule und Praxis zu ermöglichen. Nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre und im Hochschulall- Das Themenspektrum der wissenschaft- tag ist viel passiert in der letzten Zeit. lichen Studien ist vielfältig, doch im Die ASH Berlin erhielt den ersten Preis Mittelpunkt der Forschung an der ASH für gesundheitsfördernde Organisations- Berlin steht der Mensch. Professorin- entwicklung im Wettbewerb der gesund- nen und Professoren, Lehrbeauftragte, heitsfördernden Hochschulen, seit dem wissenschaftliche Mitarbeiter/-innen Wintersemester 2011 gibt es eine neue und Studierende geben in dieser Ausga- Studiengangsleitung im Studiengang be der alice Einblicke in ihre aktuellen „Soziale Arbeit“ und im Oktober fanden Forschungsprojekte oder stellen erste die ersten Türkeitage an der ASH Berlin Forschungsergebnisse vor. Dabei geht statt. Über den bundesweiten Workshop es z. B. um gesundheitliche Ressourcen Rekonstruktive Forschung in der Sozialen von Erzieherinnen und Erziehern, die Be- Arbeit an der ASH Berlin gibt der Artikel Prof. Dr. Theda Borde deutung der häuslichen Pflege in langle- von Ute Koop eine Zusammenfassung. Rektorin der ASH Berlin 3
Forschung Schwerpunktthema 28 Gender als übergreifendes Lernziel? 40 Der Mensch im Mittelpunkt – Forschung an der ASH Berlin Inhalt 6 Neues aus der Hochschule 22 Supervision und Coaching – (m)eine berufliche Zukunft!? 6 Neue Studiengangsleitung im Bachelor „Soziale Arbeit“ und Master „PSP“ 24 Trinationale Begegnung zum Thema „Kinder- und Jugendschutz“ 6 Intervision. Inter...-wie? Welche Vision? 7 Erster Spatenstich für das Kinderforscherzentrum 26 Forschung 8 1. Türkeitage an der ASH Berlin 26 Internationale Forschung – Mapping the home care in Europe 9 ASH goes Russia 28 Gender als übergreifendes Lernziel? 10 Preisträgerin des Poetikpreises 2012 30 Profis in Kitas 10 Spreeperlen gastieren an der ASH Berlin 31 Beweggründe EBK zu studieren – 11 Elektronische Zeitschriftenbibliothek Ergebnisse eines Forschungsprojekts 12 Wandelnde Worte 33 Wirkt die Gesundheitsförderung an der ASH Berlin 36 Theaterspielen – und seine Wirkungen 13 alice tagt Rückblick 38 Aus der Praxis 13 13 Jahre Alice Salomon-Promotionskolleg – 38 Sozialpsychiatrie: das Psychoseseminar an der eine Tagung ASH Berlin 14 Sinn und Struktur sozialer Wirklichkeiten 39 Folgenschwere Wahlen rekonstruieren 16 „We don‘t need no Integration“ 40 Schwerpunktthema 40 Der Mensch im Mittelpunkt – 17 Studium & Lehre Forschung an der ASH Berlin 17 „Dichten ist ein Übermut“ – 44 Was bedeutet Innovation im Bereich Soziales, ein Vortrag von Volker Kaminski Gesundheit, Erziehung? 18 Wie gut funktioniert das Entlassungs- 46 Ambulant statt stationär – management im Krankenhaus? Wohnen mit Intensivbetreuung 20 Kritische Diskursanalyse und AIDS 48 Interventionsstudie zur Verbesserung der in Südafrika Schlafqualität von Heimbewohnern 4
72 Internationale alice „Wir haben gelernt, dass man Träume realisieren kann“ – alice 22/2011 ein Projekt in Brasilien 49 Grenzen überschreitende Jugendkulturforschung 74 alice und ihre Alumni 51 „Wir sind sehr schnell arbeitsfähig.“ 74 Sich umzuentscheiden gehört zum Ein Interview über das IFAF Selbstfindungsprozess – Annette Flemig 53 Leiden onkologische Patienten unter einem pflegerischen Defizit? 75 Menschen 55 Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett 75 Maren Bartenstein 56 Luft ist nicht nichts. Zu Besuch in der 75 Julia Kayser Lernwerkstatt „Zauberhafte Physik“ 76 Jan Kessinger 58 Naturwissenschaftliches Lernen im Kontext 76 Constanze Schult von Lernwerkstattarbeit 77 Verena Meister 60 Gesundheitliche Ressourcen und Belastungen 78 Susann Richert von Erzieherinnen und Erziehern 78 Nils Lahmann 61 Hochschulen bilden Potenziale: Analyse und 79 Jaqueline Schoen & Jana Gampe Evaluation des Bildungsmentorings 80 Maxine Saborowski 63 Chancengleichheit an der ASH Berlin?! 81 Sharlina Spiering 65 Entwicklung eines digitalen Test- und Evaluierungs- systems für Manuelle Aktionen 82 Ausgezeichnet! 66 Häusliche Pflege in langlebiger Gesellschaft 82 Ausgezeichnet gesund: ASH Berlin erhält Preis 68 Entwicklung, Durchführung und Evaluation eines für Gesundheitsförderung Schreibcoachingprogramms 82 Die Margherita-von-Brentano-Preis ehrt Dagmar Schultz 83 Die Absolventinnen und Absolventen der ASH Berlin, 70 Internationale alice Sommersemester 2011 70 ASH Berlin meets New York City 84 Lesestoff 71 „Wir haben gelernt, dass man Träume realisieren kann“ – ein Projekt in Brasilien 91 Termine, Termine 93 Die letzte Meldung 72 Im Bann von Big Apple – ein Praxissemester in NYC 94 Impressum 5
Neues aus der Hochschule Neue Studiengangsleitung im Bachelor Soziale Arbeit und Master Praxisforschung in Sozialer Arbeit und Pädagogik Maria Molito, Nadine Csonka Zum Beginn des Wintersemesters 2011/12 haben Prof. Dr. Heinz Stapf-Finé die Studiengangsleitung im Bachelor Soziale Arbeit und Prof. Dr. Regina Rätz die Studiengangsleitung im Master Praxisforschung in Sozialer Arbeit und Pädagogik übernommen. Die beiden Positionen wurden vakant nachdem Prof. Dr. Elke Kruse nach einigen Jahren an der ASH Berlin einen Ruf an ihren ehemaligen Studienort Düsseldorf angenommen hat. Die Rektorin der ASH Berlin Prof. Dr. Theda Borde begrüßte die Kollegin und den Kollegen in ihren neuen Funktionen als Studiengangsleitungen und freut sich auf die Zusammenarbeit. Die Rektorin Prof. Dr. Borde beglückwünscht Prof. Dr. Stapf-Finé ... ... und Prof. Dr. Rätz Intervision. Inter...-wie? Welche Vision? Sam-Lennard Asbeck, Elke Weisgerber ten wir das Beratungsmodell und den anzubieten. Der Falleingeber ermittelt Intervisionsprozess kennen und trai- anschließend aus den Vorschlägen die Kollegiale Beratung meint: Problem- nierten Methodik und Rollenverständnis für das Ziel oder den Wunsch nächstlie- lösungen gemeinsam entwickeln als Intervisorinnen und Intervisoren. gende Lösung. Daraus erstellt die Grup- pe gemeinsam einen Handlungsplan, Initiiert durch das Projekt „alice gesund Wie funktioniert eine Intervision? der sowohl Teilziele als auch einen Zeit- – gesundheitsfördernde Hochschule“ plan beinhaltet. Zur Überprüfung des wurden vom Jahresanfang bis Mitte Ap- Damit die Intervision zum Erfolg führt, Erfolgs berichtet der Falleingeber bzw. ril 2011 etwa 27 Angehörige der Hoch- ist eine Gruppengröße von mindes- die Falleingeberin der nächsten Sitzung schule, Lehrende und Beschäftigte der tens 5–6 Personen sinnvoll. Aus dieser über die weitere Entwicklung der Situ- Verwaltung zu Intervisorinnen und In- Gruppe wird zuerst ein/e Moderator/-in ation. In einer Feedbackrunde evaluiert tervisoren geschult (vgl. Newsletter der gewählt. Hat sich ein/e Falleingeber/-in die Intervisionsgruppe ihre Fallbear- ASH Nr. 2/2011). Das Konzept der Inter- mit einer zu lösenden Situation gemel- beitung. Gegebenenfalls kann bis zum vision, der kollegialen Beratung, fußt det, leitet die Moderator/-in durch den nächsten Mal die gewählte Methode auf der einfachen Idee, dass Menschen, Prozess und alle anderen sind kollegiale verändert werden. die in der gleichen Einrichtung arbeiten, Beratende. Nach der Fallerzählung wird sich wechselseitig fachkompetent und der Falleingeber bzw. die Falleingeberin Wie wirkt Intervision? effizient bei beruflichen Problemen be- gebeten, eine Schlüsselfrage an die Be- raten können, wenn die hierfür notwen- ratenden zu formulieren. Diese analy- Mit dem erarbeiteten Handlungsplan digen Rahmenbedingungen geschaffen sieren und formulieren zunächst Zusam- bekommt der Falleingeber bzw. die und eingehalten werden. In drei Unter- menhänge und mögliche Ursachen, um Falleingeberin einen Motivationsschub, gruppen und fünf Tagesworkshops lern- im nächsten Schritt Lösungsszenarien sich der geschilderten Situation zu stel- 6
Neues aus der Hochschule Leitfaden für einen kollegialen Beratungsprozess (nach Anke Schmidt, Dipl-Psych. Trainerin ZAGG GmbH) gruppe führen zu psychischer Entlas- Phase Wer tut was? - Rollen und Aufgaben Dauer tung und zu größerem Wohlbefinden. 1 Alle: Fallsammlung, Themenspeicher/Flipchart 5 Min. Schließlich werden die Kommunika- tion und der gegenseitige Austausch 2 Alle: Fallauswahl, Rollenverteilung: Falleingeber/-in, Moderator/-in (protokolliert/Flipchart), ggf. Beobachter/ 5 Min. gefördert, Moderationskompetenz und -in (achtet auf Zeit/Regeln), die anderen: Berater/-in Reflexionsfähigkeit erworben sowie Wertschätzung und Anerkennung ange- 3 Falleingeber/-in (F) stellt Istsituation dar 20 Min. regt. Mittelfristig haben kollegiale Be- 4 Berater stellen Klärungsfragen, aktives Zuhören Phasen 3 – 4 ratungsteams positiven Einfluss auf das 5 F formuliert Wunsch, Ziel, Schlüsselfrage 5 Min Klima einer Organisation und fördern somit Effekte wie Vertrauensaufbau, 6 Ursachenrunde: aller außer F 10 Min. F bewertet und wählt aus 5 Min. kooperative Lern- und Arbeitskultur und die Bereitschaft zu Austausch und 7 Lösungsrunde: aller außer F 10 Min. Reflexion auf allen Ebenen. F bewertet und wählt aus 5 Min. 8 F formuliert Handlungsplan zur Umsetzung 10 Min. Interesse geweckt? (Erfolgsprüfung in der nächsten Sitzung) (5 Min.) 9 Evaluation, Weiterentwicklung durch die Gruppe: Intervision ist eine schnell zu erlernen- Methoden anpassen, Reflexion, konstruktive Kritik, 5 Min. de Methode. Die aktiven Intervisorinnen ggf. Weitergabe an andere Stellen. und Intervisoren können neue Kollegin- nen und Kollegen in die Gruppe auf- len. Die falleingebende Person fühlt zuführen. Auch die Beratenden werden nehmen und diese so ebenfalls in der sich nicht mehr allein gelassen, es in ihrer Kompetenz akzeptiert, indem kollegialen Beratung „ausbilden“. Der entsteht ein kollegiales Gefühl. Jede/r ihre Meinung in den ausgearbeiteten Erfolg für eine Verbesserung kollegialer Berater/-in bringt die eigene Sicht auf Handlungsplan aufgenommen wird. Kooperation ist garantiert. die problematische Situation ein, wo- Gleichzeitig erhalten alle am Beratungs- durch Perspektivwechsel oder -erweite- prozess Beteiligten Einsichten in die Weitere Informationen: rung ermöglicht, Handlungspotenziale verschiedenen Bereichsstrukturen und ash-berlin.eu/profil/alice-gesund eröffnet und eigene Ressourcen zur Um- die hieraus entstehenden Arbeitswei- setzung in ein zieladäquates Verhalten sen der unterschiedlichen Abteilungen aktiviert werden. Die unterschiedlichen der Kolleginnen und Kollegen. Argumente können in die Arbeitsgestal- tung integriert werden, um so eine Ver- Die Stärkung der Ressourcen und das besserung des Arbeitsablaufs herbei- Mitteilen und Teilen in der Intervisions- Erster Spatenstich für das Kinderforscherzentrum HELLEUM Olga Theisselmann Finanzen, Hella Dunger-Löper, Staatsse- kretärin für Bauen und Wohnen, Claudia Den Auftakt für den Bau des Kinderfor- Zinke, Staatssekretärin für Bildung, Wis- scherzentrums HELLEUM in der Kastani- senschaft und Forschung, sowie Prof. enallee 59 in Berlin-Hellersdorf bildete Dr. Theda Borde, Rektorin der Alice Sa- ein feierlicher erster Spatenstich am 1. lomon Hochschule Berlin, gemeinsam September 2011. Rund 150 Gäste aus mit Hellersdorfer Kindern. Das Kinder- Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Bildung forscherzentrum HELLEUM schafft in und Wissenschaft waren der Einladung Marzahn-Hellersdorf erstmals ein schul- gefolgt. Den Spatenstich setzten unter übergreifendes Lernangebot für Schüler- Der Spatenstich für das Kinderforscherzentrum Helleum anderem Bauherr Stefan Komoß, stell- und Kita-Gruppen, Bewohner des Bezirks vertretender Bezirksbürgermeister und sowie ein Weiterbildungsangebot für pä- Weitere Informationen: Bezirksstadtrat für Schule, Sport und dagogische Fachkräfte. www.helleum-berlin.de 7
Neues aus der Hochschule Vernetzung, Diskussion und Informationsaustausch während der 1. Türkeitage an der ASH Berlin Susann Richert In 2009 etablierte die ASH Berlin für Zum abwechslungsreichen kulturellen Studierende der Sozialen Arbeit die Programm trugen am Donnerstagabend Zum Auftakt des Wintersemesters Spezialisierung Bachelor Internatio- eine Lesung der bekannten Schriftstelle- 2011/12 veranstaltete die Alice Salomon nal. Dieser Studiengang fußt auf der rin Emine Sevgi Özdamar (siehe Artikel Hochschule Berlin am 13. und 14. Okto- langjährigen Kooperation mit der Ha- auf Seite 10) bei, die durch einen musika- ber 2011 zum ersten Mal die Türkeitage cettepe Universität in Ankara und er- lischen Beitrag am Klavier von Fritz Kaas in Hellersdorf und präsentierte sich damit möglicht Studierenden der ASH Berlin umrahmt wurde. Während Emine Sevgi einmal mehr als eine weltoffene Hoch- einen Auslandsaufenthalt in der Türkei. Özdamar von der Türkei nach Deutsch- schule. Im Fokus der Veranstaltung, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Hellersdorf bekle! land emigrierte, Türkeitage in lebt Fritz Kaas, der frü- unter dem Motto „Hellersdorf bekle! Ge- weiteren Hochschulen, wie der Akdeniz Geliyoruz! her Lehrer am Badischen Konservatori- Berlin Hellersdorf liyoruz! Warte Hellersdorf, wir kommen!“ Universität, wurden auch während der um war, heute in der Türkei und ist als stattfand, standen die Beziehungen der Türkeitage mit den Gästen aus Antalya 13. und 14. Oktober Gastdozent 2011 Universität an der Akdeniz Hochschule, ihrer Mitarbeiter/-innen und erörtert. Alice Salomon Hochschule in Antalya tätig. Beide Künstler haben Berlinihre Migrationserfahrung und die durch Auseinandersetzung mit Verschieden- Türkeitage heit Neues geschaffen. Eine Veranstaltung der Alice Salomon Hochschule in Berlin Hellersdorf Berlin und des Studiengangs Bachelor International. Besprochen, diskutiert und gefeiert werden die Beziehungen der Hochschule und ihrer Studierenden zur Türkei in Lehre, Forschung und Praxis und die damit einhergehenden Kooperationsmöglichkeiten und Angebote. Unsere Kooperationspartner aus der Türkei, Organisationen aus Berlin und Einrichtungen der ASH Berlin stellen sich zur weiteren Vernetzung und Diskussion vor. Veranstaltungsort: Alice Salomon Hochschule Berlin Alice-Salomon-Platz 5 12627 Berlin direkt an der U5 Hellersdorf www.ash-berlin.eu Studierenden zur Türkei. Bereits beste- Die bereits etablierten und zukünftigen hende vielfältige Kooperationen in Leh- Hochschulpartner aus der Türkei stell- re, Forschung und Praxis wurden sicht- ten sich während der Veranstaltung vor bar gemacht und weiter ausgebaut. und luden anschließend zur Diskussion über „Soziale Arbeit in der Türkei“ ein. Auch Berliner Einrichtungen, die bereits jetzt als Modelle guter Praxis für die Partizipation von Migrantinnen und Mi- granten gelten, gaben Einblick in ihre Dr. Semsettin Dagli von der Akdeniz Universität Arbeit. Studierende und Lehrende der bei der Erstellung eines Ebru-Kunstwerkes Alice Salomon Hochschule Berlin dis- kutierten gemeinsam mit Praxisvertre- terinnen und -vertretern die Potenziale Am Freitagnachmittag faszinierte der der transnationalen Beziehungen für die Workshop zur Ebru-Kunst, geleitet von Weiterentwicklung der Lehre, Forschung Dr. Semsettin Dagli, zahlreiche Besucher/ und Praxis in Sozialer Arbeit, Gesund- -innen. Diese ließen anschließend zu den Infobörse mit hochschulinternen sowie Berliner heit und Bildung und bauten neue Brü- Klängen des berlin_anatolischen ASH En- Praxiseinrichtungen und Projekten cken und Netzwerke auf. sembles die Türkeitage ausklingen. 8
Neues aus der Hochschule ASH Berlin goes Russia Die ASH Berlin knüpft neue Kontakte zu Universitäten in Moskau und Rostow am Don 2500 Studierende. Mit dem Rektor der RSSU, Prof. Dr. Wassili Iwanowitsch Zhukow, vereinbarte Prof. Borde einen baldigen Gegenbesuch in Berlin. ASH Berlin und Südliche Föderale Universität in Rostov am Don entwickeln deutsch-russisches Masterprogramm Gemeinsam mit dem Studiengangsleiter des Bachelors Soziale Arbeit, Prof. Dr. Heinz Stapf-Finé, reiste die Rektorin der ASH Anfang Oktober 2011 zur Südlichen Föderalen Universität in Rostov am Don. Gemeinsam mit dem Rektor der Univer- sität, Prof. Dr. Vladislav G. Zakhare- vitsch, unterzeichnete die Rektorin eine Kooperationsvereinbarung mit dem Ziel, einen gemeinsamen deutsch-russischen Doppelmaster für Internationales Sozi- almanagement zu entwickeln. ASH Berlin aktiv im Deutsch-Russi- Prof. Dr. Borde besucht eine Lernwerkstatt für Kinder und Jugendliche mit Behinderung schen Jahr der Bildung, Wissenschaft und Innovation Nadine Csonka soziale Integration für Menschen mit Behinderung im Rahmen der Städte- Die Regierungsvertreter auf deutscher ASH Berlin blickt ostwärts partnerschaft Berlin-Moskau teil. Wei- und russischer Seite haben beschlos- tere Teilnehmer/-innen der Berliner sen, ein „Deutsch-Russisches Jahr der Entsprechend ihres Leitbildes versteht Delegation waren Vertreter/-innen des Bildung, Wissenschaft und Innovation sich die ASH als weltoffene Hochschule Landesamtes für Gesundheit und So- 2011/12“ auszurichten. Mit der Initia- und kooperiert auf internationaler Ebe- ziales Berlin (LaGeSo) und der Berliner tive, die am 23. Mai 2011 startete, soll ne mit Hochschulen, Praxiseinrichtun- Sozialwirtschaft. Während der einwö- die erfolgreiche bilaterale Zusammenar- gen und Verbänden, um die internatio- chigen Reise besuchte Theda Borde beit zwischen Wissenschafts- und For- nale Zusammenarbeit der Studierenden, zwei Hochschulen in Moskau. Mit der schungsorganisationen, Hochschulen Lehrenden und Mitarbeiter/-innen an Psychologisch-Pädagogischen Universi- sowie Unternehmen sichtbar gemacht der ASH zu fördern. Zunehmend richtet tät der Stadt Moskau wurden Gespräche und weiter intensiviert werden. Die ASH sich der Blick auch ostwärts: Seit die- über Studienprogramme und insbeson- wird im Rahmen des deutsch-russischen sem Sommer haben die Rektorin und dere über Fern- und Online-Studiengän- Wissenschaftsjahres einen Förderan- die neue Studiengangsleitung des Ba- ge zur Überwindung von Zugangsbarri- trag bei der Hochschulrektorenkonfe- chelors Soziale Arbeit neue Kontakte in eren für Studierende mit körperlichen renz (HRK) für die Ausrichtung einer Russland geknüpft. Einschränkungen geführt. Die Russische Russlandwoche beantragen. Durch die Staatliche Sozialuniversität (RSSU) ist für Juni 2012 geplante Russlandwoche Rektorin der ASH Berlin zu Besuch in mit rund 100.000 Studierenden eine der sollen die Kooperationen mit den neu- Moskau größten Universitäten des Landes und en russischen Partneruniversitäten der bietet u. a. Studiengänge in Sozialer Ar- ASH weiter ausgebaut und Anreize für Im Juli 2011 nahm die Rektorin der ASH beit und Rehabilitationswissenschaften einen Studien-, Praktikums- oder For- Prof. Dr. Theda Borde an einer Delega- an. In den Studiengängen Soziale Arbeit schungsaufenthalt in Russland geschaf- tionsreise nach Moskau zum Thema und Sozialmanagement studieren ca. fen sowie kommuniziert werden. 9
Neues aus der Hochschule Preisträgerin des Poetikpreises 2012 steht fest Susann Richert zwölf Jahren ihre erste Theaterrolle Der Alice Salomon Poetik Preis wurde am Staatstheater Bursa im „Bürger als 2006 zum ersten Mal vergeben, als die Die Besucher/-innen der Türkeitage an Edelmann“ von Molière an. Von 1967 ASH Berlin den deutschlandweit ersten der ASH Berlin konnten sie bereits live bis 1970 besuchte sie die Schauspiel- Masterstudiengang „Biografisches und auf der Lesebühne erleben: Emine Sev- schule in Istanbul. Sechs Jahre später kreatives Schreiben“ einführte. Mit gi Özdamar, die designierte Preisträge- nahm sie die Arbeit als Regieassisten- diesem Preis zeichnet die Hochschule rin des Alice Salomon Poetik Preises tin an der Volksbühne Ost-Berlin auf. Künstler/-innen aus, die durch ihre be- 2012. Dort arbeitete sie zusammen mit dem sondere Formensprache und Vielfalt Brecht-Schüler und Regisseur Benno zur Weiterentwicklung der literarischen Besson und Matthias Langhoff. Es folg- sowie visuellen und musischen Künste ten Stationen in Paris, Avignon und beitragen und dabei immer die Inter- Bochum. disziplinarität berücksichtigen, die sich auch in den Studien- und Kulturangebo- Seit 1982 arbeitet Emine Sevgi Öz- ten unserer Hochschule wiederfindet. damar als freie Schriftstellerin. Für Zu den bisherigen Preisträgern gehö- ihre Werke erhielt sie zahlreiche ren bedeutende Künstler wie Gerhard Auszeichnungen wie den Ingeborg- Rühm, Michael Roes, Rebecca Horn, Bachmann-Preis (1991) und den Kleist- Valeri Scherstjanoi und Eugen Gomrin- Preis (2004). Zudem ist sie seit Mai 2007 ger. ordentliches Mitglied in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Verliehen wird der Alice Salomon Poe- (Darmstadt). 2006 erschien die Berlin- tik Preis 2012 in einem festlichen Rah- Istanbul-Trilogie „Sonne auf halbem men eines Neujahrsempfangs in der Weg“, die Özdamars drei große Ro- Berlinischen Galerie am Samstag, den Die designierte Poetikpreisträgerin 2012 mane enthält: „Das Leben ist eine Ka- 14. Januar 2012. Emine Sevgi Özdamar rawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging Weitere Informationen: Die in der Türkei geborene deutsche ich raus“, „Die Brücke vom Goldenen http://www.ash-berlin.eu/profil/ Schriftstellerin, Schauspielerin und Horn“ und „Seltsame Sterne starren auszeichnungenpreise/alice-salomon- Theaterregisseurin nahm im Alter von zur Erde“. poetik-preis/ Spreeperlen gastieren an der ASH Berlin Die Wanderausstellung zum Buch „Spreeperlen. Berlin - Stadt der Frauen“ wurde an der ASH Berlin präsentiert Nadine Csonka Technologie und Frauen und eine der Bezirks Marzahn-Hellersdorf, Snezana Initiatorinnen des Projekts, berichtete Sever, und der Referentin des Rekto- Vernissage über die Entstehung des Buches und rats der ASH, Nadine Csonka, ermög- Am 20. September 2011 eröffneten die versicherte, dass in einer Neuauflage licht. Prorektorin der ASH, Prof. Dr. Susan- zahlreiche neue bzw. wieder entdeck- ne Viernickel, und die Bezirksbürger- te Geschichten über „die Kämpfe der Die Ausstellung zum Buch meisterin Dagmar Pohle die Wander- Frauen für politische Teilhabe, das Die Ausstellung präsentiert ein Berlin- ausstellung zum Buch „Spreeperlen. Wahlrecht, Selbstbestimmung über ih- Panorama aus weiblicher Perspektive. Berlin – Stadt der Frauen“ im Foyer ren Körper und ihr Leben, für Bildung In kurzen Texten und mit künstleri- der Alice Salomon Hochschule Berlin. und Arbeit […]“1 erzählt werden könn- schen Fotos werden Orte dargestellt, Dr. Gabriele Kämper, Leiterin der Ge- ten. Die Ausstellung an der ASH wurde die für Kämpfe und Schicksale von Ber- schäftsstelle Gleichstellung in der Ber- durch das gemeinsame Engagement liner Frauen – der „Spreeperlen“ – ste- liner Senatsverwaltung für Wirtschaft, der Gleichstellungsbeauftragten des hen. Darunter ist auch die Gründerin 10
Neues aus der Hochschule Die Ausstellung „Spreeperlen“ an der ASH Berlin und Namensgeberin unserer Hochschule, Alice Salomon. Die Ausstellung entstand infolge des im Mai 2010 veröffentlichten gleichnamigen Buches, eines Kooperationsprojekts des Frauensenats Berlin und der Frauen- und Gleichstellungsbeauftrag- ten der Bezirke. Die Wanderausstellung zieht weiter An der ASH konnten Hochschulangehörige und auswärtige Gäste die Ausstellung sechs Wochen lang besichtigen. Ende Oktober wurden die informativen Aufsteller wieder eingepackt und traten ihre Reise zu Ausstellungsstätten in den Berliner Bezirken an. 1 Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen Berlin (Hg.): Spreeperlen. Berlin – Stadt der Frauen, Berlin 2010, S. 4 f. Neu: Elektronische Zeitschriftenbibliothek freigeschaltet! Birgit Sievers Seit dem Wintersemester 2011/12 sind text gestatten. Die Zugänglichkeit wird Von den 270 Fachzeitschriften, die die 50 Fachzeitschriften der ASH-Hochschul- mit Ampelsymbolen dargestellt: ASH Hochschulbibliothek im Print-Abon- bibliothek nun in der Elektronischen Grün nement bezieht, gibt es derzeit auf 50 Zeitschriftenbibliothek freigeschaltet. für allgemein zugängliche Zeitschriften auch den Online-Zugriff. Die Elektronische Zeitschriftenbiblio- Zeitschriften Die vollständige Liste aller ASH-Zeit- thek (EZB) ist ein kooperativer Service Gelb schriften finden Sie unter: von 564 Bibliotheken, Konsortien bzw. für die jeweils lokal lizenzierten Forschungseinrichtungen mit dem Ziel, Zeitschriften (z. B. ASH-Nutzer und www.ash-berlin.eu ihren Nutzern einen unkomplizierten und -Nutzerinnen) –> Bibliothek –> Literatursuche leichten Online-Zugang zu Volltextzeit- Rot –> ASH-Zeitschriften schriften zu ermöglichen. Die EZB wurde für lokal nicht verfügbare 1997 von der Universitätsbibliothek Re- Zeitschriften Seit November 2011 sind diese Online- gensburg gemeinsam mit der Universi- versionen in der EZB-Datenbank für die tätsbibliothek der TU München ins Leben Angehörigen der ASH Berlin freigeschal- gerufen und verzeichnet etwa 55.000 tet. Den Link dazu finden Sie unter: Zeitschriftentitel zu allen Fachbereichen, darunter 7.500 reine Online-Zeitschrif- www.ash-berlin.eu ten. In der EZB werden alle elektroni- –> Bibliothek –> Literatursuche schen wissenschaftlichen Zeitschriften –> EZB (Elektronische Zeitschriften geführt, die einen Zugriff auf den Voll- bibliothek) 11
Neues aus der Hochschule Wandelnde Worte Susann Richert Seit Beginn des WS 2011/12 werden alle Studierenden, Hochschulangehö- rigen und Besucher/-innen der Alice Salomon Hochschule Berlin mit einem spanischen Gedicht von Eugen Gomrin- ger begrüßt. Der Preisträger des Alice Salomon Poetik Preises 2011 stellte sein Gedicht „avenidas“ für die Ge- staltung der südlichen Außenwand der Hellersdorfer Hochschule bereit. Eugen Gomringer ist einer der bedeu- tendsten Autoren der deutschen Ge- genwartsliteratur. Er begründete die Konkrete Poesie und ist zugleich einer ihrer prominentesten Vertreter. Dieser von Gomringer selbst in den 1950er- Jahren in Anlehnung an die Konkrete Das Gedicht „avenidas“ auf der südlichen Außenfassade der ASH Berlin Kunst geprägte Begriff umschreibt eine Dichtkunst, die das „Sprachmaterial“ Gomringer spielt mit Wiederholungen findet dann seinen Höhepunkt in dem in den Vordergrund stellt. Durch be- und dem Wechsel der Wörter und schafft plötzlich und nur einmal auftauchen- sondere Anordnungen der Buchstaben so neue Zusammenhänge zwischen ih- den „admirador“. und Wörter wird eine eigene künstle- nen. Auch sein Gedicht „avenidas“ wie- rische Realität erschaffen und Bedeu- derholt mehrmals die Schlüsselwörter Die Gedichte Gomringers gehören zum tungsinhalte werden visualisiert. „avenidas“, „flores“ und „mujeres“ und Kanon der modernen Lyrik. Anzeige Rückenwind für Talente Unser Angebot Unsere aktuellen Förderschwerpunkte Stipendien und ideelle Förderung Studierende aus Fachhochschulen Foren zum interdisziplinären Austausch Menschen mit Migrationshintergrund Zugang zu unserem Netzwerk im In- und Ausland Studierende aus nicht-akademischen Elternhäusern Alumni-Programm, Mentoring MINT-Fächer, insbesondere mit Bezug zu Ökologie sowie Umwelt- und Klimaforschung Unsere Erwartungen Studierende aus Ost- und Südosteuropa, GUS, Besonders gute Schul- und Studienleistungen Naher Osten, Nordafrika, Konfliktregionen weltweit Gesellschaftliches Engagement und politisches Interesse Unterstützung der Ziele der Heinrich-Böll-Stiftung www.boell.de/studienwerk Nächste Bewerbungstermine: 1. März und 1. Sept. 2012 LY_201111_07_ANZ Alice210x74_cmyk.indd 1 07.11.2011 17:17:51 12
alice tagt 13 Jahre Alice Salomon-Promotionskolleg – eine Tagung Ruth Großmaß würdigte die Rektorin der ASH, Prof. Dr. rung – dargestellt anhand von Rückblick Theda Borde, in ihrer Begrüßung nicht Biographien iranischer Frauen“ vor Seit 13 Jahren gibt es an der Alice Salo- nur die im Kolleg stattfindende Förde- mon Hochschule ein Promotionskolleg, rung von Promotionen als wichtigen n Dr. des. Marion Klein faszinierte mit dem Absolventinnen aus den praxiso- Schritt zur vollen Akademisierung der die Zuhörerinnen mit ihrem Beitrag rientierten Studiengängen der (sozialen) Studiengänge an der ASH; sie warf auch „You get, what you see“ – Erfahrun- Fachhochschulen bei der Erstellung einer einen Blick in die Zukunft, die weitere gen von Schülerinnen und Schülern Dissertation gefördert werden. Im Alice Aufgaben bereithält: Weitere Studien- am, im und mit dem Denkmal für die Salomon-Promotionskolleg bedeutet richtungen gilt es einzubeziehen und die ermordeten Juden Europas in Berlin Förderung dreierlei: Ein Stipendium kann unbefriedigende strukturelle Situation – vergeben werden, das einen vorüberge- das Promotionsrecht liegt nach wie vor Die anschließende Kaffeepause war aus- henden Ausstieg aus der Berufsarbeit ausschließlich bei den Universitäten – zu gesprochen lebhaft; es gab Nachfragen ermöglicht. Ist man in das Kolleg aufge- verändern. und Diskussionen zu den einzelnen Vor- nommen, wird die Forschungsarbeit in trägen – eine Pausenatmosphäre, nach einem regelmäßig tagenden Kolloquium Prof. Dr. Birgit Rommelspacher, eine der der man sich auf Kongressen oft sehnt. begleitet und durch einen Methoden- Begründerinnen des Promotionskollegs, Entsprechend schwierig war es, die workshop unterstützt, in dem die empi- gewährte in ihrem Beitrag Einblicke in die Pause als Pause zu beenden und in die rischen Methoden, die für eine innovati- Entstehungsgeschichte des Kollegs, das Plenumsarbeit zurückzukehren. Das In- ve/kritische Praxisforschung nötig sind, sich dem feministischen Engagement von teresse war dann aber schnell geweckt: vertieft und auf das je spezifische For- einzelnen Hochschullehrerinnen und der Die aktuellen Stipendiatinnen stellten in schungsprojekt bezogen werden. Frauenbeauftragten verdankt. Sie zeig- einer Postersession ihre Forschungspro- te das Themenspektrum der inzwischen jekte vor: Untersuchungen zu Adultis- In den vergangenen 13 Jahren sind im entstandenen Arbeiten auf und skizzierte mus standen neben Fragen der Antise- Promotionskolleg, das durch das Land die berufliche und persönliche Herkunft mitismusforschung. Das Poster zu einer Berlin und die ASH finanziert wird, nicht des Engagements der Doktorandinnen Forschung über Kooperationsformen und nur eine Reihe interessanter Arbeiten für eine kritische Forschungsarbeit. Dass -defizite von Gesundheitsdiensten stand entstanden, sondern auch wichtige auch von ihrer Seite viel persönliches En- neben dem, das sich mit der Analyse von Kooperationsbeziehungen und Vernet- gagement in das Kolleg eingegangen ist, sozialen Netzwerken englischsprachiger zungen. Sich austauschen, die jeweils dass sie viele Arbeiten auch als Gutach- Frauen aus Kamerun beschäftigt. Neben- Nachrückenden durch Tipps und Informa- terin begleitet hat, war an der Lebendig- an ging es um Fragen der Gerechtigkeit in tionen unterstützen, sich auf dem Weg keit ihrer Schilderung und der genauen der psychosozialen Beratung sowie um in neue berufliche Aufgaben gegenseitig Kenntnis vieler Arbeiten zu merken. die psychosozialen Folgen der Krimina- Mut machen – diese informellen Ressour- lisierung nicht-deutscher drogenabhän- cen des Kollegs haben von Anfang an Nach einer musikbegleiteten Pause folg- giger Männer und parallel dazu um die eine große Rolle gespielt und zu andau- ten die beiden Programmpunkte der Ta- Kulturalisierung fachlicher Kompetenzen ernden Kontakten und freundschaftlicher gung, die von Stipendiatinnen und Absol- von Fachkräften mit Migrationshinter- Kooperation geführt. ventinnen des Kollegs gestaltet worden grund. Man konnte nicht alle Themen im sind: Gespräch erkunden, aber an einzelnen Um diese Tradition des Stipendienpro- Postern entstanden intensive Gesprächs- gramms sichtbar zu machen, zu feiern In drei Kurzvorträgen wurden Ergebnisse situationen. und fortzuschreiben, wurde im Sommer- abgeschlossener Promotionen vorge- semester 2011 eine Tagung mit dem Titel stellt: Eher fließend war dann der Übergang „13 Jahre Alice Salomon-Promotions- zum Austausch zwischen „Ehemaligen“ kolleg“ initiiert. Sie fand am 1. Juli in n Dr. Heike Radvan skizzierte ihre Er- und „Stipendiatinnen“, auch der Über- der Zeit von 14 bis (letztendlich) 22 Uhr gebnisse zum Thema „Pädagogisches gang zu Abendessen, Geselligkeit, be- im Audimax der ASH statt. Handeln und Antisemitismus“ gleitet von Musik. Ein gelungener Nach- mittag und Abend, darin waren sich am Nach der Eröffnung durch die stellvertre- n Dr. Fartash Davani trug zum Thema Ende alle einig. tende Frauenbeauftragte Leah Czollek „Flucht als persönliche Krisenerfah- 13
alice tagt Sinn und Struktur sozialer Wirklichkeiten rekonstruieren 5. Bundesweiter Workshop Rekonstruktive Forschung in der Sozialen Arbeit Ute Koop In ihrer Begrüßung wünschte Prof. Dr. ist anders, jedes Projekt ist einzigartig“ Bettina Völter allen Teilnehmerinnen (Budrich 2009: 12). Qualitative Forschungsansätze erlan- und Teilnehmern Inspiration und An- gen in der Sozialforschung zunehmend regungen für weitere Forschungspro- Nach dem Vortrag besuchten 65 interes- Bedeutung, die Forschungslandschaft zesse. Idealerweise sollten diese durch sierte Teilnehmer/-innen die Workshops, entwickelt sich „breit und varianten- Kongruenz von Denken, Fühlen und um Methoden der Rekonstruktiven Sozi- reich“ (Miethe/Bock 2010: 9). In dieser Wollen beflügelt werden, dem „Flow“, alarbeitsforschung live zu erleben. Die „sozialwissenschaftliche[n] Forschung, jenem einzigartigen Glücksgefühl, das Palette der präsentierten Forschungsme- zu der sowohl eine planungs- und durch völlige Vertiefung und Aufgehen thoden war reichhaltig. Prof. Dr. Stefanie anwendungsorientierte Praxis- und in einer Tätigkeit entstehen kann. Sauer (Evangelische Hochschule Berlin) Handlungsforschung als auch eine ana- lytische und grundlagentheoretische Sozialforschung gezählt werden kön- nen“ (Miethe/Bock 2010: 15) ist rekons- truktive Sozialforschung verortet. Seit 2008 werden Workshops zu Re- konstruktiver Sozialforschung in einer Kooperation des „Netzwerkes für Re- konstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie“ mit der Fachgruppe „For- schung“ der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) veranstaltet – in den letzten Jahren in zusätzlicher Zu- sammenarbeit mit der „Fachgruppe Pro- motionsförderung nach FH-Abschluss“ der DGSA. Vom 15. bis 17. September 2011 fand der nunmehr 5. bundesweite Vortrag von Barbara Budrich Workshop an der Alice Salomon Hoch- schule Berlin (ASH) unter der Leitung Zum Auftakt zog der von Barbara Budrich und Dr. Lydia Schambach-Hardtke (ASH) von Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner, gehaltene Vortrag „Erfolgreich Publizie- boten „Erste Orientierung und Metho- tatkräftig unterstützt von Ute Koop und ren in den Sozial- und Erziehungswissen- denwahl“ mit einem Überblick über Petra Falk und weiteren studentischen schaften“ sowohl Tagungsteilnehmer/- Theorie und Praxis der Sozialforschung Mitarbeiterinnen, statt. innen als auch externes Publikum an. und verschiedenen Methoden entlang Mit fundierten Kenntnissen aus eigener eigener abgeschlossener Promotionen Interessierte Kolleginnen und Kolle- Praxis informierte die Inhaberin des Bud- an. „Qualitative Inhaltsanalyse in Akti- gen, Forschungsgruppen, Nachwuchs rich Verlages über wissenschaftliches on“ konnte unter der Leitung von Prof. wissenschaftler/-innen und Studierende Publizieren aus Verlagsperspektive. Wie Dr. Silke Gahleitner erfahren werden. waren ebenso eingeladen wie an For- auch in ihrem gleichnamigen Buch die In diesem halbstrukturierten Verfahren schung interessierte Praktiker/-innen Leser/-innen lud Barbara Budrich im Vor- wird – je nach Forschungsfrage – ein aus den verschiedenen Handlungs- trag die Zuhörer/-innen dazu ein „das Bü- Wechselspiel induktiver und deduktiver feldern der Sozialen Arbeit. In acht chermachen aus Sicht der Büchermacher Vorgehensweisen entfaltet, um den in- fortlaufenden Forschungswerkstätten zu betrachten“ (Budrich 2009: 10), um haltlichen Gehalt des vorliegenden Ma- wurde die Möglichkeit geboten, eigene sich als Autor/-in mit und in dieser Welt terials zu erschließen. Prof. Dr. Michael Forschungsarbeiten, erhobenes Daten- erfolgreich bewegen zu können. Bessere Appel (Evangelische Fachhochschule material oder Exposés für geplante For- Kommunikation und Transparenz zwi- Nürnberg) und Prof. Dr. Gerhard Rie- schungsvorhaben zu präsentieren und schen Verlag und Autor/-in ermöglichen mann (Georg-Simon-Ohm-Hochschule mit erfahrenen Kolleginnen und Kolle- angemessene Würdigung wissenschaft- Nürnberg) erarbeiteten in ihrem Work- gen zu diskutieren. licher Arbeiten, denn „[j]ede Publikation shop die Grundlagen und Forschungs- 14
alice tagt schritte der „Sozialwissenschaftlichen Mannheim) und Prof. Dr. Nina Wyssen- die jeweilige Arbeit interessierten, zu be- Erzählanalysen“ – vor allem auf der Kaufmann (Berner Fachhochschule für sprechen. Beide Zusatzangebote erfreu- Basis autobiografisch- und interaktions- Soziale Arbeit) waren Interaktionen und ten sich reger Nachfrage. geschichtlich-narrativer Interviews. Der Gespräche von Professionellen. Diese Workshop „Fallrekonstruktionen“ unter Methoden tragen sowohl der Vielschich- Insgesamt waren die Rückmeldungen der Leitung von Prof. Dr. Klaus Kraimer tigkeit interaktiver Wirklichkeitserzeu- nach dem Workshop äußerst positiv. (Hochschule für Technik und Wirtschaft gung als auch den Interessen an Pra- Einige strukturelle Anregungen wurden des Saarlandes) und Prof. Dr. Walburga xisreflexion Rechnung. Prof. Dr. Armin für die Planung des nächsten Jahres Hoff (Fachhochschule Erfurt) hatte das Schneider (Fachhochschule Koblenz) aufgenommen. „Trotz der Heterogeni- Ziel, Routine- und Konfliktfälle sozial- erweiterte das qualitative Spektrum um tät der Teilnehmer/-innen eine fruchtba- arbeiterischer Praxis zu rekonstruieren, einen „Blick über den Tellerrand“, indem re Zusammenarbeit mit hohem Output habituelle Erfordernisse in der Professi- in seiner Forschungswerkstatt „Standar- und Motivationsschub, auf jeden Fall ein on zu (re)konstruieren und idealtypische disierte und triangulative Forschungsde- Workshop zum Wiederkommen“, so der „clear-cases“ als Beispiele für eine gelin- signs“ die Möglichkeiten der Kombina- Tenor. gende Praxis zu konstruieren. tion von quantitativen und qualitativen Designs durch Triangulation aufzeigt Wurde in dieser Tagung also der „Flow“ Prof. Dr. Michaela Köttig stellte im Work- wurden. erreicht? shop „Biographische Fallrekonstruktio- nen und Dialogische Biographiearbeit“ Gearbeitet wurde in allen Forschungs- Zumindest für eine ist es ganz klar: das sozialwissenschaftliche Paradigma werkstätten am konkreten Datenma- „Ja, Forschen macht glücklich!“ und die Konzeption der Methode Biogra- terial der Teilnehmenden (Fragebögen, (Prof. Dr. Silke Gahleitner in ihrem phische Fallrekonstruktionen vor und Interviews, Gruppendiskussionen, Be Begrüßungswort). führte exemplarisch Auswertungsschrit- obachtungsprotokolle, schriftliche Quel te durch. Sie führte auch in das Verfah- len u. Ä.). ren der Dialogischen Biographiearbeit ein. Der Ansatz der „Dokumentarischen Einen besonderen Akzent setzten die Methode“, geleitet von Dr. Heike Radvan Zusatzangebote für Promotionsinter- (Amadeu Antonio Stiftung) und Dr. An- essierte und Promovierende von Prof. ne-Christin Schondelmayer (FU Berlin), Dr. Rudolf Schmitt (Hochschule Zittau- zielt auf die Rekonstruktion der sozialen Görlitz) und Judith Rieger (Katholische Weitere Informationen: Handlungs- und Interaktionspraxis ab. Hochschule Berlin). In der Fragerunde für Deutschen Gesellschaft für Soziale In diesem methodologischen Rahmen Promotionsinteressierte und Promovie- Arbeit (DGSA): wurde ein Forschungsdesign entwickelt rende nach FH-Abschluss konnten Inter- http://www.dgsainfo.de/index.html und in die Forschungspraxis eingeführt. essierte Fragen zur Promotion stellen. In Gegenstand der Forschungswerkstatt einer Postersession gab es Gelegenheit Fachgruppe Rekonstruktive „Gesprächsanalyse und ethnografische für Promovierende, ihr Konzept und den Sozialarbeitsforschung: Interaktionsanalyse“ von Dr. Ulrich Rei- Stand ihrer Dissertation darzustellen http://www.rekonstruktive-sozialar- temeyer (Institut für Deutsche Sprache und im kleinen Kreis derer, die sich für beitsforschung.de/ Literatur ≤≤ Bock, Karin / Miethke, Ingrid (Hg). Unter Mitarbeit von Bettina Ritter und Franziska Schäfer (2010): Handbuch Qualitative Methoden in der Sozialen Arbeit. Opladen & Farmington Hills, MI: Budrich Verlag. ≤≤ Budrich, Barbara (2009): Erfolgreich Publizieren in den Sozial- und Erziehungswissenschaften. Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich. ≤≤ Gahleitner, Silke / Gerull, Susanne / Petuya Iturarte, Begoña / Schambach-Hardtke, Lydia / Streblow, Claudia (2005): Einführung in das Methoden- spektrum sozialwissenschaftlicher Forschung. Uckerland: Schibri Verlag. 15
alice tagt „We don‘t need no Integration“ Teilnehmer/-innen der Tagung “We don‘t need no Integration“ Marie Preis und Cornelia Kiehne sowie mit viel Nachdenken, Lachen und zählt, wer gebildet ist, arbeiten geht Applaus ausklingen zu lassen. und Steuern zahlt, nicht durchbricht, Unter diesem Motto veranstaltete die sondern untermauert. studentische AG „In_Between“ im Juli Da der Integrationsdiskurs fast aus- 2011 eine Tagung zur kritischen Analy- schließlich auf diskriminierenden und n Fragen wie „Ließe sich der Integrati- se der vorherrschenden Diskussion um ausgrenzenden Aussagen basiert, gab es onsbegriff auf alle Menschen anwen- Integration sowie Handlungsperspekti- schnell Einigkeit darüber, dass dieser in- den?“, „Was würde das bedeuten?“, ven. Ziel der Veranstaltung war, Mecha- akzeptabel ist. Im Folgenden wollen wir „Sind wir ‚gut integriert‘?“ verwiesen nismen besser zu verstehen, in welche einige Kritikpunkte aufführen: auf einen sozialchauvinistischen Cha- die Integrationsdebatte eingebettet ist, rakter, der den Integrationsdiskurs ne- z. B. warum auf diese Art über Integra- n Aufbauend auf Fremdzuschreibungen, ben dem kultur-rassistischen Aspekt tion geredet wird und nicht anders und welche als unüberbrückbare Differen- maßgebend prägt. wie das mit unserer Gesellschaftsord- zen oft über kulturelle oder religiöse nung und bestehenden Machtstrukturen Argumente konstruiert werden, ist ein n Das führt uns zu unserem letzten zusammenhängt. Wunsch der Organi- antimuslimischer Rassismus entstan- wichtigen Punkt: Die gesellschaftliche satorinnen und Organisatoren war es den, der strukturelle und persönliche Tabuisierung eben dieser Themen: auch, dem Diskurs über Integration, wie Diskriminierung gegenüber als Mus- (kultureller) Rassismus und Sozial- er momentan geführt wird, etwas entge- limen wahrgenommenen Menschen chauvinismus. genzusetzen. begünstigt. Die Tagung schuf einen Raum, in dem Die Einladung dazu nahmen circa 80 n Versuche, Klischees abzubauen, indem es möglich war, Integration anders zu Gäste aus Studium, Lehre, Praxis, The- diese widerlegt werden, verfallen einer denken oder Integration gar nicht zu orie und Politik oder aus Neugier an, Logik, die auf Leistung und Verwert- denken, sich von Vorstellungen wie um sich einen Tag lang in unterschiedli- barkeit gründet. Beispiele „gut gelun- Mehr- und Minderheitsbevölkerung zu chen Formen intensiv mit der Thematik gener“ Integration erzählen von „Men- verabschieden, Mehrfachzugehörigkei- zu beschäftigen: In vier Workshops am schen mit Migrationshintergrund“, ten zu akzeptieren und eurozentristische Vormittag ging es erst einmal um die die es trotz all der Schwierigkeiten Perspektiven hinter sich zu lassen. Au- Auseinandersetzung mit der Debatte aus geschafft haben, das Gymnasium zu ßerdem wurde die Möglichkeit genutzt, verschiedenen Blickwinkeln. Im Open besuchen, studieren zu gehen und die ein anderes Handeln zu diskutieren. Ein Space wurden zwei Themenbereiche nun einen angesehenen Job haben. Handeln, das Menschen z. B. den Zugang weiter vertieft, um den Tag anschließend Diese Darstellung einer Selektion nach zu Institutionen wie der ASH erleichtert, mit interaktivem Forum-Theater zum Nützlichkeit wurde stark kritisiert, da und wie dadurch auch Theorie-Praxis- Thema Rassismus an der Hochschule, sie die bestehende Ordnung, in der nur Barrieren überbrückt werden können. 16
Studium & Lehre „Dichten ist ein Übermut“ Volker Kaminski tatsächlich trainieren und objektiv ver- deren Modulen darstellt, die genannten bessern lässt. Mir wurde klar, wie nötig Schwierigkeiten meistern, die jedem im Ein Auszug aus dem Vortrag des Berliner der unbestechliche Blick des Lektors ist, Weg liegen, der damit beginnt? Autors Volker Kaminski anlässlich des Er- dem Mängel im Text sofort auffallen, der scheinens der Hochschulanthologie „und Unschönheiten aller Art kompromisslos Nach meiner Erfahrung leben Erzählun- dann ging die Geschichte erst richtig los aufspürt und schlechte Angewohnheiten gen vor allem von ihrer Fähigkeit, mich – ein Lesebuch“ am 4. Juni 2011 in der li- beim Schreiben tilgt. als Leser zu überraschen. Dies kann nicht teraturWERKstatt Berlin. Die Anthologie jede Geschichte gleichermaßen leisten. versammelt 30 Texte, die im an der ASH Was für ein komplizierter Prozess ist Ge- Da das Schreiben wie gesagt eine kom- Berlin angebotenen Masterstudiengang schichtenschreiben! Es bedeutet nicht plizierte und geradezu waghalsige Ange- „Biografisches und Kreatives Schreiben“ nur das Niederschreiben logisch und legenheit ist, geht mancher Autor lieber entstanden sind. semantisch korrekter Sätze, das Beherr- den sicheren Weg. Geschichten dürfen schen der Rechtschreibung, den vertrau- durchaus geradlinig, schlicht und schnör- ten Umgang mit Grammatik, Verfügen kellos erzählt – gewissermaßen ebener- über Wortschatz und Stil. Ohne Rhyth- dig sein. Alltagsgeschichten, die von per- musgefühl, ohne Gespür für den richtigen sönlichen Konflikten handeln, vom Glück Ton bleibt alles leblos. Und was ich beim oder von den Sorgen in der Beziehung, Schreiben einer Geschichte zuallererst von Krankheit und Alter, von kleinen und wissen muss, ist, wie eine Geschichte größeren Ängsten. aufgebaut ist, wie ein Anfangssatz klingt und wie ich von dort aus weiterkomme Tatsächlich stieß ich auf Geschichten, die und – last, but not least –, wie ich enden vom Schuhkauf handeln, von Erlebnissen soll … mit Kollegen, brenzligen Geschäftskonfe- renzen, vom Zugfahren und Reisen, vom Ich hätte damals als junger Germanistik- zu versorgenden Kind daheim, vom allbe- student mit dem Schreiben wahrschein- kannten Beziehungskrieg auf der Auto- lich aufgehört, wenn mir klar gewesen fahrt, vom Frühstück eines Rentnerpaa- wäre, wie heikel das Herstellen von Lite- res – Geschichten, die eine gewisse Stille ratur ist. verströmen, die in ruhigem Fahrwasser bleiben, weil sie sich als Beschreibung Dass „Creative Writing“ damals schon, von Alltagsrealität verstehen. in den Achtziger Jahren, fester Bestand- teil an den Universitäten der angelsäch- Dass ich natürlich als Leser darüber hi- sischen Länder war, wo Seminare abge- naus gern entführt, in fremde Zonen ge- Der Schriftsteller Volker Kaminski während seines Vortrags zur Anthologie halten werden, in denen das Schreiben lockt, in Extremsituationen versetzt oder geschult wird und praktische Schreiber- an aberwitzige Orte verzaubert werden „Ich habe mich immer gefragt, ob sich fahrungen gesammelt werden können, möchte, die es nur in der Literatur gibt, Prosaschreiben lernen lässt, so wie man wurde mir erst viel später bekannt. ist zwar ein verständlicher Wunsch, doch ein Handwerk oder eine Sprache lernt. Ob im Rahmen dieser Hochschul-Anthologie es möglich ist, die Befähigung, Geschich- Nun spreche ich über einen Sammelband war dies eher nicht zu erwarten. Dass ich ten zu schreiben, auf pädagogische mit Geschichten, der die Abschlussarbei- solche Geschichten aber auch fand, Tex- Weise in Schreibkursen, Workshops, in ten von Studierenden enthält, die im Rah- te, die den Mut zum Überschwang, zur kleinen oder größeren Seminaren zu er- men eines Weiterbildungs-Studiengangs Phantastik haben, in denen die Sprache langen. Dies war zwar nicht meine erste an der ASH „Kreatives und Biografisches selbst sich hervortut und zu malen be- Frage an das Schreiben, aber bestimmt Schreiben“ lernen. ginnt, war für mich eine Überraschung. meine zweite. Denn ich war mit meinen literarischen Versuchen anfangs quälend Schreiben lernen auf diesem Wege „Dichten ist ein Übermut“ – dieses Goe- allein. scheint mir ehrlich gesagt ziemlich thewort aus dem „West-östlichen Divan“ schwierig. Wie soll man in einem Wei- fällt mir ein. Es ist natürlich ein extrem Später machte ich die erstaunliche Ent- terbildungsstudium, in dem das Prosa- hoher Anspruch ans Schreiben, aber hier deckung, dass sich Geschichtenschreiben schreiben nur ein kleiner Teil unter an- durchaus an seinem Platz. 17
Studium & Lehre In einem Text weiß ich zunächst nicht, Oma ankommen und die Geschichte mit Sie es vielleicht nicht erwartet hätten: wo ich mich befinde. Die Ich-Erzählerin dem Satz: „Das Tor steht offen“ endet. Stephen King. In seinem für jeden ehrgei- spricht von einer seltsamen Wanderung zigen angehenden Autor empfehlenswer- durch das Gewirr von Haaren, beschreibt Schließlich möchte ich einen Text er- ten Buch „Das Leben und das Schreiben“ seltsame „Familienköpfe“, die sie be- wähnen, der mir auffiel, weil er in einer („On Writing“) behauptet King, der Ge- wohnt, erwähnt „Wüstenköpfe“, auf Fertilitätsklinik spielt. Der Held, der hier genstand des Erzählens sei ein „Fossil“, denen kein einziges Haar wächst. Kein die Ergebnisse seine Fruchtbarkeit porti- dessen Ausgrabung Sache des Autors ist. Zweifel, ich bin auf dem Kopf eines Men- onsweise abliefert und sich damit ein Ta- „Geschichten sind Fundstücke, Fossilien schen! Ich folge einer verstoßenen Kopf- schengeld verdient, erfährt nun, dass er im Boden […] Überbleibsel, Teile einer laus auf ihrer weit verzweigten Odyssee. gar nicht zeugungsfähig ist. Was für ein noch unentdeckten, seit jeher bestehen- Desaster! Hat er doch gerade erst – er ist den Welt.“ Es komme darauf an, mit fei- In einer anderen Geschichte geht es heiß immerhin schon 51 – einen heftigen Kin- nem Werkzeug zu arbeiten, damit nichts zu, es ist ein Sommertag auf einer Wiese, derwunsch entwickelt. während der Bergung verletzt wird. Die es riecht nach Salbei, und die Heldin – ihr Geschichte ist immer schon da, und es Verhalten lässt keinen Zweifel – muss Was beim Blick ins Kapitelverzeichnis der geht nur darum, sie möglichst vollstän- verrückt sein. Doch was in der Einbil- Anthologie sofort auffällt, ist, dass von dig auszugraben – nicht mit dem groben dung dieser vermutlich nervenkranken den dreißig Texten nur zwei von männli- Spaten, sondern mit dem feinen Bohrer, Frau geschieht, wird mir in sinnlich far- chen Autoren stammen. Eine erdrücken- mit „Druckluft, Handmeißel, vielleicht so- benprächtigen Bildern geschildert. Die de Mehrheit des weiblichen Geschlechts! gar einer Zahnbürste.“ Frau wird mit einem Salbeiblütenkranz Erzählen Frauen lieber als Männer? gekrönt, bevor sie mit einer anderen rät- Dies ist sicher ein gewagtes Bild für das selhaften Frau unversehens zu einem He- Schließlich will ich von einer Schwierig- Prosaschreiben, wenn man bedenkt, xenflug in die Luft abhebt! keit sprechen, die dem Schreiben von wie schwierig sich der Schreibprozess anderer Seite droht, und die in Griff zu andererseits gestaltet. Aber verlassen Wiederum eine andere Geschichte be- bekommen, fast die meiste Geduld er- Sie sich darauf – wenn Sie nur lange ge- schreibt das atemlose Radrennen zwei- fordert. Was kann denn überhaupt noch nug graben, werden Sie irgendwo einen er Kinder, die neben der Berliner Mauer Neues vom Leben erzählt werden, da Schatz finden, auch wenn es manchmal wohnen. Ihre Fahrt wird genau beschrie- doch bereits alles erforscht, hundert Mal nur trockene Knochen sind. Aber mit ben, man glaubt die Szenerie von Mauer, gesagt, hin und her gedreht und millio- rätselhaften Knochen in der Erde haben Grenze und umliegenden Äckern vor sich nenfach wiedergekäut worden ist? schon manche spannende Geschichten zu sehen. Die Fahrt wird durch den To- begonnen!“ desstreifen immer wieder unterbrochen, Dazu wollte ich Ihnen von einem sehr be- bis die Kinder schließlich beim Haus der kannten Autor etwas zitieren, von dem Wie gut funktioniert das Entlassungsmanagement im Krankenhaus? Erfahrungen aus einer Lehrstudie des Projektmoduls „Care und Case Management im Krankenhaus“ Magdalena Sitarczuk, Christin Lieberwirth arbeit mit einem Berliner Krankenhaus uns, auch davon, wie eine gute Entlas- wollten wir herausfinden, ob das Care sung geplant abläuft. Denn dazu gibt es Die Studierenden des Projektmoduls im und Case Management bekannt ist und Standards. Doch wir wissen auch, dass Studiengang „Gesundheits- und Pfle- eingesetzt wird. Wir konzentrierten uns es in der Praxis Vorbehalte gegenüber gemanagement“ sind zum größten Teil auf die Kenntnisse und Erfahrungen der Standards gibt, und die Vorteile eines mehrjährig ausgebildete examinierte Mitarbeitenden, einer Projektgruppe des einheitlichen Vorgehens fallen dem in- Pflegefachkräfte sowie einige ausgebil- Masterstudiengangs, untersuchten par- dividuellen Arbeiten häufig zum Opfer. dete Heilerziehungspfleger/-innen. Aus allel dazu die Dokumentationslage und Zudem muss von der Klinikleitung in Zu- dieser praktischen Erfahrung heraus führten Patientenbefragungen durch. sammenarbeit mit den Mitarbeitenden wissen wir, wo die Schwierigkeiten bei ein Standard auf die Bedürfnisse der der Organisation der Patientenentlas- Eine Vorstellung von unserem Untersu- versorgten Patienten und Patientinnen sung liegen könnten. In der Zusammen- chungsfeld Krankenhaus hatte jede/r von und die existierenden Strukturen und 18
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